Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2018 - XII ZR 94/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:280218UXIIZR94.17.0
bei uns veröffentlicht am28.02.2018
vorgehend
Landgericht Ellwangen, 3 O 78/16, 29.07.2016
Oberlandesgericht Stuttgart, 7 U 143/16, 12.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 94/17 Verkündet am:
28. Februar 2018
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für ein Familienfahrzeug der Ehegatten
kann ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der
Familie i.S.v. § 1357 Abs. 1 BGB sein. Gleiches gilt für die Kündigung eines
solchen Vertrags.
BGH, Urteil vom 28. Februar 2018 - XII ZR 94/17 - OLG Stuttgart
LG Ellwangen (Jagst)
ECLI:DE:BGH:2018:280218UXIIZR94.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Januar 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistung aus einem Vertrag über eine Vollkaskoversicherung in Anspruch.
2
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für ein auf ihren Ehemann zugelassenes Fahrzeug der Marke BMW 525d. Mit einem vom Ehemann unterzeichneten Schreiben vom 22. Dezember 2014 wurde die Vollkaskoversicherung zum 1. Januar 2015 gekündigt. Hierauf fertigte die Beklagte einen – die Vollkaskoversicherung nicht mehr enthaltenden – Versicherungsschein vom 22. Dezember 2014 aus, der eine Widerrufsbelehrung enthielt, und erstattete überschießend geleistete Beiträge.
3
Das versicherte Fahrzeug wurde am 5. Oktober 2015 bei einem selbst verschuldeten Unfall beschädigt. Die Reparaturkosten belaufen sich auf insgesamt 12.601,28 € zuzüglich Umsatzsteuer. Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 widerrief die Klägerin die Kündigung der Vollkaskoversicherung.
4
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung der kalkulatorischen Reparaturkosten abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 300 €, insgesamt also auf 12.301,28 €, sowie auf außergerichtliche Anwaltskosten von 958,18 €, jeweils nebst Zinsen, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihre Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat keinen Erfolg.

A.

6
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Ehemann der Klägerin die Vollkaskoversicherung wirksam zum 1. Januar 2015 gekündigt habe. Für den am 5. Oktober 2015 eingetretenen Versicherungsfall habe daher kein Versicherungsschutz mehr bestanden.
7
Der Ehemann der Klägerin sei gemäß § 1357 Abs. 1 BGB berechtigt gewesen , den von der Klägerin geschlossenen Versicherungsvertrag – auch mit Wirkung für die Klägerin – zu kündigen. § 1357 BGB erlaube jedem Ehegatten allein nicht nur die Begründung von Rechten und Pflichten mit Wirkung für und gegen den Partner, sondern auch deren Abänderung mit Wirkung für beide Ehegatten. Hieraus folge, dass der Ehemann der Klägerin den von ihr geschlossenen Vertrag über die Vollkaskoversicherung auch mit Wirkung für die Klägerin habe kündigen können. Ihrer Mitwirkung habe es hierzu nicht bedurft.
8
Sowohl der Abschluss als auch die Kündigung des Vertrags über die Vollkaskoversicherung stellten nach den gesamten Umständen des Falles ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Ehegatten dar. Was zum Lebensbedarf eines Ehepaares oder einer Familie gehöre, bestimmten zunächst die jeweiligen Verhältnisse der Ehegatten, die jedoch nicht mit deren Einkommensverhältnissen identisch zu sein bräuchten. Im Interesse des Rechtsverkehrs komme es entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Eheleute oder der Familie an, wie er nach außen in Erscheinung trete. In den durch die Verhältnisse der Ehegatten gezogenen Grenzen sei der nach den §§ 1360, 1360 a BGB bemessene Lebensbedarf umfassend zu verstehen. Die Berechtigung solle sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf Geschäfte größeren Umfangs erstrecken, die ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden könnten bzw. bei denen grundsätzlich eine vorherige Verständigung der Ehegatten erforderlich erscheine und in der Regel auch stattfinde.
9
Bei dem versicherten Fahrzeug handele es sich um das Familienfahrzeug , das auf den Ehemann der Klägerin zugelassen gewesen sei und für das sie den Versicherungsvertrag abgeschlossen habe. Die Prämie für die Vollkaskoversicherung habe sich auf monatlich 144,90 € belaufen. Der Abschluss oder die Kündigung einer Vollkaskoversicherung mit einer Prämienbelastung in dieser Höhe stelle nach dem vorliegend nach außen in Erscheinung getretenen Lebenszuschnitt der Familie der Klägerin kein Rechtsgeschäft dar, bei dem in der Regel eine vorherige Verständigung der Ehegatten geboten sei und auch stattfinde. Nachdem der Ehemann der Klägerin Eigentümer des Fahrzeugs gewesen sei, könne nicht angenommen werden, dass der damit zusammenhän- gende Versicherungsschutz seinem Handlungsbereich im konkreten Fall entzogen sein sollte.
10
Die Klägerin habe die Kündigung auch nicht wirksam widerrufen können. Ein Widerrufsrecht der Klägerin gemäß § 8 VVG bestehe nicht. Sinn und Zweck der Einräumung eines Widerrufsrechts bestehe darin, die Eingehung einer Verpflichtung einem Reuerecht zu unterwerfen. Die Kündigung entfalte demgegenüber als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung im Zeitpunkt ihres Zugangs beim Versicherer endgültig ihre Gestaltungswirkung, ohne dass dem Versicherungsnehmer ein Reuerecht eingeräumt werde. In der dem geänderten Versicherungsschein beigefügten Widerrufsbelehrung könne auch nicht die vertragliche Vereinbarung eines Widerrufsrechts bezüglich der erfolgten Kündigung erblickt werden.

B.

11
Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

I.

12
Das Oberlandesgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die von ihrem Ehemann erklärte Kündigung nicht nach den Regeln der Stellvertretung gemäß §§ 164 ff. BGB der Klägerin zuzurechnen ist.
13
Zwar hat der Ehemann offensichtlich im Namen der Klägerin gehandelt, weil das von ihm unterzeichnete Kündigungsschreiben im Briefkopf (ausschließlich ) den Namen der Klägerin aufweist. Jedoch hat weder das Oberlandesgericht feststellen können noch die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Be- klagte (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 77. Aufl. § 164 Rn. 18 mwN) dargelegt, dass die Klägerin ihren Ehemann hierzu bevollmächtigt habe. Auch zu den Voraussetzungen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht sind keine Feststellungen getroffen. Eine gesetzliche Vertretungsmacht unter Ehegatten kennt das Bürgerliche Gesetzbuch indes nicht (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S. 16).

II.

