Bundessozialgericht Beschluss, 10. Okt. 2018 - B 13 R 265/17 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:101018BB13R26517B0
bei uns veröffentlicht am10.10.2018

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

2

Den Antrag des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab. Nach erfolglosem Widerspruch hat das SG Koblenz die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.1.2014). Die hiergegen gerichtete Berufung hat das LSG zurückgewiesen. Das Urteil war bei der Verkündung im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 26.6.2017 noch nicht vollständig schriftlich abgefasst. Die Urschrift des dem Kläger am 13.7.2017 erstmals zugestellten Urteils war zunächst nur von zwei der beteiligten Berufsrichter unterschrieben worden. Die Unterschrift des dritten Berufsrichters ist am 23.11.2017 nachgeholt und das Urteil erneut der Geschäftsstelle übergeben worden. Die nochmalige Zustellung des Urteils an den Kläger (Zugang am 28.2.2018) hat der Vorsitzende des 2. Senats des LSG Rheinland-Pfalz am 26.2.2018 verfügt.

3

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Er macht (noch) drei Verfahrensmängel geltend: Zum einen liege ein absoluter Revisionsgrund iS des § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO vor, weil das Urteil des LSG nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von fünf Monaten zum Zwecke der Zustellung der Geschäftsstelle übergeben worden sei. Zum anderen habe das LSG sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil der Sachverständige Dr. W. nicht zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens bzw zur ergänzenden Anhörung geladen worden sei. Darüber hinaus habe das Gericht wesentlichen Vortrag aus dem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.8.2016 übergangen.

4

II. Die Beschwerde ist durch Beschluss (§ 160a Abs 4 S 1 SGG) zurückzuweisen, denn sie ist unbegründet. Der gerügte Mangel, das Urteil sei entgegen den Bestimmungen des SGG (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 6 ZPO)nicht mit Gründen versehen, liegt nicht mehr vor (hierzu 1.). Auch die Gehörsrügen greifen nicht durch. Das LSG war nicht verpflichtet, dem Antrag des Klägers auf Ladung des Sachverständigen Dr. W. nachzukommen (hierzu 2.). Das Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 30.8.2016 hat es erkennbar zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen (hierzu 3.).

5

1. Das angefochtene Urteil des LSG beruht nicht auf einem Verfahrensmangel, weil es entgegen § 153 Abs 3 S 1 SGG zunächst nur von zwei der beteiligten drei Berufsrichter des Senats unterschrieben worden und die erneute Zustellung durch den Senatsvorsitzenden erst nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Urteils verfügt worden ist. Die Unterschrift wurde wirksam nachgeholt. Weder bedurfte es einer erneuten Zustellung noch einer nochmaligen Übergabe der Urschrift an die Geschäftsstelle zu diesem Zwecke innerhalb der Fünf-Monats-Frist.

6

Allerdings litt das angegriffene Urteil bei Eingang der Beschwerde beim BSG tatsächlich an dem geltend gemachten Mangel, denn auf der Urschrift fehlte entgegen § 153 Abs 3 S 1 SGG die Unterschrift des hieran beteiligten Richters am LSG B. Das nach der mündlichen Verhandlung des LSG am 26.6.2017 verkündete, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig abgefasste Urteil des LSG galt daher als nicht mit Gründen versehen. Als nicht mit Gründen versehen gilt nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) vom 27.4.1993 (GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367-377 = SozR 3-1750 § 551 Nr 4; vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 26.3.2001 - 1 BvR 383/00 - Juris RdNr 21) ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil dann, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Das BSG hat sich dieser Grundsatzentscheidung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (vgl zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 18 mwN; BSG Beschluss vom 7.10.2015 -B 8 SO 58/15 B - Juris RdNr 6 mwN).

7

Dieser Verfahrensmangel wurde jedoch geheilt. Denn es können sowohl die Unterschrift eines falschen Richters nachträglich ersetzt als auch eine fehlende Unterschrift nachgeholt werden, so dass der entsprechende Mangel geheilt wird (BGH Urteil vom 27.10.1955 - II ZR 310/53 - BGHZ 18, 350, 354 ff; BGH Beschluss vom 24.6.2003 - VI ZR 309/02 - NJW 2003, 3057, Juris RdNr 3 mwN; BFH Beschluss vom 23.2.1999 - VII S 26/98 - BFH/NV 1999, 1343, Juris RdNr 7 mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kapitel IX RdNr 96). Dies ist vorliegend durch die Unterschrift des Richters am LSG B. auf der Urschrift am 23.11.2017 geschehen. An deren Authentizität hat der Senat aufgrund der eingeholten dienstlichen Äußerungen keine Zweifel. Dahinstehen kann, ob die Nachholung der Unterschrift im Hinblick auf den Beschluss des GmSOGB vom 27.4.1993 innerhalb der Fünf-Monats-Frist erfolgen musste, denn diese war am 23.11.2017 noch nicht verstrichen. Einer Berichtigung des Urteils durch Beschluss (§ 202 SGG iVm § 319 ZPO) bedurfte es ebenso wenig wie einer erneuten Zustellung (BFH Beschluss vom 23.2.1999 - VII S 26/98 - BFH/NV 1999, 1343, Juris RdNr 7). Dies gilt zumindest in der vorliegenden Konstellation, in der die bereits zugestellten Urteilsausfertigungen die Wiedergabe der Unterschriften aller beteiligten Richter tragen und die Beteiligten im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Kenntnis von der nachgeholten Unterschriftsleistung erhalten haben. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Übergabe der Urschrift an die Geschäftsstelle des LSG nach Unterschrift durch Richter am LSG B. zum Zwecke der Zustellung erfolgte.

8

2. Das LSG hat nicht das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2 SGG) verletzt, indem es den Sachverständigen Dr. W nicht - wie noch im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt - "zur Erläuterung seines Gutachtens vom 28.01.2017 in Verbindung mit der Stellungnahme vom 17.04.2017" geladen hat.

9

Unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anzuordnen steht jedem Beteiligten gemäß § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zu, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet(stRspr, zB BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7; BSG Beschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 439/13 B - Juris RdNr 10 mwN). Für einen entsprechenden Antrag müssen keine Fragen formuliert werden; es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 VS 2/99 R - SozR 3-1750 § 411 Nr 1, Juris RdNr 20). Die nach § 116 S 2 SGG erforderliche Sachdienlichkeit der Fragen liegt dann vor, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind(vgl BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10).

10

Die vom Kläger zuletzt noch angekündigten Fragen waren - soweit sie mit der Beschwerde als noch offen gerügt werden - nicht sachdienlich in diesem Sinne, denn mit der Stellungnahme vom 17.4.2017 hatte Dr. W. sie bereits beantwortet. Insoweit macht der Kläger geltend, der Sachverständige sei nicht auf seine Einwendung eingegangen, dass Dr. K. und Dr. S. eine schwere depressive Episode diagnostiziert und seine Erwerbsfähigkeit verneint hätten. Zudem müsse ein Aktenbericht sachlich richtig und nicht völlig ungeordnet und in wesentlichen Punkten lückenhaft sein. Ferner habe der Sachverständige seinen (des Klägers) von ihm im Detail dargelegten soziokulturellen Hintergrund "gerade nicht berücksichtigt", zu dessen Bewertung er ihm habe Fragen stellen dürfen.

11

Die Einwendung des Klägers bezüglich der abweichenden Diagnosen und Leistungseinschätzungen aus den Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin, Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. S. und dem nervenärztlichen Gutachten Dr. K. sowie der ergänzenden Stellungnahme nach Aktenlage Dr. S vom 5.9.2016, in der dieser sich der Leistungseinschätzung durch Dr. K. anschließt, wurde von Dr. W. beantwortet. Diese Unterlagen wurden bereits bei der Erstellung seines nervenärztlichen Gutachtens vom 28.1.2017 berücksichtigt. Zum Ende seiner Stellungnahme vom 17.4.2017 führt er außerdem aus, dass eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens aufgrund der objektiv zu erhebenden Befunde nicht feststellbar gewesen sei. Die qualitativen Leistungseinschränkungen gemäß dem positiven und negativen Leistungsbild seien in der Beantwortung der Beweisfragen im Detail dargestellt worden. Zusammenfassend ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die geeignet wären, zu einer anderen als der anlässlich seines Gutachtens abgegebenen Leistungsbewertung zu führen. Dem ist eindeutig zu entnehmen, dass Dr. W. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde auch mit Blick auf die Ausführungen des Klägers im zur Stellungnahme übersandten Schriftsatz vom 21.3.2017 keine Veranlassung gesehen hat, sich der Leistungsbeurteilung Dr. K. und Dr. S. anzuschließen.

12

Auf die Kritik des Klägers am Aktenauszug seines Gutachtens hat Dr. W. dessen Ordnung und die Auswahl der hierin wiedergegebenen Unterlagen unter dem Blickwinkel der Teilhabefeststellung nach den Prinzipien der ICF dargelegt. Damit hat er eine Antwort auf die hierzu im Schriftsatz vom 21.3.2017 aufgeworfenen Fragen gegeben. Im Schriftsatz vom 8.6.2017 führt der Kläger hierzu aus, entgegen der Stellungnahme Dr. W. könne eine Chronologie des Aktenauszugs nicht erkannt werden und die Auswahl sei nicht erklärbar. In der Beschwerdebegründung beschränkt er sich auf das Postulat, ein Aktenbericht müsse sachlich richtig und nicht völlig ungeordnet und in wesentlichen Punkten lückenhaft sein. Mit der implizierten Behauptung, das Gutachten Dr. W. verstoße gegen dieses Gebot, zielt er jedoch nicht auf eine Verletzung des Fragerechts, sondern auf die Beweiswürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 S 1 SGG), das diesem Gutachten trotz der geltend gemachten Mängel gefolgt ist. Hierauf kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).

13

Schließlich ist Dr. W. in seiner Stellungnahme auch auf den im Schriftsatz vom 21.3.2017 dargelegten soziokulturellen Hintergrund des Klägers und dessen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen eingegangen. So führt er ua aus, die in diesem Schriftsatz enthaltenen lebensbiographischen Angaben ließen persönlichkeitsimmanente psychodynamische Faktoren nachvollziehbar erscheinen, wären aber nach der ICF keine Beeinträchtigungen. Die lebensbiographischen, soziokulturell (!) und psychodynamischen Ausführungen könnten bei psychodynamischer Betrachtungsweise zutreffend sein, seien aber nicht geeignet, die Transformation vom Befund zur Beeinträchtigung gemäß ICF befundgetragen zu begründen. Die beim Kläger erhobenen Befunde führten nach ICD 10 zu im Einzelnen nochmals aufgeführten Diagnosen und dem aus den Befunden abgeleiteten Leistungsbild. Beides war bereits im Gutachten genannt worden. Die sich im Zusammenhang mit den Ausführungen zum soziokulturellen Hintergrund des Klägers im Schriftsatz vom 21.3.2017 ergebenden Fragen hat der Gutachter also dahingehend beantwortet, dass sich aus den Ausführungen in diesem Schriftsatz "keine neuen Gesichtspunkte" ergeben, die zu einer anderen Leistungsbewertung als in seinem Gutachten führen könnten.

14

Anlass zur Annahme einer Verletzung des Fragerechts gibt auch nicht der zutreffende Hinweis des Klägers, dass unabhängig davon, ob das Gericht ein Gutachten für erläuterungsbedürftig hält, das Fragerecht dem Antragsteller erlauben soll, im Rahmen des Beweisthemas aus seiner Sicht unverständliche, unvollständige oder widersprüchliche Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um auf das Verfahren Einfluss nehmen und die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung verstehen zu können (BSG Beschluss vom 23.6.2016 - B 3 P 1/16 B - Juris RdNr 10; vgl auch Senatsbeschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 439/13 B - Juris RdNr 12). Denn die von ihm mit der Beschwerde bezeichneten, seiner Meinung nach erläuterungsbedürftigen Punkte bzw Fragen zum Gutachten Dr. W. hatte der Kläger - neben anderen - bereits in seinem Schriftsatz vom 21.3.2017 benannt. Diesen hat das LSG dem Gutachter zur Stellungnahme sowie ergänzenden Erläuterung seines Gutachtens übersandt. Daraufhin hat Dr. W. diese unter dem 17.4.2017 schriftlich beantwortet bzw erläutert. In einer solchen Konstellation, in der dem Fragerecht eines Beteiligten bereits durch Einholen einer schriftlichen Stellungnahme zu den von ihm als erläuterungsbedürftig bezeichneten Punkten Rechnung getragen wurde, genügt es nicht, den Antrag auf Ladung des Sachverständigen aufrecht zu erhalten und zur Begründung diese Punkte ohne weitere Konkretisierung zu wiederholen. Vielmehr obliegt es dem Beteiligten in dieser Situation, die seiner Auffassung nach noch nicht geklärten Fragen näher zu bezeichnen. Art 103 Abs 1 GG gewährt keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, das einfachrechtlich geregelte Fragerecht gegenüber Sachverständigen und Zeugen in jedem Fall mündlich auszuüben (BVerfG Beschluss vom 29.5.2013 - 1 BvR 1522/12 - BVerfGK 20, 319, Juris RdNr 2 mwN). Insbesondere begründet das Fragerecht keinen Anspruch auf stets neue Befragungen, wenn der Beteiligte und der Sachverständige in ihrer Beurteilung nicht übereinstimmen (BSG Beschluss vom 10.12.2013 - B 13 R 198/13 B - Juris RdNr 9). Zwar kann es geboten sein, Sachverständige im Anschluss an eine schriftliche Befragung auch mündlich zu befragen, wenn eine mündliche Befragung einen über die Wiederholung schriftlicher Äußerungen hinausreichenden Mehrwert hat. Jedenfalls hier dürfen die Gerichte aber die konkrete Benennung der weiterhin erläuterungsbedürftigen Punkte verlangen (vgl BVerfG Beschluss vom 29.5.2013 - 1 BvR 1522/12 - BVerfGK 20, 319, Juris RdNr 2 mwN). Nur so vermag das Gericht deren Sachdienlichkeit zu beurteilen und einen Missbrauch des Fragerechts auszuschließen, der nach der Rechtsprechung des BVerfG ua dann vorliegen kann, wenn die an den Sachverständigen zu richtenden Fragen nicht genau genannt werden oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl BVerfG Beschluss vom 29.8.1995 - 2 BvR 175/95 - NJW-RR 1996, 183, Juris RdNr 29).

