Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 01. Sept. 2017 - 2 WDB 4/17

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2017:010917B2WDB4.17.0
bei uns veröffentlicht am01.09.2017

Tatbestand

1

Die Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft richtet sich gegen die Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens.

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Der frühere Soldat war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Jahr 2000 beim ... eingesetzt und betreute dort ein ... Ihm waren auch Beschaffungsaufgaben und Kostenabrechnungen übertragen. Ab November 2002 wurde zunächst behördenintern wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Zahlungs- und Beschaffungsvorgängen des früheren Soldaten ermittelt. Nach einer Strafanzeige im September 2004 ermittelte die Staatsanwaltschaft u.a. in Form von Durchsuchungen beim Beschuldigten und beim ... Im April 2006 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts ... vom 19. März 2008 wurde der frühere Soldat unter Freistellung von Betrugsvorwürfen wegen Urkundenfälschung in 132 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten zur Bewährung verurteilt.

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Seit April 2004 führte die Wehrdisziplinaranwaltschaft sachgleiche Vorermittlungen. Das gerichtliche Disziplinarverfahren wurde im Juni 2006 eingeleitet und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Nach Einbeziehung weiterer Vorwürfe wegen nach der Dienstzeit begangener Betrugstaten und Gewährung von Schlussgehör wurde im Mai 2009 die Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht ... eingereicht. In der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 2009 klammerte das Truppendienstgericht die Vorwürfe wegen der nach Dienstzeitende begangenen Betrugstaten nach § 107 Abs. 2 Satz 1 WDO aus, setzte das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Verfassungswidrigkeit von § 62 Abs. 1 Satz 3 WDO in Verbindung mit § 58 Abs. 2 Nr. 3 WDO vor. Im Dezember 2010 erhielt das Truppendienstgericht von ihm die Auskunft, ein Entscheidungszeitpunkt sei aufgrund der Vielzahl der anhängigen Verfahren nicht absehbar. Mit Beschluss vom 3. Juli 2014 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Vorlage wegen einer nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung unzulässig ist. Nach Rücksendung der Akten an das Truppendienstgericht wurden auf rechtliche Hinweise des Vorsitzenden der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... schriftsätzlich prozessuale Fragen unter anderem zu einer Verfahrenseinstellung erörtert.

Entscheidungsgründe

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Mit Beschluss vom 29. März 2017 hat der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... das gerichtliche Disziplinarverfahren gemäß § 108 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1, Abs. 4 WDO eingestellt. Es bestehe das Verfahrenshindernis der überlangen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 EMRK.

Es liege ein extremer Ausnahmefall vor, der wegen des außergewöhnlich großen Ausmaßes der Verzögerung unter Berücksichtigung der besonderen persönlichen Umstände des früheren Soldaten im Lichte des Rechtsstaatsprinzips eine sofortige Verfahrensbeendigung gebiete. Eine extreme Überlänge liege vor, weil seit den Vorfällen siebzehn Jahre, seit dem ersten Verdacht gegen den früheren Soldaten vierzehn Jahre, seit Aufnahme der Vorermittlungen mehr als dreizehn Jahre, seit Einleitung des Verfahrens fast elf Jahre und seit Einreichung der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht beinahe acht Jahre vergangen seien. Ein rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens durch Sachentscheidung sei auch für 2017 nicht mit Sicherheit vorherzusagen. Zwar würden die mit der Überlänge verbundenen Belastungen zum Teil dadurch kompensiert, dass der frühere Soldat länger höhere Bezüge erhalte, als ihm bei einer tat- und schuldangemessenen Dienstgradherabsetzung zustünden. Die persönlichen Umstände des schwerkranken Soldaten, nämlich schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen und eine desolate wirtschaftliche Lage, sprächen gegen die Verhältnismäßigkeit einer Verfahrensfortführung. Auch generalpräventive Verfahrenszwecke geböten sie nicht, weil schon wegen der strafrechtlichen Verfolgung und den finanziellen und persönlichen Folgen für den Soldaten eine negative Beispielswirkung nicht zu befürchten sei. Wegen der Verfahrensdauer und der persönlichen Situation des früheren Soldaten erreichten die Besonderheiten des Falles ein Ausmaß an Zuspitzung, dass eine weitere Belastung des früheren Soldaten mit dem Verfahren auch dann nicht mehr verhältnismäßig wäre, wenn sich die Vorwürfe bestätigten.

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Gegen den ihr am 7. April 2017 zugestellten Beschluss hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft am 5. Mai 2017 Beschwerde eingelegt. Ein Verfahrenshindernis im Sinne von § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO liege nur bei einem gesetzlichen Befassungsverbot vor.

