Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 15. Juli 2015 - 1 K 732/14

bei uns veröffentlicht am15.07.2015

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts -AG- X vom 12. Februar 2009 (Az. xxx) das Insolvenzverfahren eröffnet und  Herr B zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte -Bekl- meldete daraufhin Abgabenforderungen i.H.v. 57.388,49 EUR zur Tabelle an, die zwar (zunächst) bestritten, aber zwischenzeitlich festgestellt worden sind.
Am 2. Juli 2009 hatte der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht mitgeteilt, dass das Vermögen der Klägerin aus ihrer selbständigen (gewerblichen) Tätigkeit (M) nicht zur Insolvenzmasse gehöre und dass Ansprüche aus dieser Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden könnten.
Der Bekl meldete am 30. Juli 2009 Abgabenforderungen in Höhe von 3.325 EUR (Schätzung Umsatzsteuer -USt- 2009, fällig am 12. Februar 2009) zur Tabelle nach.
Am 21. September 2009 zeigte der Insolvenzverwalter dem AG X die Masseunzulänglichkeit an. Das AG X beschloss, die nachträglich angemeldeten Forderungen im schriftlichen Verfahren zu prüfen. Die Restschuldbefreiung wurde am 13. April 2015 erteilt.
Aus der vom Insolvenzverwalter freigegebenen gewerblichen Tätigkeit ergaben sich Erstattungsansprüche aus den USt-Voranmeldungen für die Monate März 2010 bis Juli 2010, Oktober 2010, Dezember 2010 sowie für das 3. Quartal 2012 und aus der Jahressteuererklärung für USt 2011 in Höhe von insgesamt 5.690,74 EUR.
Diese rechnete der Bekl mit Steuerrückständen aus den USt-Voranmeldungen für September 2004 bis Dezember 2004, 3. Quartal 2005 und USt 4. Quartal 2008, der USt-Festsetzung für 2005, der Festsetzung von Zinsen zur USt sowie den Vorauszahlungen wegen Einkommensteuer -ESt- für das 2. Quartal 1994 auf.
Der Bekl informierte die Klägerin über die jeweilige Aufrechnung gemäß § 226 Abgabenordnung -AO- schriftlich. Er teilte ihr hierzu jeweils schriftlich mit, in welcher Höhe sie, die Insolvenzschuldnerin, gegen das Land Baden-Württemberg, vertreten durch den Bekl, noch Geldforderungen habe. Der Beklagte bezeichnete unter „a)“ die jeweilige Geldforderung konkret, so z.B. mit Schreiben vom 25. Mai 2010 die „Umsatzsteuer 03/10“ in Höhe von „293,09 EUR“. Sodann erklärte der Bekl „die Aufrechnungen gegen die unter a) bezeichneten Ansprüche mit den folgenden Geldbeträgen, die Sie [die Klägerin] dem Land Baden-Württemberg, vertreten durch das o.a. Finanzamt schulden“. Sodann bezeichnete der Bekl diese Geldbeträge konkret, so z.B. mit Schreiben vom 25. Mai 2010 „41180/18506 Umsatzsteuer 09/04 75,05 EUR“ und „41180/18506 Umsatzsteuer 10/04 218,04 EUR“.  Der Bekl teilte der Klägerin die Umbuchungen mit.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.
Sodann teilte der Bekl der Klägerin mit, dass gegen die Umbuchungsmitteilungen der Einspruch nicht statthaft sei.
10 
Auf Antrag der Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, erließ der Bekl am 20. März 2013 einen Abrechnungsbescheid.
11 
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.
12 
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Bundesfinanzhof -BFH- habe mit Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11 (Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2013, 36) seine Rechtsprechung geändert. Eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen sei danach nicht zulässig. Im Übrigen bestreite sie, dass die zur Begründung der Verrechnung angeführten Steuerschulden entstanden seien.
13 
Die Klägerin beantragt,
den Abrechnungsbescheid vom 20. März 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2014 aufzuheben und den aufgerechneten Betrag in Höhe von 5.690,74 EUR zu erstatten;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
14 
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
15 
Der Bekl verweist im Wesentlichen auf den Beschluss des BFH vom 22. Januar 2013 VII S 35/12 (PKH), Juris. Entscheidend sei, dass im Streitfall das Vermögen der Klägerin aus ihrer selbständigen (gewerblichen) Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse gehören soll.
16 
Die Berichterstatterin erörterte mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage am 8. Juli 2015.
17 
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

18 
Die Klage ist unbegründet.
19 
1. Nachdem das Einverständnis der Beteiligten vorliegt, hält es das Gericht für sachgerecht, ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- zu entscheiden.
20 
2. Der Abrechnungsbescheid vom 20. März 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2014 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Er ist rechtmäßig. Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden (a.). Es bestehen keine Aufrechnungsverbote (b.). Mit der Aufrechnung ist der USt-Erstattungsanspruch der Klägerin erloschen (c.).
21 
a. Der Bekl ist berechtigt, den durch die freigegebene Tätigkeit erworbenen USt-Vergütungsanspruch (aa.) mit „vorinsolvenzlichen“ Steuerschulden (bb.) zu verrechnen. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Aufrechnung liegen vor (cc.).
22 
aa. Mit der Freigabe durch den Insolvenzverwalter entstand insolvenzfreies Vermögen gemäß § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung -InsO-. Die Klägerin ist Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG-. Da der Insolvenzverwalter der Klägerin als Insolvenzschuldnerin die gewerbliche Tätigkeit durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermöglicht hat, treffen die umsatzsteuerlichen Folgen zumindest ab dem Zeitpunkt der Freigabe das insolvenzfreie Vermögen. Ein durch diese Tätigkeit erworbener USt-Vergütungsanspruch fällt nicht in die Insolvenzmasse. Aus § 35 Abs. 2 InsO ergibt sich, dass das Vermögen aus der freigegebenen Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse gehört (BFH, Beschluss vom 6. März 2014 VII S 47/13 (PKH), Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2014, 1013).
23 
bb. Den Ansprüchen der Klägerin wegen USt aus diesem Vermögen (so die Forderungen aus den USt-Voranmeldungen für März 2010, April 2010, Juni 2010, Mai 2010, Juli 2010, Oktober 2010, Dezember 2010 und 3. Quartal 2012 sowie USt 2011) standen Steuerforderungen des Bekl (so wegen USt-Voranmeldungen für September 2004, Oktober 2004, November 2004, Dezember 2004, 3. Quartal 2005, 4. Quartal 2008, USt 2004, USt 2005, Zinsen zur USt und ESt-Vorauszahlungen 2. Quartal 1994 - also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) gegenüber. Steuerforderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen „vorinsolvenzliches“ Vermögen dar. Es handelt sich um Insolvenzforderungen nach § 38 InsO. Denn maßgeblich zur Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten ist der Zeitpunkt, zu dem der den Steueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Nicht maßgeblich ist lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung, so z.B. nach § 13 UStG (BFH, Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36; BFH, Beschluss vom 11. Juli 2013 XI B 41/13; BFH/NV 2013, 1739). Der Bekl durfte mit diesen „vorinsolvenzlichen“ Forderungen aufrechnen (BFH, Beschlüsse vom 1. September 2010 VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336 und vom 23. August 2011 VII B 8/11, BFH/NV 2011, 2115).
24 
cc. Die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§§ 226 Abs. 1 AO, 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, 94 InsO zur Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens) lagen vor. Die zur Aufrechnung gestellte Geldforderung war wirksam, fällig und erzwingbar sowie die Hauptforderung erfüllbar. Die Anspruchsvoraussetzungen lagen jeweils im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vor. Im Erhebungsverfahren, zu dem die Aufrechnung gehört, ist grundsätzlich nur zu prüfen, ob eine Steuerfestsetzung gegen den Abrechnungsschuldner vorliegt und ob sie wirksam ist. Im Streitfall wurden die Steuern festgesetzt und wirksam zur Insolvenztabelle angemeldet und gemäß § 201 Abs. 2 S. 1 InsO gegenüber der Klägerin wirksam. Alleiniger Rechtsträger blieb der Insolvenzschuldner (vgl. BFH, Urteil vom 26. November 2014 VII R 32/13, BStBl. II 2015, 561). Der Bekl hat ferner zu Recht die Aufrechnung gegenüber der Klägerin als Insolvenzschuldnerin erklärt. Denn die Hauptforderung, gegen die jeweils aufgerechnet wird, fällt nicht unter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Sie gehört zum insolvenzfreien Vermögen i.S.d. § 35 Abs. 2 InsO (BFH, Urteil vom 26. November 2014 VII R 32/13, BStBl. II 2015, 561).
25 
b. Insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote stehen nicht entgegen.
26 
aa. Aufrechnungen werden nicht von den allgemeinen Vollstreckungsverboten in §§ 89 Abs. 1, 294 Abs. 1 InsO erfasst.
27 
bb. Einer Aufrechnung steht auch nicht die insolvenzrechtliche strukturelle Unterscheidung zweier Vermögensmassen entgegen. Denn diese begründet kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen Vermögensmasse gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen (BFH, Beschlüsse vom 1. September 2010 VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336 und vom 23. August 2011 VII B 8/11, BFH/NV 2011, 2115).
28 
cc. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Der Bekl ist indes den von der Klägerin erworbenen USt-Vergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat die von der Klägerin während des Insolvenzverfahrens ausgeführte gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Deshalb fällt der Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse (vgl. BFH, Beschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336).
29 
c. Infolge der Aufrechnung sind die USt-Erstattungsansprüche der Klägerin gem. § 47 AO erloschen.
30 
3. Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, ob der Bekl zum Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung aufrechnen kann (bejahend vgl. BFH-Beschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336; Schleswig-Holstein, Finanzgericht -FG-, Urteil vom 23. Oktober 2013 4 K 186/11, Entscheidungen der FG -EFG- 2014, 1028; Revision eingelegt Az. beim BFH VII R 10/14). Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens entfallen die insolvenzrechtlichen Beschränkungen und der Bekl kann grundsätzlich nicht befriedigte Steuerforderungen geltend machen und verrechnen (Sächsisches FG, Urteil vom 18. Oktober 2013 4 K 579/13, Juris).
31 
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO.
32 
5. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da der BFH mit Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BStBl. II 2011, 996; bezogen auf die Verrechnung von Insolvenzforderungen mit Masseverbindlichkeiten) die Auffassung vertreten hat, dass ein Unternehmen nach Verfahrenseröffnung trotz Grundsatz der Unternehmereinheit aus mehreren Unternehmensteilen besteht, zwischen denen einzelne, umsatzsteuerliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Auch mit Urteil vom 24. Februar 2015 VII R 27/14 (BFH/NV 2015, 908) sprach sich der BFH für eine Trennung der insolvenzrechtlichen Vermögensbereiche (bezogen auf die Einkommensteuer und die Verrechnung von Masseverbindlichkeiten) aus. Infolgedessen ist nicht ausgeschlossen, dass im Streitfall (zwischenzeitlich) die insolvenzrechtliche strukturelle Unterscheidung der Vermögensmassen einer Aufrechnung entgegensteht.

Gründe

18 
Die Klage ist unbegründet.
19 
1. Nachdem das Einverständnis der Beteiligten vorliegt, hält es das Gericht für sachgerecht, ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- zu entscheiden.
20 
2. Der Abrechnungsbescheid vom 20. März 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2014 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Er ist rechtmäßig. Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden (a.). Es bestehen keine Aufrechnungsverbote (b.). Mit der Aufrechnung ist der USt-Erstattungsanspruch der Klägerin erloschen (c.).
21 
a. Der Bekl ist berechtigt, den durch die freigegebene Tätigkeit erworbenen USt-Vergütungsanspruch (aa.) mit „vorinsolvenzlichen“ Steuerschulden (bb.) zu verrechnen. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Aufrechnung liegen vor (cc.).
22 
aa. Mit der Freigabe durch den Insolvenzverwalter entstand insolvenzfreies Vermögen gemäß § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung -InsO-. Die Klägerin ist Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG-. Da der Insolvenzverwalter der Klägerin als Insolvenzschuldnerin die gewerbliche Tätigkeit durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermöglicht hat, treffen die umsatzsteuerlichen Folgen zumindest ab dem Zeitpunkt der Freigabe das insolvenzfreie Vermögen. Ein durch diese Tätigkeit erworbener USt-Vergütungsanspruch fällt nicht in die Insolvenzmasse. Aus § 35 Abs. 2 InsO ergibt sich, dass das Vermögen aus der freigegebenen Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse gehört (BFH, Beschluss vom 6. März 2014 VII S 47/13 (PKH), Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2014, 1013).
23 
bb. Den Ansprüchen der Klägerin wegen USt aus diesem Vermögen (so die Forderungen aus den USt-Voranmeldungen für März 2010, April 2010, Juni 2010, Mai 2010, Juli 2010, Oktober 2010, Dezember 2010 und 3. Quartal 2012 sowie USt 2011) standen Steuerforderungen des Bekl (so wegen USt-Voranmeldungen für September 2004, Oktober 2004, November 2004, Dezember 2004, 3. Quartal 2005, 4. Quartal 2008, USt 2004, USt 2005, Zinsen zur USt und ESt-Vorauszahlungen 2. Quartal 1994 - also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) gegenüber. Steuerforderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen „vorinsolvenzliches“ Vermögen dar. Es handelt sich um Insolvenzforderungen nach § 38 InsO. Denn maßgeblich zur Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten ist der Zeitpunkt, zu dem der den Steueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Nicht maßgeblich ist lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung, so z.B. nach § 13 UStG (BFH, Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11, BStBl. II 2013, 36; BFH, Beschluss vom 11. Juli 2013 XI B 41/13; BFH/NV 2013, 1739). Der Bekl durfte mit diesen „vorinsolvenzlichen“ Forderungen aufrechnen (BFH, Beschlüsse vom 1. September 2010 VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336 und vom 23. August 2011 VII B 8/11, BFH/NV 2011, 2115).
24 
cc. Die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§§ 226 Abs. 1 AO, 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, 94 InsO zur Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens) lagen vor. Die zur Aufrechnung gestellte Geldforderung war wirksam, fällig und erzwingbar sowie die Hauptforderung erfüllbar. Die Anspruchsvoraussetzungen lagen jeweils im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vor. Im Erhebungsverfahren, zu dem die Aufrechnung gehört, ist grundsätzlich nur zu prüfen, ob eine Steuerfestsetzung gegen den Abrechnungsschuldner vorliegt und ob sie wirksam ist. Im Streitfall wurden die Steuern festgesetzt und wirksam zur Insolvenztabelle angemeldet und gemäß § 201 Abs. 2 S. 1 InsO gegenüber der Klägerin wirksam. Alleiniger Rechtsträger blieb der Insolvenzschuldner (vgl. BFH, Urteil vom 26. November 2014 VII R 32/13, BStBl. II 2015, 561). Der Bekl hat ferner zu Recht die Aufrechnung gegenüber der Klägerin als Insolvenzschuldnerin erklärt. Denn die Hauptforderung, gegen die jeweils aufgerechnet wird, fällt nicht unter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Sie gehört zum insolvenzfreien Vermögen i.S.d. § 35 Abs. 2 InsO (BFH, Urteil vom 26. November 2014 VII R 32/13, BStBl. II 2015, 561).
25 
b. Insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote stehen nicht entgegen.
26 
aa. Aufrechnungen werden nicht von den allgemeinen Vollstreckungsverboten in §§ 89 Abs. 1, 294 Abs. 1 InsO erfasst.
27 
bb. Einer Aufrechnung steht auch nicht die insolvenzrechtliche strukturelle Unterscheidung zweier Vermögensmassen entgegen. Denn diese begründet kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen Vermögensmasse gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen (BFH, Beschlüsse vom 1. September 2010 VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336 und vom 23. August 2011 VII B 8/11, BFH/NV 2011, 2115).
28 
cc. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Der Bekl ist indes den von der Klägerin erworbenen USt-Vergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat die von der Klägerin während des Insolvenzverfahrens ausgeführte gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Deshalb fällt der Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse (vgl. BFH, Beschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336).
29 
c. Infolge der Aufrechnung sind die USt-Erstattungsansprüche der Klägerin gem. § 47 AO erloschen.
30 
3. Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, ob der Bekl zum Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung aufrechnen kann (bejahend vgl. BFH-Beschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08, BStBl. II 2011, 336; Schleswig-Holstein, Finanzgericht -FG-, Urteil vom 23. Oktober 2013 4 K 186/11, Entscheidungen der FG -EFG- 2014, 1028; Revision eingelegt Az. beim BFH VII R 10/14). Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens entfallen die insolvenzrechtlichen Beschränkungen und der Bekl kann grundsätzlich nicht befriedigte Steuerforderungen geltend machen und verrechnen (Sächsisches FG, Urteil vom 18. Oktober 2013 4 K 579/13, Juris).
31 
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO.
32 
5. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da der BFH mit Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10 (BStBl. II 2011, 996; bezogen auf die Verrechnung von Insolvenzforderungen mit Masseverbindlichkeiten) die Auffassung vertreten hat, dass ein Unternehmen nach Verfahrenseröffnung trotz Grundsatz der Unternehmereinheit aus mehreren Unternehmensteilen besteht, zwischen denen einzelne, umsatzsteuerliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Auch mit Urteil vom 24. Februar 2015 VII R 27/14 (BFH/NV 2015, 908) sprach sich der BFH für eine Trennung der insolvenzrechtlichen Vermögensbereiche (bezogen auf die Einkommensteuer und die Verrechnung von Masseverbindlichkeiten) aus. Infolgedessen ist nicht ausgeschlossen, dass im Streitfall (zwischenzeitlich) die insolvenzrechtliche strukturelle Unterscheidung der Vermögensmassen einer Aufrechnung entgegensteht.

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(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem über das Vermögen der H-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) am 21. Februar 2002 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Eröffnung des Verfahrens war von der Schuldnerin am 6. November 2001 beantragt worden.

2

Vom Kläger 2006 wegen angeblich uneinbringlich gewordener Forderungen aus einer Reihe von Ausgangsrechnungen vorgenommene Berichtigungen der Umsatzsteuer 2002 und 2003 führten zu Erstattungsbeträgen. Der Kläger hat dazu erklärt, die Berichtigung der betreffenden Anmeldungen habe zu einer Verminderung der Zahllast in den beiden Jahren um die in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) angeführten Beträge geführt, die deshalb zu erstatten seien.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegen diese Beträge indes die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Umsatzsteuerforderungen März, April und September 2001 erklärt und hierüber aufgrund des Widerspruchs des Klägers den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 erlassen. Aufgrund einer späteren Berichtigungserklärung des Klägers für 2002 ist ein weiteres Vergütungsguthaben von rund ... € entstanden, welches das FA mit weiterhin rückständiger Umsatzsteuer März 2001 verrechnet hat. Hierüber ist der Abrechnungsbescheid vom 13. Februar 2007 ergangen.

4

Nach erfolglosem Einspruch gegen die beiden Abrechnungsbescheide ist Klage erhoben worden, mit der sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beruft, dass eine Umsatzsteuerforderung erst dann entstanden sei, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht worden ist (Hinweis auf die Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; vom 30. April 2009 V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, sowie vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996). Das sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass der Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) entgegenstehe.

5

Abgesehen davon verstoße der Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 gegen das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Kläger bezieht sich dabei auf einen nach seiner Darstellung und den Ausführungen im Urteil des FG verrechneten Umsatzsteuerbetrag November 2001; dieser sei erst nach Stellung des Insolvenzantrags entstanden (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2010, 90, und die Urteile des Senats vom 2. November 2010 VII R 62/10, BFHE 232, 290, BStBl II 2011, 439 und VII R 6/10, BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374).

6

Die Klage ist ohne Erfolg geblieben (FG-Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1593).

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, der zu § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Wesentlichen vorträgt, der Senat habe seit seinen Entscheidungen vom 21. September 1993 VII R 119/91 (BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83) und VII R 68/92 (BFH/NV 1994, 521) den Begriff des Begründetseins i.S. des § 38 InsO in ständiger Rechtsprechung als gleichbedeutend mit dem Begriff des Schuldigwerdens i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO betrachtet. Von dieser Rechtsprechung sei der V. Senat des BFH in seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf die Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und in BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138) eindeutig abgewichen, wenn er nun für das Begründetsein einer Forderung i.S. des § 38 InsO die vollständige Verwirklichung des steuerrechtlichen Tatbestands fordere. An dieser Abweichung ändere es nichts, dass der V. Senat zum Festsetzungs-, der VII. Senat hingegen zum Erhebungsverfahren entscheide; denn beide stellten in ihrer Rechtsprechung auf § 38 InsO ab.

8

Nach dieser neuen Rechtsprechung seien die angefochtenen Abrechnungsbescheide rechtswidrig, da die vollständige Tatbestandsverwirklichung hinsichtlich der aufgerechneten Erstattungsforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei.

9

Hinsichtlich des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hebt die Revision hervor, die Entscheidung des FG stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH und des VII. Senats des BFH. Der für die Anwendung vorgenannter Vorschrift erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf die Masse sei schon dann gegeben, wenn die Rechtshandlung für die Gläubigerbenachteiligung kausal sei, ohne dass es darauf ankomme, wann die Gegenforderung entstehe. Im Übrigen treffe die Annahme des FG, bei einer "Gesamtbetrachtung" hätten die Rechtshandlungen der Schuldnerin zu einer Vermögensmehrung geführt, nach der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht zu. Denn danach führe z.B. eine im November 2001 erbrachte Leistung zunächst zu einer Umsatzsteuerschuld November 2001, wenn das Entgelt aber erst im März 2002 zur Insolvenzmasse gezogen werden könne, zu einer Umsatzsteuerschuld März 2002. Die durch die Insolvenzeröffnung ausgelöste Notwendigkeit einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) spiele selbst bei einer Gesamtbetrachtung insofern keine Rolle, da ein etwaiges Guthaben --welches aufgrund des § 16 Abs. 2 UStG ohnehin unwahrscheinlich sei-- aufrechenbar wäre, so dass die Umsatzsteuer immer die Schuldenmasse erhöhe.

10

Das FA hält eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht für gegeben und teilt die Auffassung, dass eine Leistungserbringung keine anfechtbare Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO sei.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision des Klägers ist begründet (§ 118 Abs. 1, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom FA erklärten Aufrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.

12

1. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO, der Vorrang vor § 96 Abs. 1 InsO beansprucht, gestattet die Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens einem Insolvenzgläubiger, der gegen den Insolvenzschuldner eine vor Verfahrenseröffnung begründete Forderung besitzt, bei welcher eine Bedingung erst während des Insolvenzverfahrens eintritt. Dass ein Anspruch in diesem Sinne bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist, nimmt die bereits zur Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des BGH an, wenn für das Entstehen der Forderung zwar noch eine vertragliche Bedingung oder eine gesetzliche Voraussetzung hinzutreten muss, also "ein Element der rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs noch nicht erfüllt ist", die Forderung jedoch "in ihrem rechtlichen Kern" aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist (BGH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1). Die Vorschrift solle jedoch nur den Gläubiger schützen, dessen Anspruch gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedürfe (vgl. BGH-Urteile vom 6. November 1989 II ZR 62/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1990, 1301, und vom 9. März 2000 IX ZR 355/98, NJW–Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2000, 1285). Die Befugnis des Gläubigers zur Aufrechnung werde deshalb nur dann unbeschadet der Insolvenzeröffnung nicht angetastet, wenn dieser vor der Eröffnung darauf "vertrauen" durfte, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde (BGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206). Forderungen, deren Entstehen als Vollrecht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht so weitgehend gesichert war, dass mit ihrem gleichsam "automatischen" Entstehen gerechnet werden konnte, d.h. ohne dass dies von Entscheidungen oder sonstigen Willensbetätigungen des Steuerpflichtigen oder Dritter abhängig wäre, werden danach nicht erfasst (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 160, 1).

13

2. Bei steuerlichen Erstattungs- und Vergütungsforderungen hat der erkennende Senat bisher in Anknüpfung an diese Rechtsprechung für die insolvenzrechtliche Begründung eines Anspruchs nur verlangt, dass die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist. Er hat dies angenommen, wenn der Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs führte, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (vgl. statt aller Senatsurteile vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, und in BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83). So liege es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gutzubringen sei. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen werde dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stelle eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen welche die Finanzbehörde gemäß § 95 InsO im Verfahren aufrechnen könne, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung, Vergütung oder sonst die Rückführung der steuerlichen Belastung auslösende Ereignis selbst --z.B. die Notwendigkeit einer Berichtigung der Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1987 VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707, und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369)-- nach Eröffnung des Verfahrens eintrete. Insbesondere in den Fällen des § 17 UStG entstehe zwar ein steuerverfahrensrechtlich selbständiger Anspruch, der jedoch kompensatorischen Charakter habe, indem er die ursprünglich vorgenommene Besteuerung ausgleiche und die damals für ein bestimmtes Ereignis erhobene Steuer aufgrund eines späteren, entgegengesetzten Ereignisses zurückführe. Das rechtfertige es, ihn als bereits mit der Verwirklichung des Besteuerungstatbestands insolvenzrechtlich begründet anzusehen.

14

Es liegt auf der Hand und ist von der Rechtsprechung des Senats schon bisher nicht in Abrede gestellt worden, dass in den Fällen des § 17 Abs. 2 UStG bei Entstehen der betreffenden Steuerforderung ungewiss ist, ob es zu deren Kompensation durch einen entgegengesetzten Vergütungsanspruch bzw. einen aufgrund des Anspruchs auf Berücksichtigung eines entsprechenden Berichtigungsbetrags gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehenden Erstattungsanspruchs kommen wird, weil der künftige, dafür erforderliche Eintritt der "Bedingung" (hier: das Uneinbringlichwerden von Forderungen der Schuldnerin), also der Eintritt des steuerverfahrensrechtlichen Entstehungsgrunds --anders als in den vorgenannten, vom BGH entschiedenen Fällen das Entstehen der betreffenden zivilrechtlichen Forderung als Vollrecht-- ungewiss ist (vgl. u.a. Urteil des Senats in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589). Der Senat hat gleichwohl die in der Behandlung gemäß § 17 UStG berichtigter Umsatzsteuerforderungen in seiner Rechtsprechung liegende Zurückverlagerung des Entstehenszeitpunkts solcher Forderungen für gerechtfertigt gehalten, weil zwischen der durch eine solche Berichtigung ausgelösten und der ursprünglich begründeten Steuerforderung ein enger Zusammenhang dergestalt besteht, dass das Steuerrecht den Steueranspruch entstehen lässt, bevor der eigentliche steuerliche Belastungsgrund eingetreten ist bzw. unabänderlich feststeht, und zum Ausgleich für die Vorverlagerung der Steuerschuldentstehung dem Steuerpflichtigen einen ("kompensatorischen") Korrekturanspruch für den Fall garantiert, dass der steuerliche Belastungsgrund nicht in der von dem Steuergesetz vorausgesetzten Weise dauerhaft eintritt. Dass das UStG in einem solchen Fall einen eigenständigen Berichtigungsanspruch gewährt, statt entsprechend § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) eine rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung zuzulassen, beruht allein auf steuerverfahrensrechtlichen Zweckmäßigkeitserwägungen und ändert an dem vorstehend zum Wesen der Umsatzsteuerberichtigung dargestellten Befund nichts.

15

3. Die Rechtsprechung des Senats hat im Schrifttum keinen oder nur zurückhaltenden Widerspruch gefunden (vgl. etwa Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 95 Rz 19, m.N. auch zu kritischen Stellungnahmen; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rz 9.279; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 92 ff.). Der für das Umsatzsteuerrecht zuständige V. Senat des BFH ist ihr in neuerer Zeit jedoch nicht gefolgt, sondern meint, jedenfalls für das Festsetzungsverfahren sei § 38 InsO dahin auszulegen, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimme, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich sei lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und zuletzt vom 8. März 2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466). Auch der ebenfalls für Umsatzsteuer zuständige XI. Senat des BFH scheint diesem Verständnis zu folgen. Der I. Senat des BFH hat ein bedingtes Entstehen einer Steuerforderung nur dann anerkennen wollen, wenn "der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann", so dass "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht"; das sei nicht der Fall, wenn der Anspruch z.B. einen --bei Verfahrenseröffnung noch nicht gefällten-- Gewinnausschüttungsbeschluss voraussetze (vgl. Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822).

16

4. Der erkennende Senat hat all dies zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu überprüfen. Er hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen.

17

Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist danach als entscheidend anzusehen, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird, die in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen also eintreten. Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, insbesondere etwa dadurch, dass der Unternehmer zahlungsunfähig wird (wie es in der Regel ohne weiteres aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens --außer in den Fällen des § 18 InsO-- geschlossen werden kann), greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO allerdings auch dann nicht ein, wenn der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst während des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S. des § 13 UStG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (vgl. BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, NJW-RR 2008, 206). Auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, kommt es in diesem Zusammenhang selbstredend erst recht nicht an.

18

5. Die Streitsache ist entscheidungsreif.

19

Aufgrund der Steueranmeldungen des Klägers, denen das FA zugestimmt hat, steht gemäß § 168 Satz 2 AO --wenn auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-- zwischen den Beteiligten fest, dass in den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2003 zugunsten der Schuldnerin negative Umsatzsteuerbeträge zu berücksichtigen sind, die den vom FA verrechneten Anspruch ausgelöst haben. Der für dieses Verfahren --vorbehaltlich einer Änderung aufgrund des Nachprüfungsvorbehalts-- verbindlichen Rechtswirkung dieser Festsetzungen steht nicht entgegen, dass bei Abgabe der betreffenden Anmeldungen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war und im Insolvenzverfahren grundsätzlich keine Steuerfestsetzungen ergehen können, vielmehr die Forderungen des FA nach den Vorschriften der InsO geltend zu machen, nämlich zur Tabelle anzumelden, zu erörtern und zur Tabelle mangels Widerspruchs gegen die Anmeldung oder aufgrund eines Bescheids nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen sind. Es geht hier nämlich nicht um die Festsetzung einer Steuer zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern um die Berichtigung einer Steuerfestsetzung mit dem Ziel einer Verringerung der (gegen den Kläger) festgesetzten nachinsolvenzlichen Steuerschuld der Schuldnerin. Dies kann durch Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung mit Festsetzungswirkung ebenso bewirkt werden, wie im Insolvenzverfahren ein Erstattungsbescheid über vorinsolvenzliche Umsatzsteuerguthaben ergehen könnte (BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11), weil eine solche Anmeldung nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft verändert, die in der eben geschilderten Weise Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind.

20

Im Übrigen ist weder zwischen den Beteiligten streitig noch aus einem sonstigen Grund ernstlich zweifelhaft und deshalb von Amts wegen aufklärungsbedürftig, dass die vorgenannten Berichtigungsbeträge der Höhe und der zeitlichen Zuordnung nach zugunsten der Schuldnerin zu berücksichtigen sind, die den Anmeldungen des Klägers zugrunde liegenden Forderungen aus vorinsolvenzlichen Leistungsvereinbarungen also in 2002 bzw. 2003 uneinbringlich geworden sind. Der erkennende Senat könnte deshalb diesen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne dass es einer Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur weiteren Sachaufklärung bedürfte. Angesichts der Rechtswirkung vorgenannter Anmeldungen kann er jedoch die Rechtsfrage dahinstehen lassen, ob die betreffenden angemeldeten (und auch entrichteten) Umsatzsteuern aufgrund der Insolvenz der Schuldnerin bereits früher, nämlich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen zu berichtigen gewesen wären. Für den Fall noch nicht entrichteter Umsatzsteuer hat das BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 erkannt, erbringe ein Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte ein. Mithin werde der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG verwirklicht und die Umsatzsteuer sei in einer logischen Sekunde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berichtigen, um sie bei Vereinnahmung des Entgelts durch den Verwalter erneut entstehen lassen zu können.

21

Es bedarf indes in dieser Entscheidung keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu dieser Rechtsauffassung und ihrer Konsequenz für Fälle wie den Streitfall, in dem die auf die angeblich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich gewordenen Entgelte zu entrichtende Umsatzsteuer bei Insolvenzeröffnung bereits entrichtet war und bei einer Berichtigung auf Null in dem Voranmeldungszeitraum Februar 2002 ggf. zu vergüten gewesen wäre. Auf einen derartigen, bislang auch nicht festgesetzten Vergütungsanspruch dürfte der angefochtene Bescheid im Übrigen ohnehin nicht bezogen werden können.

22

Ist demnach davon auszugehen, dass das FA die von ihm verrechneten Berichtigungsbeträge erst 2002 bzw. 2003 i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldig geworden ist, so sind die angefochtenen Abrechnungsbescheide, welche die diesbezüglich vom FA erklärte Aufrechnung als wirksam bestätigt haben, rechtswidrig und folglich entsprechend dem Antrag des Klägers zu ändern.

23

6. Das FG hat den Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 als (Bestätigung einer) Aufrechnung (auch) mit Umsatzsteuer November 2001 angesehen. Dazu weist der erkennende Senat darauf hin, dass diese Steuerforderung nicht streitgegenständlich ist --ebenso wenig wie die im Urteil des FG erwähnte Umsatzsteuer Oktober 2001--, nachdem die angefochtenen Abrechnungsbescheide über diese Forderungen nicht entscheiden, vielmehr ausschließlich die Aufrechnung gegen Umsatzsteuer März, April und September 2001 betreffen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Die Steuer entsteht

1.
für Lieferungen und sonstige Leistungen
a)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist,
b)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind,
c)
in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Kraftomnibus in das Inland gelangt,
d)
in den Fällen des § 18 Abs. 4c mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Abs. 1a Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
e)
in den Fällen des § 18 Absatz 4e mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1b Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
f)
in den Fällen des § 18i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1c Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
g)
in den Fällen des § 18j vorbehaltlich des Buchstabens i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1d Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
h)
in den Fällen des § 18k mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1e Satz 1, in dem die Lieferungen ausgeführt worden sind; die Gegenstände gelten als zu dem Zeitpunkt geliefert, zu dem die Zahlung angenommen wurde,
i)
in den Fällen des § 3 Absatz 3a zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zahlung angenommen wurde;
2.
für Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und 9a mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgeführt worden sind;
3.
in den Fällen des § 14c im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung;
4.
(weggefallen)
5.
im Fall des § 17 Abs. 1 Satz 6 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist;
6.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 1a mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats;
7.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des § 1b am Tag des Erwerbs;
8.
im Fall des § 6a Abs. 4 Satz 2 in dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung ausgeführt wird;
9.
im Fall des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Gegenstand aus einem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 21 Abs. 2.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem über das Vermögen der H-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) am 21. Februar 2002 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Eröffnung des Verfahrens war von der Schuldnerin am 6. November 2001 beantragt worden.

2

Vom Kläger 2006 wegen angeblich uneinbringlich gewordener Forderungen aus einer Reihe von Ausgangsrechnungen vorgenommene Berichtigungen der Umsatzsteuer 2002 und 2003 führten zu Erstattungsbeträgen. Der Kläger hat dazu erklärt, die Berichtigung der betreffenden Anmeldungen habe zu einer Verminderung der Zahllast in den beiden Jahren um die in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) angeführten Beträge geführt, die deshalb zu erstatten seien.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegen diese Beträge indes die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Umsatzsteuerforderungen März, April und September 2001 erklärt und hierüber aufgrund des Widerspruchs des Klägers den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 erlassen. Aufgrund einer späteren Berichtigungserklärung des Klägers für 2002 ist ein weiteres Vergütungsguthaben von rund ... € entstanden, welches das FA mit weiterhin rückständiger Umsatzsteuer März 2001 verrechnet hat. Hierüber ist der Abrechnungsbescheid vom 13. Februar 2007 ergangen.

4

Nach erfolglosem Einspruch gegen die beiden Abrechnungsbescheide ist Klage erhoben worden, mit der sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beruft, dass eine Umsatzsteuerforderung erst dann entstanden sei, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht worden ist (Hinweis auf die Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; vom 30. April 2009 V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, sowie vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996). Das sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass der Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) entgegenstehe.

5

Abgesehen davon verstoße der Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 gegen das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Kläger bezieht sich dabei auf einen nach seiner Darstellung und den Ausführungen im Urteil des FG verrechneten Umsatzsteuerbetrag November 2001; dieser sei erst nach Stellung des Insolvenzantrags entstanden (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2010, 90, und die Urteile des Senats vom 2. November 2010 VII R 62/10, BFHE 232, 290, BStBl II 2011, 439 und VII R 6/10, BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374).

6

Die Klage ist ohne Erfolg geblieben (FG-Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1593).

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, der zu § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Wesentlichen vorträgt, der Senat habe seit seinen Entscheidungen vom 21. September 1993 VII R 119/91 (BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83) und VII R 68/92 (BFH/NV 1994, 521) den Begriff des Begründetseins i.S. des § 38 InsO in ständiger Rechtsprechung als gleichbedeutend mit dem Begriff des Schuldigwerdens i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO betrachtet. Von dieser Rechtsprechung sei der V. Senat des BFH in seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf die Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und in BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138) eindeutig abgewichen, wenn er nun für das Begründetsein einer Forderung i.S. des § 38 InsO die vollständige Verwirklichung des steuerrechtlichen Tatbestands fordere. An dieser Abweichung ändere es nichts, dass der V. Senat zum Festsetzungs-, der VII. Senat hingegen zum Erhebungsverfahren entscheide; denn beide stellten in ihrer Rechtsprechung auf § 38 InsO ab.

8

Nach dieser neuen Rechtsprechung seien die angefochtenen Abrechnungsbescheide rechtswidrig, da die vollständige Tatbestandsverwirklichung hinsichtlich der aufgerechneten Erstattungsforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei.

9

Hinsichtlich des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hebt die Revision hervor, die Entscheidung des FG stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH und des VII. Senats des BFH. Der für die Anwendung vorgenannter Vorschrift erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf die Masse sei schon dann gegeben, wenn die Rechtshandlung für die Gläubigerbenachteiligung kausal sei, ohne dass es darauf ankomme, wann die Gegenforderung entstehe. Im Übrigen treffe die Annahme des FG, bei einer "Gesamtbetrachtung" hätten die Rechtshandlungen der Schuldnerin zu einer Vermögensmehrung geführt, nach der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht zu. Denn danach führe z.B. eine im November 2001 erbrachte Leistung zunächst zu einer Umsatzsteuerschuld November 2001, wenn das Entgelt aber erst im März 2002 zur Insolvenzmasse gezogen werden könne, zu einer Umsatzsteuerschuld März 2002. Die durch die Insolvenzeröffnung ausgelöste Notwendigkeit einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) spiele selbst bei einer Gesamtbetrachtung insofern keine Rolle, da ein etwaiges Guthaben --welches aufgrund des § 16 Abs. 2 UStG ohnehin unwahrscheinlich sei-- aufrechenbar wäre, so dass die Umsatzsteuer immer die Schuldenmasse erhöhe.

10

Das FA hält eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht für gegeben und teilt die Auffassung, dass eine Leistungserbringung keine anfechtbare Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO sei.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision des Klägers ist begründet (§ 118 Abs. 1, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom FA erklärten Aufrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.

12

1. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO, der Vorrang vor § 96 Abs. 1 InsO beansprucht, gestattet die Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens einem Insolvenzgläubiger, der gegen den Insolvenzschuldner eine vor Verfahrenseröffnung begründete Forderung besitzt, bei welcher eine Bedingung erst während des Insolvenzverfahrens eintritt. Dass ein Anspruch in diesem Sinne bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist, nimmt die bereits zur Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des BGH an, wenn für das Entstehen der Forderung zwar noch eine vertragliche Bedingung oder eine gesetzliche Voraussetzung hinzutreten muss, also "ein Element der rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs noch nicht erfüllt ist", die Forderung jedoch "in ihrem rechtlichen Kern" aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist (BGH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1). Die Vorschrift solle jedoch nur den Gläubiger schützen, dessen Anspruch gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedürfe (vgl. BGH-Urteile vom 6. November 1989 II ZR 62/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1990, 1301, und vom 9. März 2000 IX ZR 355/98, NJW–Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2000, 1285). Die Befugnis des Gläubigers zur Aufrechnung werde deshalb nur dann unbeschadet der Insolvenzeröffnung nicht angetastet, wenn dieser vor der Eröffnung darauf "vertrauen" durfte, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde (BGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206). Forderungen, deren Entstehen als Vollrecht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht so weitgehend gesichert war, dass mit ihrem gleichsam "automatischen" Entstehen gerechnet werden konnte, d.h. ohne dass dies von Entscheidungen oder sonstigen Willensbetätigungen des Steuerpflichtigen oder Dritter abhängig wäre, werden danach nicht erfasst (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 160, 1).

13

2. Bei steuerlichen Erstattungs- und Vergütungsforderungen hat der erkennende Senat bisher in Anknüpfung an diese Rechtsprechung für die insolvenzrechtliche Begründung eines Anspruchs nur verlangt, dass die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist. Er hat dies angenommen, wenn der Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs führte, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (vgl. statt aller Senatsurteile vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, und in BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83). So liege es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gutzubringen sei. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen werde dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stelle eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen welche die Finanzbehörde gemäß § 95 InsO im Verfahren aufrechnen könne, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung, Vergütung oder sonst die Rückführung der steuerlichen Belastung auslösende Ereignis selbst --z.B. die Notwendigkeit einer Berichtigung der Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1987 VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707, und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369)-- nach Eröffnung des Verfahrens eintrete. Insbesondere in den Fällen des § 17 UStG entstehe zwar ein steuerverfahrensrechtlich selbständiger Anspruch, der jedoch kompensatorischen Charakter habe, indem er die ursprünglich vorgenommene Besteuerung ausgleiche und die damals für ein bestimmtes Ereignis erhobene Steuer aufgrund eines späteren, entgegengesetzten Ereignisses zurückführe. Das rechtfertige es, ihn als bereits mit der Verwirklichung des Besteuerungstatbestands insolvenzrechtlich begründet anzusehen.

14

Es liegt auf der Hand und ist von der Rechtsprechung des Senats schon bisher nicht in Abrede gestellt worden, dass in den Fällen des § 17 Abs. 2 UStG bei Entstehen der betreffenden Steuerforderung ungewiss ist, ob es zu deren Kompensation durch einen entgegengesetzten Vergütungsanspruch bzw. einen aufgrund des Anspruchs auf Berücksichtigung eines entsprechenden Berichtigungsbetrags gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehenden Erstattungsanspruchs kommen wird, weil der künftige, dafür erforderliche Eintritt der "Bedingung" (hier: das Uneinbringlichwerden von Forderungen der Schuldnerin), also der Eintritt des steuerverfahrensrechtlichen Entstehungsgrunds --anders als in den vorgenannten, vom BGH entschiedenen Fällen das Entstehen der betreffenden zivilrechtlichen Forderung als Vollrecht-- ungewiss ist (vgl. u.a. Urteil des Senats in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589). Der Senat hat gleichwohl die in der Behandlung gemäß § 17 UStG berichtigter Umsatzsteuerforderungen in seiner Rechtsprechung liegende Zurückverlagerung des Entstehenszeitpunkts solcher Forderungen für gerechtfertigt gehalten, weil zwischen der durch eine solche Berichtigung ausgelösten und der ursprünglich begründeten Steuerforderung ein enger Zusammenhang dergestalt besteht, dass das Steuerrecht den Steueranspruch entstehen lässt, bevor der eigentliche steuerliche Belastungsgrund eingetreten ist bzw. unabänderlich feststeht, und zum Ausgleich für die Vorverlagerung der Steuerschuldentstehung dem Steuerpflichtigen einen ("kompensatorischen") Korrekturanspruch für den Fall garantiert, dass der steuerliche Belastungsgrund nicht in der von dem Steuergesetz vorausgesetzten Weise dauerhaft eintritt. Dass das UStG in einem solchen Fall einen eigenständigen Berichtigungsanspruch gewährt, statt entsprechend § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) eine rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung zuzulassen, beruht allein auf steuerverfahrensrechtlichen Zweckmäßigkeitserwägungen und ändert an dem vorstehend zum Wesen der Umsatzsteuerberichtigung dargestellten Befund nichts.

15

3. Die Rechtsprechung des Senats hat im Schrifttum keinen oder nur zurückhaltenden Widerspruch gefunden (vgl. etwa Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 95 Rz 19, m.N. auch zu kritischen Stellungnahmen; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rz 9.279; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 92 ff.). Der für das Umsatzsteuerrecht zuständige V. Senat des BFH ist ihr in neuerer Zeit jedoch nicht gefolgt, sondern meint, jedenfalls für das Festsetzungsverfahren sei § 38 InsO dahin auszulegen, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimme, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich sei lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und zuletzt vom 8. März 2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466). Auch der ebenfalls für Umsatzsteuer zuständige XI. Senat des BFH scheint diesem Verständnis zu folgen. Der I. Senat des BFH hat ein bedingtes Entstehen einer Steuerforderung nur dann anerkennen wollen, wenn "der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann", so dass "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht"; das sei nicht der Fall, wenn der Anspruch z.B. einen --bei Verfahrenseröffnung noch nicht gefällten-- Gewinnausschüttungsbeschluss voraussetze (vgl. Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822).

16

4. Der erkennende Senat hat all dies zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu überprüfen. Er hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen.

17

Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist danach als entscheidend anzusehen, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird, die in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen also eintreten. Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, insbesondere etwa dadurch, dass der Unternehmer zahlungsunfähig wird (wie es in der Regel ohne weiteres aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens --außer in den Fällen des § 18 InsO-- geschlossen werden kann), greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO allerdings auch dann nicht ein, wenn der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst während des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S. des § 13 UStG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (vgl. BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, NJW-RR 2008, 206). Auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, kommt es in diesem Zusammenhang selbstredend erst recht nicht an.

18

5. Die Streitsache ist entscheidungsreif.

19

Aufgrund der Steueranmeldungen des Klägers, denen das FA zugestimmt hat, steht gemäß § 168 Satz 2 AO --wenn auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-- zwischen den Beteiligten fest, dass in den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2003 zugunsten der Schuldnerin negative Umsatzsteuerbeträge zu berücksichtigen sind, die den vom FA verrechneten Anspruch ausgelöst haben. Der für dieses Verfahren --vorbehaltlich einer Änderung aufgrund des Nachprüfungsvorbehalts-- verbindlichen Rechtswirkung dieser Festsetzungen steht nicht entgegen, dass bei Abgabe der betreffenden Anmeldungen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war und im Insolvenzverfahren grundsätzlich keine Steuerfestsetzungen ergehen können, vielmehr die Forderungen des FA nach den Vorschriften der InsO geltend zu machen, nämlich zur Tabelle anzumelden, zu erörtern und zur Tabelle mangels Widerspruchs gegen die Anmeldung oder aufgrund eines Bescheids nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen sind. Es geht hier nämlich nicht um die Festsetzung einer Steuer zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern um die Berichtigung einer Steuerfestsetzung mit dem Ziel einer Verringerung der (gegen den Kläger) festgesetzten nachinsolvenzlichen Steuerschuld der Schuldnerin. Dies kann durch Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung mit Festsetzungswirkung ebenso bewirkt werden, wie im Insolvenzverfahren ein Erstattungsbescheid über vorinsolvenzliche Umsatzsteuerguthaben ergehen könnte (BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11), weil eine solche Anmeldung nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft verändert, die in der eben geschilderten Weise Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind.

20

Im Übrigen ist weder zwischen den Beteiligten streitig noch aus einem sonstigen Grund ernstlich zweifelhaft und deshalb von Amts wegen aufklärungsbedürftig, dass die vorgenannten Berichtigungsbeträge der Höhe und der zeitlichen Zuordnung nach zugunsten der Schuldnerin zu berücksichtigen sind, die den Anmeldungen des Klägers zugrunde liegenden Forderungen aus vorinsolvenzlichen Leistungsvereinbarungen also in 2002 bzw. 2003 uneinbringlich geworden sind. Der erkennende Senat könnte deshalb diesen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne dass es einer Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur weiteren Sachaufklärung bedürfte. Angesichts der Rechtswirkung vorgenannter Anmeldungen kann er jedoch die Rechtsfrage dahinstehen lassen, ob die betreffenden angemeldeten (und auch entrichteten) Umsatzsteuern aufgrund der Insolvenz der Schuldnerin bereits früher, nämlich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen zu berichtigen gewesen wären. Für den Fall noch nicht entrichteter Umsatzsteuer hat das BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 erkannt, erbringe ein Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte ein. Mithin werde der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG verwirklicht und die Umsatzsteuer sei in einer logischen Sekunde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berichtigen, um sie bei Vereinnahmung des Entgelts durch den Verwalter erneut entstehen lassen zu können.

21

Es bedarf indes in dieser Entscheidung keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu dieser Rechtsauffassung und ihrer Konsequenz für Fälle wie den Streitfall, in dem die auf die angeblich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich gewordenen Entgelte zu entrichtende Umsatzsteuer bei Insolvenzeröffnung bereits entrichtet war und bei einer Berichtigung auf Null in dem Voranmeldungszeitraum Februar 2002 ggf. zu vergüten gewesen wäre. Auf einen derartigen, bislang auch nicht festgesetzten Vergütungsanspruch dürfte der angefochtene Bescheid im Übrigen ohnehin nicht bezogen werden können.

22

Ist demnach davon auszugehen, dass das FA die von ihm verrechneten Berichtigungsbeträge erst 2002 bzw. 2003 i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldig geworden ist, so sind die angefochtenen Abrechnungsbescheide, welche die diesbezüglich vom FA erklärte Aufrechnung als wirksam bestätigt haben, rechtswidrig und folglich entsprechend dem Antrag des Klägers zu ändern.

23

6. Das FG hat den Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 als (Bestätigung einer) Aufrechnung (auch) mit Umsatzsteuer November 2001 angesehen. Dazu weist der erkennende Senat darauf hin, dass diese Steuerforderung nicht streitgegenständlich ist --ebenso wenig wie die im Urteil des FG erwähnte Umsatzsteuer Oktober 2001--, nachdem die angefochtenen Abrechnungsbescheide über diese Forderungen nicht entscheiden, vielmehr ausschließlich die Aufrechnung gegen Umsatzsteuer März, April und September 2001 betreffen.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH (GmbH).

2

Mit Beschluss vom 7. Juni 2012 ordnete das Amtsgericht … (AG) über das Vermögen der GmbH die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestimmte den Antragsteller zum sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit weiterem Beschluss vom 19. Juli 2012 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren und bestellte den Antragsteller zum Insolvenzverwalter.

3

Der Antragsteller vereinnahmte im Voranmeldungszeitraum Juli 2012 Entgeltzahlungen für sonstige Leistungen in Höhe von 13.241,90 €, die die GmbH vor dem 7. Juni 2012 ausgeführt hatte. Er behandelte diese Leistungsentgelte in der für die GmbH eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) als Masseverbindlichkeit und bezog sie in Höhe von 11.127 € (= 13.241,90 € : 1,19) in die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze ein. Die Abgabe dieser Steueranmeldung für Juli 2012 stand gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

4

Der gleichzeitig mit seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 eingelegte Einspruch, in dem der Antragsteller geltend machte, die aus den vor dem 7. Juni 2012 erbrachten sonstigen Leistungen herrührenden Umsatzsteuerforderungen seien keine Masseverbindlichkeiten sondern Insolvenzforderungen, blieb ohne Erfolg. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

5

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Juli 2012 lehnte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) ebenfalls ab. Das FG gab dem bei ihm gestellten Antrag auf AdV gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 18. März 2013 statt. Denn die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2012 erscheine nicht über jegliche Rechtmäßigkeitszweifel erhaben.