15

3. Das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör ist auch nicht deshalb verletzt, weil das LSG den Vortrag des Klägers übergangen hätte, die Annahme seiner Therapieunwilligkeit sei falsch und stationäre wie ambulante psychiatrisch/psychotherapeutische sowie schmerztherapeutische Behandlungen seien an der ungenügenden sprachlichen Verständigung gescheitert. Vielmehr gibt das LSG diesen Vortrag auf Seite 9 des Urteils wieder, wenn auch in der nach § 136 Abs 1 Nr 5, Abs 2 S 2 SGG vorgeschriebenen gedrängten Form: Dr. W."Auffassung, für eine Therapie fehle es dem Kläger an der erforderlichen Mitwirkung, sei ebenso falsch wie die Annahme, die psychischen Störungen hätten keinen Krankheitswert. Sein kultureller Hintergrund sei zu berücksichtigen. Eine entsprechende Therapie habe ihm nicht vermittelt werden können."

16

Damit lässt das LSG ausreichend deutlich erkennen, dass es - wie nach Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2 SGG erforderlich - die Ausführungen des Klägers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Art 103 Abs 1 GG gibt den Beteiligten keinen darüber hinausgehenden Anspruch, mit ihrem Vorbringen auch in der Sache Erfolg zu haben. Das Recht auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1, Juris RdNr 112 mwN; BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539, Juris RdNr 13 mwN).

17

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers.

2

Der Kläger wurde am 19.6.2007 Vater eines Sohnes und beantragte am 18.9.2007 bei der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg Elterngeld. Dazu legte er eine Bestätigung seines Arbeitgebers über die vom 1.10.2007 bis 30.11.2007 beantragte Elternzeit vor. Mit Bescheid vom 20.9.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für den vierten und fünften Lebensmonat seines Sohnes. Für den vierten Lebensmonat (19.9.2007 bis 18.10.2007) errechnete sie einen Elterngeldanspruch in Höhe von 848,65 Euro, für den fünften Lebensmonat (19.10.2007 bis 18.11.2007) in Höhe von 1423,25 Euro. Die Beklagte legte ihrer Berechnung ein im Zeitraum von Juni 2006 bis Mai 2007 erzieltes, durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen des Klägers in Höhe von 1931,13 Euro netto zugrunde, wobei sie das dem Kläger von seinem Arbeitgeber im Juni 2006 ausgezahlte Urlaubsgeld in Höhe von 993 Euro sowie das im November 2006 ausgezahlte Weihnachtsgeld in Höhe eines regelmäßigen festen Bruttomonatsgehaltes von 3236 Euro außer Acht ließ. Für den vierten Lebensmonat des Sohnes berücksichtigte die Beklagte das vom Kläger in der Zeit vom 19.9. bis 30.9.2007 erzielte Einkommen. Schließlich erhöhte sie das danach zustehende Elterngeld wegen eines weiteren unter dreijährigen, im selben Haushalt lebenden Kindes um zehn Prozent.

3

Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung Widerspruch und machte geltend: Die Bewilligung für den vierten und fünften Lebensmonat entspreche nicht seinem Antrag. Vielmehr habe er Elterngeld für die beiden Kalendermonate Oktober und November 2007 beantragt. Die davon abweichenden Eintragungen im Vordruck habe die Beklagte gegen seinen Willen vorgenommen. Die Anknüpfung an die Lebensmonate des Kindes sei rechtswidrig und verstoße gegen Art 6 Grundgesetz (GG). § 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihm Elterngeld für die Kalendermonate Oktober und November 2007 zu zahlen sei. Ferner seien die Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen ebenfalls in die Berechnung miteinzubeziehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.4.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

4

Die hiergegen beim Sozialgericht Hamburg (SG) erhobene Klage ist mit Urteil vom 5.8.2009 abgewiesen worden. Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 24.6.2011 im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen zurückgewiesen:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld; insbesondere müssten die in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes ausgezahlten Sonderzuwendungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) unberücksichtigt bleiben. Denn gemäß § 2 Abs 7 S 2 BEEG seien sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als Einnahmen in die Bemessung des Elterngeldanspruchs einzubeziehen, da sie keinen laufenden Arbeitslohn darstellten. Diese Zahlungen wiesen keinen Bezug zur laufenden Arbeitsleistung und zu einzelnen Lohnabrechnungszeiträumen auf, sondern würden für die Arbeit des Jahres geleistet. Die Nichtberücksichtigung eines dreizehnten und vierzehnten Monatsgehaltes laufe dem Sinn und Zweck des Elterngeldes nicht zuwider, denn ein vollständiger Ausgleich der mit der Kinderbetreuung einhergehenden Einkommenseinbußen habe der Gesetzgeber, wie bereits die Begrenzung des Elterngeldanspruchs auf 1800 Euro monatlich zeige, nicht beabsichtigt. Zudem prägten diese Zahlungen die maßgeblichen Verhältnisse nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit wie das laufende monatliche Arbeitsentgelt.

5

Dass das Elterngeld für Lebensmonate des Kindes gewährt werde, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelungen über den Anspruch auf Elternzeit sollten ebenso wie die Bestimmungen über den Bezug von Elterngeld die Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten Lebensjahren durch einen Elternteil fördern. Dazu schaffe das Gesetz einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit ohne Verlust des Arbeitsplatzes sowie einen finanziellen Teilausgleich für das entfallende Erwerbseinkommen. Für die Inanspruchnahme von Elternzeit sei keine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich. Eine Benachteiligung, insbesondere ein Eingriff in Grundrechte, sei mit den bestehenden Regelungen insoweit nicht verbunden. Die Lebensmonatsregelung knüpfe vielmehr an den einer näheren Begründung nicht bedürfenden besonderen Betreuungsbedarf des neugeborenen Kindes an.

6

Da eine "Verschiebung des Bezugszeitraums" nicht in Betracht komme, sei das vom Kläger ab dem 19.9.2007 erwirtschaftete Erwerbseinkommen auf den Elterngeldanspruch anzurechnen. Die von der Beklagten in der Anlage zum Bewilligungsbescheid vorgenommene Berechnung nach § 2 Abs 3 BEEG sei nicht zu beanstanden.

7

Mit seiner vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger insbesondere geltend:

Die Nichtberücksichtigung des ihm ausgezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldanspruchs sowie die Auszahlung der Leistung nach Lebensmonaten verletze materielles Bundesrecht. Weder das BEEG noch das EStG enthalte eine Definition des Begriffs der sonstigen Bezüge. Er habe arbeitsvertraglich einen Anspruch auf die beiden zusätzlichen Entgeltzahlungen. Die Zahlungen seien im Rahmen des Gesamtjahresgehaltes vereinbart worden, wobei er die Wahl gehabt habe, dieses Gehalt in zwölf oder vierzehn Teilbeträgen ausgezahlt zu bekommen. Beide Zahlungen stellten daher laufenden Arbeitslohn dar und seien bei der Berechnung des Elterngeldanspruchs dementsprechend zu berücksichtigen. Da durch das Elterngeld die wirtschaftliche Existenz während der Kinderbetreuung abgesichert werden solle, müsse tatsächlich vorhandenes, regelmäßig erzieltes Einkommen berücksichtigt werden. Andernfalls erfolge eine Schlechterstellung gegenüber Arbeitnehmern, die ihr Entgelt anteilig auf zwölf Monatsbeträge verteilt erhielten. Zudem prägten diese Zahlungen auch das Familieneinkommen nachhaltig. Arbeitslohn im Sinne des zu berücksichtigenden Einkommens nach dem BEEG sei daher dann laufender Arbeitslohn, wenn er auf einen bestimmten Zeitraum bezogen und regelmäßig wiederkehrend gezahlt werde, wobei es dem Grunde nach ausreiche, wenn bestimmte Einkommensbestandteile periodisch wiederkehrten. Die nunmehrige Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG, wonach die im Lohnsteuerabzugsverfahren als besondere Bezüge behandelten Einnahmen keine Berücksichtigung mehr fänden, zeige, dass die ursprüngliche Fassung die Berücksichtigung zusätzlicher, nicht monatlich gezahlter Entgelte zugelassen habe.

8

Ein striktes Lebensmonatsprinzip bei der Leistungsgewährung verkehre den Zweck des Elterngeldes ins Gegenteil. Denn es stelle einen in den Schutz der Familie eingreifenden Zwang dar, zur Vermeidung erheblicher finanzieller Nachteile die Elternzeit gerade in Lebensmonatsabschnitten in Anspruch nehmen zu müssen. Dadurch werde er in seinen Grundrechten aus Art 6 GG verletzt, wonach der Staat verpflichtet sei, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form zu fördern und dafür Sorge zu tragen, dass es beiden Elternteilen gleichermaßen möglich sei, Familie und Erwerbstätigkeit miteinander zu verknüpfen. Der Gesetzgeber müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Eltern dieses Wahlrecht tatsächlich ausüben könnten. § 4 Abs 2 S 1 BEEG regele lediglich die verwaltungstechnische Abwicklung der Auszahlung und stehe einer Bemessung des Elterngeldes nach Kalendermonaten nicht entgegen. Darüber hinaus verletze die gegenteilige Auffassung ihn auch in seinen Grundrechten aus Art 3 und Art 12 iVm Art 2 und Art 1 GG.

9

Schließlich beruhe die Entscheidung des LSG auf Verfahrensmängeln. Zum einen hätte das LSG eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veranlassen müssen. Zum anderen sei sein Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren verletzt worden, da die Entscheidungsgründe des LSG erst unmittelbar vor Ablauf der Fünfmonatsfrist abgesetzt worden seien, sodass der Inhalt der Beratung des vollständigen Senats nicht zwingend in die abgefassten Entscheidungsgründe habe mit einfließen können.

10

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Hamburg vom 24.6.2011 und des SG Hamburg vom 5.8.2009 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 20.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2008 zu verurteilen, ihm Elterngeld für die Zeit vom 1.10.2007 bis 30.11.2007 in ungekürzter Form unter Einbeziehung des im Juni 2006 ausgezahlten Urlaubsgeldes sowie des im November 2006 ausgezahlten dreizehnten Monatsgehalts zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

13

Die Beteiligten haben dem Senat gegenüber unstreitig gestellt, dass beim Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen (1.10. bis 30.11.2007 bzw 19.9. bis 18.11.2007) alle anspruchsberechtigenden Tatsachen nach § 1 BEEG vorlagen. Ferner haben sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist zulässig.

15

Allerdings hat der Kläger die von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN). Daran fehlt es hier.

16

Mit seiner Behauptung, das zur Überprüfung vorliegende Urteil sei bereits deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen, weil es erst unmittelbar vor Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung abgefasst worden sei, rügt der Kläger sinngemäß das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG), also das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO(idF der Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5.12.2005, BGBl I 3202). Sein Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um einen solchen Mangel hinreichend darzutun.

17

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen des Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist. Dem steht es gleich, wenn das Urteil erst so spät schriftlich abgesetzt wird, dass Zweifel angebracht erscheinen, ob es dem der Verkündung zugrunde liegenden Beratungsergebnis entspricht (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 134 RdNr 4). Zwar soll gemäß § 134 Abs 2 S 1 SGG(idF durch Art 4 Nr 12 Buchst a Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22.3.2005, BGBl I 837) das Urteil vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden, jedoch liegt in der Überschreitung dieser Monatsfrist noch keine Verletzung des § 547 Nr 6 ZPO. Denn es handelt sich nicht um eine zwingende Bestimmung, sondern um eine Sollvorschrift. Ein Verstoß hiergegen ist grundsätzlich unschädlich (Keller, aaO, RdNr 3 f).

18

Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) vom 27.4.1993 (BVerwGE 92, 367 = SozR 3-1750 § 551 Nr 4) gilt ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil dann als nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Die vom GmSOGB gezogene Fünfmonatsgrenze trägt dem Erfordernis Rechnung, dass die abgefassten Entscheidungsgründe auf der Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Entscheidung und Verkündung beruhen müssen (Keller, aaO, § 134 RdNr 4) und konkretisiert die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an das gerichtliche Verfahren in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 26.3.2001 - 1 BvR 383/00 - NJW 2001, 2161, 2162). Denn mit zunehmendem Abstand zwischen Beratung der Entscheidung und ihrer Begründung wird die Gefahr eines Auseinanderfallens von Beratungsergebnis und Entscheidungsgründen zwangsläufig ständig größer (BVerfG aaO). Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich dieser Grundsatzentscheidung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (vgl Urteil vom 22.9.1993 - 12 RK 39/93 - SozR 3-1750 § 551 Nr 5 S 14 f; Urteil vom 3.3.1994 - 1 RK 6/93 - SozR 3-1750 § 551 Nr 7 S 20 f; Urteil vom 10.3.1994 - 12 RK 47/93 - USK 9405 S 20 = juris RdNr 15; Urteil vom 24.3.1994 - 5 RJ 30/91 - juris RdNr 12; Urteil vom 6.3.1996 - 9 RVg 3/94 - juris RdNr 11; Urteil vom 14.9.1994 - 3/1 RK 36/93 - BSGE 75, 74, 75 = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 43; Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - juris RdNr 14; Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 41/03 R - BSGE 91, 283 = SozR 4-1500 § 120 Nr 1, RdNr 4; Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 16).

19

Wie der Kläger selbst eingeräumt hat, ist das Urteil des LSG kurz vor Ablauf der insoweit maßgeblichen Fünfmonatsfrist abgefasst worden (und auch mit den Unterschriften der Richter zur Geschäftsstelle gelangt). Demnach kann er die Rüge eines Fehlens von Gründen nicht allein auf die zwischen Verkündung und Absetzung des Berufungsurteils verstrichene Zeit stützen.

20

Ausnahmsweise kann auch bei Einhaltung der maßgeblichen Fünfmonatsgrenze ein Verfahrensmangel vorliegen, wenn sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass infolge der verzögerten Absetzung der Entscheidungsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist (Keller, aaO, § 134 RdNr 4). Dafür müssen bei summarischer Überprüfung jedoch konkrete fallbezogene Anhaltspunkte ersichtlich sein, wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwendigen Beweisaufnahme (BSG Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 17).

