Bundessozialgericht Beschluss, 19. Okt. 2011 - B 7 AL 79/11 B

bei uns veröffentlicht am19.10.2011

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Juni 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Dauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg).

2

Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde mit Wirkung zum 31.12.2005 aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Am 7.10.2005 stellte er einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III), der wegen einer in dem Zeitraum vom 29.8.2005 bis zum 28.2.2006 bestehenden Arbeitsunfähigkeit abgelehnt wurde (bestandskräftiger Bescheid vom 20.12.2005).

3

Eine erneute Arbeitslosmeldung erfolgte am 1.3.2006. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alg ab 1.3.2006 für eine Anspruchsdauer von 18 Monaten (Bescheid vom 6.4.2006; Widerspruchsbescheid vom 25.4.2006). Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.4.2007; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8.6.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Anspruch des Klägers auf Alg erst am 1.3.2006 entstanden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er bei der Beklagten vorgesprochen und sich arbeitslos gemeldet. Da seine zuvor bestehende Arbeitsunfähigkeit mit dem 28.2.2006 beendet gewesen sei, habe er den Vermittlungsbemühungen der Beklagten (erst) ab dem 1.3.2006 zur Verfügung gestanden. Zuvor sei er wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht arbeitslos gewesen. Die Übergangsregelung des § 434l Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), wonach der die Anspruchsdauer regelnde § 127 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (nur) für Personen gelte, deren Anspruch auf Alg bis zum 31.1.2006 entstanden sei, sei deshalb nicht anwendbar.

4

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Zu klären sei die Frage,

5
"ob der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld im Sinne vom § 434l Abs 1 SGB III bis zum 31. Januar 2006 entstanden ist und deshalb § 127 SGB III aF Anwendung findet".
6

Die vom LSG vertretene Auffassung sei nach dem Stand von Rechtsprechung und des Schrifttums noch nicht beantwortet. Entscheidend sei dabei, ob das Ruhen des Anspruchs seiner Entstehung iS des § 434l Abs 1 SGB III entgegenstehe. Die Außerachtlassung des Zeitpunkts des erworbenen Stammrechtes führe zu einem verfassungswidrigen Eingriff in grundsätzlich geschützte Positionen des Beschwerdeführers.

7

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

8

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung der Fragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin mindestens eine Rechtsfrage aufzeigen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

9

Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Dem Vortrag ist schon nicht deutlich zu entnehmen, welche Rechtsfrage sich stellt; die Frage "ob der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld bis zum 31. Januar 2006" entstanden ist, ist keine konkrete Rechtsfrage, sondern eine allgemein gehaltene, auf den Einzelfall bezogene Frage, die von den vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen abhängt. Soweit die Frage darauf zielt, ob der Entstehung des Anspruchs, das Ruhen entgegensteht oder ob es insoweit allein auf das Stammrecht ankommt, gibt der Kläger selbst an, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage bei Bezug von Krankengeld bereits beantwortet hat.

10

Selbst wenn dem Vortrag in Bezug auf die Übergangsregelung des § 434l SGB III eine entsprechende Rechtsfrage zu entnehmen sein sollte, wird jedenfalls nicht aufgezeigt, dass die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Im Streit ist die Anwendung der genannten Übergangsregelungen des SGB III. Der Auslegung einer Übergangsregelung kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nur für eine Übergangszeit Geltung hat. Dies gilt hier umso mehr, als § 127 SGB III in der ab 1.1.2008 maßgebenden Fassung eine Anspruchsdauer von bis zu 24 Monaten vorsieht. Soweit Übergangsregelungen betroffen sind, kann Klärungsbedürftigkeit deshalb nur bejaht werden, wenn noch eine größere Zahl von Rechtsstreitigkeiten betroffen sind, bei denen es ebenfalls um die Auslegung der Übergangsregelung geht. Ob der Vortrag, es sei "nicht auszuschließen", dass vergleichbare Fälle noch gerichtlich anhängig seien und "dass diese Rechtsfrage bei einer erneuten Gesetzesnovellierung wieder aberkannt" werde, hierfür genügt, bedarf keiner Entscheidung; denn es fehlt ohnedies an einer Darlegung der Klärungsfähigkeit (dazu später).