6

Sie entspreche zwar der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH (Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996; vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298). Diese Rechtsprechung sei jedoch im Schrifttum umstritten.

7

Eine Entscheidung des ebenfalls für Umsatzsteuerangelegenheiten zuständigen XI. Senats des BFH sei bisher nicht bekannt geworden. Der VII. Senat des BFH habe offengelassen, ob er sich der Auffassung des V. Senats anschließen könne (Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11, BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36).

8

Nach der Ansicht des FG sei nicht frei von Zweifeln, ob allein der Übergang der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) zur Uneinbringlichkeit i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) führe. Denn bisher habe die Rechtsprechung den Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung, die auf einen steuerpflichtigen Umsatz zurückgehe, nicht als Anlass für eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG genommen. Dies gelte sowohl für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge als auch für solche der Organschaft. Denn der BFH (Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 2/05, BFHE 216, 375, BStBl II 2007, 848) sei bisher davon ausgegangen, dass der Ausfall einer vorsteuerbelasteten Forderung, die gegenüber einer Organgesellschaft begründet und nach Ende der Organschaft uneinbringlich geworden sei, zur Vorsteuerberichtigung gegenüber der nunmehr umsatzsteuerlich selbständigen Organgesellschaft führe. Daraus sei geschlossen worden, dass in gleicher Weise die Berichtigung von Umsätzen vorzunehmen sei, dass also ein während der Organschaft erbrachter Umsatz der Organgesellschaft nach dem Ende der Organschaft von der Organgesellschaft zu berichtigen sei, wenn die Entgeltforderung nach dem Ende der Organschaft uneinbringlich werde.

9

Der BFH habe sich bisher nicht damit auseinandergesetzt, ob die zuvor skizzierte Besteuerungspraxis ebenfalls zu ändern sei oder ob sie in anderer Weise mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH vereinbar sei. Schließlich habe der BFH bislang nicht erörtert, ob die neuere Rechtsprechung des V. Senats richtlinienkonform sei (vgl. Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

10

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, es lägen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 vor. Es gebe keine widersprüchliche oder unterschiedliche Rechtsprechung mehrerer BFH-Senate, die "ernstliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts begründen könne. Der VII. Senat und der XI. Senat des BFH hätten sich zwar der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht angeschlossen, dieser aber auch nicht widersprochen.

11

Das FA beantragt sinngemäß,
den FG-Beschluss vom 18. März 2013 aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.

12

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

14

1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG über die AdV nach § 69 Abs. 3 FGO ist statthaft, weil sie vom FG ausdrücklich zugelassen wurde (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO).

15

2. Die Beschwerde des FA ist auch begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird der Antrag auf AdV des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Juli 2012 als unbegründet abgelehnt. Es bestehen bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids.

16

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschlüsse vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437; vom 25. April 2013 XI B 123/12, juris). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschlüsse in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12; vom 25. April 2013 XI B 123/12, juris, Rz 12).

17

Ernstliche Zweifel bestehen, wenn eine Rechtsfrage streitig ist, die von einem oder mehreren Senaten des BFH unterschiedlich oder widersprüchlich entschieden worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Februar 1986 I B 39/85, BFHE 146, 105, BStBl II 1986, 490, Leitsatz 1; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 69 FGO Rz 310).

18

b) Es genügt indes --entgegen der Auffassung des FG (Beschluss, Seite 5)-- nicht, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2012 "nicht über jeglichen Rechtmäßigkeitszweifel" erhaben erscheint.

19

Wie unter II.2.a dargelegt, rechtfertigt nicht irgendein und nicht jeder Zweifel, sondern nur ein in seiner Bedeutung als "ernstlich" anzusehender Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids eine AdV (vgl. Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 285).

20

3. Nach diesen Maßgaben bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids.

21

a) Nach den übereinstimmenden Auffassungen des Antragstellers, des FA und des FG entspricht der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2012 den durch die Rechtsprechung des V. Senats des BFH aufgestellten Rechtsgrundsätzen (vgl. Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682 zur Istbesteuerung; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298).

22

Mit Urteil vom 9. Dezember 2010 hat der BFH (in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Leitsatz) entschieden, dass in dem Fall, in dem der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte steuerpflichtige Leistung vereinnahmt, die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollversteuerung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet.

23

Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören". Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung i.S. von § 38 InsO oder um eine Masseverbindlichkeit handele, bestimme sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen sei. Unerheblich sei demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen seien, richte sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Komme es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handele es sich um eine Insolvenzforderung, erfolge die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liege unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (vgl. BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 17 f.).

24

Zwar gelte auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmenseinheit, das Unternehmen bestehe jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden könnten. Zu unterscheiden seien der vorinsolvenzrechtliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien (§§ 174 ff. InsO), der die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den Masseverbindlichkeiten geltend zu machen seien, sowie ggf. das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen, bei dem Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner persönlich ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen geltend gemacht werden könnten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 28 f.).

25

Ändere sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, habe der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gelte gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden sei. Uneinbringlichkeit setze nach ständiger BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1) voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt werde und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen sei, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen könne. Erbringe der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Rechtsgründen Uneinbringlichkeit ein (BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 27). Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 30 ff.).

26

Werde das Entgelt nachträglich vereinnahmt, seien Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen. Diese erneute Berichtigung sei nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führten somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens. Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründe eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch sei erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen. Für dieses Ergebnis spreche auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 31 f.).

27

b) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 9. Februar 2011 XI R 35/09 (BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.2.) --mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH übereinstimmend-- entschieden, dass sich die Beurteilung, ob "es sich bei einem Umsatzsteueranspruch des FA um eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder um eine Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) handelt, nach dem Zeitpunkt [bestimmt], zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; unerheblich ist dagegen der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Kommt es umsatzsteuerrechtlich zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung; erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung dagegen erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor."

28

Es bedurfte indes bislang keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu der dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zugrunde liegenden Rechtsfrage, ob mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners die Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte für seine vor Verfahrenseröffnung ausgeführten Leistungen eintritt.

29

c) Auch der VII. Senat des BFH (Urteile in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 15 ff.; vom 25. Juli 2012 VII R 56/09, BFH/NV 2013, 413, unter II.2.; VII R 30/11, BFH/NV 2013, 603, unter II. am Ende) folgt dem Verständnis des V. und XI. Senats darin, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimmt, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich ist lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG.

30

Der VII. Senat des BFH (in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 16) "hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen."

31

Es liegt daher keine unterschiedliche oder widersprüchliche Rechtsprechung des BFH vor, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids begründen könnte.

32

d) Der dargelegten Rechtsprechung des V. Senats (in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) folgt das Bundesministerium der Finanzen (Schreiben vom 9. Dezember 2011 IV D 2-S 7330/09/10001:001, BStBl I 2011, 1273) für alle Insolvenzverfahren, die --wie im Streitfall-- nach dem 31. Dezember 2011 eröffnet wurden.

33

e) Im Schrifttum hat die dargelegte Rechtsprechung des V. Senats (in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) zum Teil Zustimmung (z.B. Wäger, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1925; Widmann, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 555) und zum Teil Ablehnung (z.B. Kahlert, DStR 2011, 921, und DStR 2011, 1973; Welte/ Friedrich-Vache, UR 2012, 740) hervorgerufen.

34

Diese Kritik begründet jedoch bei der gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel, weil der V. Senat des BFH im Urteil in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 16 ff. und 54 die Gegenargumente bereits im Wesentlichen verbeschieden hat (vgl. dazu Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 313). Er hat sich in dieser Entscheidung mit der Kritik von Kahlert (DStR 2011, 921, 925 f., und DStR 2011, 1973 ff., 1978) auseinandergesetzt und --auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06 (UR 2007, 742, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2008, 206, unter II.2.c)-- festgestellt, dass die dargelegte Rechtsprechung nicht insolvenzrechtlichen Wertungen widerspricht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat insoweit auf die dortige Begründung des V. Senats (in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 16 ff. und 54). Mit der Entscheidung vom 24. November 2011 hält der V. Senat des BFH (in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 54) ausdrücklich --trotz der Kritik-- an seinem Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 fest.

35

f) Soweit das FG gegen die dargelegte Rechtsprechung des V. Senats des BFH einwendet, dass der Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung, die auf einen steuerpflichtigen Umsatz zurückgehe, z.B. in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge, bislang kein Anlass für eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG gewesen sei und die Auswirkungen der Rechtsprechungsänderung durch den V. Senat auf solche Fälle ungeklärt seien, kann der erkennende Senat diese Rechtsfrage im Aussetzungsverfahren offenlassen. Denn das summarische Beschlussverfahren ist schon deshalb nicht geeignet, diese Rechtsfrage zu klären, weil eine Gesamtrechtsnachfolge dem Streitfall nicht zugrunde liegt und diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist. Dasselbe gilt für den vom FG ferner angeführten Fall einer Organschaft.

36

g) Auch der allgemeine Hinweis des FG, dass der V. Senat des BFH nicht die Vereinbarkeit seiner Rechtsprechung mit Art. 90 MwStSystRL erörtert habe, begründet bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids.

37

Denn das FG nennt weder einen konkreten Grund, der für eine Unvereinbarkeit der Rechtsprechung mit Art. 90 MwStSystRL sprechen könnte, noch bringt das FG zum Ausdruck, dass nach seiner Auffassung ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der dargelegten Rechtsprechung des V. Senats mit Unionsrecht bestünden.

38

Die Klärung dieser Rechtsfrage kann im Hauptsacheverfahren erfolgen. Sofern die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen, ist ggf. im Urteil des FG die Revision zuzulassen.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit September 2003 ein Insolvenzverfahren anhängig. Steuerforderungen aus vorinsolvenzlicher Zeit in Höhe von rd. 8.700 € sind offen. Seit März 2005 betreibt der Kläger wieder ein Einzelunternehmen. Der Insolvenzverwalter hat alle hierfür benötigten Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Für Mai 2005 hat der Kläger aufgrund eines hohen Vorsteuerabzugs einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe von rd. 4.140 € erworben. Gegen diesen Anspruch hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit seinen Umsatzsteuerforderungen für Januar und Februar 2003 erklärt und in dem in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers dadurch erloschen sei.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1485 veröffentlichte Urteil abgewiesen. In dem Urteil heißt es, der Aufrechnung stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen, weil der Vergütungsanspruch aufgrund der Freigabe nicht in die Insolvenzmasse falle. Die durch § 294 Abs. 3 InsO für die Wohlverhaltensphase angeordnete Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern greife nicht ein, das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO sei mit einem Aufrechnungsverbot nicht gleichzusetzen.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung des materiellen Rechts rügt. Das FG habe übersehen, dass eine Aufrechnung in den Grenzen des § 294 InsO erst dann wieder möglich sei, wenn das Insolvenzverfahren auf-gehoben ist. Das sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Der vom FA erklärten Aufrechnung stehe einstweilen das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO entgegen.

4

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO, dass der selbständig tätige Schuldner durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, habe bei einem selbständig Tätigen dieselbe Funktion wie § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO bei einem nichtselbständigen Schuldner. Daher müsse das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO, das die Aufrechnung von der Abtretungserklärung erfasster Bezüge gegen den Schuldner grundsätzlich verbietet, analog auf die von einem Selbständigen an den Treuhänder zu leistenden Zahlungen angewendet werden. Der Vorsteuervergütungsbetrag sei ein Vermögenswert, der an den Treuhänder abzuführen ist, denn er stelle für einen selbständig tätigen Schuldner eine Einnahme dar, die mit der Erzielung seiner Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners rühre im Streitfall allein daraus her, dass er gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht Schuldner der auf seinen Leistungen ruhenden Umsatzsteuer ist, sodass in solchen Fällen zwangläufig ein Vorsteuerüberhang entstehe. Ein Schuldner, bei dem § 13b UStG eingreife, dürfe jedoch nicht schlechter gestellt werden als ein Schuldner, bei dem § 13b UStG nicht einschlägig ist.

5

Ferner stehe der Aufrechnung § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Dabei sei der Begriff Abkommen vor dem Hintergrund des Schutzzweckes dieser Vorschrift nicht nur auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, sondern erfasse jegliche Handlung des Insolvenzschuldners, die dazu beiträgt, dass hinter dem Rücken der anderen Gläubiger Vermögensverschiebungen vorgenommen werden können. In der Erbringung von Leistungen, die einen Vorsteuervergütungsanspruch zur Folge haben, liege eine solche Handlung des selbständig tätigen Insolvenzschuldners. Sondervorteil sei die dem Insolvenzgläubiger verschaffte Aufrechnungsmöglichkeit. Zudem werde die Befriedigung anderer Gläubiger infolge der Verringerung der Insolvenzmasse beeinträchtigt, wenn der Schuldner infolge der Aufrechnung nicht mehr in der Lage sei, an den Treuhänder Zahlungen in solcher Höhe zu leisten, wie sie sich aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergäben.

6

Überdies fehle es aber auch an der Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2008 (gemeint offenbar: IX ZB 182/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 3494) sei zu folgern, dass der BGH das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners als eine eigenständige Haftungsmasse ansehe, die von der vom Insolvenzbeschlag betroffenen Haftungsmasse getrennt sei. Jene neue Haftungsmasse stehe nur den Neugläubigern zu. Zu dieser ausschließlich den Neugläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse gehöre im Streitfall der Vorsteuervergütungsanspruch. Die Umsatzsteuerforderung des FA richte sich hingegen gegen das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich eines Neuerwerbs des Klägers bis zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden war.

7

Dem entspreche es, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99 (BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639) entschieden habe, dass Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden darf, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist. Derselbe Rechtsgedanke spiegele sich auch in der Entscheidung des BFH vom 7. April 2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) wider, wonach Steuerschulden, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.

8

Nur diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit dem Insolvenzrecht. Denn Zweck des Insolvenzverfahrens sei eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, denen das Gesetz als Haftungssubstrat neben der Alt- auch die sog. Neumasse zuweise. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO schließe --klarstellend-- die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Anderenfalls käme es durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer Bevorzugung des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse. Des Weiteren führe eine solche Aufrechnung zu einer Benachteiligung anderer Neugläubiger durch Minderung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse.

9

Die Revision rügt schließlich, dass durch die Betrachtungsweise des FA einem Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit unmöglich werde, weil er seine Forderungen nicht verwirklichen könne. Das gelte besonders in dem vorliegenden Fall, in dem die Auftraggeber des Klägers gemäß § 13b UStG Schuldner der Umsatzsteuer seien, sodass der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern angesichts erheblicher Insolvenzforderungen nicht verwirklichen könne.

10

Das FA weist darauf hin, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, aber auch alle sonstigen Ansprüche nach § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) nicht zu den an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase abgetretenen Forderungen gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Bei einem Vorsteuervergütungsanspruch handle es sich nicht um einen an den Treuhänder abgetretenen Anspruch (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391). Ein Vorsteuervergütungsanspruch entstehe durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch nicht zwangsläufig, wie der Kläger meine. Ihn anders als die Bezüge eines nichtselbständig tätigen Schuldners zu behandeln führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige das Risiko trage, seine Gläubiger wie durch eine angemessene nichtselbständige Tätigkeit befriedigen zu können, und er deshalb mit einem Nichtselbständigen nicht zu vergleichen sei.

11

Auch § 294 Abs. 2 InsO sei nicht einschlägig. Zwar sei im Schrifttum umstritten, ob "Abkommen" im Sinne dieser Vorschrift nicht auch einseitige Rechtsgeschäfte sein könnten. Diese seien indes durch die in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelten Obliegenheiten erfasst. Es könne dem in der Wohlverhaltensphase befindlichen Selbständigen aufgrund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch nicht angelastet werden, von wem er Aufträge akquiriere.

12

Es fehle schließlich auch an einer Obliegenheitsverletzung, in deren Folge das den Gläubigern zur Verfügung zu stellende Vermögen geschmälert worden ist. § 294 Abs. 3 InsO schließe nicht jegliche Aufrechnung aus. § 295 Abs. 2 InsO verlange lediglich von dem Schuldner, durch seine selbständige Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen und dieses an den Treuhänder abzuführen; ob und in welcher Höhe darin Vorsteuervergütungen enthalten sind, sei ohne Belang.

13

Auch die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sei gegeben, da der Steuervergütungsanspruch des Klägers aus dem sog. Neuerwerb wegen der bedingungslosen Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter zustehe und der Kläger zugleich Schuldner der rückständigen Umsatzsteuer sei. Der Betrachtung des Klägers über die getrennten Haftungsmassen sei nicht zu folgen. Der Kläger sei Beteiligter des Steuerschuldverhältnisses sowohl in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie nach Freigabe von Vermögensgegenständen aus dem Verfahren. Ob das Verfahren als solches aufgehoben worden sei, sei dabei ohne Bedeutung.

Entscheidungsgründe

14

II. Der erkennende Senat kann gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Revision des Klägers nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

15

Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden. Es besteht auch kein Aufrechnungsverbot.

16

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass dem Kläger ein Umsatzsteuervergütungsanspruch aus der Festsetzung für Mai 2005 zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA für Januar und Februar 2003 --also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren vgl. § 94 InsO) vorlagen. Dass der Kläger Schuldner und Gläubiger vorgenannter Forderungen ungeachtet ihrer Entstehung vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist --und diese deshalb nicht etwa verschiedenen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen sind--, ist vom FG eingehend und zutreffend dargelegt worden; dem ist nichts hinzuzufügen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639).

17

2. Es fehlt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb an der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung, weil das FA dem Kläger Umsatzsteuervergütung schuldet, ohne dass dessen Forderung wie sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterläge, die Gegenforderungen des FA hingegen Insolvenzforderungen sind, also solche, die --vorbehaltlich der Möglichkeit einer Aufrechnung-- nach Maßgabe des Verteilungsplans aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.

18

Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hat, dass das Vermögen des Schuldners in zwei Teilmassen aufgeteilt wird, die einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der Schuldner über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen und aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Forderungen nicht mehr begründen kann (§ 80 Abs. 1 InsO) und dass seine Gläubiger weder wegen vor noch wegen während des Verfahrens begründeter Forderungen in die Insolvenzmasse vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO).

19

Unbeschadet der an diesen Vorschriften deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen, die der InsO zugrunde liegt (vgl. dazu u.a. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 65 passim; Blersch/von Olshausen in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 96 Rz 14; Kübler in Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz 58), enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen, wie die Revision offenbar meint. Eine solche Folgerung ziehen aber selbst vorgenannte Schrifttumsstimmen trotz der Betonung der sog. separatio bonorum nicht, wenn auch mitunter § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO lediglich deklaratorische Bedeutung beigelegt wird (vgl. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., m.w.N.). Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, ist deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig.

20

Etwas anderes lässt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aus dem Beschluss des BGH in NJW 2008, 3494 herleiten. Das von der Revision ferner in diesem Zusammenhang angeführte BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 betrifft die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Veranlagung und ist schon deshalb für die Frage der Aufrechenbarkeit aus einer solchen Veranlagung herrührender Forderungen nicht ergiebig, das BFH-Urteil in BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 deshalb nicht, weil es ausschließlich auf der Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beruht, um den es hier nicht geht. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht näher zu erörtern, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Obermair, Der Neuerwerb - eine unendliche Geschichte, Deutsches Steuerrecht 2005, 1561; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 822; Voigt/Gerke, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2002, 1054), folgen könnte.

21

3. Der vom FA erklärten Aufrechnung steht, anders als die Revision meint, kein Aufrechnungsverbot entgegen, sodass die Aufrechnung des FA wirksam und der angefochtene Bescheid mithin rechtmäßig ist.

22

a) Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote sind --sieht man von den in § 95 InsO enthaltenen Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis ab, die hier offenkundig nicht einschlägig sind-- in § 96 Abs. 1 InsO geregelt. Von den dort aufgeführten vier Verboten kann im Streitfall vornehmlich das erste in Betracht gezogen werden, welches das FG geprüft und mit Recht für nicht anwendbar gehalten hat. Denn § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall ist das FA indes den vom Kläger erworbenen Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat --wirksam-- die vom Kläger durch die von ihm während des Insolvenzverfahrens neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag --abweichend von § 35 Halbsatz 2 InsO a.F.-- freigegeben. Deshalb fällt der strittige Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.

23

Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA in der Wohlverhaltensphase befand, wovon das FG und die Beteiligten ausgehen, und ob das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jenem Zeitpunkt noch andauerte, ist in diesem Zusammenhang ohne jede erkennbare Bedeutung. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren --vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO-- unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die hier in Betracht gezogen werden könnten. Dass sich aus § 294 Abs. 1 InsO, der Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners verbietet, kein Aufrechnungsverbot ergibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil des Senats vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272).

24

b) Im Verfahren der Restschuldbefreiung sind allerdings Forderungen des Schuldners unter Umständen einer Aufrechnung deshalb entzogen, weil dieser sie gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO an einen vom Gericht für das Verfahren bestellten Treuhänder abgetreten hat und § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnungsmöglichkeiten insofern einschränkt. Wie sich aus jener Vorschrift ergibt, bezieht sich die Abtretung allerdings nur auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dass unter diese Begriffe Umsatzsteuervergütungsansprüche nicht fallen, bedarf keiner näheren Ausführung.

25

Anders als die Revision meint, kann jene Vorschrift auch nicht entsprechend auf Einnahmen eines Schuldners angewandt werden, der als selbständig Tätiger keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder sonstige laufende Bezüge i.S. des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat, aber --weil das so ist-- gemäß § 295 Abs. 2 InsO von seinen Einnahmen etwas abführen muss, was dem entspricht, was er bei Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche Analogie muss hinsichtlich eines Steuervergütungsanspruchs schon daran scheitern, dass sich die Abführungspflicht in keiner Weise gegenständlich auf einen solchen vom Schuldner erlangten Anspruch beziehen lässt, ja überhaupt nicht unmittelbar auf die Einnahmen des Schuldners bezogen ist, sondern auf dessen fiktive Einnahmen aus einer anderen (nichtselbständigen) Tätigkeit. Der Schuldner wird deshalb seiner Pflicht auch nicht ledig, weil er eine Einnahme infolge einer Aufrechnung des FA verliert, sondern muss, wenn ihn das zur Erfüllung jener Pflicht außer Stande setzen sollte, wie es die Revision in Erwägung zieht, von der betreffenden selbständigen Tätigkeit Abstand nehmen.

26

c) Dass es eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit eines Insolvenzschuldners erleichterte, wenn dieser davor sicher wäre, dass sein Schuldner nicht seine nicht befriedigten Forderungen gegen etwaige durch jene Tätigkeit erworbene Forderungen aufrechnet, und dass er daran insbesondere im Verhältnis zum FA ein Interesse hat, weil er es insoweit nicht in der Hand hat, sich den Schuldner selbst auszusuchen und dadurch eine solche Aufrechnungslage nicht entstehen zu lassen, hat den Gesetzgeber nicht veranlasst, vorgenannte Umsatzsteuervergütungsansprüche in die Abtretung an den Treuhänder einzubeziehen oder insoweit ein Aufrechnungsverbot aufzustellen. Dabei muss es jedenfalls de lege lata bewenden. Eine solche Zwangslage, Forderungen gegenüber aufrechnungsbefugten Altgläubigern begründen zu müssen, kann im Übrigen nicht nur im Verhältnis zum FA auftreten, weshalb umso weniger angenommen werden kann, der Gesetzgeber der InsO habe unabsichtlich versäumt, den Insolvenzschuldner insofern gegen eine Aufrechnung zu schützen.

27

d) Die Überlegung der Revision schließlich, die Insolvenzgläubiger sollten durch Verteilung der Insolvenzmasse, also des bei Eröffnung des Verfahrens vorhandenen Vermögens des Insolvenzschuldners zuzüglich des von ihm --ohne eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter-- im Verfahren Hinzuerworbenen, befriedigt werden, vermag an alledem nichts zu ändern. Unbeschadet dieses die InsO in der Tat prägenden Grundgedankens ist, wie ausgeführt, Insolvenzgläubigern ebenso wie Neugläubigern eine Aufrechnung im Rahmen der vorgenannten Bestimmungen nicht verwehrt; jene sind dadurch ähnlich privilegiert wie Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO), durch deren Vorzugsrechte ebenso im Ergebnis eine Schmälerung der Insolvenzmasse eintritt, worin sich nur umso mehr zeigt, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (nur) aus der Insolvenzmasse (zahlreiche) Durchbrechungen kennt. Auch dass Vorsteuer, die durch Verwaltung des mit dem Insolvenzbeschlag belegten Vermögens angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden kann, die für den freigegebenen Unternehmensteil anzusetzen ist (so BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639), lässt nicht die Schlussfolgerung zu, gegen den vom Insolvenzbeschlag nicht umfassten Vergütungsanspruch des Klägers könnten Insolvenzforderungen nicht aufgerechnet werden. Einer solchen Schlussfolgerung steht auch entgegen, dass jenes Urteil nicht die Verrechnung mit Insolvenzforderungen, sondern mit Masseforderungen betrifft; es beruht also auf dem Gedanken, dass die Masse erhalten werden muss und nicht vor der Verteilung durch eine freigegebene Tätigkeit des Insolvenzschuldners geschmälert werden darf. Darum geht es hier nicht, weil die vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung die Masse nicht schmälert, sondern im Gegenteil mittelbar stärkt, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen des FA führt und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugute käme.

28

e) Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO steht der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Er schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Hier geht es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann. Warum auf diesen Fall vorgenannte Vorschrift sollte entsprechend angewandt werden können, erschließt sich nicht; es erschließt sich weder unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, es komme anderenfalls durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer "Bevorzugung" des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse, noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Aufrechnung andere Neugläubiger durch Minderung der für sie verbleibenden Haftungsmasse "benachteilige". Denn die Revision scheint zu verkennen, dass es zu den typischen Wirkungen bestehender Aufrechnungslagen gehört, dem Gläubiger in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer gleichsam abgesonderten Befriedigung zu verschaffen --welche auch sonst bei entsprechender Berechtigung sogar eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse ermöglichte--. Die Revision berücksichtigt ebenso wenig, dass jene "Bevorzugung" von Altgläubigern, die dem Schuldner etwas während des Verfahrens schuldig werden, vom Gesetzgeber, der sich --abweichend von der früheren Konkursordnung-- für den Insolvenzbeschlag auch des Neuerwerbs entschieden hat, in Kauf genommen worden ist, obwohl sie die Möglichkeiten des Schuldners, (für eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel unabdingbare) neue Schulden zu begründen, zu beeinträchtigen geeignet ist; dagegen fällt die von der Revision beklagte Beeinträchtigung des gemäß § 13b UStG von Umsatzsteuerschuldnerschaft verschonten --jedoch einer Aufrechnung des FA gegen dadurch wahrscheinliche Vergütungsansprüche ausgesetzten-- Schuldners schwerlich ins Gewicht.

29

f) Schließlich hält die Revision der vom FA erklärten Aufrechnung zu Unrecht § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Denn selbst wenn man diese Vorschrift auch auf einseitige Rechtsgeschäfte des Schuldners sollte anwenden müssen, fehlt es doch daran, dass der Schuldner die strittige Aufrechnungslage nicht aufgrund seines freien Beliebens geschaffen und dem FA dadurch einen Vorteil "verschafft" hat. Diese ist vielmehr die gesetzliche Folge der vom Schuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit abgeschlossenen Geschäfte, woran auch nichts ändert, dass infolge der in § 13b UStG getroffenen Regelung ihr Eintritt nur umso wahrscheinlicher oder sogar, wie die Revision meint, zwangsläufig ist. Dass § 294 Abs. 2 InsO gleichsam ein Gebot an den Schuldner richtet, alles zu unterlassen, was eine Aufrechnungslage zur Folge hat --etwa auch die Erbringung einer entgeltlichen Leistung an einen Altgläubiger ohne Vorkasse--, ist der Vorschrift schwerlich zu entnehmen.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde in 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihren bisherigen Gewerbebetrieb meldete die Klägerin daraufhin ab, gründete aber mit Zustimmung des Insolvenzverwalters ein neues Unternehmen. Der Insolvenzverwalter gab gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) an, dass die Klägerin über die Einnahmen aus ihrer neuen selbstständigen Tätigkeit verfügen könne, da eine Abtretung für die den Pfändungsfreibetrag übersteigenden Beträge vorliege. Außerdem erklärte er sowohl dem FA als auch der Klägerin, dass es sich bei dem neuen Gewerbebetrieb um insolvenzfreies Vermögen handele.

2

Aus den die neue selbstständige Tätigkeit betreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen für August und Oktober 2003 ergaben sich Erstattungsbeträge von insgesamt … €, die das FA mit Umsatzsteuerschulden der Klägerin aus ihrer Tätigkeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnete und worüber es auf Antrag der Klägerin einen entsprechenden Abrechnungsbescheid erteilte.

3

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es urteilte, ein Aufrechnungsverbot habe nicht bestanden, weil die Erstattungsansprüche der Klägerin nicht zur Insolvenzmasse, sondern zum insolvenzfreien Vermögen der Klägerin gehörten. Zum einen habe die Klägerin keine zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände für ihr neues Unternehmen verwendet, weil solche Gegenstände bereits frühzeitig vom Insolvenzverwalter verwertet gewesen seien. Außerdem habe dieser nach den von ihm abgegebenen Erklärungen den neuen Gewerbebetrieb der Klägerin bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens freigegeben. Damit sei dieser aus der Insolvenzmasse ausgeschieden mit der Folge, dass auch mit diesem Unternehmen erworbene Vermögensgegenstände und Forderungen nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst worden seien.

4

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

6

1. Der beschließende Senat hat bereits entschieden, dass Steuererstattungsansprüche des Insolvenzschuldners, welche dieser im Rahmen einer aus dem Insolvenzbeschlag freigegebenen gewerblichen Tätigkeit erworben hat, nicht in die Insolvenzmasse fallen und somit keine insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote einer vom Finanzamt erklärten Aufrechnung gegen solche Ansprüche mit vorinsolvenzlichen Steuerforderungen entgegenstehen (Senatsbeschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336). Von jenem Fall unterscheidet sich der Streitfall nicht, weil das FG die Erklärungen des Insolvenzverwalters dahin gewürdigt hat, dass dieser das neue Unternehmen der Klägerin bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens freigegeben hatte, woraus das FG geschlossen hat, dass dieses Unternehmen sowie die mit diesem erworbenen Forderungen der Klägerin von Anfang an nicht zur Insolvenzmasse gehörten.

7

Der Streitfall wirft auch keine weiteren, bisher nicht beantworteten Rechtsfragen auf, deren Klärung zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Es erschließt sich nicht, weshalb das Vorliegen eines insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbots von der Frage abhängt, "was jetzt eigentlich eine Freigabe eines selbstständigen Gewerbebetriebs aus der Insolvenzmasse zivilrechtlich bewirkt und zu welchem Zeitpunkt". Soweit der Beschwerdebegründung sinngemäß die Auffassung zu entnehmen ist, dass die vom Insolvenzverwalter erklärte Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners wie eine Vorausabtretung künftiger, im Rahmen dieser neuen Tätigkeit erworbener Forderungen zu behandeln ist, diese Forderungen für eine logische Sekunde in die Insolvenzmasse fallen und damit in analoger Anwendung des § 401 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit dem Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) verbunden bleiben, ist dieser Ansicht nicht zu folgen, was keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Forderungen, die während des Insolvenzverfahrens im Rahmen einer freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erworben werden, sind dem Schuldner nicht vom Insolvenzverwalter im Voraus abgetreten. Vielmehr handelt es sich --ebenso wie bei außerhalb dieser selbstständigen Tätigkeit erworbenen Forderungen-- von Anfang an um solche des Schuldners, die keiner Abtretung von Seiten des Insolvenzverwalters bedürfen. Für die Frage, ob hinsichtlich solcher Forderungen ein von ihrem jeweiligen Schuldner zu beachtendes Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht, kommt es nur darauf an, ob die betreffenden Forderungen zur Insolvenzmasse gehören. Bei Forderungen, die im Rahmen einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erworben werden, ist dies --wie sich aus dem vorgenannten Senatsbeschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336 ergibt-- nicht der Fall. Solche Forderungen unterliegen ebenso wenig dem Insolvenzbeschlag wie die für die selbstständige Tätigkeit freigegebenen Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners, ohne dass zuvor ein "Durchgangserwerb durch die Masse" stattfindet. Für eine analoge Anwendung der die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen betreffenden §§ 401 ff. BGB ist daher kein Raum.

8

2. Die ordnungsgemäße Erhebung einer Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482, und vom 11. September 2003 X B 103/02, BFH/NV 2004, 180). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Im Übrigen ist eine Abweichung des FG-Urteils von den seitens der Beschwerde bezeichneten Urteilen des Bundesgerichtshofs auch nicht erkennbar. In keiner dieser Entscheidungen ist die Rede davon, dass die mit der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners verbundene Freigabe der durch diese Tätigkeit erworbenen Forderungen im Wege der Vorausabtretung stattfindet oder dass solche Forderungen für eine logische Sekunde in die Insolvenzmasse fallen.

9

3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde meint lediglich, dass das FG die Erklärungen des Insolvenzverwalters nicht als eindeutige Freigabe der selbstständigen Tätigkeit und der in diesem Rahmen erworbenen Forderungen hätte ansehen dürfen.

(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.

(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss vom 29. Februar 2008 eröffnete das Amtsgericht (AG) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners und bestellte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zum Insolvenzverwalter. Mit Schreiben vom 16. April 2008 teilte dieser dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) mit, dass er das Einzelunternehmen des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzbeschlag freigebe.

2

Am 1. Oktober 2009 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008. Der Insolvenzschuldner hatte in diesem Jahr ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer erzielt. Seine Ehefrau, mit der er zusammen veranlagt wurde, hatte keine Einkünfte. Aufgrund der vom Insolvenzschuldner im Jahr 2008 geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen ergab sich ein Guthaben in Höhe von insgesamt 1.420,40 €.

3

Hinsichtlich desjenigen Teils des Guthabens, das zeitanteilig auf die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfiel (1.185,80 €), erklärte das FA gegenüber dem Insolvenzschuldner die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen (Einkommensteuer 2003). Hinsichtlich des restlichen Guthabens (234,60 €) erklärte das FA gegenüber dem Kläger die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen (ebenfalls Einkommensteuer 2003).

4

Mit Abrechnungsbescheid vom 19. April 2010 (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--), der an den Kläger gerichtet war, ordnete das FA das Guthaben in Höhe von 1.420,40 € unter Hinweis auf die fehlenden Einkünfte der Ehefrau vollständig dem Insolvenzschuldner zu, teilte es anschließend mit den oben genannten Beträgen zeitanteilig auf die Zeit vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf und stellte das Erlöschen dieser Beträge durch Aufrechnung fest.

5

Der Einspruch des Klägers, mit dem er die Aufrechnung hinsichtlich des auf den nachinsolvenzlichen Zeitraum entfallenden Betrags in Höhe von 1.185,80 € angriff, blieb ohne Erfolg. Das FA wies den Einspruch als unzulässig zurück, da der Kläger wegen der Freigabe des Betriebs aus dem Insolvenzbeschlag nicht befugt sei, Rechtsmittel einzulegen. Außerdem sei der Einspruch unbegründet. Insbesondere greife kein Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO), da der Erstattungsanspruch aus den überzahlten Einkommensteuervorauszahlungen nicht in die Insolvenzmasse falle.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Der Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen, da das FA den Erstattungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Dem stehe auch nicht die Freigabe des Einzelunternehmens aus dem Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO entgegen. Anders als ein etwaiger Umsatzsteuervergütungsanspruch wie im Senatsbeschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08 (BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336) gehöre ein Einkommensteuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO, da der Einkommensteuererstattungsanspruch keine betriebliche Einnahme und damit kein "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit" sei. Diese Voraussetzung sei nur bei Betriebssteuern erfüllt, was durch die Gesetzesbegründung bestätigt werde. Etwas anderes folge auch nicht aus der (zutreffenden) Feststellung des FA, dass die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf der vom Insolvenzschuldner ausgeübten gewerblichen Tätigkeit beruht hätten.

7

Mit seiner Revision macht das FA geltend, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Der Erstattungsanspruch aufgrund überzahlter Einkommensteuervorauszahlungen gehöre im Streitfall wegen § 35 Abs. 2 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Zwar sei die Einkommensteuer keine Betriebssteuer und der Einkommensteuererstattungsanspruch keine Betriebseinnahme. Mit der Freigabeerklärung habe der Insolvenzverwalter aber für die selbständige Tätigkeit endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verzichtet. Die Freigabewirkung beziehe sich nicht nur auf den unmittelbaren Neuerwerb der Betriebseinnahmen, sondern erstrecke sich auch auf deren Verwendung. Im Fall einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen bleibe es unabhängig von der Pfändbarkeit bei der Zuordnung zur Sondervermögenssphäre des insolvenzfreien Vermögens. Zur Insolvenzmasse gehöre lediglich der Ausgleichsanspruch gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO. Allein dies entspreche der Intention des Gesetzgebers, Rechtssicherheit für Gläubiger und Schuldner zu erreichen, ohne die nicht selbstständig tätigen Schuldner zu benachteiligen.

8

Der Kläger folgt grundsätzlich der Rechtsauffassung des FG. Das FA verkenne die Bedeutung und die Wirkung der insolvenzrechtlichen Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO. Die Freigabe beschränke sich auf das Vermögen, das dem jeweiligen Gewerbe gewidmet sei, d.h. auf die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben. Dies treffe weder auf die Einkommensteuerschulden noch auf Einkommensteuererstattungsansprüche zu. Insofern lägen persönliche Ansprüche vor, für die nicht nur die gewerblichen, sondern sämtliche Einkünfte des Insolvenzschuldners als Grundlage dienten. Der Einkommensteuererstattungsanspruch sei somit nicht als Betriebseinnahme und die Einkommensteuer nicht als Betriebssteuer anzusehen. Bei einer anderen Betrachtung käme es zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und auch nicht gerechtfertigten Privilegierung des selbständigen Insolvenzschuldners gegenüber dem unselbständigen Insolvenzschuldner. Dies gelte unabhängig von der Herkunft der Mittel.

9

Im Übrigen habe sich im Rahmen der Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass das Einzelunternehmen nicht schon am 16. April 2008, sondern erst im Jahr 2010 aufgrund eines Schreibens des AG aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben worden sei.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

11

Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch aufgrund der fehlenden Einkünfte der Ehefrau tatsächlich --wie vom FA in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 19. April 2010 angenommen-- allein dem Insolvenzschuldner zuzuordnen war (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, m.w.N.). Jedenfalls ist der dem Insolvenzschuldner zuzuordnende Einkommensteuererstattungsanspruch auch hinsichtlich des nachinsolvenzlichen Zeitraums durch die vom FA erklärte Aufrechnung mit Insolvenzforderungen erloschen (§ 47 AO).

12

1. Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs waren erfüllt.

13

Unabhängig von der Problematik, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse i.S. des § 35 Abs. 1 InsO oder zum insolvenzfreien Vermögen i.S. des § 35 Abs. 2 InsO gehörte, war insbesondere die Gegenseitigkeit der Insolvenzforderungen des FA einerseits und des Einkommensteuererstattungsanspruchs andererseits gegeben (a.A. Peters in Münchener Kommentar InsO, 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 47h). Denn das Insolvenzverfahren führt lediglich zu unterschiedlichen Haftungs- bzw. Vermögensmassen. Deren alleiniger Rechtsträger bleibt in jedem Fall der Insolvenzschuldner (vgl. eingehend Senatsbeschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336).

14

Darüber hinaus hat das FA die Aufrechnung für den nachinsolvenzlichen Zeitraum zutreffend gegenüber dem Insolvenzschuldner erklärt. Zwar sind Aufrechnungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären. Dies gilt aber nicht, wenn die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet wird, nicht unter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO fällt, sondern --wie im Folgenden noch näher auszuführen sein wird-- zum insolvenzfreien Vermögen i.S. des § 35 Abs. 2 InsO gehört.

15

2. Die vom FA für den nachinsolvenzlichen Zeitraum erklärte Aufrechnung ist auch nicht durch ein besonderes insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot ausgeschlossen.

16

Aufrechnungen werden zunächst nicht von den allgemeinen Vollstreckungsverboten in § 89 Abs. 1, § 294 Abs. 1 InsO erfasst (Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391).

17

In Betracht kommt allenfalls § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der jedoch voraussetzt, dass der Insolvenzgläubiger etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger das Einzelunternehmen --wie vom FG festgestellt-- am 16. April 2008 aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat. Diese Feststellung des FG, die mit dem eigenen Vortrag des fachkundig vertretenen Klägers in der Vorinstanz übereinstimmte, ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), auch wenn der neue Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung Unterlagen vorgelegt hat, die dem zu widersprechen scheinen. Insbesondere kommt keine Ausnahme aufgrund einer ansonsten drohenden Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 7 Buchst. b der Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Dies folgt aus § 582 ZPO, da der Kläger diese Unterlagen schon in der Vorinstanz hätte vorlegen können, und zwar spätestens im Rahmen eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO.

18

Der Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336 entschieden, dass ein Umsatzsteuervergütungsanspruch, den der Insolvenzschuldner durch eine gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegebene selbständige Tätigkeit erworben hat, nicht i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Insolvenzmasse geschuldet wird und das FA gegen diesen Anspruch mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden aufrechnen kann (bestätigt durch den Senatsbeschluss vom 23. August 2011 VII B 8/11, BFH/NV 2011, 2115; vgl. auch schon Senatsurteil vom 15. Dezember 2009 VII R 18/09, BFHE 228, 6, BStBl II 2010, 758). Mit Beschluss vom 6. März 2014 VII S 47/13 (PKH) (BFH/NV 2014, 1013) hat der Senat diese Rechtsprechung auf Einkommensteuererstattungsansprüche ausgedehnt, die auf Vorauszahlungen beruhen, bei deren Berechnung nur die Einkünfte aus der freigegebenen Tätigkeit zu Grunde gelegt worden sind. Dies ergibt sich bereits aus der weiten Formulierung "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit", aus der sich entgegen der Auffassung des Klägers keine Beschränkung auf Betriebssteuern bzw. auf Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ableiten lässt. Vielmehr erstreckt sich die Freigabe auf eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten, die der freigegebenen Tätigkeit gewidmet sind (vgl. BGH-Urteil vom 9. Februar 2012 IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322) bzw. die auf dieser Tätigkeit beruhen, d.h. infolge der freigegebenen Tätigkeit entstehen oder vereinnahmt werden. Eine Zuordnung zum steuerlichen Betriebsvermögen ist zwar die Regel, aber nicht zwingend erforderlich.

19

Bei Einkommensteuererstattungsansprüchen sind diese Voraussetzungen jedenfalls dann erfüllt, wenn die zugrunde liegenden Einkommensteuervorauszahlungen erst nach der Freigabe festgesetzt und allein nach den zu erwartenden Einkünften aus der vom Insolvenzbeschlag befreiten Tätigkeit berechnet worden sind. Ein solcher Sachverhalt lag dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 1013 zugrunde.

20

Darüber hinaus ist es ausreichend, wenn Vorauszahlungen nach der Freigabe aus Mitteln geleistet werden, die zum freigegebenen Vermögen gehören. In diesem Fall muss auch ein etwaiger Erstattungsanspruch wieder in das freigegebene Vermögen gelangen. Denn Mittel, die einmal zum freigegebenen Vermögen gehört haben, können nicht nachträglich wieder der Insolvenzmasse zugeordnet werden.

21

Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), beruhten die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf der gewerblichen Tätigkeit des Klägers, d.h. auf seiner nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen Tätigkeit. Im Hinblick auf die zeitanteilige Aufteilung des Einkommensteuererstattungsanspruchs im Abrechnungsbescheid sowie den Umstand, dass nach Aktenlage vor der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO allenfalls ein Betrag in Höhe von 247 € als Einkommensteuervorauszahlung geleistet worden ist (vgl. Bl. 54, 56 und 60 der Steuerakte), kann diese Feststellung nur so verstanden werden, dass die auf den nachinsolvenzlichen Zeitraum entfallende Einkommensteuererstattung aus Mitteln des freigegebenen Vermögens gezahlt worden ist. Denn der prozentuale Anteil der möglicherweise vor der Freigabe gezahlten 247 € an den insgesamt geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 3.569,70 € ist mit ca. 7 % wesentlich kleiner als der prozentuale Anteil des auf den vorinsolvenzlichen Zeitraum entfallenden Einkommensteuererstattungsbetrags im Vergleich zum gesamten Erstattungsbetrag (234,60 € von 1.420,40 € = ca. 16,5 %).

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss vom 29. Februar 2008 eröffnete das Amtsgericht (AG) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners und bestellte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zum Insolvenzverwalter. Mit Schreiben vom 16. April 2008 teilte dieser dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) mit, dass er das Einzelunternehmen des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzbeschlag freigebe.

2

Am 1. Oktober 2009 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008. Der Insolvenzschuldner hatte in diesem Jahr ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer erzielt. Seine Ehefrau, mit der er zusammen veranlagt wurde, hatte keine Einkünfte. Aufgrund der vom Insolvenzschuldner im Jahr 2008 geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen ergab sich ein Guthaben in Höhe von insgesamt 1.420,40 €.

3

Hinsichtlich desjenigen Teils des Guthabens, das zeitanteilig auf die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfiel (1.185,80 €), erklärte das FA gegenüber dem Insolvenzschuldner die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen (Einkommensteuer 2003). Hinsichtlich des restlichen Guthabens (234,60 €) erklärte das FA gegenüber dem Kläger die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen (ebenfalls Einkommensteuer 2003).

4

Mit Abrechnungsbescheid vom 19. April 2010 (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--), der an den Kläger gerichtet war, ordnete das FA das Guthaben in Höhe von 1.420,40 € unter Hinweis auf die fehlenden Einkünfte der Ehefrau vollständig dem Insolvenzschuldner zu, teilte es anschließend mit den oben genannten Beträgen zeitanteilig auf die Zeit vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf und stellte das Erlöschen dieser Beträge durch Aufrechnung fest.

5

Der Einspruch des Klägers, mit dem er die Aufrechnung hinsichtlich des auf den nachinsolvenzlichen Zeitraum entfallenden Betrags in Höhe von 1.185,80 € angriff, blieb ohne Erfolg. Das FA wies den Einspruch als unzulässig zurück, da der Kläger wegen der Freigabe des Betriebs aus dem Insolvenzbeschlag nicht befugt sei, Rechtsmittel einzulegen. Außerdem sei der Einspruch unbegründet. Insbesondere greife kein Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO), da der Erstattungsanspruch aus den überzahlten Einkommensteuervorauszahlungen nicht in die Insolvenzmasse falle.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Der Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen, da das FA den Erstattungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Dem stehe auch nicht die Freigabe des Einzelunternehmens aus dem Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO entgegen. Anders als ein etwaiger Umsatzsteuervergütungsanspruch wie im Senatsbeschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08 (BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336) gehöre ein Einkommensteuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO, da der Einkommensteuererstattungsanspruch keine betriebliche Einnahme und damit kein "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit" sei. Diese Voraussetzung sei nur bei Betriebssteuern erfüllt, was durch die Gesetzesbegründung bestätigt werde. Etwas anderes folge auch nicht aus der (zutreffenden) Feststellung des FA, dass die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf der vom Insolvenzschuldner ausgeübten gewerblichen Tätigkeit beruht hätten.

7

Mit seiner Revision macht das FA geltend, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Der Erstattungsanspruch aufgrund überzahlter Einkommensteuervorauszahlungen gehöre im Streitfall wegen § 35 Abs. 2 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Zwar sei die Einkommensteuer keine Betriebssteuer und der Einkommensteuererstattungsanspruch keine Betriebseinnahme. Mit der Freigabeerklärung habe der Insolvenzverwalter aber für die selbständige Tätigkeit endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verzichtet. Die Freigabewirkung beziehe sich nicht nur auf den unmittelbaren Neuerwerb der Betriebseinnahmen, sondern erstrecke sich auch auf deren Verwendung. Im Fall einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen bleibe es unabhängig von der Pfändbarkeit bei der Zuordnung zur Sondervermögenssphäre des insolvenzfreien Vermögens. Zur Insolvenzmasse gehöre lediglich der Ausgleichsanspruch gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO. Allein dies entspreche der Intention des Gesetzgebers, Rechtssicherheit für Gläubiger und Schuldner zu erreichen, ohne die nicht selbstständig tätigen Schuldner zu benachteiligen.

8

Der Kläger folgt grundsätzlich der Rechtsauffassung des FG. Das FA verkenne die Bedeutung und die Wirkung der insolvenzrechtlichen Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO. Die Freigabe beschränke sich auf das Vermögen, das dem jeweiligen Gewerbe gewidmet sei, d.h. auf die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben. Dies treffe weder auf die Einkommensteuerschulden noch auf Einkommensteuererstattungsansprüche zu. Insofern lägen persönliche Ansprüche vor, für die nicht nur die gewerblichen, sondern sämtliche Einkünfte des Insolvenzschuldners als Grundlage dienten. Der Einkommensteuererstattungsanspruch sei somit nicht als Betriebseinnahme und die Einkommensteuer nicht als Betriebssteuer anzusehen. Bei einer anderen Betrachtung käme es zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und auch nicht gerechtfertigten Privilegierung des selbständigen Insolvenzschuldners gegenüber dem unselbständigen Insolvenzschuldner. Dies gelte unabhängig von der Herkunft der Mittel.

9

Im Übrigen habe sich im Rahmen der Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass das Einzelunternehmen nicht schon am 16. April 2008, sondern erst im Jahr 2010 aufgrund eines Schreibens des AG aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben worden sei.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

11

Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch aufgrund der fehlenden Einkünfte der Ehefrau tatsächlich --wie vom FA in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 19. April 2010 angenommen-- allein dem Insolvenzschuldner zuzuordnen war (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, m.w.N.). Jedenfalls ist der dem Insolvenzschuldner zuzuordnende Einkommensteuererstattungsanspruch auch hinsichtlich des nachinsolvenzlichen Zeitraums durch die vom FA erklärte Aufrechnung mit Insolvenzforderungen erloschen (§ 47 AO).

12

1. Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs waren erfüllt.

13

Unabhängig von der Problematik, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse i.S. des § 35 Abs. 1 InsO oder zum insolvenzfreien Vermögen i.S. des § 35 Abs. 2 InsO gehörte, war insbesondere die Gegenseitigkeit der Insolvenzforderungen des FA einerseits und des Einkommensteuererstattungsanspruchs andererseits gegeben (a.A. Peters in Münchener Kommentar InsO, 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 47h). Denn das Insolvenzverfahren führt lediglich zu unterschiedlichen Haftungs- bzw. Vermögensmassen. Deren alleiniger Rechtsträger bleibt in jedem Fall der Insolvenzschuldner (vgl. eingehend Senatsbeschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336).

