Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 07. Sept. 2011 - 1 BvR 1012/11

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20110907.1bvr101211
bei uns veröffentlicht am07.09.2011

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 18. Februar 2011 - 30 C 342/10 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Amtsgerichts vom 9. März 2011 - 30 C 342/10 - gegenstandslos.

2. Das Land Brandenburg hat der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die zivilgerichtliche Versagung von Inkassokosten als Verzugsschaden.

2

1. Die Beschwerdeführerin, Klägerin im Ausgangsverfahren, ist ein privatärztliches Abrechnungsinstitut, welches ärztliche Honorarforderungen gegen Patienten gewerbsmäßig ankauft, sich abtreten lässt und anschließend eigenständig geltend macht. Vorliegend ließ sich die Beschwerdeführerin mehrere ärztliche Honorarforderungen gegen den Beklagten im Ausgangsverfahren abtreten. Trotz Inrechnungstellung und anschließender Mahnung mit jeweils angemessener Fristsetzung bezahlte der Beklagte die geforderten Honorare ohne Angabe von Gründen nicht. Die Beschwerdeführerin beauftragte daher ein Inkassounternehmen mit der Geltendmachung der Forderungen. Auch deren Bemühungen, die Forderungen beizutreiben, blieben aber erfolglos.

3

2. Die Beschwerdeführerin erhob daher Klage zum Amtsgericht mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung der Hauptforderungen sowie - nebst weiteren Verzugsschäden - zur Zahlung der Inkassokosten in Höhe der Mindestkosten einer entsprechenden vorgerichtlichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts (vorliegend: 39 Euro) zu verurteilen. Begründet wurde die Geltendmachung der Inkassokosten insbesondere auch unter Bezugnahme auf mehrere obergerichtliche Entscheidungen wie unter anderem BGH, Urteil vom 24. Mai 1967 - VIII ZR 278/64 -, juris und OLG Dresden, Urteil vom 4. April 1995 - 13 U 1515/93 -, NJW-RR 1996, S. 1471. Insbesondere trug die Beschwerdeführerin vor, dass die genannten Entscheidungen die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten ausdrücklich anerkannt hätten, sich die Beschwerdeführerin regelmäßig des beauftragten Inkassounternehmens zur Forderungseinziehung bediene, was auch regelmäßig ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zum Erfolg führe, und dass auch im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Beauftragung keine Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass die Forderungen nur im Falle einer gerichtlichen Titulierung gezahlt werden würden.

4

3. Das Amtsgericht wies die Beschwerdeführerin im Verfahren nach § 495a ZPO darauf hin, dass es Bedenken bezüglich der Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten habe. Hierzu nahm die Beschwerdeführerin erneut ausführlich Stellung. Neben den bereits in der Antragsschrift gemachten Ausführungen trug sie insbesondere noch vor, dass die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24. Mai 1967 genannte Einschränkung der Erstattungsfähigkeit im Falle der Vorhersehbarkeit der Erfolglosigkeit vorliegend nicht gegeben sei, da der Beklagte im Vorfeld gegen die Hauptforderungen keine Einwendungen erhoben habe. Ferner wies sie das Gericht darauf hin, dass im Falle des Abweichens von den genannten obergerichtlichen Entscheidungen die Berufung zwingend zuzulassen sei.

5

4. Im angegriffenen Urteil gab das Amtsgericht der Beschwerdeführerin in der Hauptsache sowie der sonstig geltend gemachten Verzugsschäden recht, wies die Klage jedoch betreffend der geltend gemachten Inkassokosten ab. Hierzu führte es aus, dass die Einschaltung eines Inkassobüros regelmäßig gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB verstoße, da die Kosten, die hierdurch verursacht würden, vermeidbar seien. Anders als die Beauftragung eines Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege bedeute die Einschaltung eines Inkassounternehmens keine wirtschaftlich sinnvolle und rechtlich geschützte Wahrnehmung von Gläubigerrechten. Vielmehr würden lediglich eigene Mahnbemühungen kostenintensiv auf einen Dritten ausgelagert. Dass Mahnungen eines Inkassounternehmens zwar in mehr als der Hälfte der Fälle zum Erfolg führen, sei mangels besonderer Rechtskenntnisse und mangels eines nachhaltigen Druckmittels der Inkassounternehmen entweder darauf zurückzuführen, dass der Schuldner ohnehin auf nachträgliche mehrfache Mahnungen geleistet hätte oder dass der Schuldner aus irrationalen Gründen Mahnungen eines Inkassounternehmens eine größere Bedeutung als Mahnungen des Gläubigers selbst beimesse. Dies rechtfertige die Auferlegung der Inkassokosten nicht.

6

Die Berufung ließ das Amtsgericht entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, dass der Frage der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukomme, und im Übrigen ohne nähere Begründung nicht zu.

7

5. In ihrer Gehörsrüge wandte sich die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. April 2010 - 1 BvR 1991/09 - gegen die Nichtzulassung der Berufung. Die Zulassung der Berufung wäre zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten gewesen. Dass Inkassokosten als Verzugsschaden geltend gemacht werden können, habe die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der genannten Obergerichte bereits anerkannt. Das Amtsgericht sei hiervon abgewichen. Da diese Frage eine Vielzahl von Fällen betreffe, sei sie rechtserheblich.

8

Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss wies das Amtsgericht die Gehörsrüge zurück. Die Beschwerdeführerin habe Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Das Gericht habe lediglich anders als von der Klägerin gewünscht entschieden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei hierdurch nicht verletzt.

