Finanzgericht Hamburg Urteil, 24. Okt. 2017 - 2 K 81/16

bei uns veröffentlicht am24.10.2017

Tatbestand

1

Streitig ist die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung.

2

Die Klägerin ist eine Personenhandelsgesellschaft, sie betreibt den An- und Verkauf von Automobilen und handelt mit Automobilzubehör.

3

Unter dem 15. Januar 2013 verkaufte die Klägerin ein KFZ Golf IV TDI mit der Fahrgestellnummer ... für 9.700 € an A in B, Frankreich, die sie als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelte. Dieses Fahrzeug war mit dem Kennzeichen ...-1 am ... November 2010 neu zugelassen worden. Unter dem ... Mai 2011 war das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt und am ... August 2011 in einen anderen Zulassungsbezirk mit Halterwechsel mit dem Kennzeichen ...-2 umgeschrieben worden. Am ... Januar 2013 erfolgte erneut eine Außerbetriebsetzung; danach ist eine Zulassung nicht mehr im Zentralregister eingetragen worden (Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes vom 23. Mai 2017).

4

Nach einer Außenprüfung erkannte der Beklagte u. a. die Steuerbefreiung für diese Lieferung nicht an, weil ein Verbringungsnachweis nicht vorgelegt werden konnte und setzte mit Bescheid für 2013 vom 1. Oktober 2015 die Umsatzsteuer insoweit um 1.548,74 € höher fest. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 13. Oktober 2015, mit dem die Klägerin geltend machte, dass das KFZ nach Frankreich verkauft worden sei. Der Abnehmer sei ein Unternehmer gewesen, er habe die erforderlichen Papiere aber nicht zurückgesandt. Mit Entscheidung vom 1. März 2016 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Die Klägerin habe nicht die Bestätigung des Abnehmers vorgelegt, dass der Gegenstand der Lieferung ins übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht worden sei. Am 1. April 2017 hat die Klägerin Klage erhoben.

5

Die Lieferung sei an einen Unternehmer, Herrn C, in Frankreich erfolgt, der als Autoverkäufer weiterhin im Internet aktiv sei. Ausweislich des französischen Registerauszugs seien dessen Firma A und Herr C selbst seit 2012 in D aktiv gewesen und hätten über eine gültige Umsatzsteuer-ID verfügt. Der Käufer habe das Fahrzeug in E abgeholt und französische Nummernschilder angebracht. Er habe versichert, das Auto auf eigener Achse nach Frankreich zu bringen. Eine Fotografie des Ausweises des Käufers sei lediglich im Handy gespeichert gewesen und später infolge eines Hardwarefehlers verloren gegangen. Alle Versuche, später noch die Bescheinigung vom Käufer zu erlangen, seien gescheitert. Versuche, vor Ort in Frankreich in Kontakt mit dem Käufer zu treten, seien ebenfalls erfolglos geblieben. Es habe an der fraglichen Adresse zwar ein Firmenschild gegeben, Personal sei aber nicht anzutreffen gewesen.

6

Sofern der Beklagte nun wegen des KFZ-Kennzeichens mit Blick auf die Initialen "XY" die Nachversteuerung einer Privatnutzung des in Rede stehenden Fahrzeugs fordere, sei zu berücksichtigen, dass aus Marketinggründen gesellschafterbezogene Kennzeichen erstrebt würden. Die private Nutzung wechselnder PKW seien in der Außenprüfung einvernehmlich mit einem relativ hohen pauschalen Betrag von monatlich 200 € berücksichtigt worden.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid für 2013 über Umsatzsteuer vom 1. Oktober 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 1. März 2016 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Lieferung vom 15. Januar 2013 wie erklärt als steuerfrei behandelt und die Umsatzsteuer entsprechend herabgesetzt wird.

8

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

9

Die formellen Voraussetzen von § 4 Nr. 1b i. V. m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe sich nicht hinreichend um eine Gelangenheitsbestätigung gekümmert und diese eben nicht vorlegen können.

10

Selbst wenn das Fahrzeug nach Frankreich gelangt sei, wofür die Bestätigung des Kraftfahrtbundesamtes sprechen könnte, spreche das Kennzeichen mit den Initialen des Geschäftsführers XY für eine private Nutzung. Eine insoweit nachzuholende Privatnutzungsversteuerung sei entsprechend gegenzurechnen, sodass die Klage im Ergebnis in jedem Fall abzuweisen sei.

11

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin F. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift über den Erörterungstermin vom 18. Mai 2017 Bezug genommen.

12

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die mündliche Verhandlung verzichtet und einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin zugestimmt.

13

Die die Klägerin betreffenden Umsatzsteuer- nebst Bei- und Außenprüfungsakten haben vorgelegen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

15

Der angegriffene Umsatzsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die Lieferung vom 13. Januar 2013 als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu berücksichtigen (dazu 1.). Eine Saldierung mit einer bislang nicht berücksichtigten Privatnutzungsbesteuerung des KFZ kommt nicht in Betracht (dazu 2.).

16

1. Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a) steuerfrei. Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 UStG u. a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dabei hat der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BStBl II 2013, 656).

17

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 131 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gesamte Mehrwertsteuersystem -Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL)- festgelegten Bedingungen nachzuweisen (vgl. BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596 unter Hinweis auf EuGH-Rechtsprechung; vom 22. Juli 2015 V R 23/14, BStBl II 2015, 914;). Nach § 17a Abs. 2 UStDV hat der Unternehmer in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis zu führen u. a. durch eine Bestätigung des Abnehmers gegenüber dem Unternehmer, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist (Gelangenheitsbestätigung). Im Streitfall hat die Klägerin eine derartige Gelangenheitsbestätigung nicht vorlegen können.

18

b) Die betreffende Lieferung ist auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, m. w. N; vom 22. Juli 2015 V R 23/14, BStBl II 2015, 914). Im Streitfall hat die Klägerin nicht auf belegmäßige, tatsächlich aber nicht zutreffende Angaben vertraut, sondern es fehlt gerade an einem belegmäßigen Nachweis der Verbringung in das übrige Gemeinschaftsgebiet.

19

c) Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG, §§ 17a, 17c UStDV nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Die Nachweispflichten gemäß §§ 17a, 17c UStDV sind aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BStBl II 2009, 57). Daher steht ausnahmsweise der fehlende Belegnachweis der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (z. B. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BStBl II 2010, 511; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188; vom 14. November 2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407, jeweils m. w. N. und vom 21. Mai 2014 V R 34/13, BStBl II 2014, 914).

20

Im Streitfall steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das streitige KFZ in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht worden ist. Dies stützt sich zum einen auf die detaillierten und überzeugenden Schilderungen des Geschäftsführers XY über die konkreten Modalitäten der Übergabe des Fahrzeugs an den französischen Erwerber, der in B einen KFZ-Handel betrieben und erklärt hat, dass Fahrzeug nach Frankreich zu verbringen. Diese Angaben hat die Zeugin im Wesentlichen bestätigt. Zum anderen ist das Fahrzeug zeitnah nach der Veräußerung vom 15. Januar 2013 am ... Januar 2013 beim Kraftfahrtbundesamt abgemeldet und danach nicht mehr zugelassen worden. Dies lässt vernünftiger Weise nur die Deutung zu, dass das Fahrzeug von dem Käufer tatsächlich abredegemäß in das übrige Gemeinschaftsgebiet nach Frankreich verbracht worden ist.

21

2. Anhaltspunkte dafür, dass eine bisher unterbliebene Besteuerung eines privaten Nutzungsanteils dieses Fahrzeugs nachzuholen und gegenzurechnen wäre, bestehen nicht.

22

Wenn überhaupt, könnte sich die nachträgliche Berücksichtigung eines privaten Nutzungsanteils im einzigen Streitjahr 2013 nur auf die ersten beiden Wochen des Jahres bis zur Veräußerung am 15. Januar 2013 beziehen. Ausweislich des Außenprüfungsberichts ist das streitige Fahrzeug aber während der Prüfung thematisiert worden und ist ein Privatanteil für einen VW Golf IV TDI in Ansatz gebracht worden. Auch wenn dieser für das Streitjahr mit Blick auf die Veräußerung im Januar zu hoch angesetzt gewesen sein mag, sieht das Gericht keine Veranlassung, von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufzuklären. Insoweit hätte es mit Blick auf die für das Streitjahr und die beiden vorrangegangenen Jahre abgeschlossene Außenprüfung konkreterer Darlegungen des Beklagten zu den im Betrieb der Klägerin mutmaßlich weiteren privat genutzten Fahrzeugen bedurft.

23

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

24

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 1 FGO liegen nicht vor.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 6a Innergemeinschaftliche Lieferung


(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebi

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 17a Gelangensvermutung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen


(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wen

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 17c Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen


Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig un

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(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in Luxemburg ansässige GmbH (GmbH). Sie ging davon aus, dass die Lieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg steuerfrei sei.

2

Die Klägerin hatte die beiden PKWs im Internet zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als KP und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem Personalausweis in E im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf KP als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn L Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. Herr L. hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem Personalausweis für KP ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf L ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf KP ausgestellten Personalausweises. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an L. Auf den Rechnungsdoppeln versicherte L mit Unterschrift, die beiden PKWs nach Luxemburg zu befördern. L entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.

3

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18. September 1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als KP und L ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten Personalausweise gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden Lieferungen steuerpflichtig. Der Einspruch gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 hatte keinen Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die Lieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) seien nicht erfüllt. Zwar habe die Klägerin die formellen Nachweispflichten erfüllt. Es sei jedoch unstreitig, dass die GmbH die beiden PKWs nicht gekauft habe. Der tatsächliche Erwerber könne nicht festgestellt werden, da die für den Erwerber handelnden Personen gefälschte Personalausweise vorgelegt hätten. Gleichwohl sei die Lieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Fälschungen der Personalausweise nicht erkennen können. Die Abweichungen hinsichtlich der Unterschriften seien bei laienhafter Prüfung gleichfalls nicht erkennbar gewesen. Im Hinblick auf die ihr vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin auch keine weiter gehenden Erkundigungen über die GmbH einziehen müssen.

5

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es fehle an einer Bevollmächtigung für die Person, die sich als KP ausgegeben habe. Die Belegunterlagen seien nicht schlüssig. Die Unterschriften auf den Rechnungen wichen von der auf dem Personalausweis ab. Das Gültigkeitsdatum auf dem Ausweis der KP sei erkennbar unzutreffend. Wer tatsächlicher Abnehmer gewesen sei, habe nicht ermittelt werden können.