11

Soweit ein verfassungswidriger Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen geltend gemacht wird, reicht nicht der schlichte Hinweis auf die angeblich verletzte Rechtsnorm; vielmehr muss der Beschwerdeführer, wenn er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung des Gleichheitssatzes oder des Eigentums ableiten will, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin er die für eine Gleichbehandlung oder die für eine Verletzung des Eigentums wesentlichen Sachverhaltsmerkmale erblickt (vgl dazu nur Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 352 mwN). Daneben wäre auch eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats erforderlich gewesen, auf die das Urteil des LSG ausdrücklich verweist (Urteil vom 14.9.2010 - B 7 AL 23/09 R).

12

Schließlich genügen auch die Ausführungen zur Klärungsfähigkeit nicht den Anforderungen an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Zwar behauptet der Kläger, sein Anspruch auf Alg habe geruht; er hätte sich in diesem Zusammenhang aber zum einen damit auseinandersetzen müssen, welche Bedeutung insoweit der bestandskräftige Ablehnungsbescheid vom 20.12.2005 hat, der die Anspruchsvoraussetzungen abgelehnt hat. Zudem hätte der Kläger Ausführungen zur objektiven und subjektiven Verfügbarkeit machen müssen. War der Kläger wegen seiner Arbeitsunfähigkeit objektiv nicht verfügbar oder fehlte ihm die Bereitschaft, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen und auszuüben (subjektive Verfügbarkeit), konnte das Stammrecht unabhängig von einem Krankengeldbezug, der noch nicht einmal behauptet wird, schon nicht entstehen. Daneben kann dem Vortrag auch nicht entnommen werden, welche Anspruchsdauer bei Anwendung des § 127 aF gelten würde. Die Anspruchsdauer ist von der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der erweiterten Rahmenfrist abhängig. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag. Der Senat kann aus diesen Gründen schon nicht beurteilen, ob die aufgeworfene Rechtsfrage überhaupt entscheidungserheblich ist.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 169


Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfu

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 127 Teilnahmekosten für Maßnahmen


(1) Teilnahmekosten bestimmen sich nach den §§ 49, 64, 73 und 74 des Neunten Buches. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei anderweit

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
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bei uns veröffentlicht am 21.12.2011

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Juni 2011 wird als unzulässig verworfen.

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(1) Teilnahmekosten bestimmen sich nach den §§ 49, 64, 73 und 74 des Neunten Buches. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei anderweitiger auswärtiger Unterbringung.

(2) Die Teilnahmekosten nach Absatz 1 können Aufwendungen für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während der und im Anschluss an die Maßnahme einschließen.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Teilnahmekosten bestimmen sich nach den §§ 49, 64, 73 und 74 des Neunten Buches. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei anderweitiger auswärtiger Unterbringung.

(2) Die Teilnahmekosten nach Absatz 1 können Aufwendungen für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während der und im Anschluss an die Maßnahme einschließen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg).

2

Der im April 1949 geborene Kläger war von 1964 bis November 2006 beschäftigt. Die Beklagte bewilligte ihm (Bescheid vom 16.11.2006; Änderungsbescheid vom 27.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 28.2.2007) antragsgemäß ab 19.12.2006 Alg für die Dauer von zunächst 18 Monaten nach der ab 1.2.2006 geltenden Fassung des § 127 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III); während des Berufungsverfahrens verfügte sie aufgrund des mit Wirkung zum 1.1.2008 eingefügten § 434r SGB III die Verlängerung der Alg-Anspruchsdauer um sechs auf nunmehr 24 Monate(Änderungsbescheid vom 28.2.2008).