Die Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes sei kein einer Sachentscheidung entgegenstehendes Befassungsverbot. Der Gesetzgeber habe dem Vorsitzenden nur ausnahmsweise und nicht für Fragen, über die die Kammer entscheiden müsse eine Einzelrichterzuständigkeit übertragen. Bei einer Einstellung wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes seien aber anders als bei Verfahrenshindernissen in die Kompetenz der Kammer fallende Fragen der materiell-rechtlichen Bewertung des Vorwurfes als Dienstvergehens und seiner Schwere betroffen, über die die Kammer als gesetzlicher Richter entscheiden müsse. Eine Einstellung aus prozessrechtlichen Gründen erlaube bei Wegfall der Hindernisse die Neueinleitung eines Verfahrens. Bei einer Einstellung aus materiell-rechtlichen Gründen, also auch bei einer unverhältnismäßigen Verfahrensdauer, sei dies aber nicht möglich.

Selbst wenn man in einer Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes ein Verfahrenshindernis sehe, liege ein solches hier nicht vor. Denn zum einen hätten die Ermittlungsbehörden und Gerichte das Verfahren hier nicht schuldhaft verzögert. Es sei bereits zweifelhaft, ob der Zeitraum der disziplinaren Ermittlungen in die Prüfung der Überlänge einzubeziehen sei. Die Aussetzung wegen des anhängigen Strafverfahrens dürfe nicht berücksichtigt werden. Auch die Zeit des Vorlageverfahrens dürfe nicht gänzlich eingestellt werden. Der nachfolgende Schriftsatzwechsel zeige, dass das Verfahren danach kontinuierlich betrieben worden sei. Selbst wenn man von einer Überlänge ausgehe, sei die Belastung mit dem weiteren Verfahren nicht ohne weiteres unangemessen. Die Verfahrensdauer sei für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des früheren Soldaten nicht kausal. Die Erwägungen des Truppendienstgerichts zu den finanziellen Belastungen des früheren Soldaten und zu generalpräventiven Verfahrenszwecken überzeugten nicht. Die für die Einstellung vom Beschluss angeführten Erwägungen sprächen zwar gegen eine Disziplinarmaßnahme. Von dieser sei aber in Anwendung von § 108 Abs. 3 Satz 2 WDO abzusehen.

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Die Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist zulässig und begründet.

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1. Die Beschwerde ist statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben. Für die Beschwerde gibt es ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl die Wehrdisziplinaranwaltschaft sich nicht gegen die Einstellung als solche wendet und ihre gesetzlich notwendige Zustimmung zu einer Einstellung aus Opportunitätsgründen nicht verweigern will. Denn die von ihr angestrebte Einstellung nach § 108 Abs. 3 Satz 2 WDO verlangt die Feststellung eines Dienstvergehens und ist damit geeignet, die generalpräventiven Verfahrenszwecke zu erreichen, deren Verfolgung auch der Wehrdisziplinaranwaltschaft übertragen ist.

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2. Sie ist auch begründet. Die Einstellungsvoraussetzungen nach § 108 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 WDO liegen nicht vor.

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a) Zwar kann die extreme Überlänge eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ein Verfahrenshindernis begründen. Unter dem Begriff eines Verfahrenshindernisses im Sinne von § 108 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 WDO fallen alle Umstände, die der Fortführung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens von Rechts wegen entgegenstehen, also diese verhindern. Dazu zählen fehlende allgemeine Verfahrensvoraussetzungen (z.B. die Verfolgbarkeit von Täter und Tat), sowie schwere Mängel des Verfahrens, die nicht auf andere Weise geheilt werden können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2004 - 2 WDB 4.03 - Buchholz 235.01 § 93 WDO 2002 Nr. 3, vom 4. September 2013 - 2 WDB 4.12 - juris Rn. 14 und vom 30. September 2013 - 2 WDB 5.12 - juris Rn. 11). Wird ein gerichtliches Disziplinarverfahren entgegen § 17 Abs. 1 WDO nicht mit der gebotenen Beschleunigung betrieben und dadurch unter Verletzung des grundgesetzlichen Rechtsschutzanspruchs (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 2016 - 2 BvC 26/14 - Vz 1/16Vz 1/16 - juris Rn. 17) und von Art. 6 Abs. 1 EMRK überlang, liegt ein Verfahrensfehler vor. Dieser wiegt umso schwerer, je länger die sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung andauert. Es ist auch nicht möglich, einen derartigen Fehler nachträglich zu heilen.

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Daher entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass in extrem gelagerten Fällen einer Überlänge eine Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - Rn. 40). Diese erfolgt auf der Grundlage von § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO. Sind Ausmaß und Folgen der Überlänge des Verfahrens hingegen nicht derart gravierend, kann eine Einstellung entsprechend § 108 Abs. 3 Satz 2 WDO erwogen werden, wenn wegen des Dienstvergehens eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme im Raum steht (BVerwG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - Rn. 39). Nach der Gesetzessystematik sind vorrangig die zwingenden Einstellungsgründe nach § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO und erst wenn diese nicht vorliegen, ist die im Ermessen des Gerichts stehende Einstellung aus Opportunitätsgründen nach § 108 Abs. 3 Satz 2 WDO zu prüfen. Scheidet auch nach dieser Norm eine Einstellung des Verfahrens aus, ist zu prüfen, ob der Überlänge des Verfahrens bei der Verhängung pflichtenmahnender Maßnahmen im Rahmen der Bemessungsentscheidung Rechnung zu tragen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2006 - 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 <32>; vom 13. März 2008 - 2 WD 6.07 - Rn. 116; vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - Rn. 122; vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 47 sowie vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - juris Rn. 62).