6

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Wie das FG zutreffend festgestellt habe, habe sie gutgläubig gehandelt. Dem Lieferanten dürfe nicht generell das Risiko von Betrugshandlungen des Erwerbers auferlegt werden. Ein kollusives Zusammenwirken mit dem Abnehmer liege nicht vor. Dem Verkäufer könne zwar die Steuerfreiheit versagt werden, wenn er nicht seinen Nachweispflichten nachkomme oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen sei und der Verkäufer nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern. Dabei seien aber auch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sie habe aber den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht, ohne dass sich aus den Beleg- und Buchangaben Unstimmigkeiten oder Hinweise auf eine Umsatzsteuerhinterziehung durch den Erwerber ergeben hätten. Es stelle sich die Frage, welche weiteren Pflichten sie zu erfüllen habe. Maßnahmen ins Blaue hinein könnten vernünftigerweise nicht verlangt werden. Um den Sorgfaltspflichten zu genügen, müsse es ausreichen, sich von der Unternehmereigenschaft durch Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu überzeugen. Daher sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe auch keine weiteren Maßnahmen treffen können, aufgrund derer sie festgestellt hätte, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Dies gelte nicht nur für die mittlerweile übliche Kommunikation durch email, sondern auch für die Kontaktaufnahme durch Telefon oder Telefax, da sich Rufumleitungen unproblematisch einrichten ließen. Gleiches gelte für eine Kontaktaufnahme auf dem Postweg. International tätige Unternehmen böten zudem häufig eine Kommunikation über eine lokale Telefonnummer an. KP sei als Geschäftsführer im Inland ansässig gewesen. Es sei unverhältnismäßig, von ihr den Beweis der tatsächlichen Existenz des Geschäftspartners zu verlangen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

11

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

12

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

13

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

14

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

15

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

16

c) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

17

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

18

d) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Folgendes:

19

aa) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

20

bb) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

21

cc) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

22

2. Im Streitfall ist die Lieferung der beiden PKWs nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

23

a) Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht er-worben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Ge-schäftsführer der GmbH ausgab.

24

b) Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.

25

c) Schließlich kommt entgegen dem Urteil des FG auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Klägerin hat zwar auf unrichtige Abnehmerangaben vertraut. Sie hat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

26

aa) Die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441, unter II.3.b). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 3. März 1966 II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, unter I., und vom 11. Mai 2011 VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346, unter II.1.a), bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Abnehmer war daher die Person, die sich als KP ausgab.

27

Somit liegen unrichtige Angaben des Abnehmers vor, auf denen die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin beruhte, da die Person, die sich als KP ausgab, eine Lieferung an die GmbH unter der dieser Gesellschaft in Luxemburg erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vortäuschte.

28

bb) Die Klägerin hat nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

29

(1) Nach dem EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.) muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Rdnr. 48), ist es, wenn eine Steuerhinterziehung der Erwerberin vorliegt, gerechtfertigt, das Recht der Verkäuferin auf Mehrwertsteuerbefreiung von ihrer Gutgläubigkeit abhängig zu machen (Rdnr. 50) und sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob der Lieferer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (Rdnr. 53). Nichts anderes ergibt sich aus der BFH-Rechtsprechung, soweit diese darauf abstellt, dass der Unternehmer "Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit" durchführt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, Deutsches Steuerrecht 2013, 753, unter II.3.c bb), da das nationale Recht richtlinienkonform und dabei die EuGH-Rechtsprechung beachtend auszulegen ist.

30

Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass ungewöhnliche Umstände wie z.B. ein Barverkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter mit "Beauftragten" ohne Überprüfung der Vertretungsmacht nicht bereits für sich allein die Anwendung von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ausschließen, sondern bei der Würdigung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 69).

31

(2) Im Streitfall wurde der Kontakt zum Abschluss der Kaufverträge, die den beiden Lieferungen zugrunde lagen, nicht über den Geschäftssitz der GmbH angebahnt. Insoweit lag auch kein sonstiger Bezug zu dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der GmbH vor. Der Kontakt zum Abnehmer erfolgte vielmehr auf der Abnehmerseite ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils deutscher Vorwahl. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aufgrund dieser Umstände am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zu einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft zweifeln müssen. Ohne dass im Streitfall darüber zu entscheiden ist, welche Anforderungen hieran im Einzelnen zu stellen sind, hätte die Klägerin nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in Luxemburg gesucht hätte. Hierfür bestand auch im Hinblick auf das Vorliegen von Bargeschäften über hochwertige Wirtschaftsgüter Veranlassung. Da die GmbH aufgrund ihrer Liquidation keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, hätte die Klägerin feststellen können, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Fälschung der beiden Personalausweise und von Unterschriften erkennen konnte, kam es somit nicht mehr an.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14. März 2014  1 K 4567/10 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine 1995 gegründete GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer A ist-- handelte in den Streitjahren 2007 und 2008 mit Kraftfahrzeugen.

2

Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung, die den Veranlagungszeitraum 2007 und die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2008 umfasste, gelangte die Prüferin ausweislich des Umsatzsteuer-Sonderprüfungsberichtes vom ... 2010 zu folgenden Feststellungen:

3

Bisher als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an die Firma B in Mallorca behandelte Umsätze seien steuerpflichtig, was zu Mehrsteuern in Höhe von 84.475,71 € im Jahr 2007 und 605.377,24 € in den Voranmeldungszeiträumen Januar bis Juni 2008 führe. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien die betroffenen Fahrzeuge tatsächlich nicht nach Spanien verbracht, sondern im Inland weiter vermarktet worden. Zudem seien Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von 86.130,67 € (2007) und 311.159,33 € (Januar bis Juni 2008) nicht abziehbar, weil es sich bei dieser Firma um eine "Scheinfirma" gehandelt habe, die unter ihrer Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt habe.

4

Im Rahmen einer weiteren, nunmehr die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2008 umfassenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest, dass die Klägerin in diesem Zeitraum Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von 397.690,83 € geltend gemacht hatte, die ebenfalls nicht abziehbar seien.

5

Das seinerseits zuständige Finanzamt I (FA I) folgte in einem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 23. Februar 2010 den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfungen. Am 2. März 2010 legte die Klägerin Einspruch "gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 23.2.2010" ein und beantragte die Gewährung des Vorsteuerabzugs im Billigkeitsverfahren. Ein Einspruchsbescheid erging nicht.

6

Am 29. Januar 2010 reichte die Klägerin die Umsatzsteuerjahreserklärung 2008 ein, ohne die Prüfungsfeststellungen zu berücksichtigen; am selben Tag erließ das FA I für die Voranmeldungszeiträume Juni und Dezember 2008 Vorauszahlungsbescheide. Hiergegen legte die Klägerin am 18. Februar 2010 Einspruch ein. Am 23. Februar 2010 stimmte das FA I der Umsatzsteuerjahreserklärung der Klägerin für 2008 zu, erließ aber am 1. März 2010 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen. Diesen Bescheid behauptete die Klägerin nicht erhalten zu haben. Am 19. November 2010 verwarf das FA I den Einspruch gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Juni und Dezember 2008 als unzulässig und wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 als unbegründet zurück. Am 21. Dezember 2010 erhob die Klägerin Klage wegen Umsatzsteuer 2007 und 2008.

7

Am 1. April 2011 wurden die Finanzämter I, II und G zu zwei neuen Finanzämtern N und G zusammengelegt. Zuständig für die Besteuerung der Klägerin ist seitdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt N --FA--). Am 20. Juni 2012 erließ das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 mit demselben Inhalt wie der Bescheid vom 1. März 2010.

8

Das Finanzgericht (FG) sah die Klage sowohl für 2007 als auch für 2008 als zulässig an, wies sie jedoch als unbegründet ab. Zur Begründung führte das FG aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D sei zu versagen, weil deren Rechnungen nicht die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erforderliche zutreffende vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten hätten. Bei der in den Rechnungen angegebenen Anschrift habe es sich um einen Briefkastensitz gehandelt, dessen Angabe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht erfülle. Unter der betreffenden Anschrift sei die D lediglich postalisch erreichbar gewesen. Dort haben sich eine Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins und ein Buchhaltungsbüro befunden, das die Post der D entgegengenommen und für sie Buchhaltungsarbeiten erledigt habe. Eigene geschäftliche Aktivitäten der D hätten dort nicht stattgefunden. D habe ab dem 1. Oktober 2007 zwei Büroräume, eine Einbauküche, zwei Toiletten und Lagerfläche unter einer anderen Anschrift angemietet; es spreche einiges dafür, dass sich dort auch die von der D gehandelten Fahrzeuge befunden hätten.

9

Es komme auch nicht darauf an, ob die Klägerin auf die Richtigkeit der in den Rechnungen der D angegebenen Anschrift habe vertrauen dürfen. Denn § 15 UStG sehe den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vor, weshalb Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht bei der Steuerfestsetzung, sondern ggf. nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO) berücksichtigt werden könnten.

10

Das FA sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den in den Rechnungen an die B aufgeführten Umsätzen um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt habe. Die Klägerin habe die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen. Die Angaben in den Verbringenserklärungen, "Das Fahrzeug wird am ... von mir in das Zielland Spanien verbracht", seien insoweit nicht ausreichend, weil der Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift der B gleichgesetzt werden könne. Zwar könne sich die erforderliche Angabe des Bestimmungsorts im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gelte jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen sei, dass --was nicht vorliege-- der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert werde. An welchen Ort die streitgegenständlichen Fahrzeuge tatsächlich verbracht worden seien, sei völlig unklar. Daher stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Lieferungen seien schließlich auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei: Es fehle an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsortes der streitigen Lieferungen.

11

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht.

12

Das FG gehe unzutreffend davon aus, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil Planzer Luxembourg vom 28. Juni 2007 C-73/06 (EU:C:2007:397) entschieden habe, dass an eine Anschrift i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG dieselben Anforderungen wie an einen "Sitz" im Sinne der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern zu stellen seien. Eine Anschrift erfordere nur die postalische Erreichbarkeit an der angegebenen Adresse. Die Angabe der Anschrift i.S. des Art. 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) diene der Identifikation des Rechnungsausstellers. Es sei für einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer unzumutbar, wenn er zu prüfen habe, inwieweit an der Anschrift über die postalische Erreichbarkeit hinaus Aktivitäten des leistenden Unternehmers stattfänden. D habe existiert, sei leistender Unternehmer i.S. des § 2 UStG und unter der angegebenen Anschrift auch postalisch erreichbar gewesen. Zudem seien dort die Buchhaltungsarbeiten der D vorgenommen und ihre Steuererklärungen gefertigt worden. Die in der Rechnung angegebene Anschrift werde auch nicht deshalb unzutreffend, weil ein Unternehmer unter weiteren Adressen erreichbar sei oder betriebliche Aktivitäten entfalte.

13

Eine unangemessene Erschwerung des Vorsteuerabzugs berühre den Kernbestand des von Art. 12 des Grundgesetzes (GG) geschützten Rechts auf freie Berufsausübung.

14

Hinsichtlich der Versagung der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen sei darauf hinzuweisen, dass es auf die Angabe des Zielorts in den Verbringungsnachweisen nicht ankomme, weil sich dieser bereits aus den Ausgangsrechnungen ergebe, die Teile des Buch- und Belegnachweises seien.

15

Das Urteil der Vorinstanz sei im Übrigen verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das FG den Beweisanträgen in den Schriftsätzen vom 26. März 2013 und 13. März 2014, die sie in der mündlichen Verhandlung wiederholt habe, nicht nachgegangen sei. Das habe sie, die Klägerin, zu Protokoll der mündlichen Verhandlung auch gerügt.

16

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom 14. August 2013 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2007 auf ./. 658.086,03 € und für 2008 auf ./. 1.465.863,67 € herabgesetzt wird.

17

Sinngemäß regt sie hilfsweise an,
dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob "... unter den Umständen wie bei der D davon auszugehen (ist), dass sie an ihrem Firmensitz ... auch ihre Anschrift im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG) hatte".

18

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

19

Das FA bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe des FG-Urteils.

Entscheidungsgründe

20

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

21

1. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 UStG lagen hinsichtlich der aus den Rechnungen der D geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht vor. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes können im Festsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden.

22

a) Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie --wie hier-- unzutreffend, besteht für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf Vorsteuerabzug (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.3.; vom 17. Dezember 2008 XI R 62/07, BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432).

23

b) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine solche Rechnung muss gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten.

