Finanzgericht Hamburg Beschluss, 28. Nov. 2016 - 3 K 24/16

bei uns veröffentlicht am28.11.2016

Gründe

1

Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit ist der Befangenheitsantrag gemäß § 51 FGO i. V. m. § 42 ZPO zumindest unbegründet.

I.

2

Die beanstandete Hinweisverfügung der Einzelrichterin vom 7. November 2016 lässt keinen Grund im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO erkennen, der geeignet wäre, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Einzelrichterin zu rechtfertigen.

3

Ausgehend vom gerichtsüblichen Sprachgebrauch, hier gegenüber dem als Prozessbevollmächtigten auftretenden Berufsträger im Sinne von § 62 Abs. 2 FGO, ist der Hinweis auf die Möglichkeit, etwaige Zeugen zur Verhandlung zu "sistieren", eindeutig im Sinne der Möglichkeit, die Zeugen zum Termin mitzubringen oder zu stellen (vgl. z. B. BFH, Beschlüsse vom 07.07.2008 VIII B 106/07, BFH/NV 2008, 2028; vom 30.03.2006 IV B 202/04, Juris).

4

Durch einen solchen Hinweis wird einem Beteiligten rechtzeitig Gelegenheit zur entsprechenden Beweisvorsorge gegeben (vgl. Beschlüsse BVerfG vom 29.03.2007 2 BvR 547/07, Juris; BFH vom 30.03.2006 IV B 202/04, Juris).).

II.

5

Eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 42 ZPO besteht auch nicht im Hinblick auf angefragte Kontakte der Einzelrichterin mit Strafrichtern, Staatsanwaltschaft oder dortigen Akteuren eines im sachlichen Zusammenhang mit dem Finanzprozess vorangegangenen Strafverfahrens (Landgericht Hamburg, Urteil vom..., ..., nachgehend BGH, Beschluss vom ..., ...); ebenso wenig im Hinblick auf Kontakte mit im Strafurteil genannten Personen, Behörden oder deren Amtsträgern.

6

1. Abgesehen von der Unzulässigkeit der mit dem Befangenheitsgesuch verbundenen ausforschenden Aufforderung an die Einzelrichterin, in ihrer dienstlichen Äußerung zur Frage derartiger Kontakte Stellung zu nehmen, hat die Einzelrichterin die Frage bereits verneinend beantwortet, sind derartige Kontakte nicht behauptet worden und auch sonst nicht ersichtlich.

7

2. Im Übrigen wären derartige Kontakte als solche nicht zu beanstanden, sondern können sie aufgrund der finanzprozessualen Amtsermittlung (§ 76 FGO) zur Vorbereitung der Erörterung oder Verhandlung (§ 79 FGO) sachgerecht oder geboten sein; beispielsweise mittels Anfragen zum Sachstand, zu Entscheidungen oder zu Verfahrens- und Beweismittelakten (§ 76, § 79, § 86 FGO).

8

4. Eine Befangenheitsbesorgnis würde nicht begründet durch gerichtsübergreifende berufliche Kontakte oder Zugehörigkeit zu einer Organisation (vgl. Beschlüsse Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz vom 10.01.2014 VGH B 35/15, Juris; FG Hamburg vom 09.02.2012 3 K 161/11, EFG 2012, 1174, Juris Rz. 7; Bay. VGH vom 25.03.2011 16a D 09.2177, Juris; OLG Schleswig vom 17.10.1995 16 W 234/95, SchlHA 1996, 49; OLG Frankfurt vom 26.02.1981, MDR 1981, 689).

9

4. Sachgerecht wären auch gerichtsübergreifende zeitliche Abstimmungen betreffend Verfahren zu ähnlichen Fragen (BFH, Beschluss vom 11.08.1992 III S 21/92, BFH/NV 1993, 183; III S 23/92 Juris; III S 21/92, Juris), weitere Erkundigungen und die Teilnahme als Zuhörer in Verhandlungen anderer Gerichte im In- und Ausland wegen eines Zusammenhangs mit dem Streitgegenstand (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.11.2007 9 W 80/07, MDR 2008, 466).

10

5. Abgesehen von den gesetzlichen Ausschlussgründen zum Beispiel bei Mitwirkung in einer Vorinstanz oder in einem dem Finanzprozess vorangegangenen Verwaltungsverfahren (§ 51 Abs. 2 FGO) wäre ein auf bloße Vorbefassung mit Verfahren des Beteiligten oder mit Parallelverfahren oder ähnlichen Fragen gestützter Befangenheitsantrag bereits

11

a) unzulässig (Beschlüsse BVerfG vom 27.04.2016 2 BvC 36/14, Juris; BGH vom 07.08.2012 1 StR 212/12, NStZ-RR 2012, 350; OVG Münster vom 31.01.2013, Juris) oder

12

b) zumindest unbegründet (Beschlüsse BFH vom 29.07.1998 VII S 11/98, BFH/NV 1999, 201; BGH vom 27.12.2011 V ZB 175/11, MDR 2012, 363 OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.08.2013 19 W 136/13, Juris);

13

c) auch bei strafrechtlicher Vorbefassung (Beschlüsse BGH vom 10.02.2016 2 StR 533/14, Juris; vom 03.12.2015 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357; vom 07.08.2012 1 StR 2112/12, NStZ-RR 2012, 350; vom 10.01.2012 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519; OLG Rostock vom 18.05.2016 20 Ws 100/16, Juris Rz. 26).

14

Entsprechendes würde gelten

15

a) nach atypischer Vorbefassung mit rechtlich anderen, gleichwohl sachlich oder personell zusammenhängenden oder personenidentisch vertretenen Streitgegenständen (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 12.11.2005 III 56/05, EFG 2006, 689)

16

aa) wie in Zivilsachen (Beschlüsse BGH vom 18.12.2014 IX ZB 65/13, NJW-RR 2015, 444; OLG Frankfurt vom 15.09.2014 1 W 52/14, Juris Rz. 38 ff.) oder

17

bb) wie in Strafsachen (Beschlüsse BGH vom 08.05.2014 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 {Bsp. Haftbefehl}; vom 27.11.2012 5 StR 492/12, Juris; OLG Koblenz vom 25.05.1982 1 Ws 183/82, NStZ 1983, 470)

18

b) oder nach atypischer auch justiz-, gerichts- oder gerichtszweig-übergreifender Vorbefassung
- eines Finanzrichters (FG Hamburg, Beschluss vom 30.06.2009 3 K 165/09, Juris) wie
- eines früheren Strafrichters (OLG Hamm, Beschluss vom 21.08.2013 I-32 W 11/13, 32 W 11/13, Juris) oder
- eines früheren Staatsanwalts (OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.01.2015 10 W 21/14, Juris).

III.

19

Die Unanfechtbarkeit folgt aus § 128 Abs. 2 FGO.

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(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung sinngemäß. Gerichtspersonen können auch abgelehnt werden, wenn von ihrer Mitwirkung die Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten zu besorgen ist.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter, als ehrenamtlicher Richter oder als Urkundsbeamter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozessordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört oder angehört hat, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Die Beteiligten können vor dem Finanzgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Finanzgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes,
3a.
zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse,
4.
landwirtschaftliche Buchstellen im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 4 Nr. 8 des Steuerberatungsgesetzes,
5.
Lohnsteuerhilfevereine im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 4 Nr. 11 des Steuerberatungsgesetzes,
6.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen und Gesellschaften zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des Satzes 3 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter eine in Absatz 2 Satz 1 bezeichnete Person oder Gesellschaft auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gelten als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter hat schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Er kann insbesondere

1.
die Beteiligten zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits laden;
2.
den Beteiligten die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze, die Vorlegung von Urkunden, die Übermittlung von elektronischen Dokumenten und die Vorlegung von anderen zur Niederlegung bei Gericht geeigneten Gegenständen aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen;
3.
Auskünfte einholen;
4.
die Vorlage von Urkunden oder die Übermittlung von elektronischen Dokumenten anordnen;
5.
das persönliche Erscheinen der Beteiligten anordnen; § 80 gilt entsprechend;
6.
Zeugen und Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden.

(2) Die Beteiligten sind von jeder Anordnung zu benachrichtigen.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einzelne Beweise erheben. Dies darf nur insoweit geschehen, als es zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Gericht sachdienlich und von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter hat schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Er kann insbesondere

1.
die Beteiligten zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits laden;
2.
den Beteiligten die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze, die Vorlegung von Urkunden, die Übermittlung von elektronischen Dokumenten und die Vorlegung von anderen zur Niederlegung bei Gericht geeigneten Gegenständen aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen;
3.
Auskünfte einholen;
4.
die Vorlage von Urkunden oder die Übermittlung von elektronischen Dokumenten anordnen;
5.
das persönliche Erscheinen der Beteiligten anordnen; § 80 gilt entsprechend;
6.
Zeugen und Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden.

(2) Die Beteiligten sind von jeder Anordnung zu benachrichtigen.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einzelne Beweise erheben. Dies darf nur insoweit geschehen, als es zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Gericht sachdienlich und von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden und Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet, soweit nicht durch das Steuergeheimnis (§ 30 der Abgabenordnung) geschützte Verhältnisse Dritter unbefugt offenbart werden.

(2) Wenn das Bekanntwerden von Urkunden, elektronischer Dokumente oder Akten oder von Auskünften dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge aus anderen Gründen als nach Absatz 1 nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheimgehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern. Satz 1 gilt in den Fällen des § 88 Absatz 3 Satz 3 und Absatz 5 Satz 4 sowie des § 156 Absatz 2 Satz 3 der Abgabenordnung entsprechend.