14
Das Oberlandesgericht hat zudem in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, dass der Ehemann die Vollkaskoversicherung gemäß § 1357 Abs. 1 BGB auch mit Wirkung für die Klägerin wirksam gekündigt hat.
15
1. Entgegen der Auffassung der Revision steht es der Anwendung des § 1357 Abs. 1 BGB nicht entgegen, dass der Ehemann die Kündigung nach den äußeren Umständen ersichtlich im Namen der Klägerin ausgesprochen hat. Bei ausdrücklichem Handeln im Namen des Ehegatten kommt es regelmäßig über § 1357 Abs. 1 BGB auch zu einer Mitverpflichtung des handelnden Ehegatten, es sei denn, der Ausschluss der eigenen Mitverpflichtung ist eindeutig offengelegt (Senatsurteil BGHZ 94, 1 = FamRZ 1985, 576). Solches hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt.
16
2. Freilich kann die Kündigung der Vollkaskoversicherung nur in den Anwendungsbereich des § 1357 BGB fallen, wenn das mit ihr korrespondierende Grundgeschäft, also der Abschluss der Vollkaskoversicherung selbst, ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne von § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB wäre. Hiervon ist das Oberlandesgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht ausgegangen.
17
a) Gemäß § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Nach § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB werden durch solche Geschäfte beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet , es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.
18
aa) Die auf dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421, 1422) beruhende Fassung der Vorschrift knüpft nicht mehr an die nach früherem Recht bestehende Pflicht der Frau an, den Haushalt in eigener Verantwortung zu führen (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.) und ihr dementsprechend die Berechtigung zu geben, Geschäfte innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises mit Wirkung für den Mann zu besorgen ("Schlüsselgewalt" – grundlegend dazu Senatsurteil BGHZ 94, 1 = FamRZ 1985, 576, 577; s. auch BGH Urteil vom 11. März 2004 - III ZR 213/03 - FamRZ 2004, 778 mwN). Denn § 1356 BGB überlässt die Aufgabenverteilung in der ehelichen Gemeinschaft den Partnern selbst.
19
Die Rechtsmacht zur Verpflichtung auch des Partners, die § 1357BGB nunmehr jedem der Ehegatten einräumt, dient also nicht mehr dem Zweck, dem Handelnden die Erfüllung von bestimmten, ihm zugewiesenen Aufgaben zu ermöglichen. Daher kann die (jetzt beiderseitige) Rechtsmacht nicht mehr funktional – nach dem zur Erfüllung vorgegebener Aufgaben Erforderlichen – bestimmt und begrenzt werden. Nach wie vor sind die Ehegatten jedoch einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 Satz 1 BGB). Deshalb orientiert sich das Gesetz in § 1357 BGB nunmehr an der "angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie", also an einem unterhaltsrechtlichen Begriff, bei dessen Auslegung die §§ 1360, 1360 a BGB herangezogen werden können (Senatsurteil BGHZ 94, 1 = FamRZ 1985, 576, 577 mwN).
20
Wie weit der Lebensbedarf der Familie reicht, bestimmt sich familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten (s. § 1360 a Abs. 1 BGB). Ihre Einkünfte und ihr Vermögen, die diese Verhältnisse in erster Linie prägen, werden dem Vertragspartner allerdings häufig verborgen bleiben. Deshalb kommt es bei der Anwendung des § 1357 BGB – wie schon bei der Schlüsselgewalt des früheren Rechts – entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Familie an, wie er nach außen in Erscheinung tritt. Übersteigt dieses Erscheinungsbild nach spezifischen und konkreten Anhaltspunkten den aufgrund der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten zu erwartenden Lebenszuschnitt, so erhöht das im Grundsatz den Umfang der nach § 1357 BGB möglichen Mitverpflichtung (Senatsurteil BGHZ 94, 1 = FamRZ 1985, 576, 577 mwN).
21
Die Vorschrift des § 1357 Abs. 1 BGB verlangt weiterhin, dass die Deckung des Lebensbedarfs der Familie "angemessen" sein muss. Dem liegt die im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Vorstellung zugrunde, dass "Geschäfte größeren Umfangs, die ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden könnten", nicht unter § 1357 BGB fallen sollen (Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 7/650 S. 99; vgl. auch Rechtsausschuss BT-Drucks. 7/4361 S. 26). Die beabsichtigte Restriktion schützt den an dem Rechtsgeschäft nicht beteiligten Ehegatten somit vor einer ihn überraschenden Inanspruchnahme aus Alleingeschäften größeren Umfangs, die der andere Ehegatte abgeschlossen hat (Senatsurteil BGHZ 94, 1 = FamRZ 1985, 576, 577).
22
bb) Die Anwendung des § 1357 BGB hat der Bundesgerichtshof für die Änderung einer vertraglichen Vereinbarung über die Abrechnung von Nebenkosten in einem bestehenden Mietverhältnis (BGH Urteil vom 16. März 2016 - VIII ZR 326/14 - WuM 2016, 353 Rn. 25) und für den Abschluss eines Bauvertrags über ein Wohnhaus (BGH Urteil vom 29. September 1988 - VII ZR 186/87 - FamRZ 1989, 35) verneint. Bejaht hat er demgegenüber die Anwendung des § 1357 BGB für den Abschluss eines Stromlieferungsvertrags (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 5), den Abschluss eines Telefondienstvertrags für einen in der Familienwohnung befindlichen Festnetzanschluss (BGH Urteil vom 11. März 2004 - III ZR 213/03 - FamRZ 2004, 778 f.), eine medizinisch indizierte, unaufschiebbare ärztliche Behandlung eines Ehegatten ohne Rücksicht auf die Höhe der mit ihr verbundenen Kosten (Senatsurteil BGHZ 116, 184 = FamRZ 1992, 291, 292) und für Honoraransprüche aus privatärztlicher Behandlung (Senatsurteil BGHZ 94, 1 = FamRZ 1985, 576 f.).
23
cc) Die in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum uneinheitlich beantwortete Frage, ob auch der Abschluss von Versicherungsverträgen als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs im Sinne von § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen ist, hat dem Bundesgerichtshof noch nicht zur Entscheidung vorgelegen.
24
(1) Nach einer Auffassung soll der Abschluss üblicher Versicherungsverträge (Erman/Kroll-Ludwigs BGB 15. Aufl. § 1357 Rn. 12), jedenfalls aber der Abschluss einer Hausratversicherung unter § 1357 Abs. 1 BGB fallen (AG Eschwege VersR 1959, 1038 und AG Karlshafen VersR 1965, 871 – jeweils zum früheren Recht; MünchKomm-BGB/Roth 7. Aufl. § 1357 Rn. 23; NK-BGB/Wellenhofer 3. Aufl. § 1357 Rn. 15; Staudinger/Voppel BGB [2012] § 1357 Rn. 64; Palandt/Brudermüller BGB 77. Aufl. § 1357 Rn. 13; Bamberger/ Roth/Hahn BGB 3. Aufl. § 1357 Rn. 17).
25
(2) Andere sehen den Abschluss von Versicherungsverträgen grundsätzlich als nicht von § 1357 Abs. 1 BGB umfasst an (Soergel/Lipp BGB 13. Aufl. § 1357 Rn. 25; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 19 IV Rn. 47).
26
(3) Im Ansatz zutreffend ist die erstgenannte Auffassung. Entgegen der zuletzt genannten Auffassung verbietet es sich, Versicherungsverträge pauschal aus dem Anwendungsbereich des § 1357 BGB herauszunehmen. Entscheidend ist vielmehr der Bezug des in Rede stehenden Geschäfts zum Lebensbedarf der Familie, weshalb es jeweils auf den individuellen Zuschnitt der Familie ankommt. Ob es sich danach um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie handelt, hat der Tatrichter für den jeweiligen Einzelfall festzustellen. Dabei kann auch der Abschluss einer Vollkaskoversicherung in den Anwendungsbereich des § 1357 Abs. 1 BGB fallen, sofern ein ausreichender Bezug zum Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360 a BGB gegeben ist.
27
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist etwa anerkannt, dass nach § 1360 a BGB je nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Ehegatten auch Aufwendungen zur Anschaffung und zum Betrieb eines Pkw (BGH Urteil vom 24. Februar 1983 - IX ZR 42/82 - FamRZ 1983, 351, 352 mwN) oder für die Kfz-Haftpflichtversicherung zum angemessenen Familienunterhalt gehören können (BFHE 236, 79 = BStBl. II 2012, 413 Rn. 11; BSG FamRZ 1971, 579, 581). In der Instanzrechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Reparatur des von der ganzen Familie genutzten Pkw unter § 1357 Abs. 1 BGB fällt (LG Freiburg FamRZ 1988, 1052 f.; Staudinger/Voppel BGB [2012] § 1357 Rn. 45). Entsprechendes wird für sonstige Verträge angenommen, die ein von der Familie genutztes Fahrzeug betreffen (vgl. NK-BGB/Wellenhofer 3. Aufl. § 1357 Rn. 13), jedenfalls soweit sie, wie etwa die TÜV-Kosten, die Unterhaltung des Fahrzeugs anbelangen (AG Usingen Beschluss vom 27. März 2006 - 2 C 636/05 - juris Rn. 3; NKBGB /Wellenhofer 3. Aufl. § 1357 Rn. 15). Schließlich wird sogar vertreten, dass der Erwerb eines Familienfahrzeugs selbst unter den Anwendungsbereich des § 1357 Abs. 1 BGB fällt (Herr FF 2017, 285, 290; MünchKommBGB/Roth 7. Aufl. § 1357 Rn. 23; Erman/Kroll-Ludwigs BGB 14. Aufl. § 1357 Rn. 15; aA NK-BGB/Wellenhofer 3. Aufl. § 1357 Rn. 16; Staudinger/Voppel BGB [2012] § 1357 Rn. 45).
28
b) Gemessen hieran ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts, wonach der Abschluss der Vollkaskoversicherung vorliegend ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne von § 1357 Abs. 1 BGB darstellt, auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
29
Bei dem versicherten Pkw handelt es sich danach um das einzige Fahrzeug der fünfköpfigen Familie. Vor dem Hintergrund, dass der Pkw auf den Ehemann zugelassen war und sich der monatliche Anteil der Vollkaskoversicherung von 144,90 € noch in einem angemessenen Rahmen bezogen auf die Bedarfsdeckung der Familie bewegte, hält sich die Annahme des Oberlandesgerichts , eine vorherige Verständigung der Ehegatten über den Abschluss einer Vollkaskoversicherung erscheine nicht erforderlich, im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Daran ändert auch der Einwand der Revision nichts, wonach eine Vollkaskoversicherung weniger der konkreten Unterhaltung des Fahrzeugs als vielmehr der Vermögenssicherung diene. Denn wenn es sich – wie hier – um das einzige Fahrzeug der Familie handelt, der Abschluss der Vollkaskoversicherung mithin den Erhalt eines Fahrzeugs für die Familie sichern soll, wird damit auch der Bedarf der Familie, immer ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben, im Sinne von § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB gedeckt. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieses Interesse nicht mit dem Wert des versicherten Fahrzeugs identisch.
30
Schließlich ist nach den getroffenen Feststellungen, wonach die Klägerin den Versicherungsvertrag für das auf ihren Ehemann zugelassene Fahrzeug abgeschlossen hat, auch davon auszugehen, dass die Klägerin die Vollkaskoversicherung während der Ehe abgeschlossen hat und ihr Ehemann durch den Versicherungsvertrag mitberechtigt und -verpflichtet worden ist.
31
3. Aus Rechtsgründen ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Oberlandesgericht auch die Kündigung der Vollkaskoversicherung als von § 1357 Abs. 1 BGB umfasst angesehen hat.
32
a) Allerdings ist im Schrifttum umstritten, ob auch die Ausübung von Gestaltungsrechten , wie namentlich die Kündigung, unter § 1357 Abs. 1 BGB fallen kann.
33
aa) Die wohl überwiegende Auffassung bejaht diese Frage (Staudinger/ Looschelders BGB [2017] § 429 Rn. 41; MünchKommBGB/Roth 7. Aufl. § 1357 Rn. 41; Palandt/Brudermüller BGB 77. Aufl. § 1357 Rn. 22; Rauscher Familienrecht 2. Aufl. Rn. 282; FAKomm-FamR/Weinreich 5. Aufl. § 1357 Rn. 17; Bamberger/Roth/Hahn BGB 3. Aufl. § 1357 Rn. 30; NK-BGB/Wellenhofer 3. Aufl. § 1357 Rn. 24; vgl. auch AG Neuruppin FamRZ 2009, 1221, 1222).
34
bb) Nach der Gegenmeinung können Gestaltungsrechte nicht durch nur einen Ehegatten ausgeübt werden, insbesondere nicht durch denjenigen, der selbst nicht der ursprünglich kontrahierende Ehegatte war (vgl. Berger FamRZ 2005, 1129, 1131 f. und 1133 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 19 IV Rn. 53).
35
cc) Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend. § 1357 Abs. 1 BGB führt zu einer Mitverpflichtung und zu einer Mitberechtigung des jeweils anderen Ehegatten. Erstere zieht eine gesamtschuldnerische Haftung der Eheleute nach sich. Die Mitberechtigung begründet für beide Ehegatten die Stellung von Gesamtgläubigern (Staudinger/Looschelders BGB [2017] § 428 Rn. 63 f.; NK- BGB/Wellenhofer 3. Aufl. § 1357 Rn. 23 f.; MünchKommBGB/Roth 7. Aufl. § 1357 Rn. 41 mwN).
36
Zwar entfalten Gestaltungsrechte wie etwa die Kündigung in der Regel nur dann Wirkung, wenn die Gesamtgläubiger sie gemeinsam ausüben (Staudinger/Looschelders BGB [2017] § 429 Rn. 34 mwN). Etwas anderes gilt jedoch, soweit es sich um Gestaltungsrechte handelt, die Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne von § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB betreffen. So wie es den Eheleuten ermöglicht wird, für und gegen ihre jeweiligen Partner Rechte und Pflichten zu begründen, muss es ihnen spiegelbildlich erlaubt sein, sich hiervon auch mit Wirkung für und gegen den anderen wieder zu lösen (vgl. MünchKommBGB/Roth 7. Aufl. § 1357 Rn. 34, 41). Dies gilt schließlich unabhängig davon, ob der das Gestaltungsrecht ausübende Ehegatte auch derjenige gewesen ist, der die eingegangene Verpflichtung über § 1357 Abs. 1 BGB ursprünglich begründet hat.
37
b) Damit ist das Oberlandesgericht nach den getroffenen Feststellungen zu Recht von einer wirksamen Kündigung der Vollkaskoversicherung zum Ablauf des Versicherungsjahres mit Wirkung auch für die Klägerin ausgegangen.