3

Die zuvor mit dem Ziel erhobene Klage, Alg für die Dauer von insgesamt 32 Monaten nach der früheren Normfassung des § 127 SGB III (vor Rechtsänderung) zu erhalten, ist erst- und zweitinstanzlich erfolglos geblieben(Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5.12.2007; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1.10.2008). Das LSG hat zwar angenommen, das auf Beitragszahlungen beruhende Anwartschaftsrecht auf Alg umfasse die Dauer des möglichen Anspruchs und unterfalle auch insoweit dem Eigentumsschutz des Art 14 Grundgesetz (GG). Es hat aber einen Grundrechtsverstoß durch Kürzung des Alg-Anspruchs ebenso verneint wie eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, weil die in der Kürzung der Anspruchsdauer liegende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums unter Berücksichtigung des in 434l Abs 1 SGB III geregelten Übergangsrechts (Anwendung des alten Rechts für vor dem 1.2.2006 entstehende Ansprüche) nicht zu beanstanden sei. Durch § 434r SGB III sei die Kürzung der Anspruchsdauer für ältere Versicherte zudem in zumutbarer Weise abgemildert worden.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Die Verkürzung der Anspruchshöchstdauer für ältere Arbeitslose von ursprünglich 32 auf 18 Monate durch § 127 Abs 2 SGB III sei verfassungswidrig. Diese Kürzung werde durch die über § 434r Abs 1 SGB III vorgenommene Verlängerung des Alg-Anspruchs nicht vollständig ausgeglichen. Die Kürzung der Bezugsdauer sei ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das über Art 14 GG geschützte Anwartschaftsrecht, weil der angestrebte Zweck - die Verhinderung der Frühverrentungspolitik der Unternehmen - auf schonendere Weise durch eine Verschärfung der Arbeitgebererstattungspflicht des § 147a SGB III hätte erreicht werden können. Das Fehlen einer Übergangsregelung für das Anwartschaftsrecht (Stichtagsregelung: Anspruchsentstehung vor bzw ab 1.2.2006) verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zudem sei die Verkürzung der Anspruchsdauer unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz nicht mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG sowie den Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 28. Februar 2008 zu verurteilen, ihm für weitere 240 Kalendertage Arbeitslosengeld zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Recht die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur, ob der Kläger einen zusätzlichen Alg-Anspruch über 240 Kalendertage (= acht Monate, vgl § 339 SGB III) hat. Zwar hat das LSG auch über die Höhe des Anspruchs auf Alg entschieden. Ob dies zu Recht geschehen ist, kann dahinstehen; in der Revisionsbegründung wendet sich der Kläger jedenfalls nur gegen die verkürzte Bezugsdauer, sodass von einer entsprechenden Beschränkung der Revision auszugehen ist. Diese ist zulässig, weil es sich bei der Dauer des Alg-Anspruchs um einen rechtlich und tatsächlich selbstständigen Teil des Gesamtstreitstoffs handelt (zur Beschränkung der Revision allgemein Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160 RdNr 2a; zum Streitgegenstand im Arbeitsförderungsrecht Eicher in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 9 ff). Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich der Kläger gegen den einen Anspruch auf zusätzliches Alg ablehnenden Bescheid vom 28.2.2008, der die Bescheide der Beklagten vom 16.11.2006, 27.11.2006 und 29.12.2006, jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2007, ersetzt und diese damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -), mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 iVm § 56 SGG) oder mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wendet. Der Kläger hat ohnedies keinen 24 Monate übersteigenden Anspruch auf Gewährung von Alg.

10

Die Dauer des Alg-Anspruchs bemisst sich gemäß § 127 Abs 1 SGB III nach der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der erweiterten Rahmenfrist und dem Lebensalter des Arbeitslosen bei der Entstehung des Anspruchs. Frühestens am 19.12.2006 lagen beim Kläger iS des § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs vor(§ 118 SGB III). Er hatte bei Entstehung des Anspruchs das 55. Lebensjahr vollendet, sodass sich nach der ab 1.2.2006 für ihn maßgebenden Fassung (§ 434l Abs 1 SGB III) des § 127 SGB III(Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - BGBl I 3002) zunächst ein Alg-Anspruch höchstens für die Dauer von 18 Monaten ergab, der sich allerdings durch die zusammen mit der erneuten Änderung des § 127 SGB III ab 1.1.2008 (Siebtes Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze <7. SGB-III-ÄndG> vom 8.4.2008 - BGBl I 681) erlassenen Übergangsvorschrift des § 434r Abs 1 SGB III auf höchstens 24 Monate verlängert hat. Nach § 434r Abs 1 SGB III(in der Normfassung des 7. SGB-III-ÄndG) erhöhte sich die Anspruchsdauer des Alg unter weiteren Voraussetzungen bei am 31.12.2007 noch nicht erschöpften Ansprüchen für mindestens 58-Jährige auf 24 Monate; diese Dauer entspricht der gleichzeitigen Neuregelung des § 127 SGB III, in dem ebenfalls insoweit eine Höchstdauer von 24 Monaten vorgesehen ist.

