Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2012 - X ZR 50/09

bei uns veröffentlicht am06.03.2012
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 63/07, 19.02.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 50/09 Verkündet am:
6. März 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 6. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die
Richter Dr. Grabinski und Dr. Bacher

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 19. Februar 2009 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 1. Dezember 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in Frankreich vom 3. Dezember 1991 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 614 362 (Streitpatents), das "Ebastin und Ebastin-Analoga enthaltende Arzneimittel" betrifft. Die Patentansprüche 1, 4, 5 und 7 lauten in der Verfahrenssprache Französisch wie folgt: "1. Composition pharmaceutique solide, à dissolution améliorée, contenant un composé répondant à la formule: dans laquelle: - R1 représente un groupe thiényl, un groupe phényl éventuellement substitué par un halogène, un groupe alcoxy contenant 1 à 6 atomes de carbone, un groupe alkyle contenant 1 à 6 atomes de carbone, - R2 représente un atome d'halogène, un atome d'hydrogène , un groupe alcoxy contenant 1 à 6 atomes de carbone , un groupe alkyle contenant 1 à 6 atomes de carbone , - R3 représente un atome d'halogène, un atome d'hydrogène , un groupe alcoxy contenant 1 à 6 atomes de carbone , un groupe alkyle contenant 1 à 6 atomes de carbone , un groupe alkylthio contenant 1 à 6 atomes de carbone , un groupe cycloalkyle contenant 5 ou 6 atomes de carbone ou un groupe de formule: ou R4 et R5 représentent indépendamment l'un de l'autre un atome d'hydrogène ou un groupe alkyle contenant 1 à 6 atomes de carbone, R6 représente un groupe cycloal- kyle contenant 3 à 6 atomes de carbone, hydroxyméthyl, carboxy ou alcoxycarbonyle contenant 2 à 7 atomes de carbone, - W représente un groupe carbonyle ou hydroxyméthylène, et leurs sels; caractérisée en ce que le composé de formule (II) est micronisé. 4. Composition selon la revendication 1 caractérisée en ce que le principe actif de formule (II) présente les caractéristiques suivantes : - taille maximale inférieure à 200 µm - granulométrie moyenne en nombre comprise entre 0,5 et 15 µm - avec de préférence 90 %, en nombre, de particules ayant une granulométrie inférieure à 25 µm et de préférence inférieure à 20 µm. 5. Composition sous forme comprimée caractérisée en ce qu’elle contient le principe actif de la revendication 4. 7. Procédé de préparation de compositions selon la revendication 5 caractérisé en ce que: - dans une première étape on réalise une micronisation du composé de formule (II) - dans une deuxième étape on réalise une granulation humide puis une compression."
2
In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lauten diese Patentansprüche wie folgt: "1. Feste pharmazeutische Zusammensetzung mit verbesserter Auflösung, enthaltend eine Verbindung der Formel worin - R1 eine Thienylgruppe, eine gegebenenfalls durch ein Halogen substituierte Phenylgruppe, eine Alkoxygruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen bedeutet, - R2 ein Halogenatom, ein Wasserstoffatom, eine Alkoxygruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen darstellt, - R3 ein Halogenatom, ein Wasserstoffatom, eine Alkoxygruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine Alkylthiogruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine Cycloalkylgruppe mit 5 oder 6 Kohlenstoffatomen oder eine Gruppe der Formel bedeutet, wobei R4 und R5 unabhängig voneinander ein Wasserstoffatom oder eine Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen darstellen, R6 eine Cycloalkylgruppe mit 3 bis 6 Kohlenstoffatomen, Hydroxymethyl, Carboxy oder Alkoxycarbonyl mit 2 bis 7 Kohlenstoffatomen bedeutet, - W für eine Carbonyl- oder Hydroxymethylengruppe steht und deren Salze, dadurch gekennzeichnet, dass die Verbindung der Formel (II) mikronisiert ist. 4. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet , dass der Wirkstoff der Formel (II) die folgenden Eigenschaften aufweist: - maximale Größe geringer als 200 µm - zahlenmittlere Granulometrie zwischen 0,5 und 15 µm - wobei bevorzugt 90 %, bezogen auf Zahl, der Teilchen eine Granulometrie von geringer als 25 µm und bevorzugt geringer als 20 µm besitzen. 5. Zusammensetzung in komprimierter Form, dadurch gekennzeichnet , dass sie den Wirkstoff gemäß Anspruch 4 enthält. 7. Verfahren zur Herstellung der Zusammensetzung gemäß Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass man - in einer ersten Stufe eine Mikronisierung der Verbindung der Formel (II) vornimmt, - in einer zweiten Stufe eine Feuchtgranulierung und anschließend eine Komprimierung vornimmt."
3
Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche in der Verfahrenssprache und in deutscher Übersetzung wird auf die Patentschrift verwiesen.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig; er sei zudem nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
5
Das Patentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. rer. nat. habil.
6
S. , Leiter der Abteilung Pharmazeutische Technologie an der Universität zu K. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Parteien haben Gutachten von Prof. Dr. J. , M. , und Prof. Dr. M. , B. , vorgelegt.

Entscheidungsgründe:

7
I. Das Streitpatent betrifft eine neue pharmazeutische Formulierung bestimmter substituierter Piperidinderivate.
8
1,4-substituierte Piperidinderivate der allgemeinen Formel (II), darunter insbesondere 4-Diphenylmethoxy-1-[3-(4-tert.-butylbenzoyl)-propyl]- piperidin mit der internationalen Bezeichnung Ebastin, besitzen eine antihistaminische Aktivität H1 (sind also Histamin-Rezeptor-Antagonisten) und sind deshalb bei der Behandlung von Atmungserkrankungen und allergischen oder kardiovaskulären Erkrankungen wertvoll. Sie inhibieren ferner sowohl im Intestinalbereich als auch im Trachialbereich die konstriktorische (gefäßverengende ) Wirkung des Adrenalins und der Kaliumionen. Aktiv sind diese Verbindungen bei parenteraler sowie bei oraler Verabreichung. Allerdings weisen die Wirkstoffe der allgemeinen Formel (II), wenn sie zur oralen Verabreichung in fester Form formuliert werden, eine unzureichende Bioverfügbarkeit auf. Zurückzuführen ist dies auf ihre geringe Löslichkeit in Wasser, die für ihre sehr lange Auflösungszeit im wässrigen Milieu des Magens ursächlich ist. Dies kann zu einem Verlust des aktiven, nicht gelösten und somit nicht absorbierbaren Wirkstoffs bei der gastrischen Entleerung führen und eine gefährliche Überdosierung zur Folge haben (vgl. Beschreibung S. 3 Z. 29 bis 38).
9
Durch das Streitpatent soll eine Verabreichungsform bereitgestellt werden, bei der der Wirkstoff eine gute Bioverfügbarkeit besitzt (vgl. Beschreibung S. 3 Z. 41/42).
10
Hierzu lehrt das Streitpatent in seinem Patentanspruch 1, eine pharmazeutische Zusammensetzung mit der bekannten Verbindung der allgemeinen Formel (II) in mikronisierter Form zur Verfügung zu stellen. Patentanspruch 7 schützt ein Verfahren zur Herstellung der Zusammensetzung, die hinsichtlich der Teilchengröße gemäß Patentanspruch 4 näher charakterisiert ist, bei dem in einem ersten Schritt eine Mikronisierung der Verbindung vorgenommen wird und in einem zweiten Schritt eine Feuchtgranulierung erfolgt und die Verbindung anschließend komprimiert wird.
11
II. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, weil es dessen Gegenstand als durch den Stand der Technik nahegelegt angesehen hat (Art. 56 EPÜ). Ebenso hat mit Urteil vom 18. November 2011 die Rechtbank van koophandel Antwerpen entschieden.
12
Zur Begründung hat das Patentgericht ausgeführt: Das europäische Patent 134 124 (L 3) lehre die Bereitstellung von Piperidin-Derivaten, die der allgemeinen Formel (II) des Streitpatents entsprächen. Dabei werde auch das unter der internationalen Bezeichnung Ebastin bekannte 4-Diphenylmethoxy-1-[3-(4-tert.-butylbenzoyl)-propyl]-piperidin ausdrücklich genannt. Es sei auch beschrieben, dass sich diese Derivate im Vergleich zu den Wirkstoffen Cinnarizin und Terfenadin als besonders wirkungsvoll erwiesen hätten. Bekannt sei, dass die unter diese allgemeine Formel fallenden Verbindungen eine verminderte Wasserlöslichkeit aufwiesen. Zum Grundlagenwissen des Fachmanns, eines Chemikers oder Pharmazeuten mit Hochschulabschluss , der über mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Arzneimitteln verfüge und der insbesondere mit den Grundlagen der Formulierung von Arzneimitteln, d.h. der Galenik, vertraut sei, gehöre es, dass eine schlechte Wasserlöslichkeit arzneilich wirksamer Substanzen Ursache einer unzureichenden Bioverfügbarkeit sein könne. Das "Lehrbuch der pharmazeutischen Technologie" von Rudolf Voigt, 7. Auflage, 1987 (insoweit vorgelegt als L 10), gebe (S. 471/472) an, dass zur Lösung dieses Problems, das bei arzneilichen Wirkstoffen häufig auftrete, eine Erhöhung der Löslichkeit erforderlich sei, wobei die Teilchengröße eine wesentliche Rolle spiele. Durch eine Vergrößerung der Oberfläche werde nämlich die Lösungsgeschwindigkeit , die bei vielen Arzneistoffen den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt des Resorptionsprozesses darstelle, in starkem Maß erhöht. Als geeignete Methode nenne die L 10 an erster Stelle die Mikronisierung. Zwar werde in diesem Zusammenhang auch auf weitere Möglichkeiten zur Verringerung der Teilchengröße verwiesen. Bei diesen Vorgehensweisen handle es sich jedoch um Verfahrensmaßnahmen, die der Fachmann nicht primär in Erwägung ziehen werde, weil sie einen höheren verfahrenstechnischen Aufwand erforderten und weil zum anderen Hilfsmittel benötigt würden.
13
Da die schlechte Wasserlöslichkeit des Arzneistoffs einen Wirkstoffverlust und damit einen wirtschaftlichen Verlust zur Folge habe, habe für den Fachmann ausreichend Veranlassung bestanden zu untersuchen, ob die Bioverfügbarkeit den Anforderungen genüge, zumal es das Lehrbuch von Voigt (insoweit vorgelegt als L 29, S. 607) als unerlässlich erachte, bei schwer wasserlöslichen Stoffen die Bioverfügbarkeit zu überprüfen. Der Fachmann sei auch nicht durch die ihm bekannte Gefahr der Aggregatbildung von der Mikronisierung abgehalten worden, denn dieser habe durch den Zusatz von Hilfsstoffen wie Tensiden, den Patentanspruch 1 nicht ausschließe , begegnet werden können.
14
III. Die Berufung macht geltend, dass der Fachmann schon keinen Anlass gehabt habe, die Bioverfügbarkeit von Ebastin, das als Arzneimittel zugelassen gewesen sei, als unzureichend anzusehen. Jedenfalls habe es sich dem Fachmann als näherliegend aufgedrängt, zu einer Verbesserung der Bioverfügbarkeit nicht die freie Base, sondern ein Säureadditionssalz von Ebastin einzusetzen. Weiter habe die Erkenntnis nicht nahegelegen, dass durch die Mikronisierung eine bessere Löslichkeit zu erreichen sei. Die Mikronisierung sei nicht notwendigerweise einfach durchzuführen und könne den an sich unerwünschten Zusatz von Tensiden zum Wirkstoff erfordern. Wegen des verhältnismäßig niedrigen Schmelzpunkts des Wirkstoffs Ebastin und der im Mahlwerk auftretenden Erhitzung bestehe zudem die Gefahr, dass der Wirkstoff schmelze. Weiter hat sie vorgebracht, dass beim Vermahlen von schwerlöslichen Stoffen bevorzugt weitere hydrophobe Oberflächen geschaffen würden, die nicht zu einer erhöhten Lösungsgeschwindigkeit führten. Schließlich verschlechtere auch die Adsorption von Luft, die beim Mikronisieren auftrete, die Wasserlöslichkeit des Wirkstoffs.
15
IV. Diesen Angriffen hält das angefochtene Urteil stand. 1. Der Wirkstoff des Streitpatents war, was auch die Beklagte nicht in
16
Zweifel zieht, aus der europäischen Patentschrift 134 124 (L 3) bekannt. Diese nennt den Wirkstoff Ebastin ausdrücklich (Beschreibung S. 7 Z. 10: "compound 1"). Auch die therapeutische Anwendbarkeit dieser Substanz war aus der L 3 bekannt (S. 6 Z. 60 bis 63: "The piperidine derivatives of general formula I possess potent selective histamine H1-receptor blocking and calcium antagonist properties and should prove useful in the treatment of a variety of respiratory, allergic and cardiovascular disease states."). Tabelle 1 dieses Patents belegt auch die hohe therapeutische Wirksamkeit des Wirkstoffs. Der Überschuss des Streitpatents besteht damit nach Patentanspruch 1 ausschließlich in dem für eine bessere Bioverfügbarkeit eingesetzten Schritt der Mikronisierung.
17
2. Entgegen der Meinung der Berufung hat das Patentgericht zu Recht angenommen, dass der von ihm zutreffend definierte Fachmann Anlass hatte, sich um eine verbesserte Bioverfügbarkeit von Ebastin zu bemühen. Wie zu I ausgeführt, schildert die Streitpatentschrift, dass die vollständige Resorption des dem Patienten oral verabreichten Wirkstoffs durch seine geringe Löslichkeit in Wasser gefährdet wird. Anhaltspunkte dafür, dass dies unzutreffend wäre, sind weder von der Beklagten vorgebracht noch haben sie sich aus der Verhandlung und der Beweisaufnahme ergeben. Damit waren sie jedoch für den Fachmann, der sich wie bei der Verwendung eines Wirkstoffs als Arzneimittel schon im Interesse einer exakten und zuverlässigen Dosierung stets geboten, des Ausmaßes der Bioverfügbarkeit von Ebastin vergewisserte, feststellbar und gaben Veranlassung zur Prüfung, wie die Bioverfügbarkeit verbessert werden konnte. 3. Der Senat teilt auch die Wertung des Patentgerichts, dass
18
- jedenfalls auch - der Gedanke an eine Mikronisierung zur Verbesserung der Löslichkeit für den Fachmann am Prioritätstag naheliegend war. In der L 10 heißt es (S. 472): "Um entsprechende Löslichkeitsverhältnisse zu erzielen, ist … eine Einflussnahme vor allem auf zwei Parameter möglich, und zwar auf cs (Sättigungskonzentration) und auf F (Oberfläche des ungelösten Arz- neistoffs) …Eine … Verbesserung der Löslichkeit … ist durch Maßnahmen am Arzneistoffmolekül (Salzbildung …), … zu erreichen. Eine Vergrößerung der Oberfläche des Arzneistoffs … lässt sich durch mechanische Zerkleine- rung (z.B. Mikronisierung) … realisieren." Auch wenn die Bildung eines Säu- readditionssalzes eine weitere in Betracht zu ziehende Maßnahme gewesen sein mag, steht dies dem Naheliegen der Mikronisierung nicht entgegen.
19
Der gerichtliche Sachverständige hat die Mikronisierung als die nächstliegende Maßnahme zur Verbesserung der Löslichkeit und damit der Bioverfügbarkeit angesehen. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, dass es sich um eine Maßnahme handele, die verhältnismäßig einfach und jedenfalls einfacher als die Bereitstellung einer geeigneten Salzform durchgeführt und daraufhin überprüft werden könne, ob und gegebenenfalls unter welchen Modifikationen sie sich im konkreten Fall als zielführend erweise. Danach ist aber nicht zweifelhaft, dass eine Mikronisierung des Wirkstoffs aus fachmännischer Sicht zumindest zu erwägen war. Darauf, ob die Mikronisierung für den Fachmann die "nächstliegende" Lösung des Problems war, Ebastin in hoher Bioverfügbarkeit bereitzustellen, kommt es im Ergebnis nicht an. Der Patentfähigkeit ermangelt nicht nur das nächstliegende Vorgehen, sondern jede für den Fachmann naheliegende Lösung eines technischen Problems (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 596 - Inkrustierungsinhibitoren; vom 10. Dezember 2002 - X ZR 68/99, GRUR 2003, 317, 320 - kosmetisches Sonnenschutzmittel I). Es gibt auch keinen Rechtssatz, dass nur die Lösungsalternative, die der Fachmann voraussichtlich zunächst ausprobieren würde, naheliegend sei (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - X ZR 25/95, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, BGH 1994 bis 1998, 445 - Zerstäubervorrichtung; vom 26. Juli 2001 - X ZR 93/95, Mitt. 2002, 16 - Filtereinheit). Kommen für den Fachmann Alternativen in Betracht, können somit mehrere von ihnen naheliegend sein (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2003 - X ZR 113/00 [Flachantenne], juris Rn. 47). 4. Die von der Beklagten gegen das Naheliegen der Mikronisierung
20
angeführten Argumente konnten den Fachmann, wie die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen ergeben hat, nicht davon abhalten, diesen Weg zu beschreiten. Die Argumentation der Beklagten läuft letztlich darauf hinaus, dass der Fachmann durch die von ihr vorgebrachten Gesichtspunkte davon abgehalten worden sei, den in der Literatur beschriebenen und bekannten Verfahrensschritt der Mikronisierung zu erproben, und es stattdessen allein unternommen hätte, die Bioverfügbarkeit auf andere Weise, insbesondere durch die Schaffung eines Säureadditivsalzes von Ebastin, zu verbessern. In der Tat spricht die den Wirkstoff und seine therapeutische Verwendbarkeit offenbarende L 3 auch solche Salze, nicht aber die Mikronisierung an. Die L 10 bezeichnet weiter, worauf die Berufung hinweist, die Bildung wasserlöslicher Salze als "altbewährte Methode" (S. 474 unter 23.3.3). Alles dies begründet aber für sich im Sinn der Senatsrechtsprechung keine allgemeine, eingewurzelte Fehlvorstellung, die den Fachmann davon abgehalten hätte, die Mikronisierung zur Verbesserung der Bioverträglichkeit einzusetzen (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. Juni 1996 - X ZR 49/94, BGHZ 133, 57, 67 = GRUR 1997, 857, 860 - Rauchgasklappe; Urteil vom 15. September 2009 - X ZR 115/05, GRUR 2010, 322 Rn. 41 ff. - Sektionaltor).
21
5. Auch die weiteren von der Beklagten im Einzelnen angeführten Gesichtspunkte sind nicht geeignet, eine Veranlassung für den Fachmann zu belegen, von einer Mikronisierung von vornherein und ohne, dass er bei deren Durchführung auf nicht oder nicht ohne weiteres zu überwindende Probleme gestoßen wäre, Abstand zu nehmen. (a) Dass die Mikronisierung nicht ohne einen gewissen Aufwand
22
durchzuführen gewesen sein mag, stand von vornherein einer Beschäftigung des Fachmanns mit diesem bekannten Verfahrensschritt nicht entgegen.
23
(b) Vorbehalten, die darauf beruhen konnten, dass in einem Mahlwerk die Gefahr der Erhitzung und des Schmelzens des Wirkstoffs bestehe, steht schon entgegen, dass - wie der gerichtliche Sachverständige unwidersprochen ausgeführt hat - hierzu zweckmäßigerweise eine für Zwecke der Feinzerkleinerung bekannte Luftstrahlmühle (vgl. L 9 - Georges Boullay, STP Pharma 1985, 1 (4), S. 296 ff.) eingesetzt werden konnte, die nicht zu einer Erhitzung des Wirkstoffs, sondern über den Gasstrahl sogar zu dessen Kühlung geführt hätte und deshalb im Lehrbuch von Voigt (S. 36) ausdrücklich für den Zweck empfohlen wird, thermolabile Arzneimittel schonend auf den gewünschten Feinheitsgrad zu bringen.
24
(c) Der - vom gerichtlichen Sachverständigen als zutreffend bestätigte - Gesichtspunkt, dass hydrophobe Stoffe bei einer Zerkleinerung nicht selten zur Agglomeration neigen und die Zerkleinerung weitere hydrophobe Oberflächen schaffen kann, was sich auf die Löslichkeit und damit auf die Bioverfügbarkeit negativ auswirken kann, hielt den Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige angegeben hat, nicht davon ab, die Mikronisierung zur Verbesserung der Löslichkeit einzusetzen. Insoweit tritt der Senat der von Fachkunde getragenen Beurteilung durch das Patentgericht bei, das zutreffend darauf verwiesen hat, dass solchen Schwierigkeiten - wenn sie überhaupt auftraten - durch eine Verbesserung der Benetzbarkeit, insbesondere die Zugabe von Tensiden, beizukommen war, worauf auch die L 9 verweist (vgl. BPatGU 14). Soweit die Berufung weiter darauf verweist, dass nach der L 10 bei stark (dort: ausgeprägt; S. 476) hydrophoben Arzneistoffen eine Teilchenzerkleinerung zu einer Verschlechterung der Löslichkeitsverhältnisse führe, krankt ihre Argumentation schon daran, dass sie nicht aufzeigt , dass der Fachmann davon ausgehen musste, dass Ebastin ein stark hydrophober Stoff in diesem Sinn ist; die von ihr genannte Belegstelle im Urteil der Vorinstanz belegt dies nicht. Auch der gerichtliche Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die geringe Löslichkeit eines Stoffes nicht notwendigerweise mit einer ausgeprägten Hydrophobie verbunden ist. Im Übrigen wird die apodiktische Aussage bei Voigt unmittelbar nachfolgend durch den Hinweis relativiert, dass sich bei derartigen Arzneistoffen die Lösungsgeschwindigkeit durch Umkristallisieren aus tensidhaltiger Lösung steigern lasse.
25
(d) Schließlich kann auch das Argument der Beklagten, dass die Adsorption von Luft, die bei der Mikronisierung zu befürchten sei, eine verschlechterte Wasserlöslichkeit zur Folge habe, nicht mit Erfolg gegen das Naheliegen der Mikronisierung ins Feld geführt werden. Der gerichtliche Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass dem erforderlichenfalls mit der bekannten und etwa bei Voigt (insoweit vorgelegt als L 23 unter 8.3.2.1. S. 158 ff.) beschriebenen Feuchtgranulierung wirksam begegnet werden konnte.
26
(e) Zu dem Argument, dass es dem Fachmann habe unerwünscht erscheinen müssen, zur Verbesserung der Lösungsgeschwindigkeit durch Mikronisierung auf die Hinzufügung eines Tensids zum Wirkstoff angewiesen zu sein, hat der gerichtliche Sachverständige schließlich überzeugend ausgeführt , man werde zunächst versuchen, ohne ein Tensid auszukommen, bei iterativem Vorgehen es aber bei Bedarf in einem Folgeschritt einsetzen. Ein solches Tensid sei auch kein Allergen und deshalb für die vorgesehenen therapeutischen Zwecke nicht per se nachteilig. Im Übrigen hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass weitere Hilfsstoffe wie inerte Zucker zur Hydrophilierung in Betracht kommen.
27
6. Demnach kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass der Fachmann annahm, die Mikronisierung werde nicht zu der gewünschten Verbesserung der Löslichkeit von Ebastin führen. Die ein Naheliegen jedenfalls begründende "angemessene Erfolgserwartung" im Sinn insbesondere der Praxis der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (vgl. nur EPA - T 60/89, ABl. EPA 1992, 268 = GRUR Int. 1992, 771, 775 - Fusionsproteine; schweiz. Bundesgericht, GRUR Int. 1996, 1059, 1063 - Manzana II) bei der Mikronisierung ist damit ungeachtet nicht von vornherein auszuschließender Schwierigkeiten im Einzelnen, die aber nicht spezifisch mit der Struktur von Ebastin zusammenhängen, nicht zu verneinen.
28
V. Mit dem Patentgericht ergab sich auch der Gegenstand des Patentanspruchs 7, hinsichtlich dessen sich die Beklagte allein auf einen gegenüber Patentanspruch 1 überschießenden erfinderischen Gehalt beruft, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Die Beklagte macht geltend , dass durch die Kombination von Mikronisierung und Feuchtgranulierung eine Verbesserung der Lösungsgeschwindigkeit erzielt werde, die als überraschender synergistischer Effekt über die Summe der Einzelbeiträge hinausgehe. Das Patentgericht hat hierzu ausgeführt, es handle sich um eine bei der Verarbeitung pulverförmiger Substanzen übliche Maßnahme, die der Fachmann alleine schon aus Gründen der besseren Handhabbarkeit, beginnend bei der genaueren Dosierbarkeit, bei in mikronisierter Form vorliegenden Wirkstoffen ergreife. Der gerichtliche Sachverständige hat dies bestätigt und darauf verwiesen, dass die Herstellung von Tabletten mittels Granulation in Lehrbüchern detailliert beschrieben werde, so auch bei Voigt (siehe hierzu oben unter III 5 (e)). Ob das Ausmaß der Löslichkeitssteigerung überraschend ist, kann angesichts dessen dahinstehen. Denn auch ein überraschender Synergieeffekt kann erfinderische Tätigkeit nicht begründen, wenn die Maßnahmen, die diesen Effekt zur Folge haben, wie hier nahegelegt waren (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2002 - X ZR 68/99, GRUR 2003, 317 - kosmetisches Sonnenschutzmittel I; Urteil vom 14. Mai 2009 - Xa ZR 148/05, GRUR 2009, 936 - Heizer).
29
VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Grabinski Bacher
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.02.2009 - 3 Ni 63/07 (EU) -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2012 - X ZR 50/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2012 - X ZR 50/09