24

Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist Art. 178 Buchst. a MwStSystRL. Danach muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine gemäß Titel XI Kap. 3 Abschn. 3 bis 6 (Art. 219a bis Art. 240 MwStSystRL) ausgestellte Rechnung besitzen. Eine derartige Rechnung muss gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL ebenfalls die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen enthalten.

25

c) Das Merkmal "vollständige Anschrift" in § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG erfüllt nur die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Denn sowohl Sinn und Zweck der Regelung in § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG als auch das Prinzip des Sofortabzugs der Vorsteuer gebieten es, dass der Finanzverwaltung anhand der Rechnung eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit des Tatbestandsmerkmals der Leistung eines anderen Unternehmers ermöglicht wird. Deshalb ist der Abzug der in der Rechnung einer GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuer nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden hat. Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt hierfür die Feststellungslast, denn es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, unter II.1.b; vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, unter II.3.b; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.C.1.a und II.C.3.b; vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, unter II.1.). Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift nicht aus (BFH-Urteile vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256, unter II.1.c; in BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, Orientierungssatz 3 und unter II.1.; anderer Ansicht für die Verwendung eines Postfaches durch den Leistungsempfänger Abschn. 14.5 Abs. 2 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Soweit der Senat im Urteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315 geäußert hat, ein "Briefkastensitz" mit nur postalischer Erreichbarkeit könne ausreichen, hält er hieran nicht mehr fest. Eine von der Klägerin hervorgehobene Prüfung anhand von Art. 12 GG kommt nicht in Betracht; denn die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) hat keinen Spielraum in der Umsetzung der Richtlinie. Deshalb gelten keine verfassungsrechtlichen Maßstäbe (vgl. den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2011  1 BvR 1916/09, Le Corbusier, Designermöbel Urheberrecht, BVerfGE 129, 78).

26

d) Der von der Klägerin angeregten Anrufung des EuGH bedarf es nicht, denn diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Unionsrecht.

27

aa) Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt neben den sonstigen Anforderungen als formelle Ausübungsvoraussetzung gemäß Art. 178 Buchst. a MwStSystRL den Besitz einer Rechnung voraus, die alle gemäß Titel XI Kap. 3 Abschn. 3 bis 6 (Art. 219a bis Art. 240 MwStSystRL) erforderlichen Angaben enthält (EuGH-Urteil Mahagebén und Dávid vom 21. Juni 2012 C-80/11, C-142/11, EU:C:2012:373, Rz 43, 44, 52). Dazu gehören gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL auch der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen. Dabei muss die Rechnung alle in Art. 226 MwStSystRL genannten Informationen enthalten (EuGH-Urteile Pannon Gép vom 15. Juli 2010 C-368/09, EU:C:2010:441, Rz 40 ff.; Dankowski vom 22. Dezember 2010 C-438/09, EU:C:2010:818, Rz 29 zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern).

28

bb) Dass die Angabe eines "Briefkastensitzes" nicht ausreicht, folgt auch aus dem EuGH-Urteil Planzer Luxembourg (EU:C:2007:397). Der EuGH hat darin zum Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 1 Nr. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwerststeuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 86/560/EWG) entschieden, dass sich eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohfirma" charakteristisch ist, nicht als derartiger Sitz ansehen lässt (EuGH-Urteil Planzer Luxembourg, EU:C:2007:397, Rz 62). Das mag sich nicht unmittelbar auf den Begriff der "vollständigen Anschrift" i.S. des Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL übertragen lassen. Der EuGH hat im selben Urteil aber auch entschieden, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist (EuGH-Urteil Planzer Luxembourg, EU:C:2007:397, Rz 43). Ein bloßer "Briefkastensitz" bildet aber die wirtschaftliche Realität gerade nicht ab, sondern verschleiert sie.

29

cc) Im Übrigen ist die Frage, die die Klägerin dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen anregt, nämlich, ob die D an ihrem Firmensitz auch ihre Anschrift im Sinne der MwStSystRL hatte, nicht entscheidungserheblich. Denn die Rechnung wies nach den Feststellungen des FG als Anschrift gerade nicht den Firmensitz, sondern einen "Briefkastensitz" aus.

30

2. Ob der Klägerin der Vorsteuerabzug wegen ihres guten Glaubens an die Richtigkeit der Rechnungsangaben der D zu gewähren ist, ist im vorliegenden Festsetzungsverfahren nicht zu entscheiden.

31

a) § 15 UStG sieht den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen im Festsetzungsverfahren nicht vor. Vertrauensschutz kann aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung nach §§ 16, 18 UStG, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO gewährt werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235; in BFH/NV 2010, 256; vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259; vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744). Hieran hält der Senat fest.

32

b) Dem steht das Unionsrecht nicht entgegen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind mangels einer einschlägigen Unionsregelung die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats (EuGH-Urteil Reemtsma vom 15. März 2007 C-35/05, EU:C:2007:167, Rz 40, m.w.N.; vgl. auch EuGH-Urteil Schmeink & Cofreth und Strobel vom 19. September 2000 C-454/98, EU:C:2000:469, Rz 65, 66, Leitsatz 2 zur Berichtigung von zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer). Unionsrechtlichen Belangen wird im Rahmen von Vertrauensschutzgesichtspunkten beim Vorsteuerabzug dadurch Rechnung getragen, dass das dem FA in § 163 AO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert ist, wenn unionsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme erfordern (BFH-Urteil vom 30. Juli 2008 V R 7/03, BFHE 223, 372, BStBl II 2010, 1075, unter II.5.; vgl. auch BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517, BStBl II 2004, 373, unter II.5.). Macht der Steuerpflichtige Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Festsetzungsverfahren geltend, wird die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden sein. Hieran hält der Senat fest.

33

c) Die jüngere Rechtsprechung des EuGH gibt keinen Anlass, den Vorsteuerabzug trotz des Fehlens einzelner materieller oder formeller Merkmale wegen des guten Glaubens des Leistungsempfängers an deren Vorliegen zu gewähren.

34

aa) Die EuGH-Urteile Mahagebén und Dávid (EU:C:2012:373), Maks Pen vom 13. Februar 2014 C-18/13 (EU:C:2014:69) und Bonik vom 6. Dezember 2012 C-285/11 (EU:C:2012:774) begrenzen die Verfahrensautonomie Deutschlands nicht und zwingen nicht dazu, Gutglaubensschutzgesichtspunkte im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen.

35

bb) Die genannten EuGH-Urteile zielen nicht darauf ab, ein nicht vorliegendes Tatbestandsmerkmal des Vorsteuerabzugs durch den guten Glauben des Leistungsempfängers an dessen Vorliegen zu ersetzen. Denn in den vom EuGH in den Entscheidungen Mahagebén und Dávid, Maks Pen und Bonik beurteilten Sachverhalten stand aufgrund der Vorlageentscheidungen fest, dass die nach der MwStSystRL vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt waren (EuGH-Urteile Mahagebén und Dávid, EU:C:2012:373, Rz 43, 44, 52; Maks Pen, EU:C:2014:69, Rz 25, und Bonik, EU:C:2012:774, Rz 29, 33, 40). Liegen die materiellen und formellen Voraussetzungen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug aber vor, so gibt es für Vertrauensschutzgesichtspunkte keinen Anwendungsbereich. Diese können erst zum Tragen kommen, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug fehlen, der Steuerpflichtige aber gutgläubig von deren Vorliegen ausging und ausgehen konnte.

36

Der EuGH hat in den o.g. Entscheidungen das Recht auf Vorsteuerabzug nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte erweitert, sondern --ebenso wie bereits im Urteil Kittel und Recolta Recycling vom 6. Juli 2006 C-439/04, C-440/04 (EU:C:2006:446), dem sich der Senat bereits angeschlossen hat (BFH-Urteile in BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744; in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315)-- begrenzt, indem er den Vorsteuerabzug selbst dann versagt, wenn dessen Voraussetzungen zwar tatsächlich vorliegen, jedoch aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

37

3. Bei den Lieferungen an B hat es sich um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG kommt für die streitbefangenen Lieferungen nicht in Betracht, weil die Klägerin die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht nachgewiesen hat.

38

a) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a) steuerfrei. Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 UStG u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dabei hat der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656).

39

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 131 und 138 MwStSystRL. Gemäß Art. 131 MwStSystRL wird auch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung "unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen". Nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

40

c) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 131 MwStSystRL festgelegten Bedingungen nachzuweisen (vgl. EuGH-Urteile VSTR vom 27. September 2012 C-587/10, EU:C:2012:592, Rz 42 f. und 47; Mecsek-Gabona vom 6. September 2012 C-273/11, EU:C:2012:547, Rz 36 und 38; R vom 7. Dezember 2010 C-285/09, EU:C:2010:742, Rz 43 und 46; BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596).

41

Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen:
"...
1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

42

Im Streitfall hat die Klägerin den Belegnachweis nicht erbracht. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben (vgl. dazu BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420). Das gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407). Das ist hier nicht der Fall. Denn nach den, den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge "völlig unklar".

43

d) Die betreffenden Lieferungen sind auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, m.w.N.). Im Streitfall fehlt es aber an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsorts, weil dieser nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift des B gleichgesetzt werden kann.

44

e) Kommt der Unternehmer --wie hier-- seinen Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG, §§ 17a, 17c UStDV nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (z.B. BFH-Urteile vom 21. Mai 2014 V R 34/13, BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, jeweils m.w.N.). Das ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil --wie bereits dargelegt-- der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge "völlig unklar" ist.

45

4. Die Revision führt auch weder aus verfahrensrechtlichen Gründen zum Erfolg noch greifen die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensrügen durch.

46

a) Macht der Steuerpflichtige bereits im Festsetzungsverfahren Vertrauensschutzgesichtspunkte geltend und begehrt den Vorsteuerabzug auch im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 227 AO (vgl. hierzu unter II.2.a), so ist die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme zwar regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden (BFH-Urteil in BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, 3. Leitsatz und Rz 48). Das FA konnte vorliegend beide Verfahren schon deshalb nicht verbinden, weil die Klägerin den Billigkeitsantrag erst in der Einspruchsbegründung vom 2. März 2010 --und damit nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung-- gestellt hat.

47

b) Das FG hat auch nicht --wie von der Klägerin gerügt-- seine ihm nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt. Ein derartiger Verfahrensfehler liegt zwar vor, wenn das FG einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag übergeht, sofern nicht das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2014 V B 1/14, BFH/NV 2014, 1763; vom 5. November 2013 VI B 86/13, BFH/NV 2014, 360; vom 18. März 2013 III B 143/12, BFH/NV 2013, 963).

48

Nach diesen Grundsätzen war das FG nicht gehalten, die von der Klägerin benannten Zeugen zu vernehmen. Das FG hat sich unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Klägervertreter vom 26. März 2013 und 13. März 2014, mit dem die Zeugen unter Angabe des Beweisthemas benannt worden sind, sowie aufgrund des Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausführlich mit den von den Zeugen zu bekundenden Tatsachen auseinandergesetzt, diese im Rahmen des Gesamtvortrags der Klägerin gewürdigt und den Schluss gezogen, es könne sowohl als wahr unterstellt werden, dass der Steuerfahnder in den Räumlichkeiten ... Straße die D betreffenden Unterlagen beschlagnahmt habe, als auch, dass dort Post für die D angekommen sei und die Zeugin S der Steuerfahndung einen Ordner mit Rechnungen der D übergeben habe. Hinsichtlich der weiteren Beweisanträge ist das FG rechtsfehlerfrei zu der Ansicht gelangt, dass die jeweiligen Beweisthemen nicht entscheidungserheblich waren.