11

Ein über die Dauer von 24 Monaten hinausgehender Anspruch auf Alg steht dem Kläger nicht zu. Ein solcher kann insbesondere nicht auf § 127 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (des Gesetzes zur Neuausrichtung der Bundeswehr vom 20.12.2001 - BGBl I 4013; im Folgenden § 127 SGB III aF)gestützt werden, weil § 127 SGB III aF gemäß § 434l Abs 1 SGB III nur für Personen weiter gilt, deren Alg-Anspruch bis zum 31.1.2006 entstanden ist.

12

Diese Kürzung der Alg-Anspruchsdauer begegnet jedenfalls im vorliegenden Fall keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es kann offen bleiben, ob das von Art 14 GG geschützte Anwartschaftsrecht, das der Versicherte nach §§ 123, 124 SGB III erworben hat, auch die Anspruchsdauer des § 127 SGB III umfasst(zum Meinungsstreit vgl: befürwortend Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 127 RdNr 26 f, Stand Oktober 2005, sowie § 434l RdNr 13, Stand Mai 2008; verneinend Gagel, SGB II/SGB III, § 434l RdNr 3b, Stand Mai 2005, sowie Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 434l RdNr 4, Stand Mai 2008). Die Verkürzung der Anspruchsdauer verletzte den Kläger unter Berücksichtigung des § 434r Abs 1 SGB III auch dann nicht in seinem Eigentumsrecht(Art 14 GG), wenn das Anwartschaftsrecht die Anspruchsdauer erfassen würde. Denn der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz für eine sozialversicherungsrechtliche Anwartschaft schließt deren Anpassung an veränderte Bedingungen und im Zuge einer solchen Umgestaltung auch eine wertmäßige Minderung nicht generell aus (vgl BVerfGE 100, 1 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 3; BVerfGE 117, 272 ff = SozR 4-2600 § 58 Nr 7). Die Verkürzung der Alg-Bezugsdauer wäre für den Kläger - nur auf seine individuelle Betroffenheit kommt es insoweit an - eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG. Mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung regelt der Gesetzgeber abstrakt-generell die Rechte und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind, und bestimmt somit die Reichweite des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an (BVerfGE 53, 257 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 72, 9 ff = SozR 4100 § 104 Nr 13; BVerfGE 74, 203 = SozR 4100 § 120 Nr 2; BVerfGE 76, 220 ff = SozR 4100 § 242b Nr 3; BVerfGE 117, 272, 293 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 53 mwN).

13

Der Gesetzgeber hat bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums sowohl die Anerkennung des Privateigentums als auch die Gebote anderer Verfassungsnormen - insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - beachtet (BVerfGE 53, 257 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 74, 203 ff = SozR 4100 § 120 Nr 2; BVerfGE 76, 220 ff, 238 = SozR 4100 § 242b Nr 3 S 15); greift er mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung in durch Art 14 Abs 1 Satz 1 GG geschützte und in der Vergangenheit entstandene Rechtspositionen ein, gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die Regelung zur Durchsetzung legitimer öffentlicher Interessen geeignet und erforderlich sein muss und den Betroffenen unter Berücksichtigung der Sozialbindung des Eigentums (Art 14 Abs 2 GG) nicht übermäßig belasten darf (BVerfGE 72, 9 ff = SozR 4100 § 104 Nr 13 mwN; BVerfGE 74, 203 ff = SozR 4100 § 120 Nr 2; BVerfGE 76, 220 ff, 238 = SozR 4100 § 242b Nr 3 S 15).