21

Solche Umstände werden in der klägerischen Revisionsbegründung nicht aufgezeigt. Insbesondere lässt sich - entgegen der Ansicht des Klägers - allein daraus, dass die an der Entscheidung beteiligt gewesenen beiden ehrenamtlichen Richter die abgefasste Entscheidung - wie im Berufungsverfahren üblich - nicht zur Kenntnis erhalten haben, keine Verpflichtung zu einer zeitnäheren Abfassung der Entscheidungsgründe herleiten. Anderenfalls wäre die Fünfmonatsfrist bei allen unter Beiziehung ehrenamtlicher Richter getroffenen erst- und zweitinstanzlichen Hauptsacheentscheidungen praktisch hinfällig.

22

Auch der vom Kläger angenommene Verstoß gegen das sich aus dem GG ergebende Prinzip des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) ist nicht ausreichend bezeichnet worden. Zwar kann ein solcher Verfahrensmangel auch in der Nichtvorlage der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Rechtsnormen im Wege eines konkreten Normenkontrollverfahrens gemäß Art 100 Abs 1 GG an das BVerfG liegen. Eine Verpflichtung des LSG, den Rechtsstreit auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen, ergibt sich jedoch bereits aus dem klägerischen Vortrag nicht.

23

Art 101 Abs 1 S 2 GG garantiert, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Diese Garantie kann verletzt sein, wenn ein Gericht in willkürlicher Weise gegen die sich aus Art 100 Abs 1 GG ergebende Vorlagepflicht verstößt (BVerfG Beschluss vom 16.6.2009 - 1 BvR 2269/07 - juris RdNr 3 mit Verweis auf stRspr). Art 100 Abs 1 S 1 GG verpflichtet die Fachgerichte ua, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn sie von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, überzeugt sind.

24

Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass das LSG von der Verfassungswidrigkeit der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsnormen, auf die es für die Entscheidung maßgeblich ankommt, ausgegangen ist. Eine solche Behauptung wäre angesichts der Entscheidungsgründe auch nicht ernstlich aufzustellen gewesen. Denn aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergibt sich eindeutig, dass das Berufungsgericht keine Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Vorschriften des BEEG angenommen hat.

25

Mit seiner Rüge einer Verletzung materiellen Rechts hat der Kläger die Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG erfüllt, indem er die seiner Ansicht nach verletzten Rechtsnormen in Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des LSG bezeichnet hat.

26

Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Für eine abschließende Entscheidung reichen die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht aus.

27

Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Elterngeld wegen seines am 19.6.2007 geborenen Sohnes richtet sich nach dem am 1.1.2007 durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) in Kraft getretenen BEEG.

28

Der Kläger ist dem Grunde nach berechtigt, Elterngeld für seinen am 19.6.2007 geborenen Sohn zu beziehen. Gemäß § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Zwar hat das LSG dazu keine konkreten Tatsachenfeststellungen getroffen. Im Hinblick auf die erfolgte Leistungsbewilligung und die dem Senat gegenüber abgegebenen übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten geht der Senat jedoch davon aus, dass der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt und daher anspruchsberechtigt ist.

29

Der angefochtene Verwaltungsakt (Bescheid der Beklagten vom 20.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2008) ist zunächst insoweit nicht zu beanstanden, als dem Kläger Elterngeld für zwei Lebensmonate seines am 19.6.2007 geborenen Sohnes gewährt worden ist. Der Kläger kann keine Leistungsbewilligung nach Kalendermonaten beanspruchen.

30

Nach § 4 Abs 1 S 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensmonats des Kindes bezogen werden. § 4 Abs 2 S 1 BEEG bestimmt insoweit konkretisierend: "Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt." Auch wenn der Gesetzgeber die Begriffe Monatsbeträge und Lebensmonate abwechselnd verwendet, sind hinsichtlich der Anspruchsausgestaltung stets die Lebensmonate entscheidend (Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 7; Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit 2. Aufl 2010, § 4 BEEG RdNr 1). Entgegen der Ansicht des Klägers beinhaltet § 4 BEEG nicht lediglich eine verwaltungstechnische Berechnungsmodalität, sondern gestaltet den Elterngeldanspruch selbst aus. Dabei ist das sog Lebensmonatsprinzip festgelegt worden (Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 29; Teil-Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38; BSG Urteile vom 26.5.2011 - B 10 EG 11/10 R - RdNr 14 und - B 10 EG 12/10 R - RdNr 20, letzteres zur Veröffentlichung in SozR 4-7837 § 4 Nr 2 vorgesehen). Dazu hat der Senat bereits unter Hinweis auf die auch in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung ausgeführt, dass § 4 Abs 2 S 1 BEEG nicht nur die Zahlungsweise, sondern auch die Entstehung monatlicher Zahlungsansprüche regelt(Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38 mwN).

31

Soweit sich der Kläger dadurch in seinen Grundrechten verletzt sieht, dass das Elterngeld als eine an den Lebensmonaten des Kindes orientierte Leistung ausgestaltet worden ist, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Er ist insbesondere nicht davon überzeugt, dass ein Verstoß gegen Art 6 bzw Art 12 GG vorliegt.

32

Nach Art 6 Abs 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft (Art 6 Abs 2 GG).

33

Zum Umfang des Schutzbereichs von Art 6 Abs 1 GG hat das BVerfG gerade betreffend die Förderung durch das Elterngeld ausgeführt (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - ZFSH/SGB 2011, 337, 338 = juris RdNr 9):

        

"Zwar garantiert Art. 6 Abs. 1 GG als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren. Demgemäß dürfen die Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>). Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienst des Kindeswohls getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden (vgl. BVerfGE 99, 216 <234>). Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>). Weit ist der Gestaltungsspielraum auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Familienförderung (vgl. BVerfGE 87, 1 <35 f.>; 103, 242 <260>)."

34

Der Gesetzgeber hat den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum bei der Regelung des Elterngeldanspruchs nach Lebensmonaten des Kindes eingehalten. Aus der allgemeinen Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern, folgt kein unbegrenzter Anspruch auf Ausweitung und Individualisierung bestehender Förderungsinstrumente. Dabei ist für den Bereich des BEEG auch zu beachten, dass der Gesetzgeber bereits eine beachtliche Förderung der Eigenbetreuung von Kindern durch die Eltern vorgesehen hat (vgl Senatsurteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 46; BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870). Deshalb können insoweit aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich keine weitergehenden Verpflichtungen des Gesetzgebers angenommen werden (BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870).

35

Zwar kann die Gewährung von Elterngeld, wie vom Kläger behauptet, durchaus Einfluss darauf haben, wie Eltern ihre grundrechtlich verankerte Erziehungsverantwortung wahrnehmen und das Leben in der Familie gestalten (so bereits BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 8). Mit Rücksicht auf die durch das Elterngeld bezweckte Förderung der erziehungsbedingten Unterbrechung bzw Einschränkung der Erwerbstätigkeit, erweist sich dieser mögliche faktische Einfluss jedoch allenfalls als "Nebenwirkung" der jeweiligen elterlichen Ausübung des freien Wahlrechts, ob und wie die Eltern Elterngeld und Elternzeit in Anspruch nehmen wollen.

36

Das dem Bewilligungsanspruch auf Elterngeld zugrundeliegende Lebensmonatsprinzip ist daher sachlich nicht zu beanstanden und folgerichtig. Denn es trägt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dem besonderen Betreuungsbedarf des neugeborenen Kindes Rechnung, wobei die Regelungen zur Elternzeit von dieser Ausgestaltung unberührt bleiben sollten (BT-Drucks 16/1889 S 23). Dieser besondere Betreuungsbedarf entsteht mit der Geburt des Kindes und damit unabhängig vom Beginn eines Kalendermonats. Deshalb ist ein Anknüpfen des Elterngeldanspruchs an die Lebensmonate des Kindes sachgerecht.

37

Das Lebensmonatsprinzip im Elterngeldrecht steht darüber hinaus im Einklang mit den Vorschriften zur Elternzeit. Entsprechend der Entscheidungsfreiheit beim Elterngeld (vgl §§ 4, 5 BEEG) hat der Gesetzgeber durch die Regelungen zur Elternzeit für Eltern ebenfalls freie Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Eltern können selbst bestimmen, ob und inwieweit sie die zur Betreuung des Kindes vorgesehene Freistellung von der Arbeitspflicht in Anspruch nehmen wollen.

38

Der Anspruch auf Elternzeit besteht grundsätzlich bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes (§ 15 Abs 2 S 1 BEEG) und kann von den Elternteilen anteilig, allein oder von beiden gemeinsam genommen werden (§ 15 Abs 3 S 1 BEEG). Zur tatsächlichen Umsetzung dieses Anspruchs auf Elternzeit sieht das Gesetz vor, dass ein Ausschluss oder eine Beschränkung durch Vertrag nicht möglich (§ 15 Abs 2 S 6 BEEG)und die Inanspruchnahme lediglich von einer einseitigen Anzeige und Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber abhängig ist (§ 16 Abs 1 S 1 BEEG). Einer Zustimmung zur Freistellung seitens des Arbeitgebers bedarf es gerade nicht, worauf die Vorinstanzen bereits zutreffend hingewiesen haben. Ferner hat der Gesetzgeber den Eltern einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gegenüber dem Arbeitgeber während der Elternzeit (§ 15 Abs 6 iVm Abs 7 BEEG) eingeräumt sowie weitgehende Kündigungsschutzvorschriften geschaffen (§§ 18, 19 BEEG).

39

Der vom Kläger eingewandte Umstand, die "moderne Arbeitswelt" verhindere eine Inanspruchnahme der Elternzeit nach Lebensmonaten, führt zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, vom Lebensmonatsprinzip des Elterngeldes allein deshalb abzuweichen, weil es möglicherweise praktische Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme von Elternzeit nach Lebensmonaten gibt.

40

Die vom Kläger gerügte Verletzung seiner Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) durch das Lebensmonatsprinzip liegt fern. Nach Art 12 Abs 1 S 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden (Art 12 Abs 1 S 2 GG). Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht (Art 12 Abs 2 GG).

41

Dem BEEG kommt keine den Schutzbereich der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit berührende Tendenz zu. Die sich aus dem BEEG ergebende Förderung einer frei wählbaren Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wirkt sich vollständig berufsneutral aus. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Elterngeld obliegt den Eltern. Ebenso wenig - und darauf hat der Senat bereits hingewiesen (Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 45) - wie durch die Gewährung von Elterngeld ein mittelbarer Zwang zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, gibt das BEEG vor, ab und ggf zu welchem bestimmten Zeitpunkt die Erwerbstätigkeit unterbrochen wird. Vielmehr bietet die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes vielen Eltern gerade erst die Möglichkeit, eine Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu wagen (dazu bereits BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24 = juris RdNr 36 mwN; Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - aaO).

42

Danach hat die Beklagte zwar zu Recht eine Bewilligung des Elterngeldes des Klägers nach Lebensmonaten des Kindes vorgenommen. Zu prüfen bleibt jedoch, ob sie dabei die richtigen Lebensmonate erfasst hat. Da der Kläger sein Begehren bislang auf eine Leistungsgewährung für Kalendermonate beschränkt hat, ist ihm nunmehr - auch im Hinblick auf Unklarheiten im Antragsformular - Gelegenheit zu geben, sein Anspruchsbegehren hinsichtlich der Bezugsmonate klarzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich für den Kläger als günstiger erweisen könnte, nicht für den vierten und fünften, sondern für den fünften und sechsten Lebensmonat seines Sohnes Elterngeld zu beziehen. Das hängt von der Höhe des jeweiligen gemäß § 2 Abs 3 S 1 BEEG anrechenbaren Einkommens aus Erwerbstätigkeit ab.

43

Die Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs auf Elterngeld lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend bestimmen.

44

Für die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers bestimmt § 2 Abs 1 S 1 BEEG, dass Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt wird, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. § 2 Abs 3 BEEG regelt die Leistungshöhe, wenn für die Zeit nach der Geburt des Kindes Erwerbseinkommen zu berücksichtigen ist.

45

Als Bemessungszeitraum hat die Beklagte hier rechtsfehlerfrei die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 zugrunde gelegt. Da der Sohn des Klägers am 19.6.2007 geboren wurde, entspricht dieser Zeitraum den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes. Die in § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG geregelten Abweichungen kommen hier nicht in Betracht.

46

Bei der Ermittlung des für den Bemessungszeitraum zugrunde zu legenden Bemessungseinkommens ist gemäß § 2 Abs 1 S 2 BEEG zwischen dem Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 des EStG zu unterscheiden.

47

Da der Kläger vor der Geburt seines Sohnes eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Einkäufer einer Baumarktkette ausgeübt hat, ist für die Bestimmung des maßgeblichen Einkommens § 2 Abs 7 BEEG einschlägig. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Als auf die Einnahmen entfallende Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil. Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (vgl § 2 Abs 7 S 3 und 4 BEEG). § 2 Abs 7 S 2 BEEG bestimmt, dass sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG dabei nicht als Einnahmen berücksichtigt werden.

48

Streitig ist hier, ob die vom Kläger bezogenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen als sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG anzusehen sind. Bereits die Bezugnahme auf § 38a Abs 1 S 3 EStG macht deutlich, dass sich die nähere Bestimmung des in § 2 Abs 7 S 2 BEEG gebrauchten Begriffs der sonstigen Bezüge am Steuerrecht auszurichten hat(so bereits Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28).

49

§ 38a Abs 1 S 3 EStG(idF vom 19.10.2002, gültig vom 21.9.2002 bis 31.8.2009) regelt für die Bemessung der Jahreslohnsteuer, dass Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), in dem Kalenderjahr bezogen wird, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Sonstige Bezüge iS des § 2 Abs 7 S 2 BEEG sind demnach Teile des Arbeitslohns, die nicht als laufender Lohn gezahlt werden(so bereits Senatsurteil vom 3.12.2009, aaO). Die sonstigen Bezüge stellen somit auch Arbeitslohn dar. Es handelt sich nicht um gegensätzliche Begrifflichkeiten. Entscheidend ist, ob eine Lohnzahlung dem laufenden Arbeitslohn zuzuordnen ist oder nicht (vgl Krüger in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 38a RdNr 2).