49

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14. März 2014  1 K 4567/10 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine 1995 gegründete GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer A ist-- handelte in den Streitjahren 2007 und 2008 mit Kraftfahrzeugen.

2

Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung, die den Veranlagungszeitraum 2007 und die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2008 umfasste, gelangte die Prüferin ausweislich des Umsatzsteuer-Sonderprüfungsberichtes vom ... 2010 zu folgenden Feststellungen:

3

Bisher als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an die Firma B in Mallorca behandelte Umsätze seien steuerpflichtig, was zu Mehrsteuern in Höhe von 84.475,71 € im Jahr 2007 und 605.377,24 € in den Voranmeldungszeiträumen Januar bis Juni 2008 führe. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien die betroffenen Fahrzeuge tatsächlich nicht nach Spanien verbracht, sondern im Inland weiter vermarktet worden. Zudem seien Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von 86.130,67 € (2007) und 311.159,33 € (Januar bis Juni 2008) nicht abziehbar, weil es sich bei dieser Firma um eine "Scheinfirma" gehandelt habe, die unter ihrer Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt habe.

4

Im Rahmen einer weiteren, nunmehr die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2008 umfassenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest, dass die Klägerin in diesem Zeitraum Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von 397.690,83 € geltend gemacht hatte, die ebenfalls nicht abziehbar seien.

5

Das seinerseits zuständige Finanzamt I (FA I) folgte in einem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 23. Februar 2010 den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfungen. Am 2. März 2010 legte die Klägerin Einspruch "gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 23.2.2010" ein und beantragte die Gewährung des Vorsteuerabzugs im Billigkeitsverfahren. Ein Einspruchsbescheid erging nicht.

6

Am 29. Januar 2010 reichte die Klägerin die Umsatzsteuerjahreserklärung 2008 ein, ohne die Prüfungsfeststellungen zu berücksichtigen; am selben Tag erließ das FA I für die Voranmeldungszeiträume Juni und Dezember 2008 Vorauszahlungsbescheide. Hiergegen legte die Klägerin am 18. Februar 2010 Einspruch ein. Am 23. Februar 2010 stimmte das FA I der Umsatzsteuerjahreserklärung der Klägerin für 2008 zu, erließ aber am 1. März 2010 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen. Diesen Bescheid behauptete die Klägerin nicht erhalten zu haben. Am 19. November 2010 verwarf das FA I den Einspruch gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Juni und Dezember 2008 als unzulässig und wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 als unbegründet zurück. Am 21. Dezember 2010 erhob die Klägerin Klage wegen Umsatzsteuer 2007 und 2008.

7

Am 1. April 2011 wurden die Finanzämter I, II und G zu zwei neuen Finanzämtern N und G zusammengelegt. Zuständig für die Besteuerung der Klägerin ist seitdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt N --FA--). Am 20. Juni 2012 erließ das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 mit demselben Inhalt wie der Bescheid vom 1. März 2010.

8

Das Finanzgericht (FG) sah die Klage sowohl für 2007 als auch für 2008 als zulässig an, wies sie jedoch als unbegründet ab. Zur Begründung führte das FG aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D sei zu versagen, weil deren Rechnungen nicht die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erforderliche zutreffende vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten hätten. Bei der in den Rechnungen angegebenen Anschrift habe es sich um einen Briefkastensitz gehandelt, dessen Angabe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht erfülle. Unter der betreffenden Anschrift sei die D lediglich postalisch erreichbar gewesen. Dort haben sich eine Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins und ein Buchhaltungsbüro befunden, das die Post der D entgegengenommen und für sie Buchhaltungsarbeiten erledigt habe. Eigene geschäftliche Aktivitäten der D hätten dort nicht stattgefunden. D habe ab dem 1. Oktober 2007 zwei Büroräume, eine Einbauküche, zwei Toiletten und Lagerfläche unter einer anderen Anschrift angemietet; es spreche einiges dafür, dass sich dort auch die von der D gehandelten Fahrzeuge befunden hätten.

9

Es komme auch nicht darauf an, ob die Klägerin auf die Richtigkeit der in den Rechnungen der D angegebenen Anschrift habe vertrauen dürfen. Denn § 15 UStG sehe den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vor, weshalb Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht bei der Steuerfestsetzung, sondern ggf. nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO) berücksichtigt werden könnten.

10

Das FA sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den in den Rechnungen an die B aufgeführten Umsätzen um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt habe. Die Klägerin habe die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen. Die Angaben in den Verbringenserklärungen, "Das Fahrzeug wird am ... von mir in das Zielland Spanien verbracht", seien insoweit nicht ausreichend, weil der Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift der B gleichgesetzt werden könne. Zwar könne sich die erforderliche Angabe des Bestimmungsorts im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gelte jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen sei, dass --was nicht vorliege-- der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert werde. An welchen Ort die streitgegenständlichen Fahrzeuge tatsächlich verbracht worden seien, sei völlig unklar. Daher stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Lieferungen seien schließlich auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei: Es fehle an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsortes der streitigen Lieferungen.

11

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht.

12

Das FG gehe unzutreffend davon aus, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil Planzer Luxembourg vom 28. Juni 2007 C-73/06 (EU:C:2007:397) entschieden habe, dass an eine Anschrift i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG dieselben Anforderungen wie an einen "Sitz" im Sinne der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern zu stellen seien. Eine Anschrift erfordere nur die postalische Erreichbarkeit an der angegebenen Adresse. Die Angabe der Anschrift i.S. des Art. 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) diene der Identifikation des Rechnungsausstellers. Es sei für einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer unzumutbar, wenn er zu prüfen habe, inwieweit an der Anschrift über die postalische Erreichbarkeit hinaus Aktivitäten des leistenden Unternehmers stattfänden. D habe existiert, sei leistender Unternehmer i.S. des § 2 UStG und unter der angegebenen Anschrift auch postalisch erreichbar gewesen. Zudem seien dort die Buchhaltungsarbeiten der D vorgenommen und ihre Steuererklärungen gefertigt worden. Die in der Rechnung angegebene Anschrift werde auch nicht deshalb unzutreffend, weil ein Unternehmer unter weiteren Adressen erreichbar sei oder betriebliche Aktivitäten entfalte.

13

Eine unangemessene Erschwerung des Vorsteuerabzugs berühre den Kernbestand des von Art. 12 des Grundgesetzes (GG) geschützten Rechts auf freie Berufsausübung.

14

Hinsichtlich der Versagung der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen sei darauf hinzuweisen, dass es auf die Angabe des Zielorts in den Verbringungsnachweisen nicht ankomme, weil sich dieser bereits aus den Ausgangsrechnungen ergebe, die Teile des Buch- und Belegnachweises seien.

15

Das Urteil der Vorinstanz sei im Übrigen verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das FG den Beweisanträgen in den Schriftsätzen vom 26. März 2013 und 13. März 2014, die sie in der mündlichen Verhandlung wiederholt habe, nicht nachgegangen sei. Das habe sie, die Klägerin, zu Protokoll der mündlichen Verhandlung auch gerügt.

16

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom 14. August 2013 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2007 auf ./. 658.086,03 € und für 2008 auf ./. 1.465.863,67 € herabgesetzt wird.

17

Sinngemäß regt sie hilfsweise an,
dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob "... unter den Umständen wie bei der D davon auszugehen (ist), dass sie an ihrem Firmensitz ... auch ihre Anschrift im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG) hatte".

18

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

19

Das FA bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe des FG-Urteils.

Entscheidungsgründe

20

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

21

1. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 UStG lagen hinsichtlich der aus den Rechnungen der D geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht vor. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes können im Festsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden.

22

a) Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie --wie hier-- unzutreffend, besteht für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf Vorsteuerabzug (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.3.; vom 17. Dezember 2008 XI R 62/07, BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432).

23

b) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine solche Rechnung muss gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten.

24

Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist Art. 178 Buchst. a MwStSystRL. Danach muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine gemäß Titel XI Kap. 3 Abschn. 3 bis 6 (Art. 219a bis Art. 240 MwStSystRL) ausgestellte Rechnung besitzen. Eine derartige Rechnung muss gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL ebenfalls die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen enthalten.

25

c) Das Merkmal "vollständige Anschrift" in § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG erfüllt nur die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Denn sowohl Sinn und Zweck der Regelung in § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG als auch das Prinzip des Sofortabzugs der Vorsteuer gebieten es, dass der Finanzverwaltung anhand der Rechnung eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit des Tatbestandsmerkmals der Leistung eines anderen Unternehmers ermöglicht wird. Deshalb ist der Abzug der in der Rechnung einer GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuer nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden hat. Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt hierfür die Feststellungslast, denn es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, unter II.1.b; vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, unter II.3.b; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.C.1.a und II.C.3.b; vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, unter II.1.). Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift nicht aus (BFH-Urteile vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256, unter II.1.c; in BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, Orientierungssatz 3 und unter II.1.; anderer Ansicht für die Verwendung eines Postfaches durch den Leistungsempfänger Abschn. 14.5 Abs. 2 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Soweit der Senat im Urteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315 geäußert hat, ein "Briefkastensitz" mit nur postalischer Erreichbarkeit könne ausreichen, hält er hieran nicht mehr fest. Eine von der Klägerin hervorgehobene Prüfung anhand von Art. 12 GG kommt nicht in Betracht; denn die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) hat keinen Spielraum in der Umsetzung der Richtlinie. Deshalb gelten keine verfassungsrechtlichen Maßstäbe (vgl. den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2011  1 BvR 1916/09, Le Corbusier, Designermöbel Urheberrecht, BVerfGE 129, 78).

26

d) Der von der Klägerin angeregten Anrufung des EuGH bedarf es nicht, denn diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Unionsrecht.

27

aa) Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt neben den sonstigen Anforderungen als formelle Ausübungsvoraussetzung gemäß Art. 178 Buchst. a MwStSystRL den Besitz einer Rechnung voraus, die alle gemäß Titel XI Kap. 3 Abschn. 3 bis 6 (Art. 219a bis Art. 240 MwStSystRL) erforderlichen Angaben enthält (EuGH-Urteil Mahagebén und Dávid vom 21. Juni 2012 C-80/11, C-142/11, EU:C:2012:373, Rz 43, 44, 52). Dazu gehören gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL auch der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen. Dabei muss die Rechnung alle in Art. 226 MwStSystRL genannten Informationen enthalten (EuGH-Urteile Pannon Gép vom 15. Juli 2010 C-368/09, EU:C:2010:441, Rz 40 ff.; Dankowski vom 22. Dezember 2010 C-438/09, EU:C:2010:818, Rz 29 zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern).

28

bb) Dass die Angabe eines "Briefkastensitzes" nicht ausreicht, folgt auch aus dem EuGH-Urteil Planzer Luxembourg (EU:C:2007:397). Der EuGH hat darin zum Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 1 Nr. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwerststeuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 86/560/EWG) entschieden, dass sich eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohfirma" charakteristisch ist, nicht als derartiger Sitz ansehen lässt (EuGH-Urteil Planzer Luxembourg, EU:C:2007:397, Rz 62). Das mag sich nicht unmittelbar auf den Begriff der "vollständigen Anschrift" i.S. des Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL übertragen lassen. Der EuGH hat im selben Urteil aber auch entschieden, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist (EuGH-Urteil Planzer Luxembourg, EU:C:2007:397, Rz 43). Ein bloßer "Briefkastensitz" bildet aber die wirtschaftliche Realität gerade nicht ab, sondern verschleiert sie.