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2012 - X ZR 50/09 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2012 - X ZR 50/09 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2012 - X ZR 50/09 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Sept. 2009 - X ZR 115/05

bei uns veröffentlicht am 15.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 115/05 Verkündet am: 15. September 2009 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2002 - X ZR 68/99

bei uns veröffentlicht am 10.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 68/99 Verkündet am: 10. Dezember 2002 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Ko

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juli 2001 - X ZR 93/95

bei uns veröffentlicht am 26.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 93/95 Verkündet am: 26. Juli 2001 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Mai 2003 - X ZR 113/00

bei uns veröffentlicht am 06.05.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 113/00 Verkündet am: 6. Mai 2003 Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2012 - X ZR 50/09.

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Mai 2012 - X ZR 98/09

bei uns veröffentlicht am 15.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 98/09 Verkündet am: 15. Mai 2012 Wermes, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Apr. 2018 - X ZR 50/16

bei uns veröffentlicht am 24.04.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 50/16 Verkündet am: 24. April 2018 Zöller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Feb. 2016 - X ZR 5/14

bei uns veröffentlicht am 16.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 5/14 Verkündet am: 16. Februar 2016 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 68/99 Verkündet am:
10. Dezember 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kosmetisches Sonnenschutzmittel
EPÜ Art. 56
Synergistische Effekte, die über die bloße Summenwirkung einer aus mehreren
Stoffen zusammengesetzten Mischung hinausgehen, können als Anzeichen für erfinderische
Tätigkeit gewertet werden. War die Kombination dem Fachmann durch
den Stand der Technik nahegelegt, vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter
und überraschender Effekt die erfinderische Leistung der Kombination allein nicht zu
begründen.
BGH, Urt. v. 10. Dezember 2002 - X ZR 68/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 5. November 1998 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 555 460 (Streitpatents), das am 25. August 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der französischen Patentanmeldung vom 29. August 1991 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Französisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent - und Markenamt unter der Nummer 692 02 759 geführt wird, betrifft ein "Kosmetisches Sonnenschutzmittel" und umfaßt 23 Patentansprüche.
Die Patentansprüche 1 und 23 in der erteilten Fassung lauten in deutscher Übersetzung:
"1. Kosmetische Filter-Zusammensetzung, dadurch gekennzeich- net, daß sie, in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium, mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden, ausgewählt aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm und mindestens einen aus fettlöslichen Polymeren mit Kohlenwasserstoffstruktur und aus Polymeren mit SiloxanStruktur polymeren Träger mindestens einer ultraviolette Strahlungsanteile absorbierenden Gruppierung enthält. 23. Kosmetisches Verfahren zum Schutz der menschlichen Haut und der Haare vor ultravioletter Strahlung von Wellenlängen von 280 bis 400 nm, dadurch gekennzeichnet, daß man auf die Haut oder die Haare eine wirksame Menge einer kosmetischen Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 1 bis 22 aufträgt." Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 22 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat gegen die Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 Teilnichtigkeitsklage erhoben, soweit diese kosmetische Zusammensetzungen betreffen , die als polymeren Träger allein ein Polymer mit Siloxan-Struktur enthalten. Die Klägerin hat geltend gemacht, in diesem Umfang seien die Gegenstände des Streitpatents nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eine neue Fassung der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 überreicht.
Die Klägerin hat beantragt, das europäische Patent 0 555 460 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland insoweit für nichtig zu erklären, als sie über den Umfang der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 hinausgehen. Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und das Streitpatent hilfsweise in beschränktem Umfang verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat der Teilnichtigkeitsklage stattgegeben und das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dieses über die Ansprüche in der neuen Fassung hinausgeht.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte das Streitpatent entsprechend ihren bisherigen Hilfsanträgen im Umfang ihrer (neu formulierten) Ansprüche 24 bis 38 verteidigt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abweisung der Klage im übrigen das europäische Patent 0 555 460 im Umfang der neuen Patentansprüche 1 bis 38 aufrechtzuerhalten, und zwar die Ansprüche 24 bis 38 in folgender Fassung: 24. Kosmetische Filter-Zusammensetzung, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie, in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium, mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden, ausgewählt aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm, und mindestens ein Polymer mit Siloxanstruktur, das mindestens eine ultraviolette Strahlungsanteile-absorbierende Gruppierung trägt, enthält, wobei das Polymer mit Siloxan-Struktur ein Diorganpolysiloxan ist, das in seinem Molekül mindestens eine Einheit der Formel aufweist:
R’a ‰ X-Si-O 3-a (VI)

2

worin gilt: R' bedeutet eine gesättigte oder ungesättigte C1-30Kohlenwasserstoffgruppe , eine halogenierte C1-8Kohlenwasserstoffgruppe oder eine Trimethylsilyloxygruppe, a = 1 oder 2, X = -A-Y, worin A ein aliphatischer oder aromatischer zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen ist, der gegebenenfalls ein oder mehrere Sauerstoffatome aufweist, und Y den Rest eines Moleküls darstellt, das die UV-Strahlung filtert , welcher ein 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazolrest ist, der nicht substituiert ist oder an einem der aromatischen Kerne C1-8-Alkyl-, C2-8-Alkenyl-, Halogen-, Alkoxy-, Carboxy-, Hydroxyoder Amino-Substituenten aufweist. 25. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 24, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Nanopigmente der Metalloxide einen Durchmesser von 5 bis 50 nm aufweisen. 26. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 24 oder 25, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Metalloxid Titanoxid ist. 27. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 26, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Nanopigment der Metalloxide ein umhülltes Pigment ist, das einem oder mehreren Oberflächenbehandlungsverfahren chemischer, elektronischer , mechanochemischer oder mechanischer Art mit Verbindungen unterzogen worden ist, die aus Aminosäuren, Bienenwachs , Fettsäuren, Fettalkoholen, anionischen oberflächenaktiven Mitteln, Lecithinen, Natrium-, Kalium-, Zink-, Eisen- oder Aluminiumsalzen von Fettsäuren, Metallalkoxiden, Polyethylen, Siliconen, Proteinen, Alkanolaminen, Siliziumoxiden, Metalloxiden und aus Natriumhexametaphosphat ausgewählt sind. 28. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 27,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das umhüllte Na- nopigment aus Metalloxiden ein Pigment aus Titanoxid ist, das mit Kieselsäure, Kieselsäure und Aluminiumoxid, Kieselsäure und Eisenoxid, Aluminiumoxid und Silicon, Aluminiumoxid, Aluminiumoxid und Aluminiumstearat, Aluminiumoxid und Aluminiumlaurat , Eisenoxid und Eisenstearat, Zinkoxid und Zinkstearat , Kieselsäure und Aluminiumoxid und Silicon, Kieselsäure und Aluminiumoxid und Aluminiumstearat und Silicon, Triethanolamin, Stearinsäure oder mit Natriumhexametaphosphat umhüllt ist. 29. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 28, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie 0,1 bis 15 vorzugsweise 0,5 bis 10 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung, mindestens eines Nanopigments aus Metalloxiden enthält. 30. Kosmetische Zusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 24 bis 29, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Diorganopolysiloxan zusätzlich Einheiten mit der Formel umfaßt: R'a ½ R'b - SiO 4-b (VII) und Z-Si-O 3-a (VIII)
2
2 worin R' und a die in Anspruch 12 angegebenen Bedeutungen haben, b eine ganze Zahl gleich 1, 2 oder 3 ist, Z = -O-Y, worin Y dieselbe Bedeutung wie in Anspruch 12 hat, und wobei mindestens 40 % der Anzahl der Reste R' den Methylrest bedeuten. 31. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 30, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie ein Polydimethylsiloxan mit gepfropfte(m)(n) 2-(3'-Trimethylen-5'-methyl2' -hydroxyphenyl)benztriazol-Rest(en) enthält. 32. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Anprüche 24 bis 31, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie 0,1 bis 15 vor- zugsweise 0,5 bis 10 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung, mindestens eines polymeren Filterstoffes mit Siloxan-Struktur enthält. 33. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 32, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Gewichtsverhältnis Nanopigment(e)/polymere(r) Filterstoff(e) 0,1 bis 10 und vorzugsweise 0,5 bis 5 beträgt. 34. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie eine Zusammensetzung zum Schutz der menschlichen Haut oder ein Sonnenschutzmittel darstellt und in Form einer Lotion, verdickten Lotion, eines Gels, Öls, einer bläschenartigen Dispersion, einer Creme, Milch, eines Puders, Feststoffstäbchens, Schaums oder eines Spray-Produkts vorliegt. 35. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie eine Zusammensetzung zum Schminken der Wimpern, Augenbrauen oder der Haut darstellt und in fester oder pasteuser, wasserfreier oder wässriger Form einer Emulsion, Suspension oder bläschenartigen Dispersion vorliegt. 36. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33 zur Verwendung zum Schutz der Haare vor ultravioletten Strahlen, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie in Form eines Shampoo, einer Lotion, eines Gels oder einer Zusammensetzung zur Spülung, zur Aufbringung vor oder nach einer Shampoonierung , vor oder nach einer Färbung oder Entfärbung, vor, bei oder nach einer Dauerwelle oder einem Ausfrisieren, in Form einer Lotion oder eines Gels zum Frisieren oder Behandeln , einer Lotion oder eines Gels zum Bürsten oder zur Wellengebung , eines Lacks für die Haare, einer Zusammensetzung zur Dauerwelle oder zum Ausfrisieren, zur Färbung oder Entfärbung der Haare vorliegt.
37. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 36, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie zusätzlich kosmetische Hilfsstoffe enthält, ausgewählt aus Fettkörpern, organischen Lösungsmitteln, Siliconen, Verdickungsmitteln, weichmachenden Mitteln, solaren Filterstoffen für UV-A, UV-B oder eine lange Wellenbande, Antischaummittelen, hydratisierenden Mitteln, Parfüm-Produkten, Konservierungsstoffen, oberflächenaktiven Mitteln, Beladungsmitteln, Sequestriermitteln, anionischen, kationischen, nicht-ionischen oder amphoteren Polymeren oder aus deren Mischungen, Treibmitteln, alkalisch oder sauer machenden Mitteln, Färbemitteln und aus Pigmenten von Metalloxiden mit einer Korngröße von 100 bis 20000 nm. 38. Kosmetisches Verfahren zum Schutz der menschlichen Haut und der Haare vor ultravioletter Strahlung von Wellenlängen von 280 bis 400 nm, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß man auf die Haut oder die Haare eine wirksame Menge einer kosmetischen Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 37 aufträgt. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Prof. Dr. L. , , hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten von Dr. J. F. sowie Versuchsprotokolle vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Gegenstand des Berufungsverfahrens sind ausschließlich die von der Beklagten neu formulierten Patentansprüche 24 bis 38 des Streitpatents. Sie waren Gegenstand der im Verfahren vor dem Bundespatentgericht gestellten Hilfsanträge der Beklagten und sind gegenüber dem Ausspruch der Teilnichtigerklärung des Bundespatentgerichts weiter eingeschränkt. Soweit die Beklagte das Urteil des Bundespatentgerichts nicht angefochten hat, verbleibt es bei der Teilnichtigerklärung des Streitpatents. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.1. Das Streitpatent betrifft eine kosmetische Zusammensetzung, die ultraviolette Strahlung filtert und die in Abmischung mindestens ein Nanopigment eines Metalloxids sowie mindestens ein fettlösliches Polymer enthält.
Die nicht sichtbare ultraviolette Strahlung der Sonne (UV-Licht) schädigt bei längerer Einwirkung die Haut. Für die typische Erscheinung des "Sonnenbrandes" (Hautrötung, Erythem) sind in erster Linie die kürzerwelligen, energiereichen UV-B-Strahlen verantwortlich (280 bis 320 nm). Das längerwellige, energieärmere UV-A-Licht (320 bis 400 nm) kann allerdings auf Grund seiner höheren Intensität zu Langzeitschäden führen, die kurzfristig nicht offenbar werden, wie Hautalterung, chronische Lichtschäden und Hautkrebs. Seit langem wird hoher Schutz im UV-B-Bereich gefordert, da durch die Verringerung der Ozonschicht UV-Strahlen verstärkt auf die Erdoberfläche auftreffen und auch UV-B-Strahlen Langzeitschäden verursachen können. Zum Schutz gegen UV-A-Strahlen waren bisher organische Filter bekannt. Es wurde befürchtet, daß diese organischen Substanzen bei einer Konzentrationserhöhung zum Zwecke eines verstärkten Schutzes in merklichen Mengen die Haut passieren
und vom Gesamtorganismus resorbiert werden könnten. Mögliche unerwünschte Wirkungen für den Anwender waren nicht auszuschließen.
Nach den Angaben der Streitpatentschrift (S. 2 Z. 3 bis 8 der deutschen Übersetzung) sind Sonnenschutzmittel auf der Basis polymerer siloxanischer Trägerstoffe bekannt, die den ultravioletten Anteil absorbieren und den Vorteil aufweisen, das Eindringen der Filterstoffverbindungen in den Organismus herabzusetzen und sogar zu unterdrücken. Ebenso bekannt sind kosmetische Zusammensetzungen , die Metalloxide wie z.B. Titanoxid enthalten (S. 2 Z. 9 bis 11) und infolge ihrer Diffusions- und Reflexionseigenschaften über einen großen Bandbereich als Sonnenschutzmittel geeignet sind. Solche Zusammensetzungen haben jedoch den Nachteil, daß ihre Wirksamkeit gegen ultraviolette Strahlungen bei empfindlicher oder kontinuierlich der Sonnenstrahlung ausgesetzter Haut unzureichend ist (S. 2 Z. 11 bis 17).
2. Das Streitpatent will eine kosmetische Zusammensetzung zur Verfügung stellen, die eine verbesserte Schutzwirkung gegenüber ultravioletter Strahlung in einem Wellenlängen-Bereich von 280 bis 400 nm (UV-B- und UV-A-Bereich) aufweist, und ein Verfahren hierzu.
3. Patentanspruch 24 beschreibt eine kosmetische Filterzusammensetzung ,
(1)
die in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden enthält, (1.1) das ausgewählt ist aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, (1.2) mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm und
(2)
die mindestens ein Polymer mit Siloxanstruktur enthält, (2.1) das mindestens eine ultraviolette Strahlungsanteile absorbierende Gruppierung trägt, (2.2) wobei das Polymer mit Siloxan-Struktur ein Diorganpolysiloxan ist, (2.3) das in seinem Molekül mindestens eine Einheit der Formel aufweist R'a ½ X-Si-O 3-a (VI)