50

Wie der Senat bereits ausgeführt hat, enthält § 38a Abs 1 S 2 EStG selbst keine Definition des Arbeitslohnbegriffs. Allerdings ergibt sich aus § 38 Abs 1 S 1 EStG, der als Lohnsteuer die durch Abzug vom Arbeitslohn zu erhebende Einkommensteuer "bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit" bezeichnet, dass unter dem Begriff des Arbeitslohns Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu verstehen sind, wozu wiederum § 19 EStG nähere Bestimmungen enthält(Senatsurteil vom 3.12.2009, aaO).

51

Gemäß § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG gehören insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dabei müssen solche Einkünfte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abstrakt durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und im weitesten Sinne die Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers sein, mithin aus dem Dienstverhältnis heraus zufließen (vgl zB BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 RdNr 9 mwN sowie zuletzt BSG Urteile vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 16 mwN und - B 10 EG 17/11 R - juris RdNr 20 mwN; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 13).

52

Danach gehören die im Juni bzw November 2006 erfolgten, als Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld deklarierten Zahlungen zum Arbeitslohn des Klägers. Zu prüfen bleibt, ob diese Zahlungen als laufender Arbeitslohn oder als sonstige Bezüge anzusehen sind. Nach Auffassung des Senats stellen Arbeitsentgeltbeträge im Rahmen des BEEG dann keine sonstigen Bezüge, sondern laufenden Arbeitslohn dar, wenn es sich um mindestens zwei zusammenhängende Zahlungen innerhalb des Bemessungszeitraums handelt, die nicht anlassgebunden, sondern zeitraumbezogen geleistet werden und eine hinreichende Beziehung zu der tatsächlich erbrachten Arbeit haben. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

53

Wann Arbeitslöhne laufend sind oder wann sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 EStG vorliegen, definiert das Gesetz nicht. Es findet sich lediglich eine negative Abgrenzung, wonach jedweder Arbeitslohn, der nicht als laufend geleistet wird, sonstiger Bezug ist (vgl Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl 2011, § 38a RdNr 5; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 21; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 8/2012, § 38a B7). Das Erfordernis einer Abgrenzung der beiden Begriffe ergibt sich nach der Rechtsprechung des BFH bereits aus § 39b EStG und R 30 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst a Lohnsteuer-Richtlinien(vgl BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 153 RdNr 13).

54

Der Senat ist im Jahre 2009 davon ausgegangen, dass auch höchstrichterlich nicht näher bestimmt ist, was laufender Arbeitslohn ist (Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 30 mwN der bis dahin ergangenen Entscheidungen). Die bereits in dieser Entscheidung getroffene Feststellung, dass vor allem einige Entscheidungen des BFH existieren, in denen sich Ausführungen dazu finden, wann kein laufender Arbeitslohn vorliegt, mithin nur eine Negativabgrenzung vorgenommen worden ist, trifft weiterhin zu (vgl beispielhaft: BFH Beschluss vom 15.12.2011 - VI R 26/11 - BFHE 236, 127). Jetzt gibt es auch Entscheidungen des BFH, in denen weitere Konkretisierungen des Begriffs des laufenden Arbeitslohns formuliert werden. So hat der BFH ausgeführt (vgl BFH Urteil vom 16.12.2010 - VI R 27/10 - BFHE 232, 174, 181 RdNr 12; Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 153 f RdNr 13): "Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen)". Der laufende Arbeitslohn könne der Höhe nach schwanken, jedoch sei kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug im Falle von einmalig zugewandten Bezügen "wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt" gegeben (BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 13). Der sonstige Bezug unterscheide sich vom laufenden Arbeitslohn durch die Einmaligkeit des Bezugs (BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 15).

55

Das in diesen Entscheidungen hervorgehobene Kriterium des regelmäßigen Bezuges steht nicht allein für sich, sondern wird im EStG stets auf den Kontext des Lohnzahlungszeitraums bezogen (vgl zB § 3b Abs 2 S 1; § 38a Abs 1 S 2 Halbs 1; § 38a Abs 3; § 39b Abs 2 S 1 EStG). Dementsprechend wird auch von Seiten der steuerrechtlichen Literatur für das Vorliegen eines laufenden Arbeitslohns gefordert, dass es sich um einen zeitraumbezogenen, fortlaufenden, regelmäßig wiederkehrenden Bezug handeln muss (vgl Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl 2011, § 38a RdNr 4). Maßstab dieser Zeitraumbezogenheit ist insoweit entsprechend der Bemessung der Einkommensteuer das Kalenderjahr, mit der Folge, dass Zahlungen, die lediglich einmal jährlich geleistet werden, steuerrechtlich kein Teil des laufenden Arbeitslohns, sondern vielmehr sonstige Bezüge sind, wobei es unerheblich ist, ob sie jährlich wiederkehrend geleistet werden (Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 17; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 8/2012, § 38a B3). Für die erforderliche zeitliche Zuordnung ist bei sonstigen Bezügen steuerrechtlich der tatsächliche Zuflusszeitpunkt maßgeblich, mithin das Erlangen der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Arbeitnehmers über den Arbeitslohn (vgl BFH Urteil vom 3.2.2011 - VI R 66/09 - BFHE 232, 497, 499 RdNr 12, mwN; Heß in Lademann, EStG, Stand 7/2012, § 38a RdNr 16).

56

Demnach kann auch an der bisherigen Auffassung des Senats festgehalten werden, dass bei dem Begriff des laufenden Arbeitslohnes ein rein zeitliches Verständnis zugrunde zu legen ist (Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 22; Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 31). Den insoweit maßgeblichen Zeitraum gibt das BEEG selbst vor, weshalb nicht auf das steuerrechtliche Kalenderjahr zurückzugreifen ist. Entsprechend der Regelung des § 2 Abs 1 S 1 iVm § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG ist der gesetzlich vorgesehene zwölfmonatige Bemessungszeitraum für die Abgrenzung des laufenden Arbeitslohns von den sonstigen Bezügen maßgeblich.

57

Liegen einmalige, anlassbezogene Zahlungen vor, sind diese als sonstige Bezüge nicht Teil der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn mehrere solcher nicht zeitraumbezogen erwirtschafteten, ggf jedoch arbeitsrechtlich begründeten Zahlungen aus verschiedenen Anlässen im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum geleistet werden, wie dies in der Regel bei Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen der Fall ist. Denn jede dieser Zahlungen wird einmalig zugewandt, einmal anlässlich des (bevorstehenden) Urlaubs und einmal anlässlich der bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit. Beides sind einmalige Ereignisse innerhalb des zu betrachtenden Bemessungszeitraums (so im Ergebnis für das Kalenderjahr auch: BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 13).

58

Aufgrund des in § 2 Abs 7 S 2 BEEG enthaltenen eindeutigen Verweises auf die steuerrechtliche Vorschrift des § 38a Abs 1 S 3 EStG ergibt sich demnach, dass zu den sonstige Bezügen, die bei der Bestimmung des für die Berechnung des Elterngeldanspruchs maßgeblichen Einkommens unberücksichtigt bleiben, grundsätzlich auch das ausgezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehört(so im Ergebnis auch: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 24.10.2011 - L 11 EG 1929/10 - juris RdNr 33 ff; Jung/Wiegand in Wiegand, BEEG, Stand Februar 2011, § 2 RdNr 27 f; Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 2. Aufl 2010, § 2 BEEG RdNr 18; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, RdNr 176 ff: Wersig, jurisPK, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, 2009, § 2 BEEG RdNr 12; Oyda, Probleme bei der Ermittlung des Elterngeldes, NZS 2010, 194, 195).

59

In Ermangelung von Regelungen des BEEG zum Ausgleich von Härtefällen wird teilweise angeregt, jedenfalls solches Arbeitsentgelt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs zu berücksichtigen, auf das ein Anspruch bestanden habe. Da sich der Gesetzgeber für eine individuelle Ermittlung des Elterngeldanspruchs entschieden habe, überzeuge das Argument nicht, mittels eines typisierten und pauschalierten Verweises auf die steuerrechtlichen Regelungen eine leichtere Bearbeitung von Massenverfahren zu ermöglichen (so Eberhardt, Berücksichtigung von Gehaltsnachzahlungen beim Elterngeld, NZS 2011, 575, 577). Auch spreche der Umstand, dass von den Folgen der Ausklammerung bestimmter Lohnbestandteile primär abhängig Beschäftigte betroffen seien, wohingegen bei Selbstständigen stets sämtliche Einnahmen berücksichtigt würden, für eine enge Interpretation des Begriffs der "sonstigen Bezüge" (so Dau, jurisPR-SozR 21/2009, Anm 5 C).

60

Die Auswirkungen der "steuerrechtlichen" Ausgestaltung der elterngeldlichen Bemessungsgrundlage mögen im Einzelfall kritisch zu sehen sein, angesichts des Gesetzeswortlauts, der ins Steuerrecht verweisenden Systematik und des sich in der Gesetzesentwicklung bereits ausdrücklich bestätigten Willens des Gesetzgebers sieht der Senat jedoch keinen gangbaren Auslegungsweg, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, zumal auch der Sinn und Zweck des Elterngeldes keine Einbeziehung der während der vorgeburtlichen zwölf Kalendermonate erzielten sonstigen Bezüge gebietet.

61

Bereits aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des BEEG ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewusst gerade das 13. und 14. Monatsgehalt nicht in das Bemessungseinkommen mit einfließen lassen wollte (BT-Drucks 16/1889 S 21; BT-Drucks 16/2785 S 32). Die Bemessung des Elterngeldanspruchs sollte sich nach dem Willen des Gesetzgebers an dem zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung stehenden Einkommen ausrichten (BT-Drucks 16/1889 S 21), um insbesondere auch Reduzierungen des Elterngeldanspruchs durch den Zufluss einmaliger Bezüge in der Zeit nach der Geburt des Kindes zu vermeiden (BT-Drucks 16/2785 S 37).

62

Dieser Wille des Gesetzgebers hat zwischenzeitlich in der zum 1.1.2011 erfolgten Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG durch Art 14 Nr 2 Buchst c bb des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 - HBeglG 2011 - vom 9.12.2010 (BGBl I 1885) seinen Niederschlag gefunden. Denn der bis dahin geltende Verweis auf § 38a Abs 1 S 3 EStG wurde durch folgenden Wortlaut ersetzt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass damit die Auswirkungen der Rechtsprechung des Senats in seinem Urteil vom 3.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) korrigiert werden sollten, mit der Folge, dass künftig sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 und § 39b EStG als Einnahmen bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs unberücksichtigt bleiben, um eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit der maßgeblichen Bezüge sicherzustellen(vgl BT-Drucks 17/3030 S 48; dazu Dau, Das Elterngeld nach dem Haushaltsbegleitgesetz 2011, SGb 2011, 198, 201).

63

Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Elterngeldes muss allerdings bei mehrmals, dh mindestens zweimal, im Bemessungszeitraum erfolgten Zahlungen genau geprüft werden, ob es sich dabei um sonstige Bezüge oder um laufenden Arbeitslohn handelt. So hat der Senat bereits entschieden, dass im Bemessungszeitraum fortlaufend wiederkehrende Einkommensbestandteile, die wegen der in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitstätigkeit gezahlt werden, keine sonstigen Bezüge iS des § 2 Abs 7 S 2 iVm § 38a Abs 1 S 3 EStG darstellen(vgl Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 34), wobei nicht erforderlich ist, dass diese monatlich ausgezahlt werden. Sonstige Bezüge liegen danach nicht vor, wenn mit den Zahlungen ein verbindlich geschuldeter Teil des tatsächlich erwirtschafteten Gesamtarbeitslohnes befriedigt und die Auszahlungen dieser Lohnanteile zwar unterjährig, jedoch nicht monatlich mit dem Grundgehalt erfolgen. Zwar können die in der Lohn- und Gehaltsabrechnung enthaltenen Bezeichnungen solcher Zahlungen als "Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld" ein Indiz für im Bemessungszeitraum jeweils einmalige, anlassbezogene Zahlungen sein, jedoch ist im Zweifelsfall zu klären, ob sie "Monat für Monat" erwirtschaftet wurden, mithin Teil der Gesamtvergütung der Arbeitsleistung im Zwölfmonatszeitraum sind.

64

Um sie als laufenden Arbeitslohn einzuordnen, müssen den Zahlungen jeweils unterjährige Arbeitszeiträume entsprechen. Davon kann im Regelfall ausgegangen werden, wenn diese zusätzlich zum Monatsentgelt geleisteten Zahlungen ausdrücklich Teil des Jahresgesamtlohnanspruchs sind und ihre mindestens zwei Fälligkeitszeitpunkte arbeitsvertraglich einem unterjährigen Intervall zugeordnet werden können (erstes Kriterium). Je enger die vereinbarten regelmäßigen unterjährigen Zahlungsintervalle beieinander liegen, desto eher kann von einem laufenden Arbeitslohn ausgegangen werden. Ferner müssen Vereinbarungen vorliegen, die einen der erbrachten Arbeitsleistung entsprechenden anteiligen Auszahlungsanspruch begründen (zweites Kriterium). Besteht ein Anspruch auf anteilsmäßig angemessene Auszahlung der unterjährigen Lohntantiemen auch etwa für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis bzw einer Unterbrechung der Arbeitstätigkeit, spricht dies für die anlassunabhängige Zahlung von weiteren laufenden Arbeitslohnbestandteilen. Ergeben sich solche konkreten "Abfindungsansprüche" arbeitsvertraglich oder aus der bestehenden betrieblichen Übung nicht, ist im Regelfall von einmaligen, anlassbezogenen Zuwendungen auszugehen. Gleiches gilt für Regelungen betreffend die Höhe des Auszahlungsanspruchs bei Eintritt bzw Rückkehr in das Unternehmen nach Ablauf des letzten Fälligkeitszeitpunkts. Bleibt der auf den (Wieder)eintritt folgende Auszahlungsanspruch der Höhe nach vom geleisteten Arbeitszeitraum unberührt, ist dies ein Indiz dafür, dass gerade nicht die bis dahin geleistete Arbeitstätigkeit, sondern ein von ihr unabhängiger Anlass maßgebend für den Zahlungsanspruch ist.

65

Nach Überzeugung des Senats begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass sich nach diesen Maßgaben im Bemessungszeitraum geleistete einmalige, anlassbezogene Zahlungen nicht erhöhend auf den Elterngeldanspruch auswirken. Insbesondere wird dadurch der sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebende Gleichheitssatz nicht verletzt.