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b) Die Überlänge eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens verdichtet sich allerdings nur dann zu einem Verfahrenshindernis, wenn unter Berücksichtigung des bisherigen und des noch zu erwartenden Verfahrensverlaufs, des noch im Raum stehenden Vorwurfs und gegebenenfalls besonderer persönlicher Umstände des Beschuldigten dessen weitere Belastung mit dem Verfahren selbst unter der Voraussetzung, dass sich die Tatvorwürfe später bestätigen, nicht mehr verhältnismäßig wäre. Verlangt werden hierfür ein außergewöhnlich großes Ausmaß an Verfahrensverzögerung und damit verbundene besonders schwere Belastungen des (früheren) Soldaten (BVerwG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - Rn. 40 m.w.N.).

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Hieran fehlt es, sodass dahingestellt bleiben kann, ob das dem Vorsitzenden durch § 108 Abs. 4 WDO eingeräumte Ermessen, selbst wegen eines Verfahrenshindernisses durch Beschluss außerhalb der Hauptverhandlung einzustellen oder darüber den Spruchkörper entscheiden zu lassen, fehlerfrei ausgeübt worden ist.

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aa) Die Überlänge des Verfahrens ist mit maximal sieben Jahren zu bemessen und erreicht damit jedenfalls noch kein extremes Ausmaß.

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Ob die Dauer eines konkreten Verfahrens noch angemessen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Falls und folgender Kriterien zu beurteilen: die Schwierigkeit des Falls, das Verhalten des Betroffenen und das der zuständigen Behörden und Gerichte sowie die Bedeutung des Rechtsstreits für den Betroffenen (EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 <1017> m.w.N., BVerwG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - Rn. 36). Hier ist eine Einzelfallprüfung erforderlich und es ist nicht auf feste Zeitvorgaben oder abstrakte Orientierungs- bzw. Anhaltswerte abzustellen, unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 29). Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 6 EMRK zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 42). Bei der Verfahrensgestaltung kommt dem Gericht ein Gestaltungsspielraum zu. Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind.

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Es kann offenbleiben, ob die Verfahrensdauer eines Disziplinarverfahrens ab der förmlichen Einleitung zu berücksichtigen ist (so EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 LS), mithin hier ab April 2006, oder aber wegen der Regelung des § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 WDO erst ab Einreichung der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht im Mai 2009. Denn selbst unter Einbeziehung des sich an die förmliche Einleitung anschließenden Verfahrenszeitraums ergibt sich noch keine extreme Überlänge, auch wenn das Verfahren nicht sachlich gerechtfertigte Verzögerungen aufweist.

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Gegenstand des Verfahrens sind gravierende Vorwürfe, die die Fehlverwendung von Haushaltsmitteln in Höhe von mehreren Hunderttausend DM betreffen. Das Verfahren hat daher nicht nur für den früheren Soldaten, sondern auch für den Dienstherrn hohe Bedeutung. Die Aufklärung war wegen der Vielzahl der in Rede stehenden Einzelvorgänge, der zur Verschleierung der Zahlungen eingesetzten Fälschungen, der Betroffenheit von Vorgängen eines ... und der Komplexität der Akten nicht leicht. Es waren zahlreiche Zeugen zu vernehmen. Der frühere Soldat hat von der Gründlichkeit der Aufklärung im Strafverfahren auch profitiert, weil im Ergebnis eine Teilfreistellung von Betrugsvorwürfen erfolgt ist. Die mit der Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens verbundene Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des sachgleichen Strafverfahrens war im Hinblick auf § 83 Abs. 1, Satz 1, § 84 Abs. 1 WDO sachgerecht und geboten und hat daher nicht zu einer unangemessenen Verlängerung des Disziplinarverfahrens geführt. Es ist auch nach Eingang des Strafurteils mit Rechtskraftvermerk weiter kontinuierlich gefördert worden. Insbesondere sind Einzahlungen des früheren Soldaten aus nicht in vom Strafverfahren erfassten Zeiträumen vor 1999 und Bewegungen auf Konten des früheren Soldaten bei verschiedenen Geldinstituten zur Feststellung der Höhe des Schadens des Bundes überprüft worden. Erwogen worden war, über die im Strafverfahren angeschuldigten 132 Fälle hinaus 228 weitere Einzahlungsvorgänge anzuschuldigen. Hiervon wurde aus Opportunitätserwägungen abgesehen. Nach Einbeziehung von Vorwürfen wegen nach Dienstzeitende begangener Betrugstaten, wegen derer ein seit 2005 rechtskräftiger Strafbefehl vorlag, wurde dem früheren Soldaten zum Entwurf einer Anschuldigungsschrift im Februar und März 2009 Schlussgehör und antragsgemäß eine Fristverlängerung bis April 2009 gewährt und die Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht eingereicht. Dieses hat innerhalb von fünf Monaten nach Eingang der Anschuldigungsschrift die Hauptverhandlung durchgeführt, womit es sich innerhalb des ihm einzuräumenden mehrmonatigen Gestaltungsspielraumes bewegte. Zu dem von der richterlichen Unabhängigkeit erfassten Gestaltungsspielraum gehört auch die Entscheidung des Truppendienstgerichts, das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, weil es gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG vorlegen muss, wenn es von der Verfassungswidrigkeit eines formellen nachkonstitutionellen Gesetzes überzeugt ist.