(3) Auf Antrag eines Beteiligten stellt der Bundesfinanzhof in den Fällen der Absätze 1 und 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Verweigerung der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Auf Aufforderung des Bundesfinanzhofs hat die oberste Aufsichtsbehörde die verweigerten Dokumente oder Akten vorzulegen oder zu übermitteln oder ihm die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige oberste Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes einer Übergabe oder Übermittlung der Dokumente oder der Akten an den Bundesfinanzhof entgegenstehen, wird die Vorlage nach Satz 3 dadurch bewirkt, dass die Dokumente oder Akten dem Bundesfinanzhof in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 3 vorgelegten oder übermittelten Dokumente oder Akten und für die gemäß Satz 6 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 78 nicht. Die Mitglieder des Bundesfinanzhofs sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Dokumente oder Akten und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 06.09.2007 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt  2.116.372,70 EUR.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
1. Die Klägerin macht aus abgeleitetem Recht bei der 4. Zivilkammer des LG Konstanz Schadensersatzansprüche geltend wegen eines Zusammenstoßes zweier Flugzeuge bei Überlingen, der sich am 01.07.2002 ereignet hat. Mit Antrag vom 07.06.2007 hat sie die Richter der 4. Zivilkammer VRLG M. und RLG H. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die abgelehnten Richter hätten am 21.05.2007 an der vor dem Schweizer Bezirksgericht in Bülach durchgeführten mündlichen Hauptverhandlung eines Strafverfahrens gegen acht Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der Schweizer skyguide, teilgenommen. An jenem Tage sei der Sachverständige Dr. G. vernommen worden. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. sei in dem von der erkennenden Kammer entschiedenen „Parallelverfahren“ nicht eingeführt worden. Vielmehr habe der Prozessvertreter der (hier) Beklagten auf die Existenz des Gutachtens hingewiesen und ausgeführt, dass ihm eine vollständige Vorlage und Einführung dieses Gutachtens in den Prozess nicht möglich sei, weil ihm die Vorlage von der Auftraggeberin des Gutachtens, der Staatsanwaltschaft Konstanz, ausdrücklich verwehrt worden sei. Der abgelehnte Richter VRLG M. habe sich während der ganztägigen Beweisaufnahme umfangreiche Notizen gemacht. Die Klägerin gehe davon aus, dass die Richter – zumindest teilweise – die Gerichtsakte des hiesigen Rechtstreits (oder eine Kopie derselben) mit in die Verhandlung gebracht hätten. Zudem hätten sich beide Richter während einer Verhandlungspause über einen Zeitraum von fünf bis zehn Minuten angeregt mit dem Prozessvertreter der Beklagten, Herrn Rechtsanwalt Dr. S., der die Vernehmung des Sachverständigen Dr. G. ebenfalls als Zuhörer verfolgt habe, unterhalten. Wie aus mitgehörten Wortfetzen des Gesprächs deutlich geworden sei, sei Gesprächsgegenstand die Aussage des Sachverständigen Dr. G. und die bei skyguide in der Unfallnacht vorgefallenen Fehler gewesen. Zur Glaubhaftmachung dieses Tatbestands hat sich die Klägerin auf eine eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwaltes A. F. sowie auf die einzuholenden dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter bezogen.
Rechtsanwalt F. hat eidesstattlich versichert, dass die abgelehnten Richter als Zuschauer die gesamte Befragung von Dr. G., die sich während mehrerer Stunden bis in den späten Nachmittag erstreckt habe, verfolgt hätten. Er habe gesehen, dass Richter M. während der gesamten Befragung Akten vor sich gehabt habe. Diese Akten hätten maschinengeschriebene Papiere enthalten und hätten sich teilweise in schwarzen Ordnern befunden, wobei er unter dem Eindruck stehe, dass die Ordner einen amtlichen Bundesadler-Rücken hätten. Während der gesamten Befragung von Dr. G. habe sich Richter M. laufend handschriftliche Notizen gemacht. Während einer Verhandlungspause habe er festgestellt, dass sich die Richter M. und H. in der Stadthalle Bülach angeregt mit Dr. S. unterhalten hätten. Aus Wortfetzen dieses Gesprächs habe er erfahren, dass das Gesprächsthema die Befragung von Dr. G. und die bei skyguide in der Unglücksnacht vorgefallenen Fehler gewesen seien. Das Gespräch habe ca. fünf bis zehn Minuten gedauert.
Der abgelehnte Richter VRLG M. hat auszugsweise folgende Stellungnahme abgegeben. RLG H. und er seien sich der Brisanz einer etwaigen Begegnung mit Prozessvertretern von vornherein bewusst gewesen. Sie seien deshalb von Anfang an bei dem Gespräch mit Dr. S. darauf bedacht gewesen, sich jeglicher Äußerung zum Inhalt des Strafverfahrens, vor allem zur gutachterlichen Stellungnahme von Dr. G. oder unfallbezogenem Verhalten von Mitarbeitern von skyguide, zu enthalten. Richtig sei, dass er während der Verhandlung Notizen gemacht habe und einen Ordner mitgeführt habe. Dessen Rücken sei handbeschriftet und trage keinen Bundesadler. Der Ordner habe auch keine Bestandteile oder Kopien von Gerichtsakten enthalten.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, das Landgericht habe nicht gewürdigt, dass die abgelehnten Richter auf eigene Faust ausgerechnet diejenigen Informationen einzuholen gesucht hätten, die eine der Parteien in einem anhängigen Parallelverfahren habe einführen wollen, ohne sich dazu jedoch aus Rechtsgründen in der Lage zu sehen. Die abgelehnten Richter hätten sich bewusst, ohne Unterrichtung der Parteien und außerhalb der Verhandlung zu einer ausländischen Gerichtsverhandlung begeben, um sich Sachkunde und später verwendbare Erkenntnisse zu verschaffen. Dies sei eine selbständige Ermittlung, die sich weit außerhalb der gerichtlichen Pflichten zur materiellen Prozessleitung bewege und zumindest den Anschein der Parteilichkeit und Voreingenommenheit erwecke. Der Verhandlungsmaxime entsprechend dürfe das Gericht nur von den Parteien vorgetragene Tatsachen dem Urteil zugrunde legen. Nur soweit das Gesetz Ausnahmen ausdrücklich zulasse, dürfe das Gericht von Amts wegen aus eigenem Antrieb Tatsachenaufklärung betreiben. Solche Ausnahmen seien hier nicht einschlägig. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Konstanz gehe es nicht um die Information aus einer jedermann zugänglichen Quelle. Selbst die Verwertung zufälliger Beobachtungen des Richters sei an die Voraussetzung geknüpft, dass der Richter den Parteien diese mitteile und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gebe. Das Gericht habe sich eigenmächtig und ohne jeglichen Antrag der Parteien das Gutachten Dr. G. übermitteln lassen und bisher weder die Anfrage auf Übermittlung des Gutachtens noch die Nachricht über dessen erfolgte Übersendung der Klägerin mitgeteilt. Die Informationsbeschaffung der abgelehnten Richter sei selektiv gewesen. Die Richter hätten nur eine Seite, nämlich den Gutachter der Staatsanwaltschaft mit angehört. Über die umfassenden sachlichen Kritikpunkte an dessen Auffassung, welche an späteren Prozesstagen von der Verteidigung vorgebracht worden seien, hätten sich die abgelehnten Richter nicht informiert. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handele es sich um Amtshandlungen, da diese während der Dienstzeit mit Bezug auf einen bestimmten Fall vorgenommen worden seien. Besorgnis der Befangenheit sei auch gegeben, weil die abgelehnten Richter sich einseitig in Kontakt mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten begeben und sich zumindest auch über Gegenstände des hiesigen Rechtstreits ausgetauscht hätten.
2. Das Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
a) Der Senat muss im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entscheiden, welchen Einfluss der Umstand hat, dass über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren in Russland eröffnet worden ist, und ob die Klägerin befugt ist, das vorliegende Verfahren aufzunehmen. Ebensowenig sind die in den Verfügungen des Vorsitzenden der Kammer des Landgerichts vom 10.05.2007 unter II Nr. 2 (I 411) und vom 16.05.2007 unter Nr. 2 3. Absatz (I 421) mit Recht aufgeworfenen Fragen für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung. Diese Fragen berühren nicht die Befugnis der Klägerin, nach von ihr erklärter Wiederaufnahme des Verfahrens die erkennenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Sie hat Anspruch darauf, dass über die Wiederaufnahme des Verfahrens der gesetzliche Richter entscheidet.
b) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Erforderlich sind objektive Gründe, die auch vom Standpunkt einer vernünftigen und besonnenen Partei die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Solche Gründe können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit missachtet (vgl. hierzu § 357 ZPO), dadurch die Partei in der Ausübung ihrer Rechte verletzt und das richterliche Vertrauensverhältnis beeinträchtigt wird (vgl. OLGR Frankfurt 2001, 169). Eine derartige Beeinträchtigung des richterlichen Vertrauensverhältnisses wird nach überwiegender Auffassung insbesondere dann angenommen, wenn der Richter auf eigene Initiative formlose Ermittlungen aufnimmt.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die abgelehnten Richter im vorliegenden Falle keine derartigen formlosen Ermittlungen vorgenommen. Richterliche Ermittlungen sind hoheitliche Maßnahmen, die in Ausübung eines Richteramtes wahrgenommen werden, die diese Qualität auch nicht dadurch verlieren, dass die Art und Weise der Ermittlungen nicht den Vorschriften der einschlägigen Verfahrensordnung entspricht. Damit ist jedoch nicht der Fall vergleichbar, dass der abgelehnte Richter der von einem ausländischen Gericht durchgeführten Beweisaufnahme wie jeder beliebige Zuhörer beiwohnt, ohne dass er das Recht beansprucht oder in anderer Weise dafür sorgt, auf die Befragung des Sachverständigen Einfluss zu nehmen. Der Richter trägt für die von dem fremden staatlichen Gericht durchgeführte Beweisaufnahme naturgemäß keinerlei Verantwortung. Er bestimmt weder den Inhalt noch die Art und Weise der Vernehmung des Sachverständigen. Unter diesen Umständen liegt eine Sachverhaltsermittlung durch den abgelehnten Richter unter Verletzung der Grundsätze der Parteiöffentlichkeit nicht vor. Die Tätigkeit des Richters hat dann keine andere rechtliche Qualität als die Lektüre einschlägiger Fachliteratur oder allgemeininformierender Zeitungen oder Internetrecherche. Auch insoweit steht den Parteien kein Anwesenheitsrecht zu. Hiervon zu unterscheiden ist die prozessuale Verwertbarkeit etwaigen dadurch erlangten Fachwissens. Darum geht es vorliegend nicht.
10 
Dass die abgelehnten Richter die Befragung des Sachverständigen in irgendeiner Weise beeinflusst hätten, ist weder ersichtlich noch dargetan.
11 
d) Der Vorwurf der Klägerin einer einseitigen Informationsbeschaffung der abgelehnten Richter, sie hätten nur den Gutachter der Staatsanwaltschaft angehört, sie hätten sich nicht über die umfassenden sachlichen Kritikpunkte an dessen Auffassung, welche an späteren Prozesstagen von der Verteidigung vorgebracht worden seien, informiert, geht fehl. Die Klägerin verkennt, dass es nicht um eine, wenn auch verfahrensfehlerhafte, Beweisaufnahme geht. Dem Richter kann, wenn er sich ohne Hinzuziehung der Parteien aus den vorgenannten Quellen informiert, nicht vorgeschrieben werden, welche Quellen er heranzieht. Die Rechte der Parteien, die im Verfahren selbst umfassende Befugnisse und Möglichkeiten haben, die Rechtsfindung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu beeinflussen, werden hierdurch nicht berührt.
12 
e) Die Auffassung der Klägerin, die abgelehnten Richter hätten durch den Besuch der Strafverhandlung vor dem Bezirksgericht Bülach einseitig zugunsten der Beklagten Beweismittel beschafft, die aufgrund eines Schweizer Spezialitätsvorbehaltes sowie wegen der rechtlich unzureichenden Methoden der Informationsbeschaffung in einem deutschen Zivilverfahren nicht als Beweismittel verwandt oder sonst in den Prozess eingeführt werden könnten, trifft nicht zu. Bei verständiger Würdigung besteht auch aus Sicht der Klägerin nicht einmal der berechtigte Verdacht eines solchen Vorgangs. Die Klägerin selbst trägt vor, dass sich die Parteien des vorliegenden Verfahrens nicht auf das schriftliche Gutachten Dr. G. berufen hätten. Dass das Gutachten, so es denn überhaupt in das Verfahren eingeführt wird, im Wege des Urkundenbeweises verwertbar ist, hat der Senat im "Parallelverfahren" 9 U 177/06 entschieden. Der Spezialitätsvorbehalt nach Art. 67,63 des schweizerischen Rechtshilfegesetzes oder der schweizerische Vorbehalt zu Art 2 EuRhÜbk sind nicht berührt, da diese lediglich die Rechtshilfe "in Verfahren hinsichtlich strafbarer Handlungen" bzw. in "Strafsachen" betreffen.
13 
Auch im Übrigen sind bei verständiger Würdigung keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme gegeben, die abgelehnten Richter hätten "übereifrig" und damit unter Missachtung der gebotenen Distanz zu dem von ihnen zu entscheidenden Sachverhalt gehandelt.
14 
f) Die abgelehnten Richter waren auch nicht gehalten, den Eingang des schriftlichen Gutachtens Dr. G. in einem anderen Verfahren mit teilweise anderen Parteien den Parteien des vorliegenden Verfahrens mitzuteilen, es sei denn, die Kammer hätte beabsichtigt, jenes Gutachten – in welcher Form auch immer – als gerichtsbekannt zu verwerten. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass eine Verwertung überhaupt angestanden hätte.
15 
Die Wertung der Klägerin, die abgelehnten Richter würden ihre in Bülach gewonnenen Erkenntnisse in nicht - verfahrenskonformer Weise in den Prozess einführen, geht im Ansatz fehl, weil sie darauf beruht, dass das Gutachten Dr. G. im vorliegenden Verfahren zu den Akten gelangt wäre. Letzteres ist, wie dargestellt, unrichtig.
16 
g) Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die abgelehnten Richter den Grundsatz der Verhandlungsmaxime nicht verkannt. Der Verhandlungsgrundsatz betrifft die Beschaffung des Prozessstoffs. Hiernach darf das Gericht grundsätzlich seiner Entscheidung nur das Tatsachenmaterial zugrunde legen, das von den Parteien vorgetragen ist (vgl. Zöller/Greger ZPO 26. Auflage vor § 128 Rdnr. 10). Dass die abgelehnten Richter den von den Parteien zur Entscheidung unterbreiteten Prozessstoffs verkannt hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin geht es auch nicht um die Frage, welche Beweise das Gericht von Amts wegen erheben darf. Tatsächlich hat, wie dargelegt, keinerlei Beweiserhebung stattgefunden.
17 
h) Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die abgelehnten Richter beabsichtigt hätten, mit Hilfe der durch die Teilnahme an der Strafverhandlung gewonnenen Erkenntnisse die Prozesschancen der Parteien in prozessordnungswidriger Weise zu beeinflussen. Soweit der abgelehnte Richter VRLG M. mitgeteilt hat, er habe durch seine Anwesenheit in der Strafverhandlung die Möglichkeit gesehen, aus einer jedermann zugänglichen Informationsquelle ggf. weiteres Fachwissen zu erlangen, insbesondere um die Frage der Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens auch unter dem Aspekt von § 144 ZPO erneut zu überdenken, ist dies nicht zu beanstanden. Die Anordnung der Erhebung eines Gutachtens steht nach der zitierten Vorschrift im Ermessen des Gerichts. Eine fundierte Entscheidung darüber, in welcher Weise das Ermessen ausgeübt wird, kann auch auf die dargestellte Weise vorbereitet werden, unabhängig davon, dass es den Parteien freisteht, Beweisanträge zu stellen.
18 
i) Das richterliche Vertrauensverhältnis kann auch dadurch beeinträchtigt werden, dass der Richter einseitig hinter dem Rücken der einen Partei zu der anderen Kontakt aufnimmt. Voraussetzung hierfür ist, dass das Verhalten des abgelehnten Richters vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden reichen demgegenüber nicht aus (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 26. Auflage § 42 Rdnr. 9). Die Darstellung des Gespräches durch den Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 29.06.2007 Seite 5 – 7, auf welche die Klägerin Bezug nimmt, betrifft lediglich den äußeren Ablauf des Verfahrens. Soweit der abgelehnte Richter VRLG M. in der dienstlichen Stellungnahme vom 04.07.2007 darüber hinausgehend weitere Gespräche berichtet hat, ist eine erhebliche Abweichung von der Darstellung durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht gegeben. Diese Gespräche sind ohne jegliche inhaltliche Bedeutung und bei vernünftiger Betrachtung nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
19 
j) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch die Zusammenschau der vorgetragenen Ablehnungsgründe nicht geeignet, die Besorgnisse der Befangenheit zu begründen. Richtig ist zwar, dass die Häufung von Unzulänglichkeiten den Anschein einer unsachgemäßen Verfahrensleitung zugunsten einer Partei begründen und damit unter Umständen die Besorgnisse der Befangenheit begründen kann. Derartige Unzulänglichkeiten sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
20 
3. Wird ein Richter abgelehnt, so ist der Streitwert des Beschwerdeverfahrens mit dem Hauptsachestreitwert gleich zu setzen (vgl. zuletzt BGH, B.v.6.4.2006 - V ZB 194/05). Nachdem die Klägerin bislang trotz Insolvenz der Beklagten von den Zahlungsanträgen nicht abgegangen ist, sind diese maßgeblich. Allerdings ist der Umrechnungskurs, soweit eine Verurteilung in USD beantragt wird, nach § 40 GKG mit dem am 01.10.2007 maßgeblichen Kurs zu bewerten. Damals waren USD 2.550.000,- EUR 1.787.918,-.
21 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung sinngemäß. Gerichtspersonen können auch abgelehnt werden, wenn von ihrer Mitwirkung die Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten zu besorgen ist.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter, als ehrenamtlicher Richter oder als Urkundsbeamter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozessordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört oder angehört hat, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 212/12
vom
7. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
hier: Ablehnungsanträge des Angeklagten gegen
den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack,
den Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß,
den Richter am Bundesgerichtshof Hebenstreit,
den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Graf,
wegen Besorgnis der Befangenheit
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. August 2012 beschlossen:
Die Befangenheitsanträge des Angeklagten vom 29. März 2012 gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack, den Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, den Richter am Bundesgerichtshof Hebenstreit, den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Graf, werden als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Der Senat hat über eine Revision des Antragstellers zu entscheiden. Dieser ist vom Landgericht Augsburg wegen falscher Angaben, vorsätzlichen Bankrotts, Betruges in 14 Fällen sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Durch Beschluss vom 20. Oktober 2011 (1 StR 354/11) hatte der Senat ein erstes Erkenntnis auf Revision des Antragstellers aufgehoben, soweit er wegen falscher Angaben verurteilt worden war, sowie im Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe , seine weitergehende Revision hingegen verworfen.
2
Der Antragsteller ist der Ansicht, die abgelehnten Richter seien zu seinem Nachteil befangen. Denn diese hätten sich durch die erste Revisionsent- scheidung in dieser Sache „der vermuteten Beihilfe zu einem Prozessbetrug schuldig gemacht“, „Akteninhalt ignoriert“ und dadurch „gegen das Gebot der Wahrheitsfindung“ verstoßen. Fehler des erstinstanzlichen Gerichts bei der Be- rechnung der Betrugsschadenshöhe hätten sie zudem nicht erkannt.
3
Die Befangenheitsanträge sind jedenfalls unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Nack und der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Hebenstreit und Dr. Graf zu rechtfertigen.
4
Denn hierfür genügt nicht das rein subjektive Empfinden des Antragstellers , dieses muss vielmehr gerechtfertigt, also in objektivierbaren Umständen begründet sein. Die Ablehnung eines Richters nach § 24 Abs. 2 StPO ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1967 – 2 BvR 235/64, BVerfGE 21, 139, 146; BGH, Urteil vom 9. Februar 1951 – 3 StR 48/50, BGHSt 1, 34, 39; BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85 f.). Daran fehlt es vorliegend.
5
Der unsubstantiierte Vortrag des Antragstellers legt solche objektivierbaren Umstände für die Befürchtung der Befangenheit nicht dar.
6
Die Vorbefassung eines Richters mit dem Verfahrensgegenstand ist für sich allein nie ein Ablehnungsgrund, da der vernünftige Angeklagte davon ausgehen kann, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Sache herantritt, wenn er sich schon früher über den Sachverhalt ein Urteil gebildet hat (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1971 – 2 BvR 443/69, BVerfGE 30, 149, 153; BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85 f.). Dies gilt auch für den Revisionsrichter (BGH, Beschluss vom 18. Novem- ber 2009 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85). Ein allein auf den Umstand der Vorbefassung gestützter Ablehnungsantrag ist daher schon unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO (BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221).
7
Zwar trägt der Antragsteller darüber hinausgehend vor, erst die konkrete Art und Weise der Vorbefassung belege die Voreingenommenheit der Richter. Besondere Umstände, die auch für einen verständigen Antragsteller eine solche Besorgnis rechtfertigten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. November 2009 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85; BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44), sind aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
8
Der Vorwurf einer „vermuteten“ Straftat und des damit verbundenen Schädigungsvorsatzes der abgelehnten Richter zu Lasten des Antragstellers entbehrt jeder Tatsachengrundlage. Diesen Vorwurf konkretisierende Umstände enthält auch der Ablehnungsantrag nicht.
9
Sein Vorbringen im Übrigen erschöpft sich seinem sachlichen Gehalt nach darin, zu beanstanden, mit der eigenen Würdigung in der ersten Revisionsentscheidung nicht durchgedrungen zu sein. Bei einer verständigen Würdigung vermögen solche dem Antragsteller im Ergebnis missliebigen Entscheidungen , die sich für ihn als vermeintlich fehlerhaft darstellen, nicht die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Dies gilt zumal da der Antragsteller offensichtlich das Wesen der Revision verkennt. Danach ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Akteninhalt vollständig zur Kenntnis zu nehmen; es ist ihm zudem verwehrt, eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen, vielmehr ist es an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden und kann nur überprüfen, ob diese rechtsfehlerfrei zustande gekommen sind (vgl. §§ 337, 338 StPO; hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., vor § 333 Rn. 1 ff. mwN). Wahl Jäger Gericke Sander Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 175/11
vom
27. Dezember 2011
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Dezember 2011 durch die
Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Eick, Halfmeier
und Prof. Leupertz

beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. Januar 2011 hat der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm ein Befangenheitsgesuch gegen Mitglieder des Senats als unzulässig zurückgewiesen; die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Klägers hat es als Gegenvorstellung behandelt und diese am 31. Januar 2011 zurückgewiesen. Der Kläger will eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs herbeiführen und hat zunächst die in dem Tenor genannten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

II.

