Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Okt. 2010 - 2 BvR 409/09
Gericht
Tenor
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Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2009 - 7 ME 235/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
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Damit wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2009 - 7 ME 22/09 - gegenstandslos.
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Ferner erledigt sich damit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Reichweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in einem aufenthaltsrechtlichen Rechtsstreit.
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1. Der 1986 in Guinea geborene Beschwerdeführer reiste im Jahre 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte erfolglos Asyl; sein Begehren wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Nach dem Ende seines Asylverfahrens wurde der Beschwerdeführer geduldet.
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In der Folgezeit ist der Beschwerdeführer mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. So wurde er im Jahre 2002 wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu zehn Arbeitsleistungen verurteilt. 2003 wurde der Beschwerdeführer wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung, Sachbeschädigung, Erschleichen von Leistungen sowie illegaler Einreise zu 15 Tagen Jugendarrest verurteilt. Wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung erfolgte 2004 eine Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beschwerdeführer wurde dann 2005 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu zehn Arbeitsleistungen verurteilt.
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Bereits im August 2002 wurde der Beschwerdeführer bestandskräftig unbefristet ausgewiesen.
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Der Beschwerdeführer ist Vater einer am 24. Dezember 2005 geborenen deutschen Tochter. Der nach Hamburg umverteilte Beschwerdeführer beantragte, zu der bei der Kindesmutter in Stade lebenden Tochter umverteilt zu werden und dort eine Duldung zu erhalten. Nachdem dies zunächst erfolglos geblieben war, verpflichtete das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht den Landkreis Stade mit Beschluss vom 21. Februar 2007 zur Erteilung einer vorläufigen Duldung. Dabei wurde angenommen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Tochter und deren Mutter eine familiäre Lebensgemeinschaft führe.
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Nach der Geburt seiner Tochter wurde der Beschwerdeführer erneut straffällig. 2007 wurde er zunächst wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu acht Tagen gemeinnützige Arbeit und dann wegen unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Betäubungsmitteln zur Zahlung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je zwei Euro verurteilt. Schließlich wurde der Beschwerdeführer im Jahre 2008 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt, weil er viermal gegen die ihm auferlegten räumlichen Beschränkungen des Aufenthaltsgesetzes zuwidergehandelt hatte.
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2. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2008 lehnte der Landkreis Stade den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Eine Erteilung komme nicht in Betracht, weil der Asylantrag des Beschwerdeführers als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei. Ferner habe die Geburt der Tochter keine Zäsur in dem strafrechtlichen Verhalten des Beschwerdeführers herbeigeführt. Dieser sei trotz dieses Umstandes weiterhin strafrechtlich in Erscheinung getreten; die Ausländerbehörde bezog sich hierbei auf die Verurteilungen aus dem Jahre 2007.
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3. Hierauf wandte sich der Beschwerdeführer am 7. November 2008 an das Verwaltungsgericht und beantragte, ihm gegen die bevorstehende Abschiebung Eilrechtsschutz zu gewähren. Er wies insbesondere darauf hin, dass er das Sorgerecht über seine deutsche Tochter im vollen Umfange ausübe, soweit er rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit habe, seine inzwischen in Cuxhaven lebende Tochter und ihre Mutter zu besuchen. Zwischen ihm und seiner Tochter bestehe eine familiäre Lebensgemeinschaft. Er kümmere sich umfassend um seine Tochter und helfe seiner deutschen Lebensgefährtin in erheblichem Umfange. Seit Geburt seiner Tochter habe er einen intensiven Kontakt zu seiner Tochter. Er füttere, wickle und bade sie. Auch gehe er mit ihr spazieren. Manchmal nehme er seine Tochter mit nach Hamburg und bringe sie zurück zur Kindesmutter. Er gehe mit seiner Tochter zum Kinderarzt. Zu seiner Tochter habe er jedenfalls ein sehr enges Verhältnis. Sie erkenne ihn immer und freue sich, wenn er komme. Als Beleg für sein Vorbringen verwies der Beschwerdeführer auf undatierte eidesstattliche Versicherungen der Kindesmutter und der Kindesgroßmutter sowie einen Bescheid des Landkreises Cuxhaven von September 2008, mit dem ein Antrag der Kindesmutter auf Erhalt von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz unter Hinweis darauf abgelehnt worden war, dass zwar eine räumliche Trennung zwischen dem Beschwerdeführer und der Kindesmutter vorliege, "der weitergehende Lebenskontakt aber derzeit fortgeführt" werde. In der Antragsschrift führte der Beschwerdeführer dann weiter aus, dass er mit seiner Tochter "in häuslicher und familiärer Lebensgemeinschaft" lebe. Dem Bestehen der familiären Lebensgemeinschaft stehe nicht entgegen, dass er zurzeit noch eine andere Wohnung habe. Er habe bereits einen Antrag auf Zuzug zu seiner in Cuxhaven lebenden Tochter gestellt. Wenn diesem Begehren zugestimmt werde, so werde er über die ganze Zeit mit seiner Tochter zusammen wohnen.