66

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürfen Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG Beschlüsse vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40 mwN; vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215 mwN; vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870 und vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN).

67

Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - aaO, 418 mwN).

68

Dadurch, dass § 2 Abs 7 S 2 BEEG auf § 38a Abs 1 S 3 EStG verweist und damit einmalige Einnahmen aus der Bemessungsgrundlage für den Elterngeldanspruch ausgeschlossen werden, werden Berechtigte je nach Ausgestaltung ihres Arbeitslohns unterschiedlich behandelt. Bei Arbeitnehmern, die ihre Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen bzw ein 13. bzw 14. Monatsgehalt nicht gesondert, sondern als regelmäßigen Anteil ihres Monatsgehalts erhalten, fließen diese Zahlungen ohne Weiteres als Teil des laufenden Arbeitslohns in die Berechnung des Elterngeldanspruchs erhöhend ein. Anders verhält es sich bei Arbeitnehmern, die Urlaubs- und Weihnachtsgeld als einmalige, anlassbezogene Zahlungen erhalten.

69

Unter Berücksichtigung des im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (vgl BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24, 26) ist diese Ungleichbehandlung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen bei der Bemessung des Elterngeldanspruchs lässt sich hinreichend sachlich rechtfertigen. Beachtlich ist insoweit, dass die Regelungen zur Höhe des Elterngeldanspruchs nicht an Persönlichkeitsmerkmalen anknüpfen, die dem Einzelnen nicht verfügbar sind (vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215). Dasselbe gilt für die vertragliche Ausgestaltung der Entgeltansprüche aus abhängiger Beschäftigung.

70

Gesetzgeberisch formuliertes Ziel der Leistung ist es, jedem betreuenden Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie zu gewähren (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 16/2785 S 2). Die Orientierung der Leistung am individuellen Einkommen soll dazu beitragen, dass es Müttern und Vätern auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz möglichst unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen zu sichern (BT-Drucks 16/1889 S 15, 19). Damit ist das Elterngeld, soweit es über den Mindestbetrag von 300 Euro als Entgeltersatzleistung ausgestaltet ist (§ 2 Abs 5 S 1 BEEG), eine an die unterschiedlichen Lebensumstände der jeweiligen Familie anknüpfende Leistung (BT-Drucks 16/1889 S 19), wobei es jedoch - und das geht aus den Beratungen zum Gesetzentwurf sowie aus der gesetzgeberischen Ausgestaltung eindeutig hervor - nicht um einen vollständigen Lohnersatz geht (vgl ausführlich dazu Senatsurteile vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 25 ff und - B 10 EG 17/11 R - juris RdNr 29 ff).

71

Gemessen daran ist es jedenfalls nicht willkürlich, einmalige Einnahmen und Entgeltansprüche, die nicht Teil des erwirtschafteten Arbeitslohns sind und lediglich anlassbezogen gewährt werden, von der Bemessung anhand des individuellen Einkommens auszunehmen und die Höhe des Elterngeldes an dem Einkommen zu orientieren, das regelmäßig im vorgeburtlichen Bemessungszeitraum zur Verfügung steht. Denn der zwölf Kalendermonate umfassende Bemessungszeitraum bildet die familiäre Lebenssituation, in die das Kind geboren wird, für dessen Betreuung die Erwerbstätigkeit reduziert bzw unterbrochen wird, zeitraumaktuell und konkret ab. In diesem Zeitrahmen kann von einem regelmäßigen Einkommenszufluss nur dann im Wortsinne und auch tatsächlich ausgegangen werden, wenn es sich nicht um lediglich einmalig erfolgende, sondern um anlassunabhängige, wiederkehrende und verbindlich geschuldete Lohnzahlungen handelt. Eine Berücksichtigung einmalig zufließender Zahlungen könnte die Höhe des Elterngeldanspruchs letztlich mehr von der Zufälligkeit des Zuflusszeitpunkts als von der vorgeburtlich tatsächlich bestehenden Einkommenssituation abhängig machen.

72

Schließlich ist ebenfalls beachtlich, dass Art und Weise der Zahlungsvereinbarung sowie die Gesamthöhe des laufenden Arbeitslohns Umstände sind, die nicht vom Gesetzgeber vorgegeben, sondern in der Regel von den Arbeitsvertragsparteien frei verhandelt werden. Handelt es sich nach deren eindeutigem und nachweisbarem Willen bei den nicht nur einmaligen unterjährigen Zahlungen um verbindliche Teile der Gesamtjahresvergütung, deren Fälligkeit lediglich in mehrmonatigen Intervallen festgelegt wurde und auf deren anteilige Erbringung der Arbeitnehmer auch im Falle des Nichterreichens des Zahlungszeitpunkts einen Anspruch hat, prägen sie die individuelle vorgeburtliche Lebenssituation in gleicher Weise wie das monatliche Grundgehalt. Insofern ist es sachgerecht, dass sie - anders als anlassbezogene Zahlungen - auch in die Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs mit einfließen.

73

Ob die vom Kläger im Bemessungszeitraum bezogenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen nach den vom Senat für richtig gehaltenen Kriterien von der Beklagten zu Recht als sonstige Bezüge eingeordnet worden sind, vermag der erkennende Senat anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Es fehlt an genaueren Feststellungen zur Eigenart und Ausgestaltung der betreffenden Zahlungen. Der Senat kann die erforderlichen Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst durchführen (vgl § 163 SGG). Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

74

Bei der Bewertung der rechtlichen Ausgestaltung der dem Kläger geleisteten zusätzlichen Zahlungen wird das LSG auch zu prüfen haben, inwieweit im Einzelfall die auf den Verdienstabrechnungen für Juni und November 2006 enthaltenen Hinweise einer arbeitsrechtlichen Anspruchsbegründung entgegenstehen. Dort heißt es:

75

"Soweit der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen zum Urlaub leistet, handelt es sich um einmalige, freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen. Sie begründen keinen rechtlichen Anspruch des/der Arbeitnehmers/in, weder dem Grunde noch der Höhe nach, weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft und führen auch für den Fall der wiederholten Leistung ohne ausdrückliche Wiederholung dieses Freiwilligkeitsvorbehaltes zu keinem Anspruch des/der Arbeitnehmers/in." (Verdienstabrechnung 06.06., Bl 35 der Verwaltungsakte)

76

Bzw. in der Novemberabrechnung:

"Soweit der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen leistet, z. B. im Zusammenhang mit Weihnachtsgeld oder Altersvorsorge, handelt es sich um einmalige freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen. Sie begründen keinen rechtlichen Anspruch des/der Arbeitnehmers/in, weder dem Grunde noch der Höhe nach.." (Verdienstabrechnung 11.06., Bl 40 der Verwaltungsakte)

77

Darüber hinaus wird das LSG die Eigenart der im November 2006 neben den regelmäßigen Zahlungen zugeflossenen Zuwendungen ("AG-Zuschuss zur HPK" und "VWL AG-Zuschuss" sowie "Altersvorsorge AG-An") näher zu ermitteln haben, um darüber befinden zu können, ob diese Zahlungen zutreffend bei der Bemessung des Elterngeldanspruchs außer Betracht geblieben sind.

78

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. September 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. In der Sache begehrt die Klägerin höhere bzw weitere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

2

Während das Sozialgericht Speyer (SG) "die Klagen" abgewiesen hat (Gerichtsbescheid vom 6.1.2014), hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz den Beklagten verurteilt, über bestimmte, im einzelnen bezeichnete Anträge der Klägerin (auf Auskunft) zu entscheiden, im Übrigen die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.9.2014).

3

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin ua als Verfahrensmangel geltend, das ihr am 27.4.2015 zugestellte Urteil des LSG sei erst am 24.4.2015 außerhalb der von der Rechtsprechung geforderten Fünf-Monats-Frist zur Geschäftsstelle gelangt. Damit fehle es an den Entscheidungsgründen iS des § 547 Nr 6 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

4

II. Die Beschwerde ist zulässig (§ 160a Abs 1 und 2 SGG) und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG ist als auf einem Verfahrensmangel (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG) beruhend anzusehen (§ 547 Nr 6 ZPO), sodass die Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden konnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 5 SGG).

5

Nach § 547 Nr 6 ZPO, der über § 202 SGG auch in sozialgerichtlichen Verfahren gilt, iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG ist die Entscheidung des LSG als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen (absoluter Revisionsgrund), weil sie nicht mit Gründen versehen ist.

6

Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) vom 27.4.1993 (BVerwGE 92, 367 ff = SozR 3-1750 § 551 Nr 4, vgl auch: BSGE 75, 74, 75 = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 43; BSGE 91, 283 ff RdNr 4 = SozR 4-1500 § 120 Nr 1; BSG SozR 3-1750 § 551 Nr 5 S 14 f und Nr 7 S 20 f; SozR 4-1750 § 547 Nr 2 mwN; SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 16) gilt nämlich ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil dann als nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Die vom GmSOGB gezogene Fünfmonatsgrenze trägt dem Erfordernis Rechnung, dass die abgefassten Entscheidungsgründe auf der Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Entscheidung und Verkündung beruhen müssen und konkretisiert die rechtsstaatlichen Anforderungen an das gerichtliche Verfahren in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl BVerfG, Beschluss vom 26.3.2001 - 1 BvR 383/00 - NJW 2001, 2161, 2162). Denn mit zunehmendem Abstand zwischen Beratung der Entscheidung und ihrer Begründung wird die Gefahr eines Auseinanderfallens von Beratungsergebnis und Entscheidungsgründen zwangsläufig ständig größer (BVerfG aaO).

7

Das LSG hat die Fünfmonatsfrist nicht eingehalten. Das angefochtene Urteil ist am 24.9.2014 verkündet, aber erst am 24.4.2015, somit deutlich nach Ablauf der Frist von fünf Monaten, der Geschäftsstelle übergeben worden. Dass das Urteil nach der vom Senat eingeholten dienstlichen Stellungnahme des Richters am LSG Dr. G. nur von diesem verspätet unterschrieben worden ist (am 23.4.2015), das Urteil von der Berichterstatterin des Verfahrens aber bereits im Oktober 2014 abgefasst und von ihr und dem Senatsvorsitzenden im selben Monat unterschrieben worden ist, ist rechtlich ohne Bedeutung. Denn als Entscheidung des gesamten Senats müssen die abgefassten Entscheidungsgründe auf der Überzeugung aller am Verfahren beteiligten Richterinnen und Richter im Zeitpunkt der Entscheidung und Verkündung beruhen.

8

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 309/02
vom
24. Juni 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht deshalb vor, weil das Urteil des
Berufungs(kollegial)gerichts von einem Richter unterzeichnet ist, der an der mündlichen
Verhandlung und der Urteilsfällung nicht beteiligt war; denn die falsche Unterschrift
kann gemäß § 319 ZPO nachträglich durch die richtige ersetzt werden.
Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Feststellungen
nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 und 5 ZPO (hier: die Ausführungen eines Sachverständigen)
nicht in das Protokoll aufgenommen werden müssen, liegen nicht vor, wenn das in
dem Rechtsstreit zu erlassende Urteil des Berufungsgerichts der Nichtzulassungsbeschwerde
nach § 544 ZPO unterliegt.
BGH, Beschluß vom 24. Juni 2003 – VI ZR 309/02 – OLG Düsseldorf
LG Krefeld
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2003 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. August 2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Streitwert: 35.000

Gründe:


Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist statthaft und in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§ 544 Abs. 1, 2 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg, weil die Klägerin keinen Grund für die Zulassung der Revision dargelegt hat (§ 544 Abs. 2 Satz 3, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). 1. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren daran beteiligt die Richter B., S. und T.. Dies weist auch der Urteilseingang aus. Ausweislich der dem Revisionsgericht vorliegenden Urteilsausfertigung ist das Urteil an letzter Stelle aber nicht von dem Richter T., sondern von der Richterin S.-B. unterschrieben worden. Der Mangel der Unterschrift nötigt indes nicht zu einer Zulassung der Revision, weil die falsche Unterschrift nach § 319 ZPO nachträglich durch die
richtige ersetzt werden kann, und zwar auch nach Einlegung der Revision (BGHZ 18, 350, 354 ff.; Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1988 - VI ZB 27/88 - NJW 1989, 1156, 1157; BGH, Urteil vom 26. November 1997 - VIII ZR 322/96 - NJW-RR 1998, 1065). Eine Rücksendung der Akten zwecks Berichtigung vor einer Entscheidung des Senats über die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht erforderlich. 2. Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung den Sachverständigen Prof. F. vernommen. Es hat von der Protokollierung von dessen Äußerungen „gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen“. Mit dieser Begründung durfte zwar von der Protokollierung nicht abgesehen werden. Nach § 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO muß die Aussage eines Sachverständigen dann nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO in das Protokoll aufgenommen werden, wenn das Prozeßgericht die Vernehmung durchgeführt hat und das Endurteil der Berufung oder der Revision nicht unterliegt. Die letzte Voraussetzung lag hier nicht vor, weil eine Revision jedenfalls im Fall der Zulassung auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin in Betracht kommt (vgl. Zöller /Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 161 Rdn. 3). Dies nötigt aber nicht zur Zulassung der Revision. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommt der Sache entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung nicht zu. Die grundsätzliche Notwendigkeit der Protokollierung ergibt sich aus dem Gesetz. Außerdem wirkt sich der Mangel der Protokollierung auf die Überprüfbarkeit des angegriffenen Urteils durch das Revisionsgericht hier nicht aus (dazu nachfolgend). Daß ein solcher Mangel nicht der für die Anwendung des § 295 ZPO vorauszusetzenden Parteidisposition unterliegt, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden (vgl. BGH, Urteile vom 18. Septem-
ber 1986 - I ZR 179/84 - NJW 1987, 1200 f. und vom 12. Mai 1993 - XII ZR 174/92 - BGHR ZPO § 543 Abs. 2, Tatbestand, fehlender, 10). Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Dabei kann dahinstehen, ob ein Mangel der Protokollierung, der dazu führt, daß die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung für das Revisionsgericht nicht in vollem Umfang ersichtlich sind, die Zulassung der Revision stets als erforderlich erscheinen lassen muß. Unter den vorliegenden Umständen kommt es darauf nicht an. Denn die an sich notwendige Protokollierung des Inhalts der Beweisaufnahme kann als ersetzbar angesehen werden, wenn er sich mit der erforderlichen Klarheit aus dem Tatbestand oder den Entscheidungsgründen des Urteils ergibt (vgl. BGHZ 40, 84, 86; BGH, Urteil vom 18. September 1986 - I ZR 179/84 - aaO). Dies ist hier der Fall. Entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Ansicht läßt sich dem angegriffenen Urteil entnehmen, welche Äußerungen der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zu den vom Berufungsgericht als entscheidungserheblich angesehenen Punkten gemacht hat. Dabei ist auch deutlich zwischen der Wiedergabe der Äußerungen des Sachverständigen und der daran anschließenden Würdigung des Berufungsgerichts, die weitere Gesichtspunkte einbezieht, unterschieden.
3. Weitere Rügen werden mit der Beschwerde nicht vorgebracht. Sie ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

Die Beteiligten werden von allen Beweisaufnahmeterminen benachrichtigt und können der Beweisaufnahme beiwohnen. Sie können an Zeugen und Sachverständige sachdienliche Fragen richten lassen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.