2
Das Befangenheitsgesuch ist unbegründet. Der Einholung von dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter bedurfte es nicht, weil die Ablehnung ausschließlich auf deren Vorbefassung mit dem Sachverhalt in dem Verfahren V ZR 8/10 gestützt wird. Eine dienstliche Äußerung könnte ersichtlich nicht zur Aufklärung des erheblichen Sachverhalts beitragen, weil die Beteiligung der abgelehnten Richter an dem Verfahren V ZR 8/10 aktenkundig feststeht (vgl. OLG Köln, JMBlNW 2009, 89, juris Rn. 34; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 45 Rn. 4). Ein Ablehnungsgrund besteht nicht. Allein eine - wie hier - prozessrechtlich typische Vorbefassung mit dem Sachverhalt in einem anderen Verfahren begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. Zöller /Vollkommer, aaO, § 42 Rn. 15 f.). Darüber hinaus ist das Befangenheitsgesuch in dem Verfahren V ZR 8/10 inzwischen zurückgewiesen worden. Brückner Weinland Eick Halfmeier Leupertz
Vorinstanzen:
OLG Hamm, Entscheidung vom 31.01.2011 - 31 U 143/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 533/14
vom
10. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
ECLI:DE:BGH:2016:100216U2STR533.14.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom 20. Januar 2016 in der Verhandlung am 10. Februar 2016, an denen teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung am 20. Januar 2016, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung am 10. Februar 2016 als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt in der Verhandlung am 20. Januar 2016, Rechtsanwalt in der Verhandlung am 20. Januar 2016,
als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 9. April 2014 wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einem früheren Urteil wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten mit Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lebten die Angeklagte und ihr Ehemann, der später Getötete M. M. , in guten finanziellen Verhältnissen aufgrund mehrerer von M. M. geführter Geschäfte in Deutschland und Malaysia, in die vielfach auch die Angeklagte eingebunden war.
3
Im April 2007 erfuhr die Angeklagte von einer außerehelichen Beziehung ihres Ehemannes zu der Zeugin F. . Nach Trennung der Eheleute musste die Angeklagte feststellen, in welchem Ausmaß sie wirtschaftlich von ihrem Mann abhängig war. Sie verfügte weder über eigenes Einkommen noch über Vermögen, auf das sie zugreifen konnte, und war folglich auf Unterhaltsleistungen ihres Ehemanns angewiesen. Im Frühjahr 2008 lernte sie S. kennen und zog zu ihm nach England. Da S. nicht für ihr Auskommen sorgen konnte, war die Angeklagte auch weiterhin auf finanzielle Zuwendungen ihres Mannes angewiesen, welche dieser aber immer weniger bereit war, ihr zukommen zu lassen. Er war zwar zu monatlichen Zahlungen bereit, wollte die Angeklagte aber nicht mehr an dem wirtschaftlichen Erfolg der geschäftlichen Unternehmungen teilhaben lassen, weshalb er sie zunehmend aus diesen verdrängte und durch seine Lebensgefährtin F. ersetzte. Dies wollte die Angeklagte nicht hinnehmen, weshalb sie im geschäftlichen Bereich gegen ihn intrigierte. Zudem forderte sie von ihrem Ehemann die Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 100.000 € oder den Kauf eines Hauses in England. M. M. beschloss daraufhin, seine Geschäfte in Malaysia auf ein neues, von seiner Lebensgefährtin dort geführtes Büro zu übertragen und auch seinen eigenen Lebensmittelpunkt nach Malaysia zu verlagern, um das Vermögen vor Forderungen durch die Angeklagte zu schützen.
4
Im August 2008 teilte M. M. der Angeklagten mit, dass er ihre Forderungen „ins Leere laufen lassen würde“ und sieleicht aus den Unternehmungen verdrängen könne, womit er bereits begonnen habe. Weiter teilte er ihr mit, dass er sie an dem von ihm verwalteten Vermögen nicht werde teilhaben lassen, wobei er sie daran erinnerte, dass das Vermögen zu einem großen Teil auf nicht versteuerte Einnahmen zurückzuführen sei. Auch kündigte er ihr an, seine Unterhaltszahlungen einzustellen, sollte sie weiterhin seine Geschäfte stören.
5
Unter dem Eindruck der sich über Monate hinziehenden Streitigkeiten beschloss M. M. in der Folgezeit, sein gesamtes Vermögen nach Malaysia zu transferieren, um bei einer Scheidung einen Zugriff durch die Angeklagte zu verhindern. Ab Ende März 2009 überwies er wöchentlich mindestens 4.000 € an seine Lebensgefährtin F. .
6
Ende Oktober 2009 forderte die Angeklagte ihren Ehemann auf, ihr Unterhaltszahlungen zuzusichern und verlangte die Herausgabe von Geschäftsunterlagen , um ihre Ansprüche gegen ihn beziffern zu können. M. M. vertröstete sie jedoch auf ein Treffen im Dezember 2009 und übergab ihr lediglich ein als „unwiderrufliches Testament“ überschriebenes Schriftstück, wonach un- ter anderem der monatliche Unterhalt „ab dem 1.12.2009 lebenslang bezahlt“ werde und die Angeklagte nach seinem Ableben sein Vermögen übernehmen solle. Nachdem die Angeklagte erkannt hatte, dass das „unwiderrufliche Testament“ für sie juristisch wertlos war, forderte sie von ihrem Ehemann ein notarielles Testament und begab sich Ende November 2009 nach Malaysia, um Vermögen ihres Ehemannes ausfindig zu machen.
7
Als M. M. der Angeklagten in einer E-Mail vom 3. Dezember 2009 mitteilte, dass er über einen monatlichen Betrag von 2.000 € hinaus keine weiteren Zahlungen mehr leisten werde, jedes persönliche Treffen mit ihr ablehne und ihr freistelle, die Scheidung einzureichen, und die Angeklagte gleichzeitig in Erfahrung brachte, dass ihr Mann an F. wöchentlich 4.000 € überwies, verlor sie ihren Glauben an eine gütliche Einigung und es wurde ihr bewusst, dass sie keine Zeit mehr verlieren durfte, um zu verhindern, dass ihr Ehemann das Vermögen vollends nach Malaysia transferieren und damit ihrem Zugriff entziehen würde. Gleichzeitig wusste die Angeklagte, dass sie einen erheblichen Teil des Vermögens nicht gerichtlich würde durchsetzen können, weil es aus unversteuerten Einnahmen stammte. Um sich des verbliebenen Vermögens zu bemächtigen, fasste die Angeklagte daher den Entschluss, ihren Ehemann zu töten.
8
Sie kam in der Folge mit ihrem Lebensgefährten S. überein, dass dieser M. M. am 17. Dezember 2009 in dessen Haus in E. töten solle, denn sie hatte in Erfahrung gebracht, dass M. M. beabsichtigte , am 18. Dezember 2009 zu seiner Lebensgefährtin F. nach Malaysia zu fliegen. Da die Angeklagte und S. wussten, dass sich nach der Tatbegehung ein Verdacht gegen sie richten könnte, versuchten sie, die Fahrt nach E. zu verschleiern, indem S. von B. aus nicht nach Fr. , sondern bereits am Vortag nach A. flog und von dort aus am nächsten Tag mit einem Mietwagen nach E. fuhr. Um von M. M. in die Wohnung eingelassen zu werden und die Tat begehen zu können, begab sich S. unter dem Vorwand nach E. , Katheter abholen zu wollen. Die Katheter waren für den gemeinsamen, an dem „Prune-Belly-Syndrom“ leidenden Sohn der Angeklagten und M. M. bestimmt und von der Angeklagten einige Tage zuvor telefonisch in einer Apotheke bestellt worden. Da die Angeklagte ihren Ehemann darum gebeten hatte, hatte dieser die Katheter am 17. Dezember 2009 in der Apotheke abgeholt, um sie noch vor seiner Abreise der Angeklagten zu übersenden. Kurze Zeit nach seiner Rückkehr in die Wohnung klingelte S. an der Haustür und gab vor, die Katheter abholen zu wollen. Nachdem er von M. in die Wohnung eingelassen worden war, versetzte er diesem zwischen 16.45 Uhr und 16.55 Uhr insgesamt sieben wuchtige Schläge auf den Kopf. Infolge der durch die Schläge verursachten Verletzungen verstarb M. ein bis drei Stunden später. Vor dem Verlassen der Wohnung entwendete S. eine Tasche mit 23.000 € Bargeld, das M. M. am Morgen des 17. Dezember 2009 bei seiner Bank abgehoben hatte, und suchte aufgrund eines Hinweises der Angeklagten auch hinter Wandbildern nach Bargeld. Anschließend fuhr er mit dem Mietwagen wieder zurück nach A. , von wo aus er um23.55 Uhr mit der Angeklagten ein mehr als 25 Minuten andauerndes Gespräch führte, bevor er am nächsten Tag nach England zurückflog.
9
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung vom Tathergang und dem gemeinsamen Tatplan des S. und der Angeklagten, die eine Tatbeteiligung bestreitet, maßgeblich darauf gestützt, dass die Angeklagte aufgrund der monatelangen Streitigkeiten mit ihrem Ehemann und dessen Bestrebungen , ihr den Zugriff auf das Vermögen zu verwehren, ein Motiv für die Tötung gehabt habe. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Bestellung der Katheter und der Tatbegehung spreche dafür, dass S. mit einer Nachfrage nach den Kathetern ein Vorwand verschafft werden sollte, in die Wohnung zu gelangen, um M. M. dort zu töten. Da auch keine Einbruchspuren festzustellen gewesen seien, sei davon auszugehen, dass M. M. den Täter eingelassen habe. Der bereits rechtskräftig wegen Mordes verurteilte S. habe im Rahmen der Hauptverhandlung bestätigt, in Absprache mit der Angeklagten am Tattag von A. mit einem Mietfahrzeug nach E. und am gleichen Tag wieder zurückgefahren zu sein, wenngleich er bestritten habe, M. angetroffen und getötet zu haben. Der Umstand, dass S. zunächst nach A. geflogen sei und anschließend einen Mietwagen nach E. genutzt habe, wobei die Angeklagte und S. denFlug und das Mietauto gemeinsam gebucht und die Angeklagte die Kosten dafür übernommen habe, sprächen dafür, dass die Angeklagte und S. dessen Anwesenheit in E. gezielt verschleiern wollten. Für den gemeinsamen Tatplan spreche auch, dass die Angeklagte und S. schon vor der Tat gegenüber Bekannten und Verwandten seine Reise nach A. verschleiert und wahrheitswidrig angegeben hätten, dass S. nach B. verreist sei. Entsprechend hätten beide auch im Ermittlungsverfahren – noch bevor sich ein Verdacht gegen sie gerichtet hatte – die Reise S. s nach A. verschwiegen und angegeben, S. habe sich zur Tatzeit in England aufgehalten und versucht, den Verdacht auf dieZeugin F. zu lenken. Auf eine gemeinsame Tatplanung durch die Angeklagte und S. lasse auch der Umstand schließen, dass nach der Spurenlage am Tatort der Täter in der Wohnung des Tatopfers nur hinter Bildern nach Geld gesucht habe; denn die Angeklagte und ihr Ehemann hätten schon früher in ihrer gemeinsamen Wohnung Bargeldbeträge hinter Bildern versteckt, um aus Geschäftseinnahmen stammende Barbeträge nicht versteuern zu müssen. Dies habe die Zeugin F. von dem Getöteten erfahren und im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung bekundet. Im Übrigen sei auch nach der Tat hinter einem Spiegel noch Geld aufgefunden worden. Schließlich habe die Schwester von S. , die Zeugin Me. , beim Ausräumen der in England gelegenen Wohnung ihres Bruders und der Angeklagten einen am 17. Dezember 2009 um 9.21 Uhr ausgestellten Kontoauszug gefunden, den sie in der Hauptverhandlung vorgelegt habe, und aus dem sich ergebe, dass M. M. am Morgen des Tattags 23.000 € in bar von einem Konto der von ihm als Alleingeschäftsführer geführten EP. abgehoben habe. Dass dieser Kontoauszug in der Wohnung der Angeklagten und S. s in England aufgefunden wurde, spreche nicht nur maßgeblich für die Tatbegehung durch S. , sondern auch für eine Mittäterschaft der Angeklagten, die allein ein Interesse an Kontounterlagen des Getöteten hatte. Die Angeklagte habe zudem versucht, nach der Tat 100.000 € von einem Konto der EP. auf ihr Privatkonto zu überweisen und geplant, die Geschäfte ihres Ehemannes zusammen mit S. zu übernehmen.

II.

10
Die Revision der Angeklagten ist unbegründet.
11
1. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. In Ergänzung zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Februar 2015 ist hierzu Folgendes auszuführen:
12
a) Die Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) ist unbegründet. Dass der damalige Lebensgefährte der Angeklagten, S. , durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. Juli 2011 unter Mitwirkung des Richters Mü. als Berichterstatter wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, begründete nicht die Besorgnis, Richter am Landgericht Mü. sei im vorliegenden Verfahren, in dem er als Vorsitzender mitgewirkt hat, voreingenommen (§ 24 Abs. 2 StPO).
13
Die Mitwirkung eines Richters an Vorentscheidungen ist regelmäßig kein Ablehnungsgrund. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters ist nicht gerechtfertigt, soweit er in einem früheren Strafverfahren mitgewirkt hat, in dem dieselben Vorgänge wie in dem jetzigen Verfahren eine Rolle spielten (MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 24 Rn. 13). Dies gilt auch dann, wenn die Mitwirkung die Verurteilung eines Mittäters wegen derselben Straftat betraf (Senat, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46; BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034, 3036; Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 1 StR 169/15). Eine andere Beurteilung ist nur dann angezeigt , wenn besondere Umstände hinzutreten. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das frühere Urteil unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über den jetzigen Angeklagten enthielt oder ein Richter sich in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (BGH, Beschluss vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 338; Urteil vom 29. Juni 2006 - 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866; Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 1 StR 169/15).
14
Solche Äußerungen und Wertungen enthält das Urteil vom 11. Juli 2011 indes nicht. Soweit in den Urteilsgründen ausgeführt ist, es sei „die Rücksichts- losigkeit zu berücksichtigen, mit welcher [S. und die Angeklagte] vorgingen und mit welcher sie durch die Ermordung M. M. s versuchten, statt diesem in dessen Geschäfte einzutreten und die hierbei entstehenden Gewinne selbst zu vereinnahmen“, entspricht diese Bewertung dem festgestellten Tatgeschehen und der Annahme eines aus Habgier begangenen Mordes. Auch im Übrigen enthält das Urteil vom 11. Juli 2011 keine Feststellungen und Wertungen, die geeignet waren, gegenüber Richter am Landgericht Mü. die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Da das Landgericht das Motiv der Habgier aus der gescheiterten Ehe der Angeklagten mit M. M. und ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihrem Ehemann abgeleitet und darüber hinaus die Überzeugung von der Täterschaft des S. maßgeblich auch auf Beweisanzeichen gestützt hat, die zugleich für eine Tatbeteiligung der Angeklagten sprachen, war die Darstellung der Beteiligung der Angeklagten an der von S. durchgeführten Tatbegehung bereits zur Vermeidung von Darstellungsmängeln geboten. Eine Befangenheitsrüge kann in diesem Fall nicht darauf gestützt werden, das Tatgericht sei aufgrund der in dem früheren Urteil festgestellten Tatbeteiligung voreingenommen (vgl. Senat, Urteil vom 5. Februar 1986 - 2 StR 653/85; BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034, 3036 [insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt]). Nichts anderes gilt im Hinblick auf die in den Urteilsgründen enthaltenen Hinweise auf die feste bzw. sichere Überzeugung des Gerichts von der Mittäterschaft der Angeklagten (UA S. 42 f./85 f./88). Ob entsprechende Formulierungen in einem früheren Urteil gegen einen Tatbeteiligten Anlass zu Missdeutungen geben können (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99, NStZ- RR 2001, 129, 130 [Kusch]), kann dahinstehen. Denn die Fassung der Urteilsgründe , die lediglich das erforderliche Maß an Sicherheit zum Ausdruck bringen , das mit Blick auf § 261 StPO für eine Verurteilung erforderlich ist, bieten hier keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit.
15
Die Befangenheitsrüge ist ebenfalls unbegründet, soweit sie sich gegen die Berufsrichter Ba. und W. richtet, die an dem Urteil vom 11. Juli 2011 nicht mitgewirkt hatten. Die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs gegen Richter am Landgericht Mü. , die unter Beteiligung der RichterBa. und W. erfolgt ist und aus der die Angeklagte eine Voreingenommenheit ableitet, ist kein Umstand, der eine Befangenheit dieser Richter besorgen ließ.
16
b) Auch die Verfahrensrüge, das Landgericht habe den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Wa. , dessen Ladung im Ausland zu bewirken gewesen wäre, zu Unrecht zurückgewiesen, greift im Ergebnis nicht durch.
17
Nach der Antragsbegründung sollte der Zeuge unter anderem bekunden, dass es sich bei der Anfang Dezember 2009 geäußerten Bitte der Angeklagten an den Zeugen, „einen Anwalt zu finden, der sich mit der Möglichkeit einer Schadensersatzklage gem. des Scharia-Rechts auskenne“, um die einzige Bitte der Angeklagten an den Zeugen gehandelt habe, für sie einen Anwalt zu suchen. Der Zeuge werde weiter bekunden, dass sich die von der Angeklagten am 17. Dezember 2009 um 8.09 Uhr verfasste Kurznachricht, in der sie dem Zeugen geschrieben hatte, sie müsse ihre Rechtsposition kennen, und diesen um baldige Mitteilung gebeten hatte, was ein Rechtsanwalt koste, „demnach“ allein „auf diese Angelegenheit bezog und beziehen konnte“. Aus der Bestätigung der Beweisbehauptung sollte sich ergeben, dass sich die Angeklagte vor dem Hintergrund, dass sie sich von ihrem Ehemann scheiden lassen wollte, noch am Morgen des 17. Dezember 2009 um die Möglichkeit einer Klage gegen ihren Ehemann gekümmert habe, was dagegen spreche, dass sie gewusst habe , dass ihr Ehemann an diesem Tag getötet werden sollte. Das Landgericht hat den Antrag gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO mit der Begründung zurückgewiesen , die Vernehmung des Zeugen sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich.
18
Die Ablehnung der Beweiserhebung genügt nicht den an die Zurückweisung eines Antrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen zu stellenden Begründungsanforderungen. Zwar kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 StPO abgelehnt werden, wenn die Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Dies erfordert jedoch von dem Tatgericht im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung eine Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der bereits durchgeführten Beweisaufnahme (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - 3 StR 451/09, StraFo 2010, 155). Hieran fehlt es.
19
Der Senat kann jedoch ausschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht. Wird ein Beweisantrag mit unzureichender oder fehlerhafter Begründung zurückgewiesen, kann ein Beruhen des Urteils hierauf in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden, wenn der Antrag mit anderer Begründung zu Recht hätte abgelehnt werden können und die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten hierdurch nicht berührt worden sind (KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 337 Rn. 38). Insbesondere im Zusammenhang mit Hilfstatsachen des Beweises , also mit Tatsachen, die einen zwingenden oder möglichen Schluss auf den Beweiswert eines Beweismittels zulassen, kann sich für das Revisionsgericht die Überzeugung ergeben, dass der Tatrichter den Beweisantrag auch mit der Begründung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache hätte zurückweisen können (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - 3 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 211, 212); dies kommt auch in Betracht, wenn die beantragte Vernehmung eines Auslandszeugen (§ 244 Abs. 5 Satz 1 StPO) unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht erforderlich gewesen war (vgl. Senat, Urteil vom 5. Februar 1997 - 2 StR 551/96, NStZ 1997, 286).
20
Angesichts der zahlreichen, in den Urteilsgründen angeführten Indiztatsachen , auf die das Landgericht seine Überzeugung vom Tathergang und der Mittäterschaft der Angeklagten gestützt hat, war die beantragte Vernehmung des Auslandszeugen zu den mit dem Tatgeschehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Angaben der Angeklagten nicht geboten. Das Landgericht hätte den Antrag daher gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO unter Darlegung der hierfür wesentlichen Gründe im Wege einer insoweit zulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung zurückweisen können (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - 3 StR 451/09, NStZ-RR 2010, 181 [Ls.]). Dabei kann ausgeschlossen werden, dass sich der Angeklagte in Kenntnis einer solchen Ablehnung hätte weitergehend verteidigen können. Im Wissen, dass das Landgericht den von der Verteidigung gewünschten Schluss nicht ziehen wollte, hatte die Verteidigung den Beweisantrag bereits mehrfach ergänzt, modifiziert und konkretisiert. Es ist nicht ersichtlich und wird im Übrigen von der Revision auch nicht dargetan, dass von Seiten der Verteidigung in Kenntnis der Ablehnungsgründe weitere Tatsachen vorgebracht worden wären, die zu einer Vernehmung des Zeugen gedrängt hätten oder dass andere sachdienliche Anträge hätten gestellt und andere neue Beweismittel hätten benannt werden können.