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In ihrer Antragserwiderung gab die Ausländerbehörde lediglich zu bedenken, dass die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten familiären Belange hinter den öffentlichen Interessen schon deshalb zurückträten, weil die Geburt seiner Tochter sich nicht als "Zäsur" in der Lebensführung des Beschwerdeführers darstelle.
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Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 10. Dezember 2008 ab. In den Gründen führte das Gericht aus, es gehe zwar entsprechend der im Verfahren vorgelegten Erklärungen der Kindesmutter und der Kindesgroßmutter davon aus, dass der Beschwerdeführer sein Sorgerecht nicht nur formal, sondern auch tatsächlich ausübe, mithin eine vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasste Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter bestehe, die nur im Bundesgebiet verwirklicht werden könne. Dennoch müssten seine Belange hinter den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthalts zurücktreten. Der Beschwerdeführer sei bereits vor der Geburt seiner Tochter mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auch nach der Geburt seiner Tochter habe der Beschwerdeführer wiederholt Straftaten begangen. Seine in diesem Zeitraum zu verzeichnenden mehrfachen Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zeigten, dass die Geburt seiner Tochter ersichtlich nicht als Zäsur in seinem Leben angesehen werden könne. Es sei deshalb davon auszugehen, dass er selbst bei einem legalisierten Aufenthalt weiterhin Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland begehen werde.
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4. Zur Begründung seiner hiergegen am 22. Dezember 2008 erhobenen Beschwerde wiederholte der Beschwerdeführer unter anderem sein Vorbringen aus der Antragsschrift zur Ausübung seines Sorgerechts über die Tochter, wobei er auch hier ausführte, seine Tochter zu füttern, zu wickeln und zu baden, sowie ferner, mit ihr "in häuslicher und familiärer Lebensgemeinschaft" zu leben, ohne dass dem Bestehen der "familiären Lebensgemeinschaft" der Umstand entgegen stehe, dass er in einer anderen Wohnung lebe; er habe einen Antrag auf Zuzug zu seiner in Cuxhaven lebenden Tochter gestellt. Er betonte, dass auch das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sei, er übe das Sorgerecht über seine Tochter tatsächlich aus. Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht sei allerdings das Gewicht der nach der Geburt der Tochter begangenen Straftaten nicht so zu bewerten, dass es seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet verdränge.
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Die Beschwerdeerwiderung der Ausländerbehörde stellte die Ausübung des Sorgerechts des Beschwerdeführers über seine Tochter wiederum nicht in Frage, sondern hob abermals hervor, dass die Geburt der Tochter keine "Zäsur" in der Lebensführung des Beschwerdeführers darstelle.