(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.

(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.

Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

Die Beteiligten werden von allen Beweisaufnahmeterminen benachrichtigt und können der Beweisaufnahme beiwohnen. Sie können an Zeugen und Sachverständige sachdienliche Fragen richten lassen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. November 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Streitig ist ein Anspruch des klagenden Versicherten gegen die beklagte Pflegekasse auf Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I für die Zeit ab 14.1.2009.

2

Der im Jahre 1943 geborene Kläger leidet an verschiedenen degenerativen und unfallbedingten Funktionseinschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie an psychischen Beeinträchtigungen in Form eines chronifizierten Schmerzsyndroms und einer Depression mit wechselnder, mitunter schwerer Ausprägung sowie an Antriebsstörungen. Seinen Antrag vom 14.1.2009 auf Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung lehnte die Beklagte nach Einholung eines Pflegebedürftigkeitsgutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 31.7.2009 ab, weil der durchschnittliche tägliche Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI) mit nur 19 Minuten nicht den Mindestzeitwert der Pflegestufe I von "mehr als 45 Minuten" (§ 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB XI) erreiche (Bescheid vom 22.10.2009, Widerspruchsbescheid vom 17.3.2010).

3

Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 12.12.2014). Es hat sich dabei auf zwei nach § 109 SGG eingeholte Gutachten der Ärzte Dr. Bl. vom 1.3.2012 (Grundpflegebedarf 52 Minuten) und Frau Dr. G. vom 9.10.2014 (Grundpflegebedarf 50 Minuten) gestützt. Nicht gefolgt ist das SG dem von Amts wegen eingeholten Gutachten des Arztes Dr. D. vom 7.4.2011 (Grundpflegebedarf 17 Minuten) sowie den von der Beklagten vorgelegten weiteren MDK-Gutachten vom 15.8.2012 und 19.11.2014 (Grundpflegebedarf 36 Minuten). Nach Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. B. vom 13.8.2015 (Grundpflegebedarf 29 Minuten), gegen das der Kläger Einwände erhoben hatte (Schriftsatz vom 31.8.2015), hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.11.2015), weil sich der tägliche Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege nur auf "knapp 30 Minuten" belaufe. Den die Pflegestufe I befürwortenden Gutachten von Dr. Bl. vom 1.3.2013 und Frau Dr. G. vom 9.10.2014 sei nicht zu folgen, weil insbesondere der Zeitaufwand für die Hilfe bei den mobilitätsbezogenen Verrichtungen zu hoch veranschlagt worden sei. Für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei kein Zeitwert in Ansatz zu bringen, weil die Ärzte ausweislich der Leistungsdatei der Beklagten für die Jahre 2010 bis 2014 nicht mindestens einmal wöchentlich aufgesucht worden seien. Den Antrag des Klägers auf "ergänzende Befragung" des Sachverständigen Dr. B. (Schriftsatz vom 31.8.2015), der in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2015 aufrechterhalten worden ist ("ergänzende Anhörung des Sachverständigen zu den im Schriftsatz vom 31.8.2015 aufgeworfenen Fragen"), hat das LSG in den Entscheidungsgründen abgelehnt: "Einer ergänzenden Anhörung des Sachverständigen Dr. B., wie vom Kläger hilfsweise beantragt, bedurfte es nicht. Dass der Sachverständige Wechselwirkungen zwischen dem Schmerzsyndrom des Klägers und seiner psychischen Erkrankung nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Sachverständige hat bei seiner Beurteilung des für die einzelnen Verrichtungen bestehenden Hilfebedarfs sowohl die schmerzhaften Bewegungseinschränkungen als auch die psychische Beeinträchtigung des Klägers und die durch den Medikamentenabusus bewirkte Bewusstseinseinschränkung berücksichtigt und im Einzelnen nachvollziehbar den resultierenden Hilfebedarf beschrieben, wobei er insbesondere auch die eigenen Angaben nicht nur des Klägers sondern auch von dessen Pflegeperson jeweils berücksichtigt hat. Durch die eingeholten Gutachten ist der Pflegebedarf des Klägers zur Überzeugung des Senats geklärt. Weiterer Ermittlungen bedurfte es daher nicht."

4

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG, weil die Entscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Er rügt die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention), weil das LSG dem Antrag auf ergänzende Anhörung des Sachverständigen Dr. B. hätte stattgeben müssen. Die Ablehnung dieses Antrages verletze sein Fragerecht (§ 116 Satz 2 SGG; § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 402 und 397 ZPO).

5

II. Die Beschwerde des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG. Der Kläger hat eine Verletzung seines Fragerechts nach § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 397, § 402, § 411 Abs 4 ZPO und damit seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs(§ 62 SGG) hinreichend bezeichnet; die Rüge trifft auch zu. Das LSG hat zu Unrecht den Sachverständigen Dr. B. nicht angehört. Insoweit liegt ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

6

Unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere, steht jedem Beteiligten gemäß § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 397, § 402, § 411 Abs 4 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung des Sachverhalts für dienlich erachtet(BVerfG NJW 1998, 2273; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7 und Nr 2 RdNr 5; BGH NJW 1998, 162). Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen nicht formuliert werden. Es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen, zB auf Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche hinzuweisen (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2 RdNr 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 118 RdNr 12f). Einwendungen in diesem Sinne sind dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (§ 411 Abs 4 ZPO). Eine Form für die Befragung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich (§ 411 Abs 3 ZPO) als auch schriftlich erfolgen kann (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl 2015, § 411 RdNr 5). Da die Rüge der Verletzung des Rechts auf Befragung eines Sachverständigen letztlich eine Gehörsrüge darstellt, müssen zudem deren Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss der Beschwerdeführer alles getan haben, um eine Anhörung des Sachverständigen zu erreichen (BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7). Dieser Obliegenheit ist ein Beteiligter jedenfalls dann nachgekommen, wenn er rechtzeitig den Antrag gestellt hat, einen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören und er schriftliche Fragen im oben dargestellten Sinne angekündigt hat, die objektiv sachdienlich sind; liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Gericht dem Antrag folgen, soweit er aufrechterhalten bleibt (BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 4 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7). Das gilt auch dann, wenn das Gutachten nach Auffassung des Gerichts ausreichend und überzeugend ist und aus seiner Sicht keiner Erläuterung bedarf (BVerfG NJW 1998, 2273; BGH NJW 1997, 802; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7 und Nr 2 RdNr 5) Diesen Anforderungen an die Bemühungen eines Beteiligten um rechtliches Gehör ist hier genügt.

7

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 31.8.2015 zu dem Gutachten von Dr. B. vom 13.8.2015 Stellung genommen, dabei mehrere seiner Ansicht nach erläuterungsbedürftige Punkte aufgezeigt und beantragt, diese dem Sachverständigen zur ergänzenden Befragung vorzulegen. Damit hat er die - mündliche oder schriftliche - Anhörung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens beantragt. Der Antrag war auch rechtzeitig, da er innerhalb der - bis zum 31.8.2015 reichenden - Frist erfolgt ist, die das LSG den Beteiligten zwecks Stellungnahme zu diesem Gutachten gewährt hatte (Verfügung des Vorsitzenden vom 14.8.2015). Das Anhörungsbegehren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2015 - als Hilfsantrag - erneuert und damit bis zuletzt aufrechterhalten.

8

Die vom Kläger als aufklärungs- und erläuterungsbedürftig angesprochenen Punkte sind auch sachdienlich.

9

Sachdienlichkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Einwände und Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10; Keller, aaO, § 116 RdNr 5); anderenfalls kann das Begehren rechtsmissbräuchlich sein (BGH NJW 1998, 162). Weitergehende Anforderungen an die Sachdienlichkeit der Einwände und Fragen sind nicht zu stellen. Unabhängig davon, ob das Gericht ein Gutachten für erläuterungsbedürftig hält (vgl nochmals BVerfG NJW 1998, 2273), soll das Fragerecht dem Antragsteller erlauben, im Rahmen des Beweisthemas aus seiner Sicht unverständliche, unvollständige oder widersprüchliche Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um auf das Verfahren Einfluss nehmen und die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung verstehen zu können. Das gilt erst recht, wenn - wie hier - um nicht unerhebliche finanzielle Dauerleistungen (Pflegegeld) gestritten wird. Nur dieses Verständnis trägt der Bedeutung des Fragerechts im Rahmen des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs hinreichend Rechnung, der als Folgerung des Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren verhindern soll, dass die Beteiligten nur Objekt des Verfahrens sind (vgl BVerfG NJW 1996, 3202; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10).

10

Anhaltspunkte für die Rechtsmissbräuchlichkeit des Anhörungsbegehrens sind nicht ersichtlich; zu Recht ist auch das LSG von der Sachbezogenheit der Einwände des Klägers ausgegangen. Der Sachverständige Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 13.8.2015, dem das LSG in weiten Teilen, aber nicht uneingeschränkt gefolgt ist (vgl die Abweichungen beim Treppensteigen und beim Stehen), den durchschnittlichen täglichen Grundpflegebedarf auf 29 Minuten veranschlagt, sodass eine Differenz von 17 Minuten zu dem Mindestzeitwert der Pflegestufe I von "mehr als 45 Minuten" (also praktisch 46 Minuten) verblieb. Der Kläger sieht dagegen die zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe I als erfüllt an. Er beanstandet, der Sachverständige habe die pflegebegründenden Gesundheitsstörungen nur unvollständig berücksichtigt und die sich verstärkenden Wechselwirkungen zwischen dem chronifizierten Schmerzsyndrom und den psychischen Beeinträchtigungen unzureichend erfasst. Insgesamt seien die angesetzten Zeitwerte für die Hilfeleistungen zu niedrig bemessen. Die Hilfen in Form der verrichtungsbezogenen Beaufsichtigung und Kontrolle, die wegen der Antriebsstörung erforderlich seien, habe der Sachverständige nicht hinreichend berücksichtigt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Ausübung des Fragerechts zu einer Korrektur der Einschätzung des Sachverständigen und eventuell zu einer Erhöhung des Zeitbedarfs für die Grundpflege, evtl sogar auf 46 Minuten, führen könnte. Immerhin spricht für die Rechtsauffassung des Klägers, dass die erstinstanzlich nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. Bl. und Frau Dr. G. Zeitwerte von 52 bzw 50 Minuten ergeben haben und das SG diesen Gutachten gefolgt ist. Ferner kann nicht außer Betracht bleiben, dass die MDK-Gutachten der Pflegefachkraft S. vom 15.8.2012 und 19.11.2014 bereits zu einem Grundpflegebedarf von 36 Minuten gekommen sind, also 7 Minuten mehr als von Dr. B. veranschlagt; dies ist insofern bemerkenswert, als die Pflegebedürftigkeitsgutachten des MDK in der Regel von einer eher zurückhaltenden Bemessung des für die Grundpflege erforderlichen Zeitaufwands gekennzeichnet sind.

11

Das LSG hat das Recht des Klägers auf Anhörung des Sachverständigen Dr. B.
verletzt. Es hätte auf den Antrag des Klägers entweder mit einer Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung (§ 411 Abs 3 ZPO) oder seiner schriftlichen Anhörung eingehen müssen (zur Möglichkeit der Aufforderung an den Kläger, die Einwände zuvor noch näher zu konkretisieren und dazu entsprechende Fragen zu formulieren, vgl BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 ZPO). Daran fehlt es. Das LSG hat sich lediglich selbst mit den Einwänden des Klägers gegen das Gutachten auseinandergesetzt. Daraus mag sich ergeben, dass es die Einwände für unerheblich hält. Das reicht jedoch als Ablehnungsgrund nicht aus (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 13). Der Kläger hat vielmehr Anspruch auf Beantwortung seiner Fragen durch den Sachverständigen, der das schriftliche Gutachten erstellt hat. Auf diesem Verfahrensmangel kann die Entscheidung des LSG auch beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das LSG nach Anhörung des Sachverständigen zu den Einwänden und Fragen des Klägers zu einer anderen - für den Kläger günstigeren - Beweiswürdigung und damit letztlich auch zu einer Zurückweisung der Berufung der Beklagten gekommen wäre.

12

Angesichts dieses Verfahrensfehlers kann die Frage offenbleiben, ob auch die Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) in zulässiger Weise erhoben worden und in der Sache begründet ist.

13

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird das LSG im Zuge des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. November 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung.

2

Der im Jahre 1970 geborene Kläger war zuletzt ab 2004 selbstständig - unter Entrichtung von Pflichtbeiträgen bis Juni 2007 - im Versicherungsgewerbe tätig. Danach war er arbeitsunfähig erkrankt bzw arbeitslos.

3

Sein im Januar 2011 gestellter Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung blieb nach Einholen eines nervenärztlichen Gutachtens (Dr. F. vom 17.3.2011) erfolglos (Bescheid vom 28.3.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.8.2011). Demnach erfüllte der Kläger nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum (vom 24.1.2006 bis 23.1.2011) lägen nicht die erforderlichen 36 Monate, sondern lediglich 29 Monate mit Pflichtbeiträgen vor.