21
2. Die aufgrund der Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen eines aus Habgier begangenen Mordes.
22
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 16. September 2015 - 2 StR 431/14).
23
Gemessen an diesen Grundsätzen lassen die Urteilsgründe keinen Rechtsfehler erkennen. Es ist insbesondere nicht zu besorgen, dass das Landgericht dadurch gegen Denkgesetze verstoßen hat, dass es im Wege eines Zirkelschlusses das, was bewiesen werden soll, vorausgesetzt und die sich aus der Voraussetzung ergebende Wahrscheinlichkeitsfolge als Beweis gewertet hat (vgl. KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 46). Zwar finden sich in den Urteilsgründen an mehreren Stellen einleitende zirkuläre Erwägungen. Aus der sich jeweils anschließenden, ins Einzelne gehenden Würdigung wie auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich aber jeweils, dass das Landgericht letztlich keine Schlussfolgerungen aus einem Beweisanzeichen gezogen hat, die es anschließend als feststehende Tatsachengrundlage behandelt und seinen weiteren Schlussfolgerungen zugrunde gelegt hat.

24
Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich zudem, dass das Landgericht die Bedeutung der jeweiligen Beweisanzeichen nicht verkannt hat. Denn es hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten erkennbar auf eine Gesamtschau aller Indizien gestützt, die es im Ergebnis als maßgeblich für den Tatnachweis erachtet hat (UA S. 125 ff.). Damit hat das Landgericht – entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senat, Urteil vom 3. August 2011 - 2 StR 167/11, NStZ 2012, 227, 228) – die Beweisanzeichen nicht nur isoliert bewertet, sondern auch zusammenfassend gewürdigt.
25
Soweit die Revision die Beweiswürdigung darüber hinaus unter Hinweis auf zahlreiche Angaben der Angeklagten in ihrer Einlassung angreift, die insoweit in den Urteilsgründen keine Erwähnung finden, handelt es sich um urteils- fremdes Vorbringen, das im Rahmen der Sachrüge unbeachtlich ist (st.Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. März 2011 - 3 StR 9/11, StV 2011, 607). Fischer Appl Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 169/15
vom
3. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue
ECLI:DE:BGH:2015:031215B1STR169.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 24. Juni 2014 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat beide Angeklagte wegen Untreue in drei Fällen jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt und von den verhängten Strafen drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt.
2
Die dagegen gerichteten, auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und auf ausgeführte Sachrügen gestützten Revisionen bleiben ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