14

Die zum 1.2.2006 vorgenommene Änderung diente der Sicherung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung. Ziel der für den Bereich der Arbeitsförderung getroffenen Regelungen des ArbMRefG vom 24.12.2003 war es, angesichts der gestiegenen Arbeitslosigkeit im Allgemeinen Beschäftigungshemmnisse im Arbeits- und Sozialrecht abzubauen und angesichts der im internationalen Vergleich relativ niedrigen Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer im Besonderen die von den Tarifvertragsparteien und der früheren Bundesregierung praktizierte Politik der Frühverrentung zu beenden (BT-Drucks 15/1204, S 1). Die sich abzeichnende demographische Entwicklung mit einer zu erwartenden Verknappung des Arbeitskräfteangebots sowie die vorruhestandsbedingten Belastungen der Beitragszahler veranlassten den Gesetzgeber, dieser Tendenz entgegenzuwirken (BT-Drucks 15/1204, S 1, 10). Mit der Verkürzung der Bezugsdauer für das Alg waren auch Einsparungen im Haushalt der Bundesagentur verbunden. Trotz der mit der Änderung gleichzeitig verknüpften Belastungen in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung schätzte die damalige Bundesregierung die Nettoeinsparungen noch auf 2,2 % im Jahr 2008 (BT-Drucks 15/1204, S 3). Die Vermeidung der sozial- und arbeitsmarktpolitisch unerwünschten Frühverrentung ist ein legitimes Gemeinwohlinteresse (vgl dazu BVerfGE 81, 156 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der erstrebten Haushaltseinsparungen.

15

Insoweit stellt die Verkürzung der Alg-Anspruchsdauer keine isolierte Maßnahme dar; sie ist vielmehr nur Teil eines - teilweise bereits bestehenden, teilweise geschaffenen - Gesamtpakets der aktiven Arbeitsförderung und der gesetzlich vorgesehenen Leistungen, die in besonderer Weise die (Re-)Integration älterer Arbeitsloser zum Ziel haben. So wurde etwa durch § 218 SGB III die Möglichkeit eröffnet, iVm § 421f SGB III einen Eingliederungszuschuss (Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitnehmer) zu bewilligen. § 421j Abs 1 SGB III sah (und sieht weiterhin) unter im Einzelnen genannten Voraussetzungen eine Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer vor, die ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden. Nachdem Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers aber nicht zu der prognostizierten Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer geführt hatten (vgl BT-Drucks 16/7460, S 9), verlängerte der Gesetzgeber die Bezugsdauer für das Alg wieder für über 50-jährige und über 58-jährige Arbeitnehmer durch das 7. SGB-III-ÄndG und fügte parallel dazu mit § 434r Abs 1 SGB III eine Übergangsvorschrift zur nachträglichen Verlängerung am 31.12.2007 bestehender Ansprüche ein. Ziel dieser Änderung war es, die sich nach wie vor als schwierig gestaltende berufliche Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmer zu verbessern (BT-Drucks 16/7460, S 1, 9). Die in Abhängigkeit von Lebensalter und Vorversicherungszeit vorgenommene Verlängerung der Bezugsdauer auf maximal 24 Monate sollte ältere Arbeitnehmer für die Dauer der Bemühungen um ein neues Arbeitsverhältnis materiell absichern (BT-Drucks 16/7460, S 9). Flankiert wurde diese leistungsrechtliche Änderung durch die Einführung eines Eingliederungsgutscheins gemäß §§ 223, 224 SGB III(BT-Drucks 16/7460, S 9 f). Der Gesetzgeber hat mithin unter Auswertung zwischenzeitlich gewonnener Erkenntnis seine ursprüngliche Reduzierung der Anspruchsdauer mit Rücksicht darauf wieder teilweise rückgängig gemacht, dass sich jedenfalls die mit der früheren Gesetzesänderung verbundenen Erwartungen über die Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmer nicht realisiert haben (vgl zur Korrekturpflicht nur Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl 2009, Art 20 RdNr 87 mwN). Gleichwohl bleiben als legitime Ziele die Haushaltsersparnis, die ab 2006 genutzt wurde, um den Beitragssatz schrittweise von 6,5 % auf 4,2 %, 3,3 % und 2,8 % abzusenken, und die Abschaffung des Anreizes, ältere Arbeitnehmer zu entlassen.