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Mit Beschluss vom 26. Januar 2009 wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde zurück, da der Beschwerdeführer das Bestehen einer schutzwürdigen Eltern-Kind-Beziehung nicht glaubhaft gemacht habe. Die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen seien nicht datiert und wenig aussagekräftig. Das angebliche Angewiesensein der Kindesmutter auf die Betreuungsleistungen des Beschwerdeführers werde nicht belegt. Der Beschwerdeführer erbringe auch keine finanziellen Unterhaltsleistungen, wie der Antrag der Kindesmutter auf Unterhaltsvorschussleistungen deutlich mache. Nach einer im Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion Stade vom 22. Juli 2008 wiedergegebenen Aussage der Kindesmutter sei zudem davon auszugehen, dass sie mit dem Beschwerdeführer nicht mehr zusammenlebe. Dass eine häusliche Gemeinschaft derzeit offensichtlich nicht bestehe, werde auch belegt durch die Einlassung des Beschwerdeführers, wonach er bereits einen Antrag auf Zuzug zu seiner inzwischen in Cuxhaven lebenden Tochter gestellt habe. Die Ausführungen zur Form des Umgangs mit seiner inzwischen gut dreijährigen Tochter ("Er füttert sie, wickelt sie, badet sie und geht mit ihr spazieren.") sprächen zudem dafür, dass hier vergangene und nicht gegenwärtige Vorgänge beschrieben würden.
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5. Gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts erhob der Beschwerdeführer am 3. Februar 2009 Anhörungsrüge. Das Oberverwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Soweit in der Antragsschrift ausgeführt worden sei, er lebe mit seiner Tochter in häuslicher und familiärer Lebensgemeinschaft, ferner füttere, wickele, bade er sie und gehe mit ihr spazieren, beruhten diese Sätze auf einer Unachtsamkeit seines Bevollmächtigten, der diese Sätze aus einem der vielen für ihn gestellten früheren Anträge kopiert habe, ohne sie den inzwischen veränderten Umständen anzupassen. Diese Sätze seien unwahr, als dort behauptet werde, er wickle seine Tochter und lebe mit ihr in häuslicher Lebensgemeinschaft; die übrigen Ausführungen seien dagegen wahr. Die beschriebene Unachtsamkeit könne jedenfalls nichts an der Tatsache ändern, dass er einen sehr intensiven Kontakt zu seiner Tochter pflege und seinen Erziehungsbeitrag leiste, wie es sich auch aus den - von ihm mit der Anhörungsrüge eingereichten - neuerlichen eidesstattlichen Versicherungen der Mutter und der Großmutter der Tochter des Beschwerdeführers, aber insbesondere aus dem Bescheid des Landkreises Cuxhaven von September 2008 eindeutig ergebe. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, zwischen seiner Tochter und ihm bestehe keine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, verstoße gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung. Denn weder der Beschwerdegegner noch das Verwaltungsgericht hätten im vorliegenden Verfahren das Bestehen einer derartigen Gemeinschaft in Frage gestellt. Er habe deshalb nicht damit rechnen können, dass das Oberverwaltungsgericht insoweit eine andere Auffassung vertreten werde. Hätte er damit gerechnet, so hätte er das Bestehen einer Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen ihm und seiner Tochter durch die Vorlage der neuen, ausführlichen eidesstattlichen Versicherungen der Kindesmutter und der Kindesgroßmutter glaubhaft machen können. Mithin habe das Oberverwaltungsgericht auch seine Hinweispflicht verletzt.