III.

38
Das Oberlandesgericht ist zudem mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die durch ihren Ehemann ausgesprochene Kündigung nicht wirksam widerrufen konnte. Die Kündigung hat als rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt zur Folge. Eine Kündigung kann daher nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden (BGH Urteil vom 8. Juni 2016 - IV ZR 346/15 - NJW-RR 2017, 222 Rn. 14 mwN). Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
LG Ellwangen (Jagst), Entscheidung vom 29.07.2016 - 3 O 78/16 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 12.01.2017 - 7 U 143/16 -

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Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 8 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers; Verordnungsermächtigung


(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1360 Verpflichtung zum Familienunterhalt


Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie b

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1357 Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1356 Haushaltsführung, Erwerbstätigkeit


(1) Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen. Ist die Haushaltsführung einem der Ehegatten überlassen, so leitet dieser den Haushalt in eigener Verantwortung. (2) Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sei

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(1) Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

(2) Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.

(1) Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen. Ist die Haushaltsführung einem der Ehegatten überlassen, so leitet dieser den Haushalt in eigener Verantwortung.

(2) Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein. Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 213/03
Verkündet am:
11. März 2004
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Anwendung des § 1357 BGB auf einen Telefondienstvertrag über einen
Festnetzanschluß in der Ehewohnung.
BGH, Urteil vom 11. März 2004 - III ZR 213/03 - LG Dessau
AG Dessau
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 20. Juni 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Ehemann der Beklagten hatte mit der Klägerin einen Telefondienstvertrag über einen Festnetzanschluß in seiner Ehewohnung geschlossen. Die Klägerin stellte ihm am 3. Dezember 1998 und am 11. Januar 1999 für die Grundgebühr im Dezember und Januar und für Verbindungen in der Zeit vom 24. Oktober bis 28. Dezember 1998 insgesamt 6.375,75 DM in Rechnung, die von ihm nicht ausgeglichen wurden. Die Beklagte zahlte hierauf 771,13 DM. Auf den restlichen Betrag von 5.604,61 DM nebst Zinsen nimmt die Klägerin die Beklagte, die den Anschluß am 15. Februar 1999 anstelle ihres Ehemannes
übernommen hat, mit ihrer Klage aus dem Gesichtspunkt des § 1357 BGB in Anspruch. Der noch offene Rechnungsbetrag bezieht sich ausschließlich auf Verbindungen zum Tele-Info-Service 0190 x, die nach dem Vortrag der Beklagten von ihrem Ehemann angewählt worden sind.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin entsprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Die auf dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421) beruhende Fassung der Vorschrift knüpft nicht mehr an die nach früherem Recht bestehende Pflicht der Frau an, den Haushalt in eigener Verantwortung zu führen (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.) und ihr dementsprechend die Berechtigung zu geben, Geschäfte innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises mit Wirkung für den Mann zu besorgen. Vielmehr ist mit Rücksicht darauf , daß die Aufgabenverteilung in der ehelichen Gemeinschaft den Partnern selbst überlassen und das Leitbild der sogenannte Hausfrauenehe aufgegeben
worden ist, die Rechtsmacht zur Verpflichtung auch des Partners an die "angemessene Deckung des Lebensbedarfs der Familie" gebunden worden. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, wie weit der Lebensbedarf der Fa- milie reiche, bestimme sich familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten. Da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Vertragspartner allerdings häufig verborgen bleiben, ist entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Familie abzustellen, wie er nach außen in Erscheinung tritt (vgl. eingehend hierzu BGHZ 94, 1, 5 f). Darüber hinaus ist die Einbindung des § 1357 BGB in das Unterhaltsrecht zusammenlebender Ehegatten (§§ 1360, 1360a BGB) zu beachten. Zu den Umständen, die bei der Anwendung des § 1357 BGB von Bedeutung sein können, gehören daher auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Bezug zu den Kosten, die durch die jeweils in Rede stehende Geschäftsbesorgung ausgelöst werden. Auch insoweit ist die Sicht eines objektiven Beobachters nach dem Erscheinungsbild der Ehegatten, wie es für Dritte allgemein offenliegt, entscheidend (vgl. BGHZ 116, 184, 188 f).
2. Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Abschluß eines Telefondienstvertrages für einen in der Familienwohnung befindlichen Festnetzanschluß im Ansatz als ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs angesehen hat.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, daß die Versorgung der Familie mit einem Telefonanschluß unter Berücksichtigung der heutigen Lebensverhältnisse ein anerkanntes Grundbedürfnis ist, wobei es davon ausgegangen ist, daß sich aus der jederzeitigen Verfügbarkeit eines solchen Anschlusses für die Familienmitglieder der Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft ergebe. Das Berufungsgericht folgt damit im Ausgangspunkt einer
in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Auffassung, nach der zur ange- messenen Bedarfsdeckung der Familie auch Verträge zu rechnen sind, mit denen die Versorgung der Ehewohnung mit Strom und Gas sichergestellt wird (vgl. AG Wuppertal ZMR 1980, 239 f; AG Beckum FamRZ 1988, 501; LG Koblenz WuM 1990, 445; Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl. 2004, § 1357 Rn. 13; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl. 1988, § 1357 Rn. 12; Wacke, in MünchKomm -BGB, 4. Aufl. 2000, § 1357 Rn. 23; Staudinger/Hübner/Voppel, BGB, 13. Bearb. Stand Juli 1999, § 1357 Rn. 45; Rauscher, Familienrecht, 2001, Rn. 279; Erman/Heckelmann, BGB, 10. Aufl. 2000, § 1357 Rn. 13), und erstreckt diesen Gedanken im Hinblick auf die heute üblichen Standards und die weite Verbreitung von Telefonanschlüssen auch auf Telefondienstverträge, die einen stationären Festnetzanschluß in der Ehewohnung betreffen (ebenso AG Neustadt am Rübenberge ArchivPT 1997, 150; LG Bremen RTkom 2000, 240; LG Stuttgart FamRZ 2001, 1610 und die im Verfahren von der Klägerin vorgelegten nicht veröffentlichten Urteile des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 6. September 1999 - 20 C 76/99 - und des Amtsgerichts Ettlingen vom 28. Mai 2002 - 1 C 563/01 -; Palandt/Brudermüller aaO; Wacke, in: MünchKomm-BGB aaO). Daß mit einem solchen Vertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet wird, steht der Einordnung als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs - wie auch bei einem Energielieferungsvertrag - nicht grundsätzlich entgegen, spiegelt diese Gestaltung doch nur wider, daß hier für die Familie ein beständiger Bedarf gedeckt wird. Die zunehmende Verbreitung von Mobiltelefonen , die weitgehend den Bedürfnissen des individuellen Benutzers dienen mögen, bedeutet nicht, daß der Festnetzanschluß in der Ehewohnung nicht mehr der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zugerechnet werden könnte.