9

6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 sowie von Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

10

Das Amtsgericht hätte die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO zulassen müssen. Das Erfordernis der Einheitlichkeit der Rechtsprechung habe eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, da von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abgewichen worden sei, die als Rechtsfrage in einer Vielzahl von Fällen auftreten könne und damit von allgemeiner Bedeutung sei. Das Abweichen des Amtsgerichts von der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei auch nicht begründet worden. Mit der wiederholt angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe es sich nicht auseinandergesetzt. Indem es die Berufung nicht zugelassen habe, habe das Amtsgericht mithin gegen das Willkürverbot verstoßen. Für die Gewährung rechtlichen Gehörs sei es ferner nicht ausreichend, den Parteien Gelegenheit zum Vortrag zu geben. Der Vortrag der Parteien müsse vom Gericht auch hinreichend gewürdigt werden und in die Entscheidung einfließen.

11

7. Zu der Verfassungsbeschwerde wurde dem Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dieses sah von einer Stellungnahme ab. Auch der Beklagte im Ausgangsverfahren hatte Gelegenheit zur Äußerung.

II.

12

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, da dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. nur BVerfGE 74, 228 <234>; 96, 189 <203>; BVerfGK 11, 235 <237 ff.>; 12, 298 <300 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2010 - 1 BvR 1991/09 -, GRUR 2010, S. 1033). Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

1. Das angegriffene Urteil verstößt gegen die Rechtsschutzgarantie aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür.

14

a) Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung ist vorrangig das Rechtsstaatsprinzip, aus dem für bürgerlich rechtliche Streitigkeiten die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 54, 277 <291>; 80, 103 <107>; 85, 337 <345>, stRspr). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes beeinflusst die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Hat der Gesetzgeber sich für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 69, 381 <385>; 74, 228 <234>; 77, 275 <284>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar sind eine den Zugang zur Berufung erschwerende Auslegung und Anwendung des hier einschlägigen § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen sind, sich damit als objektiv willkürlich erweisen und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar einschränken (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 -, NJW 2009, S. 572 <573>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2010 - 1 BvR 1991/09 -, GRUR 2010, S. 1033). Von objektiver Willkür ist dabei insbesondere dann auszugehen, wenn das Gericht ohne Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder deren Inhalt bei Auslegung und Anwendung in krasser Weise missdeutet (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <13 f.>).

15

b) Dies ist hier bei der (unterlassenen) Anwendung des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO der Fall. Nach dieser Vorschrift lässt das Gericht des ersten Rechtszugs - bei Streitwerten bis 600 € - die Berufung zu, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Damit soll ausweislich der Gesetzesmaterialien vermieden werden, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 93, 104).

16

Diese Rechtslage hat das Amtsgericht verkannt. Die Kosten eines Inkassobüros können - wenngleich im Einzelnen manches umstritten ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2005 - VIII ZR 299/04 -, NJW 2005, S. 2991 <2994> m.w.N.) - nach vielfacher höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Mai 1967 - VIII ZR 278/64 -, juris; OLG München, Urteil vom 29. November 1974 - 19 U 3081/74 -, NJW 1975, S. 832; OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. Juni 1986 - 6 U 234/85 -, NJW-RR 1987, S. 15; OLG Frankfurt, Urteil vom 14. November 1989 - 11 U 14/89 -, NJW-RR 1990, S. 729; OLG Dresden, Urteil vom 4. April 1995 - 13 U 1515/93 -, NJW-RR 1996, S.1471; OLG Oldenburg, Urteil vom 24. April 2006 - 11 U 8/06 -, JurBüro 2006, S. 481; Unberath, in: Bamberger/Roth, BeckOK zum BGB, Stand: 1. Februar 2009, § 286 Rn. 74; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 286 Rn. 157 m.w.N.). Nach herrschender Meinung anerkannte Einschränkungen sind etwa, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten die alternativ bei Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten nicht übersteigen dürfen und dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht bereits von vornherein erkennbar zahlungsunwillig gewesen ist (vgl. Unberath, a.a.O., m.w.N.; Ernst, a.a.O., m.w.N.). Ersteres hat die Beschwerdeführerin in ihrem Klageantrag beachtet, zu letzterem hat sie in ihrem Sachvortrag schlüssig Stellung genommen. Trotz Hinweis auf entsprechende höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung seitens der Beschwerdeführerin hat das Amtsgericht, ohne sich in seinem Urteil erkennbar mit dieser auseinanderzusetzen, hiervon wesentlich abweichend entschieden, indem es die Bemühungen der Inkassounternehmen grundsätzlich als nicht zweckgerecht und damit regelmäßig als gegen die Schadensminderungspflicht verstoßend angesehen hat.

17

Diese - vorliegend auch entscheidungserhebliche - Rechtsfrage betrifft eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten. Die Beauftragung von Inkassounternehmen zur Forderungseinziehung ist gängige Praxis und führt in Einzelfällen, wie bereits die oben zitierten Fundstellen zeigen, immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Da das Amtsgericht mit seinen Entscheidungsgründen zu erkennen gegeben hat, grundsätzlich anders entscheiden zu wollen, besteht insofern auch eine Wiederholungsgefahr.

18

Es stand dem Amtsgericht zwar frei, so zu entscheiden, es hätte dann aber die Berufung zwingend zulassen müssen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2010 - 1 BvR 1991/09 -, GRUR 2010, S. 1034).

19

Dies hat das Gericht, ohne sich in seiner Begründung näher mit den Zulassungsvoraussetzungen des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO auseinanderzusetzen, nicht erkannt oder nicht erkennen wollen und damit insofern nach dargelegten Maßstäben willkürlich entschieden.

20

Besonders schwer wiegt insofern, dass das Amtsgericht seinen Fehler auch auf die Anhörungsrüge hin und unter in Kenntnissetzung einer Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleichgelagerten Fall (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2010 - 1 BvR 1991/09 -, GRUR 2010, S. 1034) trotz entsprechender Möglichkeit hierzu nicht korrigiert hat und insofern leichtfertig mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz umgegangen ist.