16

Die Reduzierung der Anspruchsdauer trifft den Kläger auch nicht unverhältnismäßig im weiten Sinn; sie war geeignet, erforderlich und ist dem Kläger auch zumutbar. Die zum 1.2.2006 vorgenommenen Änderungen des § 127 SGB III sind unter Berücksichtigung der Korrektur zum 1.1.2008 zur Erreichung der formulierten gesetzgeberischen Zielvorgaben geeignet. Insoweit steht der Eignung nicht entgegen, dass die Mehrausgaben in der Sozialhilfe aufgrund der bevorstehenden Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einem einheitlichen Leistungssystem nicht bezifferbar waren (vgl zum Fehlen einer genauen Bezifferung der Einsparung BVerfGE 50, 290, 332 f; 76, 220 ff = SozR 4100 § 242b Nr 3). Die Kausalität der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme in bisheriger Form für die von den Unternehmen betriebene Frühverrentungspolitik war durch die Untersuchungen der vom Bundestag eingesetzten Enquête-Kommission "Demographischer Wandel - Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik" (Schlussbericht der Kommission vom 28.3.2002 - BT-Drucks 14/8800, S 61 f) bestätigt worden. Die von der Enquête-Kommission ausgewerteten Untersuchungen hatten ergeben, dass Unternehmen die Frühausgliederung älterer Beschäftigter als kostengünstige Maßnahme der Personalumschichtung und des Personalabbaus genutzt und auf diese Weise die Kosten betrieblicher Anpassungsstrategien ua auf die Renten- und Arbeitslosenversicherung übergewälzt haben (BT-Drucks 14/8800, S 61 mwN). Der Übergang älterer Arbeitnehmer in den Vorruhestand beruhte danach in der Regel auf einer freien Entscheidung der Betroffenen, die durch sozialrechtliche Anreize gefördert wurde (BT-Drucks 14/8800, S 62; so auch Bäcker, KrV 2003, 197, 198 f, und Schäfer, SF 2003, 231; kritisch Adamy, SozSich 2003, 218, 221). Die Kürzung der Alg-Bezugsdauer baut diese beschäftigungspolitisch negativen Anreize ab und führte gleichzeitig zu finanzieller Entlastung des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit.

17

Die Kürzung der Alg-Bezugsdauer war in Anbetracht der gesetzgeberischen Zielsetzung auch erforderlich. Die von der Beklagten angesprochene Möglichkeit, der Frühverrentung durch eine Verschärfung der Alg-Erstattungspflicht des Arbeitgebers für ausgeschiedene ältere Arbeitnehmer (§ 147a SGB III) entgegenzuwirken, schließt die Erforderlichkeit der Kürzung der Bezugsdauer nicht aus. Zum einen steht dem Gesetzgeber hinsichtlich der Bestimmung der zur Verfolgung seiner Ziele geeigneten und erforderlichen Maßnahmen ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 74, 203 ff = SozR 4100 § 120 Nr 2). Unerheblich ist, ob die notwendigen Einsparungen auch in anderen vom Gesetz erfassten Bereichen hätten erreicht werden können (BVerfGE 72, 9 ff = SozR 4100 § 104 Nr 13; BVerfGE 76, 220 ff = SozR 4100 § 242b Nr 3). Zum anderen wurde die Erstattungsregelung des § 147a SGB III ohnedies bereits durch das ArbMRefG mit dem Ziel verschärft, Arbeitgeber für eine Übergangszeit von der Entlassung älterer Arbeitnehmer abzuhalten, damit diesen der Alg-Anspruch in der bis zum 31.12.2003 maßgeblichen Dauer erhalten bleibt (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 147a RdNr 1, Stand Januar 2009). Eine weitere Verschärfung der Erstattungspflicht des Arbeitgebers wäre mit der Gefahr eines Eingriffs in die Berufsfreiheit der Unternehmer verbunden gewesen.