14

Darüber hinaus hat das FA die Aufrechnung für den nachinsolvenzlichen Zeitraum zutreffend gegenüber dem Insolvenzschuldner erklärt. Zwar sind Aufrechnungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären. Dies gilt aber nicht, wenn die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet wird, nicht unter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO fällt, sondern --wie im Folgenden noch näher auszuführen sein wird-- zum insolvenzfreien Vermögen i.S. des § 35 Abs. 2 InsO gehört.

15

2. Die vom FA für den nachinsolvenzlichen Zeitraum erklärte Aufrechnung ist auch nicht durch ein besonderes insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot ausgeschlossen.

16

Aufrechnungen werden zunächst nicht von den allgemeinen Vollstreckungsverboten in § 89 Abs. 1, § 294 Abs. 1 InsO erfasst (Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391).

17

In Betracht kommt allenfalls § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der jedoch voraussetzt, dass der Insolvenzgläubiger etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger das Einzelunternehmen --wie vom FG festgestellt-- am 16. April 2008 aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat. Diese Feststellung des FG, die mit dem eigenen Vortrag des fachkundig vertretenen Klägers in der Vorinstanz übereinstimmte, ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), auch wenn der neue Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung Unterlagen vorgelegt hat, die dem zu widersprechen scheinen. Insbesondere kommt keine Ausnahme aufgrund einer ansonsten drohenden Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 7 Buchst. b der Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Dies folgt aus § 582 ZPO, da der Kläger diese Unterlagen schon in der Vorinstanz hätte vorlegen können, und zwar spätestens im Rahmen eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO.

18

Der Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336 entschieden, dass ein Umsatzsteuervergütungsanspruch, den der Insolvenzschuldner durch eine gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegebene selbständige Tätigkeit erworben hat, nicht i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Insolvenzmasse geschuldet wird und das FA gegen diesen Anspruch mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden aufrechnen kann (bestätigt durch den Senatsbeschluss vom 23. August 2011 VII B 8/11, BFH/NV 2011, 2115; vgl. auch schon Senatsurteil vom 15. Dezember 2009 VII R 18/09, BFHE 228, 6, BStBl II 2010, 758). Mit Beschluss vom 6. März 2014 VII S 47/13 (PKH) (BFH/NV 2014, 1013) hat der Senat diese Rechtsprechung auf Einkommensteuererstattungsansprüche ausgedehnt, die auf Vorauszahlungen beruhen, bei deren Berechnung nur die Einkünfte aus der freigegebenen Tätigkeit zu Grunde gelegt worden sind. Dies ergibt sich bereits aus der weiten Formulierung "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit", aus der sich entgegen der Auffassung des Klägers keine Beschränkung auf Betriebssteuern bzw. auf Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ableiten lässt. Vielmehr erstreckt sich die Freigabe auf eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten, die der freigegebenen Tätigkeit gewidmet sind (vgl. BGH-Urteil vom 9. Februar 2012 IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322) bzw. die auf dieser Tätigkeit beruhen, d.h. infolge der freigegebenen Tätigkeit entstehen oder vereinnahmt werden. Eine Zuordnung zum steuerlichen Betriebsvermögen ist zwar die Regel, aber nicht zwingend erforderlich.

19

Bei Einkommensteuererstattungsansprüchen sind diese Voraussetzungen jedenfalls dann erfüllt, wenn die zugrunde liegenden Einkommensteuervorauszahlungen erst nach der Freigabe festgesetzt und allein nach den zu erwartenden Einkünften aus der vom Insolvenzbeschlag befreiten Tätigkeit berechnet worden sind. Ein solcher Sachverhalt lag dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 1013 zugrunde.

20

Darüber hinaus ist es ausreichend, wenn Vorauszahlungen nach der Freigabe aus Mitteln geleistet werden, die zum freigegebenen Vermögen gehören. In diesem Fall muss auch ein etwaiger Erstattungsanspruch wieder in das freigegebene Vermögen gelangen. Denn Mittel, die einmal zum freigegebenen Vermögen gehört haben, können nicht nachträglich wieder der Insolvenzmasse zugeordnet werden.

21

Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), beruhten die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf der gewerblichen Tätigkeit des Klägers, d.h. auf seiner nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen Tätigkeit. Im Hinblick auf die zeitanteilige Aufteilung des Einkommensteuererstattungsanspruchs im Abrechnungsbescheid sowie den Umstand, dass nach Aktenlage vor der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO allenfalls ein Betrag in Höhe von 247 € als Einkommensteuervorauszahlung geleistet worden ist (vgl. Bl. 54, 56 und 60 der Steuerakte), kann diese Feststellung nur so verstanden werden, dass die auf den nachinsolvenzlichen Zeitraum entfallende Einkommensteuererstattung aus Mitteln des freigegebenen Vermögens gezahlt worden ist. Denn der prozentuale Anteil der möglicherweise vor der Freigabe gezahlten 247 € an den insgesamt geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 3.569,70 € ist mit ca. 7 % wesentlich kleiner als der prozentuale Anteil des auf den vorinsolvenzlichen Zeitraum entfallenden Einkommensteuererstattungsbetrags im Vergleich zum gesamten Erstattungsbetrag (234,60 € von 1.420,40 € = ca. 16,5 %).

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.

(2) Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge sind während der Dauer des Verfahrens auch für Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind. Dies gilt nicht für die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist.

(3) Über Einwendungen, die auf Grund des Absatzes 1 oder 2 gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden, entscheidet das Insolvenzgericht. Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit September 2003 ein Insolvenzverfahren anhängig. Steuerforderungen aus vorinsolvenzlicher Zeit in Höhe von rd. 8.700 € sind offen. Seit März 2005 betreibt der Kläger wieder ein Einzelunternehmen. Der Insolvenzverwalter hat alle hierfür benötigten Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Für Mai 2005 hat der Kläger aufgrund eines hohen Vorsteuerabzugs einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe von rd. 4.140 € erworben. Gegen diesen Anspruch hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit seinen Umsatzsteuerforderungen für Januar und Februar 2003 erklärt und in dem in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers dadurch erloschen sei.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1485 veröffentlichte Urteil abgewiesen. In dem Urteil heißt es, der Aufrechnung stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen, weil der Vergütungsanspruch aufgrund der Freigabe nicht in die Insolvenzmasse falle. Die durch § 294 Abs. 3 InsO für die Wohlverhaltensphase angeordnete Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern greife nicht ein, das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO sei mit einem Aufrechnungsverbot nicht gleichzusetzen.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung des materiellen Rechts rügt. Das FG habe übersehen, dass eine Aufrechnung in den Grenzen des § 294 InsO erst dann wieder möglich sei, wenn das Insolvenzverfahren auf-gehoben ist. Das sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Der vom FA erklärten Aufrechnung stehe einstweilen das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO entgegen.

4

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO, dass der selbständig tätige Schuldner durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, habe bei einem selbständig Tätigen dieselbe Funktion wie § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO bei einem nichtselbständigen Schuldner. Daher müsse das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO, das die Aufrechnung von der Abtretungserklärung erfasster Bezüge gegen den Schuldner grundsätzlich verbietet, analog auf die von einem Selbständigen an den Treuhänder zu leistenden Zahlungen angewendet werden. Der Vorsteuervergütungsbetrag sei ein Vermögenswert, der an den Treuhänder abzuführen ist, denn er stelle für einen selbständig tätigen Schuldner eine Einnahme dar, die mit der Erzielung seiner Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners rühre im Streitfall allein daraus her, dass er gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht Schuldner der auf seinen Leistungen ruhenden Umsatzsteuer ist, sodass in solchen Fällen zwangläufig ein Vorsteuerüberhang entstehe. Ein Schuldner, bei dem § 13b UStG eingreife, dürfe jedoch nicht schlechter gestellt werden als ein Schuldner, bei dem § 13b UStG nicht einschlägig ist.

5

Ferner stehe der Aufrechnung § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Dabei sei der Begriff Abkommen vor dem Hintergrund des Schutzzweckes dieser Vorschrift nicht nur auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, sondern erfasse jegliche Handlung des Insolvenzschuldners, die dazu beiträgt, dass hinter dem Rücken der anderen Gläubiger Vermögensverschiebungen vorgenommen werden können. In der Erbringung von Leistungen, die einen Vorsteuervergütungsanspruch zur Folge haben, liege eine solche Handlung des selbständig tätigen Insolvenzschuldners. Sondervorteil sei die dem Insolvenzgläubiger verschaffte Aufrechnungsmöglichkeit. Zudem werde die Befriedigung anderer Gläubiger infolge der Verringerung der Insolvenzmasse beeinträchtigt, wenn der Schuldner infolge der Aufrechnung nicht mehr in der Lage sei, an den Treuhänder Zahlungen in solcher Höhe zu leisten, wie sie sich aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergäben.

6

Überdies fehle es aber auch an der Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2008 (gemeint offenbar: IX ZB 182/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 3494) sei zu folgern, dass der BGH das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners als eine eigenständige Haftungsmasse ansehe, die von der vom Insolvenzbeschlag betroffenen Haftungsmasse getrennt sei. Jene neue Haftungsmasse stehe nur den Neugläubigern zu. Zu dieser ausschließlich den Neugläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse gehöre im Streitfall der Vorsteuervergütungsanspruch. Die Umsatzsteuerforderung des FA richte sich hingegen gegen das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich eines Neuerwerbs des Klägers bis zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden war.

7

Dem entspreche es, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99 (BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639) entschieden habe, dass Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden darf, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist. Derselbe Rechtsgedanke spiegele sich auch in der Entscheidung des BFH vom 7. April 2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) wider, wonach Steuerschulden, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.

8

Nur diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit dem Insolvenzrecht. Denn Zweck des Insolvenzverfahrens sei eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, denen das Gesetz als Haftungssubstrat neben der Alt- auch die sog. Neumasse zuweise. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO schließe --klarstellend-- die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Anderenfalls käme es durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer Bevorzugung des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse. Des Weiteren führe eine solche Aufrechnung zu einer Benachteiligung anderer Neugläubiger durch Minderung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse.

9

Die Revision rügt schließlich, dass durch die Betrachtungsweise des FA einem Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit unmöglich werde, weil er seine Forderungen nicht verwirklichen könne. Das gelte besonders in dem vorliegenden Fall, in dem die Auftraggeber des Klägers gemäß § 13b UStG Schuldner der Umsatzsteuer seien, sodass der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern angesichts erheblicher Insolvenzforderungen nicht verwirklichen könne.

10

Das FA weist darauf hin, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, aber auch alle sonstigen Ansprüche nach § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) nicht zu den an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase abgetretenen Forderungen gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Bei einem Vorsteuervergütungsanspruch handle es sich nicht um einen an den Treuhänder abgetretenen Anspruch (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391). Ein Vorsteuervergütungsanspruch entstehe durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch nicht zwangsläufig, wie der Kläger meine. Ihn anders als die Bezüge eines nichtselbständig tätigen Schuldners zu behandeln führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige das Risiko trage, seine Gläubiger wie durch eine angemessene nichtselbständige Tätigkeit befriedigen zu können, und er deshalb mit einem Nichtselbständigen nicht zu vergleichen sei.

11

Auch § 294 Abs. 2 InsO sei nicht einschlägig. Zwar sei im Schrifttum umstritten, ob "Abkommen" im Sinne dieser Vorschrift nicht auch einseitige Rechtsgeschäfte sein könnten. Diese seien indes durch die in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelten Obliegenheiten erfasst. Es könne dem in der Wohlverhaltensphase befindlichen Selbständigen aufgrund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch nicht angelastet werden, von wem er Aufträge akquiriere.

12

Es fehle schließlich auch an einer Obliegenheitsverletzung, in deren Folge das den Gläubigern zur Verfügung zu stellende Vermögen geschmälert worden ist. § 294 Abs. 3 InsO schließe nicht jegliche Aufrechnung aus. § 295 Abs. 2 InsO verlange lediglich von dem Schuldner, durch seine selbständige Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen und dieses an den Treuhänder abzuführen; ob und in welcher Höhe darin Vorsteuervergütungen enthalten sind, sei ohne Belang.

13

Auch die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sei gegeben, da der Steuervergütungsanspruch des Klägers aus dem sog. Neuerwerb wegen der bedingungslosen Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter zustehe und der Kläger zugleich Schuldner der rückständigen Umsatzsteuer sei. Der Betrachtung des Klägers über die getrennten Haftungsmassen sei nicht zu folgen. Der Kläger sei Beteiligter des Steuerschuldverhältnisses sowohl in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie nach Freigabe von Vermögensgegenständen aus dem Verfahren. Ob das Verfahren als solches aufgehoben worden sei, sei dabei ohne Bedeutung.

Entscheidungsgründe

14

II. Der erkennende Senat kann gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Revision des Klägers nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

15

Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden. Es besteht auch kein Aufrechnungsverbot.

16

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass dem Kläger ein Umsatzsteuervergütungsanspruch aus der Festsetzung für Mai 2005 zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA für Januar und Februar 2003 --also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren vgl. § 94 InsO) vorlagen. Dass der Kläger Schuldner und Gläubiger vorgenannter Forderungen ungeachtet ihrer Entstehung vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist --und diese deshalb nicht etwa verschiedenen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen sind--, ist vom FG eingehend und zutreffend dargelegt worden; dem ist nichts hinzuzufügen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639).

17

2. Es fehlt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb an der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung, weil das FA dem Kläger Umsatzsteuervergütung schuldet, ohne dass dessen Forderung wie sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterläge, die Gegenforderungen des FA hingegen Insolvenzforderungen sind, also solche, die --vorbehaltlich der Möglichkeit einer Aufrechnung-- nach Maßgabe des Verteilungsplans aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.

18

Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hat, dass das Vermögen des Schuldners in zwei Teilmassen aufgeteilt wird, die einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der Schuldner über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen und aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Forderungen nicht mehr begründen kann (§ 80 Abs. 1 InsO) und dass seine Gläubiger weder wegen vor noch wegen während des Verfahrens begründeter Forderungen in die Insolvenzmasse vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO).

19

Unbeschadet der an diesen Vorschriften deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen, die der InsO zugrunde liegt (vgl. dazu u.a. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 65 passim; Blersch/von Olshausen in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 96 Rz 14; Kübler in Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz 58), enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen, wie die Revision offenbar meint. Eine solche Folgerung ziehen aber selbst vorgenannte Schrifttumsstimmen trotz der Betonung der sog. separatio bonorum nicht, wenn auch mitunter § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO lediglich deklaratorische Bedeutung beigelegt wird (vgl. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., m.w.N.). Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, ist deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig.

20

Etwas anderes lässt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aus dem Beschluss des BGH in NJW 2008, 3494 herleiten. Das von der Revision ferner in diesem Zusammenhang angeführte BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 betrifft die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Veranlagung und ist schon deshalb für die Frage der Aufrechenbarkeit aus einer solchen Veranlagung herrührender Forderungen nicht ergiebig, das BFH-Urteil in BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 deshalb nicht, weil es ausschließlich auf der Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beruht, um den es hier nicht geht. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht näher zu erörtern, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Obermair, Der Neuerwerb - eine unendliche Geschichte, Deutsches Steuerrecht 2005, 1561; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 822; Voigt/Gerke, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2002, 1054), folgen könnte.

21

3. Der vom FA erklärten Aufrechnung steht, anders als die Revision meint, kein Aufrechnungsverbot entgegen, sodass die Aufrechnung des FA wirksam und der angefochtene Bescheid mithin rechtmäßig ist.

22

a) Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote sind --sieht man von den in § 95 InsO enthaltenen Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis ab, die hier offenkundig nicht einschlägig sind-- in § 96 Abs. 1 InsO geregelt. Von den dort aufgeführten vier Verboten kann im Streitfall vornehmlich das erste in Betracht gezogen werden, welches das FG geprüft und mit Recht für nicht anwendbar gehalten hat. Denn § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall ist das FA indes den vom Kläger erworbenen Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat --wirksam-- die vom Kläger durch die von ihm während des Insolvenzverfahrens neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag --abweichend von § 35 Halbsatz 2 InsO a.F.-- freigegeben. Deshalb fällt der strittige Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.

23

Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA in der Wohlverhaltensphase befand, wovon das FG und die Beteiligten ausgehen, und ob das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jenem Zeitpunkt noch andauerte, ist in diesem Zusammenhang ohne jede erkennbare Bedeutung. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren --vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO-- unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die hier in Betracht gezogen werden könnten. Dass sich aus § 294 Abs. 1 InsO, der Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners verbietet, kein Aufrechnungsverbot ergibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil des Senats vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272).

24

b) Im Verfahren der Restschuldbefreiung sind allerdings Forderungen des Schuldners unter Umständen einer Aufrechnung deshalb entzogen, weil dieser sie gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO an einen vom Gericht für das Verfahren bestellten Treuhänder abgetreten hat und § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnungsmöglichkeiten insofern einschränkt. Wie sich aus jener Vorschrift ergibt, bezieht sich die Abtretung allerdings nur auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dass unter diese Begriffe Umsatzsteuervergütungsansprüche nicht fallen, bedarf keiner näheren Ausführung.

25

Anders als die Revision meint, kann jene Vorschrift auch nicht entsprechend auf Einnahmen eines Schuldners angewandt werden, der als selbständig Tätiger keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder sonstige laufende Bezüge i.S. des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat, aber --weil das so ist-- gemäß § 295 Abs. 2 InsO von seinen Einnahmen etwas abführen muss, was dem entspricht, was er bei Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche Analogie muss hinsichtlich eines Steuervergütungsanspruchs schon daran scheitern, dass sich die Abführungspflicht in keiner Weise gegenständlich auf einen solchen vom Schuldner erlangten Anspruch beziehen lässt, ja überhaupt nicht unmittelbar auf die Einnahmen des Schuldners bezogen ist, sondern auf dessen fiktive Einnahmen aus einer anderen (nichtselbständigen) Tätigkeit. Der Schuldner wird deshalb seiner Pflicht auch nicht ledig, weil er eine Einnahme infolge einer Aufrechnung des FA verliert, sondern muss, wenn ihn das zur Erfüllung jener Pflicht außer Stande setzen sollte, wie es die Revision in Erwägung zieht, von der betreffenden selbständigen Tätigkeit Abstand nehmen.

26

c) Dass es eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit eines Insolvenzschuldners erleichterte, wenn dieser davor sicher wäre, dass sein Schuldner nicht seine nicht befriedigten Forderungen gegen etwaige durch jene Tätigkeit erworbene Forderungen aufrechnet, und dass er daran insbesondere im Verhältnis zum FA ein Interesse hat, weil er es insoweit nicht in der Hand hat, sich den Schuldner selbst auszusuchen und dadurch eine solche Aufrechnungslage nicht entstehen zu lassen, hat den Gesetzgeber nicht veranlasst, vorgenannte Umsatzsteuervergütungsansprüche in die Abtretung an den Treuhänder einzubeziehen oder insoweit ein Aufrechnungsverbot aufzustellen. Dabei muss es jedenfalls de lege lata bewenden. Eine solche Zwangslage, Forderungen gegenüber aufrechnungsbefugten Altgläubigern begründen zu müssen, kann im Übrigen nicht nur im Verhältnis zum FA auftreten, weshalb umso weniger angenommen werden kann, der Gesetzgeber der InsO habe unabsichtlich versäumt, den Insolvenzschuldner insofern gegen eine Aufrechnung zu schützen.

27

d) Die Überlegung der Revision schließlich, die Insolvenzgläubiger sollten durch Verteilung der Insolvenzmasse, also des bei Eröffnung des Verfahrens vorhandenen Vermögens des Insolvenzschuldners zuzüglich des von ihm --ohne eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter-- im Verfahren Hinzuerworbenen, befriedigt werden, vermag an alledem nichts zu ändern. Unbeschadet dieses die InsO in der Tat prägenden Grundgedankens ist, wie ausgeführt, Insolvenzgläubigern ebenso wie Neugläubigern eine Aufrechnung im Rahmen der vorgenannten Bestimmungen nicht verwehrt; jene sind dadurch ähnlich privilegiert wie Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO), durch deren Vorzugsrechte ebenso im Ergebnis eine Schmälerung der Insolvenzmasse eintritt, worin sich nur umso mehr zeigt, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (nur) aus der Insolvenzmasse (zahlreiche) Durchbrechungen kennt. Auch dass Vorsteuer, die durch Verwaltung des mit dem Insolvenzbeschlag belegten Vermögens angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden kann, die für den freigegebenen Unternehmensteil anzusetzen ist (so BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639), lässt nicht die Schlussfolgerung zu, gegen den vom Insolvenzbeschlag nicht umfassten Vergütungsanspruch des Klägers könnten Insolvenzforderungen nicht aufgerechnet werden. Einer solchen Schlussfolgerung steht auch entgegen, dass jenes Urteil nicht die Verrechnung mit Insolvenzforderungen, sondern mit Masseforderungen betrifft; es beruht also auf dem Gedanken, dass die Masse erhalten werden muss und nicht vor der Verteilung durch eine freigegebene Tätigkeit des Insolvenzschuldners geschmälert werden darf. Darum geht es hier nicht, weil die vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung die Masse nicht schmälert, sondern im Gegenteil mittelbar stärkt, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen des FA führt und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugute käme.

28

e) Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO steht der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Er schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Hier geht es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann. Warum auf diesen Fall vorgenannte Vorschrift sollte entsprechend angewandt werden können, erschließt sich nicht; es erschließt sich weder unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, es komme anderenfalls durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer "Bevorzugung" des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse, noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Aufrechnung andere Neugläubiger durch Minderung der für sie verbleibenden Haftungsmasse "benachteilige". Denn die Revision scheint zu verkennen, dass es zu den typischen Wirkungen bestehender Aufrechnungslagen gehört, dem Gläubiger in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer gleichsam abgesonderten Befriedigung zu verschaffen --welche auch sonst bei entsprechender Berechtigung sogar eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse ermöglichte--. Die Revision berücksichtigt ebenso wenig, dass jene "Bevorzugung" von Altgläubigern, die dem Schuldner etwas während des Verfahrens schuldig werden, vom Gesetzgeber, der sich --abweichend von der früheren Konkursordnung-- für den Insolvenzbeschlag auch des Neuerwerbs entschieden hat, in Kauf genommen worden ist, obwohl sie die Möglichkeiten des Schuldners, (für eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel unabdingbare) neue Schulden zu begründen, zu beeinträchtigen geeignet ist; dagegen fällt die von der Revision beklagte Beeinträchtigung des gemäß § 13b UStG von Umsatzsteuerschuldnerschaft verschonten --jedoch einer Aufrechnung des FA gegen dadurch wahrscheinliche Vergütungsansprüche ausgesetzten-- Schuldners schwerlich ins Gewicht.

29

f) Schließlich hält die Revision der vom FA erklärten Aufrechnung zu Unrecht § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Denn selbst wenn man diese Vorschrift auch auf einseitige Rechtsgeschäfte des Schuldners sollte anwenden müssen, fehlt es doch daran, dass der Schuldner die strittige Aufrechnungslage nicht aufgrund seines freien Beliebens geschaffen und dem FA dadurch einen Vorteil "verschafft" hat. Diese ist vielmehr die gesetzliche Folge der vom Schuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit abgeschlossenen Geschäfte, woran auch nichts ändert, dass infolge der in § 13b UStG getroffenen Regelung ihr Eintritt nur umso wahrscheinlicher oder sogar, wie die Revision meint, zwangsläufig ist. Dass § 294 Abs. 2 InsO gleichsam ein Gebot an den Schuldner richtet, alles zu unterlassen, was eine Aufrechnungslage zur Folge hat --etwa auch die Erbringung einer entgeltlichen Leistung an einen Altgläubiger ohne Vorkasse--, ist der Vorschrift schwerlich zu entnehmen.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde in 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihren bisherigen Gewerbebetrieb meldete die Klägerin daraufhin ab, gründete aber mit Zustimmung des Insolvenzverwalters ein neues Unternehmen. Der Insolvenzverwalter gab gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) an, dass die Klägerin über die Einnahmen aus ihrer neuen selbstständigen Tätigkeit verfügen könne, da eine Abtretung für die den Pfändungsfreibetrag übersteigenden Beträge vorliege. Außerdem erklärte er sowohl dem FA als auch der Klägerin, dass es sich bei dem neuen Gewerbebetrieb um insolvenzfreies Vermögen handele.

2

Aus den die neue selbstständige Tätigkeit betreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen für August und Oktober 2003 ergaben sich Erstattungsbeträge von insgesamt … €, die das FA mit Umsatzsteuerschulden der Klägerin aus ihrer Tätigkeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnete und worüber es auf Antrag der Klägerin einen entsprechenden Abrechnungsbescheid erteilte.

3

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es urteilte, ein Aufrechnungsverbot habe nicht bestanden, weil die Erstattungsansprüche der Klägerin nicht zur Insolvenzmasse, sondern zum insolvenzfreien Vermögen der Klägerin gehörten. Zum einen habe die Klägerin keine zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände für ihr neues Unternehmen verwendet, weil solche Gegenstände bereits frühzeitig vom Insolvenzverwalter verwertet gewesen seien. Außerdem habe dieser nach den von ihm abgegebenen Erklärungen den neuen Gewerbebetrieb der Klägerin bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens freigegeben. Damit sei dieser aus der Insolvenzmasse ausgeschieden mit der Folge, dass auch mit diesem Unternehmen erworbene Vermögensgegenstände und Forderungen nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst worden seien.

4

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

6

1. Der beschließende Senat hat bereits entschieden, dass Steuererstattungsansprüche des Insolvenzschuldners, welche dieser im Rahmen einer aus dem Insolvenzbeschlag freigegebenen gewerblichen Tätigkeit erworben hat, nicht in die Insolvenzmasse fallen und somit keine insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote einer vom Finanzamt erklärten Aufrechnung gegen solche Ansprüche mit vorinsolvenzlichen Steuerforderungen entgegenstehen (Senatsbeschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336). Von jenem Fall unterscheidet sich der Streitfall nicht, weil das FG die Erklärungen des Insolvenzverwalters dahin gewürdigt hat, dass dieser das neue Unternehmen der Klägerin bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens freigegeben hatte, woraus das FG geschlossen hat, dass dieses Unternehmen sowie die mit diesem erworbenen Forderungen der Klägerin von Anfang an nicht zur Insolvenzmasse gehörten.

7

Der Streitfall wirft auch keine weiteren, bisher nicht beantworteten Rechtsfragen auf, deren Klärung zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Es erschließt sich nicht, weshalb das Vorliegen eines insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbots von der Frage abhängt, "was jetzt eigentlich eine Freigabe eines selbstständigen Gewerbebetriebs aus der Insolvenzmasse zivilrechtlich bewirkt und zu welchem Zeitpunkt". Soweit der Beschwerdebegründung sinngemäß die Auffassung zu entnehmen ist, dass die vom Insolvenzverwalter erklärte Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners wie eine Vorausabtretung künftiger, im Rahmen dieser neuen Tätigkeit erworbener Forderungen zu behandeln ist, diese Forderungen für eine logische Sekunde in die Insolvenzmasse fallen und damit in analoger Anwendung des § 401 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit dem Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) verbunden bleiben, ist dieser Ansicht nicht zu folgen, was keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Forderungen, die während des Insolvenzverfahrens im Rahmen einer freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erworben werden, sind dem Schuldner nicht vom Insolvenzverwalter im Voraus abgetreten. Vielmehr handelt es sich --ebenso wie bei außerhalb dieser selbstständigen Tätigkeit erworbenen Forderungen-- von Anfang an um solche des Schuldners, die keiner Abtretung von Seiten des Insolvenzverwalters bedürfen. Für die Frage, ob hinsichtlich solcher Forderungen ein von ihrem jeweiligen Schuldner zu beachtendes Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht, kommt es nur darauf an, ob die betreffenden Forderungen zur Insolvenzmasse gehören. Bei Forderungen, die im Rahmen einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erworben werden, ist dies --wie sich aus dem vorgenannten Senatsbeschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336 ergibt-- nicht der Fall. Solche Forderungen unterliegen ebenso wenig dem Insolvenzbeschlag wie die für die selbstständige Tätigkeit freigegebenen Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners, ohne dass zuvor ein "Durchgangserwerb durch die Masse" stattfindet. Für eine analoge Anwendung der die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen betreffenden §§ 401 ff. BGB ist daher kein Raum.

8

2. Die ordnungsgemäße Erhebung einer Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482, und vom 11. September 2003 X B 103/02, BFH/NV 2004, 180). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Im Übrigen ist eine Abweichung des FG-Urteils von den seitens der Beschwerde bezeichneten Urteilen des Bundesgerichtshofs auch nicht erkennbar. In keiner dieser Entscheidungen ist die Rede davon, dass die mit der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners verbundene Freigabe der durch diese Tätigkeit erworbenen Forderungen im Wege der Vorausabtretung stattfindet oder dass solche Forderungen für eine logische Sekunde in die Insolvenzmasse fallen.

9

3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde meint lediglich, dass das FG die Erklärungen des Insolvenzverwalters nicht als eindeutige Freigabe der selbstständigen Tätigkeit und der in diesem Rahmen erworbenen Forderungen hätte ansehen dürfen.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit September 2003 ein Insolvenzverfahren anhängig. Steuerforderungen aus vorinsolvenzlicher Zeit in Höhe von rd. 8.700 € sind offen. Seit März 2005 betreibt der Kläger wieder ein Einzelunternehmen. Der Insolvenzverwalter hat alle hierfür benötigten Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Für Mai 2005 hat der Kläger aufgrund eines hohen Vorsteuerabzugs einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe von rd. 4.140 € erworben. Gegen diesen Anspruch hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit seinen Umsatzsteuerforderungen für Januar und Februar 2003 erklärt und in dem in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers dadurch erloschen sei.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1485 veröffentlichte Urteil abgewiesen. In dem Urteil heißt es, der Aufrechnung stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen, weil der Vergütungsanspruch aufgrund der Freigabe nicht in die Insolvenzmasse falle. Die durch § 294 Abs. 3 InsO für die Wohlverhaltensphase angeordnete Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern greife nicht ein, das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO sei mit einem Aufrechnungsverbot nicht gleichzusetzen.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung des materiellen Rechts rügt. Das FG habe übersehen, dass eine Aufrechnung in den Grenzen des § 294 InsO erst dann wieder möglich sei, wenn das Insolvenzverfahren auf-gehoben ist. Das sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Der vom FA erklärten Aufrechnung stehe einstweilen das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO entgegen.

4

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO, dass der selbständig tätige Schuldner durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, habe bei einem selbständig Tätigen dieselbe Funktion wie § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO bei einem nichtselbständigen Schuldner. Daher müsse das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO, das die Aufrechnung von der Abtretungserklärung erfasster Bezüge gegen den Schuldner grundsätzlich verbietet, analog auf die von einem Selbständigen an den Treuhänder zu leistenden Zahlungen angewendet werden. Der Vorsteuervergütungsbetrag sei ein Vermögenswert, der an den Treuhänder abzuführen ist, denn er stelle für einen selbständig tätigen Schuldner eine Einnahme dar, die mit der Erzielung seiner Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners rühre im Streitfall allein daraus her, dass er gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht Schuldner der auf seinen Leistungen ruhenden Umsatzsteuer ist, sodass in solchen Fällen zwangläufig ein Vorsteuerüberhang entstehe. Ein Schuldner, bei dem § 13b UStG eingreife, dürfe jedoch nicht schlechter gestellt werden als ein Schuldner, bei dem § 13b UStG nicht einschlägig ist.

5

Ferner stehe der Aufrechnung § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Dabei sei der Begriff Abkommen vor dem Hintergrund des Schutzzweckes dieser Vorschrift nicht nur auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, sondern erfasse jegliche Handlung des Insolvenzschuldners, die dazu beiträgt, dass hinter dem Rücken der anderen Gläubiger Vermögensverschiebungen vorgenommen werden können. In der Erbringung von Leistungen, die einen Vorsteuervergütungsanspruch zur Folge haben, liege eine solche Handlung des selbständig tätigen Insolvenzschuldners. Sondervorteil sei die dem Insolvenzgläubiger verschaffte Aufrechnungsmöglichkeit. Zudem werde die Befriedigung anderer Gläubiger infolge der Verringerung der Insolvenzmasse beeinträchtigt, wenn der Schuldner infolge der Aufrechnung nicht mehr in der Lage sei, an den Treuhänder Zahlungen in solcher Höhe zu leisten, wie sie sich aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergäben.

6

Überdies fehle es aber auch an der Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2008 (gemeint offenbar: IX ZB 182/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 3494) sei zu folgern, dass der BGH das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners als eine eigenständige Haftungsmasse ansehe, die von der vom Insolvenzbeschlag betroffenen Haftungsmasse getrennt sei. Jene neue Haftungsmasse stehe nur den Neugläubigern zu. Zu dieser ausschließlich den Neugläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse gehöre im Streitfall der Vorsteuervergütungsanspruch. Die Umsatzsteuerforderung des FA richte sich hingegen gegen das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich eines Neuerwerbs des Klägers bis zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden war.

7

Dem entspreche es, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99 (BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639) entschieden habe, dass Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden darf, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist. Derselbe Rechtsgedanke spiegele sich auch in der Entscheidung des BFH vom 7. April 2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) wider, wonach Steuerschulden, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.

8

Nur diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit dem Insolvenzrecht. Denn Zweck des Insolvenzverfahrens sei eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, denen das Gesetz als Haftungssubstrat neben der Alt- auch die sog. Neumasse zuweise. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO schließe --klarstellend-- die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Anderenfalls käme es durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer Bevorzugung des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse. Des Weiteren führe eine solche Aufrechnung zu einer Benachteiligung anderer Neugläubiger durch Minderung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse.

9

Die Revision rügt schließlich, dass durch die Betrachtungsweise des FA einem Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit unmöglich werde, weil er seine Forderungen nicht verwirklichen könne. Das gelte besonders in dem vorliegenden Fall, in dem die Auftraggeber des Klägers gemäß § 13b UStG Schuldner der Umsatzsteuer seien, sodass der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern angesichts erheblicher Insolvenzforderungen nicht verwirklichen könne.

10

Das FA weist darauf hin, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, aber auch alle sonstigen Ansprüche nach § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) nicht zu den an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase abgetretenen Forderungen gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Bei einem Vorsteuervergütungsanspruch handle es sich nicht um einen an den Treuhänder abgetretenen Anspruch (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391). Ein Vorsteuervergütungsanspruch entstehe durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch nicht zwangsläufig, wie der Kläger meine. Ihn anders als die Bezüge eines nichtselbständig tätigen Schuldners zu behandeln führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige das Risiko trage, seine Gläubiger wie durch eine angemessene nichtselbständige Tätigkeit befriedigen zu können, und er deshalb mit einem Nichtselbständigen nicht zu vergleichen sei.

11

Auch § 294 Abs. 2 InsO sei nicht einschlägig. Zwar sei im Schrifttum umstritten, ob "Abkommen" im Sinne dieser Vorschrift nicht auch einseitige Rechtsgeschäfte sein könnten. Diese seien indes durch die in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelten Obliegenheiten erfasst. Es könne dem in der Wohlverhaltensphase befindlichen Selbständigen aufgrund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch nicht angelastet werden, von wem er Aufträge akquiriere.

12

Es fehle schließlich auch an einer Obliegenheitsverletzung, in deren Folge das den Gläubigern zur Verfügung zu stellende Vermögen geschmälert worden ist. § 294 Abs. 3 InsO schließe nicht jegliche Aufrechnung aus. § 295 Abs. 2 InsO verlange lediglich von dem Schuldner, durch seine selbständige Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen und dieses an den Treuhänder abzuführen; ob und in welcher Höhe darin Vorsteuervergütungen enthalten sind, sei ohne Belang.

13

Auch die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sei gegeben, da der Steuervergütungsanspruch des Klägers aus dem sog. Neuerwerb wegen der bedingungslosen Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter zustehe und der Kläger zugleich Schuldner der rückständigen Umsatzsteuer sei. Der Betrachtung des Klägers über die getrennten Haftungsmassen sei nicht zu folgen. Der Kläger sei Beteiligter des Steuerschuldverhältnisses sowohl in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie nach Freigabe von Vermögensgegenständen aus dem Verfahren. Ob das Verfahren als solches aufgehoben worden sei, sei dabei ohne Bedeutung.

Entscheidungsgründe

14

II. Der erkennende Senat kann gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Revision des Klägers nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

15

Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden. Es besteht auch kein Aufrechnungsverbot.

16

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass dem Kläger ein Umsatzsteuervergütungsanspruch aus der Festsetzung für Mai 2005 zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA für Januar und Februar 2003 --also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren vgl. § 94 InsO) vorlagen. Dass der Kläger Schuldner und Gläubiger vorgenannter Forderungen ungeachtet ihrer Entstehung vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist --und diese deshalb nicht etwa verschiedenen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen sind--, ist vom FG eingehend und zutreffend dargelegt worden; dem ist nichts hinzuzufügen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639).

17

2. Es fehlt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb an der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung, weil das FA dem Kläger Umsatzsteuervergütung schuldet, ohne dass dessen Forderung wie sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterläge, die Gegenforderungen des FA hingegen Insolvenzforderungen sind, also solche, die --vorbehaltlich der Möglichkeit einer Aufrechnung-- nach Maßgabe des Verteilungsplans aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.

18

Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hat, dass das Vermögen des Schuldners in zwei Teilmassen aufgeteilt wird, die einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der Schuldner über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen und aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Forderungen nicht mehr begründen kann (§ 80 Abs. 1 InsO) und dass seine Gläubiger weder wegen vor noch wegen während des Verfahrens begründeter Forderungen in die Insolvenzmasse vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO).

19

Unbeschadet der an diesen Vorschriften deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen, die der InsO zugrunde liegt (vgl. dazu u.a. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 65 passim; Blersch/von Olshausen in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 96 Rz 14; Kübler in Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz 58), enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen, wie die Revision offenbar meint. Eine solche Folgerung ziehen aber selbst vorgenannte Schrifttumsstimmen trotz der Betonung der sog. separatio bonorum nicht, wenn auch mitunter § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO lediglich deklaratorische Bedeutung beigelegt wird (vgl. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., m.w.N.). Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, ist deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig.

20

Etwas anderes lässt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aus dem Beschluss des BGH in NJW 2008, 3494 herleiten. Das von der Revision ferner in diesem Zusammenhang angeführte BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 betrifft die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Veranlagung und ist schon deshalb für die Frage der Aufrechenbarkeit aus einer solchen Veranlagung herrührender Forderungen nicht ergiebig, das BFH-Urteil in BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 deshalb nicht, weil es ausschließlich auf der Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beruht, um den es hier nicht geht. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht näher zu erörtern, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Obermair, Der Neuerwerb - eine unendliche Geschichte, Deutsches Steuerrecht 2005, 1561; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 822; Voigt/Gerke, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2002, 1054), folgen könnte.

21

3. Der vom FA erklärten Aufrechnung steht, anders als die Revision meint, kein Aufrechnungsverbot entgegen, sodass die Aufrechnung des FA wirksam und der angefochtene Bescheid mithin rechtmäßig ist.

22

a) Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote sind --sieht man von den in § 95 InsO enthaltenen Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis ab, die hier offenkundig nicht einschlägig sind-- in § 96 Abs. 1 InsO geregelt. Von den dort aufgeführten vier Verboten kann im Streitfall vornehmlich das erste in Betracht gezogen werden, welches das FG geprüft und mit Recht für nicht anwendbar gehalten hat. Denn § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall ist das FA indes den vom Kläger erworbenen Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat --wirksam-- die vom Kläger durch die von ihm während des Insolvenzverfahrens neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag --abweichend von § 35 Halbsatz 2 InsO a.F.-- freigegeben. Deshalb fällt der strittige Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.

23

Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA in der Wohlverhaltensphase befand, wovon das FG und die Beteiligten ausgehen, und ob das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jenem Zeitpunkt noch andauerte, ist in diesem Zusammenhang ohne jede erkennbare Bedeutung. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren --vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO-- unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die hier in Betracht gezogen werden könnten. Dass sich aus § 294 Abs. 1 InsO, der Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners verbietet, kein Aufrechnungsverbot ergibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil des Senats vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272).

24

b) Im Verfahren der Restschuldbefreiung sind allerdings Forderungen des Schuldners unter Umständen einer Aufrechnung deshalb entzogen, weil dieser sie gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO an einen vom Gericht für das Verfahren bestellten Treuhänder abgetreten hat und § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnungsmöglichkeiten insofern einschränkt. Wie sich aus jener Vorschrift ergibt, bezieht sich die Abtretung allerdings nur auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dass unter diese Begriffe Umsatzsteuervergütungsansprüche nicht fallen, bedarf keiner näheren Ausführung.

25

Anders als die Revision meint, kann jene Vorschrift auch nicht entsprechend auf Einnahmen eines Schuldners angewandt werden, der als selbständig Tätiger keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder sonstige laufende Bezüge i.S. des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat, aber --weil das so ist-- gemäß § 295 Abs. 2 InsO von seinen Einnahmen etwas abführen muss, was dem entspricht, was er bei Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche Analogie muss hinsichtlich eines Steuervergütungsanspruchs schon daran scheitern, dass sich die Abführungspflicht in keiner Weise gegenständlich auf einen solchen vom Schuldner erlangten Anspruch beziehen lässt, ja überhaupt nicht unmittelbar auf die Einnahmen des Schuldners bezogen ist, sondern auf dessen fiktive Einnahmen aus einer anderen (nichtselbständigen) Tätigkeit. Der Schuldner wird deshalb seiner Pflicht auch nicht ledig, weil er eine Einnahme infolge einer Aufrechnung des FA verliert, sondern muss, wenn ihn das zur Erfüllung jener Pflicht außer Stande setzen sollte, wie es die Revision in Erwägung zieht, von der betreffenden selbständigen Tätigkeit Abstand nehmen.

26

c) Dass es eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit eines Insolvenzschuldners erleichterte, wenn dieser davor sicher wäre, dass sein Schuldner nicht seine nicht befriedigten Forderungen gegen etwaige durch jene Tätigkeit erworbene Forderungen aufrechnet, und dass er daran insbesondere im Verhältnis zum FA ein Interesse hat, weil er es insoweit nicht in der Hand hat, sich den Schuldner selbst auszusuchen und dadurch eine solche Aufrechnungslage nicht entstehen zu lassen, hat den Gesetzgeber nicht veranlasst, vorgenannte Umsatzsteuervergütungsansprüche in die Abtretung an den Treuhänder einzubeziehen oder insoweit ein Aufrechnungsverbot aufzustellen. Dabei muss es jedenfalls de lege lata bewenden. Eine solche Zwangslage, Forderungen gegenüber aufrechnungsbefugten Altgläubigern begründen zu müssen, kann im Übrigen nicht nur im Verhältnis zum FA auftreten, weshalb umso weniger angenommen werden kann, der Gesetzgeber der InsO habe unabsichtlich versäumt, den Insolvenzschuldner insofern gegen eine Aufrechnung zu schützen.

27

d) Die Überlegung der Revision schließlich, die Insolvenzgläubiger sollten durch Verteilung der Insolvenzmasse, also des bei Eröffnung des Verfahrens vorhandenen Vermögens des Insolvenzschuldners zuzüglich des von ihm --ohne eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter-- im Verfahren Hinzuerworbenen, befriedigt werden, vermag an alledem nichts zu ändern. Unbeschadet dieses die InsO in der Tat prägenden Grundgedankens ist, wie ausgeführt, Insolvenzgläubigern ebenso wie Neugläubigern eine Aufrechnung im Rahmen der vorgenannten Bestimmungen nicht verwehrt; jene sind dadurch ähnlich privilegiert wie Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO), durch deren Vorzugsrechte ebenso im Ergebnis eine Schmälerung der Insolvenzmasse eintritt, worin sich nur umso mehr zeigt, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (nur) aus der Insolvenzmasse (zahlreiche) Durchbrechungen kennt. Auch dass Vorsteuer, die durch Verwaltung des mit dem Insolvenzbeschlag belegten Vermögens angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden kann, die für den freigegebenen Unternehmensteil anzusetzen ist (so BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639), lässt nicht die Schlussfolgerung zu, gegen den vom Insolvenzbeschlag nicht umfassten Vergütungsanspruch des Klägers könnten Insolvenzforderungen nicht aufgerechnet werden. Einer solchen Schlussfolgerung steht auch entgegen, dass jenes Urteil nicht die Verrechnung mit Insolvenzforderungen, sondern mit Masseforderungen betrifft; es beruht also auf dem Gedanken, dass die Masse erhalten werden muss und nicht vor der Verteilung durch eine freigegebene Tätigkeit des Insolvenzschuldners geschmälert werden darf. Darum geht es hier nicht, weil die vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung die Masse nicht schmälert, sondern im Gegenteil mittelbar stärkt, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen des FA führt und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugute käme.

28

e) Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO steht der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Er schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Hier geht es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann. Warum auf diesen Fall vorgenannte Vorschrift sollte entsprechend angewandt werden können, erschließt sich nicht; es erschließt sich weder unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, es komme anderenfalls durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer "Bevorzugung" des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse, noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Aufrechnung andere Neugläubiger durch Minderung der für sie verbleibenden Haftungsmasse "benachteilige". Denn die Revision scheint zu verkennen, dass es zu den typischen Wirkungen bestehender Aufrechnungslagen gehört, dem Gläubiger in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer gleichsam abgesonderten Befriedigung zu verschaffen --welche auch sonst bei entsprechender Berechtigung sogar eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse ermöglichte--. Die Revision berücksichtigt ebenso wenig, dass jene "Bevorzugung" von Altgläubigern, die dem Schuldner etwas während des Verfahrens schuldig werden, vom Gesetzgeber, der sich --abweichend von der früheren Konkursordnung-- für den Insolvenzbeschlag auch des Neuerwerbs entschieden hat, in Kauf genommen worden ist, obwohl sie die Möglichkeiten des Schuldners, (für eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel unabdingbare) neue Schulden zu begründen, zu beeinträchtigen geeignet ist; dagegen fällt die von der Revision beklagte Beeinträchtigung des gemäß § 13b UStG von Umsatzsteuerschuldnerschaft verschonten --jedoch einer Aufrechnung des FA gegen dadurch wahrscheinliche Vergütungsansprüche ausgesetzten-- Schuldners schwerlich ins Gewicht.

29

f) Schließlich hält die Revision der vom FA erklärten Aufrechnung zu Unrecht § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Denn selbst wenn man diese Vorschrift auch auf einseitige Rechtsgeschäfte des Schuldners sollte anwenden müssen, fehlt es doch daran, dass der Schuldner die strittige Aufrechnungslage nicht aufgrund seines freien Beliebens geschaffen und dem FA dadurch einen Vorteil "verschafft" hat. Diese ist vielmehr die gesetzliche Folge der vom Schuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit abgeschlossenen Geschäfte, woran auch nichts ändert, dass infolge der in § 13b UStG getroffenen Regelung ihr Eintritt nur umso wahrscheinlicher oder sogar, wie die Revision meint, zwangsläufig ist. Dass § 294 Abs. 2 InsO gleichsam ein Gebot an den Schuldner richtet, alles zu unterlassen, was eine Aufrechnungslage zur Folge hat --etwa auch die Erbringung einer entgeltlichen Leistung an einen Altgläubiger ohne Vorkasse--, ist der Vorschrift schwerlich zu entnehmen.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit September 2003 ein Insolvenzverfahren anhängig. Steuerforderungen aus vorinsolvenzlicher Zeit in Höhe von rd. 8.700 € sind offen. Seit März 2005 betreibt der Kläger wieder ein Einzelunternehmen. Der Insolvenzverwalter hat alle hierfür benötigten Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Für Mai 2005 hat der Kläger aufgrund eines hohen Vorsteuerabzugs einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe von rd. 4.140 € erworben. Gegen diesen Anspruch hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit seinen Umsatzsteuerforderungen für Januar und Februar 2003 erklärt und in dem in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers dadurch erloschen sei.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1485 veröffentlichte Urteil abgewiesen. In dem Urteil heißt es, der Aufrechnung stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen, weil der Vergütungsanspruch aufgrund der Freigabe nicht in die Insolvenzmasse falle. Die durch § 294 Abs. 3 InsO für die Wohlverhaltensphase angeordnete Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern greife nicht ein, das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO sei mit einem Aufrechnungsverbot nicht gleichzusetzen.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung des materiellen Rechts rügt. Das FG habe übersehen, dass eine Aufrechnung in den Grenzen des § 294 InsO erst dann wieder möglich sei, wenn das Insolvenzverfahren auf-gehoben ist. Das sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Der vom FA erklärten Aufrechnung stehe einstweilen das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO entgegen.

4

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO, dass der selbständig tätige Schuldner durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, habe bei einem selbständig Tätigen dieselbe Funktion wie § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO bei einem nichtselbständigen Schuldner. Daher müsse das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO, das die Aufrechnung von der Abtretungserklärung erfasster Bezüge gegen den Schuldner grundsätzlich verbietet, analog auf die von einem Selbständigen an den Treuhänder zu leistenden Zahlungen angewendet werden. Der Vorsteuervergütungsbetrag sei ein Vermögenswert, der an den Treuhänder abzuführen ist, denn er stelle für einen selbständig tätigen Schuldner eine Einnahme dar, die mit der Erzielung seiner Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners rühre im Streitfall allein daraus her, dass er gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht Schuldner der auf seinen Leistungen ruhenden Umsatzsteuer ist, sodass in solchen Fällen zwangläufig ein Vorsteuerüberhang entstehe. Ein Schuldner, bei dem § 13b UStG eingreife, dürfe jedoch nicht schlechter gestellt werden als ein Schuldner, bei dem § 13b UStG nicht einschlägig ist.

5

Ferner stehe der Aufrechnung § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Dabei sei der Begriff Abkommen vor dem Hintergrund des Schutzzweckes dieser Vorschrift nicht nur auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, sondern erfasse jegliche Handlung des Insolvenzschuldners, die dazu beiträgt, dass hinter dem Rücken der anderen Gläubiger Vermögensverschiebungen vorgenommen werden können. In der Erbringung von Leistungen, die einen Vorsteuervergütungsanspruch zur Folge haben, liege eine solche Handlung des selbständig tätigen Insolvenzschuldners. Sondervorteil sei die dem Insolvenzgläubiger verschaffte Aufrechnungsmöglichkeit. Zudem werde die Befriedigung anderer Gläubiger infolge der Verringerung der Insolvenzmasse beeinträchtigt, wenn der Schuldner infolge der Aufrechnung nicht mehr in der Lage sei, an den Treuhänder Zahlungen in solcher Höhe zu leisten, wie sie sich aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergäben.

6

Überdies fehle es aber auch an der Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2008 (gemeint offenbar: IX ZB 182/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 3494) sei zu folgern, dass der BGH das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners als eine eigenständige Haftungsmasse ansehe, die von der vom Insolvenzbeschlag betroffenen Haftungsmasse getrennt sei. Jene neue Haftungsmasse stehe nur den Neugläubigern zu. Zu dieser ausschließlich den Neugläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse gehöre im Streitfall der Vorsteuervergütungsanspruch. Die Umsatzsteuerforderung des FA richte sich hingegen gegen das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich eines Neuerwerbs des Klägers bis zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden war.