21

2. Nachdem das angegriffene Urteil jedenfalls die Rechtsschutzgarantie verletzt, bedarf die von der Beschwerdeführerin weiter erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs keiner Entscheidung.

22

3. Das Urteil des Amtsgerichts ist hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Der ebenfalls angegriffene Beschluss wird damit gegenstandslos.

23

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

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Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert 600 Euro nicht übersteigt. Auf Antrag muss mündlich verhandelt werden.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 299/04 Verkündet am:
29. Juni 2005
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 27. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert
, die Richter Dr. Beyer, Dr. Wolst und Dr. Frellesen sowie die Richterin Hermanns

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 21. September 2004 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 5. März 2004 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die 77 Jahre alte Klägerin erhielt im Jahr 2001 von den Unternehmen A. Versand und L. -Versand wiederholt Werbeschreiben und Bestellangebote für Haushaltsgegenstände und ähnliches, die mit Gewinnzusagen verbunden waren. In der Hoffnung auf die versprochenen Gewinne bestellte die Klägerin in sechs Fällen Waren zu Preisen bis zu 24,28 €, die am 10. August 2001, 17. August 2001, 1. September 2001, 2. September 2001, 3. September
2001 und 22. September 2001 ausgeliefert wurden. Gewinne wurden nicht ausgezahlt. Die Versender traten ihre Kaufpreisansprüche gegen die Klägerin an die Beklagte ab. Da die Klägerin nicht zahlte, schaltete die Beklagte zunächst die U. Inkasso GmbH ein. Der Geschäftsführer dieses Inkassobüros ist gleichzeitig Geschäftsführer der Beklagten. Am 21. Mai 2002 und am 24. Mai 2002 ließ sie durch einen Rechtsanwalt die Klägerin jeweils drei mit Anerkenntnis und Antrag auf Ratenzahlung überschriebene Schriftstücke unterzeichnen, in denen diese anerkannte, der Beklagten Beträge zwischen 137,40 € und 149,68 € zuzüglich 13,25 % Zinsen auf die jeweilige Hauptforderung ab dem 4. Juni 2002 zu schulden, und zugleich jeweils monatliche Ratenzahlungen von 15 € beantragte. Nach vorangegangenen Mahnverfahren erwirkte die Beklagte im Zeitraum zwischen dem 3. September 2002 und dem 16. Oktober 2002 sechs Vollstreckungsbescheide über Beträge von 190,98 € bis 207,03 €, in denen als Hauptforderungen die vorgenannten Schuldanerkenntnisse aufgeführt sind. Die Forderungen setzen sich im wesentlichen aus Inkasso- und Mahnkosten zusammen. Die Vollstreckungsbescheide sind rechtskräftig geworden, weil die Klägerin keine Rechtsbehelfe ergriffen hat. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten die Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden sowie deren Herausgabe. Hilfsweise hat sie die Aufrechnung mit einem Anspruch aus einem Gewinnversprechen von November 2002 über 6.500 € erklärt und beantragt, die Vollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden für unzulässig zu erklären.
Das Amtsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe gemäß § 826 BGB ein Schadensersatzanspruch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden und auf deren Herausgabe zu. Es sei ein besonders schwerwiegender Ausnahmefall zu bejahen, der die Durchbrechung der Rechtskraft rechtfertige. Voraussetzung dafür, daß der Gläubigerin zuzumuten sei, die ihr unverdient zugefallene Rechtsposition aufzugeben, seien die materielle Unrichtigkeit des rechtskräftigen Vollstreckungsbescheids, die Kenntnis der Vollstreckungsgläubigerin davon sowie eine sittenwidrige Ausnutzung des Vollstreckungstitels. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Das Berufungsgericht hat Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils, worin es heißt: Die Vollstreckungsbescheide seien materiellrechtlich unrichtig, weil der Beklagten aus den Schuldanerkenntnissen keine Zahlungsansprüche gegen die Klägerin zustünden. Die Klägerin erhebe zu Recht den Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung. Auch wenn es sich um selbständige Schuldanerkenntnisse handeln sollte, hätten diese den Zweck, eine dem Grunde nach bestehende Schuld zu sichern. Eine solche sei nicht
entstanden, denn die Hauptforderungen gründeten sich auf nach § 138 BGB sittenwidrige und damit nichtige Rechtsgeschäfte. Die Klägerin sei in sittenwidriger Weise zu ihren Bestellungen veranlaßt worden. Sie habe diese ausschließlich und gerade auf Grund von Geldgewinnzusagen getätigt, die ihr gegenüber abgegeben und nicht ausgezahlt worden seien. Die Geschäftspraktik der Zedentinnen - in Kombination mit den nicht erfüllten Gewinnversprechen - verstoße gegen das Rechtsempfinden aller billig und gerecht Denkenden und sei damit sittenwidrig. Es seien dadurch die Unerfahrenheit , das mangelnde Urteilsvermögen und eine erhebliche Willensschwäche der Klägerin ausgenutzt worden. Die Zedentinnen wendeten sich in ihrer Geschäftspraktik gerade an ältere, rechtlich und geschäftlich unerfahrene Personen. Das folge aus dem von ihnen angebotenen Sortiment (Kaffeeservice im "Stiefmütterchen Design", Tortenringe, Zwiebelschneider, Tischdecken, Hammerzehschützer , Wärme-Kältekissen, Massagegeräte