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Das Oberverwaltungsgericht wies die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 24. Februar 2009 zurück. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr einräume, die Behauptung des Bestehens einer häuslichen Gemeinschaft zwischen ihm und seiner Tochter sei unwahr, gleichwohl bestehe aber mit Blick auf die nunmehr eingereichten eidesstattlichen Versicherungen der Kindesmutter und Kindesgroßmutter eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, könne hiermit eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht begründet werden. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer die falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt habe und ob dieser Fehler entschuldbar erscheine, sei unerheblich. Das Beschwerdegericht könne nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe prüfen. Das Anhörungsrügeverfahren könne ohnehin nicht dazu dienen, den Vortrag sorgfaltswidrig unterlassenen Vorbringens im Beschwerdeverfahren nachholen zu können. Die mit den nachgereichten eidesstattlichen Versicherungen nunmehr nachträglich geltend gemachten "Ersatztatsachen" seien daher im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigungsfähig. Es liege auch keine Überraschungsentscheidung vor. Mit der Möglichkeit, dass das Beschwerdegericht aufgrund seines eigenen - teilweise wahrheitswidrigen - Vorbringens das behauptete Bestehen einer schutzwürdigen Eltern-Kind-Beziehung als nicht glaubhaft gemacht bewerten würde, hätte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rechnen müssen, zumal das Verwaltungsgericht bereits die bestehende räumliche Trennung als schutzmindernd angeführt habe. Auch liege es auf der Hand, dass Umfang und Intensität der Kontakte des Elternteils mit seinem Kind im Hinblick auf das Bestehen eines nach Art. 6 GG schutzwürdigen Eltern-Kind-Verhältnisses näher darlegungsbedürftig seien, wenn diese nicht zusammenlebten, sondern räumlich getrennt wohnten. Daher liege auch eine Verletzung der Hinweispflicht nicht vor. Es widerspreche zudem der prozessualen Sorgfaltspflicht eines Bevollmächtigten, in Beschwerdeverfahren nach § 123 VwGO unrichtig vorzutragen.
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6. Zur Begründung seiner am 27. Februar 2009 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer neben der nicht hinreichenden Beachtung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG durch die angegriffenen Entscheidungen eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2009. Das Oberverwaltungsgericht stelle überhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Vorliegens einer familiären Lebensgemeinschaft. Soweit zunächst vorgetragen worden sei, er lebe in häuslicher Gemeinschaft mit der Kindesmutter und der Tochter, handele es sich um ein Anwaltsversehen. Dies ergebe sich aus dem weiteren Vortrag, wonach er eine andere Wohnung besitze. Im Übrigen komme es auf das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft nicht entscheidend an. Das Oberverwaltungsgericht habe den Vortrag, dass nur eine räumliche Trennung zwischen ihm und seiner Tochter vorliege, nicht zur Kenntnis genommen. Es liege ein Verstoß gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung vor. Das Verwaltungsgericht Stade habe im Beschluss vom 10. Dezember 2008 das Bestehen einer Lebensgemeinschaft ausdrücklich festgestellt. Im Falle eines Hinweises hätte der Beschwerdeführer neue, ausführlichere eidesstattliche Versicherungen vorgelegt. Weder die Ausländerbehörde noch das Verwaltungsgericht Stade hätten im vorliegenden Verfahren das Vorliegen einer familiären Lebensgemeinschaft in Frage gestellt.
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7. Das Niedersächsische Justizministerium hat zu der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers Stellung genommen.
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II.
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Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2009 richtet, nimmt die Kammer sie zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist im genannten Umfang zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
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1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2009 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
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a) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem dieser zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. An einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 10, 177 <182 f.>; 19, 32 <36>; stRspr). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>). Zwar ergibt sich aus Art. 103 Abs. 1 GG keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters. Ein Gericht verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen Verfahrens, wenn es ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>).
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b) So liegt es im Ausgangsfall. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Beschwerdeführer habe schon das Bestehen einer schutzwürdigen Eltern-Kind-Beziehung nicht glaubhaft gemacht, war für den Beschwerdeführer in keiner Weise voraussehbar. Das Gericht hätte dem Beschwerdeführer deswegen zu erkennen geben müssen, dass es seine Angaben über die familiären Bindungen zu seiner Tochter nicht als genügend glaubhaft erachtet. Dann hätte er Gelegenheit gehabt, sich auch insoweit das rechtliche Gehör zu verschaffen.