3
1. Die von beiden Beschwerdeführern erhobene und weitgehend gleichartig ausgeführte Rüge, an dem angefochtenen Urteil habe Richterin am Land- gericht K. mitgewirkt, obwohl sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen worden sei (§ 24 Abs. 2 i.V.m. § 338 Nr. 3 StPO), greift nicht durch.
4
a) Der Beanstandung liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
5
Das Strafverfahren war ursprünglich außer gegen die beiden Angeklagten auch gegen den mittlerweile rechtskräftig verurteilten jetzigen Zeugen E. sowie gegen einen weiteren gesondert Verfolgten geführt worden. Noch während des Zwischenverfahrens kam es am 21. Januar 2011 zu einem Gespräch zwischen den Mitgliedern der damals zuständigen Strafkammer des Landgerichts, Vertretern der Staatsanwaltschaft sowie den Verteidigern der vormals vier Angeklagten. Die nunmehr abgelehnte Richterin gehörte der Kammer an und nahm an dem Gespräch teil. Darin äußerten sich die Vertreter der Staatsanwaltschaft auch zu bestimmten Strafhöhen für den Fall von Geständnissen. Das Gericht verhielt sich lediglich bezüglich des gesondert Verfolgten zur Straferwartung. Seitens der Verteidigung erfolgten keine Stellungnahmen , es wurde auf die zunächst notwendige Rücksprache mit den Mandanten verwiesen. Über den Inhalt dieses Gesprächs fertigte die frühere Vorsitzende der Strafkammer einen Vermerk, der zu den Akten gelangte.
6
Nachfolgend kam es zu weiteren Kontakten jedenfalls zwischen der früheren Vorsitzenden und dem Verteidiger des jetzigen Zeugen E. . Die Vorsitzende notierte in einem ebenfalls zu den Akten genommenen Vermerk über ein Telefongespräch mit dem Verteidiger am 6. Mai 2011 u.a., dieser habe erklärt, E. sei mit der vom Gericht vorgeschlagenen Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten einverstanden. Am 24. Mai 2011 eröffnete die Strafkammer das Hauptverfahren gegen E. sowie die beiden Ange- klagten. Einen Tag später beschloss sie, nach erfolgter Terminsabstimmung mit dem Verteidiger, die Abtrennung des Verfahrens gegen E. . In einer noch von der damaligen Vorsitzenden gefertigten Terminsverfügung vom selben Tage war vermerkt, dass die nunmehr abgelehnte Richterin in der auf den 22. Juni 2011 bestimmten Hauptverhandlung gegen E. den Vorsitz führen sollte.
7
In dieser Hauptverhandlung teilte Richterin am Landgericht K. als Vorsitzende gemäß § 243 Abs. 4 StPO mit, dass außerhalb der Hauptverhandlung Gespräche zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung zur Vorbereitung einer Verständigung stattgefunden hätten. Dabei habe die Strafkammer für den Fall eines der Anklage entsprechenden Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen drei Jahren und neun Monaten sowie vier Jahren in Aussicht gestellt. Durch ein auf einer Absprache gemäß § 257c StPO beruhendes Urteil vom selben Tage wurde E. u.a. wegen Beihilfe zur Untreue in drei Fällen sowie wegen Bestechungs- und Steuerstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
8
Das Verfahren gegen die Angeklagten war im ersten Rechtsgang durch eine Strafkammer des Landgerichts geführt worden, der die abgelehnte Richterin nicht angehörte. Mit Urteil vom 29. Februar 2012 waren die Angeklagten wegen Untreue in drei Fällen jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Auf deren Revision hin hat der Senat das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 – 1 StR 532/12).
9
Am zweiten Tag der Hauptverhandlung vor der nunmehr zuständigen Strafkammer hatte der Vorsitzende mitgeteilt, dass ausweislich der Akten ein Erörterungstermin am „10.02.2012“ nach § 202a StPO stattgefunden habe, der insoweit bislang für die Kammer ersichtlich die Angeklagten betreffend der einzige derartige Termin war und dieser nicht zu einer Verständigung geführt habe (vgl. dazu näher unter 2.a). Im Anschluss daran beantragten die Verteidiger der Angeklagten u.a. die Verlesung des Ergebnisses der Verständigung aus der Sitzungsniederschrift des Verfahrens gegen E. sowie die Einholung von dienstlichen Erklärungen verschiedener an diesem Verfahren Beteiligter. Nach Eingang eines Teils der begehrten Erklärungen stellte die Verteidigerin des Angeklagten M. am dritten Hauptverhandlungstag einen Antrag, der im We- sentlichen auf eine Feststellung abzielte, dass es „nach Aktenlage keinerlei Do- kumentation über die Verständigungsgespräche gibt, die zwischen dem damaligen Gericht, der StA und der Verteidigung E. geführt wurden“. Der Vorsitzende teilte daraufhin mit, dass weitergehende Feststellungen im Sinne von § 243 Abs. 4 StPO derzeit weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Wissen der Kammer getroffen werden könnten.
10
Dies nahmen die Angeklagten zum Anlass, Richterin am Landgericht K. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die Ablehnung wurde vor allem auf das Verhalten der Richterin als Vorsitzende der für die Hauptverhandlung gegen den jetzigen Zeugen E. zuständigen Strafkammer gestützt. Es wäre ihre Pflicht gewesen, die von der früheren Vorsitzenden versäumte Dokumentation von Verständigungsgesprächen mit der Verteidigung E. nachzuholen. Das gelte selbst dann, wenn sie an diesen Gesprächen nicht persönlich beteiligt gewesen sein sollte. Im Übrigen wäre es ihre Pflicht gewesen, die „bislang versäumte Information“ an die Verteidigung der Ange- klagten nachzuholen.
11
Die Revisionen sehen die Besorgnis der Befangenheit insgesamt darin begründet, dass die abgelehnte Richterin nach Übernahme des Vorsitzes im Verfahren gegen E. die unzureichende Dokumentation der früheren Vorsitzenden nicht nur nicht korrigiert, sondern sich sogar zu eigen gemacht habe und damit im Ergebnis „an einem unter Verstoß gegen das Verständigungsge- setz zustande gekommenen Verständigungsurteil mitgewirkt“ habe. In diesem Verständigungsurteil sei der jetzige Zeuge E. zudem für seine umfassen- de Aufklärungshilfe mit einer „bereits vor der Eröffnungsentscheidung exakt prognostizierten Strafe bedacht worden“.
12
Die Strafkammer hat die Ablehnungsgesuche der Angeklagten – ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin – als unbegründet zurückgewiesen.
13
b) Die Ablehnungsgesuche sind mit Recht verworfen worden. Die Angeklagten konnten, was der Senat nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen hat (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – 1 StR 602/14 Rn. 30), keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit sowie zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin haben.
14
aa) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist bei dem Ablehnenden gegeben, wenn er bei einer verständigen Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGH, Urteile vom 10. November 1967 – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341; vom 9. Juli 2009 – 5 StR 263/08 [insoweit in BGHSt 54, 39 ff. nicht abgedruckt]; Beschlüsse vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372, 2373; vom 19. August 2014 – 3 StR 283/14, NStZ 2015, 46; vom 28. Juli 2015 – 1 StR 602/14 Rn. 29). Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger (BGH, aaO, BGHSt 21, 334, 341; BGH, Urteil vom 13. März 1997 – 1 StR 793/96, BGHSt 43, 16, 18 mwN) bzw. verständiger Angeklagter (BGH, Beschlüsse vom 8. März 1995 – 5 StR 434/94, BGHSt 41, 69, 71; vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373; siehe auch BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85 f.).
15
Knüpft die Besorgnis der Befangenheit an eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vorbefassung der abgelehnten Richter an, ist jenseits gesetzlicher Ausschließungsgründe (vgl. etwa § 22 Nr. 4 und 5; § 23 StPO) dieser Umstand als solcher regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, wenn und soweit nicht besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 mwN; Beschlüsse vom 7. August 2012 – 1 StR 212/12, NStZ-RR 2012, 350 mwN; vom 19. August 2014 – 3 StR 283/14, NStZ 2015, 46; in der Sache nicht anders BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662 Rn. 25). Dies gilt nicht nur für die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern auch für die Befassung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 27. April 1972 – 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 337; Beschlüsse vom 7. August 2012 – 1 StR 212/12, NStZ-RR 2012, 350; vom 19. August 2014 – 3 StR 283/14, NStZ 2015, 46 mwN). Zu der Vorbefassung in dem vorstehen- den Sinne hinzutretende besondere Umstände können etwa dann gegeben sein, wenn frühere Entscheidungen, an denen der jetzt abgelehnte Richter mitgewirkt hat, unnötige oder sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder sich der betroffene Richter bei oder in Verbindung mit einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (BGH, Beschluss vom 19. August 2014 – 3 StR 283/14, NStZ 2015, 46; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373).
16
Dabei können Rechtsfehler in Entscheidungen bei Vorbefassung mit dem Verfahrensgegenstand für sich genommen eine Ablehnung der mitwirkenden Richter grundsätzlich nicht begründen (BGH, Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342 f.; Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373; Cirener in BeckOK-StPO, Ed. 23, § 24 Rn. 12, 12a mwN); etwas Anderes gilt jedoch, wenn die von den abgelehnten Richtern getroffene Entscheidung bzw. die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung sich als rechtlich völlig abwegig erweist oder gar als willkürlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. September 2002 – 1 StR 169/02, BGHSt 48, 4, 8; Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342 f.; Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373; Scheuten in KK-StPO, 7. Aufl., § 24 Rn. 8). Besondere Umstände können aber auch dann gegeben sein, wenn sich aus der Art und Weise der Begründung von Zwischenentscheidungen die Besorgnis der Befangenheit ergibt (vgl. Cirener in BeckOK-StPO, aaO, § 24 Rn. 12, 12a).
17
bb) An diesen Grundsätzen gemessen bestand für einen verständigen Angeklagten kein Grund für die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin.
18
Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese in ihrer Funktion als Vorsitzende der für das Strafverfahren gegen E. zuständigen Strafkammer gegen § 243 Abs. 4, § 257c StPO oder gegen sonstige Pflichten im Zusammenhang mit einer Verständigung verstoßen hat. Denn jedenfalls sind keine Rechts- oder Verfahrensfehler der abgelehnten Richterin in dem früheren Verfahren vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die dort getroffenen Entscheidungen als rechtlich völlig abwegig oder gar als willkürlich erscheinen ließen und deshalb die Besorgnis der Befangenheit in der gegen die Angeklagten geführten Hauptverhandlung begründen könnten.
19
(1) Die ursprünglich für das Verfahren gegen die Angeklagten und E. zuständige Strafkammer war weder durch den Grundsatz des fairen Verfahrens noch durch sonstige Regelungen des Verfassungs- oder des Strafverfahrensrechts gehindert, das Verfahren betreffende Gespräche mit den Verfahrensbeteiligten getrennt zu führen (siehe nur BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2013 – 1 StR 386/13, StV 2014, 513 mwN). Angesichts der bei dem Verurteilten E. anders als bei den Angeklagten vorhandenen Geständnisbereitschaft kann sich aus der Verfahrenstrennung selbst daher keine Besorgnis der Befangenheit ableiten lassen.
20
Ebenso wenig kann die Erledigung des Verfahrens gegen einen geständigen Angeklagten durch ein auf einer Absprache beruhendes Urteil selbst einen besonderen Umstand im Sinne der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Befangenheit begründen. Die Entscheidung auf diese Weise entspricht den vom Gesetz eröffneten Möglichkeiten.
21
(2) Dementsprechend kann auch der Umstand, dass sich die abgelehnte Richterin als Mitglied des E. verurteilenden Spruchkörpers dort auf die Überzeugung von dessen Beihilfe zu den von den Angeklagten begangenen Untreuetaten festgelegt hat, als typische Konstellation einer Vorbefassung die Befangenheit nicht stützen. Denn ein „besonderer Umstand“ im Sinne der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt darin gerade nicht. Die Situation ist insoweit nicht anders als in einem gegen mehrere Angeklagte einheitlich geführten Verfahren, in dem sich wenigstens einer von diesen zur Überzeugung des Tatgerichts wahrheitsgemäß geständig einlässt und dieses Geständnis auch Grundlage der Überzeugungsbildung im Hinblick auf die nicht geständigen Angeklagten ist.
22
(3) Der Inhalt des von der Revision des Angeklagten A. vollständig dargelegten Urteils gegen E. trägt die Befangenheit ebenfalls nicht. Weder die gegen E. verhängten Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten für die Beihilfe zu den Untreuetaten der Angeklagtennoch die – unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen – gebildete Gesamtstrafe gaben Anlass zur Besorgnis, die zuständige Strafkammer habe unter Verstoß gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens E. im Hinblick auf dessen auch die Tatbeteiligung der Angeklagten umfassendes Geständnis unvertretbar milde sanktioniert. Der von der Revision geäußerte Verdacht, es sei E. seitens der Strafkammer gesetzwidrig eine Punktstrafe zugesagt (und verhängt) worden, stützt sich insbesondere auf den handschriftlichen Vermerk der früheren Vorsitzenden vom 6. Mai 2011. Dass eine bestimmte Gesamtfreiheitsstrafe und nicht ein Strafrahmen durch die Strafkammer insgesamt zugesagt worden ist, ergibt sich daraus nicht eindeutig. Die abgelehnte Richterin hat im Rahmen der Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO in dem Verfahren gegen E. einen von der Strafkammer angegebenen Strafrahmen benannt. Ange- sichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Zusage einer „Punktstrafe“ gegen einen als Belastungszeugen in Frage kommenden (jetzigen oder früheren ) Mitangeklagten im Rahmen einer Urteilsabsprache als in schwerer Weise rechtsfehlerhaft oder gar willkürlich erscheinen und deshalb die Besorgnis der Befangenheit bei anderen Angeklagten begründen könnte.
23
(4) Das zu dem Urteil gegen E. führende Verfahren ansonsten trägt die begründete Besorgnis der Befangenheit angesichts der dafür bei Vorbefassung maßgeblichen besonderen Umstände gleichfalls nicht.
24
Soweit vor den Beschlüssen über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Abtrennung des Verfahrens gegen E. außer dem gemeinsamen Erörterungstermin (§ 202a StPO) am 21. Januar 2011 weitere Gespräche allein mit dem Verteidiger von E. stattgefunden haben, oblag deren Dokumentation – was die Revision nicht verkennt – der damaligen Vorsitzenden und nicht der jetzt abgelehnten Richterin. Insoweit kommt ein verfahrensfehlerhaftes Verhalten , das die Besorgnis der Befangenheit im jetzigen Verfahren auslösen konnte, durch sie ersichtlich nicht in Betracht.
25
Nach Übernahme des Vorsitzes durch die abgelehnte Richterin bestanden lediglich Dokumentations- und Mitteilungspflichten in dem ausschließlich noch E. betreffenden Strafverfahren. In der Hauptverhandlung hat sie Mitteilung über außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräche, den daran Beteiligten und über die von der Strafkammer für den Fall des Geständnisses in Aussicht gestellte Strafunter- und Strafobergrenze gemacht. Selbst wenn diese Mitteilung zur Erfüllung der Pflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO im dortigen Verfahren nicht genügt haben sollte, lässt sich daraus nicht die Besorgnis ableiten , sie habe im hiesigen Verfahren den Angeklagten nicht mehr mit der gebotenen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüber gestanden. Weder die Art und Weise der Erfüllung der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO noch die Handhabung von § 257c StPO durch die abgelehnte Richterin erweisen sich als rechtlich völlig unvertretbar oder willkürlich.
26
Im Übrigen beziehen sich die von der Revision geltend gemachten Verstöße der abgelehnten Richterin bei der Anwendung der Regelungen über Verständigungsgespräche und das Zustandekommen einer Verständigung auf in eine in einem gesonderten Verfahren gegen einen anderen (vormals) Angeklagten getroffene Verständigung. Durch die unzureichende Erfüllung von Transparenz- und Mitteilungspflichten von Verständigungsgesprächen, die allein Mitangeklagte betroffen haben, können die daran nicht beteiligten Angeklagten selbst bei einem einheitlichen Verfahren regelmäßig nicht in eigenen Rechten betroffen sein (vgl. BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 1. Juli 2014 – 2 BvR 989/14, NStZ 2014, 528 f.; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 587/14, NStZ 2015, 417; siehe auch BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 – 1 StR 590/14, NStZ-RR 2015, 379 f.). Angesichts der für die mit einer Vorbefassung in Zusammenhang stehenden Besorgnis der Befangenheit geltenden Maßstäbe wird eine solche aus der Verletzung lediglich gegenüber Dritten bestehenden Pflichten allenfalls in Ausnahmefällen resultieren können.
27
(5) Auch in der Gesamtschau ergeben sich aus der maßgeblichen Perspektive des verständigen Angeklagten aufgrund des Verhaltens der abgelehnten Richterin in dem früheren Strafverfahren gegen den jetzigen Zeugen E. keine die Besorgnis der Befangenheit tragenden Umstände.
28
2. Die ebenfalls durch beide Beschwerdeführer weitgehend gleich erhobene Rüge der Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO wegen einer mangelnden Erfüllung der Mitteilungspflicht des jetzigen Vorsitzenden in Bezug auf die im Zwischenverfahren durch die vormals für das noch gemeinsam gegen die Angeklagten und E. geführte Verfahren zuständige Strafkammer geführten Gespräche bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
29
a) Den Rügen liegt zu einem Teil dasselbe Verfahrensgeschehen wie der vorstehend erörterten Verfahrensbeanstandung zugrunde. Der Vorsitzende der für die neue Verhandlung zuständigen Strafkammer hatte am zweiten Hauptverhandlungstag unter Hinweis auf Blatt 712 der Sachakten festgestellt, dass ein Erörterungsgespräch „am 10.2.2012“ nach § 202a StPO stattgefunden hat, der bezüglich der Angeklagten der bislang einzig ersichtliche und nicht zu einer Verständigung führende Termin gewesen sei. Am dritten und vierten Verhandlungstag teilte der Vorsitzende weitgehend inhaltsgleich jeweils mit, dass weitergehende Feststellungen im Sinne von § 243 Abs. 4 StPO derzeit weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Wissen der Kammer getroffen werden könnten. Am vierten Hauptverhandlungstag ordnete der Vorsitzende die Verlesung des Aktenvermerks der früheren Vorsitzenden vom 21. Januar 2011 an. Dabei erfolgte keine Klarstellung, dass es sich dabei um jenen Vermerk handelte , bezüglich dessen am zweiten Hauptverhandlungstag der 10. Februar 2012 als Datum genannt worden war.
30
Die Beschwerdeführer machen einerseits geltend, den Mitteilungen des Vorsitzenden könne bereits nicht hinreichend entnommen werden, dass es im Sinne eines Negativattests nach der Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof keine Verständigungsgespräche mit der im zweiten Rechtsgang zuständigen Strafkammer gegeben habe. Andererseits wird vor allem beanstandet , der wesentliche Inhalt des protokollierten Vermerks hätte bereits zu Beginn der Hauptverhandlung und nicht erst am vierten Hauptverhandlungstag mitgeteilt werden müssen. Eine Heilung des Verstoßes sei dadurch jedenfalls im Hinblick auf die gebotene Information der Öffentlichkeit schon deshalb nicht herbeigeführt worden, weil am ersten Hauptverhandlungstag ein falsches Datum des Erörterungstermins genannt worden und keine ausreichende Klarstellung dahingehend erfolgt sei, dass der nachträglich verlesene Vermerk sich auf den fälschlich in der Erklärung des Vorsitzenden auf den 10. Februar 2012 datierten Termin bezogen habe.
31
b) An der Zulässigkeit der Verfahrensbeanstandungen bestehen im Hinblick auf die notwendige Klarstellung der Angriffsrichtung (zur Maßgeblichkeit der Angriffsrichtung siehe BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 1 StR 620/09, NStZ 2010, 403 f.; näher Cirener in HRRS-Gedächtnisgabe für Widmaier , 2013, S. 27 ff.) Bedenken, indem einerseits auf das Negativattest im Hinblick auf durch die jetzt zuständige Strafkammer selbst geführte mitteilungsbedürftige Gespräche abgestellt und andererseits eine unzureichende Erfüllung der auf einen von der im ersten Rechtsgang zuständigen Kammer durchgeführten Erörterungstermin bezogenen Mitteilungspflicht beanstandet wird. Da eine Verletzung der Mitteilungspflicht hinsichtlich eines Negativattests im zweiten Rechtsgang aber – wie der Generalbundesanwalt in seinen Zuschriften zutreffend aufgezeigt hat – nicht mit der notwendigen Bestimmtheit behauptet wird, verbleibt es bei der Rüge des Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO hinsichtlich des von der vormals zuständigen Strafkammer durchgeführten Erörterungstermins. Jedenfalls eine solche Beanstandung lässt sich beiden Revisionen hinreichend bestimmt entnehmen.
32
c) Die entsprechenden Rügen greifen in der Sache nicht durch. Der Vorsitzende hätte eine durch § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eventuell statuierte Pflicht zur Mitteilung über den Inhalt des Erörterungstermins vom 21. Januar 2011 jedenfalls durch die Verlesung des von der Vorsitzenden der vormals zuständigen Strafkammer darüber gefertigten Vermerks inhaltlich erfüllt. Ob nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht eine Pflicht des Vorsitzenden des nunmehr zuständigen Tatgerichts besteht, Erörterungstermine i.S.v. § 202a StPO, die ein im ersten Rechtsgang zuständiges Tatgericht durchgeführt, gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO mitzuteilen, bedarf daher keiner Entscheidung.
33
aa) Da weitere, die Angeklagten betreffende und auf eine Verständigung ausgerichtete Gespräche im ersten Rechtsgang nicht stattgefunden hatten, wäre durch die Verlesung des Vermerks über den Erörterungstermin einer even- tuellen Mitteilungspflicht jedenfalls genügt worden. Der Vermerk gibt den wesentlichen Inhalt des Gesprächs wieder. Er stellt vor allem heraus, dass sich das vormals zuständige Gericht lediglich in Bezug auf einen vormals Mitangeklagten zu einer Straferwartung bei dessen Geständnis verhalten hatte, während die Staatsanwaltschaft solche Straferwartungen in Bezug auf sämtliche damaligen Angeklagten geäußert hatte. Ebenso wird über die Reaktionen aller Verteidiger berichtet. Eine Information darüber, auf wessen Initiative vor der Hauptverhandlung geführte, auf eine mögliche Verständigung bezogene Gespräche zustande gekommen sind, gebietet § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht; es handelt sich dabei nicht um einen zum „wesentlichen Inhalt“ gehörenden Umstand (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 1 StR 422/14, NStZ 2015, 293 f.).
34
bb) Unter den Umständen des konkreten Falls wäre die inhaltliche Erfüllung der Mitteilungspflicht auch nicht rechtsfehlerhaft verspätet erfolgt. Aus dem Wortlaut von § 243 Abs. 4 Satz 1 im Zusammenhang mit Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 StPO („Sodann“) ergibt sich, dass die Mitteilung nach der Verlesung des Anklagesatzes und vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache zu erfolgen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 – 5 StR 613/13, NStZ 2014, 287, 289). Innerhalb dieses Zeitrahmens ist vorliegend die vollständige Mitteilung erfolgt. Nachdem der Vorsitzende bereits am zweiten Hauptverhandlungstag festgestellt hatte, dass – ein allerdings von ihm falsch datierter – Erörterungstermin gemäß § 202a StPO durchgeführt worden war, erfolgte am vierten Hauptverhandlungstag vor der Belehrung der Angeklagten gemäß § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO die Verlesung des gesamten Vermerks.
35
Zwar wird es im Hinblick auf die mit § 243 Abs. 4 StPO verfolgten Zwecke in den Konstellationen des Satzes 1 regelmäßig angezeigt sein, möglichst umgehend nach der Verlesung des Anklagesatzes über vor Beginn der Hauptverhandlung geführte Gespräche gemäß §§ 202a, 212 StPO zu informieren (vgl. insoweit bzgl. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 – 1 StR 590/14, NStZ-RR 2015, 379 f.). Maßgeblich ist jedoch, dem Angeklagten um der Gewährleistung einer informierten Entscheidung über sein Einlassungsverhalten und der Öffentlichkeit um der Gewährleistung der von ihr ausgehenden Kontrollfunktion (dazu BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 mwN) willen die gebotene Information über vor der Hauptverhandlung erfolgte verständigungsbezogene Gespräche vor der durch § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO vorgeschriebenen Belehrung zu verschaffen. Da hier nach Verlesung der Anklage bis zum vierten Hauptverhandlungstag auf Verständigung bezogene Gespräche im ersten Rechtsgang sowie das darauf bezogene Ablehnungsgesuch gegen die beisitzende Richterin Gegenstand der Erörterung gewesen sind, wäre einer eventuellen Mitteilungspflicht durch die Verlesung des Vermerks vor der Belehrung gemäß § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO genügt.
36
cc) Der Erfüllung der Mitteilungspflicht stünde das von der Revision im Hinblick auf die Information der Öffentlichkeit beanstandete Fehlen einer Klarstellung der fälschlichen Benennung des Datums des Vermerks der früheren Vorsitzenden über den Erörterungstermin vom 21. Januar 2011 nicht entgegen.
37
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht ein zentrales Anliegen der vom Gesetzgeber mit dem Verständigungsgesetz verfolgten Regelungskonzeption in der Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit. Dem Gesetzgeber sei es maßgeblich darauf angekommen , die Transparenz der strafgerichtlichen Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gerade im Falle einer Verständigung zu bewahren; die Verständigung müsse sich nach dem Willen des Gesetzgebers „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (vgl. BVerfGE 133, 168, 214 f., Rn. 81 f. unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310, S. 8, 12; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173).
38
Die mit der Möglichkeit einer Beobachtung der Hauptverhandlung durch die Allgemeinheit verbundene öffentliche Kontrolle der Justiz erhalte durch die gesetzliche Zulassung der in eine vertrauliche Atmosphäre drängenden Verständigungen zusätzliches Gewicht. Dem habe der Gesetzgeber durch die Mitteilungspflicht in § 243 Abs. 4 StPO Rechnung getragen. Die Öffentlichkeit könne ihre Kontrollfunktion aber nur ausüben, wenn sie die Informationen erhalte , die zur Beurteilung der Angemessenheit einer etwaigen Verständigung erforderlich sind. Nur so bleibt der gerichtliche Entscheidungsprozess transparent und die Rechtsprechung auch in Verständigungsfällen für die Allgemeinheit durchschaubar (BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 mwN). Zugleich dienten die Transparenzvorschriften des Verständigungsgesetzes dem Schutz des Angeklagten vor einem im Geheimen sich vollziehenden „Schulterschluss“ zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung (vgl. BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 1. Juli 2014 – 2 BvR 989/14, Rn. 11; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173). Die Kontrolle durch die Öffentlichkeit solle verhindern, dass „sachfremde, das Licht der Öffentlichkeit scheuende Umstände auf das Gericht und damit auf das Urteil Einfluss gewinnen“ (vgl. BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 mwN).
39
(2) Diese Kontrollfunktion der Öffentlichkeit ist durch die fehlende Klarstellung über das Datum des Erörterungstermins und des darüber gefertigten Vermerks nicht in Frage gestellt worden. Die Öffentlichkeit hat in dem durch § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gebotenen Umfang Kenntnis von der Durchführung einer Erörterung gemäß § 202a StPO und deren Inhalt erhalten. Angesichts des Ablaufs des Verfahrens bis zu der Verlesung des Vermerks lassen sich Missverständnisse über Art und Anzahl mitteilungspflichtiger Erörterungen vor Beginn der Hauptverhandlung im ersten Rechtsgang, die sich auf die Wirksamkeit der Kontrollfunktion hinsichtlich der beiden Angeklagten ausgewirkt haben könnten, sicher ausschließen.
40
dd) Auf allein den früheren Mitangeklagten E. betreffende, verständigungsbezogene Erörterungen im ersten Rechtsgang könnten sich die Angeklagten nicht stützen (vgl. BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 1. Juli 2014 – 2 BvR 989/14, NStZ 2014, 528 f.; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 587/14, NStZ 2015, 417; siehe auch BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 – 1 StR 590/14, NStZ-RR 2015, 379 f.).
41
3. Die zum einen auf die Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO abzielenden und zum anderen einen Verstoß gegen § 261 StPO beanstandenden Verfahrensrügen im Zusammenhang mit von den Angeklagten unterschriebenen „Memoranda of Unterstanding“ und darin inhaltlich Bezug genommenen „Finders Fee Agreements“ bleiben aus den in den Antragsschriften desGeneral- bundeanwalts genannten Gründen, die durch die nachfolgenden Schriftsätze der Verteidigung vom 27. Juni 2015 bzw. 6. Juli 2015 nicht in Frage gestellt werden, ohne Erfolg. Das Landgericht hat sich ohne durchgreifenden Verfahrensfehler die Überzeugung der Kenntnis der Angeklagten von dem Inhalt der „Finders Fee Agreements“ verschafft.

II.