4

Das Klageverfahren blieb nach Einholung eines neurologisch/psychiatrischen Gutachtens (Dr. Sch. vom 16.4.2012) ebenfalls erfolglos (Gerichtsbescheid SG Mainz vom 29.10.2012). Im Berufungsverfahren hat das LSG Unterlagen der den Kläger im Zeitraum von 2009 bis 2011 behandelnden Ärzte eingeholt (Berichte der Psychiaterin E., des Allgemeinmediziners Dr. St. und der Nervenärztin Dr. I., alle datiert vom Frühjahr 2013). Auf Antrag des Klägers (§ 109 SGG) hat das Berufungsgericht das psychiatrische Gutachten des Dr. S. vom 10.6.2013 eingeholt. Der Sachverständige hat das Leistungsvermögen des Klägers mit weniger als drei Stunden täglich beurteilt. In beiden Vorgutachten seien die Auswirkungen der Zwangsstörung des Klägers nicht oder nur unzureichend berücksichtigt worden. Schwierig sei aber, den genauen Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung festzulegen. Nach den Unterlagen bzw Angaben des Klägers habe dieser wohl seit 1.11.2009 nicht mehr als Versicherungskaufmann gearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt seien die Vorgutachter (Dr. F. und Dr. Sch.) noch von der Erwerbsfähigkeit des Klägers ausgegangen. Unter Berücksichtigung, dass sich das Ausmaß der Zwangsstörung innerhalb der letzten zwei Jahre vor der jetzigen Begutachtung verändert habe, sei von einer maßgeblichen rentenrelevanten Verschlechterung des Leistungsvermögens seit Juni 2012 auszugehen.

5

Mit Schriftsatz vom 8.8.2013 hat der Kläger daraufhin vorgetragen, dass er seine Tätigkeit als Versicherungskaufmann schon zum 31.3.2009 aufgegeben habe und er schon vor diesem Zeitpunkt, im Dezember 2008, vollständig erwerbsgemindert gewesen sei. Der Zeitpunkt des Versicherungsfalls sei daher der 31.12.2008. Vorsorglich werde beantragt, Dr. S. ergänzend zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung zu befragen bzw hierüber ein ergänzendes Gutachten einzuholen. Auch wenn er die Versicherungsagentur formal erst zum 31.3.2009 gekündigt habe, sei er bereits seit Ende des Jahres 2008 nicht mehr in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Hierfür hat er sich auf weitere Atteste seiner behandelnden Ärzte berufen, die ua entweder den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit auf den 1.1.2009 bzw auf ein früheres Datum als Juni 2012 attestiert haben (ärztliche Atteste Dr. I. vom 5.7.2013 und vom 8.6.2012; Dr. J./T. vom 28.6.2013; Dr. St. vom 2.7.2013). Mit Schriftsatz vom 11.9.2013 hat er ferner beantragt, die Psychiaterin E. als Zeugin zum Eintritt der vollständigen Erwerbsminderung seit 31.12.2008 zu vernehmen und das Zeugnis seiner Mutter und seiner geschiedenen Ehefrau einzuholen zu dem Umstand, dass er seit Ende 2008 "apathisch im Bett gelegen" habe, ohne in der Lage gewesen zu sein, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Mit Schriftsätzen vom 13.9.2013 und 26.9.2013 hat er an diesem Vortrag festgehalten.

6

In der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 hat der Kläger hilfsweise beantragt, "Frau S. S. und Frau S. Se. als Zeuginnen zu seiner psychischen Erkrankung ab 2008 anzuhören, eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. S. sowie Stellungnahmen und Sachverständigenzeugnisse von der Psychiaterin E., von Dr. St. sowie der Nervenärztin Frau Dr. I. zum Eintritt des Versicherungsfalles und evtl ein weiteres Gutachten von Amts (wegen) einzuholen". Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 13.11.2013) und im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe Rente weder wegen voller noch teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit, zu (§ 43 SGB VI, § 240 SGB VI). Er hätte nur dann die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs 2 Nr 2 SGB VI) erfüllt, wenn die Erwerbsminderung spätestens im Juni 2009 eingetreten wäre. Damals sei er jedoch weder voll noch teilweise erwerbsgemindert gewesen. Insoweit folge der Senat den übereinstimmenden Gutachten (Dr. F. vom 17.3.2011, Dr. Sch. vom 16.4.2012 und Dr. S. vom 10.6.2013). Der Senat gehe davon aus, dass die Erwerbsminderung des Klägers zweifelsfrei erst seit der Begutachtung durch Dr. S. im Juni 2013 feststehe. Auch wenn dieser eine Zwangssymptomatik festgestellt habe, die in ihren Auswirkungen weit über die von den Vorgutachtern diagnostizierten Ergebnisse hinausgehe und dazu geführt habe, dass der Kläger seit Juni 2012 nicht mehr in der Lage sei, eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, seien die Ergebnisse der Vorgutachter nicht fehlerhaft. Die aktuellen Atteste der behandelnden Ärzte ließen keine Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit im Juni 2009 zu. Die vom Kläger beantragten Zeugenvernehmungen seiner Mutter oder seiner geschiedenen Ehefrau seien nicht geeignet, Beweis zur Bestimmung des Versicherungsfalls zu bringen. Der medizinische Sachverhalt sei wegen der Vielzahl der ärztlichen Atteste und Gutachten ausreichend geklärt, sodass auch die Einholung weiterer medizinischer Auskünfte und Stellungnahmen nicht erforderlich sei.

7

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger Verfahrensmängel und eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG)geltend. Das LSG habe die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, weil es den hilfsweise gestellten Anträgen in der mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen sei. Im Übrigen habe das LSG einen vom Senatsbeschluss vom 31.10.2012 (B 13 R 107/12 B) divergierenden Rechtssatz aufgestellt, indem es ausgeführt habe: "Zeiten der Arbeitsunfähigkeit lassen keinen Schluss auf das Vorliegen von voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu."

8

II. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung der Sache begründet.

9

Der Kläger hat eine Verletzung seines Fragerechts nach § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und damit seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs(§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) hinreichend bezeichnet. Die Gehörsrüge trifft auch zu. Das LSG hat den Sachverständigen Dr. S. zu Unrecht nicht erneut angehört. Darin liegt ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

10

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass - unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anzuordnen - jedem Beteiligten gemäß § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet(BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7, Nr 2 RdNr 5; Senatsbeschlüsse vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B - Juris RdNr 13; vom 25.4.2013 - B 13 R 29/12 B - Juris RdNr 12, jeweils mwN; s auch BVerfG Beschluss vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273). Dies gilt auch dann, wenn der Sachverständige - wie hier - ein Gutachten auf Antrag des Beteiligten gemäß § 109 SGG erstellt hat(vgl BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 5 f; Senatsbeschluss vom 25.4.2013 - B 13 R 29/12 B - Juris, aaO). Sachdienliche Fragen iS von § 116 S 2 SGG liegen dann vor, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind(vgl BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10). Hierbei müssen keine Fragen formuliert werden; es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (vgl BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1). Hingegen fehlt es an der Sachdienlichkeit, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl BVerfG Beschluss vom 29.8.1995 - 2 BvR 175/95 - NJW-RR 1996, 183, 184 mwN zur Rechtsprechung des BGH). Da das Fragerecht an die Sachverständigen der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs dient, ist weiterhin erforderlich, dass der Beteiligte alles getan hat, um die Anhörung des Sachverständigen zu erreichen. Dieser Obliegenheit ist er jedenfalls dann nachgekommen, wenn er einen darauf gerichteten Antrag rechtzeitig gestellt hat, dabei schriftlich objektiv sachdienliche Fragen angekündigt und das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7). Liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Gericht dem Antrag folgen, selbst dann, wenn das Gutachten nach Auffassung des Gerichts ausreichend und überzeugend ist und keiner Erläuterung bedarf (vgl BVerfG vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273).

11

Diesen Anforderungen an die Bemühungen des Beteiligten um rechtliches Gehör ist hier genügt. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 8.8.2013 beantragt, den Sachverständigen Dr. S. ergänzend zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung zu befragen. Er hat dies damit begründet, dass sein Leistungsvermögen in den Vorgutachten (Dr. F. und Dr. Sch.) unzutreffend eingeschätzt worden sei. Insbesondere habe er bereits Ende März 2009 seine Tätigkeit im Versicherungsgewerbe aufgegeben. Diese Frage war sachdienlich. Der Sachverständige hat selbst auf die Schwierigkeit der Konkretisierung des Zeitpunkts der rentenrelevanten Verschlechterung im Leistungsvermögen des Klägers hingewiesen (Bl 225 LSG-Akte). Ferner ist Dr. S. in seinem Gutachten davon ausgegangen, dass der Kläger ab 1.11.2009 nicht mehr in seinem Beruf als Versicherungskaufmann gearbeitet habe (LSG-Akte aaO). Da es auf der Grundlage der Feststellungen des LSG darauf ankommt, dass die Erwerbsminderung spätestens im Juni 2009 eingetreten sein müsste, hält sich die an Dr. S. gerichtete Frage im Rahmen des Beweisthemas; sie ist weder abwegig noch angesichts der aufgezeigten Widersprüche und Unsicherheiten eindeutig beantwortet noch ist sie rechtsmissbräuchlich.

12

Im Übrigen gilt, dass unabhängig davon, ob das Gericht ein Gutachten für erläuterungsbedürftig hält, das Fragerecht dem Antragsteller gerade erlauben soll, im Rahmen des Beweisthemas aus seiner Sicht unverständliche, unvollständige oder auch widersprüchliche Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um auf das Verfahren Einfluss zu nehmen und die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung verstehen zu können.

13

Das LSG hat das Recht des Klägers auf Anhörung des Sachverständigen Dr. S. verletzt. Es hätte den bis zum Schluss in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Antrag, von Dr. S. eine ergänzende Stellungnahme zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls einzuholen, nachkommen müssen. Stattdessen hat das LSG dem Einwand des Klägers hinsichtlich des Datums der Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit und eines möglichen früheren Eintritts der Erwerbsminderung keine Rechnung getragen. Die vom LSG angegebenen Ablehnungsgründe sind aber nicht ausreichend, wenn es davon ausgeht, dass sich aus den drei eingeholten Gutachten bislang nicht ergeben habe, dass der Kläger bereits im Juni 2009 voll oder teilweise erwerbsgemindert gewesen sei.

14

Auf dem aufgezeigten Verfahrensmangel kann die Entscheidung des LSG beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das LSG nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Dr. S. zu einer anderen Einschätzung des Eintritts der vollen bzw teilweisen Erwerbsminderung gekommen wäre bzw weitere Sachaufklärung für notwendig gehalten hätte.

15

Da die Beschwerde bereits aus den oben dargelegten Gründen erfolgreich ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senats mehr, ob sich das LSG hätte gedrängt sehen müssen, den in der mündlichen Verhandlung ebenfalls aufrechterhaltenen, hilfsweisen Beweisanträgen bzw dem Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nachzukommen. Ebenso kann die gerügte Divergenz dahinstehen.

16

Das BSG kann in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs 5 SGG die angefochtene Entscheidung auch dann wegen eines Verfahrensfehlers aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweisen, wenn die Beschwerde zusätzlich auf eine Divergenz gestützt wird, der Verfahrensmangel aber selbst bei Annahme der Divergenz und bei Zulassung der Revision voraussichtlich zur Zurückverweisung führen würde(vgl Senatsbeschluss vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B - Juris RdNr 21 mwN). Zur Vermeidung von weiteren Verfahrensverzögerungen macht der Senat von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch.

17

Die Vorinstanz wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit. Ihr Rentenantrag vom April 2006 blieb im Verwaltungs-, Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren erfolglos.

2

Im vom Senat (Beschluss vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B) zurückverwiesenen Berufungsverfahren hat das LSG die zunächst verfahrensfehlerhaft (vgl dazu Senatsbeschluss aaO RdNr 18) unterbliebenen Anhörungen der Sachverständigen Dr. L. und Dr. M. auf die Einwände der Klägerin zu ihren im Jahr 2009 erstellten Gutachten eingeholt. Dr. M. hat zudem eine zusammenfassende Stellungnahme zu den Gesundheitsstörungen der Klägerin auf allen Fachgebieten abgegeben (Dr. L. vom 30.5.2011; Dr. M. vom 25.7.2011). Die nicht rechtskundig vertretene Klägerin hat daraufhin gegen die Beantwortung ihrer an die Sachverständigen gerichteten Fragen erneut Einwände erhoben (Schreiben vom 15.9. und 7.11.2011), zu denen diese wiederum Stellung genommen haben (Dr. L. vom 21.2.2012; Dr. M. vom 29.3.2012). In weiteren Schreiben (vom 4.4. und 4.6.2012) hat die Klägerin vorgetragen, dass ihre Fragen nach wie vor unzureichend beantwortet geblieben seien, und hat die mündliche Anhörung der Sachverständigen verlangt. Mit Schreiben vom 26.9.2012 hat die Klägerin einen an beide Sachverständige gerichteten Fragenkatalog überreicht. In der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2012 hat sie der Sachverständigen Dr. M. einen Fragenkatalog (Fragen 1 bis 19.3 = 22 Fragen) zur Beantwortung vorgelegt. Nachdem die Sachverständige die Fragen 1 bis 9 mündlich beantwortet hatte (s Sitzungsprotokoll, Bl 434 ff LSG-Akte), hat das LSG die mündliche Verhandlung vertagt und Dr. M. die schriftliche Beantwortung der restlichen Fragen (10 bis 19.3) aufgegeben. Die Sachverständige hat diese Fragen mit dem Ergebnis beantwortet, dass sich keine Änderung der sozialmedizinischen Beurteilung im Vergleich zu ihrem Gutachten vom 19.10.2009 ergebe (Stellungnahme vom 15.11.2012). Im Schreiben vom 29.12.2012 hat die Klägerin ausgeführt, dass ihre Fragen (Nr 1 bis 19.3) jeweils nicht ausreichend beantwortet worden seien und hat fünf weitere an Dr. L. gerichtete Fragen formuliert.

3

In der mündlichen Verhandlung vom 27.2.2013 hat die Klägerin insbesondere an ihrem im Schreiben vom 29.12.2012 formulierten Fragenkatalog festgehalten und die schriftliche oder mündliche Anhörung von Dr. L. und Dr. M. beantragt, hilfsweise hat sie unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 15.9.2011 die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens und eines Gutachtens auf dem Gebiet der interdisziplinären Schmerztherapie beantragt.