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Schließlich belastet die Verkürzung der Alg-Anspruchsdauer den Kläger nicht übermäßig; sie ist ihm also auch zumutbar. Entgegen der Ansicht des Klägers ist dabei allenfalls von einem Verlust von (nur) zwei Monaten auszugehen. Auch nach § 127 SGB III aF hätte sich ein möglicher künftiger Anspruch des Klägers nämlich nicht - wovon die Revisionsbegründung ausgeht - auf 32 Monate belaufen. Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtsänderung am 1.2.2006, erst recht zum Zeitpunkt der Rechtsänderung am 24.12.2003, hatte der im April 1949 geborene Kläger allenfalls einen (möglichen künftigen) Anspruch auf Alg für 26 Monate. Das Ausmaß des Eingriffs muss sich an der von dem Zeitpunkt der Rechtsänderung an maßgeblichen, nicht an einer aus der alten Rechtslage sich erst künftig ergebenden Rechtsposition messen; hinzu kommt, dass diese Rechtsposition des Klägers zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes im Dezember 2003 noch schwächer war als am 1.2.2006. Die weitgehende Sozialbindung sozialversicherungsrechtlicher Positionen führt zu einer weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 101, 54, 75 f mwN); diese verengt sich (nur) in dem Maße, in dem die Anwartschaft durch den personalen Anteil eigener Leistungen des Versicherten geprägt ist (BVerfGE 53, 257 = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7). Die Anwartschaft älterer Versicherter beruhte zwar nach der bis zum 31.12.2003 geltenden Rechtslage auf einer nicht unerheblichen Eigenleistung und wies somit einen stärkeren personalen Bezug auf. Dem hat der Gesetzgeber jedoch, soweit es den Kläger betrifft, durch die zum 1.1.2008 vorgenommene Verlängerung der Alg-Anspruchsdauer (§ 434r Abs 1 SGB III) hinreichend Rechnung getragen. Durch die teilweise Reduzierung der vorherigen Kürzung werden Vertrauensschutzgesichtspunkte verstärkt berücksichtigt. Zudem relativiert sich ein denkbarer Vertrauensschutz in eine längere Bezugsdauer angesichts der Tatsache, dass die mögliche Alg-Bezugsdauer aufgrund der Rechtsnatur der "fließenden Anwartschaft" (BSG SozR 3-4100 § 249c Nr 6 S 35 f mwN) nur in begrenztem Umfang mit der Dauer der Beitragszahlung korrespondiert (Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 39 RdNr 27). Die Anwartschaft verschiebt sich bzw entsteht mithin unter Berücksichtigung der §§ 123, 124 SGB III immer wieder neu, sobald die Anwartschaft innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist erfüllt ist. Anders als im Rentenversicherungsrecht beruht das Anwartschaftsrecht also nicht auf der Gesamtheit der im Leben zurückgelegten versicherungsrechtlich relevanten Zeiten. Dem hat der Gesetzgeber schon durch eine Verschiebung des Wirksamwerdens der Änderung des § 127 SGB III um über zwei Jahre Rechnung getragen(§ 434l Abs 1 SGB III). Zudem müssen bei der Bewertung der Beitragsäquivalenz die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung mit einbezogen werden.

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Ob die im Zusammenhang mit der Änderung des § 127 SGB III durch das ArbMRefG eingefügte Übergangsvorschrift des § 434l Abs 1 SGB III allein ausreicht, um das Vertrauen aller Versicherten in den Fortbestand der langjährig unverändert gebliebenen bezugsdauerrelevanten Anwartschaft angemessen zu schützen(bejahend Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 434l RdNr 4, Stand Mai 2008, Mutschler in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 434l RdNr 15 und Gagel, SGB II/SGB III, § 434l RdNr 3b f, Stand Mai 2005; kritisch Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 434l RdNr 11 ff, Stand Mai 2008, und § 127 RdNr 55 ff, Stand November 2004), muss vom Senat nicht entschieden werden, weil § 434r Abs 1 SGB III - zumindest soweit er die Rechtsstellung des Klägers berührt - einen ausreichenden und schonenden Übergang bewirkt hat. Denn für ihn hat sich die Höchstanspruchsdauer um einen Zeitraum von lediglich zwei Monaten im Vergleich zu der bis 31.1.2006 geltenden Rechtslage reduziert. Nichts anderes gilt, wenn man die Reduzierung der Alg-Anspruchsdauer nicht an Art 14 GG, sondern an Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG misst.