und ähnliches), das herkömmlicher Weise gerade bei diesen Menschen Bestellungen herausfordere. Entscheidend sei die Tatsache, daß es hier im Zuge der Gewinnzusagen nicht bei einer einmaligen Aufforderung geblieben sei, eine Bestellung abzugeben , sondern es von seiten der Zedentinnen ein wiederholtes Nachhaken und Drängen auf Abgabe einer Bestellung gegeben habe, um den Gewinn "endlich" auszahlen zu können. Dadurch hätten diese die geschäftliche Unerfahrenheit der Klägerin und ihre eigene wirtschaftliche und intellektuelle Übermacht mißbraucht. Auch wenn sie die Unerfahrenheit und das Alter der Klägerin nicht gekannt hätten, hätten sie bewußt deren schwächere Lage zum eigenen Vorteil ausgenutzt, weil sie sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hätten, daß sich die Klägerin nur wegen ihrer schwächeren Lage auf die ungünstigen Verträge eingelassen habe. Sie hätten davon ausgehen müssen, daß es durch das wiederholte Zurückhalten des Gewinns keine echte Entscheidungsfreiheit
der anderen Seite gegeben habe. Es sei unschwer zu erkennen, daß es der Klägerin bei den wiederholt aufgegebenen Bestellungen letztlich nicht darum gegangen sei, die bezeichneten Gegenstände zu erwerben, sondern die versprochenen Gewinne ausgezahlt zu bekommen, und daß so nur ein geschäftlich unerfahrener, besonders schutzbedürftiger Kunde handele. Im Hinblick auf das mehrmalige Nachhaken - zudem in mehreren Fällen - spreche sogar eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung. Stets sei in den Schreiben der Zedentinnen davon die Rede, daß mit der "Bargeldzuweisung" und der "Lieferanweisung" der Bestellschein möglichst rasch zurückgeschickt werden möge, erst dann stünde der Auszahlung "wirklich nichts mehr im Wege". Auch die Formulierung "Kann es sein, daß bei der Zusendung Ihrer Gewinnanforderung die Bestellung fehlt? Weil ich sie als Gewinner ganz persönlich betreue, möchte ich schon sichergehen, daß auch in der Bestellabwicklung alles stimmt", belege die sittenwidrige Typik des Vorgehens. Angesichts des Eindrucks, den das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gewonnen habe, könne nicht angenommen werden , die Klägerin habe damit rechnen müssen, daß der dem Schuldanerkenntnis zugrunde liegende Kaufvertrag nach § 138 BGB als nichtig zu beurteilen sei. Nur dann aber könnten die Schuldanerkenntnisse nicht der Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung unterliegen. Der Beklagten sei als Titelgläubigerin die Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels bekannt gewesen. Es reiche aus, wenn dem Gläubiger diese Kenntnis während des Rechtsstreits über den Anspruch aus § 826 BGB vermittelt werde. Schließlich lägen auch die besonderen Umstände vor, die es verlangten , daß die Beklagte die von ihr erlangten Rechtspositionen aufgebe. Sie habe Forderungsinkasso und Mahnverfahren bewußt dazu mißbraucht, um für ihr nicht zustehende Ansprüche Vollstreckungstitel zu erlangen. Bei Wahl des
Klageverfahrens wäre die Beklagte, wie sie hätte erkennen müssen, mit ihrem Anspruch schon deshalb gescheitert, weil die gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung die Sittenwidrigkeit der zugrunde liegenden Bestellungen offenbart hätte. Die Klägerin habe aus Unerfahrenheit und Ungewandtheit die Vollstreckungsbescheide rechtskräftig werden lassen. Ihr seien die Vielzahl der Schreiben der Beklagten und der Zedentinnen schlicht über den Kopf gewachsen. Sie habe auch gar nicht mehr überblicken können, worüber sich die Schuldanerkenntnisse verhielten. Die materiellen Ansprüche der einzelnen Warenbestellungen seien in dem von der Beklagten gewählten Verfahren geradezu verschleiert worden. Die Mahnverfahren seien nicht auf Ansprüche aus Warenlieferungen, sondern auf Ansprüche aus Schuldanerkenntnissen gestützt worden. Bereits daraus könne ein Schluß auf die fehlende Gutgläubigkeit der Beklagten gezogen werden. Insgesamt weise damit auch die Durchsetzung der Forderung eine sittenwidrige Typik auf und berühre ein besonderes Schutzbedürfnis der Klägerin, weswegen das Vorgehen aus den Titeln das Rechtsgefühl in schlechthin unerträglicher Weise verletzen würde. In Ergänzung dieser Erwägungen des Amtsgerichts hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Sittenwidrigkeit der Anerkenntnisse folge zum einen aus dem Umstand, daß die Hauptforderungen der Zedentinnen sittenwidrig und somit nichtig gewesen seien. Außerdem seien die Anerkenntnisse der Klägerin in sittenwidriger Weise erlangt. Die Art und Weise ihres Zustandekommens benachteilige die Klägerin unter Würdigung des Gesamtcharakters des Rechtsgeschäfts in unangemessener Weise. Sie seien der Klägerin als "Antrag auf Ratenzahlung und Anerkenntnis" übersandt worden. Eine geschäftlich unerfahrene Person sehe darin in erster Linie die Möglichkeit, Verbindlichkeiten in überschaubaren Beträgen zurückzuzahlen. Daß darüber hinaus auch das Bestehen einer Schuld dadurch bestätigt werde, sei für die Klägerin als geschäftlich unerfahrene Person nicht erkennbar gewesen. Zudem hätten die Anerkenntnis-