4

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 1, 2 SGB VI), auch nicht bei Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs 1 und Abs 2 SGB VI) habe. Im streitigen Zeitraum bis Oktober 2011 sei die Klägerin noch in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung ihrer qualitativen Gesundheitsstörungen zu verrichten. Dies folge aus den überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. M. und Dr. L. Ihre ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen und die mündliche Anhörung von Dr. M. hätten zu keinem anderen Ergebnis geführt. Dr. M. habe die von der Klägerin vorgebrachten Vorbehalte überzeugend widerlegt. Der in der mündlichen Verhandlung erneut gestellte Antrag, die Sachverständigen zu diversen Fragen zu hören, sei objektiv nicht sachdienlich und daher abzulehnen gewesen. Bei der Klägerin liege weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor; doch selbst, wenn man dies unterstellte, sei die Klägerin in der Lage, Tätigkeiten als Telefonistin oder als Reiseverkehrskauffrau nach einer kurzen Umstellungsphase zu verrichten. Von einer solchen Verwendbarkeit seien Dr. M. und Dr. L. unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Stellungnahme des Landesarbeitsamts Hessen vom 28.2.2010 ausgegangen. Relevante Einschränkungen in der Wegefähigkeit der Klägerin seien unter Berücksichtigung aller medizinischen Erkenntnisse nicht festzustellen gewesen. Die Klägerin könne auch keine Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) verlangen. Ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reiseleiterin sei eine ungelernte Tätigkeit; von dem erlernten Beruf der Reiseverkehrskauffrau habe sich die Klägerin bereits im Jahr 1996 gelöst. Sie genieße daher keinen Berufsschutz. Im Übrigen habe sie die Grenze des Rechtsmissbrauchs überschritten, wenn sie im Schriftsatz vom 29.12.2012 und in der mündlichen Verhandlung die erneute Befragung der Sachverständigen zu von ihr wiederholt aufgeworfenen Fragen beantragt habe. Beide Sachverständige hätten sich umfassend und ausführlich mit den von der Klägerin vorgetragenen Einwänden, Fragen und Vorhalten befasst und diese hinlänglich beantwortet. Zur Einholung eines berufskundlichen oder eines weiteren medizinischen Gutachtens habe nach den umfangreichen Sachverhaltsermittlungen kein Anlass mehr bestanden.

5

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin Verfahrensmängel und eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 und Nr 3 SGG. Das LSG habe den "verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Anträge der Klägerin auf mündliche Anhörung des Sachverständigen Dr. L. und erneute Anhörung der Sachverständigen Dr. M. bzw deren ergänzende schriftliche Befragung unter Verstoß gegen § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO übergangen" und die Beweisanträge der Klägerin auf Einholung eines medizinischen und eines berufskundlichen Gutachtens abgelehnt habe. Aus dieser Verfahrensweise ergebe sich eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG (S 48 der Beschwerdebegründung).

6

II. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig aber unbegründet, soweit sie Verfahrensmängel geltend macht. Im Übrigen ist die Beschwerde unzulässig.

7

1. Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres Fragerechts nach § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und damit ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs(§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) geltend macht, ist die Gehörsrüge zwar hinreichend bezeichnet. In der Sache trifft sie jedoch nicht zu.

8

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, jedem Beteiligten gemäß § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet(stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1, 2; Senatsbeschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B; BVerfG vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273 - Juris RdNr 11).

9

Sachdienlichkeit iS von § 116 S 2 SGG ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind. Abgelehnt werden kann ein solcher Antrag prozessordnungsgemäß auch dann, wenn er rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird, wenn die an den Sachverständigen zu richtenden Fragen nicht hinreichend genau benannt oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl BVerfG vom 29.8.1995 - 2 BvR 175/95 - NJW-RR 1996, 183 - Juris RdNr 29 mwN). Das auf den og Rechtsgrundlagen beruhende Fragerecht begründet hingegen keinen Anspruch auf stets neue Befragungen, wenn der Beteiligte und der Sachverständige in ihrer Beurteilung nicht übereinstimmen.

10

Der Senat kann offenlassen, ob sich das Verhalten der Klägerin insgesamt als verfahrensverzögernd und damit rechtsmissbräuchlich darstellt. Jedenfalls sind die von der Klägerin dem LSG vorgelegten Fragen, zuletzt im Schreiben vom 29.12.2012, mit denen sie die schriftliche oder mündliche Anhörung der Sachverständigen erreichen wollte, nicht sachdienlich. Denn sie sind entweder bereits eindeutig beantwortet oder beweisunerheblich. Einer weiteren Anhörung der Sachverständigen bedarf es daher nicht.

11

a) Die Fragen 1 bis 19.3 im Fragenkatalog vom 17.10.2012 (wiederholt im Schreiben vom 29.12.2012) hat die Sachverständige Dr. M. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.10.2012 und zuletzt in ihrer Stellungnahme vom 15.11.2012 eindeutig beantwortet:

12

Zu Frage 1 (psychologische Testverfahren) hat Dr. M. unmissverständlich ausgeführt, dass die angewandten psychologischen Testverfahren in Rentenverfahren nur eine untergeordnete Rolle spielen und hat dargelegt, welche anderen Faktoren sie bei der Bewertung von Leistungseinschränkungen als Folge einer Depression zugrunde gelegt hat.

13

Zu Fragen 2 bis 4 (Tinnitus) hat Dr. M. klargestellt, dass kein dekompensierter Tinnitus vorliegt, der zu maßgeblichen Leistungseinschränkungen führt. Zudem hat das LSG festgestellt, dass der Tinnitus erstmals zu einem Zeitpunkt nachgewiesen wurde, als die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt waren. Es besteht daher kein Grund, die Sachverständige erneut zu befragen, ob sie an ihrer Einschätzung festhält.

14

Zu Fragen 4 und 5 (psychische Beeinträchtigungen) hat Dr. M. ausführlich begründet, weshalb nach ihrer Einschätzung ein eher geringer Leidensdruck in Bezug auf die psychischen Beschwerden bei der Klägerin besteht. Dass die Klägerin diese Einschätzung nicht teilt, begründet keine Notwendigkeit, die Sachverständige erneut zu befragen, ob sie ihre Einschätzung ändert.

15

Auf Frage 6 hat Dr. M. eindeutig geantwortet, dass sie ihre Beurteilung in Kenntnis des Befundberichts der die Klägerin behandelnden Hausärztin nicht ändert.

16

Gegen die Beantwortung von Frage 7 hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung (S 56) keine Einwände mehr erhoben.

17

Frage 8 (berufskundliche Kenntnisse der Sachverständigen) hat Dr. M. eindeutig beantwortet.

18

Fragen 9 bis 12 (Wegefähigkeit) hat Dr. M. sowohl mündlich als auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15.11.2012 eindeutig beantwortet. Dass die Klägerin die Ergebnisse dieser Einschätzung nicht teilt, begründet keine Notwendigkeit, die Sachverständige erneut anzuhören.

19

Fragen 13 und 14 (Einsatz von Schmerzmitteln und Schonhaltung) sind von Dr. M. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15.11.2012 eindeutig beantwortet worden. Es besteht daher kein Anlass nachzufragen, ob die Sachverständige von dieser Einschätzung abrücken möchte.

20

Frage 15 (Asthma bronchiale und kardiovaskuläre Risikofaktoren) hat Dr. M. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15.11.2012 eindeutig beantwortet. Hiernach hat sie bei Beurteilung der Leistungseinschränkungen auch das Asthma bronchiale berücksichtigt, soweit den ärztlichen Unterlagen objektive Befunde zu Grunde lagen, und im Übrigen auf die Ergebnisse der internistischen Begutachtungen (zuletzt Gutachten des Internisten M. vom 15.11.2007) verwiesen.

21

Zu Frage 16 hat Dr. M. in ihrer Stellungnahme vom 15.11.2012 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Beurteilung zum Leistungsvermögen der Klägerin auch in Kenntnis, dass diese ihre Schriftsätze nicht selbst verfasst oder geschrieben habe, aufrechterhält.

22

Die Notwendigkeit einer erneuten Beantwortung der Fragen 17 bis 19.3 hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung (S 64) nicht mehr geltend gemacht.

23

Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine weitere mündliche Anhörung der Sachverständigen Dr. M. zu den bereits schriftlich beantworteten Fragen. Art 103 Abs 1 GG gewährt keinen Anspruch darauf, das Fragerecht gegenüber Sachverständigen in jedem Fall mündlich auszuüben (vgl BVerfG vom 29.5.2013 - 1 BvR 1522/12 - Juris RdNr 2; vgl auch BVerfG vom 17.1.2012 - 1 BvR 2728/10 - NJW 2012, 1346, Juris RdNr 15 mwN). Es ist nicht erkennbar - und von der Klägerin auch nicht eingewendet -, dass eine mündliche Befragung einen über die Wiederholung schriftlicher Äußerungen hinausreichenden Mehrwert hätte (vgl BVerfG vom 29.5.2013, aaO).

24

b) Soweit die Klägerin die erneute Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. zu den Fragen 1 bis 5 im Schreiben vom 29.12.2012 beantragt hat, gilt nichts anderes. Die dort gestellten Fragen 1 bis 4 (zum Beruf der Warenaufmacherin; zur Berücksichtigung von wechselnden Körperpositionen, der Harndrang-Inkontinenz, der Geschicklichkeit der Hände bei Ausübung von Tätigkeiten als Pförtnerin, Mitarbeiterin in einer Poststelle bzw als Telefonistin) sind nicht beweiserheblich, denn das LSG hat die Klägerin nicht auf solche Tätigkeiten verwiesen (S 29, letzter Abs der Entscheidungsgründe). Frage 5 (zur somatoformen Schmerzstörung) hat Dr. L. (S 4 der Stellungnahme vom 30.5.2011) eindeutig beantwortet, wonach die Beurteilung der somatoformen Schmerzstörung Gegenstand des Gutachtens von Dr. M. gewesen ist.

25

2. Ausgehend von seiner Rechtsansicht musste sich das LSG auch noch nicht gedrängt sehen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6), den hilfsweise gestellten Beweisanträgen auf Einholung eines Gutachtens auf dem Gebiet der interdisziplinären Schmerztherapie bzw eines berufskundlichen Gutachtens nachzugehen. Daher kann dahingestellt bleiben, ob prozessordnungsgemäße Beweisanträge gestellt worden sind (vgl § 118 Abs 1 SGG iVm §§ 402, 403 ZPO).

26

a) Die Frage, ob bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt und welche Leistungseinschränkungen hieraus resultieren, hat Dr. M. in ihrem Gutachten vom 19.10.2009 und den mehrfachen ergänzenden Stellungnahmen hinlänglich beantwortet (zuletzt in ihrer Stellungnahme vom 15.11.2012, Fragen 13 und 14). Die Notwendigkeit der Einholung eines Zusatzgutachtens auf dem Gebiet der "interdisziplinäre(n) Schmerztherapie" hat die Klägerin nicht ansatzweise substantiiert begründet, auch nicht in dem von ihr in Bezug genommenen Schriftsatz vom 15.9.2011, in dem sie auf die von Dr. M. diagnostizierte Schmerzstörung verwiesen und dort jedenfalls keine Einwände erhoben hat.

27

b) Das LSG musste sich auch nicht gedrängt sehen, ein berufskundliches Gutachten einzuholen zu der Frage, ob sich die Klägerin innerhalb von drei Monaten auf die aktuellen Anforderungen an den Beruf der Reiseverkehrskauffrau ein- bzw umstellen kann (Schriftsatz vom 15.9.2011). Denn hierauf kommt es nicht entscheidungserheblich an. Das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin noch in der Lage gewesen ist, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im streitigen Zeitraum bis Oktober 2011 zu verrichten. Es hat ferner unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (S 14 ff der Entscheidungsgründe LSG) weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung festgestellt (S 22 Abs 2, S 23 vorletzter Abs der Entscheidungsgründe) und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R - BSG SozR 4-2600 § 44 Nr 1) ausgeführt, es sei nicht zu befürchten, dass der allgemeine Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen für die Klägerin verschlossen sei. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl nur Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr 16, RdNr 36 ff)besteht in einem solchen Fall kein Erfordernis, der Klägerin eine Verweisungstätigkeit zu benennen. Nur für den - hier nicht festgestellten - Fall des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung wäre erheblich, ob die Klägerin noch bestimmte Verweisungstätigkeiten ausüben kann. Da sie sich nach den Feststellungen des LSG auch auf keinen Berufsschutz berufen kann, weil sie sich bereits Mitte der 90iger Jahre von ihrem erlernten Beruf der Reiseverkehrskauffrau gelöst hat, musste es sich auch für die Frage, ob ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) besteht, zu keinen weiteren berufskundlichen Ermittlungen gedrängt sehen.

28

3. Soweit sich die Klägerin auf eine Divergenz beruft, hat sie eine Rechtsprechungsabweichung nicht hinreichend bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG). Insofern ist die Nichtzulassungsbeschwerde bereits unzulässig.

29

Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Dies ist der Fall, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.

30

Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes der Divergenz gehört es, in der Beschwerdebegründung nicht nur eine Entscheidung genau zu bezeichnen, von der die Entscheidung des LSG abgewichen sein soll; es ist auch deutlich zu machen, worin genau die Abweichung zu erachten sein soll. Der Beschwerdeführer muss daher darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung tragende Abweichung in den rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss mithin einen abstrakten Rechtssatz der vorinstanzlichen Entscheidung und einen abstrakten Rechtssatz aus dem höchstrichterlichen Urteil so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Nicht hingegen reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich muss aufgezeigt werden, dass das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f mwN).

31

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat es bereits versäumt, zwei sich einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Berufungsurteil und aus einem Urteil des BSG bzw des BVerfG gegenüberzustellen. Hierfür genügt es jedenfalls nicht, die Ausführungen aus dem Beschluss des BVerfG vom 3.2.1998 (1 BvR 909/94, NJW 1998, 2273) umfänglich wiederzugeben (S 48 f der Beschwerdebegründung). Ebenso wenig reicht es vorzutragen, dass die angefochtene Entscheidung mit der Rechtsprechung des BSG nicht vereinbar sei, weil das LSG den Antrag der Klägerin auf erneute Befragung der Sachverständigen übergangen habe. Mit diesem Vortrag kleidet die Klägerin die zuvor erhobene Gehörsrüge lediglich in das Gewand einer Divergenzrüge. Auch damit aber kann sie nicht durchdringen.

32

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

33

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.