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Eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung trat hingegen dadurch ein, dass das Bundesverfassungsgericht über die ihm seit November 2009 vorliegende Vorlagefrage erst im Juli 2014 entschieden hat. Auch unter Berücksichtigung des wegen der Aufgaben und der Stellung des Verfassungsgerichts in größerem Umfang anerkannten Gestaltungsspielraums (vgl. § 97a Abs. 1 Satz 2, § 97b Abs. 1 Satz 4 BVerfGG) ist die Dauer des gerichtlichen Zwischenverfahrens jedenfalls angesichts der gemäß § 81a Satz 1 BVerfGG bereits als unzulässig festgestellten Richtervorlage mit annähernd fünf Jahren nicht mehr angemessen. Da die Überlastung des Verfassungsgerichts gerichtsbekannt strukturell bedingt ist (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 30. August 2016 - 2 BvC 26/14 - Vz 1/16Vz 1/16 - juris Rn. 28), ist sie verschuldensunabhängig dem Staat zuzurechnen.

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Der Zeitraum dieser sachlich nicht gerechtfertigten Verzögerung verlängert sich dadurch, dass das Verfahren beim Truppendienstgericht ... anschließend nicht weiter gefördert wurde, bis der neue Vorsitzende die Bearbeitung aufnahm und mit den Beteiligten mehrfach schriftsätzlich Verfahrensfragen erörterte, bis Ende März 2017 die Einstellung durch Beschluss erfolgte. Selbst wenn man den Zeitraum, in dem schriftsätzlich Verfahrensfragen erörtert worden sind, nicht in vollem Umfange als sachlich gebotene Förderung des Verfahrens anerkennt, ergibt sich insgesamt ein Zeitraum von maximal sieben Jahren, in denen verfahrensfördernde Aktivitäten aus in die staatliche Verantwortung fallenden Gründen nicht erfolgten. Dies ist noch kein Zeitraum, der auch unter Berücksichtigung von finanziellen Kompensationen durch die Verzögerung im Rahmen einer pflichtenmahnenden Maßnahme nicht mehr angemessen durch eine Maßnahmemilderung aufgefangen werden könnte.

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bb) Gleichwohl führt diese unangemessene Verfahrensdauer selbst bei Einbeziehung des seit der Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens verstrichenen Zeitraums nicht zu einem Verfahrenshindernis, weil damit noch keine extrem schwere Belastung des früheren Soldaten verbunden war (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 2 WD 13.15 - juris Rn. 24 m.w.N.).

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Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, steht ein sehr schweres Dienstvergehen in Rede, dessen Gewicht wesentlich durch eine gravierende Verletzung der Vermögensinteressen des Dienstherrn aus einer Vertrauensstellung heraus und unter strafrechtlich relevanter Verletzung der soldatischen Wahrheitspflicht bestimmt wird. Auch wenn der frühere Soldat hierbei nicht aus finanziellem Eigennutz gehandelt hat, steht damit zumindest eine mehrstufige Dienstgradherabsetzung im Raum. Aus diesem Gewicht des Dienstvergehens folgt eine hohe Bedeutung auch der generalpräventiven Verfahrenszwecke. Wegen der unterschiedlichen Zwecksetzungen von Straf- und Disziplinarverfahren tut diesen Zwecken nicht bereits die vom Landgericht ... verhängte Bewährungsstrafe Genüge.

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Den aus der Dauer des Verfahrens erwachsenden psychischen Belastungen stehen zugleich zumindest zum Teil wirtschaftlich kompensierende Vorteile durch die Fortzahlung der höheren Ruhestandsbezüge aus dem höher besoldeten Amt gegenüber (BVerwG, Urteil vom 19. März 2016 - 2 WD 13.15 - Rn. 25).

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Anders als ein im aktiven Dienst befindlicher Soldat erwachsen dem früheren Soldaten auch keine dienstlichen Nachteile durch die Dauer des Disziplinarverfahrens. Er ist dadurch nicht in seinem dienstlichen Fortkommen behindert und von einem faktischen Beförderungsverbot betroffen und er muss sich auch nicht im täglichen Dienstbetrieb mit etwaigen, sich aus Bedenken an seiner Zuverlässigkeit ergebenden Schwierigkeiten auseinander setzen.