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Bis zur Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts war es zwischen dem Beschwerdeführer und der Ausländerbehörde nicht umstritten, dass der Beschwerdeführer mit seiner Tochter eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft führt. Die Ausländerbehörde hat diesen Umstand weder in ihrem Bescheid vom 9. Oktober 2008 noch in ihren Stellungnahmen im Rahmen des nachfolgenden Eilverfahrens in Abrede gestellt. Sowohl in dem Ausgangs- als auch in dem Beschwerdeverfahren hatte die Ausländerbehörde lediglich zu bedenken gegeben, dass die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Belange schon deshalb hinter dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts zurücktreten müssten, weil die Geburt der Tochter zu keiner Zäsur in der Lebensführung des auch danach straffällig gewordenen Beschwerdeführers geführt hätte. Von dieser Rechtsauffassung hat sich auch das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2008 leiten lassen und hierbei ausdrücklich festgestellt, dass eine vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasste Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter bestehe.
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Der Beschwerdeführer konnte deshalb erwarten, dass sich das Oberverwaltungsgericht allein mit der Frage befasst, ob die von ihm geltend gemachten familiären Belange das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts zurücktreten lassen. Er brauchte nicht damit zu rechnen, dass das Gericht weitere Angaben zur Glaubhaftmachung der familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter für erforderlich halten würde. Soweit das Oberverwaltungsgericht meint, der Beschwerdeführer habe deshalb mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass das Beschwerdegericht seinen Angaben über die Bindungen an seine Tochter keinen Glauben schenke, weil er wahrheitswidrig vorgetragen habe, er lebe mit seiner Tochter in einer häuslichen Gemeinschaft, er füttere, wickle und bade sie, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn das Oberverwaltungsgericht übersieht bei seiner Betrachtungsweise, dass der Beschwerdeführer eben diese nicht mehr zutreffenden Umstände mit nahezu identischem Wortlaut auch gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend gemacht hat, ohne dass dieses Gericht dazu gelangt wäre, die Angaben des Beschwerdeführers zu der familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter insgesamt als nicht glaubhaft gemacht zu erachten. Da das Verwaltungsgericht die Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers offenbar als nicht so gewichtig ansah, um das Bestehen einer schützenswerten Vater-Tochter-Beziehung von vornherein zu verneinen, und nach seinen Erwägungen zu den schutzmindernden Auswirkungen der räumlichen Trennung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter auch nicht davon ausgegangen ist, dass zwischen ihnen eine häusliche Lebensgemeinschaft besteht, durfte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer ungeachtet seiner prozessualen Sorgfaltspflichten darauf vertrauen, dass das Beschwerdegericht diese Widersprüche nicht ohne einen entsprechenden Hinweis zum Anlass nimmt, die Glaubhaftmachung der familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter in Abrede zu stellen. Er durfte mithin erwarten, dass ihm das Gericht bei Zweifeln an der Glaubhaftmachung Gelegenheit zu erneuter Stellungnahme geben würde. Somit konnte es für den Beschwerdeführer auch nicht auf der Hand liegen - wie das Oberverwaltungsgericht weiter ausführt -, dass Umfang und Intensität der Kontakte des Elternteils mit seinem Kind im Hinblick auf das Bestehen eines nach Art. 6 GG schutzwürdigen Eltern-Kind-Verhältnisses schon deshalb näher darlegungsbedürftig seien, weil diese nicht zusammenlebten, sondern räumlich getrennt wohnten. Schließlich musste der Beschwerdeführer nicht deshalb mit einer neuen Bewertung des Bestehens einer unter dem Schutz des Art. 6 GG stehenden familiären Lebensgemeinschaft zu seiner Tochter rechnen, weil das Verwaltungsgericht - wie das Oberverwaltungsgericht betont - diese Gemeinschaft wegen der räumlichen Trennung zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Kind als weniger schutzwürdig beurteilt hat. Denn diese Feststellung wurde im Rahmen der Abwägung zwischen den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet und den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes getroffen, setzte also, was das Oberverwaltungsgericht verkennt, das Bestehen einer an sich schutzwürdigen Eltern-Kind-Beziehung voraus.
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2. Auf dem festgestellten Verstoß gegen das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör beruht der angegriffene Beschluss.