29

cc) Im Übrigen ist die Frage, die die Klägerin dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen anregt, nämlich, ob die D an ihrem Firmensitz auch ihre Anschrift im Sinne der MwStSystRL hatte, nicht entscheidungserheblich. Denn die Rechnung wies nach den Feststellungen des FG als Anschrift gerade nicht den Firmensitz, sondern einen "Briefkastensitz" aus.

30

2. Ob der Klägerin der Vorsteuerabzug wegen ihres guten Glaubens an die Richtigkeit der Rechnungsangaben der D zu gewähren ist, ist im vorliegenden Festsetzungsverfahren nicht zu entscheiden.

31

a) § 15 UStG sieht den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen im Festsetzungsverfahren nicht vor. Vertrauensschutz kann aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung nach §§ 16, 18 UStG, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO gewährt werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235; in BFH/NV 2010, 256; vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259; vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744). Hieran hält der Senat fest.

32

b) Dem steht das Unionsrecht nicht entgegen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind mangels einer einschlägigen Unionsregelung die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats (EuGH-Urteil Reemtsma vom 15. März 2007 C-35/05, EU:C:2007:167, Rz 40, m.w.N.; vgl. auch EuGH-Urteil Schmeink & Cofreth und Strobel vom 19. September 2000 C-454/98, EU:C:2000:469, Rz 65, 66, Leitsatz 2 zur Berichtigung von zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer). Unionsrechtlichen Belangen wird im Rahmen von Vertrauensschutzgesichtspunkten beim Vorsteuerabzug dadurch Rechnung getragen, dass das dem FA in § 163 AO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert ist, wenn unionsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme erfordern (BFH-Urteil vom 30. Juli 2008 V R 7/03, BFHE 223, 372, BStBl II 2010, 1075, unter II.5.; vgl. auch BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517, BStBl II 2004, 373, unter II.5.). Macht der Steuerpflichtige Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Festsetzungsverfahren geltend, wird die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden sein. Hieran hält der Senat fest.

33

c) Die jüngere Rechtsprechung des EuGH gibt keinen Anlass, den Vorsteuerabzug trotz des Fehlens einzelner materieller oder formeller Merkmale wegen des guten Glaubens des Leistungsempfängers an deren Vorliegen zu gewähren.

34

aa) Die EuGH-Urteile Mahagebén und Dávid (EU:C:2012:373), Maks Pen vom 13. Februar 2014 C-18/13 (EU:C:2014:69) und Bonik vom 6. Dezember 2012 C-285/11 (EU:C:2012:774) begrenzen die Verfahrensautonomie Deutschlands nicht und zwingen nicht dazu, Gutglaubensschutzgesichtspunkte im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen.

35

bb) Die genannten EuGH-Urteile zielen nicht darauf ab, ein nicht vorliegendes Tatbestandsmerkmal des Vorsteuerabzugs durch den guten Glauben des Leistungsempfängers an dessen Vorliegen zu ersetzen. Denn in den vom EuGH in den Entscheidungen Mahagebén und Dávid, Maks Pen und Bonik beurteilten Sachverhalten stand aufgrund der Vorlageentscheidungen fest, dass die nach der MwStSystRL vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt waren (EuGH-Urteile Mahagebén und Dávid, EU:C:2012:373, Rz 43, 44, 52; Maks Pen, EU:C:2014:69, Rz 25, und Bonik, EU:C:2012:774, Rz 29, 33, 40). Liegen die materiellen und formellen Voraussetzungen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug aber vor, so gibt es für Vertrauensschutzgesichtspunkte keinen Anwendungsbereich. Diese können erst zum Tragen kommen, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug fehlen, der Steuerpflichtige aber gutgläubig von deren Vorliegen ausging und ausgehen konnte.

36

Der EuGH hat in den o.g. Entscheidungen das Recht auf Vorsteuerabzug nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte erweitert, sondern --ebenso wie bereits im Urteil Kittel und Recolta Recycling vom 6. Juli 2006 C-439/04, C-440/04 (EU:C:2006:446), dem sich der Senat bereits angeschlossen hat (BFH-Urteile in BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744; in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315)-- begrenzt, indem er den Vorsteuerabzug selbst dann versagt, wenn dessen Voraussetzungen zwar tatsächlich vorliegen, jedoch aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

37

3. Bei den Lieferungen an B hat es sich um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG kommt für die streitbefangenen Lieferungen nicht in Betracht, weil die Klägerin die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht nachgewiesen hat.

38

a) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a) steuerfrei. Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 UStG u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dabei hat der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656).

39

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 131 und 138 MwStSystRL. Gemäß Art. 131 MwStSystRL wird auch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung "unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen". Nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

40

c) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 131 MwStSystRL festgelegten Bedingungen nachzuweisen (vgl. EuGH-Urteile VSTR vom 27. September 2012 C-587/10, EU:C:2012:592, Rz 42 f. und 47; Mecsek-Gabona vom 6. September 2012 C-273/11, EU:C:2012:547, Rz 36 und 38; R vom 7. Dezember 2010 C-285/09, EU:C:2010:742, Rz 43 und 46; BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596).

41

Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen:
"...
1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

42

Im Streitfall hat die Klägerin den Belegnachweis nicht erbracht. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben (vgl. dazu BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420). Das gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407). Das ist hier nicht der Fall. Denn nach den, den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge "völlig unklar".

43

d) Die betreffenden Lieferungen sind auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, m.w.N.). Im Streitfall fehlt es aber an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsorts, weil dieser nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift des B gleichgesetzt werden kann.

44

e) Kommt der Unternehmer --wie hier-- seinen Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG, §§ 17a, 17c UStDV nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (z.B. BFH-Urteile vom 21. Mai 2014 V R 34/13, BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, jeweils m.w.N.). Das ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil --wie bereits dargelegt-- der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge "völlig unklar" ist.

45

4. Die Revision führt auch weder aus verfahrensrechtlichen Gründen zum Erfolg noch greifen die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensrügen durch.

46

a) Macht der Steuerpflichtige bereits im Festsetzungsverfahren Vertrauensschutzgesichtspunkte geltend und begehrt den Vorsteuerabzug auch im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 227 AO (vgl. hierzu unter II.2.a), so ist die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme zwar regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden (BFH-Urteil in BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, 3. Leitsatz und Rz 48). Das FA konnte vorliegend beide Verfahren schon deshalb nicht verbinden, weil die Klägerin den Billigkeitsantrag erst in der Einspruchsbegründung vom 2. März 2010 --und damit nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung-- gestellt hat.

47

b) Das FG hat auch nicht --wie von der Klägerin gerügt-- seine ihm nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt. Ein derartiger Verfahrensfehler liegt zwar vor, wenn das FG einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag übergeht, sofern nicht das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2014 V B 1/14, BFH/NV 2014, 1763; vom 5. November 2013 VI B 86/13, BFH/NV 2014, 360; vom 18. März 2013 III B 143/12, BFH/NV 2013, 963).

48

Nach diesen Grundsätzen war das FG nicht gehalten, die von der Klägerin benannten Zeugen zu vernehmen. Das FG hat sich unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Klägervertreter vom 26. März 2013 und 13. März 2014, mit dem die Zeugen unter Angabe des Beweisthemas benannt worden sind, sowie aufgrund des Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausführlich mit den von den Zeugen zu bekundenden Tatsachen auseinandergesetzt, diese im Rahmen des Gesamtvortrags der Klägerin gewürdigt und den Schluss gezogen, es könne sowohl als wahr unterstellt werden, dass der Steuerfahnder in den Räumlichkeiten ... Straße die D betreffenden Unterlagen beschlagnahmt habe, als auch, dass dort Post für die D angekommen sei und die Zeugin S der Steuerfahndung einen Ordner mit Rechnungen der D übergeben habe. Hinsichtlich der weiteren Beweisanträge ist das FG rechtsfehlerfrei zu der Ansicht gelangt, dass die jeweiligen Beweisthemen nicht entscheidungserheblich waren.

49

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2003 einen Kraftfahrzeughandel. Sie lieferte am 22. Januar 2003 einen Porsche 911 Carrera 4S Coupe umsatzsteuerfrei zum Preis von ... € an die in Italien ansässige "Abnehmerin" T mit Sitz in V. Das Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Firma S durch einen Bevollmächtigten bei der Klägerin abgeholt, der den Kaufpreis bar bezahlte. Als Abholer trat ein Herr mit dem Namen B auf, von dem sich die Klägerin eine Kopie des Personalausweises vorlegen ließ. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung beinhaltet den handschriftlichen Vermerk "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" und ist mit dem Namen "B" unterschrieben. Diese Unterschrift weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie ab.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angesehenen Umsatz als steuerpflichtig und erließ am 12. Juli 2004 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003, in dem es die Umsatzsteuer um insgesamt ... € erhöhte. Das FA hat für den Umsatz mit T einen Umsatzsteuerbetrag von ... € und für einen weiteren, revisionsrechtlich nicht angegriffenen Geschäftsvorfall einen Betrag von ... € angesetzt. Die Versagung der Steuerfreiheit für die Lieferung an T beruht auf einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen, nach der T ein Scheinunternehmen war, was nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

3

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage hinsichtlich der Lieferung des Porsche 911 Carrera an T unter Herabsetzung der Umsatzsteuer um ... € statt und wies die Klage im Übrigen in dem revisionsrechtlich nicht angegriffenen Teil ab. Für die Lieferung des Porsche 911 Carrera an T seien zwar die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfüllt, denn der Abnehmer --die T-- sei ein Nichtunternehmer ("Scheinunternehmer") gewesen. Gleichwohl sei die Lieferung als steuerfrei zu behandeln, weil die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG vorlägen.

5

Die Klägerin habe keine Zweifel am tatsächlichen Abholer haben müssen. Sie habe sich sämtliche Belege, die nach § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erforderlich seien, vorlegen lassen. Insbesondere habe sie den Belegnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV erfüllt. Danach sei der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, zu führen. Dies sei erfüllt, denn die Klägerin habe durch den Vermittler S einen Handelsregisterauszug betreffend der T vorgelegt. Damit verbunden sei eine Versicherung gewesen, dass das Fahrzeug nach Italien befördert werden solle. Diese Versicherung sei auch schriftlich und in deutscher Sprache erfolgt. Sie enthalte unter Bezugnahme auf den Handelsregisterauszug Name und Anschrift der T (Abnehmer) sowie eine mit Datum versehene Unterschrift des Abnehmers bzw. in diesem Fall des Bevollmächtigten B. Damit habe die Klägerin ihre Sorgfaltspflichten aus § 6a Abs. 4 UStG erfüllt. Soweit die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 2010 IV D 3-S 7141/08/10001, 2010/ 0334195 (BStBl I 2010, 508) in Tz. 32 die Auffassung vertrete, "die Unterschrift (müsse) ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen", sei dies unverhältnismäßig. Zum einen könne sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sehe eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift bestehe, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass im Streitfall die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht ohne Weiteres übereinstimme, könne deshalb nicht zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden. Weitere Umstände, die einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns i.S. des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG rechtfertigen könnten, seien im Streitfall nicht ersichtlich.