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Der den früheren Soldaten aus der Dauer des Verfahrens treffende Nachteil besteht in der seine Psyche belastenden Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens und aus der Beschäftigung mit gegen ihn gerichteten Vorwürfen. Die Intensität dieser Belastung wird durch das Alter und den Gesundheitszustand des früheren Soldaten beeinflusst. Durch ein im sachgleichen Strafverfahren zu seiner Verhandlungsfähigkeit eingeholtes Gutachten der Zentralklinik ... aus dem August 2007 ist aktenkundig nachgewiesen, dass der frühere Soldat unter einer schweren koronaren Herzerkrankung und Bluthochdruck leidet, fünf Herzinfarkte und einen Schlaganfall erlitten hatte. Nach diesem Gutachten war er allerdings dennoch zunächst uneingeschränkt verhandlungsfähig. Die ab Mitte 2010 im gerichtlichen Disziplinarverfahren aufgetretenen unangemessenen Verzögerungen können für den im Gutachten ausgewiesenen Gesundheitszustand des früheren Soldaten somit nicht kausal sein. Zu Verschlechterungen seines Gesundheitszustandes während des vorliegenden Verfahrens ist nur vage und ohne einen Nachweis etwa durch Atteste behandelnder Ärzte vorgetragen worden. Die verbleibenden Belastungen werden allerdings dadurch gemindert, dass dem früheren Soldaten ein Verteidiger beigeordnet worden ist, der seine Interessen innerhalb und außerhalb der Hauptverhandlung wahrnimmt. Die Hauptverhandlung kann nach § 104 Abs. 1 Nr. 3 WDO auch in Abwesenheit des früheren Soldaten stattfinden.

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Hinzu kommt, dass die Durchführung einer Hauptverhandlung prognostisch nicht zu einer gravierenden Verlängerung des Verfahrens führen wird. Bei bereits überlangen Verfahren ist ein Wehrdienstgericht zu besondere Beschleunigung und damit hier zu vorrangiger Terminierung verpflichtet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2015 - 2 WD 10.15 - Rn. 18). Zu den Vorwürfen, die noch Gegenstand des Verfahrens sind, liegen nach § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO bindende Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils vor, was die im Rahmen der Amtsermittlung ergänzend notwendigen Beweiserhebungen des Truppendienstgerichts reduziert. Auch der Prüfung eines Lösungsbeschlusses nach § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO begründet keine besonderen Schwierigkeiten. Zwar kann grundsätzlich der hier behauptete unzulässige Deal einen Lösungsbeschluss notwendig machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2007 - 2 WD 3.06 - BVerwG 128, 189 Rn. 26). Da die Wehrdienstgerichte keine "Nachprüfungsinstanz" der Strafgerichte sind, kommt ein Lösungsbeschluss nur in Betracht, wenn sich die Zweifel an der Richtigkeit aus dem Urteil selbst oder in Verbindung mit dem Protokoll der Hauptverhandlung ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 1981 - 2 WD 16.81 - S. 12 und Beschluss vom 28. September 2011 - 2 WD 18.10 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 5 Rn. 38; Dau/Schütz, WDO, 7. Aufl., § 84 Rn. 9 m.w.N.). Das Strafurteil vom 19. März 2008 ist vor den durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. 2009, I S. 2358) eingefügten § 257c, § 273 Abs. 1a StPO ergangen, sodass sich die Frage nach dem Fehlen eines "Negativattestes" und der Einhaltung der nunmehr gesetzlich geltenden Voraussetzungen nicht stellt. Dass die Beweiswürdigung zur Verurteilung sich in dem Hinweis auf das glaubhafte Geständnis und die Ergebnisse der Beweisaufnahme erschöpft, ist dem Umstand geschuldet, dass es sich um ein verkürztes Urteil nach § 267 Abs. 4 StPO handelt und kein Indiz für eine Verfahrensabsprache. Da hier in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung mehrere Tage lang zahlreiche Zeugen vernommen wurden, Verteidiger und Staatsanwaltschaft nicht denselben Antrag stellten und keine Seite auf Rechtsmittel verzichtet hatte, spricht nach Urteil und Protokoll nichts für einen - geschweige denn einen unzulässigen - "Deal".

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Hiernach ist in Abwägung der noch zu erwartenden Verfahrensdauer, der den früheren Soldaten treffenden Belastungen mit der hohen Bedeutung des Verfahrens die Fortsetzung noch nicht unzumutbar.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO. Es ist nicht unbillig, den früheren Soldaten mit den Kosten zu belasten, da die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses auf seinen Antrag hin erfolgt ist.

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 01. Sept. 2017 - 2 WDB 4/17 zitiert 18 §§.