b) Die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht die konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft und - ohne daß ein Erfahrungssatz bestehe - die allgemeine Verfügbarkeit des Anschlusses für die Familie unterstellt , greift nicht durch. Zwar ist der Revision grundsätzlich darin zuzustimmen, daß den Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast trifft, soweit er sich auf die Mitverpflichtung des Schuldners nach § 1357 BGB bezieht. Das verlangt im hier zu entscheidenden Fall jedoch weder Erkundigungen noch - seiner Natur nach gar nicht möglichen - Vortrag zu der Frage, in welcher Weise der Anschluß durch die einzelnen Mitglieder der Familie genutzt wurde. Die Beklagte hat selbst nicht in Frage gestellt, daß es sich um einen privaten, nicht etwa mit einer geschäftlichen Tätigkeit ihres Ehemannes verbundenen Anschluß in der gemeinsamen Ehewohnung handelte. Daß der Anschluß unter diesen Umständen auch für die anderen Familienmitglieder verfügbar war, wird indiziell dadurch bestätigt, daß die Beklagte einen Teil der Gebühren - wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - gezahlt hat.

c) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Regelung des § 1357 BGB in das Unterhaltsrecht zusammenlebender Eheleute und damit in deren Lebenszuschnitt eingebunden ist. Die vorliegenden Rechnungen legen nach dem Vortrag der Beklagten die Annahme nahe, daß die angemessene Bedarfsdeckung in dem abgerechneten Zeitraum weit überschritten ist.
Üblicherweise wird die Frage, ob ein Geschäft der angemessenen Dekkung des Lebensbedarfs dient, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beantworten sein. Dies gilt im Grundsatz auch für Dauerschuldverhältnisse, mit denen ein immer wiederkehrender Bedarf gedeckt werden soll. Dabei besteht
zum Beispiel bei Energielieferungsverträgen von vornherein ein relativ enges Verhältnis zwischen der Lebenssituation der Eheleute (Größe der Familie, des Haushalts, eines etwaigen Anwesens) und der danach erforderlichen Bereitstellung unterschiedlicher Energien, das zwar Schwankungen des Verbrauchs nicht ausschließt, sich aber doch in der Regel in überschaubaren Grenzen hält. Dies rechtfertigt auch die Erwartung des Vertragspartners, im Hinblick auf die Zwecksetzung des Vertragsverhältnisses sich auf eine Mitverpflichtung des Ehegatten einzustellen. Beim Telefondienstvertrag läßt sich der Bedarf hingegen von vornherein nur schwer abschätzen; vielfach wird er - etwa wegen Veränderungen in der persönlichen Lebenssituation - auch erheblichen Änderungen und Schwankungen unterliegen. Die Umstände, die hierzu führen - etwa ein vermehrter Bedarf wegen einer doppelten Haushaltsführung; die Notwendigkeit , wegen Alters oder Krankheit nahestehender Angehöriger häufiger als früher zu telefonieren - treten regelmäßig nicht nach außen, gehen den Vertragspartner auch nichts an. Sichtbar wird für diesen nur das Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Laufzeit des Vertrags, wobei sich aus der Zahlung der Rechnungsentgelte indiziell für ihn ergibt, in welchem Umfang die Ehegatten Mittel für diese Bedarfsposition als angemessen ansehen. In diesem Umfang und Rahmen, der - auch erhebliche - Änderungen des Ausgabeverhaltens einschließen kann, ist eine Mitverpflichtung des Ehegatten nach § 1357 BGB für einen Festnetzanschluß in der Ehewohnung ohne weiteres gegeben. Eine betragsmäßige Grenze hierfür läßt sich jedoch, weil sich der Lebensbedarf familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten richtet (vgl. BGHZ 94, 1, 6), nicht festlegen. Das rechtfertigt aber nicht, Kosten, die diesen Rahmen exorbitant überschreiten und die finanziellen Verhältnisse der Familie sprengen, nur deshalb der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs zuzurechnen, weil das Vertragsverhältnis bei seiner Begründung auf eine
familiäre Nutzung hinwies. Eine solche Erwartung kann auch ein Diensteanbieter auf der Grundlage der Haftungserweiterung des § 1357 BGB (billigerweise ) nicht hegen, die den Gläubigerschutz nicht als Zweck, sondern nur als Folge der eheausgestaltenden Regelung vorsieht (vgl. BVerfGE 81, 1, 7 f). Demgegenüber kann es nicht darauf ankommen, für welche Verbindungen der Anschluß genutzt worden ist. Das muß - auch im Prozeß über die zu zahlenden Gebühren - ein Internum der Ehegatten bleiben, zu dem sich der Vertragspartner nicht äußern muß und von dem sein Recht, den Ehegatten nach § 1357 BGB auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, nicht abhängen darf.
3. Da das Berufungsgericht nicht die Frage geprüft hat, ob die beiden streitgegenständlichen Rechnungen den vorstehend gekennzeichneten Rahmen überschritten haben, andererseits die Parteien Gelegenheit haben müssen , unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats ergänzend vorzutragen , ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu den weiter notwendigen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei kann das Doppelte des Betrages, der sich als Durchschnitt der unbeanstandeten Zahlungen in dem zurückliegenden Jahr der Vertragslaufzeit ergibt, im Regelfall als Maß für den Haftungsumfang nach § 1357 BGB herangezogen werden.
Schlick Wurm Kapsa Dörr Galke

(1) Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen. Ist die Haushaltsführung einem der Ehegatten überlassen, so leitet dieser den Haushalt in eigener Verantwortung.

(2) Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein. Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen.

Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts.

(1) Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

(2) Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.

25
bb) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war die Mitwirkung der Beklagten zu 2 an der Änderung des Mietvertrages nicht deshalb entbehrlich , weil sie nach § 1357 BGB wirksam vom Beklagten zu 1 vertreten worden wäre. Denn bei der Änderung einer vertraglichen Vereinbarung über die Abrechnung von Nebenkosten in einem bestehenden Mietverhältnis handelt es sich nicht um ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs. Im Gegenteil ist der Wohnbedarf durch das bestehende Mietverhältnis gedeckt.

(1) Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

(2) Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.