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a) Eine gerichtliche Entscheidung kann nur dann wegen Verstoßes gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aufgehoben werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des Beteiligten zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte; nur dann beruht die Entscheidung darauf, dass der Beteiligte nicht gehört wurde (vgl. BVerfGE 7, 239 <241>; 13, 132 <145>; 52, 131 <152 f.>; 89, 381 <392 f.>).
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Ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör kann geheilt werden, wenn das Gericht in der Lage ist, das nunmehr zur Kenntnis genommene Vorbringen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 5, 22 <24>; 62, 392 <397>; 73, 322 <326 f.>; 107, 395 <411 f.>). Dies ist im Verfahren der Anhörungsrüge jedenfalls dann der Fall, wenn das Gericht durch Ausführungen zur Rechtslage den gerügten Gehörsverstoß beseitigen kann, insbesondere indem es rechtliches Vorbringen nunmehr (erstmals) zur Kenntnis nimmt und bescheidet oder auch an einer in der vorangegangenen Entscheidung überraschend eingenommenen Rechtsposition unter Angabe von Gründen festhält. Hat sich das Gericht in einem solchen Fall eine abschließende Meinung gebildet, kann das Bundesverfassungsgericht davon ausgehen, dass eine für den Beteiligten günstigere Lösung ausgeschlossen ist, die Entscheidung also nicht auf der Gehörsverletzung beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 -, juris Rn. 27).
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b) Eine derartige Heilung scheidet hier jedoch aus. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 24. Februar 2009, mit dem es die Anhörungsrüge zurückgewiesen hat, sind hierzu nicht geeignet. Das Oberverwaltungsgericht nimmt zwar den Vortrag des Beschwerdeführers zum Fortbestehen enger Kontakte zu seiner Tochter zur Kenntnis. Seinen Erwägungen lässt sich jedoch ohne Weiteres entnehmen, dass es diese Darlegungen in der Sache nicht in seine Betrachtung eingestellt hat. Das Oberverwaltungsgericht führt hierzu aus, das Verfahren nach § 152a Abs. 1 Nr. 2 VwGO diene nicht dazu, den Vortrag sorgfaltswidrig unterlassenen Vorbringens im Beschwerdeverfahren nachholen zu können. Es stellt dann fest, dass die mit den nachgereichten eidesstattlichen Versicherungen nunmehr nachträglich geltend gemachten "Ersatztatsachen", die für das Fortbestehen enger Kontakte des Beschwerdeführers zu seiner Tochter sprechen, daher im Verfahren der Gehörsrüge nicht berücksichtigungsfähig seien. Damit hat es der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht abgeholfen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass sich das Oberverwaltungsgericht mit der Bedeutung des Bescheides des Landkreises Cuxhaven von September 2008 für die Annahme einer schutzwürdigen Vater-Tochter-Beziehung im vorliegenden Fall befasst und sich hierzu eine abschließende rechtliche Meinung gebildet hat, weil es sich hierbei nur um einen Aspekt bei der Würdigung der familiären Bindungen handelt.
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Der unberücksichtigt gebliebene Vortrag des Beschwerdeführers ist auch erheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass seine Einführung in das Beschwerdeverfahren das Oberverwaltungsgericht dazu bewogen hätte, sich mit der Rechtmäßigkeit der von Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht vorgenommenen Abwägung zwischen den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet und den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes zu befassen. Zu dieser Frage hat sich das Oberverwaltungsgericht nicht geäußert.
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III.
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Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2009 ist demnach aufzuheben, ohne dass es einer Entscheidung über die weitere Rüge des Beschwerdeführers bedarf. Die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Ob auch die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts und die Abschiebungsankündigung des Landkreises Stade gerichteten Rügen, mit denen eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG geltend gemacht wird, berechtigt sind, bleibt offen. Im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist zunächst dem Oberverwaltungsgericht Gelegenheit zu geben, über sie zu befinden (vgl. BVerfGK 7, 350 <356 f.>).
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Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2009 wird damit gegenstandslos.
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Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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Annotations
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.
(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.
(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.
(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.
(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.
(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.
(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.