7

Dem entspreche es, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99 (BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639) entschieden habe, dass Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden darf, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist. Derselbe Rechtsgedanke spiegele sich auch in der Entscheidung des BFH vom 7. April 2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) wider, wonach Steuerschulden, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.

8

Nur diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit dem Insolvenzrecht. Denn Zweck des Insolvenzverfahrens sei eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, denen das Gesetz als Haftungssubstrat neben der Alt- auch die sog. Neumasse zuweise. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO schließe --klarstellend-- die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Anderenfalls käme es durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer Bevorzugung des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse. Des Weiteren führe eine solche Aufrechnung zu einer Benachteiligung anderer Neugläubiger durch Minderung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse.

9

Die Revision rügt schließlich, dass durch die Betrachtungsweise des FA einem Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit unmöglich werde, weil er seine Forderungen nicht verwirklichen könne. Das gelte besonders in dem vorliegenden Fall, in dem die Auftraggeber des Klägers gemäß § 13b UStG Schuldner der Umsatzsteuer seien, sodass der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern angesichts erheblicher Insolvenzforderungen nicht verwirklichen könne.

10

Das FA weist darauf hin, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, aber auch alle sonstigen Ansprüche nach § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) nicht zu den an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase abgetretenen Forderungen gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Bei einem Vorsteuervergütungsanspruch handle es sich nicht um einen an den Treuhänder abgetretenen Anspruch (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391). Ein Vorsteuervergütungsanspruch entstehe durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch nicht zwangsläufig, wie der Kläger meine. Ihn anders als die Bezüge eines nichtselbständig tätigen Schuldners zu behandeln führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige das Risiko trage, seine Gläubiger wie durch eine angemessene nichtselbständige Tätigkeit befriedigen zu können, und er deshalb mit einem Nichtselbständigen nicht zu vergleichen sei.

11

Auch § 294 Abs. 2 InsO sei nicht einschlägig. Zwar sei im Schrifttum umstritten, ob "Abkommen" im Sinne dieser Vorschrift nicht auch einseitige Rechtsgeschäfte sein könnten. Diese seien indes durch die in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelten Obliegenheiten erfasst. Es könne dem in der Wohlverhaltensphase befindlichen Selbständigen aufgrund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch nicht angelastet werden, von wem er Aufträge akquiriere.

12

Es fehle schließlich auch an einer Obliegenheitsverletzung, in deren Folge das den Gläubigern zur Verfügung zu stellende Vermögen geschmälert worden ist. § 294 Abs. 3 InsO schließe nicht jegliche Aufrechnung aus. § 295 Abs. 2 InsO verlange lediglich von dem Schuldner, durch seine selbständige Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen und dieses an den Treuhänder abzuführen; ob und in welcher Höhe darin Vorsteuervergütungen enthalten sind, sei ohne Belang.

13

Auch die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sei gegeben, da der Steuervergütungsanspruch des Klägers aus dem sog. Neuerwerb wegen der bedingungslosen Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter zustehe und der Kläger zugleich Schuldner der rückständigen Umsatzsteuer sei. Der Betrachtung des Klägers über die getrennten Haftungsmassen sei nicht zu folgen. Der Kläger sei Beteiligter des Steuerschuldverhältnisses sowohl in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie nach Freigabe von Vermögensgegenständen aus dem Verfahren. Ob das Verfahren als solches aufgehoben worden sei, sei dabei ohne Bedeutung.

Entscheidungsgründe

14

II. Der erkennende Senat kann gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Revision des Klägers nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

15

Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden. Es besteht auch kein Aufrechnungsverbot.

16

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass dem Kläger ein Umsatzsteuervergütungsanspruch aus der Festsetzung für Mai 2005 zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA für Januar und Februar 2003 --also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren vgl. § 94 InsO) vorlagen. Dass der Kläger Schuldner und Gläubiger vorgenannter Forderungen ungeachtet ihrer Entstehung vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist --und diese deshalb nicht etwa verschiedenen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen sind--, ist vom FG eingehend und zutreffend dargelegt worden; dem ist nichts hinzuzufügen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639).

17

2. Es fehlt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb an der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung, weil das FA dem Kläger Umsatzsteuervergütung schuldet, ohne dass dessen Forderung wie sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterläge, die Gegenforderungen des FA hingegen Insolvenzforderungen sind, also solche, die --vorbehaltlich der Möglichkeit einer Aufrechnung-- nach Maßgabe des Verteilungsplans aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.

18

Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hat, dass das Vermögen des Schuldners in zwei Teilmassen aufgeteilt wird, die einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der Schuldner über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen und aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Forderungen nicht mehr begründen kann (§ 80 Abs. 1 InsO) und dass seine Gläubiger weder wegen vor noch wegen während des Verfahrens begründeter Forderungen in die Insolvenzmasse vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO).

19

Unbeschadet der an diesen Vorschriften deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen, die der InsO zugrunde liegt (vgl. dazu u.a. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 65 passim; Blersch/von Olshausen in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 96 Rz 14; Kübler in Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz 58), enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen, wie die Revision offenbar meint. Eine solche Folgerung ziehen aber selbst vorgenannte Schrifttumsstimmen trotz der Betonung der sog. separatio bonorum nicht, wenn auch mitunter § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO lediglich deklaratorische Bedeutung beigelegt wird (vgl. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., m.w.N.). Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, ist deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig.

20

Etwas anderes lässt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aus dem Beschluss des BGH in NJW 2008, 3494 herleiten. Das von der Revision ferner in diesem Zusammenhang angeführte BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 betrifft die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Veranlagung und ist schon deshalb für die Frage der Aufrechenbarkeit aus einer solchen Veranlagung herrührender Forderungen nicht ergiebig, das BFH-Urteil in BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 deshalb nicht, weil es ausschließlich auf der Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beruht, um den es hier nicht geht. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht näher zu erörtern, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Obermair, Der Neuerwerb - eine unendliche Geschichte, Deutsches Steuerrecht 2005, 1561; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 822; Voigt/Gerke, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2002, 1054), folgen könnte.

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3. Der vom FA erklärten Aufrechnung steht, anders als die Revision meint, kein Aufrechnungsverbot entgegen, sodass die Aufrechnung des FA wirksam und der angefochtene Bescheid mithin rechtmäßig ist.

22

a) Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote sind --sieht man von den in § 95 InsO enthaltenen Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis ab, die hier offenkundig nicht einschlägig sind-- in § 96 Abs. 1 InsO geregelt. Von den dort aufgeführten vier Verboten kann im Streitfall vornehmlich das erste in Betracht gezogen werden, welches das FG geprüft und mit Recht für nicht anwendbar gehalten hat. Denn § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall ist das FA indes den vom Kläger erworbenen Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat --wirksam-- die vom Kläger durch die von ihm während des Insolvenzverfahrens neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag --abweichend von § 35 Halbsatz 2 InsO a.F.-- freigegeben. Deshalb fällt der strittige Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.

23

Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA in der Wohlverhaltensphase befand, wovon das FG und die Beteiligten ausgehen, und ob das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jenem Zeitpunkt noch andauerte, ist in diesem Zusammenhang ohne jede erkennbare Bedeutung. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren --vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO-- unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die hier in Betracht gezogen werden könnten. Dass sich aus § 294 Abs. 1 InsO, der Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners verbietet, kein Aufrechnungsverbot ergibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil des Senats vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272).

24

b) Im Verfahren der Restschuldbefreiung sind allerdings Forderungen des Schuldners unter Umständen einer Aufrechnung deshalb entzogen, weil dieser sie gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO an einen vom Gericht für das Verfahren bestellten Treuhänder abgetreten hat und § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnungsmöglichkeiten insofern einschränkt. Wie sich aus jener Vorschrift ergibt, bezieht sich die Abtretung allerdings nur auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dass unter diese Begriffe Umsatzsteuervergütungsansprüche nicht fallen, bedarf keiner näheren Ausführung.

25

Anders als die Revision meint, kann jene Vorschrift auch nicht entsprechend auf Einnahmen eines Schuldners angewandt werden, der als selbständig Tätiger keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder sonstige laufende Bezüge i.S. des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat, aber --weil das so ist-- gemäß § 295 Abs. 2 InsO von seinen Einnahmen etwas abführen muss, was dem entspricht, was er bei Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche Analogie muss hinsichtlich eines Steuervergütungsanspruchs schon daran scheitern, dass sich die Abführungspflicht in keiner Weise gegenständlich auf einen solchen vom Schuldner erlangten Anspruch beziehen lässt, ja überhaupt nicht unmittelbar auf die Einnahmen des Schuldners bezogen ist, sondern auf dessen fiktive Einnahmen aus einer anderen (nichtselbständigen) Tätigkeit. Der Schuldner wird deshalb seiner Pflicht auch nicht ledig, weil er eine Einnahme infolge einer Aufrechnung des FA verliert, sondern muss, wenn ihn das zur Erfüllung jener Pflicht außer Stande setzen sollte, wie es die Revision in Erwägung zieht, von der betreffenden selbständigen Tätigkeit Abstand nehmen.

26

c) Dass es eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit eines Insolvenzschuldners erleichterte, wenn dieser davor sicher wäre, dass sein Schuldner nicht seine nicht befriedigten Forderungen gegen etwaige durch jene Tätigkeit erworbene Forderungen aufrechnet, und dass er daran insbesondere im Verhältnis zum FA ein Interesse hat, weil er es insoweit nicht in der Hand hat, sich den Schuldner selbst auszusuchen und dadurch eine solche Aufrechnungslage nicht entstehen zu lassen, hat den Gesetzgeber nicht veranlasst, vorgenannte Umsatzsteuervergütungsansprüche in die Abtretung an den Treuhänder einzubeziehen oder insoweit ein Aufrechnungsverbot aufzustellen. Dabei muss es jedenfalls de lege lata bewenden. Eine solche Zwangslage, Forderungen gegenüber aufrechnungsbefugten Altgläubigern begründen zu müssen, kann im Übrigen nicht nur im Verhältnis zum FA auftreten, weshalb umso weniger angenommen werden kann, der Gesetzgeber der InsO habe unabsichtlich versäumt, den Insolvenzschuldner insofern gegen eine Aufrechnung zu schützen.

27

d) Die Überlegung der Revision schließlich, die Insolvenzgläubiger sollten durch Verteilung der Insolvenzmasse, also des bei Eröffnung des Verfahrens vorhandenen Vermögens des Insolvenzschuldners zuzüglich des von ihm --ohne eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter-- im Verfahren Hinzuerworbenen, befriedigt werden, vermag an alledem nichts zu ändern. Unbeschadet dieses die InsO in der Tat prägenden Grundgedankens ist, wie ausgeführt, Insolvenzgläubigern ebenso wie Neugläubigern eine Aufrechnung im Rahmen der vorgenannten Bestimmungen nicht verwehrt; jene sind dadurch ähnlich privilegiert wie Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO), durch deren Vorzugsrechte ebenso im Ergebnis eine Schmälerung der Insolvenzmasse eintritt, worin sich nur umso mehr zeigt, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (nur) aus der Insolvenzmasse (zahlreiche) Durchbrechungen kennt. Auch dass Vorsteuer, die durch Verwaltung des mit dem Insolvenzbeschlag belegten Vermögens angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden kann, die für den freigegebenen Unternehmensteil anzusetzen ist (so BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639), lässt nicht die Schlussfolgerung zu, gegen den vom Insolvenzbeschlag nicht umfassten Vergütungsanspruch des Klägers könnten Insolvenzforderungen nicht aufgerechnet werden. Einer solchen Schlussfolgerung steht auch entgegen, dass jenes Urteil nicht die Verrechnung mit Insolvenzforderungen, sondern mit Masseforderungen betrifft; es beruht also auf dem Gedanken, dass die Masse erhalten werden muss und nicht vor der Verteilung durch eine freigegebene Tätigkeit des Insolvenzschuldners geschmälert werden darf. Darum geht es hier nicht, weil die vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung die Masse nicht schmälert, sondern im Gegenteil mittelbar stärkt, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen des FA führt und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugute käme.

28

e) Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO steht der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Er schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Hier geht es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann. Warum auf diesen Fall vorgenannte Vorschrift sollte entsprechend angewandt werden können, erschließt sich nicht; es erschließt sich weder unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, es komme anderenfalls durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer "Bevorzugung" des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse, noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Aufrechnung andere Neugläubiger durch Minderung der für sie verbleibenden Haftungsmasse "benachteilige". Denn die Revision scheint zu verkennen, dass es zu den typischen Wirkungen bestehender Aufrechnungslagen gehört, dem Gläubiger in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer gleichsam abgesonderten Befriedigung zu verschaffen --welche auch sonst bei entsprechender Berechtigung sogar eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse ermöglichte--. Die Revision berücksichtigt ebenso wenig, dass jene "Bevorzugung" von Altgläubigern, die dem Schuldner etwas während des Verfahrens schuldig werden, vom Gesetzgeber, der sich --abweichend von der früheren Konkursordnung-- für den Insolvenzbeschlag auch des Neuerwerbs entschieden hat, in Kauf genommen worden ist, obwohl sie die Möglichkeiten des Schuldners, (für eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel unabdingbare) neue Schulden zu begründen, zu beeinträchtigen geeignet ist; dagegen fällt die von der Revision beklagte Beeinträchtigung des gemäß § 13b UStG von Umsatzsteuerschuldnerschaft verschonten --jedoch einer Aufrechnung des FA gegen dadurch wahrscheinliche Vergütungsansprüche ausgesetzten-- Schuldners schwerlich ins Gewicht.

29

f) Schließlich hält die Revision der vom FA erklärten Aufrechnung zu Unrecht § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Denn selbst wenn man diese Vorschrift auch auf einseitige Rechtsgeschäfte des Schuldners sollte anwenden müssen, fehlt es doch daran, dass der Schuldner die strittige Aufrechnungslage nicht aufgrund seines freien Beliebens geschaffen und dem FA dadurch einen Vorteil "verschafft" hat. Diese ist vielmehr die gesetzliche Folge der vom Schuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit abgeschlossenen Geschäfte, woran auch nichts ändert, dass infolge der in § 13b UStG getroffenen Regelung ihr Eintritt nur umso wahrscheinlicher oder sogar, wie die Revision meint, zwangsläufig ist. Dass § 294 Abs. 2 InsO gleichsam ein Gebot an den Schuldner richtet, alles zu unterlassen, was eine Aufrechnungslage zur Folge hat --etwa auch die Erbringung einer entgeltlichen Leistung an einen Altgläubiger ohne Vorkasse--, ist der Vorschrift schwerlich zu entnehmen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufrechnung eines Umsatzsteuerguthabens nebst Zinsen des Klägers für das Jahr 1995 mit Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991, 1994 und 1996 rechtmäßig erfolgt ist. Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, der Aufrechnung stehe die unstreitig erfolgte Restschuldbefreiung nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen entgegen.

2

Der Klage liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Ausgangspunkt für den vorliegenden Rechtsstreit ist der Umstand, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) und ihm folgend der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2005 entschieden haben, dass die Umsätze aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nicht der Umsatzsteuer unterliegen.

3

Der Kläger hat in den Streitjahren mehrere Spielhallen betrieben. Über sein Vermögen wurde im August 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts von September 2010 wurde dem Kläger die Restschuldbefreiung erteilt. Das Umsatzsteuerguthaben für das Jahr 1995 nebst Zinsen in einer Gesamthöhe von 67.297,74 € wurde am 18. April 2011 festgesetzt, nachdem der Beklagte, das Finanzamt, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens festgestellt hatte, dass der geänderte Bescheid über Umsatzsteuer für 1995 vom 20. März 1998 anlässlich eines vom Kläger eingereichten Einspruches vom 17. Februar 1998 nicht wirksam bekannt gegeben worden war. Auch für die Jahre 1991 - 1994 sowie 1996 - 2001 war die Umsatzsteuer wegen der geänderten Rechtsprechung des EuGH gegenüber dem Kläger bereits im Jahre 2006 durch geänderte Bescheide gemindert worden. Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 hatte das Finanzamt der Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Klägers mitgeteilt, es beabsichtige, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1991 - 2001 zu ändern und den Gewinn jeweils um die erstattete Umsatzsteuer zu erhöhen und die entsprechenden Festsetzungen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erhöhen. Zwar seien Steuererstattungen grundsätzlich im Jahr der Zahlung als Gewinn zu erfassen, dies gelte jedoch nicht in den Fällen, in denen über das Vermögen des Steuerpflichtigen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Diese Änderungen sind in dem vom Finanzamt am 08. Januar 2007 angemeldeten Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991 - 2000 nebst Verzugszinsen enthalten und wurden als Ergebnis der Prüfungsverhandlung am 17. November 2009 zur Tabelle festgestellt. Ob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Einwände gegen die Festsetzungen und Anmeldungen zur Insolvenztabelle erhoben hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

4

Das Finanzamt hat durch Schreiben vom 16. Mai 2011 das Umsatzsteuerguthaben aufgrund des Änderungsbescheides für das Jahr 1995 vom 18. April 2011 in Höhe von 37.702,67 € nebst 29.595,07 € Zinsen mit Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991, 1994 und 1996 in Höhe von insgesamt 52.217,17 € aufgerechnet. Der Kläger hat im Klageverfahren drei Kopien von Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01. November 2004, vom 30. November 2006 und 28. April 2008 an das Insolvenzgericht eingereicht mit denen dieser u. a. vom Finanzamt angemeldeten Forderungen widersprach. Den Restbetrag von 15.080,57 € hat das Finanzamt an den Kläger ausgezahlt. Es erfolgte keine Aufrechnung mit den während des Insolvenzverfahrens entstandenen Zinsen zur Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1995.

5

Nachdem der Kläger gegen die erfolgte Aufrechnung Einwände erhoben hatte und auch Gespräche zwischen den Beteiligten nicht zur Beilegung der unterschiedlichen Rechtsauffassung geführt hatten, erteilte das Finanzamt dem Kläger am 28. Juni 2011 einen entsprechenden Abrechnungsbescheid. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Aufrechnung lägen vor und würden auch nicht durch die erfolgte Restschuldbefreiung beeinträchtigt. Vor und nach der erfolgten Insolvenzeröffnung hätten die Voraussetzungen für eine Aufrechnung gem. § 226 AO i.V.m. § 387 BGB vorgelegen, da die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit, der Gleichartigkeit, der Gläubiger-Schuldneridentität sowie der Durchsetzbarkeit der Forderungen gegeben gewesen seien. Der spätere Wegfall der Durchsetzbarkeit der Forderungen durch die erfolgte Restschuldbefreiung sei unerheblich, da gem. § 94 der Insolvenzordnung (InsO) vor oder während des Insolvenzverfahrens eingetretene Aufrechnungslagen von der Insolvenz unberührt blieben. Somit stehe auch die erfolgte Restschuldbefreiung der Aufrechnung nicht entgegen.

6

Den gegen diesen Bescheid fristgemäß erhobenen Rechtsbehelf  hat das Finanzamt mit der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2011 als unbegründet zurückgewiesen und in den Gründen ergänzend im Wesentlichen ausgeführt, eine erfolgte Aufrechnung sei rechtmäßig, wenn
- zwei gleichartige Forderungen vorlägen (Gleichartigkeit),
- die Schuldner-Gläubigeridentität gegeben sei (Gegenseitigkeit),
- die Hauptforderung, d. h. im Streitfall der Erstattungsanspruch des Klägers entstanden sei und
- die Gegenforderung, die Forderung des Finanzamtes entstanden und fällig sei.

7

Auf die Festsetzung der Hauptforderung und deren Fälligkeit komme es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht an. Es dürfe lediglich kein Aufrechnungsverbot bestehen und die Gegenforderung müsse durchsetzbar sein.

8

Die Gleichartigkeit und die Gegenseitigkeit der Forderungen seien im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Erstattungsanspruch des Klägers sei mit Ablauf des Kalenderjahres 1995 und somit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Für die Zinsen zur Umsatzsteuer gelte dies für die bis zur Insolvenzeröffnung entstandenen Zinsen. Die Gegenforderungen des Finanzamtes seien mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraumes und damit ebenfalls vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden. Sie seien auch mit Ablauf der entsprechenden Veranlagungszeiträume fällig geworden, da aufgrund des Insolvenzverfahrens eine Festsetzung durch Steuerbescheid nicht mehr möglich gewesen sei und die Fälligkeit sich somit nach § 220 AO bestimme. Werde über das Vermögen des Steuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, so würden die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Steueransprüche fällig, ohne dass es hierfür einer Festsetzung oder Feststellung durch einen Verwaltungsakt oder der Anmeldung zur Tabelle bedürfe (vgl. BFH-Urteil vom 04. Mai 2004, VII R 45/03). Somit seien die Voraussetzungen für eine Aufrechnung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt gewesen.

9

Die Aufrechnungsklage habe über die Beendigung des Insolvenzverfahrens und die formelle Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung hinaus Bestand. Nach den §§ 94 und 95 InsO werde eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungslage durch den Eintritt der Insolvenz nicht berührt. Die Aufrechnungslage bleibe bestehen und die Restschuldbefreiung habe auf sie keine Auswirkung.

10

Der Einwand des Klägers, dass es an einer Durchsetzbarkeit der Gegenforderung wegen der erteilten Restschuldbefreiung gemangelt habe, greife nicht durch. Denn die Restschuldbefreiung bewirke nicht, dass die Verbindlichkeiten des Schuldners erlöschen würden, sondern sie würden gem. § 301 Abs. 3 InsO nur unvollkommene Verbindlichkeiten. Nach Erteilung der Restschuldbefreiung könne deshalb nicht mehr mit von der Insolvenz betroffenen Forderungen aufgerechnet werden. Dies gelte jedoch nicht, wenn bereits vor der Restschuldbefreiung die Aufrechnungslage bestandenen habe. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BGH vom 19. Mai 2011 zum Az. 222/08, in dem die Zulässigkeit einer Aufrechnung mit einer Forderung bejaht werde, die nach einem Insolvenzplan als erlassen gelte.

11

Mit dem am 09. September 2011 bei dem Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Prozesskostenhilfe für eine zu erhebende Klage gegen den Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt und diesen Antrag näher begründet. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 12. Januar 2012 die beantragte Prozesskostenhilfe gewährt hat, hat der Kläger die angekündigte Klage, die am 25. Januar 2012 bei dem Gericht eingegangen ist, erhoben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wurde ausgeführt, der Kläger sei aufgrund seiner finanziellen Lage vor der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe nicht in der Lage gewesen, das Kostenrisiko eines gerichtlichen Verfahrens zu tragen.

12

Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt, die erfolgte Aufrechnung sei rechtswidrig, weil von der Restschuldbefreiung auch die Einkommensteuer für die Jahre 1991, 1994 und 1996 erfasst würde, die das Finanzamt auch zur Tabelle angemeldet habe. Die angemeldeten Forderungen beruhten auf Berechnungen vom 04. Januar 2007; zuvor habe das Finanzamt die Forderung für alle drei Jahre jeweils mit Null Euro angegeben. Wegen der erteilten Restschuldbefreiung seien die vom Finanzamt zur Aufrechnung geltend gemachten Forderungen gem. § 301 InsO nicht mehr durchsetzbar gewesen, da ihnen eine Einrede im Sinne des § 390 BGB entgegen stünde. Eine Aufrechnung mit der Restschuldbefreiung unterliegenden Insolvenzforderungen mit Gegenansprüchen des Insolvenzschuldners sei jedenfalls nach Erteilung der Restschuldbefreiung ausgeschlossen. Die Argumentation des Finanzamtes, eine Aufrechnung sei im vorliegenden Fall zulässig, weil mit vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Ansprüchen aufgerechnet worden sei, sei zum einen unzutreffend und gehe zudem von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Denn tatsächlich seien die behaupteten Gegenansprüche aus der Einkommensteuer nicht mit Ablauf der entsprechenden Jahre und damit vor der Insolvenzeröffnung entstanden. Denn das Finanzamt habe die dem Kläger aufgrund der im Jahre 2005 - also nach der Insolvenzeröffnung ergangenen Rechtsprechung - zustehenden Umsatzsteuererstattungsansprüche auch ertragsteuerlich den jeweiligen Jahren zugeordnet. Dies sei jedoch schlicht unzutreffend und widerspreche dem materiellen Bilanzsteuerrecht. Es bestünden keine Einkommensteuerforderungen des Finanzamtes für die Jahre 1991, 1994 und 1996. Weder bestünden materielle Ansprüche noch seien sie festgesetzt worden geschweige denn vor der Insolvenzeröffnung, so dass sich das Finanzamt auf eine vor der Insolvenzeröffnung entstandene Aufrechnungslage nicht berufen könne. Die Rechtsauffassung des Finanzamtes, die Einkommensteuer entstehe mit Ablauf des Kalenderjahres, möge zutreffend sein, dies könne jedoch nicht in Fällen wie dem vorliegenden gelten, in dem die Festsetzungen eindeutig materiell-rechtlich falsch seien. Die ertragsteuerlichen Konsequenzen aus der Rechtsprechungsänderung im Jahre 2005, die zu den Erstattungsansprüchen des Klägers geführt habe, seien im Kalenderjahr 2005 zu ziehen gewesen. Des Weiteren habe der Prozessbevollmächtigte die vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen bestritten. Insoweit werde auf die Schuldnerwidersprüche vom 01. November 2004, 30. November  2006 und 28. April 2008 Bezug genommen. Die vom Finanzamt vorgelegte Auskunft des Amtsgerichts vom 19. Juli 2012, in der mitgeteilt werde, dass dort kein Widerspruch des Schuldners gegen die angemeldete Forderung laut Insolvenztabelle eingegangen sei, sei ohne Beweiswert, denn das Amtsgericht habe bereits einmal eine unzutreffende Auskunft über einen nicht vorliegenden Schuldnerwiderspruch erteilt. Insoweit werde auf das Schreiben des Amtsgerichts vom 02. November 2004 und das Antwortschreiben des Prozessbevollmächtigten vom 11. November 2004 Bezug genommen.

13

Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Abrechnungsbescheides vom 28. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2011 den dem Kläger zustehenden Erstattungsanspruch aus dem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1995 vom
18. April 2011 um 52.217,17 € höher festzusetzen.

14

Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, die Einwendungen, die Umsatzsteuererstattungen seien nicht in den zutreffenden Jahren gewinnerhöhend berücksichtigt worden, könnten im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, weil diese in einem gesonderten Verfahren zu berücksichtigen gewesen wären. Nach § 178 Abs. 3 InsO wirke die Feststellung zur Insolvenztabelle wie ein rechtskräftiges Urteil und somit gewissermaßen konstitutiv, so dass die Steuern in den entsprechenden Kalenderjahren entstanden seien. Der Kläger habe den angemeldeten Forderungen des Finanzamtes auch nicht widersprochen. Aus dem Tabellenauszug sei ersichtlich, dass die Anmeldung vom 08. Januar 2007 nicht bestritten worden sei. Des Weiteren habe das Amtsgericht mit Schreiben vom 19. Juli 2012 mitgeteilt, dass dort kein Widerspruch des Schuldners gegen die angemeldeten Forderungen eingegangen sei und die Forderung im schriftlichen Verfahren am 13. November 2009 geprüft worden sei.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie die Steuerakte Verrechnung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist unbegründet.

18

Die Klage ist unbegründet, weil der angefochtene Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtmäßig ist und den Kläger somit nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO). Das Finanzamt hat zutreffend festgestellt, dass der Erstattungsanspruch des Klägers aus dem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1995 vom 18. April 2011 nebst Zinsen in Höhe von insgesamt 51.217,17 € durch Aufrechnung mit den zur Tabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen für das Jahr 1991 in Höhe von 13.902,03 €, mit Einkommensteuer für das Jahr 1994 in Höhe von 17.995,43 € und Einkommensteuer für das Jahr 1996 in Höhe von 20.319,71 € erloschen ist.

19

Das Finanzamt hat zutreffend durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO über das Erlöschen des Umsatzsteuererstattungsanspruches gem. § 47 AO durch Aufrechnung entschieden.

20

Gem. § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche die Vorschriften des BGB sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann gem. § 387 BGB jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teiles aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss voll wirksam, fällig und erzwingbar (vgl. BGH vom 19.5.2011, Az. IX ZR 222/08, NJW-RR 2011,1142) und die Hauptforderung erfüllbar sein. Der Aufrechnung dürfen keine Aufrechnungsverbote entgegenstehen und die Aufrechnungsvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegeben sein (vgl. BGH vom 8.11.2011, Az. XI ZR 341/10; NJW 2012,445).  Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Einkommensteuerforderungen waren wirksam, fällig und auch im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung erzwingbar, das FA durfte die Umsatzsteuerforderung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung auch bewirken und ein Aufrechnungsverbot lag nicht vor.

21

Nach § 387 BGB ist erforderlich, dass die Gegenforderung (hier Einkommensteuerforderungen) besteht, der Aufrechnungsgegner (der Kläger) also dem Aufrechnenden (Finanzamt) etwas schuldet. Das Finanzamt kann Steuern von demjenigen fordern, gegen den es sie wirksam festgesetzt hat. Die Festsetzung als Grundlage der Verwirklichung des gesetzlichen Steueranspruchs entfaltet - wie jeder wirksame sonstige Verwaltungsakt - Tatbestandswirkung. Im Erhebungsverfahren, zu dem die Aufrechnung gehört, ist folglich grundsätzlich nur zu prüfen, ob eine Steuerfestsetzung gegen den Abrechnungsschuldner vorliegt und ob sie wirksam ist. Auch eine rechtswidrige jedoch wirksam festgesetzte Steuerforderung besteht, solange die Festsetzung nicht aufgehoben ist oder in anderer Weise ihre Rechtswirkungen verloren hat (vgl. BFH-Entscheidung vom 15. Juni 1999, VII R 3/97, BStBl II 2000, 46 ff.). Zwar hat das Finanzamt die Einkommensteuerforderungen wegen des eröffneten Insolvenzverfahrens nicht festgesetzt, die Forderungen sind aber wirksam zur Insolvenztabelle festgestellt worden und somit gem. § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO gegenüber dem Kläger wirksam.

22

Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre rechtlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt gelten machen (§ 201 Abs. 1 InsO). Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO). Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist (§ 201 Abs. 2 Satz 2 InsO). Diese Voraussetzungen liegen vor.

23

Das Insolvenzverfahren wurde nach § 289 Abs. 2 S. 2 InsO durch den rechtskräftigen Beschluss über die Restschuldbefreiung aufgehoben. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass die Einkommensteuerforderungen als Insolvenzforderungen gegenüber dem FA als Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers am 17. November 2009 zur Insolvenztabelle festgestellt worden sind. Streitig ist, ob im Prüfungszeitpunkt durch das Insolvenzgericht diese Forderungen durch den Kläger bestritten waren. Nach Überzeugung des Gerichts liegen für ein Bestreiten keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. In den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Kopien der Schreiben an das Insolvenzgericht vom 01. November 2004, 30. November 2006 und 28. April 2008 sind die hier gegenständlichen Einkommensteuerforderungen nicht konkret benannt und die Schreiben vom 01. November 2004 und 30. November 2006 lagen vor dem Tag der Anmeldung am 08. Januar 2007 durch das Finanzamt. Gegen die Erhebung eines Widerspruches spricht, dass ein solcher nicht in die Tabelle eingetragen worden ist. Denn gem. § 178 Abs. 2 Satz 2 InsO ist auch ein Widerspruch des Schuldners in die Tabelle einzutragen. Maßgeblich für die Eintragung ist, ob im Zeitpunkt des Prüfungstermins ein Widerspruch vorliegt. So ist ein einmal erhobener Widerspruch, der im Prüfungszeitpunkt nicht aufrecht erhalten bleibt, nicht einzutragen. Gegen das Vorliegen eines Widerspruches spricht auch, dass der Kläger gegen die fehlende Eintragung seines vermeintlichen Widerspruches keine Berichtigung beantragt hat.

24

Da die Einkommensteuerforderungen des Finanzamtes zur Tabelle festgestellt worden sind, muss der Kläger sie als Insolvenzschuldner auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens durch die Restschuldbefreiung gegen sich gelten lassen, unabhängig davon, ob die Gewinnerhöhungen aufgrund der Umsatzsteuererstattungen materiell-rechtlich zutreffend in diesen Jahren vorzunehmen waren.

25

Die Einkommensteuerforderungen waren auch fällig. Nach § 220 Abs.1 AO richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach den Vorschriften des der Steuergesetze. Gem. § 36 Abs.4 EStG wird die Einkommensteuer innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides fällig. Steuerbescheide konnten vorliegend wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ergehen, sondern durften nur zur Tabelle angemeldet werden. Dies führt dazu, dass die Insolvenzforderungen gem. § 220 Abs. 2 S. 1 AO mit der Entstehung der Steuer fällig werden (vgl. BFH vom 4.5.2004, Az. VII R 45/03; BStBl. II 2004, 815). Die Einkommensteuer entsteht gem. § 36 Abs.1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes. Da gem. § 25 Abs. 1 EStG das Kalenderjahr der Veranlagungszeitraum ist, waren die Gegenforderungen mit Ablauf des 31.12.1991, 31.12.1994 und 31.12.1996 fällig.

26

Die Einkommensteuerforderungen waren auch trotz der Restschuldbefreiung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung durchsetzbar.

27

Unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderungen können nicht aufgerechnet werden (vgl. BGH 29.3.2007, Az. IX ZB 204/05, ZIP 2007,923). Erlangt der gerichtliche Beschluss über die Restschuldbefreiung formelle Rechtskraft, wirkt die Restschuldbefreiung gem. § 301 Abs.1 S.1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger. Mit der Rechtskraft tritt eine Entschuldung ein. Allerdings folgt aus § 301 Abs. 3 InsO, dass Leistungen, die nach der Restschuldbefreiung zur Befriedigung eines Insolvenzgläubigers erbracht werden, nicht zurückgefordert werden können. Zumindest als Rechtsgrund bestehen die ursprünglichen Forderungen über die Wirksamkeit der Restschuldbefreiung hinaus fort. Es liegt eine unvollkommene Verbindlichkeit des Schuldners vor (vgl. Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, § 301 Rn. 3). Damit wären die Einkommensteuerforderungen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung durch das FA nicht mehr durchsetzbar und nicht mehr aufrechenbar (so das Finanzgericht Hamburg, Az. 3 K 132/11 vom 15.8.2011, EFG 2011, 2180). Allerdings hat der BGH (Entscheidung vom 19.5.2011, Az. IX ZR 222/08, NJW-RR 2011, 1142 ff.) entschieden, dass ein Aufrechnungsrecht einer Gegenforderung, die nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gelte, bestehen bleibe, wenn die Aufrechnungslage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden habe. Nach § 94 InsO werde das bei Verfahrenseröffnung bestehende Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung durch das Verfahren nicht berührt. Diese Vorschrift sei dahin zu verstehen, dass zum „Verfahren“ auch das Ergebnis des Insolvenzverfahrens gehöre, das - etwa als Insolvenzplan – über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinauswirken könne. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers habe § 94 InsO diese Wirkung zukommen sollen. Dieser überzeugenden Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Der vom BGH entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden vergleichbar, weil es sich auch dort um eine unvollkommen gewordene Verbindlichkeit handelte. Die Gegenforderungen des FA blieben trotz Restschuldbefreiung aufrechenbar, weil im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung im August 2004 die Aufrechnungslage bereits vorlag.

28

Gem. § 94 InsO muss der Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zur Aufrechnung berechtigt sein. Insolvenzgläubiger ist gem. § 38 InsO, wer einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Das bedeutet, der Rechtsgrund ihrer Entstehung muss bereits zu diesem Zeitpunkt gelegt sein. Eine Steuerforderung ist immer dann Insolvenzforderung, wenn der ihr zugrunde liegende Tatbestand, der zur Entstehung des Steueranspruches führt, vom Schuldner bereits vor Verfahrenseröffnung verwirklicht worden ist. Nicht entscheidend für die Zuordnung ist demnach, zu welchem Zeitpunkt hieraus die konkrete Steuerforderung entsteht (vgl. Nerlich/Römermann, § 38 Rn. 13, 15, a.a.O.) Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts (vgl. BFH vom 11.7.2013, Az. XI B 41/13, BFH/NV 2013,1647). Insolvenzgläubiger können gem. § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner „begründeten“ Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 AO Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern beim Insolvenzverwalter zur Eintragung in die Tabelle und zur Prüfung mit dem Ziel der Feststellung anzumelden (vgl. BFH vom 11.7.2013, a.a.O., II Ziff. 1). Da die hier gegenständlichen Einkommensteuerforderungen auf diese Weise wirksam zur Tabelle als Insolvenzforderungen festgestellt worden sind, steht für die Beteiligten fest, dass die Voraussetzungen als Insolvenzforderung gem. § 38 InsO vorliegen. Wegen der Rechtskraftwirkung der Feststellung ist eine materiell-rechtliche Überprüfung, ob die Qualifizierung als Insolvenzforderung zutreffend ist, entgegen der Auffassung des Klägers nicht vorzunehmen.

29

Das Finanzamt durfte auch im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung mit dem Erstattungsanspruch wegen Umsatzsteuer für 1995 aufrechnen, weil ein Aufrechnungsverbot gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht eingreift und der Anspruch erfüllbar war.

30

Gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Das Finanzamt wird etwas nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig, wenn die Hauptforderung bereits im Sinne des § 38 InsO im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (vgl. BFH vom 25.7.2012, Az. VII R 29/11, BFH/NV 2012, 2106 ff, I Ziff. 4). Bei Erstattungsansprüchen muss der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden sein. Bereits mit der Besteuerung bzw. mit der Leistung von Vorauszahlungen wird aus insolvenzrechtlicher Sicht ein Grund für den Erstattungsanspruch gelegt (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, § 251 Rn 438). Das Finanzamt kann eine materiell zu Unrecht gezahlte Steuer dem Steuerpflichtigen erstatten, auch wenn die Steuerfestsetzung noch nicht aufgehoben worden ist, obgleich der Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine solche Zahlung erst mit der Aufhebung dieser Forderung entsteht. Das insolvenzrechtliche Entstehen eines Steuererstattungsanspruches ist erstens unabhängig von seiner Festsetzung in einem Erstattungsbescheid und zweitens nicht nur vor einer solchen Festsetzung, sondern selbst dann „erfüllbar“, wenn dem steuerrechtlichen Entstehen eines solchen Anspruches noch (materiell rechtswidrige) Steuerfestsetzungen als Rechtsgrund der zu erstattenden Leistung entgegenstehen. Denn ein steuerlicher Anspruch ist in einer Anwendung des § 387 BGB rechtfertigenden Weise existent und erfüllbar, wenn er i.S. des § 38 AO entstanden ist, d.h. der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Dies gilt auch für einen Steuererstattungsanspruch. Es ist deshalb insolvenzrechtlich ausreichend, dass der Sachverhalt verwirklicht ist, der zu der Entstehung des Steuer(erstattungs)anspruches führt (vgl. BFH vom 10.5.2007, Az. VII R 18/05, BStBl. II 2007, 914 ff). Danach war der Erstattungsanspruch für 1995 bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, weil der maßgebliche Sachverhalt für die Erstattung, die in 1995 ausgeführten und nicht steuerpflichtigen Umsätze mit Geldspielautomaten und die hierauf entrichteten Umsatzsteuern vor dem ... August 2004 erfolgten.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

32

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der Wirkung einer Restschuldbefreiung auf die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers zuzulassen.


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH (GmbH).

2

Die GmbH schloss am 2. Januar 2004, vertreten durch den Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter, mit einer KG, für die der Kläger bereits zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, einen Vertrag, nach dem die GmbH der KG ihren Fuhrpark gegen monatliche Zahlung von 20.906,18 € zzgl. 3.344,99 € Umsatzsteuer (24.251,17 € brutto) zur Nutzung überlassen sollte und tatsächlich überließ; der Vertrag lief bis 29. Februar 2004. Die Wirksamkeit der Vereinbarung war von der Genehmigung eines durch das Insolvenzgericht einzusetzenden Sonderverwalters abhängig.

3

Über das Vermögen der GmbH, die ihre Umsätze zunächst nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des im Streitjahr 2005 geltenden Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) versteuerte, wurde am 4. März 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 6. April 2004 gestattete das zuständige Finanzamt (FA S) den vom Kläger beantragten Wechsel zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 20 UStG.

4

Am 19. Mai 2005 genehmigte der Sonderverwalter der GmbH den Vertrag vom 2. Januar 2004. Daraufhin wurde die vereinbarte Miete für die vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen --Nutzungsüberlassung des Fuhrparks für Januar und Februar 2004-- in Höhe von 48.502,34 € brutto gezahlt und am 14. Juli 2005 vom Kläger vereinnahmt.

5

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA S davon aus, dass es sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten aus den zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten handele, und setzte durch den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2005 vom 6. Dezember 2005 hierfür Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

6

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erließ das FA S am 24. Mai 2007 im Schätzungsweg den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde.

7

Das FG gab der Klage statt, mit der sich der Kläger gegen die Berücksichtigung des vereinnahmten Entgelts als Masseforderung wendet. Das Insolvenzverfahren sei im März 2004 und damit nach Ablauf der Voranmeldungszeiträume, in denen die Leistungen erbracht wurden, eröffnet worden. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UStG sei damit bereits vor Verfahrenseröffnung vollständig erfüllt gewesen, so dass die Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien. Hieran ändere der nach Verfahrenseröffnung beantragte und gewährte Wechsel der Besteuerungsart nichts. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung müsse eine Besteuerung der nach dem Übergang zur Istbesteuerung vereinnahmten Entgelte entfallen, wenn ---wie hier-- die Umsätze bereits vor dem Übergang zur Istbesteuerung der Sollbesteuerung unterlegen hätten. Der Unternehmer habe deshalb in den Voranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume, in denen solche Außenstände eingehen, die bereits versteuerten Beträge von den vereinnahmten Entgelten abzusetzen. Dies gelte unabhängig von den Gründen, aus denen eine Anmeldung und Versteuerung zunächst tatsächlich unterblieben sei. Da die Umsatzsteuer unter der Geltung der Sollbesteuerung entstanden sei, könne nach dem Wechsel zur Istbesteuerung keine Rückabwicklung erfolgen. Durch den Wechsel der Besteuerungsart werde der bereits vollständig verwirklichte und abgeschlossene Umsatzsteuertatbestand rückwirkend wieder "unbegründet".

8

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1845 veröffentlicht.

9

Mit seiner Revision macht das FA S Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks seien nicht zur Sollbesteuerung angemeldet worden, so dass keine Sollbesteuerung erfolgt sei. Nach dem FG-Urteil unterbleibe die Besteuerung dieser Umsätze völlig. Zumindest müsse der Wechsel zur Istbesteuerung auch für die Umsätze gelten, die nicht erklärt worden seien.

10

Nach Einlegung der Revision wurde das FA S mit dem FA E, dem Beklagten und Revisionskläger (FA) zusammengelegt.

11

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Es sei unerheblich, dass die Umsätze aus der Fuhrparkvermietung nicht erklärt worden seien, da dies der Sollbesteuerung nicht entgegenstehe. Das FA könne die ihm nunmehr bekannten Forderungen zur Tabelle anmelden.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des FA ist begründet.

15

Der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Organisationsakt der Verwaltung führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2008 V R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612).

16

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks begründen entgegen dem Urteil des FG eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO); unerheblich ist insoweit, ob die Umsätze der Ist- oder der Sollbesteuerung unterlagen.

17

1. Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkung gilt nicht für Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind. Es handelt sich dabei gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO um die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören".

18

Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung)

19

2. Das FG hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, anhand derer der Senat entscheiden kann, ob die Steuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG (Sollbesteuerung) oder nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG (Istbesteuerung) entstanden ist.

20

Das FA hatte dem Kläger durch Bescheid vom 6. April 2004 gestattet, die Umsätze der GmbH der Istbesteuerung zu unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine derartige Gestattung ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auch noch während des Kalenderjahrs mit Rückwirkung auf den Jahresbeginn erteilt werden (BFH-Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08, BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.b bb (2)).

21

Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob der Kläger das ihm eingeräumte Recht auf Istbesteuerung ausgeübt hat. Da es sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer frei, von der Gestattung zur Istbesteuerung keinen Gebrauch zu machen und zur Sollbesteuerung "zurückzukehren", ohne dass es hierfür eines Antrags des Steuerpflichtigen oder einer Erlaubnis des FA bedarf (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.2.). Eine Rückkehr zur Sollbesteuerung ist dabei bis zur Unanfechtbarkeit (formellen Bestandkraft) der Jahressteuerfestsetzung möglich (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.c). Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen, obwohl der Kläger im Verfahren vor dem FG vorgetragen hat, dass es für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung bei der Sollbesteuerung geblieben und deshalb die Steuerforderung als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden sei.

22

3. Der Senat kann gleichwohl in der Sache entscheiden. Erbringt der Unternehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Leistung, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt, begründet die Entgeltvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei unerheblich ist, ob der Umsatz der Ist- oder der Sollbesteuerung unterliegt. Für den Fall der Istbesteuerung ergibt sich dies aus dem Senatsurteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Im Fall der Sollbesteuerung beruht die Masseverbindlichkeit auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.

23

a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.

24

Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfängers begründet sind. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt.

25

b) Hat der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung bezogen und das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet, wird die der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderung gegen ihn als Leistungsempfänger spätestens mit Verfahrenseröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich; bei einer nachträglichen Zahlung auf das uneinbringlich gewordene Entgelt ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BFH/NV 2010, 773, Leitsätze 1 und 2).

26

Maßgeblich ist hierfür, dass Entgeltforderungen gegen den Unternehmer mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen von Rechts wegen gegen ihn persönlich als Insolvenzschuldner nicht durchsetzbar sind, sondern nur zur Tabelle nach §§ 174 ff. InsO angemeldet werden können. Ohne Bedeutung ist dabei, ob den Vermögensansprüchen gegen den Leistungsempfänger, den Insolvenzschuldner, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass Uneinbringlichkeit selbst dann in vollem Umfang eintritt, wenn mit einer quotalen Befriedigung der Insolvenzforderungen zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c).

27

c) Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt gleichfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein.

28

aa) Zwar gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmereinheit, das Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490; Der Betrieb --DB-- 2010, 2596, unter II.2.), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. So sind z.B. weitere Vorsteuerbeträge, die sich für die Insolvenzmasse ergeben, nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Steuer, die sich aus Leistungen für den insolvenzfreien Unternehmensteil ergeben, abzusetzen und können daher trotz einer Steuerschuld für den insolvenzfreien Unternehmensteil zu einem Vorsteuerüberschuss und damit zu einer Umsatzsteuervergütung für die dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegende Insolvenzmasse führen. Zur Wahrung des Grundsatzes der Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen entspricht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639, unter II.1. und 5.).

29

Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden Umsatzsteueransprüche können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Dementsprechend kann auch hier z.B. ein Vorsteueranspruch des massezugehörigen Unternehmensteils nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG mit einem Steueranspruch gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil verrechnet werden (vgl. §§ 95, 96 InsO).

30

bb) Ist im Insolvenzfall trotz Fortbestehens eines Gesamtunternehmens von mehreren eigenständigen Unternehmensteilen auszugehen, werden die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich, da der Entgeltanspruch ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durch diesen Unternehmensteil vereinnahmt werden kann. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist, "öffentliche Gelder" entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21).

31

cc) Wird demnach die Entgeltforderung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens.

32

Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1. zur Istbesteuerung). Für dieses Ergebnis spricht auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren; dies ist bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFH/NV 2010, 161, unter II.4.b dd (1), Deutsches Steuerrecht 2010, 2349). Mit diesem Erfordernis wäre es nicht zu vereinbaren, bei einer Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu differenzieren.

33

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob entsprechend der Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit beim leistenden Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auch der Leistungsempfänger mit Verfahrenseröffnung den Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen hat. Selbst wenn eine derartige Berichtigungspflicht bestünde, würde der Leistungsempfänger hierdurch nicht beschwert, da er im Hinblick auf die von ihm noch zu leistenden Zahlungen ohnehin prüfen muss, ob über das Vermögen seiner Gläubiger das Insolvenzverfahren eröffnet wird, um sicherzustellen, dass er Zahlungen nur an den Insolvenzverwalter leistet, da eine Zahlung an den Insolvenzschuldner selbst keine schuldbefreiende Wirkung hat (s. oben II.3.c bb).

34

Im Übrigen ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger nicht erforderlich, wenn er das von ihm geschuldete Entgelt noch in dem für ihn maßgeblichen Voranmeldungszeitraum zahlt, in dem auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Gläubigers eröffnet wird. Denn ein Entgelt kann nicht in ein und demselben Voranmeldungszeitraum uneinbringlich und vereinnahmt (entrichtet) werden, da sich zwei Berichtigungen nach § 17 UStG, die im selben Voranmeldungszeitraum erfolgen, gegenseitig aufheben.

35

4. Der Beurteilung der Steuerschuld aufgrund einer nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung als Masseverbindlichkeit steht nicht die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren entgegen, wie der erkennende Senat für den Fall der Istbesteuerung bereits mit Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.4. entschieden hat, und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

36

Gleiches gilt für die mit Verfahrenseröffnung im Rahmen der Sollbesteuerung eintretende Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung des Unternehmers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Erbringt ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, für die auch der Insolvenzverwalter das Entgelt nicht vereinnahmen kann, geht der VII. Senat des BFH davon aus, dass das FA gegen einen der Insolvenzmasse zustehenden Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der zuvor im Rahmen der Sollbesteuerung entstandenen Steuerforderung aufrechnen kann, ohne dass dem insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote entgegenstehen (BFH-Urteil vom 17. April 2004 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.). Gleiches gilt, wenn der Berichtigungsanspruch aufgrund der Uneinbringlichkeit --wie im Streitfall-- bereits mit Verfahrenseröffnung entsteht. Auch in diesem Fall kommt es zu der vom VII. Senat des BFH für erforderlich gehaltenen Aufrechnung, die darauf gestützt wird, dass es "schwerlich gerechtfertigt sein [würde], anzunehmen, die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen" (BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.).

37

Eine Abweichung zur Rechtsprechung des VII. Senats des BFH besteht auch nicht insoweit, als dieser für Zwecke der Aufrechnung keine "fiktive Veranlagung auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung" vornimmt (BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745), da der VII. Senat hinsichtlich des Bestehens mehrerer Unternehmensteile im Insolvenzfall im Sinne des Senatsurteils in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 zwischen "Veranlagung" und "Aufrechenbarkeit" differenziert (BFH-Urteil in BFHE 230, 490, DB 2010, 2596, unter II.2., und vom 9. April 2002 VII R 108/00, BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562, unter II.3.).