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(1) Über Entschädigung und Wiedergutmachung wird auf Grund einer Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht entschieden (Verzögerungsbeschwerde). Die Verzögerungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer beim Bundesverfassungsgericht die Da

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(1) Ist gegen den Soldaten wegen des Sachverhalts, der dem gerichtlichen Disziplinarverfahren zu Grunde liegt, im Strafverfahren die öffentliche Klage erhoben worden, so wird das gerichtliche Disziplinarverfahren zunächst ausgesetzt. Das Verfahren is

Referenzen

(1) Zum Gegenstand der Urteilsfindung können nur die Pflichtverletzungen gemacht werden, die in der Anschuldigungsschrift und ihren Nachträgen dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.

(2) Nach Anhörung des Wehrdisziplinaranwalts kann das Truppendienstgericht solche Pflichtverletzungen aus dem gerichtlichen Disziplinarverfahren ausklammern, die für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht oder voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen. Die ausgeklammerten Pflichtverletzungen können nicht wieder in das gerichtliche Disziplinarverfahren einbezogen werden, es sei denn, die Beschränkungsvoraussetzungen entfallen nachträglich. Eine Verfolgung der ausgeklammerten Pflichtverletzungen ist nach dem unanfechtbaren Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens nicht mehr zulässig.

(3) Der Urteilsfindung können auch die Beweise zu Grunde gelegt werden, die nach § 106 Abs. 2 Gegenstand der Hauptverhandlung waren.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Dienstgradherabsetzung um einen oder mehrere Dienstgrade ist bei Offizieren bis zum niedrigsten Offizierdienstgrad ihrer Laufbahn zulässig. Diese Beschränkung gilt auch bei Offizieren, gegen die Disziplinarmaßnahmen nach § 58 Abs. 2 und 3 verhängt werden dürfen. Bei Unteroffizieren, die Berufssoldaten sind, sowie bei Berufssoldaten im Ruhestand, die einen Unteroffizierdienstgrad führen, ist die Dienstgradherabsetzung bis zum Dienstgrad Feldwebel, bei Stabsunteroffizieren zum Dienstgrad Unteroffizier zulässig. Im Übrigen ist sie unbeschränkt zulässig.

(2) Durch die Dienstgradherabsetzung verliert der Soldat alle Rechte aus seinem bisherigen Dienstgrad. Er tritt in den Dienstgrad und, wenn dieser in zwei Besoldungsgruppen aufgeführt ist, in die Besoldungsgruppe zurück, die das Wehrdienstgericht bestimmt. Die Ansprüche auf Dienstbezüge und Dienstzeitversorgung richten sich nach dem Dienstgrad und der Besoldungsgruppe, in die er zurücktritt.

(3) Der Soldat darf frühestens drei Jahre nach Rechtskraft des Urteils wieder befördert werden. § 60 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Aus besonderen Gründen kann das Gericht die Frist im Urteil auf zwei Jahre herabsetzen.

(4) (weggefallen)

(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind:

1.
Kürzung der Dienstbezüge,
2.
Beförderungsverbot,
3.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
4.
Dienstgradherabsetzung und
5.
Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

(2) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten im Ruhestand sowie gegen frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Abs. 3), sind:

1.
Kürzung des Ruhegehalts,
2.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
3.
Dienstgradherabsetzung und
4.
Aberkennung des Ruhegehalts.
Sind sie zugleich Angehörige der Reserve oder nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, dürfen nur die in Satz 1 genannten gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen verhängt werden.

(3) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz, gegen Angehörige der Reserve sowie gegen nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, sind:

1.
Dienstgradherabsetzung und
2.
Aberkennung des Dienstgrades.
Für Soldaten im Ruhestand und frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Absatz 3), die in ein Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz berufen werden, bleibt Absatz 2 Satz 1 unberührt.

(4) Wegen desselben Dienstvergehens dürfen nur Kürzung der Dienstbezüge und Beförderungsverbot nebeneinander verhängt werden. Sie sollen insbesondere nebeneinander verhängt werden, wenn erkennbar ist, dass ein Beförderungsverbot keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird; § 16 Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Neben oder anstelle der Kürzung des Ruhegehalts kann auf Kürzung des Ausgleichs (§ 38 des Soldatenversorgungsgesetzes) erkannt werden. Im Übrigen darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden.

(5) Wegen eines Verhaltens, das nach § 17 Abs. 3, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Zweite Alternative des Soldatengesetzes als Dienstvergehen gilt, dürfen bei Soldaten im Ruhestand sowie bei früheren Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten, als gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nur Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden.

(6) Die Wehrdienstgerichte dürfen auch einfache Disziplinarmaßnahmen verhängen.

(7) Die §§ 38 und 39 gelten auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren.

(1) Das Urteil kann nur auf eine Disziplinarmaßnahme, auf Freispruch oder auf Einstellung des Verfahrens lauten.