se lediglich die Angabe einer Summe aus Hauptforderung und Inkassogebühren der Beklagten enthalten; für die Klägerin sei nicht erkennbar gewesen, wie sich die Summe zusammengesetzt und welche einzelnen Forderungen sie anerkannt habe.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. A. Die Revision rügt allerdings vergeblich, das Berufungsurteil enthalte keine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO genügende Begründung. Danach bedarf es einer kurzen Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht. Auch eine reine Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ist jedenfalls dann erlaubt, wenn dadurch das zulässige Berufungsvorbringen erschöpft wird (Musielak /Ball, ZPO, 4. Aufl., § 540 Rdnr. 7; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 540 Rdnr. 13). Das Berufungsgericht muß sich mit den Berufungsgründen nur auseinandersetzen, soweit dies zur Begründung der getroffenen Entscheidung erforderlich ist (Musielak/Ball, aaO). Dafür war es hier aus der Sicht des Berufungsgerichts entgegen der Auffassung der Revision nicht geboten, im einzelnen auf die Angriffe der Berufung gegen die Feststellungen des Amtsgerichts zur Sittenwidrigkeit der Kaufverträge einzugehen. Denn das Berufungsgericht hat sich nicht nur den Gründen des erstinstanzlichen Urteils angeschlossen, sondern es hat daneben - als weitere und selbständige Begründung seines Urteils - die Auffassung vertreten, die Vollstreckungsbescheide seien materiell
unrichtig, weil die Beklagte (auch) die Schuldanerkenntnisse, auf die sie gestützt seien, in sittenwidriger Weise erlangt habe. B. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden und auf Herausgabe der Vollstreckungstitel angenommen. 1. Zutreffend ist allerdings die Auffassung der Vorinstanzen, die Vollstreckungsbescheide seien materiell unrichtig.
a) Die von der Beklagten mit den Zedentinnen geschlossenen Kaufverträge hat das Amtsgericht, dessen Würdigung sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, zu Recht gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit als nichtig angesehen. Diese Einwendung muß sich gemäß § 404 BGB auch die Beklagte entgegen halten lassen. aa) Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGHZ 146, 298, 301; 107, 92, 97; 86, 82, 88). Hierbei ist weder das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt; dem steht es gleich, wenn sich jemand bewußt oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (BGHZ 146, 298, 301; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1997 - V ZR 74/96, WM 1998, 513 = NJW-RR 1998, 590, unter II, m.w.Nachw.). Zu berücksichtigen ist nicht nur der objektive Gehalt des Geschäftes, sondern es sind auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, sowie die Absicht und die Motive der Parteien in die Würdigung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1997, aaO). Liegt dem Vertrags-
schluß eine arglistige Täuschung - wie hier über die zu erwartenden Geldgewinne - zugrunde, müssen zudem besondere Umstände zu der durch arglistige Täuschung bewirkten Willensbeeinflussung hinzukommen, die das Geschäft nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen, damit § 138 Abs. 1 BGB neben § 123 BGB anwendbar ist (BGH, Urteil vom 26. September 1995 - XI ZR 159/94, WM 1995, 1950 = NJW 1995, 3315, unter II 1 b; Urteil vom 23. Februar 1995 - IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425 = WM 1995, 1064, unter II 2 d bb; vgl. auch Urteil vom 4. Juli 2002 - IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774 = WM 2003, 89, unter I 2, zur widerrechtlichen Drohung). bb) Solche Umstände hat das Amtsgericht, dessen Begründung sich das Berufungsgericht zu eigen gemacht hat, rechtsfehlerfrei festgestellt. Es hat neben den nicht erfüllten Gewinnversprechen insbesondere die allgemeine Geschäftspraktik der Zedentinnen als gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden angesehen. Seine Feststellung, die Zedentinnen wendeten sich gezielt an ältere, rechtlich und geschäftlich unerfahrene Personen, wie hier die Klägerin, ist entgegen der Ansicht der Revision aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch wenn das von den Zedentinnen angebotene Warensortiment Produkte enthalten mag, die in nahezu jedem Haushalt Verwendung finden können, ist nicht zu erwarten, daß sich eine rechtlich und geschäftlich erfahrene Person, unabhängig von ihrem Alter, durch Gewinnzusagen, wie sie die Zedentinnen erteilt haben, dazu verleiten läßt, derartige Produkte überhaupt oder (wegen der Gewinnzusagen) gerade bei den Zedentinnen zu erwerben. Bei den von der Klägerin abgeschlossenen Kaufverträgen handelt es sich zwar im einzelnen um einfache und überschaubare Geschäfte des täglichen Lebens, deren Bewältigung regelmäßig keine nennenswerten Erfahrungen im Rechtsund Geschäftsleben voraussetzt. Ihre Entscheidungsfreiheit und ihre Fähigkeit zur unvoreingenommenen Beurteilung der Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit der angebotenen Vertragsschlüsse wurden jedoch, wie das Amtsgericht zutref-