38

5. Danach war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

39

a) Die GmbH hat im Streitfall Vermietungsleistungen bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht. Dass der dieser Vermietung zugrunde liegende Vertrag erst nach Verfahrenseröffnung durch einen Sonderverwalter genehmigt wurde, steht dem nicht entgegen. Denn die Leistung wurde tatsächlich durch eine Nutzungsüberlassung vor Verfahrenseröffnung ausgeführt, wobei es nach §§ 40, 41 AO unerheblich ist, ob die Leistungserbringung ohne Genehmigung durch den Sonderverwalter gegen ein gesetzliches Verbot verstieß oder die Unwirksamkeit des der Leistung zugrunde liegenden Vertrags begründete.

40

b) Lag somit eine vor Verfahrenseröffnung ausgeführte Leistung vor, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmte, war das FA sowohl im Fall der Ist- als auch im Fall der Sollbesteuerung berechtigt, die Umsatzsteuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch Steuerbescheid festzusetzen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts München vom 7. Mai 2014  9 K 2072/13 und der Abrechnungsbescheid vom 22. Februar 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 20. Juni 2013 geändert.

Dem Kläger sind die Einkommensteuervorauszahlungen 2007 in Höhe von insgesamt 14.000,99 € (13.332,57 € auf die Einkommensteuer und 668,42 € auf den Solidaritätszuschlag) zu erstatten.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 12. Februar 2007 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des A eröffnet und --nach Abberufung des zwischenzeitlich bestellten Rechtsanwalts B-- der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

2

Für den weiterhin selbstständig tätigen Insolvenzschuldner A wurden in 2007 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für alle vier Quartale 2007 Einkommensteuer-Vorauszahlungen geleistet, davon für das I. Quartal am 7. März 2007  7.360,72 € Einkommensteuer (ESt) und 386,96 € Solidaritätszuschlag (SolZ). Am 30. Oktober 2008 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) einen an den Insolvenzverwalter adressierten Einkommensteuerbescheid 2007. Darin wurden Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des A in Höhe von 132.560 € zu Grunde gelegt, ESt in Höhe von 41.711 € nebst SolZ in Höhe von 2.180,25 € festgesetzt und im Abrechnungsteil (u.a) die gesamten Vorauszahlungsbeträge für das Jahr 2007 in Höhe von 32.570,72 € auf die ESt und in Höhe von 1.673,96 € auf den SolZ abgezogen. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde zurückgenommen und der Erlass eines Abrechnungsbescheids beantragt.

3

Aus dem Abrechnungsbescheid vom 23. Februar 2009, auf den im Einzelnen Bezug genommen wird, ergibt sich:

        
        

ESt     

SolZ   

Jahreseinkommensteuer

41.711,00 €

2.180,25 €

anrechenbare Quellensteuern:

                 

Kapitalertragsteuer

17,00 €

3,76 €

Zinsabschlagsteuer

53,00 €

0,00 €

anrechenbare Vorauszahlungen

32.570,72 €

1.673,96 €

verbleibende einheitliche Steuerschuld

9.070,72 €

502,53 €

4

Im Einspruchsverfahren teilte das FA die Gesamteinkünfte auf die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (71.326 € = 53,81 %) und nach Eröffnung (61.234 € = 46,19 %) auf, sowie dem entsprechend die festgesetzten Jahresabgaben. Danach ergaben sich folgende Berechnungen
zur ESt:

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

Einkünfte

132.560,00 €

71.326,00 €

61.234,00 €

Steuer

41.641,00 €

22.402,85 €

19.238,15 €

abzüglich Vorauszahlungen

32.570,72 €

0,00 €

32.570,72 €

Zwischensumme

9.070,28 €

22.402,85 €

-13.332,57 €

Ausgleich

0,00 €

-13.332,57 €

+13.332,57 €

Ergebnis

9.070,28 €

9.070,28 €

0,00 €

Anmeldung zur Tabelle somit 9.070,28 €
und zum SolZ:

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

Einkünfte

132.560,00 €

71.326,00 €

61.234,00 €

Steuer

2.176,49 €

1.170,95 €

1.005,54 €

abzüglich Vorauszahlungen

1.673,96 €

0,00 €

1.673,96 €

Zwischensumme

502,53 €

1.170,95 €

-668,42 €

Ausgleich

0,00 €

-668,42 €

+668,42 €

Ergebnis

502,53 €

502,53 €

0,00 €

Anmeldung zur Tabelle somit 502,53 €.

5

Die festzusetzende Steuer sei den insolvenzrechtlichen Vermögensbereichen im Verhältnis der Einkünfte aus den unterschiedlichen Vermögensbereichen zu der Summe der Einkünfte zuzuordnen. Vorauszahlungen und Steueranrechnungsbeträge würden bei dem insolvenzrechtlichen Vermögensbereich berücksichtigt, aus dem sie geleistet worden seien. Steuererstattungsansprüche entstünden im Zeitpunkt der Entrichtung der Vorauszahlungen bzw. des Einbehalts der Steuerabzugsbeträge unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Veranlagungszeitraums die geschuldete Steuer geringer sei als die Summe aus geleisteten Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen. Die sich für den Bereich Insolvenzmasse ergebende Erstattung werde mit den sich ergebenden Nachzahlungsbeträgen verrechnet, wobei die Verrechnung zuerst mit der Insolvenzforderung erfolge.

6

Auf die dagegen erhobene Klage, die der Kläger zusammengefasst damit begründete, dass die nach Insolvenzeröffnung gezahlten Einkommensteuervorauszahlungen wegen des Aufrechnungsverbots des § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) ausschließlich mit nach Insolvenzeröffnung entstandenen Einkünften zu verrechnen seien, hat das Finanzgericht (FG) unter Änderung des Abrechnungsbescheids dem Kläger einen Erstattungsanspruch in Höhe von 5.943,69 € ESt 2007 und in Höhe von 279,94 € SolZ 2007 zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Bei der Verrechnung der Vorauszahlungen sei zu berücksichtigen, ob sie vor der Insolvenzeröffnung entstanden seien und damit zu den Insolvenzforderungen gehörten oder nach Insolvenzeröffnung mit der Folge, dass sie zu den Masseverbindlichkeiten zu rechnen seien. Die nach Insolvenzeröffnung entstandenen Vorauszahlungen zählten zu den Masseverbindlichkeiten. Da maßgeblich für die Entstehung der Vorauszahlungen jeweils der Beginn des Quartals sei, zähle die Vorauszahlung des ersten Quartals, die am 1. Januar entstanden sei, zu den Insolvenzforderungen, während die späteren Zahlungen zu den Masseverbindlichkeiten zu rechnen seien. Demgemäß berechne sich die Erstattung:

7

ESt     

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

ESt     

41.711,00 €

23.444,69 €

19.266,31 €

abzüglich Vorauszahlungen

32.570,72 €

7.360,72 €

25.210,00 €

Ergebnis

        

15.083,97 €

5.943,69 €

8

SolZ         

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

SolZ   

2.180,25 €

1.173,19 €

1.007,06 €

abzüglich Vorauszahlungen

1.673,96 €

386,96 €

1.287,00 €

Ergebnis

        

786,23 €

279,94 €

9

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer fehlerhaften Anwendung der insolvenzrechtlichen Normen, insbesondere des Aufrechnungsverbots des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Einkommensteuervorauszahlungen für 2007 seien erst nach Insolvenzeröffnung geleistet worden. Die Erstattungsansprüche aus diesen Vorauszahlungen seien damit ebenfalls erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, das FA sei also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden mit der Folge, dass die Aufrechnung mit vor Insolvenzeröffnung entstandenen Steuerforderungen unzulässig sei.

10

Das FA meint entgegen der Auffassung des FG, Erstattungsansprüche aufgrund zu hoher Vorauszahlungen entstünden im Zeitpunkt der Entrichtung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Veranlagungszeitraums die geschuldete Steuer geringer sei als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen. Da im Streitfall die geschuldete Steuer höher als die geleisteten Vorauszahlungen sei, scheide ein Erstattungsanspruch aus. Auch unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlich gebotenen Aufteilung der Steuerschuld in Vermögensbereiche vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei die Entstehung des Erstattungsanspruchs immer von der Festsetzung der Jahressteuer abhängig. Deshalb sei es nicht möglich, dass sich für einen Vermögensbereich eine Erstattung und für einen anderen Vermögensbereich eine Nachzahlung ergebe. Vielmehr sei die sich aus dem Bereich der Insolvenzmasse ergebende Erstattung mit dem verbleibenden Nachzahlungsanspruch zu verrechnen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht insoweit, als damit dem Kläger ein zu geringer Erstattungsanspruch zugesprochen worden ist. Über die zugesprochenen Beträge in Höhe von 5.943,69 € ESt 2007 und 279,94 € SolZ 2007 hinaus hat er Anspruch auf die beantragte weitere Erstattung in Höhe von 7.388,88 € ESt 2007 und 388,48 € SolZ 2007 (insgesamt 13.332,57 € ESt und 668,42 € SolZ).

12

1. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A Vorauszahlungen in Höhe von 32.570,72 € ESt 2007 bzw. 1.673,96 € SolZ 2007 entrichtet worden. Unabhängig davon, ob die Arbeitskraft des A dem Insolvenzvermögen zugeordnet werden kann (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. September 2012 VIII R 47/09, BFH/NV 2013, 411, m.w.N.), sind diese Vorauszahlungen aus der Insolvenzmasse geleistet worden. Dies folgt aus § 35 Abs. 1 InsO, nach dem das gesamte Vermögen des A --einschließlich des Neuerwerbs aus der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübten selbständigen Tätigkeit-- zur Insolvenzmasse gehört. Eine Freigabe der selbständigen Tätigkeit des A aus dem Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 2 InsO scheidet bereits deshalb aus, weil diese Vorschrift gemäß Art. 103c Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung i.d.F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 (BGBl I 2007, 509) erst für Insolvenzeröffnungen nach dem 1. Juli 2007 anwendbar ist. Im Streitfall sind aber auch keinerlei Anhaltspunkte für eine --gegebenenfalls schon vor dem 1. Juli 2007 mögliche-- Vereinbarung einer insolvenzfreien selbständigen Tätigkeit erkennbar (zum lediglich klarstellenden Charakter des § 35 Abs. 2 InsO vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 411).

13

Darüber hinaus steht fest, dass mit dem 31. Dezember 2007 ESt in Höhe von 41.711 € und SolZ in Höhe von 2.180,25 € entstanden sind. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig --und nach den Feststellungen des FG ergibt sich nichts anderes--, dass diese Steuerschulden in Höhe von 23.444,69 € ESt und 1.173,19 € SolZ vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind und damit Insolvenzforderungen i.S. des § 38 InsO darstellen. Ob die restlichen Steuerschulden --wie ebenfalls zwischen den Beteiligten unstreitig-- als Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen oder stattdessen einem insolvenzfreien Bereich zuzuordnen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2014 X B 89/14, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2015, 271; BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759; zu § 3 Abs. 1 und § 57 der Konkursordnung BFH-Urteil vom 23. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602; vgl. auch Senatsurteile vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336, und vom 26. November 2014 VII R 32/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2015, 532; für eine vollständige Zuordnung der Steuerschulden zum insolvenzfreien Bereich BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 21/10, BFHE 232, 318, BStBl II 2011, 520 bezüglich Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit, und BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 411 bezüglich Einkünften aus selbständiger Tätigkeit; offengelassen im Senatsurteil vom 21. Juli 2009 VII R 49/08, BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13), kann im Streitfall dahingestellt bleiben. Denn der Kläger wendet sich nicht gegen die Anrechnung der aus der Insolvenzmasse gezahlten Vorauszahlungen auf die nachinsolvenzlichen Steuerschulden, sondern verlangt lediglich die Erstattung des danach verbleibenden Vorauszahlungsüberschusses.

14

2. Dieses Begehren ist berechtigt. Denn eine Anrechnung der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entrichteten Steuervorauszahlungen auf die vor Verfahrenseröffnung begründeten Steuern kommt nicht --auch nicht teilweise-- in Betracht. Weder der Rechtsauffassung des FA, wonach sämtliche geleisteten Vorauszahlungen auf die Jahressteuerschuld angerechnet werden müssten, noch der des FG, wonach die Vorauszahlung für das I. Quartal 2007 auf die --vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Einkünfte entfallende-- vom FA als Insolvenzforderung geltend zu machende Steuerschuld anzurechnen sei, kann gefolgt werden.

15

Anders als das FG meint, ist eine Anrechnung der für das I. Quartal 2007 entrichteten Vorauszahlung nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Anspruch auf Zahlung einer festgesetzten Einkommensteuervorauszahlung zu den Insolvenzforderungen zählt, sofern er vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens --wie im Streitfall am 1. Januar 2007, d.h. mit Beginn des Vorauszahlungszeitraums-- entstanden ist. Diese Erwägungen lassen außer Acht, dass es im Streitfall nicht um offene Vorauszahlungsschulden, sondern um nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entrichtete Beträge geht. Da diese Beträge mangels Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO bzw. Vereinbarung einer insolvenzfreien Tätigkeit aus der Insolvenzmasse stammen, ist eine Anrechnung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur auf solche Steuerschulden möglich, die zu den Masseverbindlichkeiten gehören. Dies folgt aus der Trennung der insolvenzrechtlichen Vermögensbereiche, auch wenn weiterhin eine einheitliche Jahressteuerschuld besteht. Eine Anwendung der Anrechnungsregelung des § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG auf die Insolvenzforderungeines Gläubigers --hier die Jahressteuerforderung des FA-- würde dagegen zu einer mit den Prinzipien des Insolvenzrechts nicht zu vereinbarenden Benachteiligung der übrigen Gläubiger führen. Denn die Insolvenzmasse soll gemäß § 38 InsO der gleichmäßigen Befriedigungaller Insolvenzgläubiger dienen. Dieses Prinzip ist wegen des Vorrangs der Insolvenzordnung nach § 251 Abs. 2 der Abgabenordnung im Steuererhebungsverfahren --zu dem das Anrechnungsverfahren gehört (Senatsurteil vom 19. Dezember 2000 VII R 69/99, BFHE 194, 162, BStBl II 2001, 353)-- auch im Rahmen des § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu beachten.

16

Nicht zuzustimmen ist deshalb auch der weitergehenden Auffassung des FA, dass es den --nach Anrechnung der Vorauszahlungen auf die nachinsolvenzlich begründeten Steuerschulden-- verbliebenen Vorauszahlungsüberschuss (13.332,57 € ESt und 668,42 € SolZ) insgesamt zur Aufrechnung mit der noch offenen restlichen Steuerschuld (22.402,85 € ESt und 1.170,65 € SolZ) verwenden kann. In Höhe dieses Überschusses ist vielmehr ein Erstattungsanspruch des Klägers zu Gunsten der Insolvenzmasse gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG entstanden.

17

Dieser Erstattungsanspruch steht der Insolvenzmasse und damit dem Kläger zu. Denn der Anspruch ist insolvenzrechtlich erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet; er entsteht im Zeitpunkt der Entrichtung der Vorauszahlung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Veranlagungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen (Senatsurteil vom 29. Januar 1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791; BFH-Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 58/77, BFHE 128, 146, BStBl II 1979, 639).

18

3. Der Rückzahlungsanspruch nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG ist auch nicht durch Aufrechnung des FA mit den als Insolvenzforderung geltend zu machenden Steuerschulden erloschen. Einer solchen Aufrechnung steht das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen. Wie bereits dargelegt, ist das FA die Rückzahlung insolvenzrechtlich erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden.

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Die Steuer entsteht

1.
für Lieferungen und sonstige Leistungen
a)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist,
b)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind,
c)
in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Kraftomnibus in das Inland gelangt,
d)
in den Fällen des § 18 Abs. 4c mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Abs. 1a Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
e)
in den Fällen des § 18 Absatz 4e mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1b Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
f)
in den Fällen des § 18i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1c Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
g)
in den Fällen des § 18j vorbehaltlich des Buchstabens i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1d Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
h)
in den Fällen des § 18k mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1e Satz 1, in dem die Lieferungen ausgeführt worden sind; die Gegenstände gelten als zu dem Zeitpunkt geliefert, zu dem die Zahlung angenommen wurde,
i)
in den Fällen des § 3 Absatz 3a zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zahlung angenommen wurde;
2.
für Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und 9a mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgeführt worden sind;
3.
in den Fällen des § 14c im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung;
4.
(weggefallen)
5.
im Fall des § 17 Abs. 1 Satz 6 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist;
6.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 1a mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats;
7.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des § 1b am Tag des Erwerbs;
8.
im Fall des § 6a Abs. 4 Satz 2 in dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung ausgeführt wird;
9.
im Fall des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Gegenstand aus einem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 21 Abs. 2.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem über das Vermögen der H-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) am 21. Februar 2002 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Eröffnung des Verfahrens war von der Schuldnerin am 6. November 2001 beantragt worden.

2

Vom Kläger 2006 wegen angeblich uneinbringlich gewordener Forderungen aus einer Reihe von Ausgangsrechnungen vorgenommene Berichtigungen der Umsatzsteuer 2002 und 2003 führten zu Erstattungsbeträgen. Der Kläger hat dazu erklärt, die Berichtigung der betreffenden Anmeldungen habe zu einer Verminderung der Zahllast in den beiden Jahren um die in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) angeführten Beträge geführt, die deshalb zu erstatten seien.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegen diese Beträge indes die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Umsatzsteuerforderungen März, April und September 2001 erklärt und hierüber aufgrund des Widerspruchs des Klägers den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 erlassen. Aufgrund einer späteren Berichtigungserklärung des Klägers für 2002 ist ein weiteres Vergütungsguthaben von rund ... € entstanden, welches das FA mit weiterhin rückständiger Umsatzsteuer März 2001 verrechnet hat. Hierüber ist der Abrechnungsbescheid vom 13. Februar 2007 ergangen.

4

Nach erfolglosem Einspruch gegen die beiden Abrechnungsbescheide ist Klage erhoben worden, mit der sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beruft, dass eine Umsatzsteuerforderung erst dann entstanden sei, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht worden ist (Hinweis auf die Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; vom 30. April 2009 V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, sowie vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996). Das sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass der Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) entgegenstehe.

5

Abgesehen davon verstoße der Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 gegen das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Kläger bezieht sich dabei auf einen nach seiner Darstellung und den Ausführungen im Urteil des FG verrechneten Umsatzsteuerbetrag November 2001; dieser sei erst nach Stellung des Insolvenzantrags entstanden (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2010, 90, und die Urteile des Senats vom 2. November 2010 VII R 62/10, BFHE 232, 290, BStBl II 2011, 439 und VII R 6/10, BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374).

6

Die Klage ist ohne Erfolg geblieben (FG-Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1593).

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, der zu § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Wesentlichen vorträgt, der Senat habe seit seinen Entscheidungen vom 21. September 1993 VII R 119/91 (BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83) und VII R 68/92 (BFH/NV 1994, 521) den Begriff des Begründetseins i.S. des § 38 InsO in ständiger Rechtsprechung als gleichbedeutend mit dem Begriff des Schuldigwerdens i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO betrachtet. Von dieser Rechtsprechung sei der V. Senat des BFH in seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf die Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und in BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138) eindeutig abgewichen, wenn er nun für das Begründetsein einer Forderung i.S. des § 38 InsO die vollständige Verwirklichung des steuerrechtlichen Tatbestands fordere. An dieser Abweichung ändere es nichts, dass der V. Senat zum Festsetzungs-, der VII. Senat hingegen zum Erhebungsverfahren entscheide; denn beide stellten in ihrer Rechtsprechung auf § 38 InsO ab.

8

Nach dieser neuen Rechtsprechung seien die angefochtenen Abrechnungsbescheide rechtswidrig, da die vollständige Tatbestandsverwirklichung hinsichtlich der aufgerechneten Erstattungsforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei.

9

Hinsichtlich des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hebt die Revision hervor, die Entscheidung des FG stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH und des VII. Senats des BFH. Der für die Anwendung vorgenannter Vorschrift erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf die Masse sei schon dann gegeben, wenn die Rechtshandlung für die Gläubigerbenachteiligung kausal sei, ohne dass es darauf ankomme, wann die Gegenforderung entstehe. Im Übrigen treffe die Annahme des FG, bei einer "Gesamtbetrachtung" hätten die Rechtshandlungen der Schuldnerin zu einer Vermögensmehrung geführt, nach der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht zu. Denn danach führe z.B. eine im November 2001 erbrachte Leistung zunächst zu einer Umsatzsteuerschuld November 2001, wenn das Entgelt aber erst im März 2002 zur Insolvenzmasse gezogen werden könne, zu einer Umsatzsteuerschuld März 2002. Die durch die Insolvenzeröffnung ausgelöste Notwendigkeit einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) spiele selbst bei einer Gesamtbetrachtung insofern keine Rolle, da ein etwaiges Guthaben --welches aufgrund des § 16 Abs. 2 UStG ohnehin unwahrscheinlich sei-- aufrechenbar wäre, so dass die Umsatzsteuer immer die Schuldenmasse erhöhe.

10

Das FA hält eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht für gegeben und teilt die Auffassung, dass eine Leistungserbringung keine anfechtbare Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO sei.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision des Klägers ist begründet (§ 118 Abs. 1, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom FA erklärten Aufrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.

12

1. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO, der Vorrang vor § 96 Abs. 1 InsO beansprucht, gestattet die Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens einem Insolvenzgläubiger, der gegen den Insolvenzschuldner eine vor Verfahrenseröffnung begründete Forderung besitzt, bei welcher eine Bedingung erst während des Insolvenzverfahrens eintritt. Dass ein Anspruch in diesem Sinne bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist, nimmt die bereits zur Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des BGH an, wenn für das Entstehen der Forderung zwar noch eine vertragliche Bedingung oder eine gesetzliche Voraussetzung hinzutreten muss, also "ein Element der rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs noch nicht erfüllt ist", die Forderung jedoch "in ihrem rechtlichen Kern" aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist (BGH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1). Die Vorschrift solle jedoch nur den Gläubiger schützen, dessen Anspruch gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedürfe (vgl. BGH-Urteile vom 6. November 1989 II ZR 62/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1990, 1301, und vom 9. März 2000 IX ZR 355/98, NJW–Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2000, 1285). Die Befugnis des Gläubigers zur Aufrechnung werde deshalb nur dann unbeschadet der Insolvenzeröffnung nicht angetastet, wenn dieser vor der Eröffnung darauf "vertrauen" durfte, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde (BGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206). Forderungen, deren Entstehen als Vollrecht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht so weitgehend gesichert war, dass mit ihrem gleichsam "automatischen" Entstehen gerechnet werden konnte, d.h. ohne dass dies von Entscheidungen oder sonstigen Willensbetätigungen des Steuerpflichtigen oder Dritter abhängig wäre, werden danach nicht erfasst (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 160, 1).

13

2. Bei steuerlichen Erstattungs- und Vergütungsforderungen hat der erkennende Senat bisher in Anknüpfung an diese Rechtsprechung für die insolvenzrechtliche Begründung eines Anspruchs nur verlangt, dass die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist. Er hat dies angenommen, wenn der Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs führte, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (vgl. statt aller Senatsurteile vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, und in BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83). So liege es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gutzubringen sei. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen werde dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stelle eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen welche die Finanzbehörde gemäß § 95 InsO im Verfahren aufrechnen könne, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung, Vergütung oder sonst die Rückführung der steuerlichen Belastung auslösende Ereignis selbst --z.B. die Notwendigkeit einer Berichtigung der Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1987 VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707, und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369)-- nach Eröffnung des Verfahrens eintrete. Insbesondere in den Fällen des § 17 UStG entstehe zwar ein steuerverfahrensrechtlich selbständiger Anspruch, der jedoch kompensatorischen Charakter habe, indem er die ursprünglich vorgenommene Besteuerung ausgleiche und die damals für ein bestimmtes Ereignis erhobene Steuer aufgrund eines späteren, entgegengesetzten Ereignisses zurückführe. Das rechtfertige es, ihn als bereits mit der Verwirklichung des Besteuerungstatbestands insolvenzrechtlich begründet anzusehen.

14

Es liegt auf der Hand und ist von der Rechtsprechung des Senats schon bisher nicht in Abrede gestellt worden, dass in den Fällen des § 17 Abs. 2 UStG bei Entstehen der betreffenden Steuerforderung ungewiss ist, ob es zu deren Kompensation durch einen entgegengesetzten Vergütungsanspruch bzw. einen aufgrund des Anspruchs auf Berücksichtigung eines entsprechenden Berichtigungsbetrags gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehenden Erstattungsanspruchs kommen wird, weil der künftige, dafür erforderliche Eintritt der "Bedingung" (hier: das Uneinbringlichwerden von Forderungen der Schuldnerin), also der Eintritt des steuerverfahrensrechtlichen Entstehungsgrunds --anders als in den vorgenannten, vom BGH entschiedenen Fällen das Entstehen der betreffenden zivilrechtlichen Forderung als Vollrecht-- ungewiss ist (vgl. u.a. Urteil des Senats in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589). Der Senat hat gleichwohl die in der Behandlung gemäß § 17 UStG berichtigter Umsatzsteuerforderungen in seiner Rechtsprechung liegende Zurückverlagerung des Entstehenszeitpunkts solcher Forderungen für gerechtfertigt gehalten, weil zwischen der durch eine solche Berichtigung ausgelösten und der ursprünglich begründeten Steuerforderung ein enger Zusammenhang dergestalt besteht, dass das Steuerrecht den Steueranspruch entstehen lässt, bevor der eigentliche steuerliche Belastungsgrund eingetreten ist bzw. unabänderlich feststeht, und zum Ausgleich für die Vorverlagerung der Steuerschuldentstehung dem Steuerpflichtigen einen ("kompensatorischen") Korrekturanspruch für den Fall garantiert, dass der steuerliche Belastungsgrund nicht in der von dem Steuergesetz vorausgesetzten Weise dauerhaft eintritt. Dass das UStG in einem solchen Fall einen eigenständigen Berichtigungsanspruch gewährt, statt entsprechend § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) eine rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung zuzulassen, beruht allein auf steuerverfahrensrechtlichen Zweckmäßigkeitserwägungen und ändert an dem vorstehend zum Wesen der Umsatzsteuerberichtigung dargestellten Befund nichts.

15

3. Die Rechtsprechung des Senats hat im Schrifttum keinen oder nur zurückhaltenden Widerspruch gefunden (vgl. etwa Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 95 Rz 19, m.N. auch zu kritischen Stellungnahmen; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rz 9.279; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 92 ff.). Der für das Umsatzsteuerrecht zuständige V. Senat des BFH ist ihr in neuerer Zeit jedoch nicht gefolgt, sondern meint, jedenfalls für das Festsetzungsverfahren sei § 38 InsO dahin auszulegen, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimme, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich sei lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und zuletzt vom 8. März 2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466). Auch der ebenfalls für Umsatzsteuer zuständige XI. Senat des BFH scheint diesem Verständnis zu folgen. Der I. Senat des BFH hat ein bedingtes Entstehen einer Steuerforderung nur dann anerkennen wollen, wenn "der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann", so dass "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht"; das sei nicht der Fall, wenn der Anspruch z.B. einen --bei Verfahrenseröffnung noch nicht gefällten-- Gewinnausschüttungsbeschluss voraussetze (vgl. Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822).

16

4. Der erkennende Senat hat all dies zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu überprüfen. Er hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen.

17

Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist danach als entscheidend anzusehen, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird, die in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen also eintreten. Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, insbesondere etwa dadurch, dass der Unternehmer zahlungsunfähig wird (wie es in der Regel ohne weiteres aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens --außer in den Fällen des § 18 InsO-- geschlossen werden kann), greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO allerdings auch dann nicht ein, wenn der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst während des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S. des § 13 UStG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (vgl. BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, NJW-RR 2008, 206). Auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, kommt es in diesem Zusammenhang selbstredend erst recht nicht an.

18

5. Die Streitsache ist entscheidungsreif.

19

Aufgrund der Steueranmeldungen des Klägers, denen das FA zugestimmt hat, steht gemäß § 168 Satz 2 AO --wenn auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-- zwischen den Beteiligten fest, dass in den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2003 zugunsten der Schuldnerin negative Umsatzsteuerbeträge zu berücksichtigen sind, die den vom FA verrechneten Anspruch ausgelöst haben. Der für dieses Verfahren --vorbehaltlich einer Änderung aufgrund des Nachprüfungsvorbehalts-- verbindlichen Rechtswirkung dieser Festsetzungen steht nicht entgegen, dass bei Abgabe der betreffenden Anmeldungen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war und im Insolvenzverfahren grundsätzlich keine Steuerfestsetzungen ergehen können, vielmehr die Forderungen des FA nach den Vorschriften der InsO geltend zu machen, nämlich zur Tabelle anzumelden, zu erörtern und zur Tabelle mangels Widerspruchs gegen die Anmeldung oder aufgrund eines Bescheids nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen sind. Es geht hier nämlich nicht um die Festsetzung einer Steuer zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern um die Berichtigung einer Steuerfestsetzung mit dem Ziel einer Verringerung der (gegen den Kläger) festgesetzten nachinsolvenzlichen Steuerschuld der Schuldnerin. Dies kann durch Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung mit Festsetzungswirkung ebenso bewirkt werden, wie im Insolvenzverfahren ein Erstattungsbescheid über vorinsolvenzliche Umsatzsteuerguthaben ergehen könnte (BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11), weil eine solche Anmeldung nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft verändert, die in der eben geschilderten Weise Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind.

20

Im Übrigen ist weder zwischen den Beteiligten streitig noch aus einem sonstigen Grund ernstlich zweifelhaft und deshalb von Amts wegen aufklärungsbedürftig, dass die vorgenannten Berichtigungsbeträge der Höhe und der zeitlichen Zuordnung nach zugunsten der Schuldnerin zu berücksichtigen sind, die den Anmeldungen des Klägers zugrunde liegenden Forderungen aus vorinsolvenzlichen Leistungsvereinbarungen also in 2002 bzw. 2003 uneinbringlich geworden sind. Der erkennende Senat könnte deshalb diesen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne dass es einer Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur weiteren Sachaufklärung bedürfte. Angesichts der Rechtswirkung vorgenannter Anmeldungen kann er jedoch die Rechtsfrage dahinstehen lassen, ob die betreffenden angemeldeten (und auch entrichteten) Umsatzsteuern aufgrund der Insolvenz der Schuldnerin bereits früher, nämlich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen zu berichtigen gewesen wären. Für den Fall noch nicht entrichteter Umsatzsteuer hat das BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 erkannt, erbringe ein Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte ein. Mithin werde der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG verwirklicht und die Umsatzsteuer sei in einer logischen Sekunde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berichtigen, um sie bei Vereinnahmung des Entgelts durch den Verwalter erneut entstehen lassen zu können.

21

Es bedarf indes in dieser Entscheidung keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu dieser Rechtsauffassung und ihrer Konsequenz für Fälle wie den Streitfall, in dem die auf die angeblich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich gewordenen Entgelte zu entrichtende Umsatzsteuer bei Insolvenzeröffnung bereits entrichtet war und bei einer Berichtigung auf Null in dem Voranmeldungszeitraum Februar 2002 ggf. zu vergüten gewesen wäre. Auf einen derartigen, bislang auch nicht festgesetzten Vergütungsanspruch dürfte der angefochtene Bescheid im Übrigen ohnehin nicht bezogen werden können.

22

Ist demnach davon auszugehen, dass das FA die von ihm verrechneten Berichtigungsbeträge erst 2002 bzw. 2003 i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldig geworden ist, so sind die angefochtenen Abrechnungsbescheide, welche die diesbezüglich vom FA erklärte Aufrechnung als wirksam bestätigt haben, rechtswidrig und folglich entsprechend dem Antrag des Klägers zu ändern.

23

6. Das FG hat den Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 als (Bestätigung einer) Aufrechnung (auch) mit Umsatzsteuer November 2001 angesehen. Dazu weist der erkennende Senat darauf hin, dass diese Steuerforderung nicht streitgegenständlich ist --ebenso wenig wie die im Urteil des FG erwähnte Umsatzsteuer Oktober 2001--, nachdem die angefochtenen Abrechnungsbescheide über diese Forderungen nicht entscheiden, vielmehr ausschließlich die Aufrechnung gegen Umsatzsteuer März, April und September 2001 betreffen.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH (GmbH).

2

Mit Beschluss vom 7. Juni 2012 ordnete das Amtsgericht … (AG) über das Vermögen der GmbH die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestimmte den Antragsteller zum sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit weiterem Beschluss vom 19. Juli 2012 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren und bestellte den Antragsteller zum Insolvenzverwalter.

3

Der Antragsteller vereinnahmte im Voranmeldungszeitraum Juli 2012 Entgeltzahlungen für sonstige Leistungen in Höhe von 13.241,90 €, die die GmbH vor dem 7. Juni 2012 ausgeführt hatte. Er behandelte diese Leistungsentgelte in der für die GmbH eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) als Masseverbindlichkeit und bezog sie in Höhe von 11.127 € (= 13.241,90 € : 1,19) in die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze ein. Die Abgabe dieser Steueranmeldung für Juli 2012 stand gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

4

Der gleichzeitig mit seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 eingelegte Einspruch, in dem der Antragsteller geltend machte, die aus den vor dem 7. Juni 2012 erbrachten sonstigen Leistungen herrührenden Umsatzsteuerforderungen seien keine Masseverbindlichkeiten sondern Insolvenzforderungen, blieb ohne Erfolg. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

5

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Juli 2012 lehnte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) ebenfalls ab. Das FG gab dem bei ihm gestellten Antrag auf AdV gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 18. März 2013 statt. Denn die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2012 erscheine nicht über jegliche Rechtmäßigkeitszweifel erhaben.

6

Sie entspreche zwar der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH (Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996; vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298). Diese Rechtsprechung sei jedoch im Schrifttum umstritten.

7

Eine Entscheidung des ebenfalls für Umsatzsteuerangelegenheiten zuständigen XI. Senats des BFH sei bisher nicht bekannt geworden. Der VII. Senat des BFH habe offengelassen, ob er sich der Auffassung des V. Senats anschließen könne (Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11, BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36).

8

Nach der Ansicht des FG sei nicht frei von Zweifeln, ob allein der Übergang der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) zur Uneinbringlichkeit i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) führe. Denn bisher habe die Rechtsprechung den Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung, die auf einen steuerpflichtigen Umsatz zurückgehe, nicht als Anlass für eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG genommen. Dies gelte sowohl für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge als auch für solche der Organschaft. Denn der BFH (Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 2/05, BFHE 216, 375, BStBl II 2007, 848) sei bisher davon ausgegangen, dass der Ausfall einer vorsteuerbelasteten Forderung, die gegenüber einer Organgesellschaft begründet und nach Ende der Organschaft uneinbringlich geworden sei, zur Vorsteuerberichtigung gegenüber der nunmehr umsatzsteuerlich selbständigen Organgesellschaft führe. Daraus sei geschlossen worden, dass in gleicher Weise die Berichtigung von Umsätzen vorzunehmen sei, dass also ein während der Organschaft erbrachter Umsatz der Organgesellschaft nach dem Ende der Organschaft von der Organgesellschaft zu berichtigen sei, wenn die Entgeltforderung nach dem Ende der Organschaft uneinbringlich werde.

9

Der BFH habe sich bisher nicht damit auseinandergesetzt, ob die zuvor skizzierte Besteuerungspraxis ebenfalls zu ändern sei oder ob sie in anderer Weise mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH vereinbar sei. Schließlich habe der BFH bislang nicht erörtert, ob die neuere Rechtsprechung des V. Senats richtlinienkonform sei (vgl. Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

10

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, es lägen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 vor. Es gebe keine widersprüchliche oder unterschiedliche Rechtsprechung mehrerer BFH-Senate, die "ernstliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts begründen könne. Der VII. Senat und der XI. Senat des BFH hätten sich zwar der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht angeschlossen, dieser aber auch nicht widersprochen.

11

Das FA beantragt sinngemäß,
den FG-Beschluss vom 18. März 2013 aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.

12

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

14

1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG über die AdV nach § 69 Abs. 3 FGO ist statthaft, weil sie vom FG ausdrücklich zugelassen wurde (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO).

15

2. Die Beschwerde des FA ist auch begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird der Antrag auf AdV des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Juli 2012 als unbegründet abgelehnt. Es bestehen bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids.

16

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschlüsse vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437; vom 25. April 2013 XI B 123/12, juris). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschlüsse in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12; vom 25. April 2013 XI B 123/12, juris, Rz 12).

17

Ernstliche Zweifel bestehen, wenn eine Rechtsfrage streitig ist, die von einem oder mehreren Senaten des BFH unterschiedlich oder widersprüchlich entschieden worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Februar 1986 I B 39/85, BFHE 146, 105, BStBl II 1986, 490, Leitsatz 1; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 69 FGO Rz 310).

18

b) Es genügt indes --entgegen der Auffassung des FG (Beschluss, Seite 5)-- nicht, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2012 "nicht über jeglichen Rechtmäßigkeitszweifel" erhaben erscheint.

19

Wie unter II.2.a dargelegt, rechtfertigt nicht irgendein und nicht jeder Zweifel, sondern nur ein in seiner Bedeutung als "ernstlich" anzusehender Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids eine AdV (vgl. Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 285).

20

3. Nach diesen Maßgaben bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids.

21

a) Nach den übereinstimmenden Auffassungen des Antragstellers, des FA und des FG entspricht der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2012 den durch die Rechtsprechung des V. Senats des BFH aufgestellten Rechtsgrundsätzen (vgl. Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682 zur Istbesteuerung; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298).

22

Mit Urteil vom 9. Dezember 2010 hat der BFH (in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Leitsatz) entschieden, dass in dem Fall, in dem der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte steuerpflichtige Leistung vereinnahmt, die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollversteuerung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet.

23

Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören". Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung i.S. von § 38 InsO oder um eine Masseverbindlichkeit handele, bestimme sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen sei. Unerheblich sei demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen seien, richte sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Komme es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handele es sich um eine Insolvenzforderung, erfolge die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liege unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (vgl. BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 17 f.).

24

Zwar gelte auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmenseinheit, das Unternehmen bestehe jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden könnten. Zu unterscheiden seien der vorinsolvenzrechtliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien (§§ 174 ff. InsO), der die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den Masseverbindlichkeiten geltend zu machen seien, sowie ggf. das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen, bei dem Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner persönlich ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen geltend gemacht werden könnten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 28 f.).

25

Ändere sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, habe der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gelte gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden sei. Uneinbringlichkeit setze nach ständiger BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1) voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt werde und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen sei, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen könne. Erbringe der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Rechtsgründen Uneinbringlichkeit ein (BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 27). Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 30 ff.).

26

Werde das Entgelt nachträglich vereinnahmt, seien Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen. Diese erneute Berichtigung sei nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führten somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens. Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründe eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch sei erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen. Für dieses Ergebnis spreche auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 31 f.).

27

b) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 9. Februar 2011 XI R 35/09 (BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.2.) --mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH übereinstimmend-- entschieden, dass sich die Beurteilung, ob "es sich bei einem Umsatzsteueranspruch des FA um eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder um eine Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) handelt, nach dem Zeitpunkt [bestimmt], zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; unerheblich ist dagegen der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Kommt es umsatzsteuerrechtlich zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung; erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung dagegen erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor."

28

Es bedurfte indes bislang keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu der dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zugrunde liegenden Rechtsfrage, ob mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners die Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte für seine vor Verfahrenseröffnung ausgeführten Leistungen eintritt.

29

c) Auch der VII. Senat des BFH (Urteile in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 15 ff.; vom 25. Juli 2012 VII R 56/09, BFH/NV 2013, 413, unter II.2.; VII R 30/11, BFH/NV 2013, 603, unter II. am Ende) folgt dem Verständnis des V. und XI. Senats darin, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimmt, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich ist lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG.

30

Der VII. Senat des BFH (in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 16) "hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen."

31

Es liegt daher keine unterschiedliche oder widersprüchliche Rechtsprechung des BFH vor, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids begründen könnte.

32

d) Der dargelegten Rechtsprechung des V. Senats (in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) folgt das Bundesministerium der Finanzen (Schreiben vom 9. Dezember 2011 IV D 2-S 7330/09/10001:001, BStBl I 2011, 1273) für alle Insolvenzverfahren, die --wie im Streitfall-- nach dem 31. Dezember 2011 eröffnet wurden.

33

e) Im Schrifttum hat die dargelegte Rechtsprechung des V. Senats (in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) zum Teil Zustimmung (z.B. Wäger, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1925; Widmann, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 555) und zum Teil Ablehnung (z.B. Kahlert, DStR 2011, 921, und DStR 2011, 1973; Welte/ Friedrich-Vache, UR 2012, 740) hervorgerufen.

34

Diese Kritik begründet jedoch bei der gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel, weil der V. Senat des BFH im Urteil in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 16 ff. und 54 die Gegenargumente bereits im Wesentlichen verbeschieden hat (vgl. dazu Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 313). Er hat sich in dieser Entscheidung mit der Kritik von Kahlert (DStR 2011, 921, 925 f., und DStR 2011, 1973 ff., 1978) auseinandergesetzt und --auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06 (UR 2007, 742, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2008, 206, unter II.2.c)-- festgestellt, dass die dargelegte Rechtsprechung nicht insolvenzrechtlichen Wertungen widerspricht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat insoweit auf die dortige Begründung des V. Senats (in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 16 ff. und 54). Mit der Entscheidung vom 24. November 2011 hält der V. Senat des BFH (in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 54) ausdrücklich --trotz der Kritik-- an seinem Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 fest.

35

f) Soweit das FG gegen die dargelegte Rechtsprechung des V. Senats des BFH einwendet, dass der Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung, die auf einen steuerpflichtigen Umsatz zurückgehe, z.B. in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge, bislang kein Anlass für eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG gewesen sei und die Auswirkungen der Rechtsprechungsänderung durch den V. Senat auf solche Fälle ungeklärt seien, kann der erkennende Senat diese Rechtsfrage im Aussetzungsverfahren offenlassen. Denn das summarische Beschlussverfahren ist schon deshalb nicht geeignet, diese Rechtsfrage zu klären, weil eine Gesamtrechtsnachfolge dem Streitfall nicht zugrunde liegt und diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist. Dasselbe gilt für den vom FG ferner angeführten Fall einer Organschaft.

36

g) Auch der allgemeine Hinweis des FG, dass der V. Senat des BFH nicht die Vereinbarkeit seiner Rechtsprechung mit Art. 90 MwStSystRL erörtert habe, begründet bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids.

37

Denn das FG nennt weder einen konkreten Grund, der für eine Unvereinbarkeit der Rechtsprechung mit Art. 90 MwStSystRL sprechen könnte, noch bringt das FG zum Ausdruck, dass nach seiner Auffassung ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der dargelegten Rechtsprechung des V. Senats mit Unionsrecht bestünden.

38

Die Klärung dieser Rechtsfrage kann im Hauptsacheverfahren erfolgen. Sofern die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen, ist ggf. im Urteil des FG die Revision zuzulassen.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit September 2003 ein Insolvenzverfahren anhängig. Steuerforderungen aus vorinsolvenzlicher Zeit in Höhe von rd. 8.700 € sind offen. Seit März 2005 betreibt der Kläger wieder ein Einzelunternehmen. Der Insolvenzverwalter hat alle hierfür benötigten Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Für Mai 2005 hat der Kläger aufgrund eines hohen Vorsteuerabzugs einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe von rd. 4.140 € erworben. Gegen diesen Anspruch hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit seinen Umsatzsteuerforderungen für Januar und Februar 2003 erklärt und in dem in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers dadurch erloschen sei.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1485 veröffentlichte Urteil abgewiesen. In dem Urteil heißt es, der Aufrechnung stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen, weil der Vergütungsanspruch aufgrund der Freigabe nicht in die Insolvenzmasse falle. Die durch § 294 Abs. 3 InsO für die Wohlverhaltensphase angeordnete Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern greife nicht ein, das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO sei mit einem Aufrechnungsverbot nicht gleichzusetzen.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung des materiellen Rechts rügt. Das FG habe übersehen, dass eine Aufrechnung in den Grenzen des § 294 InsO erst dann wieder möglich sei, wenn das Insolvenzverfahren auf-gehoben ist. Das sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Der vom FA erklärten Aufrechnung stehe einstweilen das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO entgegen.

4

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO, dass der selbständig tätige Schuldner durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, habe bei einem selbständig Tätigen dieselbe Funktion wie § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO bei einem nichtselbständigen Schuldner. Daher müsse das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO, das die Aufrechnung von der Abtretungserklärung erfasster Bezüge gegen den Schuldner grundsätzlich verbietet, analog auf die von einem Selbständigen an den Treuhänder zu leistenden Zahlungen angewendet werden. Der Vorsteuervergütungsbetrag sei ein Vermögenswert, der an den Treuhänder abzuführen ist, denn er stelle für einen selbständig tätigen Schuldner eine Einnahme dar, die mit der Erzielung seiner Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners rühre im Streitfall allein daraus her, dass er gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht Schuldner der auf seinen Leistungen ruhenden Umsatzsteuer ist, sodass in solchen Fällen zwangläufig ein Vorsteuerüberhang entstehe. Ein Schuldner, bei dem § 13b UStG eingreife, dürfe jedoch nicht schlechter gestellt werden als ein Schuldner, bei dem § 13b UStG nicht einschlägig ist.

5

Ferner stehe der Aufrechnung § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Dabei sei der Begriff Abkommen vor dem Hintergrund des Schutzzweckes dieser Vorschrift nicht nur auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, sondern erfasse jegliche Handlung des Insolvenzschuldners, die dazu beiträgt, dass hinter dem Rücken der anderen Gläubiger Vermögensverschiebungen vorgenommen werden können. In der Erbringung von Leistungen, die einen Vorsteuervergütungsanspruch zur Folge haben, liege eine solche Handlung des selbständig tätigen Insolvenzschuldners. Sondervorteil sei die dem Insolvenzgläubiger verschaffte Aufrechnungsmöglichkeit. Zudem werde die Befriedigung anderer Gläubiger infolge der Verringerung der Insolvenzmasse beeinträchtigt, wenn der Schuldner infolge der Aufrechnung nicht mehr in der Lage sei, an den Treuhänder Zahlungen in solcher Höhe zu leisten, wie sie sich aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergäben.

6

Überdies fehle es aber auch an der Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2008 (gemeint offenbar: IX ZB 182/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 3494) sei zu folgern, dass der BGH das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners als eine eigenständige Haftungsmasse ansehe, die von der vom Insolvenzbeschlag betroffenen Haftungsmasse getrennt sei. Jene neue Haftungsmasse stehe nur den Neugläubigern zu. Zu dieser ausschließlich den Neugläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse gehöre im Streitfall der Vorsteuervergütungsanspruch. Die Umsatzsteuerforderung des FA richte sich hingegen gegen das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich eines Neuerwerbs des Klägers bis zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden war.

7

Dem entspreche es, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99 (BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639) entschieden habe, dass Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden darf, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist. Derselbe Rechtsgedanke spiegele sich auch in der Entscheidung des BFH vom 7. April 2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) wider, wonach Steuerschulden, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.

8

Nur diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit dem Insolvenzrecht. Denn Zweck des Insolvenzverfahrens sei eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, denen das Gesetz als Haftungssubstrat neben der Alt- auch die sog. Neumasse zuweise. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO schließe --klarstellend-- die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Anderenfalls käme es durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer Bevorzugung des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse. Des Weiteren führe eine solche Aufrechnung zu einer Benachteiligung anderer Neugläubiger durch Minderung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse.

9

Die Revision rügt schließlich, dass durch die Betrachtungsweise des FA einem Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit unmöglich werde, weil er seine Forderungen nicht verwirklichen könne. Das gelte besonders in dem vorliegenden Fall, in dem die Auftraggeber des Klägers gemäß § 13b UStG Schuldner der Umsatzsteuer seien, sodass der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern angesichts erheblicher Insolvenzforderungen nicht verwirklichen könne.

10

Das FA weist darauf hin, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, aber auch alle sonstigen Ansprüche nach § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) nicht zu den an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase abgetretenen Forderungen gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Bei einem Vorsteuervergütungsanspruch handle es sich nicht um einen an den Treuhänder abgetretenen Anspruch (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391). Ein Vorsteuervergütungsanspruch entstehe durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch nicht zwangsläufig, wie der Kläger meine. Ihn anders als die Bezüge eines nichtselbständig tätigen Schuldners zu behandeln führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige das Risiko trage, seine Gläubiger wie durch eine angemessene nichtselbständige Tätigkeit befriedigen zu können, und er deshalb mit einem Nichtselbständigen nicht zu vergleichen sei.

11

Auch § 294 Abs. 2 InsO sei nicht einschlägig. Zwar sei im Schrifttum umstritten, ob "Abkommen" im Sinne dieser Vorschrift nicht auch einseitige Rechtsgeschäfte sein könnten. Diese seien indes durch die in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelten Obliegenheiten erfasst. Es könne dem in der Wohlverhaltensphase befindlichen Selbständigen aufgrund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch nicht angelastet werden, von wem er Aufträge akquiriere.

12

Es fehle schließlich auch an einer Obliegenheitsverletzung, in deren Folge das den Gläubigern zur Verfügung zu stellende Vermögen geschmälert worden ist. § 294 Abs. 3 InsO schließe nicht jegliche Aufrechnung aus. § 295 Abs. 2 InsO verlange lediglich von dem Schuldner, durch seine selbständige Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen und dieses an den Treuhänder abzuführen; ob und in welcher Höhe darin Vorsteuervergütungen enthalten sind, sei ohne Belang.

13

Auch die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sei gegeben, da der Steuervergütungsanspruch des Klägers aus dem sog. Neuerwerb wegen der bedingungslosen Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter zustehe und der Kläger zugleich Schuldner der rückständigen Umsatzsteuer sei. Der Betrachtung des Klägers über die getrennten Haftungsmassen sei nicht zu folgen. Der Kläger sei Beteiligter des Steuerschuldverhältnisses sowohl in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie nach Freigabe von Vermögensgegenständen aus dem Verfahren. Ob das Verfahren als solches aufgehoben worden sei, sei dabei ohne Bedeutung.

Entscheidungsgründe

14

II. Der erkennende Senat kann gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Revision des Klägers nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

15

Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden. Es besteht auch kein Aufrechnungsverbot.

16

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass dem Kläger ein Umsatzsteuervergütungsanspruch aus der Festsetzung für Mai 2005 zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA für Januar und Februar 2003 --also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren vgl. § 94 InsO) vorlagen. Dass der Kläger Schuldner und Gläubiger vorgenannter Forderungen ungeachtet ihrer Entstehung vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist --und diese deshalb nicht etwa verschiedenen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen sind--, ist vom FG eingehend und zutreffend dargelegt worden; dem ist nichts hinzuzufügen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639).

17

2. Es fehlt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb an der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung, weil das FA dem Kläger Umsatzsteuervergütung schuldet, ohne dass dessen Forderung wie sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterläge, die Gegenforderungen des FA hingegen Insolvenzforderungen sind, also solche, die --vorbehaltlich der Möglichkeit einer Aufrechnung-- nach Maßgabe des Verteilungsplans aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.

18

Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hat, dass das Vermögen des Schuldners in zwei Teilmassen aufgeteilt wird, die einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der Schuldner über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen und aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Forderungen nicht mehr begründen kann (§ 80 Abs. 1 InsO) und dass seine Gläubiger weder wegen vor noch wegen während des Verfahrens begründeter Forderungen in die Insolvenzmasse vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO).