5
a) Es wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen, dass der Abschluss eines Stromlieferungsvertrages durch den Ehemann der Beklagten ein Bedarfsdeckungsgeschäft im Sinne des § 1357 Abs. 1 BGB darstellt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte der Klägerin bis zum Ende des Abrechnungszeitraumes am 14. September 2010 die Trennung von ihrem Ehemann bzw. ihren Auszug aus der Ehewohnung nicht mitgeteilt. Auch haben weder die Beklagte noch ihr Ehemann bis zu diesem Zeitpunkt eine Kündigung des Stromlieferungsvertrages erklärt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 213/03
Verkündet am:
11. März 2004
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Anwendung des § 1357 BGB auf einen Telefondienstvertrag über einen
Festnetzanschluß in der Ehewohnung.
BGH, Urteil vom 11. März 2004 - III ZR 213/03 - LG Dessau
AG Dessau
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 20. Juni 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Ehemann der Beklagten hatte mit der Klägerin einen Telefondienstvertrag über einen Festnetzanschluß in seiner Ehewohnung geschlossen. Die Klägerin stellte ihm am 3. Dezember 1998 und am 11. Januar 1999 für die Grundgebühr im Dezember und Januar und für Verbindungen in der Zeit vom 24. Oktober bis 28. Dezember 1998 insgesamt 6.375,75 DM in Rechnung, die von ihm nicht ausgeglichen wurden. Die Beklagte zahlte hierauf 771,13 DM. Auf den restlichen Betrag von 5.604,61 DM nebst Zinsen nimmt die Klägerin die Beklagte, die den Anschluß am 15. Februar 1999 anstelle ihres Ehemannes
übernommen hat, mit ihrer Klage aus dem Gesichtspunkt des § 1357 BGB in Anspruch. Der noch offene Rechnungsbetrag bezieht sich ausschließlich auf Verbindungen zum Tele-Info-Service 0190 x, die nach dem Vortrag der Beklagten von ihrem Ehemann angewählt worden sind.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin entsprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Die auf dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421) beruhende Fassung der Vorschrift knüpft nicht mehr an die nach früherem Recht bestehende Pflicht der Frau an, den Haushalt in eigener Verantwortung zu führen (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.) und ihr dementsprechend die Berechtigung zu geben, Geschäfte innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises mit Wirkung für den Mann zu besorgen. Vielmehr ist mit Rücksicht darauf , daß die Aufgabenverteilung in der ehelichen Gemeinschaft den Partnern selbst überlassen und das Leitbild der sogenannte Hausfrauenehe aufgegeben
worden ist, die Rechtsmacht zur Verpflichtung auch des Partners an die "angemessene Deckung des Lebensbedarfs der Familie" gebunden worden. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, wie weit der Lebensbedarf der Fa- milie reiche, bestimme sich familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten. Da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Vertragspartner allerdings häufig verborgen bleiben, ist entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Familie abzustellen, wie er nach außen in Erscheinung tritt (vgl. eingehend hierzu BGHZ 94, 1, 5 f). Darüber hinaus ist die Einbindung des § 1357 BGB in das Unterhaltsrecht zusammenlebender Ehegatten (§§ 1360, 1360a BGB) zu beachten. Zu den Umständen, die bei der Anwendung des § 1357 BGB von Bedeutung sein können, gehören daher auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Bezug zu den Kosten, die durch die jeweils in Rede stehende Geschäftsbesorgung ausgelöst werden. Auch insoweit ist die Sicht eines objektiven Beobachters nach dem Erscheinungsbild der Ehegatten, wie es für Dritte allgemein offenliegt, entscheidend (vgl. BGHZ 116, 184, 188 f).
2. Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Abschluß eines Telefondienstvertrages für einen in der Familienwohnung befindlichen Festnetzanschluß im Ansatz als ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs angesehen hat.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, daß die Versorgung der Familie mit einem Telefonanschluß unter Berücksichtigung der heutigen Lebensverhältnisse ein anerkanntes Grundbedürfnis ist, wobei es davon ausgegangen ist, daß sich aus der jederzeitigen Verfügbarkeit eines solchen Anschlusses für die Familienmitglieder der Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft ergebe. Das Berufungsgericht folgt damit im Ausgangspunkt einer
in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Auffassung, nach der zur ange- messenen Bedarfsdeckung der Familie auch Verträge zu rechnen sind, mit denen die Versorgung der Ehewohnung mit Strom und Gas sichergestellt wird (vgl. AG Wuppertal ZMR 1980, 239 f; AG Beckum FamRZ 1988, 501; LG Koblenz WuM 1990, 445; Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl. 2004, § 1357 Rn. 13; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl. 1988, § 1357 Rn. 12; Wacke, in MünchKomm -BGB, 4. Aufl. 2000, § 1357 Rn. 23; Staudinger/Hübner/Voppel, BGB, 13. Bearb. Stand Juli 1999, § 1357 Rn. 45; Rauscher, Familienrecht, 2001, Rn. 279; Erman/Heckelmann, BGB, 10. Aufl. 2000, § 1357 Rn. 13), und erstreckt diesen Gedanken im Hinblick auf die heute üblichen Standards und die weite Verbreitung von Telefonanschlüssen auch auf Telefondienstverträge, die einen stationären Festnetzanschluß in der Ehewohnung betreffen (ebenso AG Neustadt am Rübenberge ArchivPT 1997, 150; LG Bremen RTkom 2000, 240; LG Stuttgart FamRZ 2001, 1610 und die im Verfahren von der Klägerin vorgelegten nicht veröffentlichten Urteile des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 6. September 1999 - 20 C 76/99 - und des Amtsgerichts Ettlingen vom 28. Mai 2002 - 1 C 563/01 -; Palandt/Brudermüller aaO; Wacke, in: MünchKomm-BGB aaO). Daß mit einem solchen Vertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet wird, steht der Einordnung als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs - wie auch bei einem Energielieferungsvertrag - nicht grundsätzlich entgegen, spiegelt diese Gestaltung doch nur wider, daß hier für die Familie ein beständiger Bedarf gedeckt wird. Die zunehmende Verbreitung von Mobiltelefonen , die weitgehend den Bedürfnissen des individuellen Benutzers dienen mögen, bedeutet nicht, daß der Festnetzanschluß in der Ehewohnung nicht mehr der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zugerechnet werden könnte.

b) Die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht die konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft und - ohne daß ein Erfahrungssatz bestehe - die allgemeine Verfügbarkeit des Anschlusses für die Familie unterstellt , greift nicht durch. Zwar ist der Revision grundsätzlich darin zuzustimmen, daß den Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast trifft, soweit er sich auf die Mitverpflichtung des Schuldners nach § 1357 BGB bezieht. Das verlangt im hier zu entscheidenden Fall jedoch weder Erkundigungen noch - seiner Natur nach gar nicht möglichen - Vortrag zu der Frage, in welcher Weise der Anschluß durch die einzelnen Mitglieder der Familie genutzt wurde. Die Beklagte hat selbst nicht in Frage gestellt, daß es sich um einen privaten, nicht etwa mit einer geschäftlichen Tätigkeit ihres Ehemannes verbundenen Anschluß in der gemeinsamen Ehewohnung handelte. Daß der Anschluß unter diesen Umständen auch für die anderen Familienmitglieder verfügbar war, wird indiziell dadurch bestätigt, daß die Beklagte einen Teil der Gebühren - wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - gezahlt hat.

c) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Regelung des § 1357 BGB in das Unterhaltsrecht zusammenlebender Eheleute und damit in deren Lebenszuschnitt eingebunden ist. Die vorliegenden Rechnungen legen nach dem Vortrag der Beklagten die Annahme nahe, daß die angemessene Bedarfsdeckung in dem abgerechneten Zeitraum weit überschritten ist.
Üblicherweise wird die Frage, ob ein Geschäft der angemessenen Dekkung des Lebensbedarfs dient, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beantworten sein. Dies gilt im Grundsatz auch für Dauerschuldverhältnisse, mit denen ein immer wiederkehrender Bedarf gedeckt werden soll. Dabei besteht
zum Beispiel bei Energielieferungsverträgen von vornherein ein relativ enges Verhältnis zwischen der Lebenssituation der Eheleute (Größe der Familie, des Haushalts, eines etwaigen Anwesens) und der danach erforderlichen Bereitstellung unterschiedlicher Energien, das zwar Schwankungen des Verbrauchs nicht ausschließt, sich aber doch in der Regel in überschaubaren Grenzen hält. Dies rechtfertigt auch die Erwartung des Vertragspartners, im Hinblick auf die Zwecksetzung des Vertragsverhältnisses sich auf eine Mitverpflichtung des Ehegatten einzustellen. Beim Telefondienstvertrag läßt sich der Bedarf hingegen von vornherein nur schwer abschätzen; vielfach wird er - etwa wegen Veränderungen in der persönlichen Lebenssituation - auch erheblichen Änderungen und Schwankungen unterliegen. Die Umstände, die hierzu führen - etwa ein vermehrter Bedarf wegen einer doppelten Haushaltsführung; die Notwendigkeit , wegen Alters oder Krankheit nahestehender Angehöriger häufiger als früher zu telefonieren - treten regelmäßig nicht nach außen, gehen den Vertragspartner auch nichts an. Sichtbar wird für diesen nur das Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Laufzeit des Vertrags, wobei sich aus der Zahlung der Rechnungsentgelte indiziell für ihn ergibt, in welchem Umfang die Ehegatten Mittel für diese Bedarfsposition als angemessen ansehen. In diesem Umfang und Rahmen, der - auch erhebliche - Änderungen des Ausgabeverhaltens einschließen kann, ist eine Mitverpflichtung des Ehegatten nach § 1357 BGB für einen Festnetzanschluß in der Ehewohnung ohne weiteres gegeben. Eine betragsmäßige Grenze hierfür läßt sich jedoch, weil sich der Lebensbedarf familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten richtet (vgl. BGHZ 94, 1, 6), nicht festlegen. Das rechtfertigt aber nicht, Kosten, die diesen Rahmen exorbitant überschreiten und die finanziellen Verhältnisse der Familie sprengen, nur deshalb der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs zuzurechnen, weil das Vertragsverhältnis bei seiner Begründung auf eine
familiäre Nutzung hinwies. Eine solche Erwartung kann auch ein Diensteanbieter auf der Grundlage der Haftungserweiterung des § 1357 BGB (billigerweise ) nicht hegen, die den Gläubigerschutz nicht als Zweck, sondern nur als Folge der eheausgestaltenden Regelung vorsieht (vgl. BVerfGE 81, 1, 7 f). Demgegenüber kann es nicht darauf ankommen, für welche Verbindungen der Anschluß genutzt worden ist. Das muß - auch im Prozeß über die zu zahlenden Gebühren - ein Internum der Ehegatten bleiben, zu dem sich der Vertragspartner nicht äußern muß und von dem sein Recht, den Ehegatten nach § 1357 BGB auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, nicht abhängen darf.
3. Da das Berufungsgericht nicht die Frage geprüft hat, ob die beiden streitgegenständlichen Rechnungen den vorstehend gekennzeichneten Rahmen überschritten haben, andererseits die Parteien Gelegenheit haben müssen , unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats ergänzend vorzutragen , ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu den weiter notwendigen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei kann das Doppelte des Betrages, der sich als Durchschnitt der unbeanstandeten Zahlungen in dem zurückliegenden Jahr der Vertragslaufzeit ergibt, im Regelfall als Maß für den Haftungsumfang nach § 1357 BGB herangezogen werden.
Schlick Wurm Kapsa Dörr Galke

(1) Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

(2) Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. Juni 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Auszahlung des Rückkaufswerts einer Lebensversicherung.

2

Im Jahr 1994 schloss die damalige Arbeitgeberin des Klägers für diesen bei der Beklagten eine Lebensversicherung als Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung ab. Der Kläger wurde als unwiderruflich Bezugsberechtigter bestimmt. Als Versicherungsbeginn war der 1. Dezember 1994, als Versicherungsablauf der 30. November 2017 vereinbart.

3

Mit Schreiben vom 30. Juli 2013 bat der Kläger die Beklagte wegen langjähriger Krankheit und einer daraus resultierenden wirtschaftlichen Notlage um die Auszahlung der Versicherungssumme zum 1. Dezember 2013; die Arbeitgeberin erklärte im selben Schreiben, sie sei "[m]it der Kündigung einverstanden". Die Beklagte bestätigte die Kündigung zunächst mit Schreiben an die Arbeitgeberin vom 2. August 2013 zum 1. September 2013 und sodann mit Schreiben vom 14. August 2013 zum 1. Dezember 2013. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2013 erklärte die Arbeitgeberin, sie widerspreche der Kündigung, woraufhin die Beklagte ihr und dem Kläger mit Schreiben vom 8. November 2013 mitteilte, dass die Versicherung fortgeführt werde.

4

Die Arbeitgeberin erklärte mit Schreiben vom 30. Dezember 2013/7. Januar 2014 erneut die Kündigung des Versicherungsvertrages. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 8. Januar 2014 wurde sie auf Antrag des Klägers zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages verurteilt.

5

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 7. Januar 2014 fristlos zum 31. Januar 2014. Nachdem die Arbeitgeberin die Beklagte über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert hatte, verweigerte diese die Auszahlung des Rückkaufswerts.

6

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung des Rückkaufswerts abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf den Rückkaufswert der Lebensversicherung bereits aufgrund der ersten Kündigung des Versicherungsvertrages zu. Die Arbeitgeberin habe darin zwar die Kündigung nicht ausdrücklich selbst ausgesprochen, doch ihre Einverständniserklärung zeige ihren eindeutigen Willen zur Beendigung des Vertrages. Den durch diese Kündigung ausgelösten Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Rückkaufswerts habe ihm die Arbeitgeberin weder einseitig noch gemeinschaftlich mit der Beklagten wieder entziehen können. Vereinbarten Versicherungsnehmer und Versicherer ohne Einbeziehung des bezugsberechtigten Dritten nach einer Kündigungserklärung die Fortsetzung des Versicherungsvertrages mit der Folge, dass der Auszahlungsanspruch des Bezugsberechtigten wieder entfiele, so liege darin ein Vertrag zulasten Dritter, der dem geltenden Vertragsrecht grundsätzlich fremd sei.

9

Doch auch wenn man die einvernehmliche Aufhebung der ersten Kündigung als wirksam ansähe, wäre der Anspruch als Folge der zweiten Kündigung zum 1. Dezember 2014 entstanden. Dem stehe nicht entgegen, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Satz 4 BetrAVG der Rückkaufswert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrages vom ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommen werden könne. Sinn und Zweck dieser Regelung sprächen dagegen, deren Rechtsfolgen auch dann eintreten zu lassen, wenn die Kündigung des Versicherungsvertrages noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer ausgesprochen werde. Die Auszahlungssperre verfolge den Zweck, den ausgeschiedenen Arbeitnehmer, dem anstelle der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage die Versicherungsleistung zugewandt worden sei, an der alsbaldigen Realisierung des Rückkaufswerts zu hindern. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses sei der Arbeitgeber dagegen grundsätzlich nicht gehindert, die Versicherung zu kündigen. Dies gelte auch dann, wenn die Kündigung im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werde und der Rückkaufswert erst nach dessen Ende fällig werde.

10

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

11

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts nicht bereits aufgrund der Kündigung vom 30. Juli 2013 entstanden.

12

a) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht allerdings das Schreiben vom 30. Juli 2013 als Kündigungserklärung der Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin, die auch bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung eines Dritten allein zur Kündigung berechtigt ist (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 2009 - IV ZR 65/09, r+s 2010, 385 Rn. 14), ausgelegt. Das Berufungsgericht hat sich mit der Erklärung der Versicherungsnehmerin, sie sei mit der Kündigung einverstanden, befasst. Entscheidungserhebliche Auslegungsgesichtspunkte, die es dabei übersehen haben könnte, zeigt die Revision nicht auf; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Eine eigene Willenserklärung setzt voraus, dass der Erklärende durch seine Äußerung einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck bringt, der auf die Begründung, Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 - X ZR 97/99, BGHZ 145, 343 unter II 1 b aa). Er muss dabei entgegen der Ansicht der Revision weder aufgrund eigener Initiative handeln noch persönliche Zwecke verfolgen. Es steht dem Willen der Arbeitgeberin zur Beendigung des Versicherungsvertrages, den das Berufungsgericht der Erklärung entnommen hat, daher nicht entgegen, wenn sie ihre Erklärung ausschließlich auf Wunsch des Klägers abgegeben und kein eigenes Interesse daran gehabt haben sollte.

13

b) Die Arbeitgeberin hat das Versicherungsverhältnis jedoch nach dieser Kündigungserklärung durch eine Vereinbarung mit der Beklagten fortgesetzt.