2

worin gilt: (2.3.1) R' bedeutet eine gesättigte oder ungesättigte C1-30-Kohlenwasserstoffgruppe, eine halogenierte C1-8-Kohlenwasserstoffgruppe oder eine Trimethylsilyoxygruppe , (2.3.2) a = 1 oder 2, (2.3.3) X = -A-Y, (2.3.3.1) worin A ein aliphatischer oder aromatischer zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen ist, der gegebenenfalls ein oder mehrere Sauerstoffatome aufweist, und (2.3.3.2) Y den Rest eines Moleküls darstellt, das die UVStrahlung filtert, (2.3.3.2.1) welcher ein 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazolrest ist, der nicht substituiert ist oder (2.3.3.2.2) an einem der aromatischen Kerne C1-8-Alkyl-, C2-8Alkenyl -, Halogen-, Alkoxy-, Carboxy-, Hydroxy- oder Amino-Substituenten aufweist. 4. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen erkannte der Durchschnittsfachmann, ein Diplomchemiker, Pharmazeut oder Diplom-Biologe, der sich in das spezielle Fachgebiet der Kosmetik (Kosmetologie) intensiv eingearbeitet hat, daß Patentanspruch 24 des Streitpatents das technische Problem eines erwünschten hohen UV-Schutzes durch Kombination von zwei Komponenten löst: Als (anorganischer) UV-B-Filter werden partikuläre Metalloxide, z.B. Oxide des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm (Nanopigmente) in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium einge-
setzt. Derartige Metalloxide zählen zu den Substanzen, die nicht in gelöster, sondern in partikulärer Form den Lichtschutz erbringen. Die hochdispersiven Metalloxide bewirken Reflexion, Absorption und Streuung der UV-Strahlen, wobei Teilchengrößen über 100 nm zur Reflexion des einstrahlenden Lichts und Teilchengrößen von weniger als 100 nm zur Absorption oder Streuung führen. Wie der Gutachter Dr. F. in seinem Gutachten (S. 5 f. der deutschen Übersetzung ) verdeutlicht hat, verändert eine Verminderung der Teilchengröße die Absorptionskurve. Mit verringerter Teilchengröße vermindert sich die Absorption des sichtbaren Lichts; die UV-A-Absorption nimmt ab und die UV-B-Absorption zu. Titandioxid, wie im Streitpatent beschrieben, ist deshalb als überwiegendes UV-B-Sonnenschutzmittel mit Breitbandspektrumschutz zu klassifizieren.
Als zweite Komponente wird ein (organischer) Polymer-Sonnenschutzfilter mit Siloxan-Struktur (C-Si-O) vom Typ des Diorganopolysiloxan eingesetzt, das z.B. als chemisch daran gebundenen Chromophor das UV-Filtermolekül 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazol oder Derivate davon (im folgenden als Benztriazol bezeichnet) trägt. Der organische Polymer-Sonnenschutzfilter ist ebenfalls ein Breitbandsonnenschutzmittel in den UV-A- und UV-BWellenlängenbereichen ; er ist aufgrund seiner Polymerstruktur in öligen, lipophilen Trägern einschließlich Silikonölen löslich und erreicht die volle UVAbsorption nur in gelöstem Zustand. Er zeigt eine gute Haftung auf der Haut und wird vom Körper nicht resorbiert.
Durch das Mischen der beiden Breitbandsonnenschutzmittel kommt es zu einer Überlagerung der beiden Absorptionsbereiche und infolgedessen zu einer Verstärkung der Schutzwirkung. Gleichzeitig wird durch die spezielle Wahl der organischen Polymere mit Siloxan-Struktur eine unerwünschte Resorption weitgehend vermieden. Die organischen Polymere werden infolge ihrer Molekülgröße auch in gelöstem Zustand nicht durch die Haut resorbiert. Nanopig-
mente von Metalloxiden werden ebenfalls nicht vom Organismus aufgenommen.
Die vorgeschlagene Kombination verbessert den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge den Schutz mit organischen Polymeren. Da die optimale UV-A-Absorption nur von gelösten Molekülen erreicht wird, können mit dem beanspruchten Polymer höhere Konzentrationen und damit eine verbesserte Schutzwirkung erzielt werden. Als Folge können in Zusammensetzungen die beiden Filtersubstanzen in ihrer Konzentration herabgesetzt werden. Die Kombinationspräparate besitzen eine besonders hohe Effektivität.
II. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 24 des Streitpatents ist neu (Art. 52 EPÜ). In keiner der in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen wird die erfindungsgemäße Lehre vollständig beschrieben.
2. Die Lehre des Patentanspruchs 24 beruht allerdings nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Der Senat ist aufgrund des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen und dessen Erläuterung sowie dessen Ergänzungen , des Gutachtens von Dr. F. , aufgrund des Vorbringens der Parteien und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, daß die Kombination von zwei bekannten Breitbandsonnenschutzmitteln mit Sonnenschutzwirkung sowohl im UV-B- als auch im UV-A-Wellenbereich, nämlich eines anorganischen UV-Filters mit kolloidalen Metalloxiden und eines organischen UV-Absorbers gemäß Patentanspruch 24, dem einschlägigen Fachmann am Prioritätstag ohne erfinderisches Bemühen nahegelegt war.

a) Metalloxide, vornehmlich Titandioxid mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von 200 nm oder mehr, die auf der Haut eine weiße Schicht zurücklassen , wurden viele Jahre als Sonnenschutz verwendet. Der Fachwelt war
am Prioritätstag des Streitpatents aus dem Stand der Technik bekannt, daß die bekannte, aber kosmetisch nicht akzeptable Weißfärbung durch Verringerung der mittleren Teilchengröße der Metalloxid-Pigmente vermieden werden kann.
Die US-amerikanische Patentschrift 5,032,390 beschreibt kosmetische Mittel gegen Sonnenbräune mit Metalloxid-Pigmenten des Zinks und Titans. Dabei wird hervorgehoben, daß "feines" Zinkoxid mit mittlerer Teilchengröße von 70 bis 300 nm und Titanoxid mit mittlerer Teilchengröße von 30 bis 70 nm als UV-Absorber geeignet sind und zugleich in Zubereitungen den Vorteil der Transparenz bieten. Es wird ausgeführt (S. 7 der Übersetzung), das Titanoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 40 bis 70 nm zeige zusätzlich zum Schutz im UV-B-Bereich eine erhöhte Absorption und Streuung der Strahlen im UV-ABereich nahe 320 nm. Dies wird in Figur 5 der US-Druckschrift bestätigt. Wenn die dargestellten Kurven auch nicht mathematisch exakt seien, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, so könne der Fachmann Figur 5 doch das Prinzip entnehmen, daß bei zunehmender Teilchengröße (von 15 nm bis 75 nm) der Höchstpunkt der Absorption aus dem UV-B-Bereich in den UV-ABereich verlagert werde. Bei einer Teilchengröße von 75 nm liegt nämlich der Höchstpunkt der Absorption bereits im UV-A-Bereich; bei kleineren Partikelgrößen , die ebenfalls von den geltenden Patentansprüchen des Streitpatents umfaßt sind, liegen die Maxima noch im Bereich von weniger als 320 nm Wellenlänge und damit im UV-B-Bereich. Diese Abhängigkeit der Absorption von der Teilchengröße des Titandioxids und die Verschiebung der Aktivitätspeaks vom UV-B-Bereich zum UV-A-Bereich bei zunehmender Teilchengröße wird in Figur 3 des Gutachten von Dr. F. bestätigt (S. 6 der Übersetzung).
Der mit der Verwendung von mikrofeinen Metalloxid verbundene Vorteil der Transparenz bei Sonnenschutzmitteln wird auch in der PCT-Anmeldung WO 90/11067 beschrieben, welche die Verwendung von Titandioxid mit einer
mittleren Primärteilchengröße von etwa 15 nm und von mindestens einer weiteren Qualität Titandioxid mit einer mittleren Primärteilchengröße zwischen etwa 30 bis 50 nm in einem kosmetischen Träger vorschlägt: Diese Zusammensetzungen seien auf der Haut im wesentlichen transparent. Größere Partikel seien wegen der Erscheinung der "Weiße" ungeeignet. Das beschriebene Produkt liefere transparente Präparate (S. 1 und 3), die für den Verbraucher in ästhetischer Hinsicht akzeptabel seien. Sonnenschutzmittel mit einem relativ hohen Anteil an Titandioxid, beispielsweise zwischen 5 und 30 %, bewirkten einen ausreichenden Schutz gegen UV-A- und UV-B-Strahlen und seien sogar zur Behandlung von Patienten geeignet, die unter durch Lichteinwirkung bedingten Hautausschlägen litten (S. 9 f.). Ebenso schildert die Druckschrift "Degussa, Schriftenreihe Pigmente: Hochdisperse Metalloxide nach dem AEROSIL-Verfahren , Nr. 56", Titandioxid P 25 mit einer mittleren Primärteilchengröße von etwa 21 nm besitze die Eigenschaften (S. 15), UV-Licht zu absorbieren und in Flüssigkeiten transparent zu sein. Es könne deshalb in kosmetischen und medizinischen Sonnenschutzpräparaten eingesetzt werden (S. 28).