20

Die Kürzung der Alg-Bezugsdauer verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, verschiedene Gruppen von Normadressaten ungleich zu behandeln, wenn zwischen ihnen nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl nur BVerfGE 100, 1 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 mwN; BVerfGE 116, 229, 238). Die für die Kürzung der Bezugsdauer durch § 127 idF des ArbMRefG maßgebliche Übergangsvorschrift in § 434l Abs 1 SGB III differenziert zwar zwischen Versicherten, deren Anspruch (im Sinne eines Stammrechts) bis zum und jenen, deren Anspruch nach dem 31.1.2006 entstanden ist. Eine Stichtagsregelung ist vorliegend durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt. An den Differenzierungsgrund werden je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Anforderungen gestellt, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz reichen (BVerfGE 113, 167 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 mwN).

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Zwar unterliegt der Gesetzgeber bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengeren Bindung (BVerfGE 55, 72, 88; 89, 365 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4; BVerfGE 92, 53 ff = SozR 3-2200 § 385 Nr 6; BVerfGE 99, 367, 388). Gemessen an diesen Vorgaben ist die Regelung § 434l Abs 1 SGB III iVm der des § 434r Abs 1 SGB III verfassungsrechtlich aber nicht zu beanstanden. Grund für die vorgenommene Differenzierung ist die Regelung des Inkrafttretens bzw Wirksamwerdens einer belastenden gesetzlichen Regelung in einer die Interessen der von ihr Betroffenen möglichst schonenden Weise. Entsprechende Regelungen zur zeitlichen Geltung sind zulässig, wenn der Gesetzgeber die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt und eine sachlich begründete Entscheidung getroffen hat (BVerfGE 95, 64, 89; 101, 239, 270 mwN). § 434l Abs 1, § 434r Abs 1 SGB III sollen die belastende Wirkung der zum 1.1.2004 vorgenommenen Kürzung der Alg-Bezugsdauer abfedern. Inhaltlich differenziert der Gesetzgeber dabei systemkonform zwischen dem Stammrecht und dem Anwartschaftsrecht (zum Kriterium der Systemgerechtigkeit: BVerfGE 34, 103, 115; BVerfGE 59, 36 ff = SozR 2200 § 1246 Nr 83; BVerfGE 81, 156 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1).

22

Die Tatsache, dass § 434l Abs 1 SGB III zwar den entstandenen Alg-Anspruch in vollem, die Anwartschaft aber nur in gewissem Umfang schützt, begründet keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Der Umstand, dass das Wirksamwerden der belastenden Änderung des § 127 SGB III idF durch das ArbMRefG auch in anderer Weise, zB durch übergangsloses In-Kraft-Setzen des § 127 zum 1.1.2004 für alle unter 45-jährigen Versicherten und den Erhalt der zum 1.1.2004 erworbenen Anwartschaften unter Einschluss der möglichen Alg-Dauer für alle über 45-jährigen Versicherten (so Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 434l RdNr 15, Stand Januar 2005), möglich gewesen wäre, führt nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes. Der Gesetzgeber muss nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählen (BVerfGE 110, 412, 436 mwN). Darüber hinaus kommt dem Gesetzgeber aufgrund der Spezifität der sozialversicherungsrechtlichen Materie in diesem Bereich eine weite Gestaltungsfreiheit zu (BVerfGE 113, 167 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 mwN). Der Gestaltungsfreiheit werden nur dort engere Grenzen gezogen, wo eine Ungleichbehandlung Auswirkungen auf grundrechtlich gesicherte Freiheiten hat (BVerfGE 92, 53 ff = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 mwN). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.