fend in den Vordergrund stellt, seitens der Zedentinnen systematisch dadurch geschwächt, daß sie der Klägerin innerhalb kurzer Zeiträume eine Vielzahl von Gewinnzusagen in beträchtlicher Höhe zusandten, deren Erfüllung sie von Bestellungen abhängig machten. Entgegen der Auffassung der Revision steht einer Berücksichtigung der zahlreichen Gewinnzusagen bei der Würdigung des Verhaltens der Zedentinnen als sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB nicht die Vorschrift des § 661a BGB entgegen. Daß der Gesetzgeber damit dem Verbraucher, der eine Gewinnzusage erhält, einen Anspruch auf Leistung des Preises eingeräumt hat, läßt nicht den Schluß zu, nach seinem Willen könnten solche Gewinnversprechen nicht (auch) die Nichtigkeit eines mit ihrer Hilfe herbeigeführten Rechtsgeschäfts zur Folge haben. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs hat der Gesetzgeber mit der Regelung das Ziel verfolgt, die Praxis, dem Verbraucher durch Gewinnzusagen Waren aufzudrängen, mit denen er sich nicht befassen möchte, schon im Ansatz zu unterbinden (BT-Drucks. 14/2658, S. 48 f.; BTDrucks. 14/2920, S. 15). Dieses Regelungsziel schließt es nicht aus, für den Fall seiner Verfehlung Art und Weise der Erteilung der Gewinnzusage und des damit verbundenen Einwirkens auf die Entschließungsfreiheit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig anzusehen. Schließlich hat das Amtsgericht für sein Sittenwidrigkeitsurteil rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, daß es seitens der Zedentinnen nicht bei einer einmaligen Aufforderung, eine Bestellung abzugeben, geblieben ist, sondern es ein wiederholtes Drängen auf Abgabe einer Bestellung gegeben hat, um den Gewinn "endlich" auszahlen zu können. Die von der Beklagten in der Berufung erhobene und von der Revision in Bezug genommene Rüge (§ 286 ZPO), dem Vorbringen der Klägerin könne ein solches wiederholtes Drängen, das letztlich ursächlich für tatsächlich erfolgte Bestellungen der Klägerin geworden sei, nicht
entnommen werden, hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO). Die geschilderte Geschäftspraktik der Zedentinnen hat das Amtsgericht zu Recht als mit den guten Sitten nicht vereinbar angesehen. Sie war darauf angelegt, unter bewußter Ausnutzung der rechtlichen und geschäftlichen Unerfahrenheit der angesprochenen Personen diese, wie die Klägerin, durch eine massive Häufung von Gewinnzusagen und wiederholte Appelle, dabei - einschließlich der Bestellungen - auch alles "richtig" zu machen, zum Kauf von Gegenständen zu verleiten, die sie sonst nicht erworben hätten.
b) Aus der Nichtigkeit der Kaufverträge folgt, daß die hier streitigen Vollstreckungsbescheide auch im Hinblick auf die darin enthaltenen Mahn- und Inkassokosten materiell unrichtig sind, weil Mahn- und Inkassokosten von der Klägerin nur als Schadensersatz gemäß § 286 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (jetzt §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB) wegen Verzuges mit der Erfüllung der Kaufpreisforderung geschuldet sein könnten.
c) Zutreffend haben die Vorinstanzen schließlich angenommen, daß die Vollstreckungsbescheide nicht wegen der von der Klägerin abgegebenen Schuldanerkenntnisse materiell richtig sind. Dabei kommt es weder darauf an, ob - wie das Berufungsgericht meint - die Schuldanerkenntnisse als solche in sittenwidriger Weise erlangt und deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, noch darauf, ob es sich um deklaratorische oder konstitutive Schuldanerkenntnisse handelt. aa) Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist nicht nur nichtig, soweit es selbst gegen die guten Sitten verstößt, sondern grundsätzlich auch, soweit es sich auf ein sittenwidriges Ausgangsverhältnis bezieht und die Nichtigkeits-
gründe bei seiner Abgabe noch fortbestehen (BGHZ 104, 18, 24). Das war hier der Fall, weil die Wirkung des sittenwidrigen Verhaltens der Zedentinnen im Zeitpunkt der Abgabe der Anerkenntnisse durch die Klägerin noch andauerte. Auf die Kenntnis der Klägerin von den tatsächlichen Umständen, die das Unwerturteil begründen und die ihr auch schon bei Abschluß der Kaufverträge bekannt waren, kommt es bei einer derartigen Fallgestaltung nicht an (BGHZ 104, 18, 25). bb) Als selbständige, konstitutive Schuldanerkenntnisse unterliegen die von der Klägerin abgegebenen Anerkenntnisse jedenfalls der Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Abs. 2 BGB. Ihrer Geltendmachung durch die Beklagte steht und stand deshalb schon bei Erlaß der Vollstreckungsbescheide der von Amts wegen zu beachtende (BGHZ 37, 147, 152) Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen, weil die Beklagte das aufgrund der Anerkenntnisse Erlangte alsbald gemäß §§ 812, 818 Abs. 1 BGB an die Klägerin zurückzugewähren hätte (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Der allgemeine Arglisteinwand des § 242 BGB wird durch die Bereicherungseinrede des § 821 BGB, die von dem Berechtigten geltend gemacht werden muß (BGH, Urteil vom 16. April 1991 - XI ZR 68/90, WM 1991, 1152 = NJW 1991, 2140, unter II 3 a; Urteil vom 30. November 1998 - II ZR 238/97, NJW-RR 1999, 573, unter III), nicht ausgeschlossen (Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 821 Rdnr. 2 a. E.). Das Amtsgericht, auf dessen Begründung das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Klägerin die Verpflichtungen aus den Anerkenntnissen zum Zwecke der Sicherung der Forderungen aus den Kaufverträgen bzw. erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) übernommen hat. Ein solches Anerkenntnis ist grundsätzlich kondizierbar, wenn die gesicherte Forderung, wie hier, nicht oder nicht mehr besteht (BGH, Urteil
vom 16. April 1991, aaO, unter II 3 b; Urteil vom 30. November 1998, aaO; Urteil vom 18. Mai 2000 - IX ZR 43/99, NJW 2000, 2501 = WM 2000, 1806, unter I