(2) Auf Freispruch ist zu erkennen, wenn ein Dienstvergehen nicht vorliegt oder nicht erwiesen ist.

(3) Das Verfahren ist einzustellen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht, eine Disziplinarmaßnahme nicht zulässig ist oder nach § 16 nicht verhängt werden darf. Das Gericht kann das Verfahren mit Zustimmung des Wehrdisziplinaranwalts einstellen, wenn es ein Dienstvergehen zwar für erwiesen, eine Disziplinarmaßnahme aber nicht für angebracht hält.

(4) Besteht ein Verfahrenshindernis, kann der Vorsitzende der Truppendienstkammer das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss einstellen.

(1) Das gerichtliche Disziplinarverfahren wird durch schriftliche Verfügung der Einleitungsbehörde eingeleitet. Der Soldat ist vorher zu hören. Die Einleitung wird mit der Zustellung an den Soldaten wirksam.

(2) Wird eine militärische Flugunfalluntersuchung durchgeführt, ist für die disziplinare Erledigung der damit zusammenhängenden Dienstvergehen die Einleitungsbehörde zuständig, soweit diese sie nicht dem sonst zuständigen Disziplinarvorgesetzten überlässt.

(3) Wird ein Havarieverfahren durchgeführt, ist für die disziplinare Erledigung der damit zusammenhängenden Dienstvergehen die Einleitungsbehörde zuständig, die im Havarieverfahren die Entscheidung trifft. Sie kann auch ein gerichtliches Disziplinarverfahren einleiten, sofern nicht ein höherer Vorgesetzter Einleitungsbehörde ist.

(1) Disziplinarsachen sind beschleunigt zu behandeln.

(2) Sind seit einem Dienstvergehens sechs Monate verstrichen, darf eine einfache Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden.

(3) Sind seit einem Dienstvergehen drei Jahre verstrichen, dürfen Kürzung der Dienstbezüge und Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr verhängt werden.

(4) Sind seit einem Dienstvergehen fünf Jahre verstrichen, darf ein Beförderungsverbot nicht mehr verhängt werden.

(5) Ist vor Ablauf der Frist wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren, ein Bußgeldverfahren oder ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Soldaten eingeleitet worden oder ist der Sachverhalt Gegenstand einer Beschwerde, einer militärischen Flugunfall- oder Taucherunfalluntersuchung oder eines Havarieverfahrens, ist die Frist für die Dauer dieses Verfahrens gehemmt.

(1) Das Urteil kann nur auf eine Disziplinarmaßnahme, auf Freispruch oder auf Einstellung des Verfahrens lauten.

(2) Auf Freispruch ist zu erkennen, wenn ein Dienstvergehen nicht vorliegt oder nicht erwiesen ist.

(3) Das Verfahren ist einzustellen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht, eine Disziplinarmaßnahme nicht zulässig ist oder nach § 16 nicht verhängt werden darf. Das Gericht kann das Verfahren mit Zustimmung des Wehrdisziplinaranwalts einstellen, wenn es ein Dienstvergehen zwar für erwiesen, eine Disziplinarmaßnahme aber nicht für angebracht hält.

(4) Besteht ein Verfahrenshindernis, kann der Vorsitzende der Truppendienstkammer das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss einstellen.

(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind:

1.
Kürzung der Dienstbezüge,
2.
Beförderungsverbot,
3.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
4.
Dienstgradherabsetzung und
5.
Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

(2) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten im Ruhestand sowie gegen frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Abs. 3), sind:

1.
Kürzung des Ruhegehalts,
2.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
3.
Dienstgradherabsetzung und
4.
Aberkennung des Ruhegehalts.
Sind sie zugleich Angehörige der Reserve oder nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, dürfen nur die in Satz 1 genannten gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen verhängt werden.

(3) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz, gegen Angehörige der Reserve sowie gegen nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, sind:

1.
Dienstgradherabsetzung und
2.
Aberkennung des Dienstgrades.
Für Soldaten im Ruhestand und frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Absatz 3), die in ein Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz berufen werden, bleibt Absatz 2 Satz 1 unberührt.

(4) Wegen desselben Dienstvergehens dürfen nur Kürzung der Dienstbezüge und Beförderungsverbot nebeneinander verhängt werden. Sie sollen insbesondere nebeneinander verhängt werden, wenn erkennbar ist, dass ein Beförderungsverbot keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird; § 16 Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Neben oder anstelle der Kürzung des Ruhegehalts kann auf Kürzung des Ausgleichs (§ 38 des Soldatenversorgungsgesetzes) erkannt werden. Im Übrigen darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden.

(5) Wegen eines Verhaltens, das nach § 17 Abs. 3, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Zweite Alternative des Soldatengesetzes als Dienstvergehen gilt, dürfen bei Soldaten im Ruhestand sowie bei früheren Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten, als gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nur Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden.

(6) Die Wehrdienstgerichte dürfen auch einfache Disziplinarmaßnahmen verhängen.