42
Die auf die ausgeführten Sachrügen veranlasste Prüfung des angefochtenen Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht hat keine den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben.
Graf Jäger Cirener Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 400/11
vom
10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 10. Januar 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 5. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei weiteren Fällen sowie der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen, gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verhängt sowie Wertersatz in Höhe von 26.100 € für verfallen erklärt. Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall freigesprochen. Außerdem hat es "die Einziehung der beschlagnahmten Betäubungsmittel und der beschlagnahmten Handys" angeordnet.
2
Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Verfahrensrüge nach § 24 Abs. 2, § 338 Nr. 3 StPO Erfolg, weil ihr Befangenheitsantrag vom 23. März 2011 gegen die erkennenden Berufsrichter und Schöffen zu Unrecht zurückgewiesen worden ist.
3
1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
4
a) Im vorliegenden Verfahren angeklagt waren die Angeklagten H. und S. sowie der frühere Mitangeklagte B. , u.a. wegen des Vorwurfs einer von ihnen am 11. Februar 2008 als Bande begangenen Betäubungsmittelstraftat. Im Hauptverhandlungsprotokoll des ersten Verhandlungstages vom 8. Dezember 2010 ist zu Gesprächen über eine Verständigung Folgendes festgehalten:
5
"Es hat ein ausführliches Rechtsgespräch gegeben. Hinsichtlich des Angeklagten B. wurde seitens der Verteidigung eine Erklärung angekündigt. Es bestand zwischen den Verfahrensbeteiligten Einigkeit, dass bei einer Aussage - auch zu den hier anwesenden weiteren Angeklagten - eine Einstellung des Verfahrens gem. § 154 StPO in Betracht kommt. Im Übrigen ist im Rahmen des Rechtsgesprächs zuvor für den Angeklagten B. eine Straferhöhung der bisherigen Verurteilung (Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren) von bis zu einem Jahr einverständlich erörtert worden im Hinblick auf ein entsprechendes Aussageverhalten. Für den Angeklagten H. hat es keine Verständigung gegeben. Die Kammer hatte bei einem umfassenden Geständnis eine Strafobergrenze von bis zu fünf Jahren und sechs Monaten vorgeschlagen.
Hinsichtlich des Angeklagten S. wurde Einigkeit erzielt, dass bei einem umfassenden Geständnis eine Strafe bis zu vier Jahren in Betracht kommt."
6
Im Hauptverhandlungstermin vom 15. Dezember 2010 erklärten die Angeklagten H. und S. , sich derzeit zur Sache nicht äußern zu wollen. Der Verteidiger des Angeklagten B. gab für seinen Mandanten mündlich Erklärungen zur Sache ab, zu denen sich dieser auf Befragen äußerte.
7
Mit Beschluss vom 16. Dezember, der außerhalb der Hauptverhandlung erging, trennte die Strafkammer das Verfahren gegen den Angeklagten B. gemäß § 4 Abs. 1 StPO mit der Begründung ab, die Sache sei insoweit entscheidungsreif. Am 22. Dezember 2010 wurde die Beweisaufnahme im Verfahren gegen die Angeklagten H. und S. fortgesetzt, am 5. Januar 2011 die Hauptverhandlung im Verfahren gegen den Angeklagten B. .
8
Mit Urteil vom 5. Januar 2011 wurde der frühere Mitangeklagten B. wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem rechtskräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt.
9
In der am 12. Januar 2011 fortgesetzten Hauptverhandlung gegen die Angeklagten H. und S. wurden auf Beschluss der Strafkammer aus dem Protokoll vom 5. Januar 2011 Angaben des Angeklagten B. zur Sache verlesen, die dieser in seinem Verfahren gemacht hatte und durch die er die Angeklagten H. und S. belastete.
10
b) Anschließend stellten die Verteidiger der Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen die Berufsrichter und die Schöffen. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus: Aus Sicht der Angeklagten sei an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der erkennenden Richter zu zweifeln, weil die Besorgnis bestehe, sie hätten sich bereits eine vom Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme nicht mehr beeinflussbare Meinung gebildet. Bei der mündlichen Begründung des gegen den Angeklagten B. ergangenen Urteils habe der Vorsitzende die Überzeugung der Strafkammer dargelegt, dieser habe am 11. Februar 2008 vom Angeklagten H. gekauftes, zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmtes Kokain im bandenmäßigen Zusammenwirken mit den Angeklagten H. und S. aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Für die Angeklagten müsse hieraus der Eindruck erwachsen, die Kammer habe sich allein aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten B. von einem bandenmäßigen Zusammenwirken überzeugt und sich insoweit vor Abschluss der Beweisaufnahme im hiesigen Verfahren festgelegt.
11
Alle Mitglieder des erkennenden Gerichts gaben daraufhin dienstliche Erklärungen mit dem Inhalt ab, es sei ausdrücklich erörtert worden, dass im Verfahren gegen die Angeklagten allein auf der Grundlage der in diesem Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme zu entscheiden sei, und zwar unabhängig vom Beweisergebnis des gegen den Angeklagten B. gerichteten Verfahrens.
12
In der folgenden Hauptverhandlung vom 2. Februar 2011 wurde ein - ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter gefasster - Beschluss des Landgerichts vom 28. Januar 2011 verkündet, durch den die Befangenheitsanträge im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen wurden: Es bestehe kein vernünftiger Grund, an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Der Angeklagte B. habe vor der Abtrennung seines Verfahrens keine die früheren Mitangeklagten belastenden Angaben gemacht. Seine Einlassung nach der Abtrennung sei im Verfahren gegen die Angeklagten H. und S. nicht der Urteilsfindung zugrunde zu legen, wie die Berufsrichter den Schöffen verdeutlicht hätten.
13
c) In der Hauptverhandlung vom 16. März 2011 wurde den Verteidigern der Angeklagten eine Kopie des gegen den früheren Mitangeklagten B. ergangenen Urteils vom 5. Januar 2011 ausgehändigt. In den Urteilsgründen ist zur Tat vom 11. Februar 2008 Folgendes feststellt: "Der Angeklagte (B. ) sowie H. und S. schlossen sich spätestens Ende 2007 zusammen, um arbeitsteilig regelmäßig Betäubungsmittel aus den Niederlanden nach Deutschland zu schmuggeln und hier gewinnbringend zu verkaufen. ... Es wurde geplant, dass H. alleine oder zusammen mit S. die Drogen in den Niederlanden beschafft und dass der Angeklagte B. diese vor der Grenze zum Zwecke der Einfuhr in seinem Pkw übernimmt. ... am 11. Februar 2008 erwarb H. zum Zwecke des Handeltreibens in Rotterdam eine nicht geringe Menge Kokain, zumindest 40 - 250 Gramm. S. begleitete und unterstützte ihn bei dieser Fahrt. Gegen 18.40 Uhr übergaben sie in der Nähe von Hoogeveen/Niederlande wie zuvor vereinbart das erworbene Rauschgift an den Angeklagten B. , der planmäßig das Rauschgift in seinem Fahrzeug deponierte und es unter Absicherung des Grenzübertritts und des weiteren Transportes durch H. und S. über die grüne Grenze nach Deutschland einführte. ..."
14
d) Im folgenden Hauptverhandlungstermin vom 23. März 2011 lehnten die Verteidiger der Angeklagten die Berufsrichter und die Schöffen erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führten sie im Wesentli- chen aus: Bei verständiger Würdigung der Gründe des gegen den früheren Mitangeklagten B. ergangenen Urteils müssten die Angeklagten besorgen, die erkennenden Richter hätten sich zumindest hinsichtlich der Tat vom 11. Februar 2008 eine abschließende Meinung gebildet, obwohl die Beweisaufnahme in dem gegen sie geführten Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. In der Beweiswürdigung habe die Strafkammer die geständige Einlassung des Angeklagten B. , die in Widerspruch zu den schriftlichen Einlassungen der Angeklagten stehe, als glaubhaft und das Ermittlungsergebnis der Polizei als plausibel und keine andere Deutung zulassend bezeichnet. Sie habe dabei fehlerhaft auf die angebliche Aussage der Zeugin KHK'in He. abgestellt, die nicht in dem abgetrennten Verfahren gegen den Angeklagten B. , sondern erst nach Abtrennung im hiesigen Verfahren vernommen worden sei. Deshalb müsse von den Angeklagten besorgt werden, die Kammer differenziere nicht zwischen den in beiden Verfahren erhobenen Beweisen. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände müssten die Angeklagten den Eindruck gewinnen, die Verfahrensabtrennung habe nur dazu gedient, den Angeklagten B. durch einen geringen Strafaufschlag zu konkreten, die Angeklagten H. und S. belastenden Aussagen zu bewegen.
15
Die abgelehnten Richter erklärten in ihren dienstlichen Stellungnahmen, sie fühlten sie nicht befangen, sie würden zwischen den Beweisaufnahmen in beiden Verfahren differenzieren.
16
In der Hauptverhandlung vom 31. März 2011 wurde ein - wiederum ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter gefasster - Beschluss des Landgerichts vom 29. März 2011 verkündet, durch den die Befangenheitsanträge im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen wurden: Die bloße Mitwirkung der abgelehnten Richter in dem abgetrennten Verfahren reiche nicht aus, um eine Befangenheit anzunehmen. Auch die weiteren aufgeführten Umstände könnten aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht die Annahme begründen , die Richter würden nicht mit der gebotenen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit urteilen. Die Feststellungen sowie die Beweiswürdigung in dem Urteil gegen den Angeklagten B. ließen keine Rückschlüsse auf eine festgelegte Überzeugung der Kammer im Verfahren gegen die Angeklagten H. und S. zu. Diese habe durch die Fortsetzung der Beweisaufnahme an acht weiteren Verhandlungstagen für die Angeklagten deutlich gemacht, dass sie ihre Aufgabe, zu einer von dem abgetrennten Verfahren losgelösten, unabhängigen Entscheidung zu finden, sehr ernst nehme. An dieser Einschätzung könne auch nichts der Umstand ändern, dass die Kammer in dem gegen den Angeklagten B. ergangenen Urteil ihre Überzeugung rechtsfehlerhaft auch auf die Vernehmung der tatsächlich in dem Verfahren gegen B. nicht vernommenen Zeugin KHK'in He. gestützt habe. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass sie im hiesigen Verfahren Beweismittel berücksichtigen könnte, die allein im abgetrennten Verfahren erhoben worden seien. Die Abtrennung des Verfahrens habe ausschließlich der Beschleunigung des gegen B. geführten, entscheidungsreifen Verfahrens gedient, eine Absprache mit ihm, dass er ein geringeres Strafmaß erwarten dürfe, wenn er die Angeklagten H. und S. belaste, habe es nicht gegeben. Auch die Gesamtschau aller Umstände rechtfertige nicht die Besorgnis der Befangenheit.
17
2. Die zulässige Verfahrensrüge ist begründet.
18
Bei der gebotenen objektiven Beurteilung aus der Sicht eines verständigen Angeklagten konnten die Angeklagten H. und S. durch die Verfahrensweise des Gerichts den Eindruck gewinnen, die abgelehnten Richter stünden ihnen bei der Entscheidung über die Vorwürfe der Anklage, insbesondere zu der entscheidenden Frage einer Bandenbildung bei der Tat vom 11. Februar 2008 nicht mehr mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenüber (§ 24 Abs. 2 StPO).
19
a) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrundes gemäß § 23 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht geeignet , die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 1966 - 4 StR 261/66, BGHSt 21, 142; BGH, Urteil vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334; BGH, Beschluss vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 337; BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 24 Rn. 12 f. mwN). Das betrifft nicht nur die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern auch die Mitwirkung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat.
20
Nach diesen Kriterien grundsätzlich unbedenklich ist auch die Mitwirkung an einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren. Dies gilt auch dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch wegen einer Tat ergeht, zu der sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen den oder die früheren Angeklagten später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat (BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866). Da eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen oder in einem anderen damit zusammenhängenden Verfahren von Strafprozessordnung und Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die Vorbefassung als solche - abgesehen von den in § 22 Nr. 4 und 5, § 23 und § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO genannten Ausschließungstatbeständen - die Besorgnis der Befangenheit aus normativen Erwägungen im Allgemeinen nicht begründen. Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies wird etwa angenommen, wenn Äußerungen in früheren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221; BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44).
21
b) Vorliegend waren solche besonderen Umstände gegeben. Es lag eine Vielzahl von Faktoren vor, die zwar isoliert für sich betrachtet noch nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigte aber in ihrer Kumulation waren die Einzelaspekte geeignet, aus der Sicht der Angeklagten bei der gebotenen objektiven Beurteilung Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu begründen. Denn für ihre Befürchtung, die Strafkammer differenziere nicht ausreichend zwischen den getrennt geführten Verfahren und sei hinsichtlich der Tat vom 11. Februar 2008 auf eine bandenmäßige Begehung festgelegt , bestanden nachvollziehbare Gründe.
22
Bereits das protokollierte, formell rechtsfehlerfreie Rechtsgespräch über eine Verständigung am ersten Hauptverhandlungstag konnte bei den Angeklagten den Eindruck erwecken, die Strafkammer sage dem früheren Mitangeklagten B. eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO oder eine nur moderate Erhöhung der bereits rechtskräftigen Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren nur zu, um ihn zu einer die Angeklagten H. und S. belastenden Aussage zu veranlassen. Gegenstand der Vereinbarung mit dem Angeklagten B. war ausdrücklich eine Aussage auch zu den Mitangeklagten , während bei diesen die vorgeschlagene Strafobergrenze nur von einem umfassenden Geständnis abhängig gemacht wurde.
23
In der hier gegebenen Verfahrenssituation, in der der frühere Mitangeklagte B. entsprechend der getroffenen, für ihn günstigen Absprache in erster Linie über seinen Verteidiger Angaben zur Sache gemacht hatte, während sich die Angeklagten in der Hauptverhandlung noch nicht eingelassen hatten , war die Abtrennungsentscheidung mit der Begründung, das Verfahren gegen B. sei entscheidungsreif, für sich betrachtet zwar noch nicht ermessensfehlerhaft , bewegte sich jedoch im Grenzbereich zu einem Ermessensfehler. Wenn mehrere Personen angeklagt sind, als Mitglieder einer Bande eine Betäubungsmittelstraftat begangen zu haben, ist es im Hinblick auf die Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) regelmäßig sachgerecht und erforderlich , gegen alle Angeklagten aufgrund einer einheitlichen, alle Beweismittel umfassenden Beweisaufnahme zu entscheiden. Denn es ist nicht fernliegend, dass der aussagebereite Angeklagte zu Lasten der Mitangeklagten seine eigenen Tatbeiträge beschönigende Angaben macht, die anschließend das Gericht nach einer nur rudimentären Beweisaufnahme dem Urteil gegen diesen zugrunde legt. Unter Berücksichtigung der Pflicht zur Amtsaufklärung kann die Abtrennungsentscheidung mit der Begründung, das Verfahren sei insoweit entscheidungsreif , aus der Sicht der schweigenden Angeklagten den Eindruck erwecken , das Gericht werde auch in ihrem Verfahren von dem Tathergang ausgehen , den der aussagebereite Angeklagte geschildert hatte.
24
Die weitere Gestaltung beider Verfahren sowie der Inhalt des gegen den Angeklagten B. ergangenen Urteils waren geeignet, die dargestellten Befürchtungen der Angeklagten von einer Befangenheit der erkennenden Richter zu verstärken. In dem abgetrennten Verfahren gegen B. stellte die Strafkammer zwei angeklagte Taten gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein und verurteilte diesen nach einer kurzen Beweisaufnahme unter Einbeziehung der Strafen aus seiner rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten und damit zu einer um lediglich drei Monate erhöhten Gesamtfreiheitsstrafe. In den schriftlichen Gründen des Urteils vom 5. Januar 2011 stellte die Kammer zu der Tat vom 11. Februar 2008 nicht nur eine bandenmäßige Begehung fest, sondern ging entsprechend der Einlassung des Angeklagten B. davon aus, dass dieser lediglich als Kurier vom Angeklagten H. gekauftes, für dessen Betäubungsmittelhandel bestimmtes Kokain nach Deutschland einführte. In der Beweiswürdigung bezeichnete sie die Einlassung des Angeklagten B. , die im Gegensatz zu den späteren Einlassungen der Angeklagten H. und S. stand, als glaubhaft sowie das Ermittlungsergebnis der Polizei als plausibel und keine andere Deutung zulassend, obwohl die Beweisaufnahme in dem gegen die Angeklagten geführten Verfahren noch andauerte. Dadurch, dass in der Beweiswürdigung darüber hinaus KHK'in He. als Zeugin angeführt wird, obwohl diese nach der Abtrennung des Verfahrens gegen B. ausschließlich in dem Verfahren gegen die Angeklagten vernommen worden war, verstärkten die erkennenden Richter letztlich in entscheidender Weise die Besorgnis, sie vermischten die Beweisergebnisse der beiden getrennt geführten Verfahren und behandelten diese entgegen ihren Beteuerungen als eine Einheit. Dieser Eindruck war auch schon zuvor hervorgerufen worden, weil in der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten H. und S. die protokollierte, die Angeklagten H. und S. belastende Einlassung des Angeklagten B. aus dessen Verfahren gemäß § 251 Abs. 1 StPO verlesen worden war, ohne dass hierfür die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlagen oder eine andere Rechtsgrundlage erkennbar ist.
25
Über die Anklagevorwürfe ist daher neu zu verhandeln und zu entscheiden.
26
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
27
a) Sollen nach § 154 StPO eingestellte Straftaten bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, ist in der Regel der Angeklagte zuvor darauf hinzuweisen (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 154 Rn. 25, § 154a Rn. 2).
28
b) Die Ausübung eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO muss ausdrücklich erklärt werden. Das bloße Nichterscheinen eines geladenen Zeugen kann daher regelmäßig nicht als Ausübung dieses Rechts gewertet werden (BGH, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 326/88, StV 1989, 140).
29
c) In Fällen, in denen der Täter Betäubungsmittel zum Teil zum Eigenverbrauch und zum Teil zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwirbt, besteht zwischen dem Erwerb und dem Handel Tateinheit (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 726). Erwirbt ein Betäubungsmittelkonsument Rauschgift, liegt es nicht fern, dass ein Teil davon zum Eigenkonsum bestimmt ist.
30
d) Bei Verurteilung wegen Beihilfe drängt sich regelmäßig die ausdrückliche Prüfung auf, ob dieser vertypte Strafmilderungsgrund geeignet ist, im Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen einen minder schweren Fall zu begründen.
31
e) Einzuziehende Gegenstände sind in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (Fischer, StGB, 54. Aufl., § 74 Rn. 4). Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB65/13
vom
18. Dezember 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Mitwirkung der im Vorprozess mit der Sache befassten Richter bei dem Erlass
der Entscheidung im späteren Anwaltshaftungsprozess stellt weder einen gesetzlichen
Ausschlussgrund noch einen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit
dar.
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - IX ZB 65/13 - OLG Hamm
LG Münster
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter
Dr. Fischer und Dr. Pape
am 18. Dezember 2014