19

Unbeschadet der an diesen Vorschriften deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen, die der InsO zugrunde liegt (vgl. dazu u.a. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 65 passim; Blersch/von Olshausen in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 96 Rz 14; Kübler in Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz 58), enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen, wie die Revision offenbar meint. Eine solche Folgerung ziehen aber selbst vorgenannte Schrifttumsstimmen trotz der Betonung der sog. separatio bonorum nicht, wenn auch mitunter § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO lediglich deklaratorische Bedeutung beigelegt wird (vgl. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., m.w.N.). Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, ist deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig.

20

Etwas anderes lässt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aus dem Beschluss des BGH in NJW 2008, 3494 herleiten. Das von der Revision ferner in diesem Zusammenhang angeführte BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 betrifft die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Veranlagung und ist schon deshalb für die Frage der Aufrechenbarkeit aus einer solchen Veranlagung herrührender Forderungen nicht ergiebig, das BFH-Urteil in BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 deshalb nicht, weil es ausschließlich auf der Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beruht, um den es hier nicht geht. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht näher zu erörtern, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Obermair, Der Neuerwerb - eine unendliche Geschichte, Deutsches Steuerrecht 2005, 1561; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 822; Voigt/Gerke, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2002, 1054), folgen könnte.

21

3. Der vom FA erklärten Aufrechnung steht, anders als die Revision meint, kein Aufrechnungsverbot entgegen, sodass die Aufrechnung des FA wirksam und der angefochtene Bescheid mithin rechtmäßig ist.

22

a) Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote sind --sieht man von den in § 95 InsO enthaltenen Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis ab, die hier offenkundig nicht einschlägig sind-- in § 96 Abs. 1 InsO geregelt. Von den dort aufgeführten vier Verboten kann im Streitfall vornehmlich das erste in Betracht gezogen werden, welches das FG geprüft und mit Recht für nicht anwendbar gehalten hat. Denn § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall ist das FA indes den vom Kläger erworbenen Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat --wirksam-- die vom Kläger durch die von ihm während des Insolvenzverfahrens neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag --abweichend von § 35 Halbsatz 2 InsO a.F.-- freigegeben. Deshalb fällt der strittige Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.

23

Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA in der Wohlverhaltensphase befand, wovon das FG und die Beteiligten ausgehen, und ob das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jenem Zeitpunkt noch andauerte, ist in diesem Zusammenhang ohne jede erkennbare Bedeutung. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren --vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO-- unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die hier in Betracht gezogen werden könnten. Dass sich aus § 294 Abs. 1 InsO, der Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners verbietet, kein Aufrechnungsverbot ergibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil des Senats vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272).

24

b) Im Verfahren der Restschuldbefreiung sind allerdings Forderungen des Schuldners unter Umständen einer Aufrechnung deshalb entzogen, weil dieser sie gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO an einen vom Gericht für das Verfahren bestellten Treuhänder abgetreten hat und § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnungsmöglichkeiten insofern einschränkt. Wie sich aus jener Vorschrift ergibt, bezieht sich die Abtretung allerdings nur auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dass unter diese Begriffe Umsatzsteuervergütungsansprüche nicht fallen, bedarf keiner näheren Ausführung.

25

Anders als die Revision meint, kann jene Vorschrift auch nicht entsprechend auf Einnahmen eines Schuldners angewandt werden, der als selbständig Tätiger keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder sonstige laufende Bezüge i.S. des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat, aber --weil das so ist-- gemäß § 295 Abs. 2 InsO von seinen Einnahmen etwas abführen muss, was dem entspricht, was er bei Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche Analogie muss hinsichtlich eines Steuervergütungsanspruchs schon daran scheitern, dass sich die Abführungspflicht in keiner Weise gegenständlich auf einen solchen vom Schuldner erlangten Anspruch beziehen lässt, ja überhaupt nicht unmittelbar auf die Einnahmen des Schuldners bezogen ist, sondern auf dessen fiktive Einnahmen aus einer anderen (nichtselbständigen) Tätigkeit. Der Schuldner wird deshalb seiner Pflicht auch nicht ledig, weil er eine Einnahme infolge einer Aufrechnung des FA verliert, sondern muss, wenn ihn das zur Erfüllung jener Pflicht außer Stande setzen sollte, wie es die Revision in Erwägung zieht, von der betreffenden selbständigen Tätigkeit Abstand nehmen.

26

c) Dass es eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit eines Insolvenzschuldners erleichterte, wenn dieser davor sicher wäre, dass sein Schuldner nicht seine nicht befriedigten Forderungen gegen etwaige durch jene Tätigkeit erworbene Forderungen aufrechnet, und dass er daran insbesondere im Verhältnis zum FA ein Interesse hat, weil er es insoweit nicht in der Hand hat, sich den Schuldner selbst auszusuchen und dadurch eine solche Aufrechnungslage nicht entstehen zu lassen, hat den Gesetzgeber nicht veranlasst, vorgenannte Umsatzsteuervergütungsansprüche in die Abtretung an den Treuhänder einzubeziehen oder insoweit ein Aufrechnungsverbot aufzustellen. Dabei muss es jedenfalls de lege lata bewenden. Eine solche Zwangslage, Forderungen gegenüber aufrechnungsbefugten Altgläubigern begründen zu müssen, kann im Übrigen nicht nur im Verhältnis zum FA auftreten, weshalb umso weniger angenommen werden kann, der Gesetzgeber der InsO habe unabsichtlich versäumt, den Insolvenzschuldner insofern gegen eine Aufrechnung zu schützen.

27

d) Die Überlegung der Revision schließlich, die Insolvenzgläubiger sollten durch Verteilung der Insolvenzmasse, also des bei Eröffnung des Verfahrens vorhandenen Vermögens des Insolvenzschuldners zuzüglich des von ihm --ohne eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter-- im Verfahren Hinzuerworbenen, befriedigt werden, vermag an alledem nichts zu ändern. Unbeschadet dieses die InsO in der Tat prägenden Grundgedankens ist, wie ausgeführt, Insolvenzgläubigern ebenso wie Neugläubigern eine Aufrechnung im Rahmen der vorgenannten Bestimmungen nicht verwehrt; jene sind dadurch ähnlich privilegiert wie Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO), durch deren Vorzugsrechte ebenso im Ergebnis eine Schmälerung der Insolvenzmasse eintritt, worin sich nur umso mehr zeigt, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (nur) aus der Insolvenzmasse (zahlreiche) Durchbrechungen kennt. Auch dass Vorsteuer, die durch Verwaltung des mit dem Insolvenzbeschlag belegten Vermögens angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden kann, die für den freigegebenen Unternehmensteil anzusetzen ist (so BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639), lässt nicht die Schlussfolgerung zu, gegen den vom Insolvenzbeschlag nicht umfassten Vergütungsanspruch des Klägers könnten Insolvenzforderungen nicht aufgerechnet werden. Einer solchen Schlussfolgerung steht auch entgegen, dass jenes Urteil nicht die Verrechnung mit Insolvenzforderungen, sondern mit Masseforderungen betrifft; es beruht also auf dem Gedanken, dass die Masse erhalten werden muss und nicht vor der Verteilung durch eine freigegebene Tätigkeit des Insolvenzschuldners geschmälert werden darf. Darum geht es hier nicht, weil die vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung die Masse nicht schmälert, sondern im Gegenteil mittelbar stärkt, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen des FA führt und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugute käme.

28

e) Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO steht der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Er schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Hier geht es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann. Warum auf diesen Fall vorgenannte Vorschrift sollte entsprechend angewandt werden können, erschließt sich nicht; es erschließt sich weder unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, es komme anderenfalls durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer "Bevorzugung" des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse, noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Aufrechnung andere Neugläubiger durch Minderung der für sie verbleibenden Haftungsmasse "benachteilige". Denn die Revision scheint zu verkennen, dass es zu den typischen Wirkungen bestehender Aufrechnungslagen gehört, dem Gläubiger in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer gleichsam abgesonderten Befriedigung zu verschaffen --welche auch sonst bei entsprechender Berechtigung sogar eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse ermöglichte--. Die Revision berücksichtigt ebenso wenig, dass jene "Bevorzugung" von Altgläubigern, die dem Schuldner etwas während des Verfahrens schuldig werden, vom Gesetzgeber, der sich --abweichend von der früheren Konkursordnung-- für den Insolvenzbeschlag auch des Neuerwerbs entschieden hat, in Kauf genommen worden ist, obwohl sie die Möglichkeiten des Schuldners, (für eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel unabdingbare) neue Schulden zu begründen, zu beeinträchtigen geeignet ist; dagegen fällt die von der Revision beklagte Beeinträchtigung des gemäß § 13b UStG von Umsatzsteuerschuldnerschaft verschonten --jedoch einer Aufrechnung des FA gegen dadurch wahrscheinliche Vergütungsansprüche ausgesetzten-- Schuldners schwerlich ins Gewicht.

29

f) Schließlich hält die Revision der vom FA erklärten Aufrechnung zu Unrecht § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Denn selbst wenn man diese Vorschrift auch auf einseitige Rechtsgeschäfte des Schuldners sollte anwenden müssen, fehlt es doch daran, dass der Schuldner die strittige Aufrechnungslage nicht aufgrund seines freien Beliebens geschaffen und dem FA dadurch einen Vorteil "verschafft" hat. Diese ist vielmehr die gesetzliche Folge der vom Schuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit abgeschlossenen Geschäfte, woran auch nichts ändert, dass infolge der in § 13b UStG getroffenen Regelung ihr Eintritt nur umso wahrscheinlicher oder sogar, wie die Revision meint, zwangsläufig ist. Dass § 294 Abs. 2 InsO gleichsam ein Gebot an den Schuldner richtet, alles zu unterlassen, was eine Aufrechnungslage zur Folge hat --etwa auch die Erbringung einer entgeltlichen Leistung an einen Altgläubiger ohne Vorkasse--, ist der Vorschrift schwerlich zu entnehmen.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde in 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihren bisherigen Gewerbebetrieb meldete die Klägerin daraufhin ab, gründete aber mit Zustimmung des Insolvenzverwalters ein neues Unternehmen. Der Insolvenzverwalter gab gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) an, dass die Klägerin über die Einnahmen aus ihrer neuen selbstständigen Tätigkeit verfügen könne, da eine Abtretung für die den Pfändungsfreibetrag übersteigenden Beträge vorliege. Außerdem erklärte er sowohl dem FA als auch der Klägerin, dass es sich bei dem neuen Gewerbebetrieb um insolvenzfreies Vermögen handele.

2

Aus den die neue selbstständige Tätigkeit betreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen für August und Oktober 2003 ergaben sich Erstattungsbeträge von insgesamt … €, die das FA mit Umsatzsteuerschulden der Klägerin aus ihrer Tätigkeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnete und worüber es auf Antrag der Klägerin einen entsprechenden Abrechnungsbescheid erteilte.

3

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es urteilte, ein Aufrechnungsverbot habe nicht bestanden, weil die Erstattungsansprüche der Klägerin nicht zur Insolvenzmasse, sondern zum insolvenzfreien Vermögen der Klägerin gehörten. Zum einen habe die Klägerin keine zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände für ihr neues Unternehmen verwendet, weil solche Gegenstände bereits frühzeitig vom Insolvenzverwalter verwertet gewesen seien. Außerdem habe dieser nach den von ihm abgegebenen Erklärungen den neuen Gewerbebetrieb der Klägerin bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens freigegeben. Damit sei dieser aus der Insolvenzmasse ausgeschieden mit der Folge, dass auch mit diesem Unternehmen erworbene Vermögensgegenstände und Forderungen nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst worden seien.

4

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

6

1. Der beschließende Senat hat bereits entschieden, dass Steuererstattungsansprüche des Insolvenzschuldners, welche dieser im Rahmen einer aus dem Insolvenzbeschlag freigegebenen gewerblichen Tätigkeit erworben hat, nicht in die Insolvenzmasse fallen und somit keine insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote einer vom Finanzamt erklärten Aufrechnung gegen solche Ansprüche mit vorinsolvenzlichen Steuerforderungen entgegenstehen (Senatsbeschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336). Von jenem Fall unterscheidet sich der Streitfall nicht, weil das FG die Erklärungen des Insolvenzverwalters dahin gewürdigt hat, dass dieser das neue Unternehmen der Klägerin bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens freigegeben hatte, woraus das FG geschlossen hat, dass dieses Unternehmen sowie die mit diesem erworbenen Forderungen der Klägerin von Anfang an nicht zur Insolvenzmasse gehörten.

7

Der Streitfall wirft auch keine weiteren, bisher nicht beantworteten Rechtsfragen auf, deren Klärung zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Es erschließt sich nicht, weshalb das Vorliegen eines insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbots von der Frage abhängt, "was jetzt eigentlich eine Freigabe eines selbstständigen Gewerbebetriebs aus der Insolvenzmasse zivilrechtlich bewirkt und zu welchem Zeitpunkt". Soweit der Beschwerdebegründung sinngemäß die Auffassung zu entnehmen ist, dass die vom Insolvenzverwalter erklärte Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners wie eine Vorausabtretung künftiger, im Rahmen dieser neuen Tätigkeit erworbener Forderungen zu behandeln ist, diese Forderungen für eine logische Sekunde in die Insolvenzmasse fallen und damit in analoger Anwendung des § 401 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit dem Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) verbunden bleiben, ist dieser Ansicht nicht zu folgen, was keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Forderungen, die während des Insolvenzverfahrens im Rahmen einer freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erworben werden, sind dem Schuldner nicht vom Insolvenzverwalter im Voraus abgetreten. Vielmehr handelt es sich --ebenso wie bei außerhalb dieser selbstständigen Tätigkeit erworbenen Forderungen-- von Anfang an um solche des Schuldners, die keiner Abtretung von Seiten des Insolvenzverwalters bedürfen. Für die Frage, ob hinsichtlich solcher Forderungen ein von ihrem jeweiligen Schuldner zu beachtendes Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht, kommt es nur darauf an, ob die betreffenden Forderungen zur Insolvenzmasse gehören. Bei Forderungen, die im Rahmen einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erworben werden, ist dies --wie sich aus dem vorgenannten Senatsbeschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336 ergibt-- nicht der Fall. Solche Forderungen unterliegen ebenso wenig dem Insolvenzbeschlag wie die für die selbstständige Tätigkeit freigegebenen Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners, ohne dass zuvor ein "Durchgangserwerb durch die Masse" stattfindet. Für eine analoge Anwendung der die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen betreffenden §§ 401 ff. BGB ist daher kein Raum.

8

2. Die ordnungsgemäße Erhebung einer Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482, und vom 11. September 2003 X B 103/02, BFH/NV 2004, 180). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Im Übrigen ist eine Abweichung des FG-Urteils von den seitens der Beschwerde bezeichneten Urteilen des Bundesgerichtshofs auch nicht erkennbar. In keiner dieser Entscheidungen ist die Rede davon, dass die mit der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners verbundene Freigabe der durch diese Tätigkeit erworbenen Forderungen im Wege der Vorausabtretung stattfindet oder dass solche Forderungen für eine logische Sekunde in die Insolvenzmasse fallen.

9

3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde meint lediglich, dass das FG die Erklärungen des Insolvenzverwalters nicht als eindeutige Freigabe der selbstständigen Tätigkeit und der in diesem Rahmen erworbenen Forderungen hätte ansehen dürfen.

(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.

(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss vom 29. Februar 2008 eröffnete das Amtsgericht (AG) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners und bestellte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zum Insolvenzverwalter. Mit Schreiben vom 16. April 2008 teilte dieser dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) mit, dass er das Einzelunternehmen des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzbeschlag freigebe.

2

Am 1. Oktober 2009 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008. Der Insolvenzschuldner hatte in diesem Jahr ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer erzielt. Seine Ehefrau, mit der er zusammen veranlagt wurde, hatte keine Einkünfte. Aufgrund der vom Insolvenzschuldner im Jahr 2008 geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen ergab sich ein Guthaben in Höhe von insgesamt 1.420,40 €.

3

Hinsichtlich desjenigen Teils des Guthabens, das zeitanteilig auf die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfiel (1.185,80 €), erklärte das FA gegenüber dem Insolvenzschuldner die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen (Einkommensteuer 2003). Hinsichtlich des restlichen Guthabens (234,60 €) erklärte das FA gegenüber dem Kläger die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen (ebenfalls Einkommensteuer 2003).

4

Mit Abrechnungsbescheid vom 19. April 2010 (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--), der an den Kläger gerichtet war, ordnete das FA das Guthaben in Höhe von 1.420,40 € unter Hinweis auf die fehlenden Einkünfte der Ehefrau vollständig dem Insolvenzschuldner zu, teilte es anschließend mit den oben genannten Beträgen zeitanteilig auf die Zeit vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf und stellte das Erlöschen dieser Beträge durch Aufrechnung fest.

5

Der Einspruch des Klägers, mit dem er die Aufrechnung hinsichtlich des auf den nachinsolvenzlichen Zeitraum entfallenden Betrags in Höhe von 1.185,80 € angriff, blieb ohne Erfolg. Das FA wies den Einspruch als unzulässig zurück, da der Kläger wegen der Freigabe des Betriebs aus dem Insolvenzbeschlag nicht befugt sei, Rechtsmittel einzulegen. Außerdem sei der Einspruch unbegründet. Insbesondere greife kein Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO), da der Erstattungsanspruch aus den überzahlten Einkommensteuervorauszahlungen nicht in die Insolvenzmasse falle.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Der Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen, da das FA den Erstattungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Dem stehe auch nicht die Freigabe des Einzelunternehmens aus dem Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO entgegen. Anders als ein etwaiger Umsatzsteuervergütungsanspruch wie im Senatsbeschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08 (BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336) gehöre ein Einkommensteuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO, da der Einkommensteuererstattungsanspruch keine betriebliche Einnahme und damit kein "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit" sei. Diese Voraussetzung sei nur bei Betriebssteuern erfüllt, was durch die Gesetzesbegründung bestätigt werde. Etwas anderes folge auch nicht aus der (zutreffenden) Feststellung des FA, dass die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf der vom Insolvenzschuldner ausgeübten gewerblichen Tätigkeit beruht hätten.

7

Mit seiner Revision macht das FA geltend, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Der Erstattungsanspruch aufgrund überzahlter Einkommensteuervorauszahlungen gehöre im Streitfall wegen § 35 Abs. 2 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Zwar sei die Einkommensteuer keine Betriebssteuer und der Einkommensteuererstattungsanspruch keine Betriebseinnahme. Mit der Freigabeerklärung habe der Insolvenzverwalter aber für die selbständige Tätigkeit endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verzichtet. Die Freigabewirkung beziehe sich nicht nur auf den unmittelbaren Neuerwerb der Betriebseinnahmen, sondern erstrecke sich auch auf deren Verwendung. Im Fall einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen bleibe es unabhängig von der Pfändbarkeit bei der Zuordnung zur Sondervermögenssphäre des insolvenzfreien Vermögens. Zur Insolvenzmasse gehöre lediglich der Ausgleichsanspruch gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO. Allein dies entspreche der Intention des Gesetzgebers, Rechtssicherheit für Gläubiger und Schuldner zu erreichen, ohne die nicht selbstständig tätigen Schuldner zu benachteiligen.

8

Der Kläger folgt grundsätzlich der Rechtsauffassung des FG. Das FA verkenne die Bedeutung und die Wirkung der insolvenzrechtlichen Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO. Die Freigabe beschränke sich auf das Vermögen, das dem jeweiligen Gewerbe gewidmet sei, d.h. auf die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben. Dies treffe weder auf die Einkommensteuerschulden noch auf Einkommensteuererstattungsansprüche zu. Insofern lägen persönliche Ansprüche vor, für die nicht nur die gewerblichen, sondern sämtliche Einkünfte des Insolvenzschuldners als Grundlage dienten. Der Einkommensteuererstattungsanspruch sei somit nicht als Betriebseinnahme und die Einkommensteuer nicht als Betriebssteuer anzusehen. Bei einer anderen Betrachtung käme es zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und auch nicht gerechtfertigten Privilegierung des selbständigen Insolvenzschuldners gegenüber dem unselbständigen Insolvenzschuldner. Dies gelte unabhängig von der Herkunft der Mittel.

9

Im Übrigen habe sich im Rahmen der Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass das Einzelunternehmen nicht schon am 16. April 2008, sondern erst im Jahr 2010 aufgrund eines Schreibens des AG aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben worden sei.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

11

Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch aufgrund der fehlenden Einkünfte der Ehefrau tatsächlich --wie vom FA in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 19. April 2010 angenommen-- allein dem Insolvenzschuldner zuzuordnen war (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, m.w.N.). Jedenfalls ist der dem Insolvenzschuldner zuzuordnende Einkommensteuererstattungsanspruch auch hinsichtlich des nachinsolvenzlichen Zeitraums durch die vom FA erklärte Aufrechnung mit Insolvenzforderungen erloschen (§ 47 AO).

12

1. Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs waren erfüllt.

13

Unabhängig von der Problematik, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse i.S. des § 35 Abs. 1 InsO oder zum insolvenzfreien Vermögen i.S. des § 35 Abs. 2 InsO gehörte, war insbesondere die Gegenseitigkeit der Insolvenzforderungen des FA einerseits und des Einkommensteuererstattungsanspruchs andererseits gegeben (a.A. Peters in Münchener Kommentar InsO, 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 47h). Denn das Insolvenzverfahren führt lediglich zu unterschiedlichen Haftungs- bzw. Vermögensmassen. Deren alleiniger Rechtsträger bleibt in jedem Fall der Insolvenzschuldner (vgl. eingehend Senatsbeschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336).

14

Darüber hinaus hat das FA die Aufrechnung für den nachinsolvenzlichen Zeitraum zutreffend gegenüber dem Insolvenzschuldner erklärt. Zwar sind Aufrechnungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären. Dies gilt aber nicht, wenn die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet wird, nicht unter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO fällt, sondern --wie im Folgenden noch näher auszuführen sein wird-- zum insolvenzfreien Vermögen i.S. des § 35 Abs. 2 InsO gehört.

15

2. Die vom FA für den nachinsolvenzlichen Zeitraum erklärte Aufrechnung ist auch nicht durch ein besonderes insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot ausgeschlossen.

16

Aufrechnungen werden zunächst nicht von den allgemeinen Vollstreckungsverboten in § 89 Abs. 1, § 294 Abs. 1 InsO erfasst (Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391).

17

In Betracht kommt allenfalls § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der jedoch voraussetzt, dass der Insolvenzgläubiger etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger das Einzelunternehmen --wie vom FG festgestellt-- am 16. April 2008 aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat. Diese Feststellung des FG, die mit dem eigenen Vortrag des fachkundig vertretenen Klägers in der Vorinstanz übereinstimmte, ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), auch wenn der neue Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung Unterlagen vorgelegt hat, die dem zu widersprechen scheinen. Insbesondere kommt keine Ausnahme aufgrund einer ansonsten drohenden Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 7 Buchst. b der Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Dies folgt aus § 582 ZPO, da der Kläger diese Unterlagen schon in der Vorinstanz hätte vorlegen können, und zwar spätestens im Rahmen eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO.

18

Der Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336 entschieden, dass ein Umsatzsteuervergütungsanspruch, den der Insolvenzschuldner durch eine gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegebene selbständige Tätigkeit erworben hat, nicht i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Insolvenzmasse geschuldet wird und das FA gegen diesen Anspruch mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden aufrechnen kann (bestätigt durch den Senatsbeschluss vom 23. August 2011 VII B 8/11, BFH/NV 2011, 2115; vgl. auch schon Senatsurteil vom 15. Dezember 2009 VII R 18/09, BFHE 228, 6, BStBl II 2010, 758). Mit Beschluss vom 6. März 2014 VII S 47/13 (PKH) (BFH/NV 2014, 1013) hat der Senat diese Rechtsprechung auf Einkommensteuererstattungsansprüche ausgedehnt, die auf Vorauszahlungen beruhen, bei deren Berechnung nur die Einkünfte aus der freigegebenen Tätigkeit zu Grunde gelegt worden sind. Dies ergibt sich bereits aus der weiten Formulierung "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit", aus der sich entgegen der Auffassung des Klägers keine Beschränkung auf Betriebssteuern bzw. auf Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ableiten lässt. Vielmehr erstreckt sich die Freigabe auf eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten, die der freigegebenen Tätigkeit gewidmet sind (vgl. BGH-Urteil vom 9. Februar 2012 IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322) bzw. die auf dieser Tätigkeit beruhen, d.h. infolge der freigegebenen Tätigkeit entstehen oder vereinnahmt werden. Eine Zuordnung zum steuerlichen Betriebsvermögen ist zwar die Regel, aber nicht zwingend erforderlich.

19

Bei Einkommensteuererstattungsansprüchen sind diese Voraussetzungen jedenfalls dann erfüllt, wenn die zugrunde liegenden Einkommensteuervorauszahlungen erst nach der Freigabe festgesetzt und allein nach den zu erwartenden Einkünften aus der vom Insolvenzbeschlag befreiten Tätigkeit berechnet worden sind. Ein solcher Sachverhalt lag dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 1013 zugrunde.

20

Darüber hinaus ist es ausreichend, wenn Vorauszahlungen nach der Freigabe aus Mitteln geleistet werden, die zum freigegebenen Vermögen gehören. In diesem Fall muss auch ein etwaiger Erstattungsanspruch wieder in das freigegebene Vermögen gelangen. Denn Mittel, die einmal zum freigegebenen Vermögen gehört haben, können nicht nachträglich wieder der Insolvenzmasse zugeordnet werden.

21

Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), beruhten die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf der gewerblichen Tätigkeit des Klägers, d.h. auf seiner nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen Tätigkeit. Im Hinblick auf die zeitanteilige Aufteilung des Einkommensteuererstattungsanspruchs im Abrechnungsbescheid sowie den Umstand, dass nach Aktenlage vor der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO allenfalls ein Betrag in Höhe von 247 € als Einkommensteuervorauszahlung geleistet worden ist (vgl. Bl. 54, 56 und 60 der Steuerakte), kann diese Feststellung nur so verstanden werden, dass die auf den nachinsolvenzlichen Zeitraum entfallende Einkommensteuererstattung aus Mitteln des freigegebenen Vermögens gezahlt worden ist. Denn der prozentuale Anteil der möglicherweise vor der Freigabe gezahlten 247 € an den insgesamt geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 3.569,70 € ist mit ca. 7 % wesentlich kleiner als der prozentuale Anteil des auf den vorinsolvenzlichen Zeitraum entfallenden Einkommensteuererstattungsbetrags im Vergleich zum gesamten Erstattungsbetrag (234,60 € von 1.420,40 € = ca. 16,5 %).

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss vom 29. Februar 2008 eröffnete das Amtsgericht (AG) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners und bestellte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zum Insolvenzverwalter. Mit Schreiben vom 16. April 2008 teilte dieser dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) mit, dass er das Einzelunternehmen des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzbeschlag freigebe.

2

Am 1. Oktober 2009 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008. Der Insolvenzschuldner hatte in diesem Jahr ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer erzielt. Seine Ehefrau, mit der er zusammen veranlagt wurde, hatte keine Einkünfte. Aufgrund der vom Insolvenzschuldner im Jahr 2008 geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen ergab sich ein Guthaben in Höhe von insgesamt 1.420,40 €.

3

Hinsichtlich desjenigen Teils des Guthabens, das zeitanteilig auf die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfiel (1.185,80 €), erklärte das FA gegenüber dem Insolvenzschuldner die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen (Einkommensteuer 2003). Hinsichtlich des restlichen Guthabens (234,60 €) erklärte das FA gegenüber dem Kläger die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen (ebenfalls Einkommensteuer 2003).

4

Mit Abrechnungsbescheid vom 19. April 2010 (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--), der an den Kläger gerichtet war, ordnete das FA das Guthaben in Höhe von 1.420,40 € unter Hinweis auf die fehlenden Einkünfte der Ehefrau vollständig dem Insolvenzschuldner zu, teilte es anschließend mit den oben genannten Beträgen zeitanteilig auf die Zeit vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf und stellte das Erlöschen dieser Beträge durch Aufrechnung fest.

5

Der Einspruch des Klägers, mit dem er die Aufrechnung hinsichtlich des auf den nachinsolvenzlichen Zeitraum entfallenden Betrags in Höhe von 1.185,80 € angriff, blieb ohne Erfolg. Das FA wies den Einspruch als unzulässig zurück, da der Kläger wegen der Freigabe des Betriebs aus dem Insolvenzbeschlag nicht befugt sei, Rechtsmittel einzulegen. Außerdem sei der Einspruch unbegründet. Insbesondere greife kein Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO), da der Erstattungsanspruch aus den überzahlten Einkommensteuervorauszahlungen nicht in die Insolvenzmasse falle.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Der Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen, da das FA den Erstattungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Dem stehe auch nicht die Freigabe des Einzelunternehmens aus dem Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO entgegen. Anders als ein etwaiger Umsatzsteuervergütungsanspruch wie im Senatsbeschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08 (BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336) gehöre ein Einkommensteuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO, da der Einkommensteuererstattungsanspruch keine betriebliche Einnahme und damit kein "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit" sei. Diese Voraussetzung sei nur bei Betriebssteuern erfüllt, was durch die Gesetzesbegründung bestätigt werde. Etwas anderes folge auch nicht aus der (zutreffenden) Feststellung des FA, dass die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf der vom Insolvenzschuldner ausgeübten gewerblichen Tätigkeit beruht hätten.

7

Mit seiner Revision macht das FA geltend, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Der Erstattungsanspruch aufgrund überzahlter Einkommensteuervorauszahlungen gehöre im Streitfall wegen § 35 Abs. 2 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Zwar sei die Einkommensteuer keine Betriebssteuer und der Einkommensteuererstattungsanspruch keine Betriebseinnahme. Mit der Freigabeerklärung habe der Insolvenzverwalter aber für die selbständige Tätigkeit endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verzichtet. Die Freigabewirkung beziehe sich nicht nur auf den unmittelbaren Neuerwerb der Betriebseinnahmen, sondern erstrecke sich auch auf deren Verwendung. Im Fall einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen bleibe es unabhängig von der Pfändbarkeit bei der Zuordnung zur Sondervermögenssphäre des insolvenzfreien Vermögens. Zur Insolvenzmasse gehöre lediglich der Ausgleichsanspruch gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO. Allein dies entspreche der Intention des Gesetzgebers, Rechtssicherheit für Gläubiger und Schuldner zu erreichen, ohne die nicht selbstständig tätigen Schuldner zu benachteiligen.

8

Der Kläger folgt grundsätzlich der Rechtsauffassung des FG. Das FA verkenne die Bedeutung und die Wirkung der insolvenzrechtlichen Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO. Die Freigabe beschränke sich auf das Vermögen, das dem jeweiligen Gewerbe gewidmet sei, d.h. auf die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben. Dies treffe weder auf die Einkommensteuerschulden noch auf Einkommensteuererstattungsansprüche zu. Insofern lägen persönliche Ansprüche vor, für die nicht nur die gewerblichen, sondern sämtliche Einkünfte des Insolvenzschuldners als Grundlage dienten. Der Einkommensteuererstattungsanspruch sei somit nicht als Betriebseinnahme und die Einkommensteuer nicht als Betriebssteuer anzusehen. Bei einer anderen Betrachtung käme es zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und auch nicht gerechtfertigten Privilegierung des selbständigen Insolvenzschuldners gegenüber dem unselbständigen Insolvenzschuldner. Dies gelte unabhängig von der Herkunft der Mittel.

9

Im Übrigen habe sich im Rahmen der Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass das Einzelunternehmen nicht schon am 16. April 2008, sondern erst im Jahr 2010 aufgrund eines Schreibens des AG aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben worden sei.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

11

Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch aufgrund der fehlenden Einkünfte der Ehefrau tatsächlich --wie vom FA in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 19. April 2010 angenommen-- allein dem Insolvenzschuldner zuzuordnen war (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, m.w.N.). Jedenfalls ist der dem Insolvenzschuldner zuzuordnende Einkommensteuererstattungsanspruch auch hinsichtlich des nachinsolvenzlichen Zeitraums durch die vom FA erklärte Aufrechnung mit Insolvenzforderungen erloschen (§ 47 AO).

12

1. Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs waren erfüllt.

13

Unabhängig von der Problematik, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse i.S. des § 35 Abs. 1 InsO oder zum insolvenzfreien Vermögen i.S. des § 35 Abs. 2 InsO gehörte, war insbesondere die Gegenseitigkeit der Insolvenzforderungen des FA einerseits und des Einkommensteuererstattungsanspruchs andererseits gegeben (a.A. Peters in Münchener Kommentar InsO, 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 47h). Denn das Insolvenzverfahren führt lediglich zu unterschiedlichen Haftungs- bzw. Vermögensmassen. Deren alleiniger Rechtsträger bleibt in jedem Fall der Insolvenzschuldner (vgl. eingehend Senatsbeschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336).

14

Darüber hinaus hat das FA die Aufrechnung für den nachinsolvenzlichen Zeitraum zutreffend gegenüber dem Insolvenzschuldner erklärt. Zwar sind Aufrechnungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären. Dies gilt aber nicht, wenn die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet wird, nicht unter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO fällt, sondern --wie im Folgenden noch näher auszuführen sein wird-- zum insolvenzfreien Vermögen i.S. des § 35 Abs. 2 InsO gehört.

15

2. Die vom FA für den nachinsolvenzlichen Zeitraum erklärte Aufrechnung ist auch nicht durch ein besonderes insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot ausgeschlossen.

16

Aufrechnungen werden zunächst nicht von den allgemeinen Vollstreckungsverboten in § 89 Abs. 1, § 294 Abs. 1 InsO erfasst (Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391).

17

In Betracht kommt allenfalls § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der jedoch voraussetzt, dass der Insolvenzgläubiger etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger das Einzelunternehmen --wie vom FG festgestellt-- am 16. April 2008 aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat. Diese Feststellung des FG, die mit dem eigenen Vortrag des fachkundig vertretenen Klägers in der Vorinstanz übereinstimmte, ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), auch wenn der neue Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung Unterlagen vorgelegt hat, die dem zu widersprechen scheinen. Insbesondere kommt keine Ausnahme aufgrund einer ansonsten drohenden Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 7 Buchst. b der Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Dies folgt aus § 582 ZPO, da der Kläger diese Unterlagen schon in der Vorinstanz hätte vorlegen können, und zwar spätestens im Rahmen eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO.

18

Der Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336 entschieden, dass ein Umsatzsteuervergütungsanspruch, den der Insolvenzschuldner durch eine gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegebene selbständige Tätigkeit erworben hat, nicht i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Insolvenzmasse geschuldet wird und das FA gegen diesen Anspruch mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden aufrechnen kann (bestätigt durch den Senatsbeschluss vom 23. August 2011 VII B 8/11, BFH/NV 2011, 2115; vgl. auch schon Senatsurteil vom 15. Dezember 2009 VII R 18/09, BFHE 228, 6, BStBl II 2010, 758). Mit Beschluss vom 6. März 2014 VII S 47/13 (PKH) (BFH/NV 2014, 1013) hat der Senat diese Rechtsprechung auf Einkommensteuererstattungsansprüche ausgedehnt, die auf Vorauszahlungen beruhen, bei deren Berechnung nur die Einkünfte aus der freigegebenen Tätigkeit zu Grunde gelegt worden sind. Dies ergibt sich bereits aus der weiten Formulierung "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit", aus der sich entgegen der Auffassung des Klägers keine Beschränkung auf Betriebssteuern bzw. auf Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ableiten lässt. Vielmehr erstreckt sich die Freigabe auf eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten, die der freigegebenen Tätigkeit gewidmet sind (vgl. BGH-Urteil vom 9. Februar 2012 IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322) bzw. die auf dieser Tätigkeit beruhen, d.h. infolge der freigegebenen Tätigkeit entstehen oder vereinnahmt werden. Eine Zuordnung zum steuerlichen Betriebsvermögen ist zwar die Regel, aber nicht zwingend erforderlich.

19

Bei Einkommensteuererstattungsansprüchen sind diese Voraussetzungen jedenfalls dann erfüllt, wenn die zugrunde liegenden Einkommensteuervorauszahlungen erst nach der Freigabe festgesetzt und allein nach den zu erwartenden Einkünften aus der vom Insolvenzbeschlag befreiten Tätigkeit berechnet worden sind. Ein solcher Sachverhalt lag dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 1013 zugrunde.

20

Darüber hinaus ist es ausreichend, wenn Vorauszahlungen nach der Freigabe aus Mitteln geleistet werden, die zum freigegebenen Vermögen gehören. In diesem Fall muss auch ein etwaiger Erstattungsanspruch wieder in das freigegebene Vermögen gelangen. Denn Mittel, die einmal zum freigegebenen Vermögen gehört haben, können nicht nachträglich wieder der Insolvenzmasse zugeordnet werden.

21

Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), beruhten die Einkommensteuervorauszahlungen ausschließlich auf der gewerblichen Tätigkeit des Klägers, d.h. auf seiner nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen Tätigkeit. Im Hinblick auf die zeitanteilige Aufteilung des Einkommensteuererstattungsanspruchs im Abrechnungsbescheid sowie den Umstand, dass nach Aktenlage vor der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO allenfalls ein Betrag in Höhe von 247 € als Einkommensteuervorauszahlung geleistet worden ist (vgl. Bl. 54, 56 und 60 der Steuerakte), kann diese Feststellung nur so verstanden werden, dass die auf den nachinsolvenzlichen Zeitraum entfallende Einkommensteuererstattung aus Mitteln des freigegebenen Vermögens gezahlt worden ist. Denn der prozentuale Anteil der möglicherweise vor der Freigabe gezahlten 247 € an den insgesamt geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 3.569,70 € ist mit ca. 7 % wesentlich kleiner als der prozentuale Anteil des auf den vorinsolvenzlichen Zeitraum entfallenden Einkommensteuererstattungsbetrags im Vergleich zum gesamten Erstattungsbetrag (234,60 € von 1.420,40 € = ca. 16,5 %).

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.

(2) Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge sind während der Dauer des Verfahrens auch für Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind. Dies gilt nicht für die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist.

(3) Über Einwendungen, die auf Grund des Absatzes 1 oder 2 gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden, entscheidet das Insolvenzgericht. Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit September 2003 ein Insolvenzverfahren anhängig. Steuerforderungen aus vorinsolvenzlicher Zeit in Höhe von rd. 8.700 € sind offen. Seit März 2005 betreibt der Kläger wieder ein Einzelunternehmen. Der Insolvenzverwalter hat alle hierfür benötigten Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Für Mai 2005 hat der Kläger aufgrund eines hohen Vorsteuerabzugs einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe von rd. 4.140 € erworben. Gegen diesen Anspruch hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit seinen Umsatzsteuerforderungen für Januar und Februar 2003 erklärt und in dem in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers dadurch erloschen sei.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1485 veröffentlichte Urteil abgewiesen. In dem Urteil heißt es, der Aufrechnung stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen, weil der Vergütungsanspruch aufgrund der Freigabe nicht in die Insolvenzmasse falle. Die durch § 294 Abs. 3 InsO für die Wohlverhaltensphase angeordnete Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern greife nicht ein, das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO sei mit einem Aufrechnungsverbot nicht gleichzusetzen.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung des materiellen Rechts rügt. Das FG habe übersehen, dass eine Aufrechnung in den Grenzen des § 294 InsO erst dann wieder möglich sei, wenn das Insolvenzverfahren auf-gehoben ist. Das sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Der vom FA erklärten Aufrechnung stehe einstweilen das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO entgegen.

4

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO, dass der selbständig tätige Schuldner durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, habe bei einem selbständig Tätigen dieselbe Funktion wie § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO bei einem nichtselbständigen Schuldner. Daher müsse das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO, das die Aufrechnung von der Abtretungserklärung erfasster Bezüge gegen den Schuldner grundsätzlich verbietet, analog auf die von einem Selbständigen an den Treuhänder zu leistenden Zahlungen angewendet werden. Der Vorsteuervergütungsbetrag sei ein Vermögenswert, der an den Treuhänder abzuführen ist, denn er stelle für einen selbständig tätigen Schuldner eine Einnahme dar, die mit der Erzielung seiner Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners rühre im Streitfall allein daraus her, dass er gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht Schuldner der auf seinen Leistungen ruhenden Umsatzsteuer ist, sodass in solchen Fällen zwangläufig ein Vorsteuerüberhang entstehe. Ein Schuldner, bei dem § 13b UStG eingreife, dürfe jedoch nicht schlechter gestellt werden als ein Schuldner, bei dem § 13b UStG nicht einschlägig ist.

5

Ferner stehe der Aufrechnung § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Dabei sei der Begriff Abkommen vor dem Hintergrund des Schutzzweckes dieser Vorschrift nicht nur auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, sondern erfasse jegliche Handlung des Insolvenzschuldners, die dazu beiträgt, dass hinter dem Rücken der anderen Gläubiger Vermögensverschiebungen vorgenommen werden können. In der Erbringung von Leistungen, die einen Vorsteuervergütungsanspruch zur Folge haben, liege eine solche Handlung des selbständig tätigen Insolvenzschuldners. Sondervorteil sei die dem Insolvenzgläubiger verschaffte Aufrechnungsmöglichkeit. Zudem werde die Befriedigung anderer Gläubiger infolge der Verringerung der Insolvenzmasse beeinträchtigt, wenn der Schuldner infolge der Aufrechnung nicht mehr in der Lage sei, an den Treuhänder Zahlungen in solcher Höhe zu leisten, wie sie sich aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergäben.

6

Überdies fehle es aber auch an der Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2008 (gemeint offenbar: IX ZB 182/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 3494) sei zu folgern, dass der BGH das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners als eine eigenständige Haftungsmasse ansehe, die von der vom Insolvenzbeschlag betroffenen Haftungsmasse getrennt sei. Jene neue Haftungsmasse stehe nur den Neugläubigern zu. Zu dieser ausschließlich den Neugläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse gehöre im Streitfall der Vorsteuervergütungsanspruch. Die Umsatzsteuerforderung des FA richte sich hingegen gegen das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich eines Neuerwerbs des Klägers bis zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden war.

7

Dem entspreche es, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99 (BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639) entschieden habe, dass Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden darf, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist. Derselbe Rechtsgedanke spiegele sich auch in der Entscheidung des BFH vom 7. April 2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) wider, wonach Steuerschulden, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.

8

Nur diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit dem Insolvenzrecht. Denn Zweck des Insolvenzverfahrens sei eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, denen das Gesetz als Haftungssubstrat neben der Alt- auch die sog. Neumasse zuweise. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO schließe --klarstellend-- die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Anderenfalls käme es durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer Bevorzugung des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse. Des Weiteren führe eine solche Aufrechnung zu einer Benachteiligung anderer Neugläubiger durch Minderung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse.

9

Die Revision rügt schließlich, dass durch die Betrachtungsweise des FA einem Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit unmöglich werde, weil er seine Forderungen nicht verwirklichen könne. Das gelte besonders in dem vorliegenden Fall, in dem die Auftraggeber des Klägers gemäß § 13b UStG Schuldner der Umsatzsteuer seien, sodass der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern angesichts erheblicher Insolvenzforderungen nicht verwirklichen könne.

10

Das FA weist darauf hin, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, aber auch alle sonstigen Ansprüche nach § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) nicht zu den an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase abgetretenen Forderungen gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Bei einem Vorsteuervergütungsanspruch handle es sich nicht um einen an den Treuhänder abgetretenen Anspruch (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391). Ein Vorsteuervergütungsanspruch entstehe durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch nicht zwangsläufig, wie der Kläger meine. Ihn anders als die Bezüge eines nichtselbständig tätigen Schuldners zu behandeln führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige das Risiko trage, seine Gläubiger wie durch eine angemessene nichtselbständige Tätigkeit befriedigen zu können, und er deshalb mit einem Nichtselbständigen nicht zu vergleichen sei.

11

Auch § 294 Abs. 2 InsO sei nicht einschlägig. Zwar sei im Schrifttum umstritten, ob "Abkommen" im Sinne dieser Vorschrift nicht auch einseitige Rechtsgeschäfte sein könnten. Diese seien indes durch die in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelten Obliegenheiten erfasst. Es könne dem in der Wohlverhaltensphase befindlichen Selbständigen aufgrund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch nicht angelastet werden, von wem er Aufträge akquiriere.

12

Es fehle schließlich auch an einer Obliegenheitsverletzung, in deren Folge das den Gläubigern zur Verfügung zu stellende Vermögen geschmälert worden ist. § 294 Abs. 3 InsO schließe nicht jegliche Aufrechnung aus. § 295 Abs. 2 InsO verlange lediglich von dem Schuldner, durch seine selbständige Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen und dieses an den Treuhänder abzuführen; ob und in welcher Höhe darin Vorsteuervergütungen enthalten sind, sei ohne Belang.

13

Auch die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sei gegeben, da der Steuervergütungsanspruch des Klägers aus dem sog. Neuerwerb wegen der bedingungslosen Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter zustehe und der Kläger zugleich Schuldner der rückständigen Umsatzsteuer sei. Der Betrachtung des Klägers über die getrennten Haftungsmassen sei nicht zu folgen. Der Kläger sei Beteiligter des Steuerschuldverhältnisses sowohl in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie nach Freigabe von Vermögensgegenständen aus dem Verfahren. Ob das Verfahren als solches aufgehoben worden sei, sei dabei ohne Bedeutung.

Entscheidungsgründe

14

II. Der erkennende Senat kann gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Revision des Klägers nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

15

Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden. Es besteht auch kein Aufrechnungsverbot.

16

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass dem Kläger ein Umsatzsteuervergütungsanspruch aus der Festsetzung für Mai 2005 zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA für Januar und Februar 2003 --also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren vgl. § 94 InsO) vorlagen. Dass der Kläger Schuldner und Gläubiger vorgenannter Forderungen ungeachtet ihrer Entstehung vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist --und diese deshalb nicht etwa verschiedenen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen sind--, ist vom FG eingehend und zutreffend dargelegt worden; dem ist nichts hinzuzufügen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639).

17

2. Es fehlt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb an der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung, weil das FA dem Kläger Umsatzsteuervergütung schuldet, ohne dass dessen Forderung wie sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterläge, die Gegenforderungen des FA hingegen Insolvenzforderungen sind, also solche, die --vorbehaltlich der Möglichkeit einer Aufrechnung-- nach Maßgabe des Verteilungsplans aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.

18

Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hat, dass das Vermögen des Schuldners in zwei Teilmassen aufgeteilt wird, die einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der Schuldner über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen und aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Forderungen nicht mehr begründen kann (§ 80 Abs. 1 InsO) und dass seine Gläubiger weder wegen vor noch wegen während des Verfahrens begründeter Forderungen in die Insolvenzmasse vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO).

19

Unbeschadet der an diesen Vorschriften deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen, die der InsO zugrunde liegt (vgl. dazu u.a. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 65 passim; Blersch/von Olshausen in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 96 Rz 14; Kübler in Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz 58), enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen, wie die Revision offenbar meint. Eine solche Folgerung ziehen aber selbst vorgenannte Schrifttumsstimmen trotz der Betonung der sog. separatio bonorum nicht, wenn auch mitunter § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO lediglich deklaratorische Bedeutung beigelegt wird (vgl. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., m.w.N.). Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, ist deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig.

20

Etwas anderes lässt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aus dem Beschluss des BGH in NJW 2008, 3494 herleiten. Das von der Revision ferner in diesem Zusammenhang angeführte BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 betrifft die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Veranlagung und ist schon deshalb für die Frage der Aufrechenbarkeit aus einer solchen Veranlagung herrührender Forderungen nicht ergiebig, das BFH-Urteil in BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 deshalb nicht, weil es ausschließlich auf der Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beruht, um den es hier nicht geht. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht näher zu erörtern, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Obermair, Der Neuerwerb - eine unendliche Geschichte, Deutsches Steuerrecht 2005, 1561; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 822; Voigt/Gerke, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2002, 1054), folgen könnte.

21

3. Der vom FA erklärten Aufrechnung steht, anders als die Revision meint, kein Aufrechnungsverbot entgegen, sodass die Aufrechnung des FA wirksam und der angefochtene Bescheid mithin rechtmäßig ist.

22

a) Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote sind --sieht man von den in § 95 InsO enthaltenen Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis ab, die hier offenkundig nicht einschlägig sind-- in § 96 Abs. 1 InsO geregelt. Von den dort aufgeführten vier Verboten kann im Streitfall vornehmlich das erste in Betracht gezogen werden, welches das FG geprüft und mit Recht für nicht anwendbar gehalten hat. Denn § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall ist das FA indes den vom Kläger erworbenen Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat --wirksam-- die vom Kläger durch die von ihm während des Insolvenzverfahrens neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag --abweichend von § 35 Halbsatz 2 InsO a.F.-- freigegeben. Deshalb fällt der strittige Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.

23

Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA in der Wohlverhaltensphase befand, wovon das FG und die Beteiligten ausgehen, und ob das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jenem Zeitpunkt noch andauerte, ist in diesem Zusammenhang ohne jede erkennbare Bedeutung. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren --vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO-- unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die hier in Betracht gezogen werden könnten. Dass sich aus § 294 Abs. 1 InsO, der Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners verbietet, kein Aufrechnungsverbot ergibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil des Senats vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272).

24

b) Im Verfahren der Restschuldbefreiung sind allerdings Forderungen des Schuldners unter Umständen einer Aufrechnung deshalb entzogen, weil dieser sie gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO an einen vom Gericht für das Verfahren bestellten Treuhänder abgetreten hat und § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnungsmöglichkeiten insofern einschränkt. Wie sich aus jener Vorschrift ergibt, bezieht sich die Abtretung allerdings nur auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dass unter diese Begriffe Umsatzsteuervergütungsansprüche nicht fallen, bedarf keiner näheren Ausführung.

25

Anders als die Revision meint, kann jene Vorschrift auch nicht entsprechend auf Einnahmen eines Schuldners angewandt werden, der als selbständig Tätiger keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder sonstige laufende Bezüge i.S. des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat, aber --weil das so ist-- gemäß § 295 Abs. 2 InsO von seinen Einnahmen etwas abführen muss, was dem entspricht, was er bei Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche Analogie muss hinsichtlich eines Steuervergütungsanspruchs schon daran scheitern, dass sich die Abführungspflicht in keiner Weise gegenständlich auf einen solchen vom Schuldner erlangten Anspruch beziehen lässt, ja überhaupt nicht unmittelbar auf die Einnahmen des Schuldners bezogen ist, sondern auf dessen fiktive Einnahmen aus einer anderen (nichtselbständigen) Tätigkeit. Der Schuldner wird deshalb seiner Pflicht auch nicht ledig, weil er eine Einnahme infolge einer Aufrechnung des FA verliert, sondern muss, wenn ihn das zur Erfüllung jener Pflicht außer Stande setzen sollte, wie es die Revision in Erwägung zieht, von der betreffenden selbständigen Tätigkeit Abstand nehmen.