b) Der Fachmann, der sich zur Vermeidung der nicht akzeptierten Weißfärbung für eine kleinere Teilchengröße der Metalloxide entschloß, konnte nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aus den genannten Druckschriften ohne weiteres entnehmen, daß er mit dem Vorteil der Transparenz eines Sonnenschutzmittels zugleich einen verminderten Schutz gegen ultraviolette Strahlen einhandelte und daß er deshalb zur Verbesserung des Schutzes Maßnahmen ergreifen mußte. Schon wegen der erkannten Gefahr von Schäden durch UV-Strahlen sei der Fachmann veranlaßt gewesen, über eine Optimierung des Schutzes nachzudenken. Einen ersten Hinweis erhielt der Fachmann aus der US-amerikanischen Patentschrift 5,032,390. Aus dieser Druckschrift konnte er den Vorschlag entnehmen, Titanoxid und Zinkoxid zu kombinieren, um dadurch einen verbesserten Breitbandschutz im gesamten
Bereich der UV-Strahlen zu erzielen. Während das Titanoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 40 bis 70 nm eine erhöhte Absorption der Strahlen im UV-BBereich nahe einer Wellenlänge von 320 nm zeigt, erreicht Zinkoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 250 nm ein deutliches Absorptionsmaximum bei einer Wellenlänge nahe 370 nm im UV-A-Bereich (S. 7 der Übersetzung). Der Fachmann wird bei diesem Vorschlag allerdings auch den Nachteil erkannt haben , daß eine ausgesprochene UV-A-Filterwirkung erst ab höheren Teilchengrößen des Zinkoxids zu erwarten war, diese Teilchengröße aber wegen der Weißfärbung gerade nicht erwünscht war.

c) Verwarf der Fachmann diesen Weg wegen mangelnder Transparenz der Substanz, so erhielt er auf der Suche nach einem geeigneten Filter für den UV-A-Bereich aus der PCT-Anmeldung WO 90/11067 einen Hinweis dahin, daß sich andere Sonnenschutzmittel in die Zusammensetzungen mit Titanoxid einarbeiten lassen und daß als geeignete weitere Sonnenschutzmittel monomere organische Substanzen in Betracht kommen (S. 9), etwa Benzophenone. Einen entsprechenden Ansatz enthält auch die Degussa-Schrift, in der auf Kombinationen mit organischen UV-Absorbern hingewiesen wird (S. 16).
Eine Konkretisierung des organischen UV-Absorbers fand der Fachmann in der französischen Offenlegungsschrift 2 657 351. Diese schlägt als geeigneten organischen Filter kosmetische Zusammensetzungen mit Benztriazol vor. Aus dieser Druckschrift erfuhr der Fachmann, als Chromophor Benzophenon einzusetzen und chemisch mit dem Polymer Polysiloxan zu verknüpfen, sowie eine bessere Löslichkeit in lipophilen Trägern (Silikonöl) vorzusehen (S. 1, Z. 5). Ferner wird darauf hingewiesen, daß dieses Sonnenschutzmittel in Kombination mit anderen UV-Filtern verwendet werden kann, zum Beispiel in Kombination mit Titanoxid (Beispiel 2, S. 13, 14). Für den einschlägigen Fachmann lag es nahe, gerade diesen organischen Filter zu prüfen und eine Kombination mit
Nanopigmenten von Metalloxiden in Erwägung zu ziehen. Wie der gerichtliche Sachverständige in Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, ist der Fachmann auf der Suche nach Verbesserung seiner Sonnenschutzmittel stets bestrebt, alle auf dem Markt erhältlichen, zugelassenen Hilfsstoffe, die als geeignete Filter in Frage kommen, zu überprüfen. Dazu habe er sich die Anforderungen vor Augen führen müssen, die an ein gutes Sonnenschutzpräparat gestellt werden: UVAbsorption im UV-A- und UV-B-Bereich, hohe Effektivität und geringe Gefahr der Resorption. Dem Fachmann sei bewußt gewesen, daß bei Vermeidung der Weißfärbung eine einzige Filter-Substanz diesen Anforderungen nicht genügen konnte und daß die Kombination von mehreren Filtern zusätzliche Vorteile bot, nämlich die Überlappung der UV-Absorptionsbereiche und damit bei niedrigerer Konzentration der Einzelkomponenten eine erhöhte Gesamteffektivität. Da bekannt gewesen sei, daß hohe Effektivität bei löslichen, d.h. nicht partikulären Zusammensetzungen erzielt werden könne, und zwar dann, wenn möglichst wenig Substanz ungelöst, d.h. in dispergierter Form vorliege, habe es auf der Hand gelegen, unter den organischen UV-A-Filtern (silikon-) öllösliche Substanzen auszuwählen. Zur Vermeidung unerwünschter Resorption des organischen Filters sei ein polymerer Filterstoff in Betracht gekommen, weil dieser infolge der Größe seiner Moleküle nicht durch die Haut dringe. Der Fachmann habe damit nach einem organischen Filter Ausschau halten müssen, der die erstrebten Eigenschaften vereinigte. Deshalb habe es für ihn nahe gelegen, als organischen Filter das in der französischen Offenlegungsschrift 2 657 351 offenbarte Benztriazol mit den als geeignete UV-Filter vornehmlich im UV-B-Bereich wirksamen, bekannten Metalloxiden mit einer Partikelgröße von weniger als 100 nm (Nanopigmenten) zu kombinieren.
d. Eine erfinderische Leistung folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus einem "synergistischen" Effekt der nahegelegten Kombination.
aa) Die Beklagte hat zwar durch Vorlage von Versuchsprotokollen (Anlagen Jo1 und Jo5) einen synergistischen Effekt bei speziellen Filterkombinatio- nen experimentell nachgewiesen. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß sich in den untersuchten Fällen bei der erfindungsgemäßen Kombination ein überadditiver Effekt ergab. Er hat weiter ausgeführt, Effekte von Mischungen lägen zwar oftmals über den erwarteten Additionen der Einzelwirkungen der Komponenten. Hier sei aber eine deutliche Ausprägung vorhanden, die sich auch nicht aus der angewandten Methode erklären lasse. Deutlich werde dies aus den in der Anlage Jo1 Tabelle 2b beschriebenen Versuchen mit Titandioxid-Nanopigment (MetalloxidPigment 2 = 50 nm) und Siloxanpolymer 1 (Benztriazol) (B4) im Vergleich zum erfindungsgemäßen Siloxanpolymer 2 (Cinnamat) (B5). Danach erreicht die Zusammensetzung B1 mit 12 % (erfindungsgemäßem) Pigment 2 allein einen Sonnenschutz-Wert (SPF) von 17,4 (+/- 2,3). Bei der Zusammensetzung B2 mit 12 % (erfindungsgemäßem) Siloxanpolymer 1 als alleiniger Wirksubstanz wird ein SPF-Wert von 6,2 (+/- 0,5) gemessen. Bei Zusammensetzung B3 mit 12 % (nicht erfindungsgemäßem) Polysiloxan 2 (Cinnamat) allein, wird ein SPF-Wert von 3,7 (+/- 0,6) gemessen. In der erfindungsgemäßen Mischung B4 mit 10 % Pigment 2 und 2 % Benztrialzol-Siloxanpolymer 1, d.h. mit einem Gesamtgewicht an Wirksubstanz von 12 %, liegt der SPF-Wert bei 28,7 (+/- 6,2); er ist viel höher als die SPF-Werte der Zusammensetzungen, welche die äquivalente Konzentration (d.h. 12 %) der einzelnen Wirkkomponenten enthalten. Rein additiv , so der gerichtliche Sachverständige, sei für diese Zusammensetzung ein Sonnenschutzfaktor (SPF) von etwa 15,5 zu erwarten gewesen. Nach der Tabelle 2b trete beinahe eine Verdoppelung der Wirkung ein, wenn nur ca. 2 %
des Nanopigments in B1 durch erfindungsgemäßes Siloxanpolymer 1 (Benz- triazol) ausgetauscht werde. Bei dem nicht-erfindungsgemäßen Siloxanpolymer vom Cinnamat-Typ (Siloxan-polymer 2) habe der gemessene SPF bei 16,9 und damit relativ nahe beim erwarteten additiven Wert von 15,2 gelegen. Verdeutlicht werde der Synergismus der speziellen Mischungen in Figur 7 des Gutachtens F. (S. 11 der deutschen Übersetzung), wobei davon auszugehen sei, daß bei kontinuierlichem Ansteigen und Abfallen der SPF-Kurve der gekennzeichnete Punkt in etwa den Maximalpunkt darstelle.
bb) Die Beklagte weist auch zutreffend darauf hin, nirgendwo im vorgelegten Stand der Technik finde sich ein Hinweis, daß ein derartiger synergistischer Effekt jemals beobachtet worden sei oder daß ein Auftreten eines solchen überadditiven Effekts hätte erwartet werden können. Gleichwohl kann im Streitfall ein solcher Effekt der erfindungsgemäßen Zusammensetzung die erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 24 des Streitpatents nicht begründen.
Synergistische Effekte, die über die bloße Summenwirkung einer aus mehreren Stoffen zusammengesetzten Mischung hinausgehen, können als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden, wenn sie für den Fachmann unerwartet und überraschend sind (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 5. Aufl., § 4 Rdn. 74; Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz, 9. Aufl., § 4 Rdn. 36; Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, Art. 56 Rdn. 98). Dies setzt bei der Kombination bekannter Stoffe allerdings voraus, daß Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Kombination als solche nicht nahegelegt war. War die Kombination von zwei Wirkstoffen wie im vorliegenden Fall, dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter und überraschender Effekt die erfinderische Leistung der Kombination jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn - wie hier - für den Fachmann Anlaß
bestand, von dem im Stand der Technik ausgelegten Maßnahmen Gebrauch zu machen. Da - wie dargelegt - die im Prioritätszeitpunkt neu gewonnenen Erkenntnisse zur Schädlichkeit von UV-Strahlen über den gesamten Bereich den Fachmann nach Möglichkeiten zu einer Verbesserung des Sonnenschutzes über das gesamte UV-Spektrum suchen lassen mußten, beschränkte sich die Leistung eher darauf, im Zuge dieser Suche von Kombinationsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, auf die er im Stand der Technik hingewiesen worden war. Der von der Beklagten in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückte unerwartete Effekt ist lediglich eine zwangsläufige Folge dieser durch die im Stand der Technik veranlaßten und durch ihn nahegelegten Kombination der im Streitpatent unter Schutz gestellten Maßnahmen; in einem solchen Fall kann auch ein auf einer solchen Kombination beruhender unerwarteter und überraschender Effekt eine erfinderische Tätigkeit allein nicht begründen.
3. Die Lehre der auf den Patentanspruch 24 des Streitpatents unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Unteransprüche 25 bis 37 sowie des Verfahrensanspruch 38 ist nicht neu, jedenfalls aber durch den Stand der Technik dem Fachmann nahegelegt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem nach Art. 29 des 2. PatG˜ndG weiterhin anwendbaren § 110 Abs. 3 PatG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 93/95 Verkündet am:
26. Juli 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2001 durch
den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Dr. Melullis,
Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 6. April 1995 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 155 003 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme der Unionspriorität von Voranmeldungen in Japan vom 15. und 27. März 1984 am 14. März 1985 angemeldet worden ist. Das in englischer Sprache veröffentlichte Streitpatent betrifft eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten, es umfaßt sechs Patentansprüche; Patentanspruch 1 lautet in der deutschen Übersetzung der Patentschrift:

"1. Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension, enthaltend einen Behälter (1), der mit mindestens einer Einleitungs-Einrichtung (7) und mindestens einer Ableitungs-Einrichtung (8) versehen ist, wobei der Behälter (1) ein Hauptfilter (6) aufweist, welches in den Behälter in Form eines Vliesstoffes gepackt ist, das Fasern mit ei- nem durchschnittlichen Durchmesser x von 0,3 µm bis weniger als 3 µm umfaßt und eine Schüttdichte D von 0,01 g/cm³ bis 0,7 g/cm³ hat und in dem der durchschnittliche Abstand y zwischen zwei benachbarten Fasern, der durch die nachstehende Gleichung (1) definiert ist, von 0,5 µm bis 7,0 µm beträgt:

(1)

æ p r ö y = xç · - 1 ÷ è 2 3 D ø
worin y der durchschnittliche Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern in Mikron (µm) ist, x der durchschnittliche Faserdurchmesser in Mikron (µm) ist, r die Dichte der Fasern in g/cm³ bedeutet, D die Schüttdichte des Filters in g/cm³ ist und p die Kreiskonstante darstellt."
Wegen der englischen Fassung dieses Patentanspruchs und wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprü-
che 2 bis 6 in der Fassung der Verfahrenssprache und in ihrer deutschen Übersetzung wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig , und zwar nicht neu, jedenfalls beruhe er aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Beklagte hat das Streitpatent unter Aufnahme zusätzlicher Merkmale in den Patentanspruch 1 verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
Die beklagte Patentinhaberin verfolgt mit ihrer Berufung ihren Antrag auf Klageabweisung in dem Umfang weiter, in dem sie das Streitpatent in der Berufungsinstanz verteidigt. Danach soll in Patentanspruch 1 der oben in Kursiv gesetzte Satzteil folgende Fassung erhalten:
"der aus Fasern mit einem durchschnittlichen Durchmesser x von 0,3 µm bis weniger als 3 µm besteht und eine Schüttdichte D von 0,15 g/cm³ bis 0,5 g/cm³ hat",
und am Ende dieses Patentanspruchs sollen die Worte:
"wobei die Fasern des Hauptfilters nicht Glasfasern sind"
angefügt werden. Die Patentansprüche 2 bis 6 sollen sich auf den so gefaßten Patentanspruch 1 zurückbeziehen.
Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent als Verwendungspatent zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenen Suspension.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat das Europäische Patentamt gemäß Art. 25 EPÜ ein schriftliches Gutachten erstellt, das in der mündlichen Verhandlung durch den Hauptprüfer beim Europäischen Patentamt Dipl.-Ing. S. J. ergänzt und erläutert worden ist.
Die Beklagte hat schriftliche Gutachten von Professor Dr. med. E. S. sowie von Professor Dr.-Ing. T. M. vorgelegt. Die Klägerin hat ein schriftliches Gutachten von Professor Dr. med. Dr.-Ing. H. K. überreicht.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
I. Soweit die Patentinhaberin das Streitpatent in durch die ursprüngliche Offenbarung und das erteilte Patent gedeckter Weise nur noch beschränkt durch weitere Begrenzung des für die Schüttdichte beanspruchten Bereichs, durch Ausschluû anderer Bestandteile als der genannten Fasern für den Vliesstoff und durch Ausschluû von Glasfasern als Fasern für das Hauptfilter verteidigt , ist das Patent in dem davon nicht erfaûten Teil bereits wegen dieser auch im Nichtigkeitsverfahren zulässigen Selbstbeschränkung (vgl. BGHZ 21, 8, 10 ff. - Spritzguûmaschine I; BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleiûkammer) für nichtig zu erklären. Dies gilt auch für die Patentansprüche 2 bis 6, soweit sie sich auf Patentanspruch 1 in der Fassung des erteilten Patents bezogen haben.
Der Zulässigkeit und Wirksamkeit der Selbstbeschränkung steht es auch nicht entgegen, daû dabei eine Bereichsangabe, nämlich die für die Schüttdichte des Vliesstoffs, in einer Weise eingegrenzt wurde, die von einer in der Beschreibung des Streitpatents als bevorzugt genannten Angabe (0,10 g/cm³ bis 0,5 g/cm³; Beschreibung S. 3 Z. 58; deutsche Übersetzung S. 8 2. Abs.) hinsichtlich der Untergrenze (verteidigt mit 0,15 g/cm³) abweicht; mangels - hier nicht erkennbarer - gegenteiliger Anhaltspunkte ist nämlich davon auszugehen, daû der Fachmann durch Grenzwerte definierte Bereiche dahin versteht, daû alle innerhalb der angegebenen Grenzen liegenden Werte erfaût sind, die Nennung der Grenzwerte somit nur eine vereinfachte Schreibweise auch für
die Zwischenwerte darstellt (BGHZ 111, 21, 27 - Crackkatalysator I; BGHZ 118, 210, 217 - Chrom-Nickel-Legierung).
Nichts anderes ergibt sich, wenn man mit den Beschwerdesenaten des Europäischen Patentamts darauf abstellt, ob der Fachmann die nunmehr beanspruchte Lehre "unter Berücksichtigung" ihres "Kontextes in der übrigen Anmeldung in der eingereichten Fassung ernsthaft als mögliche praktische Ausführungsart der beschriebenen Erfindung in Betracht zöge und nichts Gegenteiliges erwarten würde" (EPA - T 187/91, ABl. EPA 1994, 572, 581 = GRUR Int. 1994, 1036, 1038 - Lichtquelle/LELAND). Denn es liegt für den Fachmann auf der Hand, bei einer Bereichsangabe für die Schüttdichte jedenfalls eine engere Bereichseingrenzung eines bevorzugten Bereichs als praktische Ausführungsart in Betracht zu ziehen.
Es bestehen schlieûlich auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, daû die Patentinhaberin die Beschränkung nicht in der Verfahrenssprache des Streitpatents, sondern in deutscher Sprache vorgenommen hat (vgl. BGHZ 118, 221, 222 f. - Linsenschleifmaschine; BGH, Urt. v. 07.02.1995 - X ZR 58/93, BlPMZ 1995, 322 - Isothiazolon; BGHZ 133, 79, 81 - Bogensegment; vgl. auch Rogge, GRUR 1993, 284).
II. Der Gegenstand des mit dem Hauptantrag verteidigten Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54-57 EPÜ).
1. Das Streitpatent betrifft eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension. Einleitend verweist die
Beschreibung des Streitpatents darauf, daû neuerdings anstelle von Gesamtbluttransfusionen häufig Komponentenbluttransfusionen angewandt werden, bei denen nur die für die Patienten benötigten oder gewünschten Blutbestandteile übertragen werden und zu diesem Zweck zuvor von nicht benötigten oder schädlichen Komponenten abgetrennt werden. Insbesondere seien für Erythrozytensuspensionen , die für die Erythrozytentransfusion hergestellt werden, die Leukozyten zu entfernen, die Histokompatibilitäts-Antigene enthalten könnten. Zum Entfernen der Leukozyten seien als typische Verfahren Zentrifugalverfahren , Sedimentationsverfahren und Filtrationsverfahren bekannt; die erstgenannten böten verschiedene Nachteile. Das Filtrationsverfahren, bei dem das Blut durch ein Filter geleitet werde, das aus einem Leukozyten zurückhaltenden Material bestehe, besitze den Vorteil, daû aus Blut leicht in hoher Ausbeute leukozytenarme Suspensionen erhalten werden könnten. Die bekannte konventionelle Leukozytenfiltervorrichtung, wie sie in der US-Patentschrift 4 330 410 gezeigt sei, umfasse eine Säule mit einer darin gepackten Masse von Fasern mit einem mittleren Durchmesser von 3,0 µm bis 10 µm in einer Schüttdichte von 0,02 g/cm³ bis 0,40 g/cm³; sie sei in der Lage, Leukozyten leicht und hocheffizient aus einer Erythrozytensuspension abzutrennen. Sie eigne sich jedoch nicht zur Behandlung einer nennenswerten Blutmenge.
2. Demgegenüber soll durch das Streitpatent eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus leukozytenhaltigen Suspensionen wie Blut durch eine einfache Operation und innerhalb einer kurzen Zeitspanne bereitgestellt werden, die Leukozyten sehr weitgehend ("mit erhöhter Reinheit") entfernen kann.
3. Hierzu gibt Patentanspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension mit folgenden Merkmalen an, wobei die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung (in den Merkmalen 3.1, 3.2 und 3.4) durch kursive Schrift erkennbar gemacht sind:
(1)
die Filtereinheit enthält einen Behälter mit (1.1) mindestens einer Einleitungseinrichtung und (1.2) mindestens einer Ableitungsvorrichtung,
(2)
der Behälter weist ein Hauptfilter auf, das (2.1) in den Behälter gepackt ist und (2.2) aus Vliesstoff besteht.
(3)
Der Vliesstoff (3.1) umfaût (besteht aus) Fasern mit einem durchschnittlichen Durchmesser x von 0,3 µm bis weniger als 3 µm, (3.2) hat eine Schüttdichte von 0,01 (0,15) g/cm³ bis 0,7 (0,5) g/cm³, wobei (3.3) der durchschnittliche Abstand y zwischen zwei benachbarten Fasern (3.3.1) von 0,5 µm bis 7,0 µm beträgt und (3.3.2) durch die im Patentanspruch 1 enthaltene Gleichung (1) definiert wird; (3.4) die Fasern des Hauptfilters keine Glasfasern sind.
4. Zu den Merkmalen (3.1) bis (3.3.2), die die Bemessung des Vliesstoffs betreffen, sind der Beschreibung des Streitpatents weitere Erläuterungen zu entnehmen (Beschreibung S. 1 Z. 27 bis S. 3 Z. 11; in der deutschen Übersetzung S. 6 letzter Abs. bis S. 9 1. Abs.).
Für den Fall von Polyesterfasern wird die Beziehung zwischen dem mittleren Durchmesser der Fasern ("average diameter of fibers") x und der Schüttdichte ("bulk density") des Filters D in der nachstehend wiedergegebenen Figur 6 dargestellt:

Die Beschreibung des Streitpatents führt hierzu aus, das von der durchgezogenen Linie und der gestrichelten Linie umgebene Gebiet liefere die beschriebene Beziehung. In der Figur sei y der durch die Gleichung (1) definierte mittlere Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern. Geeignete mittlere Durchmesser und Dichten der verwendeten Fasern und Schüttdichten des Vliesstoffs sollten in einem solchen Bereich ausgewählt werden, daû der durch die Gleichung (1) definierte mittlere Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern von 0,5 µm bis 7 µm betrage. Sei dieser Abstand geringer als 0,5 µm, sei
der Durchtritt für Erythrozyten schwierig, sei er gröûer als 7 µm, müsse das Filter sehr groû ("bulky", massig, wuchtig) gemacht werden, um Leukozyten abzufangen (Beschreibung S. 4 Z. 6-11; Übersetzung S. 9 1. Abs.).
III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner verteidigten Fassung ist nicht neu, denn er war durch die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 00 84 711 (K 11) im Stand der Technik im Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents bekannt.
1. Diese Veröffentlichung betrifft ein adsorbierendes Filter. Das Filter ist aus einem Faservlies hergestellt, wobei der Faserdurchmesser 0,5 µm bis 10 µm beträgt und die Schüttdichte 0,15 g/cm³ bis 0,40 g/cm³. Dies erfüllt die Merkmale 3.1 und 3.2 des verteidigten Patentanspruchs 1.
Auf die Faserdicke hat dabei die in der Entgegenhaltung K 11 zwingend vorgesehene Beschichtung der Fasern keinen Einfluû, denn diese liegt nach der unwidersprochenen letztlich überzeugenden Darstellung des von der Klägerin beauftragten Privatgutachters Prof. Dr. K. im Ångström-Bereich.
Die in der Entgegenhaltung K 11 vorgesehene Beschichtung mit einer funktionellen polymeren Substanz, von der in der Streitpatentschrift nicht die Rede ist, ist auch zum Herausfiltern von Leukozyten aus Blut geeignet. Dies gilt - wie die Privatgutachter beider Parteien, Prof. Dr. M. und Prof. Dr. K. in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend ausgeführt haben - zwar nicht für alle dort genannten Beschichtungen, aber jedenfalls für die Beschichtungen mit Polyvinylpyrrolidon (vgl. S. 2 Z. 22-31, Übers. S. 4 2. Abs.).
2. Soweit die europäische Patentanmeldung 00 84 711 (K 11) den Wert von y nicht ausdrücklich anspricht, so ergibt sich dieser zwangsläufig aus den in der Schrift enthaltenen Angaben über Faserdicke, Faserdichte und Schüttgewicht. Das Bundespatentgericht hat, wie auch der gerichtliche Sachverständige , die Abstände beispielsweise für Polyamid errechnet. Es ergibt sich bei dieser Berechnung - wie im Urteil des Bundespatentgerichts ausgeführt - ein Faserabstand, der innerhalb des beanspruchten Bereichs für y liegt.
Allerdings gibt die Streitpatentschrift eine Einschränkung des Bereichs von y an, aus dem geeignete mittlere Durchmesser und Dichten der für das Vlies zu verwendenden Fasern und geeignete Schüttdichten ausgewählt werden sollen. Dies bedeutet aber nicht die gezielte Auswahl eines engen Bereichs , in dem die genannten Parameter liegen sollen, sondern lediglich das Wegschneiden von Randbereichen. Hinzu kommt, daû es dem Fachmann, der nach der Entgegenhaltung K 11 arbeitet, ohne weiteres durch einfache Kontrollversuche möglich ist, die praktisch brauchbaren Bereiche für den Abstand y, die Schüttdichte D und den Faserdurchmesser x zu ermitteln. Dies hat auch das Bundespatentgericht so gesehen, der Senat stimmt damit überein. Danach handelt es sich bei der in Patentanspruch 1 des Streitpatents angegebenen Formel (1) um eine Rechenregel für die Bemessung des durchschnittlichen Abstands zwischen zwei benachbarten Fasern des Vliesstoffs. Eine solche Regel dient nur zur Definition des durch das Streitpatent als geschützt beanspruchten Faserabstands, hat aber keine darüber hinausgehende Bedeutung für den Schutzumfang. Die Regel gehört selbst nicht zum Gegenstand der patentgemäûen Lehre (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.1992 - X ZR 124/89, GRUR 1992, 375, 376 - Tablettensprengmittel).
IV. Soweit die Beklagte mit ihrem Hilfsantrag das Streitpatent als Verwendungspatent zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension verteidigt, so beruht der Gegenstand des beanspruchten Verwendungspatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit, sondern ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
1. Als Fachmann sieht der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen in dem vom Europäischen Patentamt erstatteten Gutachten und dem Bundespatentgericht einen Mediziningenieur, Verfahrenstechniker oder Verfahrenschemiker , der über eingehende Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Filtertechnologie verfügt und sich das nötige medizinische Fachwissen im Rahmen seiner Berufserfahrung angeeignet hat.
2. Der Senat geht mit den Parteien, dem Bundespatentgericht und dem Gutachten des Europäischen Patentamts davon aus, daû es sich bei der deutschen Patentschrift 29 08 722 (K 3) um den nächstliegenden Stand der Technik handelt, von dem der Fachmann, der darum bemüht war, Filter zur Entfernung von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension zu verbessern , bei seinen Überlegungen ausging.
Diese Entgegenhaltung beschreibt eine Filtereinheit, die einen Filterbehälter (Merkmal 1) mit mindestens einer Einführleitung und einer Ausführleitung (Merkmale 1.1 und 1.2; Beschr. Sp. 4 Z. 25-27) enthält, der mit einer Fasermasse dicht gepackt ist (Merkmal 2.1). Als geeignete Materialien werden synthetische Fasern wie Acrylnitril-Polymerfasern, Polyamid- und Polyesterfasern, halbsynthetische und natürliche proteinhaltige Fasern angegeben (Beschr. Sp. 4 Z. 9-14), die auch in Form eines vliesartigen Stoffes vorliegen können
(Beschr. Sp. 5 Z. 5). Die Schrift nennt einen durchschnittlichen Faserdurchmesser von 3 µm bis 10 µm. Damit liegt der im Streitpatent beanspruchte Faserdurchmesser gänzlich auûerhalb des in der Entgegenhaltung angegebenen Bereichs; Merkmal 3.1 ist bei der deutschen Patentschrift K 3 somit nicht erfüllt. Die Schüttdichte beträgt nach dieser Entgegenhaltung 0,02 g/cm³ bis 0,4 g/cm³ (Sp. 1 Z. 14-15), liegt damit überwiegend innerhalb des in Merkmal 3.2 vorgesehenen Bereichs und füllt diesen weitgehend aus. Was den Faserabstand betrifft, so ist dieser durch die Faserdicke, die Schüttdichte und die Faserdichte des gewählten Materials festgelegt; auf die Ausführungen oben unter III. 2. wird Bezug genommen.
Zu der Faserstärke entnimmt der Durchschnittsfachmann der Entgegenhaltung weiter, daû der prozentuale Anteil der von den Fasern zurückgehaltenen Leukozytenkomponenten um so gröûer ist, je kleiner der durchschnittliche Faserdurchmesser ist (Sp. 6 Z. 22-25). Die Entgegenhaltung weist jedoch darauf hin, daû mit Schwierigkeiten zu rechnen sei, wenn der durchschnittliche Durchmesser weniger als 3 µm betrage; diese bestünden darin, die Schüttdichte der eingefüllten Fasern innerhalb des gewünschten Dichtebereichs zu halten (Sp. 6 Z. 43-46). Die Entgegenhaltung zeigt damit auf, daû ein möglichst groûer Anteil an zurückgehaltenen Leukozyten sich erreichen läût, je kleiner der Faserdurchmesser ist. Sie gibt zugleich an, wie eine Verbesserung der herauszufilternden Leukozytenrate zu erreichen ist, und zeigt schlieûlich auf, worin bei dieser Lösung das Problem besteht.
3. Der Fachmann, dem es darum ging, Leukozyten so weit wie möglich - nicht nur zu einem sehr groûen Anteil, sondern zu dem gröûtmöglichen Anteil - aus der Leukozyten enthaltenden Suspension zu entfernen, sah danach
- wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat - als naheliegende Lösung die in K 3 genannten Parameter zu verändern. Er lieû sich dabei nicht davon abhalten, auch die Faserdicke von 3 µm zu unterschreiten. Denn er entnahm der Entgegenhaltung, daû es generell von Vorteil war, kleinere Faserdurchmesser zu wählen, daû dies allerdings zu Schwierigkeiten führte, die er in diesem Fall lösen muûte.
Unter diesen Umständen kann eine erfinderische Leistung in der Auswahl der in Betracht kommenden Lösungen nicht gesehen werden. Es kommt nicht darauf an, welchen der in der Entgegenhaltung genannten Parameter der Fachmann zunächst verändert hätte, um zu einer Verbesserung der herauszufilternden Leukozytenrate zu gelangen. Einen Erfahrungssatz, daû nur die Lösungsalternative , die der Fachmann voraussichtlich zunächst ausprobieren würde, naheliegend ist, gibt es nicht (Sen.Urt. v. 18.02.1997 - X ZR 25/95 - Zerstäubervorrichtung, zit. bei Bausch Bd. I S. 445).
Prüfte aber der Fachmann den Weg, den ihm in der Entgegenhaltung genannten Faserdurchmesser zu unterschreiten, so erfuhr er ebenfalls aus der Entgegenhaltung, daû er dann hinreichend stabiles Filtermaterial verwenden muûte. Der Fachmann kannte allgemein Vliese als Filtermaterial unter anderem aus der bereits erörterten Entgegenhaltung K 11, aber auch aus der europäischen Patentanmeldung 00 45 476 (K 4) und aus der deutschen Auslegeschrift 19 28 052 (K 5).
Die Entgegenhaltung K 11 beschreibt zwar ein Filter, das für einen anderen Verwendungszweck bestimmt ist. Der gerichtliche Sachverständige hat jedoch überzeugend dargestellt, daû der Fachmann, der nach stabilerem Fi l-
termaterial suchte, dazu auch solche Filter in Betracht zog, die zu anderen Zwecken zum Einsatz gelangen, wobei das Filter nach K 11 nach der Beschreibung auch im medizinischen Bereich für Atemschutzmasken Anwendung finden kann (Beschr. Sp. 3 Z. 6, 7; Übers. S. 4 letzter Abs.). Gerade diese Entgegenhaltung hebt besonders Filter hervor, die aus Faservlies hergestellt sind. Einen Hinweis auf die Verwendung vliesartiger Stoffe findet der Fachmann zudem auch in der Entgegenhaltung K 3 selbst, von der er bei seinen Verbesserungsbemühungen ausgeht, wenn dort in Sp. 5 Z. 1-5 ausdrücklich von der Verwendung von unter anderem vliesartigen Stoffen für die Filtermasse die Rede ist. Der Fachmann fand damit in der Entgegenhaltung K 3 die Angabe, daû ein möglichst kleiner Faserdurchmesser für die Steigerung der Rate an herauszufilternden Leukozyten vorteilhaft sei, die Angabe, welche Schwierigkeiten mit geringeren als dort beschriebenen Faserdurchmessern zu erwarten waren, und den Ansatz, vliesartige Stoffe, unter anderem aus Polyesterfasern, zu verwenden.
4. Daû das naheliegende Ergebnis nicht bereits in der Entgegenhaltung K 3 gefunden wurde, beruht nach der Überzeugung des Senats auf dem anderen Ansatz dieser Schrift, der darin bestand, Leukozyten zu gewinnen. Die Beschreibung bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, eine Filtereinheit zur Verfügung zu stellen, welche eine wirksamere Abtrennung von Leukozyten einschlieûlich Lymphozyten aus leukozytenhaltigen Suspensionen in der Weise ermöglicht, daû die Leukozytenkomponenten in besserer Ausbeute und Reinheit als bisher gewonnen werden könnten (Beschr. Sp. 3 Z. 40-46). Der andere Ansatz der Streitpatentschrift besteht darin, möglichst alle als schädlich erkannten Komponenten und damit auch möglichst alle Leukozyten aus dem Blut zu entfernen und Blut zu erhalten, das so leukozytenarm wie möglich ist. Des-
halb stellte sich hier mehr noch als bei der Entgegenhaltung K 3, in der es darum ging, Leukozyten zu gewinnen, das Ziel, eine möglichst vollständige Entfernung der Leukozyten anzustreben. Die Vollständigkeit der Vermeidung bestimmter Bestandteile (hier Leukozyten) hat ein anderes Gewicht als die Vollständigkeit der Gewinnung der gleichen Bestandteile.
5. Der Fachmann lieû sich nach der Überzeugung des Senats auch nicht durch andere Schwierigkeiten als die, geeignetes Vliesmaterial zu finden, von dem Lösungsweg, den Faserdurchmesser zu verringern, abhalten. Die Schwierigkeit , nicht auch andere Blutbestandteile, namentlich Erythrozyten, herauszufiltern , war für ihn dabei ein Optimierungsproblem, das er durch die Einstellung des Faserdurchmessers lösen konnte.
Auch die in der Entgegenhaltung K 11 vorgesehene Beschichtung zur Erreichung der Adsorptionsfähigkeit des Filtermaterials war keine solche Schwierigkeit. Daû der Fachmann sich durch die Adsorptionsfähigkeit nicht abhalten lieû, zeigt die deutsche Offenlegungsschrift 30 38 196 (K 12) insofern, als auch dort die Vliesfasern beschichtet werden; es war danach eine Ausführungsform bekannt, in der die Vliesfilter zum Zwecke der Abtrennung von Leukozyten beschichtet wurden.
6. Schlieûlich ist der Umstand, daû sich mit dem Filter nach der Strei tpatentschrift nicht nur eine höhere Rate an herauszufilternden Leukozyten erreichen läût, sondern zugleich eine erhebliche Steigerung der Durchlaufgeschwindigkeit , zwar ein Gesichtspunkt, der bei der Prüfung, ob erfinderische Tätigkeit vorliegt, in die Gesamtwürdigung einzubeziehen ist (BGH, Urt. v. 18.09.1990 - X ZR 29/89, GRUR 1991, 120 - elastische Bandage). Angesichts
der Nähe des dem Fachmann zur Verfügung stehenden Standes der Technik zu der Lehre des Streitpatents kann jedoch hier allein aus diesem Gesichtspunkt ein Schluû auf eine erfinderische Leistung nicht gezogen werden. Hierfür genügt es nicht, daû mit dem einen Vorteil zu rechnen war, mit dem anderen jedoch nicht.
V. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der in den Unteransprüchen unter Schutz gestellten Gegenstände ist nicht ersichtlich.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 PatG in der nach Art. 29 des 2. PatGÄndG weiter anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 in Verbindung mit § 97 ZPO.
Rogge Jestaedt Melullis Richter am Bundesgerichtshof Keukenschrijver ist wegen Urlaubs verhindert , zu unterschreiben. Rogge Mühlens