14

aa) Zwar konnte die Arbeitgeberin die Rechtswirkungen der Kündigung nicht durch eine einseitige Erklärung beseitigen. Die Kündigung hat als rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt zur Folge. Eine Kündigung kann daher nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden (Senatsurteile vom 22. Juni 1988 - IVa ZR 25/87, VersR 1988, 1013 unter II 2; vom 3. Oktober 1984 - IVa ZR 76/83, VersR 1985, 54 unter III). Die Parteien haben aber im Rahmen der Vertragsfreiheit die Möglichkeit, den Eintritt der Rechtsfolgen einer bereits wirksam gewordenen Kündigung durch - einverständliche - Vereinbarung aufzuheben (BGH, Urteil vom 24. Juni 1998 - XII ZR 195/96, BGHZ 139, 123 unter 3 c; vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 1988 aaO). Eine entsprechende Vereinbarung führt indessen nicht ohne weiteres und unterschiedslos zur Fortsetzung des gekündigten Vertrages. Bei der Beurteilung der Wirkungen, die einer Vereinbarung über die Aufhebung der Kündigungsfolgen zukommt, ist danach zu unterscheiden, ob die Vereinbarung vor Ablauf der Kündigungsfrist oder erst danach getroffen wird, denn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht das Vertragsverhältnis der Parteien fort. Jedenfalls dann, wenn die einverständliche Aufhebung der Kündigung noch vor Ablauf der Kündigungsfrist, also während der Geltung des Vertrages vereinbart wird, bleibt der gekündigte Vertrag unverändert in Kraft (BGH, Urteile vom 24. Juni 1998 aaO; vom 6. Oktober 1983 - I ZR 127/81, VersR 1984, 138 unter B I 2 c aa; vom 20. März 1974 - VIII ZR 31/73, MDR 1974, 750 unter B I 2). Das wirksam gekündigte Versicherungsverhältnis lebt dann aufgrund der Vereinbarung beider Vertragspartner wieder auf (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1988 aaO; vom 3. Oktober 1984 aaO). In der Erklärung der Rücknahme oder des Widerrufs der Kündigung durch den Versicherungsnehmer während der laufenden Kündigungsfrist ist daher ein Angebot zur Fortsetzung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses zu sehen (vgl. MünchKomm-VVG/Fausten, 2. Aufl. § 11 Rn. 154; Rixecker in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 11 Rn. 12).

15

So liegt es hier. Die Beklagte nahm das entsprechende Angebot der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 8. November 2013 und damit während der laufenden Kündigungsfrist an. Die Arbeitgeberin hatte die Kündigung zum 1. Dezember 2013, d.h. zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres, der nach § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung (ALB) das Ende der Kündigungsfrist darstellt, erklärt. Ein früherer Beendigungszeitpunkt ergab sich nicht aus der zunächst erfolgten Bestätigung der Kündigung durch die Beklagte zum 1. September 2013, da die Arbeitgeberin einer solchen abweichenden Vereinbarung zum Vertragsende nicht zugestimmt hatte, bevor die Beklagte mit ihrem weiteren Schreiben die Kündigung zum 1. Dezember 2013 bestätigte.

16

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedurfte die Vereinbarung zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses während der laufenden Kündigungsfrist nicht der Zustimmung des Klägers. Sein unwiderrufliches Bezugsrecht stand der Vereinbarung nicht entgegen.

17

Solange das Versicherungsverhältnis besteht, bleibt der Versicherungsnehmer und nicht der Bezugsberechtigte befugt, über eine Beendigung oder Fortsetzung des Vertrages zu entscheiden. Bei der Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung ist im versicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis der Arbeitgeber gegenüber dem Versicherer Inhaber aller Rechte und Pflichten aus dem Vertrag, insbesondere aller Verfügungs- und Gestaltungsrechte (BGH, Beschluss vom 10. Februar 1993 - XII ZB 80/88, VersR 1993, 728 unter 2 b bb; vgl. Brömmelmeyer in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 42 Rn. 222). Auch bei Vereinbarung eines unwiderruflichen Bezugsrechts kann der Versicherungsnehmer über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit unterschiedlich verfügen (Senatsurteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02, NJW 2003, 2679 unter II 2 b).

18

Die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses greift nicht in eine geschützte Rechtsposition des Klägers ein. Zwar erwirbt der Bezugsberechtigte mit der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts die Ansprüche auf die Versicherungsleistungen regelmäßig sofort (Senatsurteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 a). Dies schließt den Rückkaufswert nach Kündigung des Vertrages ein (Senatsurteile vom 2. Dezember 2009 aaO Rn. 11; vom 18. Juni 2003 aaO unter II 2 b). Das bedeutet jedoch nur, dass so der mit dem Verzicht auf das Widerrufsrecht verfolgte Zweck erreicht wird, die Ansprüche auf die Versicherungsleistungen aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers auszusondern und sie damit dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 a). Ohne das Einverständnis des Begünstigten kann daher über das Bezugsrecht, das mit der Unwiderruflichkeit sofort zu dessen Vermögen gehört (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 41/14, NJW 2015, 341 Rn. 14), nicht verfügt werden. Sein Recht ist darauf gerichtet, dass ihm seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht mehr zugunsten eines anderen entzogen werden können. Diese Vermögenszuordnung wird aber durch die Vereinbarung einer Fortsetzung des Versicherungsvertrages nicht beeinträchtigt, da das Bezugsrecht des Begünstigten unverändert bestehen bleibt. Das Recht des Bezugsberechtigten soll nach dem regelmäßigen Verständnis der Begünstigungserklärung sämtliche aus dem Versicherungsvertrag fällig werdenden Ansprüche umfassen (Senatsurteile vom 2. Dezember 2009 aaO; vom 18. Juni 2003 aaO unter II 2 b). Ob solche Ansprüche fällig werden, unterliegt dagegen während des bestehenden Vertragsverhältnisses der Disposition von Versicherungsnehmer und Versicherer. Der Kläger erwarb daher auch durch die zunächst erfolgte Kündigungserklärung keine Rechtsposition, die über sein unverändert fortbestehendes Bezugsrecht hinausging. Eine vorzeitige Beendigung des Versicherungsvertrages und damit die Auszahlung des Rückkaufswerts konnte er nicht beanspruchen.

19

2. Ob die Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin das so fortgesetzte Versicherungsverhältnis mit ihrer Erklärung vom 30. Dezember 2013/7. Januar 2014 wirksam gekündigt hat, so dass die rechtlichen Wirkungen der Kündigung nach § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ALB zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres, d.h. zum 1. Dezember 2014, eintraten, kann nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

20

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis gelangt, dass § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG einer Auszahlung des Rückkaufswerts aufgrund dieser Kündigung nicht entgegensteht. Diese Vorschrift verbietet innerhalb ihres Anwendungsbereiches für die zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossene Direktversicherung eine Inanspruchnahme des nach § 169 Abs. 3 und 4 VVG berechneten Rückkaufswerts oder - bei älteren Versicherungsverträgen - des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals auf Grund einer Kündigung des Versicherungsvertrages und bestimmt, dass im Falle einer Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wird. § 169 Abs. 1 VVG176 Abs. 1 VVG a.F.) findet dann insoweit keine Anwendung, § 2 Abs. 2 Satz 6 BetrAVG.

21

§ 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG schließt eine Inanspruchnahme des Rückkaufswerts jedoch nur dann aus, wenn die Kündigungserklärung dem Versicherer erst nach dem Ausscheiden des versicherten Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zugeht. Erhält der Versicherer die vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer erklärte Kündigung dagegen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, steht die Vorschrift einer späteren Auszahlung des Rückkaufswerts auch an den inzwischen ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht im Wege. Dieses Verständnis der Vorschrift, das auch das Berufungsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, folgt aus einer Auslegung des Gesetzes.

22

aa) Die Vorschrift lässt nur bei isolierter Betrachtung ihres Wortlauts offen, unter welchen Voraussetzungen die Versicherung durch eine Kündigung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wird und der Rückkaufswert nicht in Anspruch genommen werden kann. Aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung innerhalb des § 2 Abs. 2 BetrAVG folgt jedoch, dass sie von vornherein nur die Inanspruchnahme des Rückkaufswerts durch den vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer erfasst. § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG ergänzt seinem Wortlaut zufolge § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG. Dieser verbietet ausdrücklich, dass "der ausgeschiedene Arbeitnehmer" die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in der dort bestimmten Höhe abtritt oder beleiht. Daran unmittelbar anknüpfend schließt Satz 5 die Inanspruchnahme des Rückkaufswerts "in dieser Höhe", d.h. der in Satz 4 geregelten, aus. Aus diesem Zusammenhang folgt, dass beide Regelungen gleichermaßen nur Verfügungen über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis erfassen.