26

c) Dass es eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit eines Insolvenzschuldners erleichterte, wenn dieser davor sicher wäre, dass sein Schuldner nicht seine nicht befriedigten Forderungen gegen etwaige durch jene Tätigkeit erworbene Forderungen aufrechnet, und dass er daran insbesondere im Verhältnis zum FA ein Interesse hat, weil er es insoweit nicht in der Hand hat, sich den Schuldner selbst auszusuchen und dadurch eine solche Aufrechnungslage nicht entstehen zu lassen, hat den Gesetzgeber nicht veranlasst, vorgenannte Umsatzsteuervergütungsansprüche in die Abtretung an den Treuhänder einzubeziehen oder insoweit ein Aufrechnungsverbot aufzustellen. Dabei muss es jedenfalls de lege lata bewenden. Eine solche Zwangslage, Forderungen gegenüber aufrechnungsbefugten Altgläubigern begründen zu müssen, kann im Übrigen nicht nur im Verhältnis zum FA auftreten, weshalb umso weniger angenommen werden kann, der Gesetzgeber der InsO habe unabsichtlich versäumt, den Insolvenzschuldner insofern gegen eine Aufrechnung zu schützen.

27

d) Die Überlegung der Revision schließlich, die Insolvenzgläubiger sollten durch Verteilung der Insolvenzmasse, also des bei Eröffnung des Verfahrens vorhandenen Vermögens des Insolvenzschuldners zuzüglich des von ihm --ohne eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter-- im Verfahren Hinzuerworbenen, befriedigt werden, vermag an alledem nichts zu ändern. Unbeschadet dieses die InsO in der Tat prägenden Grundgedankens ist, wie ausgeführt, Insolvenzgläubigern ebenso wie Neugläubigern eine Aufrechnung im Rahmen der vorgenannten Bestimmungen nicht verwehrt; jene sind dadurch ähnlich privilegiert wie Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO), durch deren Vorzugsrechte ebenso im Ergebnis eine Schmälerung der Insolvenzmasse eintritt, worin sich nur umso mehr zeigt, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (nur) aus der Insolvenzmasse (zahlreiche) Durchbrechungen kennt. Auch dass Vorsteuer, die durch Verwaltung des mit dem Insolvenzbeschlag belegten Vermögens angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden kann, die für den freigegebenen Unternehmensteil anzusetzen ist (so BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639), lässt nicht die Schlussfolgerung zu, gegen den vom Insolvenzbeschlag nicht umfassten Vergütungsanspruch des Klägers könnten Insolvenzforderungen nicht aufgerechnet werden. Einer solchen Schlussfolgerung steht auch entgegen, dass jenes Urteil nicht die Verrechnung mit Insolvenzforderungen, sondern mit Masseforderungen betrifft; es beruht also auf dem Gedanken, dass die Masse erhalten werden muss und nicht vor der Verteilung durch eine freigegebene Tätigkeit des Insolvenzschuldners geschmälert werden darf. Darum geht es hier nicht, weil die vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung die Masse nicht schmälert, sondern im Gegenteil mittelbar stärkt, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen des FA führt und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugute käme.

28

e) Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO steht der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Er schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Hier geht es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann. Warum auf diesen Fall vorgenannte Vorschrift sollte entsprechend angewandt werden können, erschließt sich nicht; es erschließt sich weder unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, es komme anderenfalls durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer "Bevorzugung" des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse, noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Aufrechnung andere Neugläubiger durch Minderung der für sie verbleibenden Haftungsmasse "benachteilige". Denn die Revision scheint zu verkennen, dass es zu den typischen Wirkungen bestehender Aufrechnungslagen gehört, dem Gläubiger in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer gleichsam abgesonderten Befriedigung zu verschaffen --welche auch sonst bei entsprechender Berechtigung sogar eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse ermöglichte--. Die Revision berücksichtigt ebenso wenig, dass jene "Bevorzugung" von Altgläubigern, die dem Schuldner etwas während des Verfahrens schuldig werden, vom Gesetzgeber, der sich --abweichend von der früheren Konkursordnung-- für den Insolvenzbeschlag auch des Neuerwerbs entschieden hat, in Kauf genommen worden ist, obwohl sie die Möglichkeiten des Schuldners, (für eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel unabdingbare) neue Schulden zu begründen, zu beeinträchtigen geeignet ist; dagegen fällt die von der Revision beklagte Beeinträchtigung des gemäß § 13b UStG von Umsatzsteuerschuldnerschaft verschonten --jedoch einer Aufrechnung des FA gegen dadurch wahrscheinliche Vergütungsansprüche ausgesetzten-- Schuldners schwerlich ins Gewicht.

29

f) Schließlich hält die Revision der vom FA erklärten Aufrechnung zu Unrecht § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Denn selbst wenn man diese Vorschrift auch auf einseitige Rechtsgeschäfte des Schuldners sollte anwenden müssen, fehlt es doch daran, dass der Schuldner die strittige Aufrechnungslage nicht aufgrund seines freien Beliebens geschaffen und dem FA dadurch einen Vorteil "verschafft" hat. Diese ist vielmehr die gesetzliche Folge der vom Schuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit abgeschlossenen Geschäfte, woran auch nichts ändert, dass infolge der in § 13b UStG getroffenen Regelung ihr Eintritt nur umso wahrscheinlicher oder sogar, wie die Revision meint, zwangsläufig ist. Dass § 294 Abs. 2 InsO gleichsam ein Gebot an den Schuldner richtet, alles zu unterlassen, was eine Aufrechnungslage zur Folge hat --etwa auch die Erbringung einer entgeltlichen Leistung an einen Altgläubiger ohne Vorkasse--, ist der Vorschrift schwerlich zu entnehmen.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde in 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihren bisherigen Gewerbebetrieb meldete die Klägerin daraufhin ab, gründete aber mit Zustimmung des Insolvenzverwalters ein neues Unternehmen. Der Insolvenzverwalter gab gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) an, dass die Klägerin über die Einnahmen aus ihrer neuen selbstständigen Tätigkeit verfügen könne, da eine Abtretung für die den Pfändungsfreibetrag übersteigenden Beträge vorliege. Außerdem erklärte er sowohl dem FA als auch der Klägerin, dass es sich bei dem neuen Gewerbebetrieb um insolvenzfreies Vermögen handele.

2

Aus den die neue selbstständige Tätigkeit betreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen für August und Oktober 2003 ergaben sich Erstattungsbeträge von insgesamt … €, die das FA mit Umsatzsteuerschulden der Klägerin aus ihrer Tätigkeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnete und worüber es auf Antrag der Klägerin einen entsprechenden Abrechnungsbescheid erteilte.

3

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es urteilte, ein Aufrechnungsverbot habe nicht bestanden, weil die Erstattungsansprüche der Klägerin nicht zur Insolvenzmasse, sondern zum insolvenzfreien Vermögen der Klägerin gehörten. Zum einen habe die Klägerin keine zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände für ihr neues Unternehmen verwendet, weil solche Gegenstände bereits frühzeitig vom Insolvenzverwalter verwertet gewesen seien. Außerdem habe dieser nach den von ihm abgegebenen Erklärungen den neuen Gewerbebetrieb der Klägerin bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens freigegeben. Damit sei dieser aus der Insolvenzmasse ausgeschieden mit der Folge, dass auch mit diesem Unternehmen erworbene Vermögensgegenstände und Forderungen nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst worden seien.

4

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

6

1. Der beschließende Senat hat bereits entschieden, dass Steuererstattungsansprüche des Insolvenzschuldners, welche dieser im Rahmen einer aus dem Insolvenzbeschlag freigegebenen gewerblichen Tätigkeit erworben hat, nicht in die Insolvenzmasse fallen und somit keine insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote einer vom Finanzamt erklärten Aufrechnung gegen solche Ansprüche mit vorinsolvenzlichen Steuerforderungen entgegenstehen (Senatsbeschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336). Von jenem Fall unterscheidet sich der Streitfall nicht, weil das FG die Erklärungen des Insolvenzverwalters dahin gewürdigt hat, dass dieser das neue Unternehmen der Klägerin bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens freigegeben hatte, woraus das FG geschlossen hat, dass dieses Unternehmen sowie die mit diesem erworbenen Forderungen der Klägerin von Anfang an nicht zur Insolvenzmasse gehörten.

7

Der Streitfall wirft auch keine weiteren, bisher nicht beantworteten Rechtsfragen auf, deren Klärung zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Es erschließt sich nicht, weshalb das Vorliegen eines insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbots von der Frage abhängt, "was jetzt eigentlich eine Freigabe eines selbstständigen Gewerbebetriebs aus der Insolvenzmasse zivilrechtlich bewirkt und zu welchem Zeitpunkt". Soweit der Beschwerdebegründung sinngemäß die Auffassung zu entnehmen ist, dass die vom Insolvenzverwalter erklärte Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners wie eine Vorausabtretung künftiger, im Rahmen dieser neuen Tätigkeit erworbener Forderungen zu behandeln ist, diese Forderungen für eine logische Sekunde in die Insolvenzmasse fallen und damit in analoger Anwendung des § 401 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit dem Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) verbunden bleiben, ist dieser Ansicht nicht zu folgen, was keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Forderungen, die während des Insolvenzverfahrens im Rahmen einer freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erworben werden, sind dem Schuldner nicht vom Insolvenzverwalter im Voraus abgetreten. Vielmehr handelt es sich --ebenso wie bei außerhalb dieser selbstständigen Tätigkeit erworbenen Forderungen-- von Anfang an um solche des Schuldners, die keiner Abtretung von Seiten des Insolvenzverwalters bedürfen. Für die Frage, ob hinsichtlich solcher Forderungen ein von ihrem jeweiligen Schuldner zu beachtendes Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht, kommt es nur darauf an, ob die betreffenden Forderungen zur Insolvenzmasse gehören. Bei Forderungen, die im Rahmen einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erworben werden, ist dies --wie sich aus dem vorgenannten Senatsbeschluss in BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336 ergibt-- nicht der Fall. Solche Forderungen unterliegen ebenso wenig dem Insolvenzbeschlag wie die für die selbstständige Tätigkeit freigegebenen Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners, ohne dass zuvor ein "Durchgangserwerb durch die Masse" stattfindet. Für eine analoge Anwendung der die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen betreffenden §§ 401 ff. BGB ist daher kein Raum.

8

2. Die ordnungsgemäße Erhebung einer Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482, und vom 11. September 2003 X B 103/02, BFH/NV 2004, 180). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Im Übrigen ist eine Abweichung des FG-Urteils von den seitens der Beschwerde bezeichneten Urteilen des Bundesgerichtshofs auch nicht erkennbar. In keiner dieser Entscheidungen ist die Rede davon, dass die mit der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners verbundene Freigabe der durch diese Tätigkeit erworbenen Forderungen im Wege der Vorausabtretung stattfindet oder dass solche Forderungen für eine logische Sekunde in die Insolvenzmasse fallen.

9

3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde meint lediglich, dass das FG die Erklärungen des Insolvenzverwalters nicht als eindeutige Freigabe der selbstständigen Tätigkeit und der in diesem Rahmen erworbenen Forderungen hätte ansehen dürfen.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit September 2003 ein Insolvenzverfahren anhängig. Steuerforderungen aus vorinsolvenzlicher Zeit in Höhe von rd. 8.700 € sind offen. Seit März 2005 betreibt der Kläger wieder ein Einzelunternehmen. Der Insolvenzverwalter hat alle hierfür benötigten Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Für Mai 2005 hat der Kläger aufgrund eines hohen Vorsteuerabzugs einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe von rd. 4.140 € erworben. Gegen diesen Anspruch hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit seinen Umsatzsteuerforderungen für Januar und Februar 2003 erklärt und in dem in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers dadurch erloschen sei.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1485 veröffentlichte Urteil abgewiesen. In dem Urteil heißt es, der Aufrechnung stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen, weil der Vergütungsanspruch aufgrund der Freigabe nicht in die Insolvenzmasse falle. Die durch § 294 Abs. 3 InsO für die Wohlverhaltensphase angeordnete Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern greife nicht ein, das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO sei mit einem Aufrechnungsverbot nicht gleichzusetzen.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung des materiellen Rechts rügt. Das FG habe übersehen, dass eine Aufrechnung in den Grenzen des § 294 InsO erst dann wieder möglich sei, wenn das Insolvenzverfahren auf-gehoben ist. Das sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Der vom FA erklärten Aufrechnung stehe einstweilen das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO entgegen.

4

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO, dass der selbständig tätige Schuldner durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, habe bei einem selbständig Tätigen dieselbe Funktion wie § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO bei einem nichtselbständigen Schuldner. Daher müsse das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO, das die Aufrechnung von der Abtretungserklärung erfasster Bezüge gegen den Schuldner grundsätzlich verbietet, analog auf die von einem Selbständigen an den Treuhänder zu leistenden Zahlungen angewendet werden. Der Vorsteuervergütungsbetrag sei ein Vermögenswert, der an den Treuhänder abzuführen ist, denn er stelle für einen selbständig tätigen Schuldner eine Einnahme dar, die mit der Erzielung seiner Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners rühre im Streitfall allein daraus her, dass er gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht Schuldner der auf seinen Leistungen ruhenden Umsatzsteuer ist, sodass in solchen Fällen zwangläufig ein Vorsteuerüberhang entstehe. Ein Schuldner, bei dem § 13b UStG eingreife, dürfe jedoch nicht schlechter gestellt werden als ein Schuldner, bei dem § 13b UStG nicht einschlägig ist.

5

Ferner stehe der Aufrechnung § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Dabei sei der Begriff Abkommen vor dem Hintergrund des Schutzzweckes dieser Vorschrift nicht nur auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, sondern erfasse jegliche Handlung des Insolvenzschuldners, die dazu beiträgt, dass hinter dem Rücken der anderen Gläubiger Vermögensverschiebungen vorgenommen werden können. In der Erbringung von Leistungen, die einen Vorsteuervergütungsanspruch zur Folge haben, liege eine solche Handlung des selbständig tätigen Insolvenzschuldners. Sondervorteil sei die dem Insolvenzgläubiger verschaffte Aufrechnungsmöglichkeit. Zudem werde die Befriedigung anderer Gläubiger infolge der Verringerung der Insolvenzmasse beeinträchtigt, wenn der Schuldner infolge der Aufrechnung nicht mehr in der Lage sei, an den Treuhänder Zahlungen in solcher Höhe zu leisten, wie sie sich aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergäben.

6

Überdies fehle es aber auch an der Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2008 (gemeint offenbar: IX ZB 182/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 3494) sei zu folgern, dass der BGH das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners als eine eigenständige Haftungsmasse ansehe, die von der vom Insolvenzbeschlag betroffenen Haftungsmasse getrennt sei. Jene neue Haftungsmasse stehe nur den Neugläubigern zu. Zu dieser ausschließlich den Neugläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse gehöre im Streitfall der Vorsteuervergütungsanspruch. Die Umsatzsteuerforderung des FA richte sich hingegen gegen das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich eines Neuerwerbs des Klägers bis zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden war.

7

Dem entspreche es, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99 (BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639) entschieden habe, dass Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden darf, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist. Derselbe Rechtsgedanke spiegele sich auch in der Entscheidung des BFH vom 7. April 2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) wider, wonach Steuerschulden, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.

8

Nur diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit dem Insolvenzrecht. Denn Zweck des Insolvenzverfahrens sei eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, denen das Gesetz als Haftungssubstrat neben der Alt- auch die sog. Neumasse zuweise. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO schließe --klarstellend-- die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Anderenfalls käme es durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer Bevorzugung des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse. Des Weiteren führe eine solche Aufrechnung zu einer Benachteiligung anderer Neugläubiger durch Minderung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse.

9

Die Revision rügt schließlich, dass durch die Betrachtungsweise des FA einem Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit unmöglich werde, weil er seine Forderungen nicht verwirklichen könne. Das gelte besonders in dem vorliegenden Fall, in dem die Auftraggeber des Klägers gemäß § 13b UStG Schuldner der Umsatzsteuer seien, sodass der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern angesichts erheblicher Insolvenzforderungen nicht verwirklichen könne.

10

Das FA weist darauf hin, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, aber auch alle sonstigen Ansprüche nach § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) nicht zu den an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase abgetretenen Forderungen gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Bei einem Vorsteuervergütungsanspruch handle es sich nicht um einen an den Treuhänder abgetretenen Anspruch (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391). Ein Vorsteuervergütungsanspruch entstehe durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch nicht zwangsläufig, wie der Kläger meine. Ihn anders als die Bezüge eines nichtselbständig tätigen Schuldners zu behandeln führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige das Risiko trage, seine Gläubiger wie durch eine angemessene nichtselbständige Tätigkeit befriedigen zu können, und er deshalb mit einem Nichtselbständigen nicht zu vergleichen sei.

11

Auch § 294 Abs. 2 InsO sei nicht einschlägig. Zwar sei im Schrifttum umstritten, ob "Abkommen" im Sinne dieser Vorschrift nicht auch einseitige Rechtsgeschäfte sein könnten. Diese seien indes durch die in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelten Obliegenheiten erfasst. Es könne dem in der Wohlverhaltensphase befindlichen Selbständigen aufgrund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch nicht angelastet werden, von wem er Aufträge akquiriere.

12

Es fehle schließlich auch an einer Obliegenheitsverletzung, in deren Folge das den Gläubigern zur Verfügung zu stellende Vermögen geschmälert worden ist. § 294 Abs. 3 InsO schließe nicht jegliche Aufrechnung aus. § 295 Abs. 2 InsO verlange lediglich von dem Schuldner, durch seine selbständige Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen und dieses an den Treuhänder abzuführen; ob und in welcher Höhe darin Vorsteuervergütungen enthalten sind, sei ohne Belang.

13

Auch die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sei gegeben, da der Steuervergütungsanspruch des Klägers aus dem sog. Neuerwerb wegen der bedingungslosen Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter zustehe und der Kläger zugleich Schuldner der rückständigen Umsatzsteuer sei. Der Betrachtung des Klägers über die getrennten Haftungsmassen sei nicht zu folgen. Der Kläger sei Beteiligter des Steuerschuldverhältnisses sowohl in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie nach Freigabe von Vermögensgegenständen aus dem Verfahren. Ob das Verfahren als solches aufgehoben worden sei, sei dabei ohne Bedeutung.

Entscheidungsgründe

14

II. Der erkennende Senat kann gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Revision des Klägers nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

15

Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden. Es besteht auch kein Aufrechnungsverbot.

16

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass dem Kläger ein Umsatzsteuervergütungsanspruch aus der Festsetzung für Mai 2005 zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA für Januar und Februar 2003 --also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren vgl. § 94 InsO) vorlagen. Dass der Kläger Schuldner und Gläubiger vorgenannter Forderungen ungeachtet ihrer Entstehung vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist --und diese deshalb nicht etwa verschiedenen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen sind--, ist vom FG eingehend und zutreffend dargelegt worden; dem ist nichts hinzuzufügen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639).

17

2. Es fehlt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb an der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung, weil das FA dem Kläger Umsatzsteuervergütung schuldet, ohne dass dessen Forderung wie sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterläge, die Gegenforderungen des FA hingegen Insolvenzforderungen sind, also solche, die --vorbehaltlich der Möglichkeit einer Aufrechnung-- nach Maßgabe des Verteilungsplans aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.

18

Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hat, dass das Vermögen des Schuldners in zwei Teilmassen aufgeteilt wird, die einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der Schuldner über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen und aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Forderungen nicht mehr begründen kann (§ 80 Abs. 1 InsO) und dass seine Gläubiger weder wegen vor noch wegen während des Verfahrens begründeter Forderungen in die Insolvenzmasse vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO).

19

Unbeschadet der an diesen Vorschriften deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen, die der InsO zugrunde liegt (vgl. dazu u.a. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 65 passim; Blersch/von Olshausen in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 96 Rz 14; Kübler in Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz 58), enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen, wie die Revision offenbar meint. Eine solche Folgerung ziehen aber selbst vorgenannte Schrifttumsstimmen trotz der Betonung der sog. separatio bonorum nicht, wenn auch mitunter § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO lediglich deklaratorische Bedeutung beigelegt wird (vgl. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., m.w.N.). Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, ist deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig.

20

Etwas anderes lässt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aus dem Beschluss des BGH in NJW 2008, 3494 herleiten. Das von der Revision ferner in diesem Zusammenhang angeführte BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 betrifft die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Veranlagung und ist schon deshalb für die Frage der Aufrechenbarkeit aus einer solchen Veranlagung herrührender Forderungen nicht ergiebig, das BFH-Urteil in BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 deshalb nicht, weil es ausschließlich auf der Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beruht, um den es hier nicht geht. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht näher zu erörtern, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Obermair, Der Neuerwerb - eine unendliche Geschichte, Deutsches Steuerrecht 2005, 1561; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 822; Voigt/Gerke, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2002, 1054), folgen könnte.

21

3. Der vom FA erklärten Aufrechnung steht, anders als die Revision meint, kein Aufrechnungsverbot entgegen, sodass die Aufrechnung des FA wirksam und der angefochtene Bescheid mithin rechtmäßig ist.

22

a) Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote sind --sieht man von den in § 95 InsO enthaltenen Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis ab, die hier offenkundig nicht einschlägig sind-- in § 96 Abs. 1 InsO geregelt. Von den dort aufgeführten vier Verboten kann im Streitfall vornehmlich das erste in Betracht gezogen werden, welches das FG geprüft und mit Recht für nicht anwendbar gehalten hat. Denn § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall ist das FA indes den vom Kläger erworbenen Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat --wirksam-- die vom Kläger durch die von ihm während des Insolvenzverfahrens neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag --abweichend von § 35 Halbsatz 2 InsO a.F.-- freigegeben. Deshalb fällt der strittige Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.

23

Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA in der Wohlverhaltensphase befand, wovon das FG und die Beteiligten ausgehen, und ob das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jenem Zeitpunkt noch andauerte, ist in diesem Zusammenhang ohne jede erkennbare Bedeutung. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren --vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO-- unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die hier in Betracht gezogen werden könnten. Dass sich aus § 294 Abs. 1 InsO, der Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners verbietet, kein Aufrechnungsverbot ergibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil des Senats vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272).

24

b) Im Verfahren der Restschuldbefreiung sind allerdings Forderungen des Schuldners unter Umständen einer Aufrechnung deshalb entzogen, weil dieser sie gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO an einen vom Gericht für das Verfahren bestellten Treuhänder abgetreten hat und § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnungsmöglichkeiten insofern einschränkt. Wie sich aus jener Vorschrift ergibt, bezieht sich die Abtretung allerdings nur auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dass unter diese Begriffe Umsatzsteuervergütungsansprüche nicht fallen, bedarf keiner näheren Ausführung.

25

Anders als die Revision meint, kann jene Vorschrift auch nicht entsprechend auf Einnahmen eines Schuldners angewandt werden, der als selbständig Tätiger keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder sonstige laufende Bezüge i.S. des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat, aber --weil das so ist-- gemäß § 295 Abs. 2 InsO von seinen Einnahmen etwas abführen muss, was dem entspricht, was er bei Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche Analogie muss hinsichtlich eines Steuervergütungsanspruchs schon daran scheitern, dass sich die Abführungspflicht in keiner Weise gegenständlich auf einen solchen vom Schuldner erlangten Anspruch beziehen lässt, ja überhaupt nicht unmittelbar auf die Einnahmen des Schuldners bezogen ist, sondern auf dessen fiktive Einnahmen aus einer anderen (nichtselbständigen) Tätigkeit. Der Schuldner wird deshalb seiner Pflicht auch nicht ledig, weil er eine Einnahme infolge einer Aufrechnung des FA verliert, sondern muss, wenn ihn das zur Erfüllung jener Pflicht außer Stande setzen sollte, wie es die Revision in Erwägung zieht, von der betreffenden selbständigen Tätigkeit Abstand nehmen.

26

c) Dass es eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit eines Insolvenzschuldners erleichterte, wenn dieser davor sicher wäre, dass sein Schuldner nicht seine nicht befriedigten Forderungen gegen etwaige durch jene Tätigkeit erworbene Forderungen aufrechnet, und dass er daran insbesondere im Verhältnis zum FA ein Interesse hat, weil er es insoweit nicht in der Hand hat, sich den Schuldner selbst auszusuchen und dadurch eine solche Aufrechnungslage nicht entstehen zu lassen, hat den Gesetzgeber nicht veranlasst, vorgenannte Umsatzsteuervergütungsansprüche in die Abtretung an den Treuhänder einzubeziehen oder insoweit ein Aufrechnungsverbot aufzustellen. Dabei muss es jedenfalls de lege lata bewenden. Eine solche Zwangslage, Forderungen gegenüber aufrechnungsbefugten Altgläubigern begründen zu müssen, kann im Übrigen nicht nur im Verhältnis zum FA auftreten, weshalb umso weniger angenommen werden kann, der Gesetzgeber der InsO habe unabsichtlich versäumt, den Insolvenzschuldner insofern gegen eine Aufrechnung zu schützen.

27

d) Die Überlegung der Revision schließlich, die Insolvenzgläubiger sollten durch Verteilung der Insolvenzmasse, also des bei Eröffnung des Verfahrens vorhandenen Vermögens des Insolvenzschuldners zuzüglich des von ihm --ohne eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter-- im Verfahren Hinzuerworbenen, befriedigt werden, vermag an alledem nichts zu ändern. Unbeschadet dieses die InsO in der Tat prägenden Grundgedankens ist, wie ausgeführt, Insolvenzgläubigern ebenso wie Neugläubigern eine Aufrechnung im Rahmen der vorgenannten Bestimmungen nicht verwehrt; jene sind dadurch ähnlich privilegiert wie Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO), durch deren Vorzugsrechte ebenso im Ergebnis eine Schmälerung der Insolvenzmasse eintritt, worin sich nur umso mehr zeigt, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (nur) aus der Insolvenzmasse (zahlreiche) Durchbrechungen kennt. Auch dass Vorsteuer, die durch Verwaltung des mit dem Insolvenzbeschlag belegten Vermögens angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden kann, die für den freigegebenen Unternehmensteil anzusetzen ist (so BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639), lässt nicht die Schlussfolgerung zu, gegen den vom Insolvenzbeschlag nicht umfassten Vergütungsanspruch des Klägers könnten Insolvenzforderungen nicht aufgerechnet werden. Einer solchen Schlussfolgerung steht auch entgegen, dass jenes Urteil nicht die Verrechnung mit Insolvenzforderungen, sondern mit Masseforderungen betrifft; es beruht also auf dem Gedanken, dass die Masse erhalten werden muss und nicht vor der Verteilung durch eine freigegebene Tätigkeit des Insolvenzschuldners geschmälert werden darf. Darum geht es hier nicht, weil die vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung die Masse nicht schmälert, sondern im Gegenteil mittelbar stärkt, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen des FA führt und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugute käme.

28

e) Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO steht der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Er schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Hier geht es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann. Warum auf diesen Fall vorgenannte Vorschrift sollte entsprechend angewandt werden können, erschließt sich nicht; es erschließt sich weder unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, es komme anderenfalls durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer "Bevorzugung" des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse, noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Aufrechnung andere Neugläubiger durch Minderung der für sie verbleibenden Haftungsmasse "benachteilige". Denn die Revision scheint zu verkennen, dass es zu den typischen Wirkungen bestehender Aufrechnungslagen gehört, dem Gläubiger in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer gleichsam abgesonderten Befriedigung zu verschaffen --welche auch sonst bei entsprechender Berechtigung sogar eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse ermöglichte--. Die Revision berücksichtigt ebenso wenig, dass jene "Bevorzugung" von Altgläubigern, die dem Schuldner etwas während des Verfahrens schuldig werden, vom Gesetzgeber, der sich --abweichend von der früheren Konkursordnung-- für den Insolvenzbeschlag auch des Neuerwerbs entschieden hat, in Kauf genommen worden ist, obwohl sie die Möglichkeiten des Schuldners, (für eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel unabdingbare) neue Schulden zu begründen, zu beeinträchtigen geeignet ist; dagegen fällt die von der Revision beklagte Beeinträchtigung des gemäß § 13b UStG von Umsatzsteuerschuldnerschaft verschonten --jedoch einer Aufrechnung des FA gegen dadurch wahrscheinliche Vergütungsansprüche ausgesetzten-- Schuldners schwerlich ins Gewicht.

29

f) Schließlich hält die Revision der vom FA erklärten Aufrechnung zu Unrecht § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Denn selbst wenn man diese Vorschrift auch auf einseitige Rechtsgeschäfte des Schuldners sollte anwenden müssen, fehlt es doch daran, dass der Schuldner die strittige Aufrechnungslage nicht aufgrund seines freien Beliebens geschaffen und dem FA dadurch einen Vorteil "verschafft" hat. Diese ist vielmehr die gesetzliche Folge der vom Schuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit abgeschlossenen Geschäfte, woran auch nichts ändert, dass infolge der in § 13b UStG getroffenen Regelung ihr Eintritt nur umso wahrscheinlicher oder sogar, wie die Revision meint, zwangsläufig ist. Dass § 294 Abs. 2 InsO gleichsam ein Gebot an den Schuldner richtet, alles zu unterlassen, was eine Aufrechnungslage zur Folge hat --etwa auch die Erbringung einer entgeltlichen Leistung an einen Altgläubiger ohne Vorkasse--, ist der Vorschrift schwerlich zu entnehmen.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist seit September 2003 ein Insolvenzverfahren anhängig. Steuerforderungen aus vorinsolvenzlicher Zeit in Höhe von rd. 8.700 € sind offen. Seit März 2005 betreibt der Kläger wieder ein Einzelunternehmen. Der Insolvenzverwalter hat alle hierfür benötigten Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Für Mai 2005 hat der Kläger aufgrund eines hohen Vorsteuerabzugs einen Umsatzsteuervergütungsanspruch in Höhe von rd. 4.140 € erworben. Gegen diesen Anspruch hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung mit seinen Umsatzsteuerforderungen für Januar und Februar 2003 erklärt und in dem in diesem Verfahren angefochtenen Abrechnungsbescheid festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers dadurch erloschen sei.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1485 veröffentlichte Urteil abgewiesen. In dem Urteil heißt es, der Aufrechnung stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen, weil der Vergütungsanspruch aufgrund der Freigabe nicht in die Insolvenzmasse falle. Die durch § 294 Abs. 3 InsO für die Wohlverhaltensphase angeordnete Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern greife nicht ein, das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO sei mit einem Aufrechnungsverbot nicht gleichzusetzen.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung des materiellen Rechts rügt. Das FG habe übersehen, dass eine Aufrechnung in den Grenzen des § 294 InsO erst dann wieder möglich sei, wenn das Insolvenzverfahren auf-gehoben ist. Das sei jedoch im Streitfall nicht geschehen. Der vom FA erklärten Aufrechnung stehe einstweilen das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO entgegen.

4

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO, dass der selbständig tätige Schuldner durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so stellen muss, wie wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre, habe bei einem selbständig Tätigen dieselbe Funktion wie § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO bei einem nichtselbständigen Schuldner. Daher müsse das Aufrechnungsverbot des § 294 Abs. 3 InsO, das die Aufrechnung von der Abtretungserklärung erfasster Bezüge gegen den Schuldner grundsätzlich verbietet, analog auf die von einem Selbständigen an den Treuhänder zu leistenden Zahlungen angewendet werden. Der Vorsteuervergütungsbetrag sei ein Vermögenswert, der an den Treuhänder abzuführen ist, denn er stelle für einen selbständig tätigen Schuldner eine Einnahme dar, die mit der Erzielung seiner Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners rühre im Streitfall allein daraus her, dass er gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht Schuldner der auf seinen Leistungen ruhenden Umsatzsteuer ist, sodass in solchen Fällen zwangläufig ein Vorsteuerüberhang entstehe. Ein Schuldner, bei dem § 13b UStG eingreife, dürfe jedoch nicht schlechter gestellt werden als ein Schuldner, bei dem § 13b UStG nicht einschlägig ist.

5

Ferner stehe der Aufrechnung § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Dabei sei der Begriff Abkommen vor dem Hintergrund des Schutzzweckes dieser Vorschrift nicht nur auf vertragliche Vereinbarungen anzuwenden, sondern erfasse jegliche Handlung des Insolvenzschuldners, die dazu beiträgt, dass hinter dem Rücken der anderen Gläubiger Vermögensverschiebungen vorgenommen werden können. In der Erbringung von Leistungen, die einen Vorsteuervergütungsanspruch zur Folge haben, liege eine solche Handlung des selbständig tätigen Insolvenzschuldners. Sondervorteil sei die dem Insolvenzgläubiger verschaffte Aufrechnungsmöglichkeit. Zudem werde die Befriedigung anderer Gläubiger infolge der Verringerung der Insolvenzmasse beeinträchtigt, wenn der Schuldner infolge der Aufrechnung nicht mehr in der Lage sei, an den Treuhänder Zahlungen in solcher Höhe zu leisten, wie sie sich aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergäben.

6

Überdies fehle es aber auch an der Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juli 2008 (gemeint offenbar: IX ZB 182/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 3494) sei zu folgern, dass der BGH das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners als eine eigenständige Haftungsmasse ansehe, die von der vom Insolvenzbeschlag betroffenen Haftungsmasse getrennt sei. Jene neue Haftungsmasse stehe nur den Neugläubigern zu. Zu dieser ausschließlich den Neugläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse gehöre im Streitfall der Vorsteuervergütungsanspruch. Die Umsatzsteuerforderung des FA richte sich hingegen gegen das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich eines Neuerwerbs des Klägers bis zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden war.

7

Dem entspreche es, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99 (BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639) entschieden habe, dass Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden darf, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist. Derselbe Rechtsgedanke spiegele sich auch in der Entscheidung des BFH vom 7. April 2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848) wider, wonach Steuerschulden, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.

8

Nur diese Beurteilung stehe auch im Einklang mit dem Insolvenzrecht. Denn Zweck des Insolvenzverfahrens sei eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger, denen das Gesetz als Haftungssubstrat neben der Alt- auch die sog. Neumasse zuweise. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO schließe --klarstellend-- die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Anderenfalls käme es durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer Bevorzugung des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse. Des Weiteren führe eine solche Aufrechnung zu einer Benachteiligung anderer Neugläubiger durch Minderung der ihnen zur Verfügung stehenden Haftungsmasse.

9

Die Revision rügt schließlich, dass durch die Betrachtungsweise des FA einem Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit unmöglich werde, weil er seine Forderungen nicht verwirklichen könne. Das gelte besonders in dem vorliegenden Fall, in dem die Auftraggeber des Klägers gemäß § 13b UStG Schuldner der Umsatzsteuer seien, sodass der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern angesichts erheblicher Insolvenzforderungen nicht verwirklichen könne.

10

Das FA weist darauf hin, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, aber auch alle sonstigen Ansprüche nach § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) nicht zu den an den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase abgetretenen Forderungen gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Bei einem Vorsteuervergütungsanspruch handle es sich nicht um einen an den Treuhänder abgetretenen Anspruch (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391). Ein Vorsteuervergütungsanspruch entstehe durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch nicht zwangsläufig, wie der Kläger meine. Ihn anders als die Bezüge eines nichtselbständig tätigen Schuldners zu behandeln führe nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige das Risiko trage, seine Gläubiger wie durch eine angemessene nichtselbständige Tätigkeit befriedigen zu können, und er deshalb mit einem Nichtselbständigen nicht zu vergleichen sei.

11

Auch § 294 Abs. 2 InsO sei nicht einschlägig. Zwar sei im Schrifttum umstritten, ob "Abkommen" im Sinne dieser Vorschrift nicht auch einseitige Rechtsgeschäfte sein könnten. Diese seien indes durch die in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelten Obliegenheiten erfasst. Es könne dem in der Wohlverhaltensphase befindlichen Selbständigen aufgrund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch nicht angelastet werden, von wem er Aufträge akquiriere.

12

Es fehle schließlich auch an einer Obliegenheitsverletzung, in deren Folge das den Gläubigern zur Verfügung zu stellende Vermögen geschmälert worden ist. § 294 Abs. 3 InsO schließe nicht jegliche Aufrechnung aus. § 295 Abs. 2 InsO verlange lediglich von dem Schuldner, durch seine selbständige Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen und dieses an den Treuhänder abzuführen; ob und in welcher Höhe darin Vorsteuervergütungen enthalten sind, sei ohne Belang.

13

Auch die Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung sei gegeben, da der Steuervergütungsanspruch des Klägers aus dem sog. Neuerwerb wegen der bedingungslosen Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter zustehe und der Kläger zugleich Schuldner der rückständigen Umsatzsteuer sei. Der Betrachtung des Klägers über die getrennten Haftungsmassen sei nicht zu folgen. Der Kläger sei Beteiligter des Steuerschuldverhältnisses sowohl in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie nach Freigabe von Vermögensgegenständen aus dem Verfahren. Ob das Verfahren als solches aufgehoben worden sei, sei dabei ohne Bedeutung.

Entscheidungsgründe

14

II. Der erkennende Senat kann gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Revision des Klägers nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.

15

Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Aufrechnungsvoraussetzungen sind in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zu Recht bejaht worden. Es besteht auch kein Aufrechnungsverbot.

16

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass dem Kläger ein Umsatzsteuervergütungsanspruch aus der Festsetzung für Mai 2005 zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA für Januar und Februar 2003 --also Besteuerungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren vgl. § 94 InsO) vorlagen. Dass der Kläger Schuldner und Gläubiger vorgenannter Forderungen ungeachtet ihrer Entstehung vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist --und diese deshalb nicht etwa verschiedenen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen sind--, ist vom FG eingehend und zutreffend dargelegt worden; dem ist nichts hinzuzufügen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639).

17

2. Es fehlt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb an der Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung, weil das FA dem Kläger Umsatzsteuervergütung schuldet, ohne dass dessen Forderung wie sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterläge, die Gegenforderungen des FA hingegen Insolvenzforderungen sind, also solche, die --vorbehaltlich der Möglichkeit einer Aufrechnung-- nach Maßgabe des Verteilungsplans aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.

18

Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hat, dass das Vermögen des Schuldners in zwei Teilmassen aufgeteilt wird, die einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der Schuldner über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen und aus der Insolvenzmasse zu befriedigende Forderungen nicht mehr begründen kann (§ 80 Abs. 1 InsO) und dass seine Gläubiger weder wegen vor noch wegen während des Verfahrens begründeter Forderungen in die Insolvenzmasse vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO).

19

Unbeschadet der an diesen Vorschriften deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen, die der InsO zugrunde liegt (vgl. dazu u.a. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 96 Rz 65 passim; Blersch/von Olshausen in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 96 Rz 14; Kübler in Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz 58), enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen, wie die Revision offenbar meint. Eine solche Folgerung ziehen aber selbst vorgenannte Schrifttumsstimmen trotz der Betonung der sog. separatio bonorum nicht, wenn auch mitunter § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO lediglich deklaratorische Bedeutung beigelegt wird (vgl. Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., m.w.N.). Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, ist deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig.

20

Etwas anderes lässt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aus dem Beschluss des BGH in NJW 2008, 3494 herleiten. Das von der Revision ferner in diesem Zusammenhang angeführte BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 betrifft die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Veranlagung und ist schon deshalb für die Frage der Aufrechenbarkeit aus einer solchen Veranlagung herrührender Forderungen nicht ergiebig, das BFH-Urteil in BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 deshalb nicht, weil es ausschließlich auf der Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beruht, um den es hier nicht geht. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht näher zu erörtern, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Obermair, Der Neuerwerb - eine unendliche Geschichte, Deutsches Steuerrecht 2005, 1561; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 822; Voigt/Gerke, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2002, 1054), folgen könnte.

21

3. Der vom FA erklärten Aufrechnung steht, anders als die Revision meint, kein Aufrechnungsverbot entgegen, sodass die Aufrechnung des FA wirksam und der angefochtene Bescheid mithin rechtmäßig ist.

22

a) Die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote sind --sieht man von den in § 95 InsO enthaltenen Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis ab, die hier offenkundig nicht einschlägig sind-- in § 96 Abs. 1 InsO geregelt. Von den dort aufgeführten vier Verboten kann im Streitfall vornehmlich das erste in Betracht gezogen werden, welches das FG geprüft und mit Recht für nicht anwendbar gehalten hat. Denn § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erklärt eine Aufrechnung nur dann für unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall ist das FA indes den vom Kläger erworbenen Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden. Denn der Insolvenzverwalter hat --wirksam-- die vom Kläger durch die von ihm während des Insolvenzverfahrens neu aufgenommene gewerbliche Tätigkeit erworbenen Ansprüche aus dem Insolvenzbeschlag --abweichend von § 35 Halbsatz 2 InsO a.F.-- freigegeben. Deshalb fällt der strittige Vergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse.

23

Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA in der Wohlverhaltensphase befand, wovon das FG und die Beteiligten ausgehen, und ob das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jenem Zeitpunkt noch andauerte, ist in diesem Zusammenhang ohne jede erkennbare Bedeutung. Weder ist eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren --vorbehaltlich der §§ 95, 96 InsO-- unzulässig, noch enthält der die Restschuldbefreiung und damit die Wohlverhaltensphase betreffende Achte Teil der InsO Aufrechnungsverbote, die hier in Betracht gezogen werden könnten. Dass sich aus § 294 Abs. 1 InsO, der Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners verbietet, kein Aufrechnungsverbot ergibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil des Senats vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272).

24

b) Im Verfahren der Restschuldbefreiung sind allerdings Forderungen des Schuldners unter Umständen einer Aufrechnung deshalb entzogen, weil dieser sie gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO an einen vom Gericht für das Verfahren bestellten Treuhänder abgetreten hat und § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnungsmöglichkeiten insofern einschränkt. Wie sich aus jener Vorschrift ergibt, bezieht sich die Abtretung allerdings nur auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dass unter diese Begriffe Umsatzsteuervergütungsansprüche nicht fallen, bedarf keiner näheren Ausführung.

25

Anders als die Revision meint, kann jene Vorschrift auch nicht entsprechend auf Einnahmen eines Schuldners angewandt werden, der als selbständig Tätiger keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder sonstige laufende Bezüge i.S. des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat, aber --weil das so ist-- gemäß § 295 Abs. 2 InsO von seinen Einnahmen etwas abführen muss, was dem entspricht, was er bei Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche Analogie muss hinsichtlich eines Steuervergütungsanspruchs schon daran scheitern, dass sich die Abführungspflicht in keiner Weise gegenständlich auf einen solchen vom Schuldner erlangten Anspruch beziehen lässt, ja überhaupt nicht unmittelbar auf die Einnahmen des Schuldners bezogen ist, sondern auf dessen fiktive Einnahmen aus einer anderen (nichtselbständigen) Tätigkeit. Der Schuldner wird deshalb seiner Pflicht auch nicht ledig, weil er eine Einnahme infolge einer Aufrechnung des FA verliert, sondern muss, wenn ihn das zur Erfüllung jener Pflicht außer Stande setzen sollte, wie es die Revision in Erwägung zieht, von der betreffenden selbständigen Tätigkeit Abstand nehmen.

26

c) Dass es eine vom Insolvenzverwalter freigegebene unternehmerische Tätigkeit eines Insolvenzschuldners erleichterte, wenn dieser davor sicher wäre, dass sein Schuldner nicht seine nicht befriedigten Forderungen gegen etwaige durch jene Tätigkeit erworbene Forderungen aufrechnet, und dass er daran insbesondere im Verhältnis zum FA ein Interesse hat, weil er es insoweit nicht in der Hand hat, sich den Schuldner selbst auszusuchen und dadurch eine solche Aufrechnungslage nicht entstehen zu lassen, hat den Gesetzgeber nicht veranlasst, vorgenannte Umsatzsteuervergütungsansprüche in die Abtretung an den Treuhänder einzubeziehen oder insoweit ein Aufrechnungsverbot aufzustellen. Dabei muss es jedenfalls de lege lata bewenden. Eine solche Zwangslage, Forderungen gegenüber aufrechnungsbefugten Altgläubigern begründen zu müssen, kann im Übrigen nicht nur im Verhältnis zum FA auftreten, weshalb umso weniger angenommen werden kann, der Gesetzgeber der InsO habe unabsichtlich versäumt, den Insolvenzschuldner insofern gegen eine Aufrechnung zu schützen.

27

d) Die Überlegung der Revision schließlich, die Insolvenzgläubiger sollten durch Verteilung der Insolvenzmasse, also des bei Eröffnung des Verfahrens vorhandenen Vermögens des Insolvenzschuldners zuzüglich des von ihm --ohne eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter-- im Verfahren Hinzuerworbenen, befriedigt werden, vermag an alledem nichts zu ändern. Unbeschadet dieses die InsO in der Tat prägenden Grundgedankens ist, wie ausgeführt, Insolvenzgläubigern ebenso wie Neugläubigern eine Aufrechnung im Rahmen der vorgenannten Bestimmungen nicht verwehrt; jene sind dadurch ähnlich privilegiert wie Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO), durch deren Vorzugsrechte ebenso im Ergebnis eine Schmälerung der Insolvenzmasse eintritt, worin sich nur umso mehr zeigt, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (nur) aus der Insolvenzmasse (zahlreiche) Durchbrechungen kennt. Auch dass Vorsteuer, die durch Verwaltung des mit dem Insolvenzbeschlag belegten Vermögens angefallen ist, nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden kann, die für den freigegebenen Unternehmensteil anzusetzen ist (so BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639), lässt nicht die Schlussfolgerung zu, gegen den vom Insolvenzbeschlag nicht umfassten Vergütungsanspruch des Klägers könnten Insolvenzforderungen nicht aufgerechnet werden. Einer solchen Schlussfolgerung steht auch entgegen, dass jenes Urteil nicht die Verrechnung mit Insolvenzforderungen, sondern mit Masseforderungen betrifft; es beruht also auf dem Gedanken, dass die Masse erhalten werden muss und nicht vor der Verteilung durch eine freigegebene Tätigkeit des Insolvenzschuldners geschmälert werden darf. Darum geht es hier nicht, weil die vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung die Masse nicht schmälert, sondern im Gegenteil mittelbar stärkt, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen des FA führt und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugute käme.

28

e) Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO steht der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Er schließt die Aufrechnung von Neugläubigern gegenüber Masseforderungen aus. Hier geht es aber um den gewissermaßen umgekehrten Fall einer Aufrechnung von Altgläubigern gegenüber Neuerwerb, den jedoch die Masse gerade nicht für sich beanspruchen kann. Warum auf diesen Fall vorgenannte Vorschrift sollte entsprechend angewandt werden können, erschließt sich nicht; es erschließt sich weder unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, es komme anderenfalls durch jede weitere Betätigung des Schuldners mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb zu einer "Bevorzugung" des FA, dem mit jedem umsatzsteuerpflichtigen Umsatz eine Aufrechnungsmöglichkeit erwachse, noch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Aufrechnung andere Neugläubiger durch Minderung der für sie verbleibenden Haftungsmasse "benachteilige". Denn die Revision scheint zu verkennen, dass es zu den typischen Wirkungen bestehender Aufrechnungslagen gehört, dem Gläubiger in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit einer gleichsam abgesonderten Befriedigung zu verschaffen --welche auch sonst bei entsprechender Berechtigung sogar eine Vollstreckung in die Insolvenzmasse ermöglichte--. Die Revision berücksichtigt ebenso wenig, dass jene "Bevorzugung" von Altgläubigern, die dem Schuldner etwas während des Verfahrens schuldig werden, vom Gesetzgeber, der sich --abweichend von der früheren Konkursordnung-- für den Insolvenzbeschlag auch des Neuerwerbs entschieden hat, in Kauf genommen worden ist, obwohl sie die Möglichkeiten des Schuldners, (für eine neue Erwerbstätigkeit in der Regel unabdingbare) neue Schulden zu begründen, zu beeinträchtigen geeignet ist; dagegen fällt die von der Revision beklagte Beeinträchtigung des gemäß § 13b UStG von Umsatzsteuerschuldnerschaft verschonten --jedoch einer Aufrechnung des FA gegen dadurch wahrscheinliche Vergütungsansprüche ausgesetzten-- Schuldners schwerlich ins Gewicht.

29

f) Schließlich hält die Revision der vom FA erklärten Aufrechnung zu Unrecht § 294 Abs. 2 InsO entgegen, wonach jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Insolvenzgläubigern nichtig ist, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird. Denn selbst wenn man diese Vorschrift auch auf einseitige Rechtsgeschäfte des Schuldners sollte anwenden müssen, fehlt es doch daran, dass der Schuldner die strittige Aufrechnungslage nicht aufgrund seines freien Beliebens geschaffen und dem FA dadurch einen Vorteil "verschafft" hat. Diese ist vielmehr die gesetzliche Folge der vom Schuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit abgeschlossenen Geschäfte, woran auch nichts ändert, dass infolge der in § 13b UStG getroffenen Regelung ihr Eintritt nur umso wahrscheinlicher oder sogar, wie die Revision meint, zwangsläufig ist. Dass § 294 Abs. 2 InsO gleichsam ein Gebot an den Schuldner richtet, alles zu unterlassen, was eine Aufrechnungslage zur Folge hat --etwa auch die Erbringung einer entgeltlichen Leistung an einen Altgläubiger ohne Vorkasse--, ist der Vorschrift schwerlich zu entnehmen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufrechnung eines Umsatzsteuerguthabens nebst Zinsen des Klägers für das Jahr 1995 mit Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991, 1994 und 1996 rechtmäßig erfolgt ist. Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, der Aufrechnung stehe die unstreitig erfolgte Restschuldbefreiung nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen entgegen.

2

Der Klage liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Ausgangspunkt für den vorliegenden Rechtsstreit ist der Umstand, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) und ihm folgend der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2005 entschieden haben, dass die Umsätze aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nicht der Umsatzsteuer unterliegen.

3

Der Kläger hat in den Streitjahren mehrere Spielhallen betrieben. Über sein Vermögen wurde im August 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts von September 2010 wurde dem Kläger die Restschuldbefreiung erteilt. Das Umsatzsteuerguthaben für das Jahr 1995 nebst Zinsen in einer Gesamthöhe von 67.297,74 € wurde am 18. April 2011 festgesetzt, nachdem der Beklagte, das Finanzamt, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens festgestellt hatte, dass der geänderte Bescheid über Umsatzsteuer für 1995 vom 20. März 1998 anlässlich eines vom Kläger eingereichten Einspruches vom 17. Februar 1998 nicht wirksam bekannt gegeben worden war. Auch für die Jahre 1991 - 1994 sowie 1996 - 2001 war die Umsatzsteuer wegen der geänderten Rechtsprechung des EuGH gegenüber dem Kläger bereits im Jahre 2006 durch geänderte Bescheide gemindert worden. Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 hatte das Finanzamt der Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Klägers mitgeteilt, es beabsichtige, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1991 - 2001 zu ändern und den Gewinn jeweils um die erstattete Umsatzsteuer zu erhöhen und die entsprechenden Festsetzungen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erhöhen. Zwar seien Steuererstattungen grundsätzlich im Jahr der Zahlung als Gewinn zu erfassen, dies gelte jedoch nicht in den Fällen, in denen über das Vermögen des Steuerpflichtigen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Diese Änderungen sind in dem vom Finanzamt am 08. Januar 2007 angemeldeten Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991 - 2000 nebst Verzugszinsen enthalten und wurden als Ergebnis der Prüfungsverhandlung am 17. November 2009 zur Tabelle festgestellt. Ob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Einwände gegen die Festsetzungen und Anmeldungen zur Insolvenztabelle erhoben hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

4

Das Finanzamt hat durch Schreiben vom 16. Mai 2011 das Umsatzsteuerguthaben aufgrund des Änderungsbescheides für das Jahr 1995 vom 18. April 2011 in Höhe von 37.702,67 € nebst 29.595,07 € Zinsen mit Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991, 1994 und 1996 in Höhe von insgesamt 52.217,17 € aufgerechnet. Der Kläger hat im Klageverfahren drei Kopien von Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01. November 2004, vom 30. November 2006 und 28. April 2008 an das Insolvenzgericht eingereicht mit denen dieser u. a. vom Finanzamt angemeldeten Forderungen widersprach. Den Restbetrag von 15.080,57 € hat das Finanzamt an den Kläger ausgezahlt. Es erfolgte keine Aufrechnung mit den während des Insolvenzverfahrens entstandenen Zinsen zur Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1995.