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 32. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. August 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 80.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Berufspflichten. Die beklagten Rechtsanwälte vertraten den Kläger vor dem Landgericht Münster in einem Arzthaftungsprozess (nachfolgend: Vorprozess). Nach Abweisung der Klage legten sie auftragsgemäß Berufung ein, die sie nicht rechtzeitig begründeten. Der Kläger ist der Auffassung, sein Rechtsmittel wäre begründet gewesen. Er nimmt die Beklagten deshalb auf Schadensersatz in Höhe des im Vorprozess verlangten Schmerzensgeldes von 50.000 € sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch, die er durch die im Vorprozess streitgegenständliche ärztliche Fehlbehandlung erlitten habe und künftig noch erleiden werde. Nach der Geschäftsverteilung des Landgerichts ist für die Entscheidung des Rechtsstreits die Kammer zuständig, die bereits mit dem Vorprozess befasst war. Mit Schriftsatz vom 11. März 2013 hat der Kläger, soweit noch von Interesse, den Kammervorsitzenden und ein weiteres Mitglied der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung abgelehnt, dass der Fall demjenigen des gesetzlichen Ausschlusses des mit der Sache vorbefassten Richters nach § 41 Nr. 6 ZPO entspreche. In ihren dienstlichen Äußerungen haben die Richter erklärt , über die Klage unvoreingenommen urteilen zu können.
2
Das Ablehnungsgesuch ist vor dem Landgericht erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Ablehnungsbegehren weiter.

II.


3
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
4
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die abgelehnten Richter seien weder kraft Gesetzes noch wegen Besorgnis der Befangenheit von der Ausübung ihres Richteramtes ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 41 Nr. 6 ZPO seien nicht erfüllt, die Vorschrift führe nur dann zum gesetzlichen Ausschluss vom Richteramt, wenn ein Richter in einem früheren Rechtszug des gleichen Verfahrens an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Regressprozess bezwecke nicht die Überprü- fung der im Ausgangsverfahren ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung, deren Richtigkeit nur inzidenter im Rahmen des geltend gemachten Schadens zu beurteilen sei. Einer ausdehnenden Auslegung sei die Vorschrift nicht zugänglich. Dem stehe das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Beteiligten auf den gesetzlichen Richter entgegen.
5
Die Tätigkeit der abgelehnten Richter im Ausgangsverfahren rechtfertige auch nicht die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO. Allein die Mitwirkung der Richter an dem klageabweisenden Urteil des Ausgangsprozesses begründe diese Besorgnis nicht. Die Zivilprozessordnung lasse verschiedene Konstellationen - etwa die Entscheidung über den Einspruch nach Erlass eines Versäumnisurteils oder über den Widerspruch gegen eine im Beschlussverfahren ergangene einstweilige Verfügung - zu, in denen ein Richter im weiteren Verlauf des Verfahrens eigene Entscheidungen zu überprüfen und gegebenenfalls abzuändern habe, ohne dass er deshalb aus der Sicht einer verständigen Partei als befangen anzusehen sei. Dies gelte auch für atypische Konstellationen prozessrechtlicher Vorbefassung, in denen beispielsweise der Rechtsmittelrichter an das Tatsachengericht wechsele, bei dem er ein unter seiner Mitwirkung im Rechtsmittelverfahren aufgehobenes und zurückverwiesenes Rechtsmittelverfahren fortzuführen habe, oder die Befassung als Zivilrichter mit einer Sache, die er zuvor bereits als Strafrichter zu beurteilen gehabt habe.
6
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die abgelehnten Richter sind wegen ihrer Mitwirkung im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess weder ausgeschlossen (§ 41 Nr. 6 ZPO) noch befangen (§ 42 Abs. 2 ZPO).

7
a) Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in Sachen ausgeschlossen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Seine Mitwirkung an einer anderen Entscheidung als der angefochtenen reicht hingegen nicht aus (BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - VI ZR 109/59, NJW 1960, 1762 f; vom 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1273 f; Beschluss vom 24. Juli 2012 - II ZR 280/11, NJW-RR 2012, 1341 Rn. 2; BVerwG, NJW 1975, 1241; NJW 1980, 2722; BFHE 242, 271 Rn. 23). Im Streitfall haben die abgelehnten Richter, die im Anwaltshaftungsprozess in erster Instanz tätig werden sollen, nur in einem Vorprozess mitgewirkt , dessen für den Kläger negativer Ausgang den Anlass für die streitgegenständliche Haftungsklage gegeben hat. Dieser Fall wird von dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst.
8
Eine entsprechende Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO auf den hier gegebenen Fall der Vorbefassung scheidet ebenfalls aus. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Es geht im Anwaltshaftungsprozess nicht um eine auch nur mittelbare Überprüfung der im Vorprozess ergangenen Entscheidung. Die Frage, ob dem Mandanten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts ein Schaden entstanden ist, der vom Ausgang eines anderen Rechtsstreits abhängt, ist danach zu beurteilen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre (BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - IX ZR 233/95, BGHZ 133, 110, 111; vom 17. September 2009 - IX ZR 74/08, WM 2009, 2138 Rn. 20). Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte, ist hingegen ohne Belang (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205, 209 Rn. 9). Die Stellung des Gerichts im Haftungsprozess entspricht daher eher der eines Instanzgerichts, das nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Rechtsmittelgericht erneut über die Sache zu befinden hat. Wie sich aus § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergibt, entscheidet nach Zurückverweisung der Sache ein anderer Spruchkörper nur, wenn das Rechtsmittelgericht eine diesbezügliche besondere Anordnung trifft. Fehlt eine solche, ist bei den Mitgliedern des vorbefassten Spruchkörpers , die an dem aufgehobenen Urteil mitgewirkt haben, kein Fall der unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO gegeben (vgl. BVerwG, NJW 1975, 1241 mwN; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 41 Rn. 24 f; Musielak/Heinrich, ZPO, 11. Aufl., § 41 Rn. 13; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 41 Rn. 24). Dieses Beispiel zeigt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Unvoreingenommenheit des Richters grundsätzlich nicht schon dadurch gefährdet ist, dass er sich schon früher zu demselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat. In den Regelungen zum Nachverfahren nach einer Entscheidung im Urkundenprozess (vgl. Hk-ZPO/Bendtsen, 5. Aufl., § 41 Rn. 17 f; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO; Musielak/Heinrich, aaO; Zöller/ Vollkommer, aaO; jeweils mwN) kommt dies ebenfalls zum Ausdruck.
9
Im Übrigen führt § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend auf. Schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die Vorschrift einer erweiternden Auslegung im Sinne der Rechtsbeschwerde nicht zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1980, aaO; vom 4. Dezember 1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425; Beschluss vom 20. Oktober 2003 - II ZR 31/02, NJW 2004, 163; vom 24. Juli 2012, aaO Rn. 3; BVerfGE 30, 149, 155; BVerfGE 30, 165, 168 f; BVerfG, NJW 2001, 3533).

10
b) Die bloße Mitwirkung an der im Vorprozess ergangenen Entscheidung stellt im nachfolgenden Haftungsprozess auch keinen Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO dar. Begründete bereits die Mitwirkung im Vorprozess die Besorgnis der Befangenheit, führte dies auf dem Umweg über § 42 ZPO im Endergebnis zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 ZPO, die - wie ausgeführt - aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen ist.
11
aa) Nach § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Unerheblich ist, ob der Richter sich befangen fühlt oder tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei die Besorgnis besteht , der zur Entscheidung berufene Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 1986 - X ZR 70/84, NJW-RR 1986, 738; vom 14. März 2003 - IXa ZB 27/03, WM 2003, 946; st. Rspr.; s. ferner BVerfG NJW 1993, 2230 mwN; Prütting/ Gehrlein/Mannebeck, ZPO, 6. Aufl., § 42 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO § 42 Rn. 4; Zöller/Vollkommer, aaO § 42 Rn. 9). Der nach § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft zu machende Ablehnungsgrund kann, wenn wie hier keiner der Ausschlusstatbestände des § 41 ZPO vorliegt, nur in konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen liegen.
12
bb) Daran fehlt es hier. Allein der Umstand, dass es einem Richter bei einer Zweitbefassung mit einem Sachverhalt zugemutet wird, sich von dessen früherer rechtlichen Beurteilung zu lösen und den Fall neu zu durchdenken, reicht hierfür nicht aus (a.A. LG Darmstadt, NJW-RR 1999, 289, 290; Baur in Festschrift Larenz, 1973, S. 1063, 1073 f). Aus objektiver Sicht ist es dem in typischer oder atypischer Weise vorbefassten Richter grundsätzlich zuzutrauen, dass er auch den neuen Fall ausschließlich nach sachlichen Kriterien löst (vgl. MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO § 42 Rn. 15 f). Besondere Umstände des Einzelfalls, aus denen sich ergeben könnte, dass die hier abgelehnten Richter aus der Sicht einer verständigen Partei gehindert sein könnten, den sich aus dem von ihnen seiner Zeit entschiedenen Arzthaftungsprozess ergebenden Anwaltshaftungsfall objektiv und angemessen zu beurteilen, hat der Kläger nicht dargetan und nicht glaubhaft gemacht.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 13.06.2013 - 111 O 11/13 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.08.2013 - 32 W 11/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 7 2 6 / 1 3
vom
8. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2014 beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Untreue jeweils zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre dagegen gerichteten , mit Verfahrensbeanstandungen und mit der Sachrüge begründeten Revisionen haben mit jeweils auf Verletzung von § 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen Erfolg. Auf die geltend gemachten sachlichrechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.
2
1. Den Rügen liegt jeweils folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Am 14. Dezember 2012, dem elften von insgesamt 24 Hauptverhandlungstagen , verkündete der Vorsitzende von den Berufsrichtern der Strafkammer beschlossene, jeweils auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützte Haftbefehle gegen die Angeklagten. Für den Angeklagten S. sah das Landgericht diesen Haftgrund u.a. in der zu erwartenden langjährigen Freiheitsstrafe sowie „dringende(n) Anhaltspunkte(n) für weitere, gravierende Straftaten“, bzgl. derer ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren aber noch nicht eingeleitet war, begründet. Weiterhin wird in dem Haftbefehl ausgeführt, der Angeklagte S. erkenne nunmehr, dass eine langjährige Vollzugsstrafe näher rücke.
Vor diesem Hintergrund sei auch „sein bisheriges, auf Konfrontation angelegtes Prozessverhalten zu würdigen“. Dieses lege nahe, dass der Angeklagte alles unternehmen werde, um eine Verurteilung zu vermeiden.
4
In Bezug auf den Angeklagten Dr. I. stützte das Landgericht die Fluchtgefahr u.a. auf die hohe Straferwartung und - wie bei dem Angeklagten S. - auf den dringenden Verdacht weiterer gewichtiger Straftaten. Vor allem führte es in dem Haftbefehl aus, der Angeklagte sei zwar zu allen bisher zehn Hauptverhandlungsterminen erschienen. Der Umstand jedoch, dass er nunmehr einen Verteidigerwechsel herbeigeführt habe, lasse zusammen mit dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme „ernsthaft befürchten“, der Angeklagte wolle dem Verfahren „bis zu seinem Abschluss nicht freiwillig beiwohnen“.
5
Hinsichtlich beider Angeklagter bezogen sich die Haftbefehle nicht lediglich auf einen dringenden Tatverdacht bzgl. der später zum Schuldspruch führenden Untreue, sondern erfassten auf der Grundlage der zum Hauptverfahren zugelassenen Anklage weitere Tatvorwürfe, u.a. verschiedene Betrugstaten, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie Insolvenzdelikte.
6
Mit Anträgen ihrer Verteidiger lehnten beide Angeklagte im Anschluss an die Verkündung der Haftbefehle die berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer wegen der Besorgnis der Befangenheit, vor allem im Hinblick auf die jeweiligen Begründungen für den Haftgrund der Fluchtgefahr, ab. Der Verteidiger des Angeklagten S. machte geltend, die Ausführungen der Strafkammer zum Haftgrund der Fluchtgefahr seien floskelhaft und willkürlich. Ausführungen zu den konkreten Ergebnissen der bisherigen Beweisaufnahme fehlten. Für den Angeklagten Dr. I. führte sein neuer Verteidiger, Rechtsanwalt R. aus, es fehle in dem „aus heiterem Himmel“ erlassenen Haftbefehl an Angaben darüber, aufgrund welcher konkreten Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme sich die Anklagevorwürfe erhärtet hätten. Soweit die Strafkam- mer die Fluchtgefahr auf den „plötzlichen Verteidigerwechsel“ stütze, habe Rechtsanwalt R. dem Vorsitzenden telefonisch bereits am 12. Dezember 2012 mitgeteilt, dass er (Rechtsanwalt R. ) in die Sache ausreichend eingearbeitet sei und keinen Aussetzungsantrag stellen werde. Dies bestätigte er schriftlich in einem per Telefax übersandten Schriftsatz.
7
Die berufsrichterlichen Mitglieder des erkennenden Gerichts gaben auf die Anträge hin dienstliche Erklärungen ab. Der Vorsitzende führte unter näherer Darlegung aus, in den Befangenheitsanträgen würden die bisherigen Beweisergebnisse selektiv und einseitig wiedergegeben. Im Übrigen hätten die Haftbefehle nichts mit einer Abstrafung der Angeklagten für prozessual zulässiges Verhalten zu tun. Es zeichne sich aber immer deutlicher ab, dass die Angeklagten mit langjährigen Freiheitsstrafen zu rechnen hätten und neben den verfahrensgegenständlichen Vorwürfen gravierende neue Tatsachen auftauchten , die das Verhalten der Angeklagten in einem negativeren Licht erscheinen ließen. Die beisitzende Richterin stellte in ihrer den Angeklagten Dr. I. betreffenden Stellungnahme ebenfalls eine Abstrafung für den vorgenommenen Verteidigerwechsel in Abrede. Dieser Wechsel am elften Verhandlungstag nach Durchführung einer umfassenden Beweisaufnahme lasse aber in der Zu- sammenschau mit deren bisherigen Ergebnissen darauf schließen, „daß die Wahl eines neuen Verteidigers nicht der Wahrung seiner Verfahrensrechte, sondern dazu dient, das Verfahren - etwa durch Aussetzungsanträge - ‚platzen‘ zu lassen.“ Die dienstliche Stellungnahme des weiteren Beisitzers erschöpfte sich in einer Bezugnahme auf die Begründung der Haftbefehle, die er mittrage.
8
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2012 wies die Strafkammer, ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter, die Befangenheitsanträge der Angeklagten als unbegründet zurück. Zwischenentscheidungen im laufenden Verfahren begründeten die Befangenheit der beteiligten Richter erst dann, wenn die darin geäußerte Rechtsansicht völlig unhaltbar sei oder den Anschein von Willkür erwecke. Dies sei vorliegend auch für den Haftgrund der Fluchtgefahr nicht der Fall. Bezüglich beider Angeklagter ergebe sich aus den Haftbefehlen nicht, dass das Bestehen von Fluchtgefahr aus der Wahrnehmung prozessualer Rechte durch die Angeklagten hergeleitet werde. Insoweit handele es sich jeweils lediglich um eines von mehreren für die Beurteilung der Fluchtgefahr herangezogenen Kriterien.
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Auf die Beschwerden der Angeklagten hin hob das Oberlandesgericht München die Haftbefehle wegen Fehlens eines Haftgrundes auf. Fluchtgefahr bestehe nicht. Der Wechsel seines Pflichtverteidigers durch den Angeklagten Dr. I. sei ein prozessual zulässiges Verhalten, durch das im Übrigen auch keinerlei Verzögerung des Verfahrens eingetreten sei. Das Verteidigungsverhalten des Angeklagten S. , selbst wenn es als Konfliktverteidigung bezeichnet werden könne, sei ebenfalls prozessual zulässig. Zudem hätten sich die beiden Angeklagten in Kenntnis der gegen sie erhobenen Vorwürfe und des durch die Staatsanwaltschaft bereits vor Beginn der Hauptverhandlung angebrachten Haftbefehlsantrags dem Verfahren stets gestellt. Der Ausgang des erst am 17. Dezember 2012 und damit nach Erlass des Haftbefehls eingeleiteten weiteren Ermittlungsverfahrens gegen die Angeklagten sei noch völlig ungewiss.