23

Dies entspricht auch der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG. Der Entwurf des § 2 Abs. 2 BetrAVG sah zunächst nur die Beschränkungen in Satz 4 vor. Die Einfügung von § 2 Abs. 2 Satz 5 und 6 BetrAVG begründete der Gesetzgeber damit, dass Satz 4 dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer Verfügungen, die den Versorgungszweck gefährden könnten, verbiete, solche Verfügungen jedoch auch durch Geltendmachung des Rückkaufswerts aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrages möglich seien (BT-Drucks. 7/2843 S. 7). Durch die Einbeziehung der Geltendmachung des Rückkaufswerts in das Verfügungsverbot werde die Sicherung des Versorgungszweckes lückenlos verwirklicht (aaO).

24

bb) Die Inanspruchnahme des Rückkaufswerts durch den ausgeschiedenen Arbeitnehmer, d.h. die Auszahlung oder anderweitige Verwertung (vgl. ErfK/Steinmeyer, 16. Aufl. § 2 BetrAVG Rn. 33) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist jedoch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherungsvertrag noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer gekündigt wurde.

25

Wie der Senat bereits in seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 22. Juli 2015 (IV ZR 437/14, NJW 2015, 3303) ausgeführt hat, stellt § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG für den Fall Schranken auf, dass der Arbeitgeber den ausscheidenden Arbeitnehmer auf die Versicherungsleistung verwiesen hat (aaO Rn. 23). Danach wird zwar das Recht des Arbeitnehmers eingeschränkt, die Lebensversicherung zu kündigen, zu beleihen oder abzutreten (aaO). Hieraus ergibt sich aber nur, dass die Verfügungsmacht des Arbeitnehmers, wenn die Versicherung auf ihn übergeht, in ihrem sachlichen Umfang in bestimmter Hinsicht beschränkt ist (aaO; vgl. Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG 6. Aufl. § 2 Rn. 164; Jumpertz in Förster/Cisch/Karst, Betriebsrentengesetz 14. Aufl. § 2 Rn. 31; Höfer in Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG Band I Stand März 2013 § 2 Rn. 1; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, Betriebsrentengesetz 2. Aufl. § 2 Rn. 257). Die Verfügungsbeschränkungen in § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG erfassen daher nur die Fälle, in denen die Versicherung auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer übertragen wurde. Diese Übertragung vollzieht sich nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrAVG, der dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit gibt, den vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer hinsichtlich seiner unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung auf die vom Versicherer zu erbringende Leistung zu verweisen und damit die eigene Einstandspflicht zu begrenzen. Der ausgeschiedene Arbeitnehmer kann in diesen Fällen die Versicherung als eigene weiterführen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 1993 - XII ZB 80/88, VersR 1993, 728 unter II 2 d). An diese Regelung knüpfen die Verfügungsbeschränkungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG an. Der systematische Zusammenhang schließt nicht nur die Inanspruchnahme des Rückkaufswerts nach § 2 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 BetrAVG, sondern auch die im zweiten Halbsatz geregelte Kündigung ein. Die Verweisung des Arbeitnehmers auf die Versicherung, durch die er regelmäßig auch Versicherungsnehmer wird (Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG 6. Aufl. § 2 Rn. 227; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert aaO Rn. 257), erfolgt erst nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, § 2 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG.

26

Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich auch nichts anderes aus § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG, nach dem § 2 BetrAVG für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, entsprechend anwendbar ist, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG in der hier vorgenommenen Auslegung ist für diese Personen eindeutig bestimmt. Auch in diesen Fällen gibt es einen bestimmten "Zeitpunkt des Ausscheidens" aus dem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2002 - II ZR 192/00, NJW 2002, 3632 unter II 1).

27

cc) Diese Beschränkung der Vorschrift auf die Kündigung nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes sowie dem Willen des Gesetzgebers.

28

Durch die Verfügungsbeschränkungen des § 2 BetrAVG soll im Rahmen des rechtlich Möglichen die bestehende Anwartschaft für den Versorgungszweck erhalten bleiben (BT-Drucks. 7/1281 S. 26). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen dabei aber durch § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG in Ergänzung von § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG gerade dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer Verfügungen, die den Versorgungszweck gefährden können, untersagt werden (vgl. BT-Drucks. 7/2843 S. 7). Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2013 - IX ZR 165/13, r+s 2014, 189 Rn. 2; vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG 6. Aufl. § 2 Rn. 260; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert aaO Rn. 256).

29

Diesem Gesetzeszweck dienen die Verfügungsbeschränkungen jedoch nur dann, wenn die Kündigung durch den Arbeitnehmer als neuen Versicherungsnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ausgesprochen wird. Will der Arbeitnehmer dagegen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses seine Anwartschaft liquidieren und veranlasst er daher den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer, den Versicherungsvertrag zu kündigen, treffen die Parteien des Arbeitsverhältnisses damit eine entsprechende Vereinbarung zur Änderung oder Aufhebung der arbeitsvertraglichen Versorgungszusage.

30

Solche Vereinbarungen beschränkt das Betriebsrentengesetz nur durch § 3 Abs. 1 BetrAVG, nach dem unverfallbare Anwartschaften im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur unter den dort geregelten Voraussetzungen abgefunden werden dürfen. Nach dem Willen des Gesetzgebers bleibt die Abfindung von Anwartschaften während des bestehenden Arbeitsverhältnisses dagegen zulässig, wenn die Abfindung nicht im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt (vgl. BT-Drucks. 15/2150 S. 52). § 3 Abs. 1 BetrAVG ist danach auf Vereinbarungen, durch die unverfallbare Versorgungsanwartschaften mit oder ohne Zahlung einer Abfindung eingeschränkt oder aufgehoben werden, nur anzuwenden, wenn diese Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden (BGH, Urteil vom 21. Mai 2003 - VIII ZR 57/02, NJW 2003, 3350 unter II 1; vgl. BAGE 65, 341 unter I 1 c; Schwintowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 43 Rn. 117). Die Vorschrift setzt einen sowohl zeitlichen als auch sachlichen Zusammenhang zwischen dem Ausscheiden des Arbeitnehmers und der Abfindungsvereinbarung voraus (vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG 6. Aufl. § 3 Rn. 23; BeckOK-Arbeitsrecht/Molkenbuhr, Stand 1. Dezember 2015 § 3 BetrAVG Rn. 2).

31

Eine einvernehmliche Abfindung von Versorgungsanwartschaften im bestehenden Arbeitsverhältnis, die nicht in den Anwendungsbereich des § 3 BetrAVG fällt, wird dann aber auch nicht durch § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG ausgeschlossen. Vielmehr bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 7 BetrAVG, dass § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG sogar eine Abfindung des Anspruchs nach § 3 BetrAVG - soweit dessen Ausnahmeregelungen reichen - nicht verbietet. § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG setzt daher einer Kündigung des Versicherungsvertrages während des bestehenden Arbeitsverhältnisses keine engeren Schranken, als dies § 3 BetrAVG für die der Kündigung zugrundeliegende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer tut, falls diese im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht. Ob ein solcher Zusammenhang vorliegt, betrifft allein die Abfindungsregelung des § 3 BetrAVG.

32

b) Die Kündigung des Versicherungsvertrages wäre danach allerdings dann unwirksam und der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Rückkaufswerts ausgeschlossen, wenn die Kündigung des Versicherungsvertrages auf einer nach § 3 Abs. 1 BetrAVG unzulässigen Abfindungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Arbeitgeberin beruhte.

33

Nach § 3 Abs. 1 BetrAVG darf eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nur unter den Voraussetzungen der - vorliegend nicht einschlägigen - weiteren Absätze dieser Vorschrift abgefunden werden. Eine hiervon abweichende Abfindungsregelung ist gemäß § 134 BGB nichtig (BGH, Urteil vom 15. Juli 2002 aaO unter II 2; BAG, NZA 1985, 218). Das Verbot erfasst nicht nur die Vereinbarung der Abfindung als Grundgeschäft, sondern auch das Erfüllungsgeschäft (Höfer/Reiners/Wüst aaO Stand Juni 2011 § 3 Rn. 79; Blomeyer/Rolfs/Otto aaO § 3 Rn. 42). Bei der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Direktversicherung ist daher der Versicherer zur Auszahlung des Rückkaufswerts nicht verpflichtet, wenn die Inanspruchnahme der Leistung auf einer verbotswidrigen Abfindungsvereinbarung beruht (vgl. Höfer/Reiners/Wüst aaO Stand Juni 2011 Rn. 85).

34

III. Das Berufungsgericht hat sich bisher nicht damit befasst, ob die Kündigung des Versicherungsvertrages auf einer Abfindungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand, beruhte. Aufgrund der zeitlichen Nähe zwischen der Kündigung des Versicherungsvertrages und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt dies aber zumindest in Betracht. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, ergänzende Feststellungen zu treffen.

Mayen                                  Felsch                                 Harsdorf-Gebhardt

                Dr. Karczewski                       Dr. Bußmann