1).

Ein Bereicherungsanspruch kommt lediglich dann nicht in Betracht, wenn die Parteien mit dem Anerkenntnisvertrag einen Streit oder eine Unsicherheit über den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses beenden und ohne Rücksicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des anerkannten Anspruchs eine klare Rechtslage schaffen wollten (Urteil vom 18. Mai 2000, aaO). Entgegen der Rüge der Revision haben die Vorinstanzen eine solche Unsicherheit jedenfalls auf seiten der Klägerin, - rechtsfehlerfrei - verneint. 2. Über die danach gegebene materielle Unrichtigkeit der Vollstreckungsbescheide hinaus setzt jedoch ein Anspruch aus § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe der Titel das Hinzutreten besonderer Umstände voraus, die sich aus der Art und Weise der Titelerlangung oder der beabsichtigten Vollstreckung ergeben und die das Vorgehen des Gläubigers als sittenwidrig prägen, so daß letzterem zugemutet werden muß, die ihm unverdient zugefallene Rechtsposition aufzugeben. Solche Umstände haben das Amtsgericht und ihm folgend das Berufungsgericht zu Unrecht bejaht. Die Durchbrechung der Rechtskraft eines Vollstreckungstitels, auch eines Vollstreckungsbescheides, auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB darf - wie im Ansatz auch die Vorinstanzen nicht verkannt haben - nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen gewährt werden, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt und die Rechtssicherheit beeinträchtigt würden. Die Rechtskraft muß nur dann zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, daß
der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Mißachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt (st. Rspr.: BGH, Urteil vom 9. Februar 1999 - VI ZR 9/98, NJW 1999, 1257 = WM 1999, 919, unter II B 1; Urteil vom 30. Juni 1998 - VI ZR 160/97, WM 1998, 1950 = NJW 1998, 2818, unter II 1; BGHZ 112, 54, 58 f.; 103, 44, 46 f.; 101, 380, 383 ff.).
a) Das kann der Fall sein, wenn der Gläubiger das Mahnverfahren bewußt mißbraucht, um für einen ihm nicht zustehenden Anspruch einen Vollstreckungstitel zu erlangen (Urteil vom 9. Februar 1999, aaO, unter II B 2 b aa; Urteil vom 30. Juni 1998, aaO, unter II 2 b aa). Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt jedoch den vom Amtsgericht angenommenen bewußten Mißbrauch des Mahnverfahrens durch die Beklagte nicht. Das Amtsgericht folgert diesen aus dem Umstand, daß die Beklagte, wie diese hätte erkennen müssen, bei Wahl des Klageverfahrens mit ihrem Anspruch schon deshalb gescheitert wäre, weil die gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung die Sittenwidrigkeit der zugrunde liegenden Bestellungen offenbart hätte. Diese Annahme trifft, wie die Revision zu Recht rügt, nicht zu, so daß offenbleiben kann, ob sie den Schluß auf einen bewußten Mißbrauch des Mahnverfahrens rechtfertigen könnte. Die Beklagte hätte zur Begründung einer Klageforderung lediglich vortragen müssen, daß und mit welchem Inhalt zwischen den Zedentinnen und der Klägerin Kaufverträge geschlossen worden sind. Der Inhalt dieser Verträge ist nach den tatrichterlichen Feststellungen für sich genommen nicht zu beanstanden ; dies gilt erst recht für die Schuldanerkenntnisse. Die sittenwidrigen Geschäftspraktiken der Zedentinnen, die zu den Bestellungen der Klägerin geführt haben, sind allein aufgrund der geschlossenen Verträge nicht zu erkennen; daß sie den Bestellscheinen zu entnehmen gewesen wären, hat die Klägerin nicht behauptet. Auch daß die Geschäftspraktiken - etwa aufgrund der vom Amtsgericht angeführten Kampagne der Verbraucherzentrale Mecklenburg-
Vorpommern - offenkundig im Sinne von § 291 ZPO gewesen wären, ist nicht festgestellt und auch nicht dargetan. Der Anspruch der Beklagten hätte deshalb einer Schlüssigkeitsprüfung, wie sie für den Erlaß eines Versäumnisurteils nach § 331 ZPO geboten ist, stand gehalten. Andere Anhaltspunkte für einen bewußten Mißbrauch des Mahnverfahrens durch die Beklagte sind nicht ersichtlich. Sie hat - wie die Revision zu Recht geltend macht - in den Tatsacheninstanzen stets bestritten, die Umstände , die dem Sittenwidrigkeitsurteil bezüglich der Forderungen der Zedentinnen zugrunde liegen, bereits bei Beantragung der Mahn- und Vollstreckungsbescheide gekannt zu haben, und hat vorgetragen, sie sei mit den Unternehmen A. GmbH und L. -Versand weder persönlich verbunden noch wirtschaftlich an diesen beteiligt; vielmehr betreibe sie reines Forderungsfactoring , indem sie von diversen Versandhäusern und Verlagen fällige, unbestrittene und kaufmännisch angemahnte Forderungen erwerbe, ohne dabei Kenntnis davon zu erlangen, in welcher Weise die zugrundeliegenden Verträge im Einzelfall beworben würden. Dem ist die Klägerin, die die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 826 BGB trägt (Zöller /Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., vor § 322 Rdnr. 74), nicht mit einem unter Beweis gestellten abweichenden Sachvortrag entgegen getreten; entsprechendes wird auch von der Revisionserwiderung nicht aufgezeigt.
b) Der Fall weist auch keine sonstigen Merkmale typisch sittenwidriger Fallgestaltungen auf, wie sie in der Rechtsprechung etwa bei der Fallgruppe der Ausnutzung des Mahnverfahrens im Rahmen von Ratenkreditverträgen mit unerfahrenen Darlehensnehmern herausgearbeitet worden sind. Grundvoraussetzungen für eine Durchbrechung der Rechtskraft ist in diesen Fällen, daß der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid für eine - auch aus seiner Sicht - erkennbar unschlüssige Forderung erwirkt hat (BGH, Urteil vom 9. Februar 1999,
aaO, unter II B 2 b bb (a); Urteil vom 4. Mai 1993 - XI ZR 9/93, WM 1993, 1324 = NJW-RR 1993, 1013, unter II 3 a). Schon daran fehlt es hier, wie hinsichtlich der Hauptforderung oben bereits ausgeführt. Ob auch die von der Beklagten im Mahnverfahren geltend gemachten, die geringen Hauptforderungen der Höhe nach um ein Vielfaches übersteigenden Ansprüche auf Inkasso- und Rechtsverfolgungskosten einer Schlüssigkeitsprüfung stand gehalten hätten, kann dahinstehen. Denn die Erstattungsfähigkeit von Mahn- und Inkassokosten ist in Rechtsprechung und Schrifttum stark umstritten. Insbesondere ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe der Schuldner für Kosten einzustehen hat, die wie hier durch die Einschaltung eines Inkassobüros entstanden sind, ist bisher nicht abschließend geklärt (vgl. Seitz in Inkasso-Handbuch, 3. Aufl., Rdnr. 639 ff.; MünchKomm /Thode, BGB, 4. Aufl., § 286 Rdnr. 22; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 286 Rdnr. 49; Staudinger/Löwisch, BGB (2004), § 286 Rdnr. 216 ff., jeweils m.w.Nachw.). Der Senat hat in einer Entscheidung vom 24. Mai 1967 (VIII ZR 278/64, unter II) die einem Gläubiger durch den Auftrag zur Einziehung einer Forderung bei einem Inkassobüro entstandenen Kosten als möglichen Verzugsschaden angesehen, der grundsätzlich gemäß § 286 BGB zu ersetzen ist, und lediglich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB die Frage aufgeworfen, ob der Gläubiger eine Erfolglosigkeit der Bemühungen des Inkassobüros voraussehen konnte. Vor diesem Hintergrund wäre die Annahme, die Beklagte hätte bei ihren Anträgen auf Erlaß der Vollstreckungsbescheide jedenfalls erkennen können und müssen, daß ihre Ansprüche auf Mahn- und Inkassokosten zumindest teilweise schon in einer Schlüssigkeitsprüfung scheitern würden, selbst dann nicht gerechtfertigt , wenn dies tatsächlich der Fall ist.
Der Beklagten kann deshalb auch nicht als ein besonderer, ihr Vorgehen bei der Durchsetzung ihrer Gesamtforderungen als sittenwidrig prägender Umstand vorgeworfen werden, sie habe eine etwaige gerichtliche Sachprüfung, sei es hinsichtlich der Hauptforderungen, sei es hinsichtlich Mahn- und Inkassokosten von vornherein dadurch umgangen, daß sie die Klägerin Schuldanerkenntnisse habe unterzeichnen lassen und ihre Anträge auf Erlaß der Mahn- und Vollstreckungsbescheide auf diese Schuldanerkenntnisse gestützt habe.
c) Nach alledem fehlt es - selbst wenn man von einem besonderen Schutzbedürfnis der Klägerin als einer geschäftlich und wirtschaftlich unerfahrenen Person ausgeht, die nach den tatrichterlichen Feststellungen mit der Vielzahl der von der Beklagten veranlaßten Mahnungen, Anerkenntnisse, Teilzahlungsabreden und schließlich Mahn- und Vollstreckungsbescheide in der Abwicklung, wenn auch möglicherweise nicht in finanzieller Hinsicht, überfordert war - auf seiten der Beklagten, die lediglich Zessionarin der geltend gemachten Forderungen aus den sittenwidrigen Kaufverträgen ist, an den erforderlichen - nachweisbaren - besonderen Umständen, die es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar erscheinen ließen, daß sie als Titelgläubigerin ihre formelle Rechtsstellung unter Mißachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten der Klägerin ausnutzt. Die Rechtssicherheit gebietet es, eine Durchbrechung der Rechtskraft auch bei einem unrichtigen Titel - wie ausgeführt - nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen zuzulassen. Die von den Vorinstanzen festgestellten Umstände bei der Durchsetzung der Forderungen durch die Beklagte reichen dafür ihrer Art und ihrer Bedeutung nach nicht aus.