6

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das Urteil des FG verstoße gegen § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG. Bei Barverkäufen hochwertiger Gegenstände seien an die Sorgfaltspflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Umstände, dass ein hochwertiges Fahrzeug in bar veräußert werde und auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung bestehen, müssten den Unternehmer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen. In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt habe, seien alle Umstände einzubeziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511). Von diesen Rechtssätzen weiche das FG ab. Zum einen halte es den Umstand, dass die Unterschriften auf dem vom Abholer vorgelegten Personalausweis und der Verbringenserklärung auffällige Unterschiede aufwiesen, für unbeachtlich. Denn es habe den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Vergleich der Unterschriften unverhältnismäßig sei. Zum anderen würdige das FG nicht alle Umstände. Es würdige insbesondere nicht, dass die Klägerin ein hochwertiges Fahrzeug veräußert habe, der Kaufpreis von ... € in bar entrichtet worden sei, die Vermittlung des Verkaufs des gebrauchten Fahrzeugs über die S erfolgt sei und S den Handelsregisterauszug des Abnehmers vorgelegt habe. Gerade diese Umstände hätten die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen müssen.

7

Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich daher nicht, weil die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht nachgekommen sei. Es fehle an Belegen, aus denen sich insbesondere der tatsächliche Abholer der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung und dessen Berechtigung leicht und einfach nachprüfbar habe entnehmen lassen.

8

Das FA beantragt,
das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S. von § 6a Abs. 1 UStG seien unstreitig nicht erfüllt, weil --wie sich später herausstellte-- es sich bei dem Kunden um einen Nichtunternehmer gehandelt habe. Die Klägerin habe die Unrichtigkeit der Angaben der Abnehmer auch bei Beachtung der größten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Der von dem FA zitierte Beschluss vom 6. November 2008 V B 126/07 (BFH/NV 2009, 234) behandle einen abweichenden Fall, in dem das betreffende Fahrzeug sofort zum selben Preis weiterverkauft worden und dies dem liefernden Unternehmer bekannt gewesen sei, so dass tatsächlich bei dem Lieferer der Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung aufkommen könne. Im Streitfall habe es jedoch keinen ähnlichen Anlass gegeben, an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln.

11

Auch die Barzahlung des Kaufpreises sei nach der Erfahrung bei Exportgeschäften von Luxussportwagen nicht ungewöhnlich, sondern die Regel und die einzig praktikable Lösung bei Fahrzeugverkäufen ins Ausland. Gerade bei so mobilen Gegenständen wie Autos wolle der Verkäufer nicht das Risiko eines Forderungsausfalls tragen, sondern bestehe auf Barzahlung oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung; dies gelte gerade für Exportgeschäfte. Wenn das FA behaupte, dass eine "Barzahlung ungewöhnlich" sei und das Misstrauen der Klägerin habe wecken müssen, so sei diese Auffassung wirklichkeitsfremd.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt hinsichtlich der zu beurteilenden Lieferung des Porsche 911 Carrera an T zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob für das Fahrzeug Porsche 911 Carrera die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.

13

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen sind.

14

Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

15

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

16

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen
"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:
"... 9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; vgl. nunmehr Art. 131, 138 f. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

21

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

22

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 14). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 14).

23

d) Im Streitfall fehlt es bereits am Nachweis, wer der wirkliche Abnehmer des PKW war. Nach den Feststellungen des FG war --was zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- T lediglich ein Scheinunternehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG liegen daher nicht vor.

24

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anwendbar.

25

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 28).

26

b) Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 234, unter 3.). Solche auffälligen Unterschiede liegen im Streitfall vor. Die Unterschrift unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie --auf den ersten Blick erkennbar-- ganz erheblich ab.

27

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hält die Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 508, Tz. 32; Abschn. 6a.3. Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), dass die Unterschrift ggf. einen "Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen" müsse, per se für unverhältnismäßig und lässt den Umstand, dass die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht übereinstimmt, bei der Würdigung, ob die Klägerin mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, unzutreffend von vornherein außer Acht. Der Senat verkennt nicht, dass sich eine Unterschrift im Einzelfall im Laufe mehrerer Jahre verändern und eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem wenig Platz für die Unterschrift besteht, ein anderes Bild als auf sonstigen Unterlagen haben kann. Diese Umstände rechtfertigen es entgegen der Ansicht des FG aber nicht, die auffälligen Unterschiede in den Unterschriften in die Prüfung und Würdigung gar nicht erst miteinzubeziehen.

28

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Folgendes zu berücksichtigen haben:

29

a) Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) ist gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG ausgeschlossen für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen; diese sind steuerpflichtig. Die Ausnahme entspricht Art. 26a Teil B, Teil D Buchst. c i.V.m. Art. 28c Teil A Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.1.). Anhaltspunkt für eine ggf. durchzuführende Differenzbesteuerung könnte insoweit der Eintrag eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von ... € in der Zeile "nicht auszuweisen im Rahmen der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG" im Kaufvertrag sein.

30

Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob die Klägerin die streitbefangene Kfz-Lieferung im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt hat. Gemäß § 25a Abs. 1 UStG gilt für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen eine Differenzbesteuerung, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde

a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder

b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
..."

31

Eine Differenzbesteuerung käme allerdings gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht zur Anwendung, wenn es sich um die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs i.S. des § 1b Abs. 2 und 3 UStG handelt. Dafür könnte --sofern der Kilometerstand in der "Verbindlichen Bestellung" des Fahrzeugs vom 20. Januar 2003 korrekt ausgewiesen ist-- der niedrige Kilometerstand sprechen. Widersprüchlich ist jedoch, dass nach den dortigen Angaben die gesamte km-Leistung laut Vorbesitzer 0 km und der km-Stand laut Zähler indes 4 500 km beträgt.

32

Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

33

b) Sofern die Lieferung nicht der Differenzbesteuerung unterliegt, stellt sich im Rahmen der nachfolgend zu prüfenden innergemeinschaftlichen Lieferung die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32).

34

Die Ausführungen des FG sind insoweit unzureichend, da es keine Feststellungen zu dem Bestimmungsort des Liefergegenstands Porsche 911 Carrera (vgl. § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV) getroffen hat. Der Gesetzeszweck des § 6a Abs. 1 UStG erfordert den Nachweis des Bestimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um die Warenbewegung nachzuvollziehen und um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat als Bestimmungsland den Vorschriften der Erwerbsbesteuerung unterliegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73). Die Angaben in der Verbringenserklärung "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" sind insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt ist (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73) und auch nicht mit der im Bezug genommenen Kaufvertrag vom 21. Januar 2003 enthaltenen Unternehmensanschrift ohne Weiteres gleichzusetzen ist. Nach dem Urteil des BFH in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts zwar unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, Rz 29). Hierzu fehlen hinreichende Feststellungen. Die Frage des der Klägerin obliegenden Nachweises des Bestimmungsorts ist Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG (BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2).

35

c) An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf (hier ... €) mit "Beauftragten" zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 81, unter II.2.b). In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, sind diese Umstände einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.4.b bb). Im Streitfall kommt hinzu, dass ein Vermittler zwischengeschaltet worden ist und die vermeintliche "Abnehmerin" T faktisch --außer auf dem Papier-- gar nicht in Erscheinung trat.

36

aa) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Barzahlung des Kaufpreises sei bei Exportgeschäften von Luxussportwagen die Regel.

37

Der Senat verkennt nicht, dass in der Autobranche bei innergemeinschaftlichen Lieferungen Barzahlung Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrzeugs üblich sein mag (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012  3 K 2138/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1968, Rz 71, m.w.N.) und dass ohne Barzahlung bei Übergabe oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung durch den im Ausland ansässigen Abnehmer der Verkäufer das Risiko eines Forderungsausfalls tragen würde, jedoch diese Abwicklungsmodalität eine erhebliche umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr birgt. Die Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung ist indes ein von der Richtlinie 77/388/EWG bzw. MwStSystRL angestrebtes Ziel (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 29. April 2004 C-487/01 und C-7/02 --Gemeente Leusden und Holin Groep--, Slg. 2004, I-5337, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 302, Rz 76; vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 36; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 --Mahagében und Dávid--, BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 41; vom 6. September 2012 C-273/11 --Mecsek-Gabona--, UR 2012, 796, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 1917, Rz 47) und rechtfertigt hohe Anforderungen an die Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 58 und 61; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 47; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 103). Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 65; in BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 54; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 48 und 53 f.; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 103).

38

bb) Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (Oelmaier, DStR 2008, 1213, 1217; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 104). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Barverkauf von hochwertigen PKW in das Ausland und Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen.

39

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers können in diesen Fällen beispielsweise folgende Umstände begründen:

-       

Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteil des FG Köln vom 27. Januar 2005  10 K 1367/04, EFG 2005, 822);

-       

die Geschäftsanbahnung mit dem Unternehmer erfolgt durch einen von dem Abnehmer zwischengeschalteten Dritten und der Abnehmer tritt --außer auf dem Papier-- nicht in Erscheinung;

-       

die fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs, z.B. fehlende Faxkennung des Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z.B. der im Ausland ansässige Abnehmer hat eine Faxadresse im Inland.

40

Dagegen stellen im Regelfall keine Gründe für Zweifel an der Richtigkeit geringfügige, rein formale Versehen dar, wie z.B. ein bloßes Verschreiben auf der Verbringenserklärung.

41

4. Soweit das FA dem Revisionsantrag das Begehren hinzugefügt hat, den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 12. Juli 2004 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Steuer ... € beträgt, versteht der Senat dies lediglich als ziffernmäßig bestimmte, klarstellende Wiederholung des Revisionsantrags der Klägerin. Denn von dem gestellten Revisionsantrag, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen, wird inhaltlich auch das mit der Revision verfolgte Ziel der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 12. Juli 2004 mitumfasst.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der im Streitjahr (2008) Herr W zu 51 % und Frau H zu 49 % beteiligt waren. Die Gesellschafter waren 2008 gleichzeitig auch die Geschäftsführer der Gesellschaft.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der gewerbliche Handel mit Waren aller Art, nicht genehmigungspflichtigen Dienstleistungen aller Art, Vermietungen von Autos, Flugzeugen, Schiffen und anderen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen des allgemeinen Rechtsverkehrs, Halten von Beteiligungen, Immobilienverwaltung und Vermietung von Immobilien. Seit 2003 gehört zum Angebot der Klägerin auch die Vercharterung von Motoryachten.

3

Am 20. Dezember 2006 erwarb die Klägerin die Yacht A für 1.100.000 € zzgl. 176.000 € Umsatzsteuer. Die Klägerin ordnete die Yacht A ihrem Unternehmen zu und machte hinsichtlich des Erwerbs für den Voranmeldungszeitraum 2006 den Vorsteuerabzug geltend. Im März 2007 wurde diese Yacht auf Veranlassung der Klägerin von Deutschland nach Palma de Mallorca transportiert, um sie an fremde Dritte zu vermieten und durch die Familie der Gesellschafter-Geschäftsführerin H zu nutzen.

4

Mit Rechnung vom 23. Dezember 2008 veräußerte die Klägerin die Yacht A zum Einkaufspreis (1.100.000 €) zurück an die Verkäuferin. Die Yacht wurde der Käuferin am gleichen Tag auf Mallorca übergeben. In der Rechnung, in der die der Klägerin erteilte deutsche Umsatzsteuer-Identifizierungsnummer (USt.-ID-Nr.) ausgewiesen wurde, wird der Verkauf von der Klägerin als nicht steuerbar behandelt. Über eine spanische USt.-ID-Nr. verfügte die Klägerin nicht.