10
2. Die Verfahrensrügen greifen durch. Die drei berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer haben an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt, obwohl sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden waren und die Ablehnungsgesuche jeweils zu Unrecht abgelehnt worden sind. Aus Sicht beider Angeklagter lag bei objektiver Beurteilung ein Grund vor, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
11
a) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist bei dem Ablehnenden gegeben, wenn er bei einer verständigen Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341; vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08 [insoweit in BGHSt 54, 39 ff. nicht abgedruckt]). Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger (BGH, aaO, BGHSt 21, 334, 341; BGH, Urteil vom 13. März 1997 - 1 StR 793/96, BGHSt 43, 16, 18 mwN) bzw. verständiger Angeklagter (BGH, Beschluss vom 8. März 1995 - 5 StR 434/94, BGHSt 41, 69, 71; siehe auch BGH, Beschluss vom 18. November 2008 - 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85 f.).
12
Knüpft die Besorgnis der Befangenheit an eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vorbefassung der abgelehnten Richter - wie hier die Mitwirkung an den Haftbefehlen gegen die Angeklagten - an, ist jenseits gesetzlicher Ausschließungsgründe (vgl. etwa § 22 Nr. 4 und 5; § 23 StPO) dieser Umstand als solcher regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen , wenn und soweit nicht besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 mwN). Rechtsfehler in Entscheidungen bei Vorbefassung mit dem Verfahrensgegenstand können für sich genommen eine Ablehnung der mitwirkenden Richter grundsätzlich nicht begründen (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342 f.; Cirener in BeckOK-StPO, Ed. 18, § 24 Rn. 15 mwN); etwas Anderes gilt jedoch, wenn die von den abgelehnten Richtern getroffene Entscheidung bzw. die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung sich als rechtlich völlig abwegig erweist oder gar als willkürlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. September 2002 - 1 StR 169/02, BGHSt 48, 4, 8; Urteil vom 12. November 2009 - 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342 f.; Scheuten in KK-StPO, 7. Aufl., § 24 Rn. 8). Besondere Umstände können aber auch dann gegeben sein, wenn sich aus der Art und Weise der Begründung von Zwischenentscheidungen die Besorgnis der Befangenheit ergibt (vgl. Cirener in BeckOK-StPO, aaO, § 24 Rn. 15).
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b) Nach diesen Maßstäben, die im rechtlichen Ausgangspunkt auch das Landgericht bei seiner Entscheidung über die Befangenheitsanträge zugrunde gelegt hat, konnten die Angeklagten bei verständiger Würdigung davon ausgehen , dass ihnen die abgelehnten Richter nicht (mehr) unvoreingenommen und unparteilich gegenüberstanden, nachdem sie am elften Verhandlungstag Haftbefehle mit den unter 1. dargestellten Inhalten gegen die Angeklagten erließen und an diesen auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens festhielten.
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Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich bereits der Erlass der Haftbefehle während der laufenden Hauptverhandlung als solcher unter den konkreten Umständen als unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründbar und damit als zumindest objektiv willkürlich erweist. Denn jedenfalls die für das Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr angeführten Erwägungen sind hin- sichtlich beider Angeklagter rechtlich in keiner Weise tragfähig und begründen deshalb die Besorgnis der Befangenheit.
15
„Fluchtgefahr“ im Sinne von § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO besteht dann, wenn die Würdigung der konkreten Umstände des Falls es wahrscheinlicher macht, dass der Angeklagte sich dem Verfahren entzieht, als dass er sich zur Durchführung des Verfahrens zur Verfügung hält (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 112 Rn. 17 mwN). Das Sich-Entziehen durch den Angeklagten knüpft an Verhaltensweisen an, die bewirken, dass der Fortgang des Strafverfahrens dauerhaft oder zumindest vorübergehend durch Aufhebung der Bereitschaft des Angeklagten verhindert wird, sich für Ladungen oder Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 112 Rn. 18).
16
Die in den Haftbefehlen gegen die Angeklagten angeführten Begründungen enthalten keine Gesichtspunkte, die die vorgenannten Voraussetzungen der Fluchtgefahr stützen könnten, nachdem sich beide Angeklagten an den ersten zehn Verhandlungstagen dem Verfahren gestellt und den Ladungen Folge geleistet hatten.
17
aa) In dem Haftbefehl gegen den Angeklagten Dr. I. stellen die abgelehnten Richter für die nunmehr bestehende Fluchtgefahr ausdrücklich auf den Umstand ab, dass er einen Verteidigerwechsel herbeigeführt habe. Aus welchen Gründen das prozessual zulässige Verhalten der Wahl eines neuen Verteidigers einen Schluss auf die Bereitschaft des Angeklagten gestatten soll, sich wie bisher dem Verfahren zu stellen, lässt sich dem Haftbefehl nicht entnehmen und ist auch außerhalb dessen nicht ersichtlich. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund der von dem neuen Wahlverteidiger gegenüber dem Vorsitzenden mündlich und schriftlich vor dem Erlass des Haftbefehls abgegebenen (retrospektiv eingehaltenen) Zusicherung, in die Sache eingearbeitet zu sein und keine Aussetzungsanträge zu stellen. Zwar wird in der Begründung des Haftbefehls auch ausgeführt, das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme lasse „ernsthaft befürchten, dass der Angeklagte dem Verfahren bis zu seinem Abschluss nicht freiwillig beiwohnen will“. Diese Bewertung stützen die abgelehnten Richter aber wiederum lediglich darauf, die bisherige Beweisaufnahme habe „die Anklagevorwürfe in vielen Bereichen erhärtet“. Die Ergebnisse der Beweisaufnahme werden jedoch nicht näher ausgeführt, so dass bereits nicht ersichtlich ist, inwieweit sich für die Beurteilung der Fluchtgefahr relevante Änderungen der Umstände für die Angeklagten ergeben haben sollen. Vor allem aber verknüpfen die drei abgelehnten Richter in dem Haftbefehl die Ergebnisse der „bisherigen Beweisaufnahme“ und die Erkenntnis des Angeklagten, eine langjährige Freiheitsstrafe rücke näher, in einer nicht erläuterten und in der Sa- che nicht nachvollziehbaren Weise mit dem „plötzlichen Verteidigerwechsel“. Warum der zulässige Wechsel zu einem in die Sache bereits eingearbeiteten neuen Verteidiger ein auf den angeblichen Willen des Angeklagten Dr. I. , sich dem Verfahren zukünftig nicht mehr zu stellen, hindeutender Umstand sein soll, ist nicht erklärlich und wird seitens der abgelehnten Richter weder in der Haftbefehlsentscheidung noch in ihren dienstlichen Erklärungen erklärt.
18
Die Art und Weise der Begründung des gegen den Angeklagten Dr. I. ergangenen Haftbefehls begründet damit die Besorgnis der Befangenheit der an diesem beteiligten Richter. Gemessen am Maßstab des verständigen Angeklagten konnte der Angeklagte Dr. I. den Eindruck haben, die abgelehnten Richter würden ihm nicht mehr unvoreingenommen gegenüberstehen , nachdem sie zulässiges prozessuales Verhalten als wesentlichen Gesichtspunkt herangezogen haben, um den Haftgrund der Fluchtgefahr zu begründen. Ein vernünftiger Angeklagter konnte angesichts der gegebenen Begründung zu dem Eindruck gelangen, die abgelehnten Richter hätten die Haftentscheidung getroffen, um damit auf ein ihnen missliebiges, aber prozessual zulässiges Verhalten in Gestalt des Verteidigerwechsels zu reagieren. Eine solche Reaktion der Richter wäre aber mit der gebotenen inneren Haltung der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit nicht zu vereinbaren.
19
Da die Art und Weise der Begründung der Haftentscheidung die Besorgnis der Befangenheit herbeiführt (vgl. Cirener in BeckOK-StPO, aaO, § 24 Rn. 15), bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob Rechtsfehler in Zwischenentscheidungen die Befangenheit der beteiligten Richter lediglich bei völliger Abwegigkeit oder dem Anschein von Willkür begründen oder ob dieser Maßstab lediglich dafür Bedeutung hat, ob das Ergehen der Zwischenentscheidung als solches - unabhängig von der dafür angeführten Begründung - willkürlich bzw. abwegig ist.
20
bb) Die für das Vorliegen von Fluchtgefahr bei dem AngeklagtenS. in dem gegen ihn ergangenen Haftbefehl angeführten Gründe lösen - wiederum von dem Standpunkt eines verständigen Angeklagten aus beurteilt - ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit aus. Die abgelehnten Richter haben in einer der Begründung der Fluchtgefahr bei dem Angeklagten Dr. I. entsprechenden Weise darauf abgestellt, die bisherige Beweisaufnahme habe die Anklagevorwürfe in vielen Bereichen erhärtet. Zudem wird ebenfalls auf dringende Anhaltspunkte für weitere gravierende Straftaten, bezüglich derer aber zum Zeitpunkt des Ergehens des Haftbefehls ein Ermittlungsverfahren noch nicht einmal eingeleitet war, hingewiesen. Entscheidend stellt die Begründung darauf ab, der Angeklagte erkenne nunmehr, dass eine langjährige Freiheitsstrafe nä- her rücke. „Auch vor diesem Hintergrund ist sein bisheriges, auf Konfrontation angelegtes Prozessverhalten zu würdigen.“ Denn es lege nahe, dass der Ange- klagte alles unternehmen werde, um eine Verurteilung zu vermeiden. Zwischen dem nicht näher erläuterten, durch die abgelehnten Richter als konfrontativ bezeichneten Prozessverhalten des Angeklagten S. und den Voraussetzungen der Fluchtgefahr im Sinne von § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO besteht bei der gebotenen Gesamtwürdigung kein erkennbarer Zusammenhang, der eine Verknüpfung von konfrontativem Verhalten im Prozess und der Wahrscheinlichkeit des sich dem Prozess Entziehens tragen könnte. Der Angeklagte hatte sich von Anfang an dem Verfahren gestellt und war an allen bis dahin stattgefundenen Hauptverhandlungsterminen erschienen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe hatten sich seit dem Beginn der Hauptverhandlung nicht verändert. Auch die in dem Haftbefehl weiter angeführten Erwägungen, der Angeklagte habe Privatinsolvenz angemeldet, lebe von seiner Ehefrau getrennt und habe keinen Wohnsitz im Inland mehr, bestanden bereits bei Beginn des Hauptverfahrens. Trotz dieser Umstände war der Angeklagte zu allen Hauptverhandlungsterminen anwesend. Angesichts dessen lässt die von den abgelehnten Richtern hergestellte Verknüpfung zwischen dem zulässigen Prozessverhalten des Angeklagten und der Begründung von Fluchtgefahr aus der verständigen Sicht des Angeklagten S. befürchten, die abgelehnten Richter missbilligten sein bisheriges Agieren im Strafverfahren und wollten diese Missbilligung durch die Anordnung von Untersuchungshaft zum Ausdruck bringen. Eine solche Art der Reaktion auf zulässiges Prozessverhalten ist vorliegend aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt tragfähig und ließ den Angeklagten besorgen, die Berufsrichter der Strafkammer stünden ihm nicht mehr unvoreingenommen und unparteilich gegenüber.
21
c) Das aufgrund der Begründung der beiden Haftbefehle berechtigte Misstrauen der Angeklagten gegen die Unbefangenheit der abgelehnten Richter ist auch nicht - was möglich wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, NStZ 2009, 159, 160; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 3 StR 208/12, wistra 2013, 155, 156 mwN) - durch die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter ausgeräumt worden.
22
Die dienstliche Stellungnahme des beisitzenden Richters erschöpft sich bzgl. beider Angeklagter in der Bezugnahme auf die Begründung der beiden Haftbefehle. Da gerade die für das Vorliegen von Fluchtgefahr angeführten Gründe die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters begründen, kann die auf diese Gründe ausdrücklich verweisende Stellungnahme das berechtigte Misstrauen in die Unvoreingenommenheit von vornherein nicht ausräumen.
23
Die beisitzende Richterin verhält sich in ihrer den Angeklagten S. betreffenden Stellungnahme zu der Verknüpfung zwischen dem im Haftbefehl als konfrontativ bezeichneten Prozessverhalten des Angeklagten und der Fluchtgefahr nicht. Dementsprechend bleibt für den Angeklagten der aus der Begründung des Haftbefehls resultierende Eindruck fehlender Unvoreingenommenheit bestehen. Mit der den Angeklagten Dr. I. betreffenden Stellungnahme verstärkt die beisitzende Richterin diesen Eindruck sogar noch (vgl. zu der Möglichkeit einer solchen Wirkung der dienstlichen Stellungnahme BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 3 StR 208/12, wistra 2013, 155, 156). Es wird erneut auf den erfolgten Verteidigerwechsel verwiesen und die Besorgnis geäußert , dieser Wechsel diene angesichts des umfangreichen Aktenmaterials nicht der Wahrung der Verteidigungsrechte des Angeklagten, sondern dazu, das Verfahren - etwa durch Aussetzungsanträge - „platzen“ zu lassen. Eine solche erneute Verknüpfung zwischen prozessual zulässigem Verhalten und der Begründung von Fluchtgefahr bestätigt und intensiviert den Eindruck, die abge- lehnte Richterin wolle ihre Missbilligung des Verhaltens des Angeklagten Dr. I. durch den Erlass des Haftbefehls zum Ausdruck bringen. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der neue Wahlverteidiger vor Ergehen des Haftbefehls und vor der dienstlichen Stellungnahme versichert hatte, in die Sache eingearbeitet zu sein und keine Aussetzungsanträge zu stellen.
24
Die auf beide Angeklagten bezogene dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden stellt zwar in Abrede, dass die Haftbefehle etwas mit einer „Abstrafung … für prozessual zulässiges Verhalten“ zu tun habe. Damit allein wird der durch die Begründung der Haftbefehle hervorgerufene Eindruck fehlender Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit aber nicht ausgeräumt. Der Vorsitzende verweist nämlich in der Stellungnahme auch darauf, die Tendenz der Angeklagten, „das Verfahren nicht zu einem Abschluss durch Urteilsspruch kommen zu lassen“, sei unverkennbar. Aus der Sicht verständiger Angeklagter kann diese „Tendenz“ wiederum nur aus ihrem Verhalten im Prozess abgeleitet werden. Ist dieses Verhalten aber prozessual zulässig, lässt sich nicht erkennen , wie daraus auf Fluchtgefahr geschlossen werden könne.
RiBGH Dr. Wahl ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Raum Cirener Radtke Mosbacher
5 StR 492/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2012

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 1. Juni 2012 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 2 StPO liegt nicht vor. Zwar ist das Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten bis zur Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO auch wegen seiner Falschaussage im Verfahren gegen den Haupttäter N. geführt worden. Auch insoweit sind die Berufsrichter indes allein dadurch, dass sie diese Falschaussage entgegengenommen haben, nicht als vernommene Zeugen im Sinne des § 22 Nr. 5 StPO anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 – 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 352 f.). Eine nach § 261 StPO unzulässige Verwertung eigener Wahrnehmungen der Berufsrichter in einer Haftprüfung zum Erscheinungsbild des Angeklagten (vgl. UA S. 19, 57; dazu BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999 – 5 StR312/99, BGHSt 45, 354) hat der Angeklagte nicht gerügt; ein Beruhen des Urteils hierauf wäre auch höchst zweifelhaft.
Auch die Voraussetzungen des § 338 Nr. 3 StPO sind nicht erfüllt. In der richterlichen Bewertung der Falschaussage im Verfahren gegen den Haupttäter N. liegt noch keine Vorbefassung, die vorliegend dazu zwänge, die Unparteilichkeit der Berufsrichter aus Sicht des Angeklagten in Frage zu stellen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass bei der sachlich engen Verknüpfung zwischen den Verfahren hier eine eigene abweichende Selbsteinschät- zung der Berufsrichter (vgl. § 26 Abs. 3, § 30 StPO) mit der Folge abweichender Beurteilung nicht undenkbar erschienen wäre. Zwingend war sie aber jedenfalls nicht. Basdorf Sander Schneider König Bellay

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 01.07.2013 gegen den Beschluss der xx. Zivilkammer des Landgerichts ### vom 13.06.2013 (xxx) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 80.000,00 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


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(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.

(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.