5

Nachdem der Kläger gegen die erfolgte Aufrechnung Einwände erhoben hatte und auch Gespräche zwischen den Beteiligten nicht zur Beilegung der unterschiedlichen Rechtsauffassung geführt hatten, erteilte das Finanzamt dem Kläger am 28. Juni 2011 einen entsprechenden Abrechnungsbescheid. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Aufrechnung lägen vor und würden auch nicht durch die erfolgte Restschuldbefreiung beeinträchtigt. Vor und nach der erfolgten Insolvenzeröffnung hätten die Voraussetzungen für eine Aufrechnung gem. § 226 AO i.V.m. § 387 BGB vorgelegen, da die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit, der Gleichartigkeit, der Gläubiger-Schuldneridentität sowie der Durchsetzbarkeit der Forderungen gegeben gewesen seien. Der spätere Wegfall der Durchsetzbarkeit der Forderungen durch die erfolgte Restschuldbefreiung sei unerheblich, da gem. § 94 der Insolvenzordnung (InsO) vor oder während des Insolvenzverfahrens eingetretene Aufrechnungslagen von der Insolvenz unberührt blieben. Somit stehe auch die erfolgte Restschuldbefreiung der Aufrechnung nicht entgegen.

6

Den gegen diesen Bescheid fristgemäß erhobenen Rechtsbehelf  hat das Finanzamt mit der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2011 als unbegründet zurückgewiesen und in den Gründen ergänzend im Wesentlichen ausgeführt, eine erfolgte Aufrechnung sei rechtmäßig, wenn
- zwei gleichartige Forderungen vorlägen (Gleichartigkeit),
- die Schuldner-Gläubigeridentität gegeben sei (Gegenseitigkeit),
- die Hauptforderung, d. h. im Streitfall der Erstattungsanspruch des Klägers entstanden sei und
- die Gegenforderung, die Forderung des Finanzamtes entstanden und fällig sei.

7

Auf die Festsetzung der Hauptforderung und deren Fälligkeit komme es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht an. Es dürfe lediglich kein Aufrechnungsverbot bestehen und die Gegenforderung müsse durchsetzbar sein.

8

Die Gleichartigkeit und die Gegenseitigkeit der Forderungen seien im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Erstattungsanspruch des Klägers sei mit Ablauf des Kalenderjahres 1995 und somit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Für die Zinsen zur Umsatzsteuer gelte dies für die bis zur Insolvenzeröffnung entstandenen Zinsen. Die Gegenforderungen des Finanzamtes seien mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraumes und damit ebenfalls vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden. Sie seien auch mit Ablauf der entsprechenden Veranlagungszeiträume fällig geworden, da aufgrund des Insolvenzverfahrens eine Festsetzung durch Steuerbescheid nicht mehr möglich gewesen sei und die Fälligkeit sich somit nach § 220 AO bestimme. Werde über das Vermögen des Steuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, so würden die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Steueransprüche fällig, ohne dass es hierfür einer Festsetzung oder Feststellung durch einen Verwaltungsakt oder der Anmeldung zur Tabelle bedürfe (vgl. BFH-Urteil vom 04. Mai 2004, VII R 45/03). Somit seien die Voraussetzungen für eine Aufrechnung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt gewesen.

9

Die Aufrechnungsklage habe über die Beendigung des Insolvenzverfahrens und die formelle Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung hinaus Bestand. Nach den §§ 94 und 95 InsO werde eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungslage durch den Eintritt der Insolvenz nicht berührt. Die Aufrechnungslage bleibe bestehen und die Restschuldbefreiung habe auf sie keine Auswirkung.

10

Der Einwand des Klägers, dass es an einer Durchsetzbarkeit der Gegenforderung wegen der erteilten Restschuldbefreiung gemangelt habe, greife nicht durch. Denn die Restschuldbefreiung bewirke nicht, dass die Verbindlichkeiten des Schuldners erlöschen würden, sondern sie würden gem. § 301 Abs. 3 InsO nur unvollkommene Verbindlichkeiten. Nach Erteilung der Restschuldbefreiung könne deshalb nicht mehr mit von der Insolvenz betroffenen Forderungen aufgerechnet werden. Dies gelte jedoch nicht, wenn bereits vor der Restschuldbefreiung die Aufrechnungslage bestandenen habe. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BGH vom 19. Mai 2011 zum Az. 222/08, in dem die Zulässigkeit einer Aufrechnung mit einer Forderung bejaht werde, die nach einem Insolvenzplan als erlassen gelte.

11

Mit dem am 09. September 2011 bei dem Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Prozesskostenhilfe für eine zu erhebende Klage gegen den Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt und diesen Antrag näher begründet. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 12. Januar 2012 die beantragte Prozesskostenhilfe gewährt hat, hat der Kläger die angekündigte Klage, die am 25. Januar 2012 bei dem Gericht eingegangen ist, erhoben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wurde ausgeführt, der Kläger sei aufgrund seiner finanziellen Lage vor der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe nicht in der Lage gewesen, das Kostenrisiko eines gerichtlichen Verfahrens zu tragen.

12

Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt, die erfolgte Aufrechnung sei rechtswidrig, weil von der Restschuldbefreiung auch die Einkommensteuer für die Jahre 1991, 1994 und 1996 erfasst würde, die das Finanzamt auch zur Tabelle angemeldet habe. Die angemeldeten Forderungen beruhten auf Berechnungen vom 04. Januar 2007; zuvor habe das Finanzamt die Forderung für alle drei Jahre jeweils mit Null Euro angegeben. Wegen der erteilten Restschuldbefreiung seien die vom Finanzamt zur Aufrechnung geltend gemachten Forderungen gem. § 301 InsO nicht mehr durchsetzbar gewesen, da ihnen eine Einrede im Sinne des § 390 BGB entgegen stünde. Eine Aufrechnung mit der Restschuldbefreiung unterliegenden Insolvenzforderungen mit Gegenansprüchen des Insolvenzschuldners sei jedenfalls nach Erteilung der Restschuldbefreiung ausgeschlossen. Die Argumentation des Finanzamtes, eine Aufrechnung sei im vorliegenden Fall zulässig, weil mit vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Ansprüchen aufgerechnet worden sei, sei zum einen unzutreffend und gehe zudem von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Denn tatsächlich seien die behaupteten Gegenansprüche aus der Einkommensteuer nicht mit Ablauf der entsprechenden Jahre und damit vor der Insolvenzeröffnung entstanden. Denn das Finanzamt habe die dem Kläger aufgrund der im Jahre 2005 - also nach der Insolvenzeröffnung ergangenen Rechtsprechung - zustehenden Umsatzsteuererstattungsansprüche auch ertragsteuerlich den jeweiligen Jahren zugeordnet. Dies sei jedoch schlicht unzutreffend und widerspreche dem materiellen Bilanzsteuerrecht. Es bestünden keine Einkommensteuerforderungen des Finanzamtes für die Jahre 1991, 1994 und 1996. Weder bestünden materielle Ansprüche noch seien sie festgesetzt worden geschweige denn vor der Insolvenzeröffnung, so dass sich das Finanzamt auf eine vor der Insolvenzeröffnung entstandene Aufrechnungslage nicht berufen könne. Die Rechtsauffassung des Finanzamtes, die Einkommensteuer entstehe mit Ablauf des Kalenderjahres, möge zutreffend sein, dies könne jedoch nicht in Fällen wie dem vorliegenden gelten, in dem die Festsetzungen eindeutig materiell-rechtlich falsch seien. Die ertragsteuerlichen Konsequenzen aus der Rechtsprechungsänderung im Jahre 2005, die zu den Erstattungsansprüchen des Klägers geführt habe, seien im Kalenderjahr 2005 zu ziehen gewesen. Des Weiteren habe der Prozessbevollmächtigte die vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen bestritten. Insoweit werde auf die Schuldnerwidersprüche vom 01. November 2004, 30. November  2006 und 28. April 2008 Bezug genommen. Die vom Finanzamt vorgelegte Auskunft des Amtsgerichts vom 19. Juli 2012, in der mitgeteilt werde, dass dort kein Widerspruch des Schuldners gegen die angemeldete Forderung laut Insolvenztabelle eingegangen sei, sei ohne Beweiswert, denn das Amtsgericht habe bereits einmal eine unzutreffende Auskunft über einen nicht vorliegenden Schuldnerwiderspruch erteilt. Insoweit werde auf das Schreiben des Amtsgerichts vom 02. November 2004 und das Antwortschreiben des Prozessbevollmächtigten vom 11. November 2004 Bezug genommen.

13

Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Abrechnungsbescheides vom 28. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2011 den dem Kläger zustehenden Erstattungsanspruch aus dem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1995 vom
18. April 2011 um 52.217,17 € höher festzusetzen.

14

Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, die Einwendungen, die Umsatzsteuererstattungen seien nicht in den zutreffenden Jahren gewinnerhöhend berücksichtigt worden, könnten im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, weil diese in einem gesonderten Verfahren zu berücksichtigen gewesen wären. Nach § 178 Abs. 3 InsO wirke die Feststellung zur Insolvenztabelle wie ein rechtskräftiges Urteil und somit gewissermaßen konstitutiv, so dass die Steuern in den entsprechenden Kalenderjahren entstanden seien. Der Kläger habe den angemeldeten Forderungen des Finanzamtes auch nicht widersprochen. Aus dem Tabellenauszug sei ersichtlich, dass die Anmeldung vom 08. Januar 2007 nicht bestritten worden sei. Des Weiteren habe das Amtsgericht mit Schreiben vom 19. Juli 2012 mitgeteilt, dass dort kein Widerspruch des Schuldners gegen die angemeldeten Forderungen eingegangen sei und die Forderung im schriftlichen Verfahren am 13. November 2009 geprüft worden sei.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie die Steuerakte Verrechnung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist unbegründet.

18

Die Klage ist unbegründet, weil der angefochtene Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtmäßig ist und den Kläger somit nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO). Das Finanzamt hat zutreffend festgestellt, dass der Erstattungsanspruch des Klägers aus dem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1995 vom 18. April 2011 nebst Zinsen in Höhe von insgesamt 51.217,17 € durch Aufrechnung mit den zur Tabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen für das Jahr 1991 in Höhe von 13.902,03 €, mit Einkommensteuer für das Jahr 1994 in Höhe von 17.995,43 € und Einkommensteuer für das Jahr 1996 in Höhe von 20.319,71 € erloschen ist.

19

Das Finanzamt hat zutreffend durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO über das Erlöschen des Umsatzsteuererstattungsanspruches gem. § 47 AO durch Aufrechnung entschieden.

20

Gem. § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche die Vorschriften des BGB sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann gem. § 387 BGB jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teiles aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss voll wirksam, fällig und erzwingbar (vgl. BGH vom 19.5.2011, Az. IX ZR 222/08, NJW-RR 2011,1142) und die Hauptforderung erfüllbar sein. Der Aufrechnung dürfen keine Aufrechnungsverbote entgegenstehen und die Aufrechnungsvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegeben sein (vgl. BGH vom 8.11.2011, Az. XI ZR 341/10; NJW 2012,445).  Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Einkommensteuerforderungen waren wirksam, fällig und auch im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung erzwingbar, das FA durfte die Umsatzsteuerforderung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung auch bewirken und ein Aufrechnungsverbot lag nicht vor.

21

Nach § 387 BGB ist erforderlich, dass die Gegenforderung (hier Einkommensteuerforderungen) besteht, der Aufrechnungsgegner (der Kläger) also dem Aufrechnenden (Finanzamt) etwas schuldet. Das Finanzamt kann Steuern von demjenigen fordern, gegen den es sie wirksam festgesetzt hat. Die Festsetzung als Grundlage der Verwirklichung des gesetzlichen Steueranspruchs entfaltet - wie jeder wirksame sonstige Verwaltungsakt - Tatbestandswirkung. Im Erhebungsverfahren, zu dem die Aufrechnung gehört, ist folglich grundsätzlich nur zu prüfen, ob eine Steuerfestsetzung gegen den Abrechnungsschuldner vorliegt und ob sie wirksam ist. Auch eine rechtswidrige jedoch wirksam festgesetzte Steuerforderung besteht, solange die Festsetzung nicht aufgehoben ist oder in anderer Weise ihre Rechtswirkungen verloren hat (vgl. BFH-Entscheidung vom 15. Juni 1999, VII R 3/97, BStBl II 2000, 46 ff.). Zwar hat das Finanzamt die Einkommensteuerforderungen wegen des eröffneten Insolvenzverfahrens nicht festgesetzt, die Forderungen sind aber wirksam zur Insolvenztabelle festgestellt worden und somit gem. § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO gegenüber dem Kläger wirksam.

22

Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre rechtlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt gelten machen (§ 201 Abs. 1 InsO). Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO). Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist (§ 201 Abs. 2 Satz 2 InsO). Diese Voraussetzungen liegen vor.

23

Das Insolvenzverfahren wurde nach § 289 Abs. 2 S. 2 InsO durch den rechtskräftigen Beschluss über die Restschuldbefreiung aufgehoben. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass die Einkommensteuerforderungen als Insolvenzforderungen gegenüber dem FA als Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers am 17. November 2009 zur Insolvenztabelle festgestellt worden sind. Streitig ist, ob im Prüfungszeitpunkt durch das Insolvenzgericht diese Forderungen durch den Kläger bestritten waren. Nach Überzeugung des Gerichts liegen für ein Bestreiten keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. In den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Kopien der Schreiben an das Insolvenzgericht vom 01. November 2004, 30. November 2006 und 28. April 2008 sind die hier gegenständlichen Einkommensteuerforderungen nicht konkret benannt und die Schreiben vom 01. November 2004 und 30. November 2006 lagen vor dem Tag der Anmeldung am 08. Januar 2007 durch das Finanzamt. Gegen die Erhebung eines Widerspruches spricht, dass ein solcher nicht in die Tabelle eingetragen worden ist. Denn gem. § 178 Abs. 2 Satz 2 InsO ist auch ein Widerspruch des Schuldners in die Tabelle einzutragen. Maßgeblich für die Eintragung ist, ob im Zeitpunkt des Prüfungstermins ein Widerspruch vorliegt. So ist ein einmal erhobener Widerspruch, der im Prüfungszeitpunkt nicht aufrecht erhalten bleibt, nicht einzutragen. Gegen das Vorliegen eines Widerspruches spricht auch, dass der Kläger gegen die fehlende Eintragung seines vermeintlichen Widerspruches keine Berichtigung beantragt hat.

24

Da die Einkommensteuerforderungen des Finanzamtes zur Tabelle festgestellt worden sind, muss der Kläger sie als Insolvenzschuldner auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens durch die Restschuldbefreiung gegen sich gelten lassen, unabhängig davon, ob die Gewinnerhöhungen aufgrund der Umsatzsteuererstattungen materiell-rechtlich zutreffend in diesen Jahren vorzunehmen waren.

25

Die Einkommensteuerforderungen waren auch fällig. Nach § 220 Abs.1 AO richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach den Vorschriften des der Steuergesetze. Gem. § 36 Abs.4 EStG wird die Einkommensteuer innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides fällig. Steuerbescheide konnten vorliegend wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ergehen, sondern durften nur zur Tabelle angemeldet werden. Dies führt dazu, dass die Insolvenzforderungen gem. § 220 Abs. 2 S. 1 AO mit der Entstehung der Steuer fällig werden (vgl. BFH vom 4.5.2004, Az. VII R 45/03; BStBl. II 2004, 815). Die Einkommensteuer entsteht gem. § 36 Abs.1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes. Da gem. § 25 Abs. 1 EStG das Kalenderjahr der Veranlagungszeitraum ist, waren die Gegenforderungen mit Ablauf des 31.12.1991, 31.12.1994 und 31.12.1996 fällig.

26

Die Einkommensteuerforderungen waren auch trotz der Restschuldbefreiung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung durchsetzbar.

27

Unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderungen können nicht aufgerechnet werden (vgl. BGH 29.3.2007, Az. IX ZB 204/05, ZIP 2007,923). Erlangt der gerichtliche Beschluss über die Restschuldbefreiung formelle Rechtskraft, wirkt die Restschuldbefreiung gem. § 301 Abs.1 S.1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger. Mit der Rechtskraft tritt eine Entschuldung ein. Allerdings folgt aus § 301 Abs. 3 InsO, dass Leistungen, die nach der Restschuldbefreiung zur Befriedigung eines Insolvenzgläubigers erbracht werden, nicht zurückgefordert werden können. Zumindest als Rechtsgrund bestehen die ursprünglichen Forderungen über die Wirksamkeit der Restschuldbefreiung hinaus fort. Es liegt eine unvollkommene Verbindlichkeit des Schuldners vor (vgl. Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, § 301 Rn. 3). Damit wären die Einkommensteuerforderungen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung durch das FA nicht mehr durchsetzbar und nicht mehr aufrechenbar (so das Finanzgericht Hamburg, Az. 3 K 132/11 vom 15.8.2011, EFG 2011, 2180). Allerdings hat der BGH (Entscheidung vom 19.5.2011, Az. IX ZR 222/08, NJW-RR 2011, 1142 ff.) entschieden, dass ein Aufrechnungsrecht einer Gegenforderung, die nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gelte, bestehen bleibe, wenn die Aufrechnungslage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden habe. Nach § 94 InsO werde das bei Verfahrenseröffnung bestehende Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung durch das Verfahren nicht berührt. Diese Vorschrift sei dahin zu verstehen, dass zum „Verfahren“ auch das Ergebnis des Insolvenzverfahrens gehöre, das - etwa als Insolvenzplan – über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinauswirken könne. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers habe § 94 InsO diese Wirkung zukommen sollen. Dieser überzeugenden Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Der vom BGH entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden vergleichbar, weil es sich auch dort um eine unvollkommen gewordene Verbindlichkeit handelte. Die Gegenforderungen des FA blieben trotz Restschuldbefreiung aufrechenbar, weil im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung im August 2004 die Aufrechnungslage bereits vorlag.

28

Gem. § 94 InsO muss der Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zur Aufrechnung berechtigt sein. Insolvenzgläubiger ist gem. § 38 InsO, wer einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Das bedeutet, der Rechtsgrund ihrer Entstehung muss bereits zu diesem Zeitpunkt gelegt sein. Eine Steuerforderung ist immer dann Insolvenzforderung, wenn der ihr zugrunde liegende Tatbestand, der zur Entstehung des Steueranspruches führt, vom Schuldner bereits vor Verfahrenseröffnung verwirklicht worden ist. Nicht entscheidend für die Zuordnung ist demnach, zu welchem Zeitpunkt hieraus die konkrete Steuerforderung entsteht (vgl. Nerlich/Römermann, § 38 Rn. 13, 15, a.a.O.) Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts (vgl. BFH vom 11.7.2013, Az. XI B 41/13, BFH/NV 2013,1647). Insolvenzgläubiger können gem. § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner „begründeten“ Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 AO Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern beim Insolvenzverwalter zur Eintragung in die Tabelle und zur Prüfung mit dem Ziel der Feststellung anzumelden (vgl. BFH vom 11.7.2013, a.a.O., II Ziff. 1). Da die hier gegenständlichen Einkommensteuerforderungen auf diese Weise wirksam zur Tabelle als Insolvenzforderungen festgestellt worden sind, steht für die Beteiligten fest, dass die Voraussetzungen als Insolvenzforderung gem. § 38 InsO vorliegen. Wegen der Rechtskraftwirkung der Feststellung ist eine materiell-rechtliche Überprüfung, ob die Qualifizierung als Insolvenzforderung zutreffend ist, entgegen der Auffassung des Klägers nicht vorzunehmen.

29

Das Finanzamt durfte auch im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung mit dem Erstattungsanspruch wegen Umsatzsteuer für 1995 aufrechnen, weil ein Aufrechnungsverbot gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht eingreift und der Anspruch erfüllbar war.

30

Gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Das Finanzamt wird etwas nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig, wenn die Hauptforderung bereits im Sinne des § 38 InsO im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (vgl. BFH vom 25.7.2012, Az. VII R 29/11, BFH/NV 2012, 2106 ff, I Ziff. 4). Bei Erstattungsansprüchen muss der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden sein. Bereits mit der Besteuerung bzw. mit der Leistung von Vorauszahlungen wird aus insolvenzrechtlicher Sicht ein Grund für den Erstattungsanspruch gelegt (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, § 251 Rn 438). Das Finanzamt kann eine materiell zu Unrecht gezahlte Steuer dem Steuerpflichtigen erstatten, auch wenn die Steuerfestsetzung noch nicht aufgehoben worden ist, obgleich der Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine solche Zahlung erst mit der Aufhebung dieser Forderung entsteht. Das insolvenzrechtliche Entstehen eines Steuererstattungsanspruches ist erstens unabhängig von seiner Festsetzung in einem Erstattungsbescheid und zweitens nicht nur vor einer solchen Festsetzung, sondern selbst dann „erfüllbar“, wenn dem steuerrechtlichen Entstehen eines solchen Anspruches noch (materiell rechtswidrige) Steuerfestsetzungen als Rechtsgrund der zu erstattenden Leistung entgegenstehen. Denn ein steuerlicher Anspruch ist in einer Anwendung des § 387 BGB rechtfertigenden Weise existent und erfüllbar, wenn er i.S. des § 38 AO entstanden ist, d.h. der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Dies gilt auch für einen Steuererstattungsanspruch. Es ist deshalb insolvenzrechtlich ausreichend, dass der Sachverhalt verwirklicht ist, der zu der Entstehung des Steuer(erstattungs)anspruches führt (vgl. BFH vom 10.5.2007, Az. VII R 18/05, BStBl. II 2007, 914 ff). Danach war der Erstattungsanspruch für 1995 bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, weil der maßgebliche Sachverhalt für die Erstattung, die in 1995 ausgeführten und nicht steuerpflichtigen Umsätze mit Geldspielautomaten und die hierauf entrichteten Umsatzsteuern vor dem ... August 2004 erfolgten.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

32

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der Wirkung einer Restschuldbefreiung auf die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers zuzulassen.


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH (GmbH).

2

Die GmbH schloss am 2. Januar 2004, vertreten durch den Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter, mit einer KG, für die der Kläger bereits zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, einen Vertrag, nach dem die GmbH der KG ihren Fuhrpark gegen monatliche Zahlung von 20.906,18 € zzgl. 3.344,99 € Umsatzsteuer (24.251,17 € brutto) zur Nutzung überlassen sollte und tatsächlich überließ; der Vertrag lief bis 29. Februar 2004. Die Wirksamkeit der Vereinbarung war von der Genehmigung eines durch das Insolvenzgericht einzusetzenden Sonderverwalters abhängig.

3

Über das Vermögen der GmbH, die ihre Umsätze zunächst nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des im Streitjahr 2005 geltenden Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) versteuerte, wurde am 4. März 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 6. April 2004 gestattete das zuständige Finanzamt (FA S) den vom Kläger beantragten Wechsel zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 20 UStG.

4

Am 19. Mai 2005 genehmigte der Sonderverwalter der GmbH den Vertrag vom 2. Januar 2004. Daraufhin wurde die vereinbarte Miete für die vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen --Nutzungsüberlassung des Fuhrparks für Januar und Februar 2004-- in Höhe von 48.502,34 € brutto gezahlt und am 14. Juli 2005 vom Kläger vereinnahmt.

5

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA S davon aus, dass es sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten aus den zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten handele, und setzte durch den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2005 vom 6. Dezember 2005 hierfür Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

6

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erließ das FA S am 24. Mai 2007 im Schätzungsweg den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde.

7

Das FG gab der Klage statt, mit der sich der Kläger gegen die Berücksichtigung des vereinnahmten Entgelts als Masseforderung wendet. Das Insolvenzverfahren sei im März 2004 und damit nach Ablauf der Voranmeldungszeiträume, in denen die Leistungen erbracht wurden, eröffnet worden. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UStG sei damit bereits vor Verfahrenseröffnung vollständig erfüllt gewesen, so dass die Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien. Hieran ändere der nach Verfahrenseröffnung beantragte und gewährte Wechsel der Besteuerungsart nichts. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung müsse eine Besteuerung der nach dem Übergang zur Istbesteuerung vereinnahmten Entgelte entfallen, wenn ---wie hier-- die Umsätze bereits vor dem Übergang zur Istbesteuerung der Sollbesteuerung unterlegen hätten. Der Unternehmer habe deshalb in den Voranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume, in denen solche Außenstände eingehen, die bereits versteuerten Beträge von den vereinnahmten Entgelten abzusetzen. Dies gelte unabhängig von den Gründen, aus denen eine Anmeldung und Versteuerung zunächst tatsächlich unterblieben sei. Da die Umsatzsteuer unter der Geltung der Sollbesteuerung entstanden sei, könne nach dem Wechsel zur Istbesteuerung keine Rückabwicklung erfolgen. Durch den Wechsel der Besteuerungsart werde der bereits vollständig verwirklichte und abgeschlossene Umsatzsteuertatbestand rückwirkend wieder "unbegründet".

8

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1845 veröffentlicht.

9

Mit seiner Revision macht das FA S Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks seien nicht zur Sollbesteuerung angemeldet worden, so dass keine Sollbesteuerung erfolgt sei. Nach dem FG-Urteil unterbleibe die Besteuerung dieser Umsätze völlig. Zumindest müsse der Wechsel zur Istbesteuerung auch für die Umsätze gelten, die nicht erklärt worden seien.

10

Nach Einlegung der Revision wurde das FA S mit dem FA E, dem Beklagten und Revisionskläger (FA) zusammengelegt.

11

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Es sei unerheblich, dass die Umsätze aus der Fuhrparkvermietung nicht erklärt worden seien, da dies der Sollbesteuerung nicht entgegenstehe. Das FA könne die ihm nunmehr bekannten Forderungen zur Tabelle anmelden.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des FA ist begründet.

15

Der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Organisationsakt der Verwaltung führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2008 V R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612).

16

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks begründen entgegen dem Urteil des FG eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO); unerheblich ist insoweit, ob die Umsätze der Ist- oder der Sollbesteuerung unterlagen.

17

1. Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkung gilt nicht für Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind. Es handelt sich dabei gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO um die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören".

18

Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung)

19

2. Das FG hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, anhand derer der Senat entscheiden kann, ob die Steuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG (Sollbesteuerung) oder nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG (Istbesteuerung) entstanden ist.

20

Das FA hatte dem Kläger durch Bescheid vom 6. April 2004 gestattet, die Umsätze der GmbH der Istbesteuerung zu unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine derartige Gestattung ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auch noch während des Kalenderjahrs mit Rückwirkung auf den Jahresbeginn erteilt werden (BFH-Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08, BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.b bb (2)).

21

Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob der Kläger das ihm eingeräumte Recht auf Istbesteuerung ausgeübt hat. Da es sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer frei, von der Gestattung zur Istbesteuerung keinen Gebrauch zu machen und zur Sollbesteuerung "zurückzukehren", ohne dass es hierfür eines Antrags des Steuerpflichtigen oder einer Erlaubnis des FA bedarf (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.2.). Eine Rückkehr zur Sollbesteuerung ist dabei bis zur Unanfechtbarkeit (formellen Bestandkraft) der Jahressteuerfestsetzung möglich (BFH-Urteil in BFHE 223, 528, BStBl II 2009, 1026, unter II.3.c). Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen, obwohl der Kläger im Verfahren vor dem FG vorgetragen hat, dass es für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung bei der Sollbesteuerung geblieben und deshalb die Steuerforderung als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden sei.

22

3. Der Senat kann gleichwohl in der Sache entscheiden. Erbringt der Unternehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine Leistung, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt, begründet die Entgeltvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei unerheblich ist, ob der Umsatz der Ist- oder der Sollbesteuerung unterliegt. Für den Fall der Istbesteuerung ergibt sich dies aus dem Senatsurteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Im Fall der Sollbesteuerung beruht die Masseverbindlichkeit auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.

23

a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.

24

Uneinbringlichkeit setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1). Zumindest im Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann sich die fehlende Durchsetzbarkeit für den Leistenden aus Umständen ergeben, die in seiner Person oder in der Person des Leistungsempfängers begründet sind. Wird über das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, tritt daher hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte Uneinbringlichkeit ein. Unerheblich ist, ob es sich um ein Entgelt für eine vom Unternehmer bezogene oder erbrachte Leistung handelt.

25

b) Hat der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung bezogen und das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet, wird die der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderung gegen ihn als Leistungsempfänger spätestens mit Verfahrenseröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich; bei einer nachträglichen Zahlung auf das uneinbringlich gewordene Entgelt ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BFH/NV 2010, 773, Leitsätze 1 und 2).

26

Maßgeblich ist hierfür, dass Entgeltforderungen gegen den Unternehmer mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen von Rechts wegen gegen ihn persönlich als Insolvenzschuldner nicht durchsetzbar sind, sondern nur zur Tabelle nach §§ 174 ff. InsO angemeldet werden können. Ohne Bedeutung ist dabei, ob den Vermögensansprüchen gegen den Leistungsempfänger, den Insolvenzschuldner, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass Uneinbringlichkeit selbst dann in vollem Umfang eintritt, wenn mit einer quotalen Befriedigung der Insolvenzforderungen zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c).

27

c) Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt gleichfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein.

28

aa) Zwar gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmereinheit, das Unternehmen besteht jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490; Der Betrieb --DB-- 2010, 2596, unter II.2.), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers kommt es zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, bei denen es sich z.B. um die Insolvenzmasse und das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen handeln kann. So sind z.B. weitere Vorsteuerbeträge, die sich für die Insolvenzmasse ergeben, nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Steuer, die sich aus Leistungen für den insolvenzfreien Unternehmensteil ergeben, abzusetzen und können daher trotz einer Steuerschuld für den insolvenzfreien Unternehmensteil zu einem Vorsteuerüberschuss und damit zu einer Umsatzsteuervergütung für die dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegende Insolvenzmasse führen. Zur Wahrung des Grundsatzes der Unternehmenseinheit reicht es aus, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen entspricht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639, unter II.1. und 5.).

29

Neben der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen besteht auch ein vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil. Die diesen Unternehmensteil betreffenden Umsatzsteueransprüche können nur zur Tabelle (§§ 174 ff. InsO) angemeldet, nicht aber wie z.B. Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Dementsprechend kann auch hier z.B. ein Vorsteueranspruch des massezugehörigen Unternehmensteils nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG mit einem Steueranspruch gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil verrechnet werden (vgl. §§ 95, 96 InsO).

30

bb) Ist im Insolvenzfall trotz Fortbestehens eines Gesamtunternehmens von mehreren eigenständigen Unternehmensteilen auszugehen, werden die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmten Entgelte aus vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich, da der Entgeltanspruch ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durch diesen Unternehmensteil vereinnahmt werden kann. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2009 IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, unter II.1., m.w.N.). Der Unternehmer ist somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da diese in die Insolvenzmasse zu leisten sind. Damit korrespondiert auch, dass dieser Unternehmensteil rechtlich nicht mehr befugt ist, "öffentliche Gelder" entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21).

31

cc) Wird demnach die Entgeltforderung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich, begründet die spätere Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter eine erneute Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese Berichtigung ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führen somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens.

32

Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründet eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch ist erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1. zur Istbesteuerung). Für dieses Ergebnis spricht auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren; dies ist bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFH/NV 2010, 161, unter II.4.b dd (1), Deutsches Steuerrecht 2010, 2349). Mit diesem Erfordernis wäre es nicht zu vereinbaren, bei einer Entgeltvereinnahmung durch den Insolvenzverwalter für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu differenzieren.

33

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob entsprechend der Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit beim leistenden Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auch der Leistungsempfänger mit Verfahrenseröffnung den Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen hat. Selbst wenn eine derartige Berichtigungspflicht bestünde, würde der Leistungsempfänger hierdurch nicht beschwert, da er im Hinblick auf die von ihm noch zu leistenden Zahlungen ohnehin prüfen muss, ob über das Vermögen seiner Gläubiger das Insolvenzverfahren eröffnet wird, um sicherzustellen, dass er Zahlungen nur an den Insolvenzverwalter leistet, da eine Zahlung an den Insolvenzschuldner selbst keine schuldbefreiende Wirkung hat (s. oben II.3.c bb).

34

Im Übrigen ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger nicht erforderlich, wenn er das von ihm geschuldete Entgelt noch in dem für ihn maßgeblichen Voranmeldungszeitraum zahlt, in dem auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Gläubigers eröffnet wird. Denn ein Entgelt kann nicht in ein und demselben Voranmeldungszeitraum uneinbringlich und vereinnahmt (entrichtet) werden, da sich zwei Berichtigungen nach § 17 UStG, die im selben Voranmeldungszeitraum erfolgen, gegenseitig aufheben.

35

4. Der Beurteilung der Steuerschuld aufgrund einer nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung als Masseverbindlichkeit steht nicht die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren entgegen, wie der erkennende Senat für den Fall der Istbesteuerung bereits mit Urteil in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.4. entschieden hat, und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

36

Gleiches gilt für die mit Verfahrenseröffnung im Rahmen der Sollbesteuerung eintretende Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung des Unternehmers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Erbringt ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, für die auch der Insolvenzverwalter das Entgelt nicht vereinnahmen kann, geht der VII. Senat des BFH davon aus, dass das FA gegen einen der Insolvenzmasse zustehenden Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der zuvor im Rahmen der Sollbesteuerung entstandenen Steuerforderung aufrechnen kann, ohne dass dem insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote entgegenstehen (BFH-Urteil vom 17. April 2004 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.). Gleiches gilt, wenn der Berichtigungsanspruch aufgrund der Uneinbringlichkeit --wie im Streitfall-- bereits mit Verfahrenseröffnung entsteht. Auch in diesem Fall kommt es zu der vom VII. Senat des BFH für erforderlich gehaltenen Aufrechnung, die darauf gestützt wird, dass es "schwerlich gerechtfertigt sein [würde], anzunehmen, die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen" (BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3.).

37

Eine Abweichung zur Rechtsprechung des VII. Senats des BFH besteht auch nicht insoweit, als dieser für Zwecke der Aufrechnung keine "fiktive Veranlagung auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung" vornimmt (BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745), da der VII. Senat hinsichtlich des Bestehens mehrerer Unternehmensteile im Insolvenzfall im Sinne des Senatsurteils in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639 zwischen "Veranlagung" und "Aufrechenbarkeit" differenziert (BFH-Urteil in BFHE 230, 490, DB 2010, 2596, unter II.2., und vom 9. April 2002 VII R 108/00, BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562, unter II.3.).

38

5. Danach war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

39

a) Die GmbH hat im Streitfall Vermietungsleistungen bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht. Dass der dieser Vermietung zugrunde liegende Vertrag erst nach Verfahrenseröffnung durch einen Sonderverwalter genehmigt wurde, steht dem nicht entgegen. Denn die Leistung wurde tatsächlich durch eine Nutzungsüberlassung vor Verfahrenseröffnung ausgeführt, wobei es nach §§ 40, 41 AO unerheblich ist, ob die Leistungserbringung ohne Genehmigung durch den Sonderverwalter gegen ein gesetzliches Verbot verstieß oder die Unwirksamkeit des der Leistung zugrunde liegenden Vertrags begründete.

40

b) Lag somit eine vor Verfahrenseröffnung ausgeführte Leistung vor, für die erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmte, war das FA sowohl im Fall der Ist- als auch im Fall der Sollbesteuerung berechtigt, die Umsatzsteuer für die Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch Steuerbescheid festzusetzen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts München vom 7. Mai 2014  9 K 2072/13 und der Abrechnungsbescheid vom 22. Februar 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 20. Juni 2013 geändert.

Dem Kläger sind die Einkommensteuervorauszahlungen 2007 in Höhe von insgesamt 14.000,99 € (13.332,57 € auf die Einkommensteuer und 668,42 € auf den Solidaritätszuschlag) zu erstatten.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 12. Februar 2007 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des A eröffnet und --nach Abberufung des zwischenzeitlich bestellten Rechtsanwalts B-- der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

2

Für den weiterhin selbstständig tätigen Insolvenzschuldner A wurden in 2007 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für alle vier Quartale 2007 Einkommensteuer-Vorauszahlungen geleistet, davon für das I. Quartal am 7. März 2007  7.360,72 € Einkommensteuer (ESt) und 386,96 € Solidaritätszuschlag (SolZ). Am 30. Oktober 2008 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) einen an den Insolvenzverwalter adressierten Einkommensteuerbescheid 2007. Darin wurden Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des A in Höhe von 132.560 € zu Grunde gelegt, ESt in Höhe von 41.711 € nebst SolZ in Höhe von 2.180,25 € festgesetzt und im Abrechnungsteil (u.a) die gesamten Vorauszahlungsbeträge für das Jahr 2007 in Höhe von 32.570,72 € auf die ESt und in Höhe von 1.673,96 € auf den SolZ abgezogen. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde zurückgenommen und der Erlass eines Abrechnungsbescheids beantragt.

3

Aus dem Abrechnungsbescheid vom 23. Februar 2009, auf den im Einzelnen Bezug genommen wird, ergibt sich:

        
        

ESt     

SolZ   

Jahreseinkommensteuer

41.711,00 €

2.180,25 €

anrechenbare Quellensteuern:

                 

Kapitalertragsteuer

17,00 €

3,76 €

Zinsabschlagsteuer

53,00 €

0,00 €

anrechenbare Vorauszahlungen

32.570,72 €

1.673,96 €

verbleibende einheitliche Steuerschuld

9.070,72 €

502,53 €

4

Im Einspruchsverfahren teilte das FA die Gesamteinkünfte auf die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (71.326 € = 53,81 %) und nach Eröffnung (61.234 € = 46,19 %) auf, sowie dem entsprechend die festgesetzten Jahresabgaben. Danach ergaben sich folgende Berechnungen
zur ESt:

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

Einkünfte

132.560,00 €

71.326,00 €

61.234,00 €

Steuer

41.641,00 €

22.402,85 €

19.238,15 €

abzüglich Vorauszahlungen

32.570,72 €

0,00 €

32.570,72 €

Zwischensumme

9.070,28 €

22.402,85 €

-13.332,57 €

Ausgleich

0,00 €

-13.332,57 €

+13.332,57 €

Ergebnis

9.070,28 €

9.070,28 €

0,00 €

Anmeldung zur Tabelle somit 9.070,28 €
und zum SolZ:

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

Einkünfte

132.560,00 €

71.326,00 €

61.234,00 €

Steuer

2.176,49 €

1.170,95 €

1.005,54 €

abzüglich Vorauszahlungen

1.673,96 €

0,00 €

1.673,96 €

Zwischensumme

502,53 €

1.170,95 €

-668,42 €

Ausgleich

0,00 €

-668,42 €

+668,42 €

Ergebnis

502,53 €

502,53 €

0,00 €

Anmeldung zur Tabelle somit 502,53 €.

5

Die festzusetzende Steuer sei den insolvenzrechtlichen Vermögensbereichen im Verhältnis der Einkünfte aus den unterschiedlichen Vermögensbereichen zu der Summe der Einkünfte zuzuordnen. Vorauszahlungen und Steueranrechnungsbeträge würden bei dem insolvenzrechtlichen Vermögensbereich berücksichtigt, aus dem sie geleistet worden seien. Steuererstattungsansprüche entstünden im Zeitpunkt der Entrichtung der Vorauszahlungen bzw. des Einbehalts der Steuerabzugsbeträge unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Veranlagungszeitraums die geschuldete Steuer geringer sei als die Summe aus geleisteten Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen. Die sich für den Bereich Insolvenzmasse ergebende Erstattung werde mit den sich ergebenden Nachzahlungsbeträgen verrechnet, wobei die Verrechnung zuerst mit der Insolvenzforderung erfolge.

6

Auf die dagegen erhobene Klage, die der Kläger zusammengefasst damit begründete, dass die nach Insolvenzeröffnung gezahlten Einkommensteuervorauszahlungen wegen des Aufrechnungsverbots des § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) ausschließlich mit nach Insolvenzeröffnung entstandenen Einkünften zu verrechnen seien, hat das Finanzgericht (FG) unter Änderung des Abrechnungsbescheids dem Kläger einen Erstattungsanspruch in Höhe von 5.943,69 € ESt 2007 und in Höhe von 279,94 € SolZ 2007 zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Bei der Verrechnung der Vorauszahlungen sei zu berücksichtigen, ob sie vor der Insolvenzeröffnung entstanden seien und damit zu den Insolvenzforderungen gehörten oder nach Insolvenzeröffnung mit der Folge, dass sie zu den Masseverbindlichkeiten zu rechnen seien. Die nach Insolvenzeröffnung entstandenen Vorauszahlungen zählten zu den Masseverbindlichkeiten. Da maßgeblich für die Entstehung der Vorauszahlungen jeweils der Beginn des Quartals sei, zähle die Vorauszahlung des ersten Quartals, die am 1. Januar entstanden sei, zu den Insolvenzforderungen, während die späteren Zahlungen zu den Masseverbindlichkeiten zu rechnen seien. Demgemäß berechne sich die Erstattung:

7

ESt     

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

ESt     

41.711,00 €

23.444,69 €

19.266,31 €

abzüglich Vorauszahlungen

32.570,72 €

7.360,72 €

25.210,00 €

Ergebnis

        

15.083,97 €

5.943,69 €

8

SolZ         

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

SolZ   

2.180,25 €

1.173,19 €

1.007,06 €

abzüglich Vorauszahlungen

1.673,96 €

386,96 €

1.287,00 €

Ergebnis

        

786,23 €

279,94 €

9

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer fehlerhaften Anwendung der insolvenzrechtlichen Normen, insbesondere des Aufrechnungsverbots des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Einkommensteuervorauszahlungen für 2007 seien erst nach Insolvenzeröffnung geleistet worden. Die Erstattungsansprüche aus diesen Vorauszahlungen seien damit ebenfalls erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, das FA sei also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden mit der Folge, dass die Aufrechnung mit vor Insolvenzeröffnung entstandenen Steuerforderungen unzulässig sei.

10

Das FA meint entgegen der Auffassung des FG, Erstattungsansprüche aufgrund zu hoher Vorauszahlungen entstünden im Zeitpunkt der Entrichtung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Veranlagungszeitraums die geschuldete Steuer geringer sei als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen. Da im Streitfall die geschuldete Steuer höher als die geleisteten Vorauszahlungen sei, scheide ein Erstattungsanspruch aus. Auch unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlich gebotenen Aufteilung der Steuerschuld in Vermögensbereiche vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei die Entstehung des Erstattungsanspruchs immer von der Festsetzung der Jahressteuer abhängig. Deshalb sei es nicht möglich, dass sich für einen Vermögensbereich eine Erstattung und für einen anderen Vermögensbereich eine Nachzahlung ergebe. Vielmehr sei die sich aus dem Bereich der Insolvenzmasse ergebende Erstattung mit dem verbleibenden Nachzahlungsanspruch zu verrechnen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht insoweit, als damit dem Kläger ein zu geringer Erstattungsanspruch zugesprochen worden ist. Über die zugesprochenen Beträge in Höhe von 5.943,69 € ESt 2007 und 279,94 € SolZ 2007 hinaus hat er Anspruch auf die beantragte weitere Erstattung in Höhe von 7.388,88 € ESt 2007 und 388,48 € SolZ 2007 (insgesamt 13.332,57 € ESt und 668,42 € SolZ).

12

1. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A Vorauszahlungen in Höhe von 32.570,72 € ESt 2007 bzw. 1.673,96 € SolZ 2007 entrichtet worden. Unabhängig davon, ob die Arbeitskraft des A dem Insolvenzvermögen zugeordnet werden kann (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. September 2012 VIII R 47/09, BFH/NV 2013, 411, m.w.N.), sind diese Vorauszahlungen aus der Insolvenzmasse geleistet worden. Dies folgt aus § 35 Abs. 1 InsO, nach dem das gesamte Vermögen des A --einschließlich des Neuerwerbs aus der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübten selbständigen Tätigkeit-- zur Insolvenzmasse gehört. Eine Freigabe der selbständigen Tätigkeit des A aus dem Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 2 InsO scheidet bereits deshalb aus, weil diese Vorschrift gemäß Art. 103c Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung i.d.F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 (BGBl I 2007, 509) erst für Insolvenzeröffnungen nach dem 1. Juli 2007 anwendbar ist. Im Streitfall sind aber auch keinerlei Anhaltspunkte für eine --gegebenenfalls schon vor dem 1. Juli 2007 mögliche-- Vereinbarung einer insolvenzfreien selbständigen Tätigkeit erkennbar (zum lediglich klarstellenden Charakter des § 35 Abs. 2 InsO vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 411).

13

Darüber hinaus steht fest, dass mit dem 31. Dezember 2007 ESt in Höhe von 41.711 € und SolZ in Höhe von 2.180,25 € entstanden sind. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig --und nach den Feststellungen des FG ergibt sich nichts anderes--, dass diese Steuerschulden in Höhe von 23.444,69 € ESt und 1.173,19 € SolZ vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind und damit Insolvenzforderungen i.S. des § 38 InsO darstellen. Ob die restlichen Steuerschulden --wie ebenfalls zwischen den Beteiligten unstreitig-- als Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen oder stattdessen einem insolvenzfreien Bereich zuzuordnen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2014 X B 89/14, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2015, 271; BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759; zu § 3 Abs. 1 und § 57 der Konkursordnung BFH-Urteil vom 23. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602; vgl. auch Senatsurteile vom 1. September 2010 VII R 35/08, BFHE 230, 490, BStBl II 2011, 336, und vom 26. November 2014 VII R 32/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2015, 532; für eine vollständige Zuordnung der Steuerschulden zum insolvenzfreien Bereich BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 21/10, BFHE 232, 318, BStBl II 2011, 520 bezüglich Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit, und BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 411 bezüglich Einkünften aus selbständiger Tätigkeit; offengelassen im Senatsurteil vom 21. Juli 2009 VII R 49/08, BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13), kann im Streitfall dahingestellt bleiben. Denn der Kläger wendet sich nicht gegen die Anrechnung der aus der Insolvenzmasse gezahlten Vorauszahlungen auf die nachinsolvenzlichen Steuerschulden, sondern verlangt lediglich die Erstattung des danach verbleibenden Vorauszahlungsüberschusses.

14

2. Dieses Begehren ist berechtigt. Denn eine Anrechnung der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entrichteten Steuervorauszahlungen auf die vor Verfahrenseröffnung begründeten Steuern kommt nicht --auch nicht teilweise-- in Betracht. Weder der Rechtsauffassung des FA, wonach sämtliche geleisteten Vorauszahlungen auf die Jahressteuerschuld angerechnet werden müssten, noch der des FG, wonach die Vorauszahlung für das I. Quartal 2007 auf die --vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Einkünfte entfallende-- vom FA als Insolvenzforderung geltend zu machende Steuerschuld anzurechnen sei, kann gefolgt werden.

15

Anders als das FG meint, ist eine Anrechnung der für das I. Quartal 2007 entrichteten Vorauszahlung nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Anspruch auf Zahlung einer festgesetzten Einkommensteuervorauszahlung zu den Insolvenzforderungen zählt, sofern er vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens --wie im Streitfall am 1. Januar 2007, d.h. mit Beginn des Vorauszahlungszeitraums-- entstanden ist. Diese Erwägungen lassen außer Acht, dass es im Streitfall nicht um offene Vorauszahlungsschulden, sondern um nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entrichtete Beträge geht. Da diese Beträge mangels Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO bzw. Vereinbarung einer insolvenzfreien Tätigkeit aus der Insolvenzmasse stammen, ist eine Anrechnung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur auf solche Steuerschulden möglich, die zu den Masseverbindlichkeiten gehören. Dies folgt aus der Trennung der insolvenzrechtlichen Vermögensbereiche, auch wenn weiterhin eine einheitliche Jahressteuerschuld besteht. Eine Anwendung der Anrechnungsregelung des § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG auf die Insolvenzforderungeines Gläubigers --hier die Jahressteuerforderung des FA-- würde dagegen zu einer mit den Prinzipien des Insolvenzrechts nicht zu vereinbarenden Benachteiligung der übrigen Gläubiger führen. Denn die Insolvenzmasse soll gemäß § 38 InsO der gleichmäßigen Befriedigungaller Insolvenzgläubiger dienen. Dieses Prinzip ist wegen des Vorrangs der Insolvenzordnung nach § 251 Abs. 2 der Abgabenordnung im Steuererhebungsverfahren --zu dem das Anrechnungsverfahren gehört (Senatsurteil vom 19. Dezember 2000 VII R 69/99, BFHE 194, 162, BStBl II 2001, 353)-- auch im Rahmen des § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu beachten.

16

Nicht zuzustimmen ist deshalb auch der weitergehenden Auffassung des FA, dass es den --nach Anrechnung der Vorauszahlungen auf die nachinsolvenzlich begründeten Steuerschulden-- verbliebenen Vorauszahlungsüberschuss (13.332,57 € ESt und 668,42 € SolZ) insgesamt zur Aufrechnung mit der noch offenen restlichen Steuerschuld (22.402,85 € ESt und 1.170,65 € SolZ) verwenden kann. In Höhe dieses Überschusses ist vielmehr ein Erstattungsanspruch des Klägers zu Gunsten der Insolvenzmasse gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG entstanden.

17

Dieser Erstattungsanspruch steht der Insolvenzmasse und damit dem Kläger zu. Denn der Anspruch ist insolvenzrechtlich erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet; er entsteht im Zeitpunkt der Entrichtung der Vorauszahlung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Veranlagungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen (Senatsurteil vom 29. Januar 1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791; BFH-Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 58/77, BFHE 128, 146, BStBl II 1979, 639).

18

3. Der Rückzahlungsanspruch nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG ist auch nicht durch Aufrechnung des FA mit den als Insolvenzforderung geltend zu machenden Steuerschulden erloschen. Einer solchen Aufrechnung steht das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen. Wie bereits dargelegt, ist das FA die Rückzahlung insolvenzrechtlich erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden.

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.