5

Mit Kaufvertrag vom 13. August 2008 und Rechnung vom 8. Dezember 2008 kaufte die Klägerin unter Anrechnung des Kaufpreises für die Yacht A die gebrauchte Yacht B für 1.630.900 € zzgl. 309.871 € Umsatzsteuer. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages sollte die Yacht B im Dezember 2008 in Deutschland an die Klägerin übergeben werden. In der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2008 machte die Klägerin die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 309.871 € als Vorsteuer geltend.

6

Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von einem steuerbaren Verbringen der Yacht A i.S. des § 3 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) durch die Klägerin im Dezember 2008 aus. Das FA verneinte das Vorliegen einer Steuerbefreiung ebenso wie die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug aus dem Kauf der Yacht B und setzte die Umsatzsteuer im Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Dezember 2008 vom 30. Juli 2009 entsprechend fest. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

7

Die Klage hatte in dem im Revisionsverfahren streitigen Umfang keinen Erfolg. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1707 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, die Klägerin habe den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens (§ 3 Abs. 1a UStG) der 2007 zunächst nur zu Vermietungszwecken nach Mallorca beförderten Yacht A im Zeitpunkt des Verkaufs im Dezember 2008 erfüllt. Mit dem Verkauf der Yacht A im Dezember 2008 habe die vorübergehende Verwendung geendet, mit der Folge, dass die Yacht A in diesem Zeitpunkt als i.S. des § 3 Abs. 1a UStG verbracht anzusehen sei.

8

Dieser einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichzustellende Umsatz sei nicht gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfrei. Die Klägerin könne sich nicht auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. des innergemeinschaftlichen Verbringens gemäß § 6a Abs. 1 und 2 UStG berufen, weil dem die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland gegenüberstehe und die Klägerin durch ihr Verhalten diese Besteuerung verhindert habe.

9

Auch die Voraussetzungen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1a UStG seien nicht erfüllt, weil eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht B im Dezember 2008 nicht feststellbar sei. In den Fällen des § 15 Abs. 1a UStG müsse nicht nur die Absicht der unternehmerischen Verwendung, sondern auch die Gewinnerzielungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezuges durch objektive Anhaltspunkte nachgewiesen werden.

10

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, die sie auf Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler stützt.

11

Die Klägerin macht geltend, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

12

Hinsichtlich der Yacht A trägt sie vor, dass deren Verbringen nach Spanien steuerfrei sei. Auf die Verletzung von Nachweispflichten i.S. der §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) komme es nicht an, weil feststehe, dass die Yacht A nach Spanien verbracht worden sei.

13

Aus dem Erwerb der Yacht B sei ihr, der Klägerin, der Vorsteuerabzug zu gewähren.

14

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 16. August 2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 30. August 2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2008 um ... € herabgesetzt wird.

15

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

16

Zur Begründung seines Antrags verweist das FA im Wesentlichen auf die Gründe des FG-Urteils.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Steuerbefreiung des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichstehenden innergemeinschaftlichen Verbringens der Yacht A nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG zu versagen. Darüber hinaus hat das FG nicht geprüft, ob für die Lieferung der Yacht A die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG in Betracht kommt, weil im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht A --ebenso wie beim Erwerb der Yacht B-- der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1a UStG auszuschließen gewesen wäre. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die dem Senat die Beurteilung dieser Fragen ermöglichen; die erforderlichen Feststellungen muss das FG nachholen.

18

1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Yacht B nicht zusteht.

19

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer unter anderem die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, in Abzug bringen. Nicht abziehbar sind jedoch gemäß § 15 Abs. 1a UStG die Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt, entfallen.

20

Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG umfasst u.a. Aufwendungen für Segelyachten oder Motoryachten sowie für ähnliche Zwecke. Das gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht, wenn diese Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.

21

a) Der Senat kann auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG erfüllt sind. Die Frage kann aber offen bleiben.

22

b) Denn selbst wenn die Klägerin die Yacht B i.S. des § 15 Abs. 1 UStG für ihr Unternehmen bezogen haben sollte, fallen die Aufwendungen für deren Erwerb --wie das FG zu Recht entschieden hat-- unter das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG (aa); die Vorschrift des § 15 Abs. 1a UStG ist auch anwendbar (bb bis cc).

23

aa) Aufwendungen sind alle auf die Herstellung oder Anschaffung und den Unterhalt entfallenden Kosten (Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 4 Rz 562, zu Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG). Dazu gehören auch die Anschaffungskosten für die Yacht B.

24

Auch der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG ist nicht erfüllt, weil eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht B nicht feststellbar war. Die Absicht der Gewinn-/Überschusserzielung zeigt sich in dem Bestreben, während des Bestehens der Einkunftsquelle insgesamt einen Totalgewinn bzw. Einnahmenüberschuss zu erzielen. Ob der Unternehmer eine derartige Absicht hatte, lässt sich --entgegen der Auffassung der Klägerin-- als innere Tatsache nicht anhand seiner Erklärungen, sondern nur aufgrund äußerer Umstände feststellen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, unter II.1.b). Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, ob die Betätigung bei objektiver Betrachtung nach ihrer Art, ihrer Gestaltung und den gegebenen Ertragsaussichten einen Totalüberschuss erwarten lässt (BFH-Urteil vom 27. Januar 2000 IV R 33/99, BFHE 191, 119, BStBl II 2000, 227). Beruht die Entscheidung zur Neugründung eines Gewerbebetriebs im Wesentlichen auf den persönlichen Interessen und Neigungen des Steuerpflichtigen, so sind die entstehenden Verluste nur dann für die Dauer einer betriebsspezifischen Anlaufphase steuerlich zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige zu Beginn seiner Tätigkeit ein schlüssiges Betriebskonzept erstellt hat, das ihn zu der Annahme veranlassen durfte, durch die gewerbliche Tätigkeit werde er insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielen können (BFH-Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874).

25

Ob, wie das FG meint, als objektiver Anhaltspunkt für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht bei der Vercharterung einer Yacht der vorliegenden Größenordnung nur eine Markt-/Wirtschaftlichkeitsanalyse in Betracht kommt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil sowohl nach den Feststellungen des FG als auch nach Aktenlage und dem Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren keine anderen objektiven Anhaltspunkte für eine Gewinnerzielungsabsicht ersichtlich sind.

26

bb) Unionsrechtliche Grundlage des § 15 Abs. 1a UStG ist Art. 176 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG --MwStSystRL-- (bis 31. Dezember 2006: Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--). Diese Bestimmung stellt eine --bisher nicht getroffene-- Regelung des Rates über Ausgaben, die den Vorsteuerabzug ausschließen, insbesondere solche, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen, in Aussicht. Darüber hinaus enthält Art. 176 MwStSystRL eine sog. Stillhalteklausel, die bis zum Inkrafttreten einer unionsrechtlichen Regelung die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug erlaubt, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG galten. Eine nationale Regelung, die die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitert, ist nach Art. 176 MwStSystRL grundsätzlich nicht zulässig (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 8. Januar 2002 C-409/99, Metropol und Stadler, Slg. 2002, I-81, zu Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG). Neue Ausschlussnormen können durch die einzelnen Mitgliedstaaten nur mit Genehmigung nach Art. 394, 397 MwStSystRL eingeführt werden (EuGH-Urteil vom 11. Juli 1991 C-97/90, Lennartz, Slg. 1991, I-3795, zu Art. 27 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG). Für die Regelung in § 15 Abs. 1a UStG ist eine Genehmigung nach Art. 27 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG aber weder beantragt noch erteilt worden.

27

§ 15 Abs. 1a UStG steht im Einklang mit dem Unionsrecht, weil die darin getroffene Regelung inhaltlich bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG im deutschen UStG verankert gewesen ist.

28

cc) § 15 Abs. 1a UStG ist durch Art. 7 Nr. 11 Buchst. b des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/ 2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) eingeführt worden und gilt mit Wirkung ab 1. April 1999 (Art. 18 Abs. 2 StEntlG 1999/2000/2002). Die im Streitjahr 2008 geltende Fassung beruht auf dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878). Bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG, also zum 1. Januar 1979 (vgl. EuGH-Urteile vom 19. September 2000 C-177/99 und C-181/99, Ampafrance und Sanofi, Slg. 2000, I-7013 Rdnr. 5), war der Vorsteuerabzug für die Aufwendungen für Segelyachten zwar nicht unmittelbar durch das UStG 1973 ausgeschlossen, wenn ansonsten die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG 1973 erfüllt waren. Der einem Unternehmer zustehende Vorsteuerabzug wurde aber durch eine ebenso hohe Besteuerung der Aufwendungen als Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 ausgeglichen. Nach dieser Vorschrift lag Eigenverbrauch vor, soweit ein Unternehmer im Inland Aufwendungen tätigte, die nach § 4 Abs. 5 EStG bei der Gewinnermittlung ausschieden. Die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 wirkte wie eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs (BFH-Urteile vom 2. Juli 2008 XI R 61/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2009, 278; vom 12. August 2004 V R 49/02, BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, unter II.3.b, betreffend Bewirtungsaufwendungen). Der Vorsteuerausschluss gemäß § 15 Abs. 1a UStG stellt deshalb, jedenfalls soweit er laufende Aufwendungen i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft, nur eine Ersatzregelung für einen bereits bestehenden Ausschlusstatbestand dar und ist damit keine dem Unionsrecht widersprechende Erweiterung oder erstmalige Einfügung eines Ausschlusstatbestands. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 77/388/EWG galt bereits ein mittelbares Vorsteuerabzugsverbot für Leistungsbezüge, die mit einer Segelyacht zusammenhängen, weil § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 der Umsetzung des Ausschlusses von Repräsentationsaufwendungen vom Vorsteuerabzugsrecht gemäß Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG und damit demselben Zweck wie § 15 Abs. 1a UStG diente (BFH-Urteile in HFR 2009, 278; vom 2. Juli 2008 XI R 60/06, BFHE 222, 112, BStBl II 2009, 167; jeweils zu Segelyachten; vom 24. August 2000 V R 9/00, BFHE 193, 161, BStBl II 2001, 76; vom 2. Juli 2008 XI R 66/06, BFHE 222, 123, BStBl II 2009, 206, zum Halten von Rennpferden; in BFHE 207, 71, BStBl II 2004, 1090, zu Bewirtungsaufwendungen). Auch das Schrifttum sieht den Ersatz des Aufwendungseigenverbrauchs gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG in der bis 31. März 1999 geltenden Fassung durch ein unmittelbares Vorsteuerabzugsverbot gemäß § 15 Abs. 1a UStG in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung für Aufwendungen i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG als durch Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt an (Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 481; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 15 UStG Rz 290b; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 917; Lohse, Internationales Steuerrecht 2000, 232, 236 f.; zweifelnd Heidner in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 15 Rz 307).

29

dd) Das Abzugsverbot für laufende Aufwendungen (BFH-Urteile vom 2. Juli 2008 XI R 70/06, BFH/NV 2009, 223; vom 23. Januar 1992 V R 66/85, BFHE 167, 221; in BFHE 193, 161, BStBl II 2001, 76) gilt auch für die Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten. Obschon sich die Versagung des Vorsteuerabzugs für die Erwerbsaufwendungen nach § 15 Abs. 1a UStG in zeitlicher Hinsicht bei der Lieferung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern, wie im Streitfall der Yacht B, von der Eigenverbrauchsbesteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1973 unterscheidet, ist sie mit Art. 176 MwStSystRL (Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) vereinbar. Deshalb liegt in der Einführung des § 15 Abs. 1a UStG kein Verstoß gegen Unionsrecht (so auch Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz 952, 956; a.A. wohl Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 513; Lippross, Umsatzsteuer, 22. Auflage 2008, 7.8.2.1.2 c, S. 838, 842 f.).