III.

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden und auf Herausgabe der Titel gerichtete Hauptantrag der Beklagten ist nach dem oben (unter II) Ausgeführten als unbegründet abzuweisen. Unbegründet und mithin abzuweisen ist auch der Hilfsantrag der Klägerin , die Vollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden für unzulässig zu erklären. Die Klägerin hat die damit erhobene Vollstreckungsabwehrklage aus § 767 ZPO auf ein von der Beklagten im November 2002 abgegebenes Gewinnversprechen über 6500 € gestützt, das gemäß § 661a BGB einen Leistungsanspruch der Klägerin begründet habe, mit dem sie die Aufrechnung gegenüber den mit den Vollstreckungsbescheiden titulierten Forderungen erklärt hat. Diese Aufrechnung ist unzulässig. Denn der Vortrag der Klägerin zu einem Gewinnversprechen der Beklagten ist unschlüssig. Sie hat zur Begründung ein Schreiben von November 2002 vorgelegt, das nicht die Beklagte, sondern das Unternehmen A. Versand als Absender der Gewinnzusage ausweist. Nur diesem gegenüber kann sie deshalb nach § 661a BGB einen Zahlungsanspruch erworben haben; Absender einer Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB ist derjenige Unternehmer, den ein durchschnittlicher Verbraucher in der Lage des Empfängers einer Gewinnzusage als Versprechenden ansieht (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2004 - III ZR 158/04, NJW 2004, 3555, unter II 2 a). Für eine Aufrechnung fehlt es daher an der gemäß § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit der aufgerechneten For-
derungen. Die Klägerin kann mit einem erst im November 2002 gegenüber dem UnternehmenA. begründeten Anspruch aus § 661a BGB auch nicht gemäß § 406 BGB gegenüber der Beklagten aufrechnen, weil sie bei Erwerb des Anspruchs bereits wußte, daß das Unternehmen A. Gegen- die forderungen an die Beklagte abgetreten hatte.
Dr. Deppert Dr. Deppert Dr. Deppert für die wegen einer Dienstreise an der Unterzeichnung verhinderten Richter am Bundesgerichtshof Dr. Beyer und Dr. Wolst Karlsruhe, den 28.06.2005
Dr. Frellesen Hermanns

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.