(7) Die §§ 38 und 39 gelten auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren.

(1) Das Urteil kann nur auf eine Disziplinarmaßnahme, auf Freispruch oder auf Einstellung des Verfahrens lauten.

(2) Auf Freispruch ist zu erkennen, wenn ein Dienstvergehen nicht vorliegt oder nicht erwiesen ist.

(3) Das Verfahren ist einzustellen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht, eine Disziplinarmaßnahme nicht zulässig ist oder nach § 16 nicht verhängt werden darf. Das Gericht kann das Verfahren mit Zustimmung des Wehrdisziplinaranwalts einstellen, wenn es ein Dienstvergehen zwar für erwiesen, eine Disziplinarmaßnahme aber nicht für angebracht hält.

(4) Besteht ein Verfahrenshindernis, kann der Vorsitzende der Truppendienstkammer das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss einstellen.

(1) Ist gegen den Soldaten wegen des Sachverhalts, der dem gerichtlichen Disziplinarverfahren zu Grunde liegt, im Strafverfahren die öffentliche Klage erhoben worden, so wird das gerichtliche Disziplinarverfahren zunächst ausgesetzt. Das Verfahren ist fortzusetzen, wenn die Sachaufklärung gesichert ist oder wenn im Strafverfahren aus Gründen nicht verhandelt werden kann, die in der Person oder in dem Verhalten des Soldaten liegen.

(2) Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist spätestens nach Abschluss des Verfahrens, das zur Aussetzung geführt hat, fortzusetzen.

(3) Das gerichtliche Disziplinarverfahren kann ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 gelten entsprechend.

(4) Der Soldat kann gegen eine Aussetzung durch die Einleitungsbehörde die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragen. Dieses entscheidet endgültig.

(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren oder Bußgeldverfahren, auf denen die Entscheidung beruht, sind im gerichtlichen Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für die Einleitungsbehörde, den Wehrdisziplinaranwalt und das Wehrdienstgericht bindend. Das Wehrdienstgericht hat jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit, bei einfacher Besetzung der Truppendienstkammer mit der Stimme des Vorsitzenden, bezweifeln. Dies ist in den Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringen.

(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zu Grunde gelegt werden.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht als Verfahrensbeteiligter oder als Beteiligter in einem zur Herbeiführung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzten Verfahren einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung des Bundesverfassungsgerichts.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise, insbesondere durch die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer, ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Bundesverfassungsgericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(1) Über Entschädigung und Wiedergutmachung wird auf Grund einer Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht entschieden (Verzögerungsbeschwerde). Die Verzögerungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer beim Bundesverfassungsgericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge ist schriftlich und unter Darlegung der Umstände, die die Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen, einzulegen. Sie ist frühestens zwölf Monate nach Eingang des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht zulässig. Einer Bescheidung der Verzögerungsrüge bedarf es nicht.

(2) Die Verzögerungsbeschwerde kann frühestens sechs Monate nach Erheben einer Verzögerungsrüge erhoben werden; ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangen oder das Verfahren anderweitig erledigt worden, ist die Verzögerungsbeschwerde binnen drei Monaten zu erheben. Sie ist schriftlich einzulegen und gleichzeitig zu begründen. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verzögerungsbeschwerde ist der Anspruch nicht übertragbar.

Die Kammer kann durch einstimmigen Beschluß die Unzulässigkeit eines Antrages nach § 80 feststellen. Die Entscheidung bleibt dem Senat vorbehalten, wenn der Antrag von einem Landesverfassungsgericht oder von einem obersten Gerichtshof des Bundes gestellt wird.

(1) Die Hauptverhandlung findet auch ohne Anwesenheit des Soldaten statt,

1.
wenn der Soldat auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist;
2.
wenn die Gestellung des Soldaten nicht ausführbar oder nicht angemessen ist, weil sein Aufenthalt unbekannt ist oder weil er sich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes aufhält;
3.
wenn der frühere Soldat zu dem Termin ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann;
4.
wenn der Soldat nach § 85 durch einen Betreuer oder Pfleger vertreten wird.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 kann sich der Soldat durch einen Verteidiger vertreten lassen.

(3) Bei einem früheren Soldaten kann der Vorsitzende das persönliche Erscheinen anordnen. Ist der frühere Soldat vorübergehend verhandlungsunfähig oder aus zwingenden Gründen am Erscheinen verhindert, findet keine Hauptverhandlung statt, solange diese Hinderungsgründe bestehen.

(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren oder Bußgeldverfahren, auf denen die Entscheidung beruht, sind im gerichtlichen Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für die Einleitungsbehörde, den Wehrdisziplinaranwalt und das Wehrdienstgericht bindend. Das Wehrdienstgericht hat jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit, bei einfacher Besetzung der Truppendienstkammer mit der Stimme des Vorsitzenden, bezweifeln. Dies ist in den Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringen.

(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zu Grunde gelegt werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.