30

2. Das FG hat das Verbringen der Yacht A nach Mallorca zu Recht als gemäß § 3 Abs. 1a UStG steuerbare Lieferung behandelt, die im Dezember 2008 zu erfassen ist.

31

a) Gemäß § 3 Abs. 1a UStG gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.

32

Mit dieser Regelung wird Art. 17 Abs. 1 MwStSystRL umgesetzt. Danach ist die von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verbringung eines Gegenstands seines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt. Als "Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat" gelten die Versendung oder Beförderung eines im Gebiet eines Mitgliedstaats befindlichen beweglichen körperlichen Gegenstands durch den Steuerpflichtigen oder für seine Rechnung für die Zwecke seines Unternehmens nach Orten außerhalb dieses Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft.

33

b) Die Klägerin ist unstreitig Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG, hat die Yacht A durch Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ihrem Unternehmen zugeordnet und diese in das übrige Gemeinschaftsgebiet, nämlich nach Mallorca (Spanien), verbracht.

34

aa) Der Transport der Yacht A im März 2007 ist noch nicht als steuerbares Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu beurteilen, weil die Klägerin nach den Feststellungen des FG zu diesem Zeitpunkt nur eine "vorübergehende Verwendung" der Yacht auf Mallorca vorgesehen hatte.

35

Mit dem negativen Tatbestandsmerkmal der nicht "nur vorübergehenden Verwendung" setzt § 3 Abs. 1a UStG die unionsrechtliche Regelung in Art. 17 Abs. 2 MwStSystRL zumindest begrifflich nicht zutreffend um (Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rz 69; Heuermann in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 1a Rz 50; Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 189; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 47). Während § 3 Abs. 1a UStG generalisierend auf einen scheinbar zeitlichen Gesichtspunkt abstellt, enthält Art. 17 Abs. 2 Buchst. a bis h MwStSystRL eine abschließende Aufzählung von Umsätzen, die ein Verbringen ausschließen, wenn der Unternehmer deren Ausführung mit dem Gegenstand bezweckt. Der Begriff "vorübergehend" ist daher nicht zeitabhängig zu verstehen, sondern wird durch die Art der Verwendung bestimmt (Martin in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 196; Stöcker in Küffner/Stöcker/ Zugmaier, UStG, § 3 Rz 212; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rz 73). Ist nach der Art der Verwendung vorhersehbar, dass der Gegenstand wieder in das Inland zurückgelangt, so liegt auch bei längerem Verbleib im sonstigen Gemeinschaftsgebiet eine vorübergehende Verwendung vor (Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 1a Rz 22).

36

Ob die unzutreffende Umsetzung des Art. 17 MwStSystRL durch § 3 Abs. 1a UStG im Wege der richtlinienkonformen Auslegung (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 47) oder mittels Anwendungsvorrangs der Richtlinie (Heuermann in Hartmann/ Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 1a Rz 50) zu geschehen hat, kann der Senat offenlassen. Jedenfalls ist von einer nur vorübergehenden Verwendung auszugehen, wenn einer der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a bis h MwStSystRL genannten Fälle vorliegt.

37

Art. 17 Abs. 2 Buchst. g MwStSystRL nennt die

"vorübergehende Verwendung dieses Gegenstands im Gebiet des Mitgliedstaats der Beendigung der Versendung oder Beförderung zum Zwecke der Erbringung von Dienstleistungen durch den im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung ansässigen Steuerpflichtigen".

38

Das ist vorliegend der Fall, denn nach den Feststellungen des FG beabsichtigte die Klägerin (zumindest auch) die Ausführung von Vermietungsumsätzen mit der Yacht A.

39

bb) Ein innergemeinschaftliches Verbringen i.S. des § 3 Abs. 1a UStG liegt aber mit dem Verkauf der Yacht A im Dezember 2008 vor, weil die Absicht der Klägerin, Vermietungsumsätze mit der Yacht A auszuführen, damit endete. Sobald eine der Voraussetzungen für die Ausnahme der nur vorübergehenden Verwendung nicht mehr vorliegt, wie z.B. beim Verkauf des Gegenstands, ist in diesem Zeitpunkt ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gegen Entgelt gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen anzunehmen (so ausdrücklich Art. 17 Abs. 3 MwStSystRL; vgl. auch Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 196; Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 3 Rz 236).

40

3. Das FG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass das der Lieferung gleichgestellte Verbringen der Yacht A allein deshalb nicht von der Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG umfasst wird, weil die Klägerin es unterlassen hat, in Spanien den innergemeinschaftlichen Erwerb der Yacht A anzumelden und zu versteuern.

41

a) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a) steuerfrei. Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 6a Abs. 2, § 3 Abs. 1a UStG). Dabei hat der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656).

42

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 131 und 138 MwStSystRL. Gemäß Art. 131 MwStSystRL wird auch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung "unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen". Nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

43

b) Dass die Klägerin ihren Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV nicht nachgekommen ist, steht der Steuerbefreiung nicht entgegen. Die Nachweispflichten gemäß §§ 17a, 17c UStDV sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57). Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188).

44

Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbracht hat. Dasselbe gilt für die innergemeinschaftliche Lieferung in Gestalt des innergemeinschaftlichen Verbringens (§ 6a Abs. 2 UStG).

45

Da feststeht, dass die Klägerin die Yacht A in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht hat, steht es der Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 2 UStG nicht entgegen, dass die Klägerin keine Nachweise i.S. der §§ 17a ff. UStDV vorgelegt hat. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG sind erfüllt.

46

c) Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG in Anlehnung an das EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, "R" (Slg. 2010, I-12605) zu versagen.

47

aa) Der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. dem innergemeinschaftlichen Verbringen gemäß § 6a Abs. 1 und 2 UStG im Inland steht spiegelbildlich die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland gegenüber (§ 1a Abs. 1 und 2 UStG). Die innergemeinschaftliche Lieferung eines Gegenstands und sein innergemeinschaftlicher Erwerb sind ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang, auch wenn dieser sowohl für die an dem Geschäft Beteiligten als auch für die Finanzbehörden der betreffenden Mitgliedstaaten unterschiedliche Rechte und Pflichten begründet (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 23). Daher wird durch § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 UStG die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Verbringens unter anderem davon abhängig gemacht, dass der Erwerb des verbrachten Gegenstands beim Abnehmer, der in diesem Fall mit dem Lieferer identisch ist, den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.

48

bb) Der mit dem Verbringen der Yacht A einhergehende innergemeinschaftliche Erwerb in Spanien unterlag aber gemäß den mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 20 MwStSystRL korrespondierenden Vorschriften spanischen Rechts grundsätzlich der dortigen Erwerbsbesteuerung, so dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt auch nicht voraus, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat tatsächlich besteuert worden ist (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 69 ff.; BFH-Urteil in BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57).

49

cc) Allerdings kann der Ausgangsmitgliedstaat, worauf das FG zu Recht hinweist, der innergemeinschaftlichen Lieferung aufgrund der ihm nach Art. 131 MwStSystRL (Erster Satzteil von Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) zustehenden Befugnisse die Mehrwertsteuerbefreiung für diesen Umsatz versagen, wenn eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen zwar tatsächlich stattgefunden hat, der Lieferer jedoch bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil "R" in Slg. 2010, I-12605 Rdnr. 55). Dasselbe gilt, wenn eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vorliegt und der Lieferer nicht in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 796 Rdnrn. 48 ff.).

50

Ob diese Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar sind, kann der Senat aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden. Die Feststellung, dass die Klägerin durch ihre Vorgehensweise die Erwerbsbesteuerung in Spanien dadurch vermieden hat, dass sie sich dort weder umsatzsteuerlich hat registrieren lassen noch den innergemeinschaftlichen Erwerb der Yacht A angezeigt hat, reicht hierfür nicht aus. Allein dieses Unterlassen ist der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung wie in dem dem EuGH-Urteil "R" in Slg. 2010, I-12605 zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Im Fall "R" lag eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vor und der Lieferer hatte bei der Lieferung die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem die Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Das heißt, der Lieferer hatte sich zielgerichtet, bewusst und gewollt an der Steuerhinterziehung beteiligt. Auch in dem dem EuGH-Urteil Mecsek-Gabona in UR 2012, 796 zugrunde liegenden Sachverhalt lag eine Steuerhinterziehung des Erwerbers vor. Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), derzufolge die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung i.S. des § 6a UStG darstellt, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen. Werden diese Lieferungen durch die inländischen Unternehmer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht der Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben i.S. von § 370 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und verkürzt dadurch die auf die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG anfallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer (BGH-Beschluss vom 20. November 2008  1 StR 354/08, BGHSt 53, 45).

51

Die Feststellungen des FG tragen den Vorwurf der Steuerhinterziehung bzw. der Beteiligung an einer solchen durch die Klägerin nicht, weil weder Feststellungen zur verkürzten Steuer noch zum subjektiven Tatbestand vorliegen.

52

Hinsichtlich des Taterfolges der Steuerhinterziehung hat sich das FG nicht damit auseinandergesetzt, dass die Klägerin nicht nur den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern musste, sondern ihr nach der mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG korrespondierenden Vorschrift des spanischen Rechts auch der Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb zustand. Unabhängig von der Frage, ob das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO auch für das Verhältnis spanischer Umsatzsteuer und spanischer Vorsteuerbeträge Geltung beanspruchen kann, gilt es vorliegend schon deshalb nicht, weil ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen verschwiegenen steuererhöhenden und steuermindernden Umständen besteht (BGH-Urteil vom 26. Juni 1984  5 StR 322/84, HFR 1985, 40; s. dazu auch BGH-Urteil vom 24. Oktober 1990  3 StR 16/90, HFR 1991, 619); innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb sind ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 23).

53

Zum subjektiven Tatbestand hat das FG ebenfalls keine Feststellungen getroffen. Diese wären für die Annahme der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung aber erforderlich gewesen, zumal es sich bei dem innergemeinschaftlichen Verbringen und dem damit korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb, insbesondere dann, wenn von einem zunächst nur vorübergehenden Verbringen auszugehen ist, um eine Rechtssituation handelt, bei deren Fehlbeurteilung jedenfalls der subjektive Tatbestand eines Steuervergehens nicht ohne weiteres angenommen werden kann. Das FG wird hierzu weitere Feststellungen treffen müssen.

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4. Selbst wenn die Steuerbefreiung nach §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG mit den Grundsätzen des EuGH-Urteils "R" in Slg. 2010, I-12605 zu versagen sein sollte, entbehrt das FG-Urteil Feststellungen zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG. Danach sind die Lieferungen von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen ist, steuerbefreit. Das FG hat für die Yacht A die Voraussetzungen des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1a UStG aus den unter II.1. genannten Gründen zu Recht bejaht. Nach den bisherigen Feststellungen sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Gewinnabsichten der Klägerin hinsichtlich der Yacht A anders zu beurteilen wären, als hinsichtlich der Yacht B. Dann aber wäre auch der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Yacht A bereits für das nicht vom Streitzeitraum umfasste Jahr 2006 nach § 15 Abs. 1a UStG zu versagen gewesen mit der Folge, dass die Lieferung der Yacht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG fallen würde. Dass FG-Urteil enthält auch hierzu nicht die erforderlichen Feststellungen.

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5. Da das Urteil aus den o.g. Gründen aufzuheben war, kommt es auf den gerügten Verfahrensmangel nicht an.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.