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 113/00 Verkündet am:
6. Mai 2003
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 6. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Schaffert und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 4. Mai 2000 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:


Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 252 779 (Streitpatent), das auf einer Anmeldung vom 4. Juni 1987 beruht, mit der die Prioritäten französischer Patentanmeldungen vom 5. Juni 1986 bzw. 9. Januar 1987 in Anspruch genommen worden sind. Anspruch 1 des in der Verfahrenssprache Französisch erteilten Streitpatents lautet gemäß Sp. 28 Z. 36 ff. der Streitpatentschrift in deutscher Sprache wie folgt:
"Flachantenne, mit einem, zwischen zwei Masseflächen (11, 13) angeordneten, zentralen Leiter (22), wobei dieser Leiter einen durch eines dielektrischen, zwischen der oberen (11) und der unteren Massefläche (13) aufgehängten Stützblatt (12) gehaltenen Mikro -Streifenleiter ist, und strahlende Elemente, welche mit Endbereiche des zentralen Leiters in elektromagnetischer Kopplung zusammenwirken , wobei der Abstand zwischen dem dielektrischen Stützblatt des zentralen Leiters und den metallischen Platten (11, 13) durch mit Abstand zueinander angeordnete Positionierstützen (31, 10) gehalten wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die strahlenden Elemente in den Masseflächen angebrachten und zueinander paarweise (20 a, 20 b) ausgerichteten Schlitzen sind und daß die genannten Masseflächen (11, 13) durch dünne, metallische, selbsttragende Platten gebildet werden, welche mit dem genannten dielektrischen Stützblatt (12) eine dünne Tripelstruktur (A) bilden."
Wegen des Wortlauts des Anspruchs 1 in der maßgeblichen Verfahrenssprache und des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 25 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Der Beklagte verfolgt mit der Berufung seinen Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsklage weiter, wobei er das Streitpatent hilfsweise in einer Fassung verteidigt, bei welcher im letzten Halbsatz des Anspruchs 1 die Platten zusätz- lich als im Bereich der Schlitze und des Mikro-Streifenleiters flach gekennzeichnet sind.
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Prof. Dr.-Ing. W. W. vom ... . Der Sachverständige hat dieses Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Erfindung nach dem Streitpatent betrifft eine HyperfrequenzFlachantenne , die vorzugsweise zum Empfang per Satellit ausgestrahlter Fernsehprogramme eingesetzt werden, aber auch zum Abstrahlen (Senden) hochfrequenter Signale dienen kann. Die Streitpatentschrift schildert unter Hinweis auf die aus der europäischen Patentanmeldung 0 064 313 vorbekannte Antenne und auf die in einem Artikel "Guides multiconducteurs" der Arbeit "Les tech-
niques de l'ingenieur" beschriebene Antenne, daß man sich bei der bisherigen Entwicklung solcher Flachantennen an der Erzielung eines maximalen Wirkungsgrads orientiert und deshalb geglaubt habe, bei der Formgebung und Montage der Elemente strikte Toleranzbedingungen einhalten zu müssen (Sp. 1 Z. 15 f. u. 47 ff. d. Beschr.; deutsche Übers. S. 1, 2. Abs. u. S. 2, 2. Abs.). Dabei wird als Nachteil auch die Verwendung eines massiven, schweren dielektrischen Materials erwähnt.
Die Streitpatentschrift wendet sich sodann Entwicklungen zu, die als Versuche bezeichnet werden, sich von den bisherigen Toleranzgrenzen zu befreien. Neben dem Vorschlag, der aus der vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents eingereichten, aber erst nach diesem Zeitpunkt veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 228 742 ersichtlich ist, handelt es sich hierbei um die Flachantenne, die Gegenstand der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 ist. Diese Antenne wird als Vorrichtung beschrieben, die mit einem als zentraler Leiter arbeitenden Mikro-Band versehen sei, das zwischen zwei Metallplatten aufgehängt sei, die eine erhebliche Dicke (in der Größenordnung von 7 bis 10 mm bei 12 GHz) hätten. Dadurch wird die Notwendigkeit massiven dielektrischen Materials zwischen zentralem Leiter und Masseflächen vermieden ; erforderlich ist ein solches Material lediglich als Träger für das MikroBand. Dieser Umstand ist in der Streitpatentschrift zwar nicht ausdrücklich erwähnt , ergab sich für den Fachmann, der sich im Prioritätszeitpunkt mit der Erfindung befaßte, jedoch ebenso ohne einen solchen Hinweis wie die Erkenntnis , daß die Ausfüllung des Zwischenraums zwischen den Platten durch ein entsprechend massives Dielektrikum zwar eine besonders genaue Positionierung der beiden Leiter zueinander erlaubt, aber - wie der gerichtliche Sachver-
ständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat - bei größeren Antennen , wie sie für den Satellitenempfang nötig sind, zu untragbaren Verlusten und Kosten führt. Von diesem Erkenntnisstand kann ausgegangen werden, weil es um einfache Schlußfolgerungen bzw. um in der Elektrotechnik geläufige Erkenntnisse geht, die einem Fachmann ohne weiteres zugetraut werden können. Bei diesem handelt es sich um einen Diplomingenieur oder promovierten Ingenieur der Elektrotechnik mit Erfahrungen auf den Gebieten der Streifenleitungstechnik und der Feldtheorie. Nach den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen waren Personen dieser Qualifikation diejenigen, die zum Prioritätszeitpunkt die Entwicklungstätigkeit auf dem Gebiet der HyperfrequenzAntennen leisteten.
An dem Vorschlag der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 wird in der Streitpatentschrift jedoch bemängelt, daß stets ein Bearbeitungsvorgang an den dicken Metallplatten erforderlich sei, um Wellenleiter zu bilden, die mit Endabschnitten des zentralen Leiters gekoppelt seien (Sp. 2 Z. 3 ff.; deutsche Übers. S. 2, 2. Abs.). Auch diesen Nachteil im Stand der Technik will die Erfindung nach dem Streitpatent vermeiden.
Insgesamt ergibt sich aus der erwähnten Schilderung der Nachteile im Stand der Technik in Verbindung mit den an verschiedenen Stellen der Streitpatentschrift hervorgehobenen Vorteilen der Erfindung, daß mit ihr eine zum Betrieb in einem breiten Band geeignete, durch Module zu verwirklichende Antenne zu Verfügung gestellt werden soll, die ausgezeichnete Leistungen bei einem Herstellungsverfahren bietet, bei dem vorkommende geringere Unge-
nauigkeiten nicht schaden und das eine Massenproduktion mit geringen Entstehungskosten erlaubt.
2. Hierzu wird nach Anspruch 1 des Streitpatents eine HyperfrequenzFlachantenne vorgeschlagen, die aufweist
1. Platten (eine untere und eine obere), die

a) metallisch sind,

b) dünn sind,

c) selbsttragend sind,

d) mit dem nachfolgend beschriebenen Stützblatt eine dünne Tripelstruktur bilden,

e) Masseflächen bilden,
2. ein Stützblatt, das

a) dielektrisch ist,

b) zwischen den Masseflächen aufgehängt ist,
3. Positionierstützen, die


a) im Abstand zueinander angeordnet sind,

b) die Platten und das dielektrische Stützblatt jeweils im Abstand zueinander halten,
4. einen zentralen Leiter, der

a) ein Mikro-Streifenleiter ist,

b) zwischen den Masseflächen angeordnet ist,

c) vom Stützblatt gehalten wird,

d) Endbereiche hat,
5. strahlende Elemente,

a) in Form von Schlitzen, die

b) in den Masseflächen angebracht sind,

c) paarweise ausgerichtet sind,

d) mit den Endbereichen des zentralen Leiters in elektromagnetischer Kopplung zusammenwirken.

Das Sachverständigengutachten und die ergänzende Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung haben ergeben, daß bei dieser Lösung das Erfordernis dünner Platten (Merkmal 1 b) und die Notwendigkeit, die Aperturen als Schlitze auszuführen (Merkmal 5 a), einander bedingen. Danach verstand der Fachmann des Prioritätszeitpunkts Merkmal 5 a entsprechend der für ihn gewohnten Ausdrucksweise als eine Öffnung in einer Ebene, d.h. ohne wesentliche Ausdehnung in der dritten Dimension , mit der Folge, daß praktisch ein Hohlraum in der Platte nicht vorhanden sein darf, der eine zum Abstrahlen oder zum Empfang von Signalen nutzbare Tiefe hat, insbesondere als Wellenleiter verwendet werden kann. Als dünn im Sinne des Merkmals 1 b kann demgemäß eine metallische Platte angesehen werden, die deutlich unter der für einen Wellenleiter erforderlichen Abmessung von mindestens der halben Wellenlänge bleibt und bei den im Hyperfrequenzbereich verwendeten Signalwellen nur etwa die in Spalte 18 Zeile 43 der Streitpatentschrift angegebene Stärke von 0,8 mm aufweist.
Für die solch hinreichend dünne, geschlitzte und selbsttragende Masseplatten nutzende Flachantenne hebt die Streitpatentschrift im Rahmen der Erläuterung des gemachten Vorschlags zum Schluß der Beschreibung hervor, daß und in welcher Weise sich durch angestellte Versuche erwiesen habe, wie weit erfindungsgemäß die Herstellungstoleranzen reichten. Danach wurden diese Versuche sowohl mit einem Element mit lediglich einem Abstrahlöffnungspaar als auch mit einem Modul mit 16 solchen Elementen durchgeführt, wobei unter dem/jedem Abstrahlöffnungspaar ein bestimmter zylindrischer, geschlossener Hohlraum vorhanden war. Das/Die Element(e) bestanden im übri-
gen aus zwei Masseplatten aus Aluminium mit einer Dicke von 0,8 mm, die 1,7 mm voneinander beabstandet waren. Dazwischen trug eine dünne Folie !" # $!" aus Kapton mit einer Dicke von 75 bestanden darin, daß einmal (sozusagen als Referenz) ein durch Lithographie hergestellter Standardleiter, zum anderen ein mit einem Messer manuell geschnittener Leiter verwendet wurde. Schließlich wurde der untere zylindrische Hohlraum mit einem Durchmesser von 20 mm und einer Tiefe von 9,2 mm durch einen Hohlraum ersetzt, der manuell aus Aluminiumküchenpapier geformt war. Die Streitpatentschrift reklamiert, als bemerkenswert habe sich ergeben , daß die Qualität der Versuchsergebnisse durch keine der gewählten Abwandlungen wesentlich verändert worden sei.
3. Gegenüber Anspruch 1 des Streitpatents besteht der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, und zwar unabhängig von der Beantwortung der Frage der Neuheit (Art. 54 f. EPÜ). Denn der Gegenstand dieses Patentanspruchs ergab sich für den Fachmann des Prioritätszeitpunkts jedenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ).

a) Wie es in der Streitpatentschrift auch angegeben ist, ist aus dem Stand der Technik vor allem die in der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 beschriebene Hyperfrequenz-Flachantenne heranzuziehen. Diese Vorrichtung hat eine dünne dielektrische Folie, auf welcher der Endbereiche aufweisende Mittelleiter in Form von Mikro-Streifen aufgebracht ist. Folie und Mittelleiter befinden sich zwischen zwei Platten, die mit paarweise ausgerichteten kreisförmigen Löchern versehen sind und aus Metall bestehen können,
jedenfalls aber leitend sein müssen, weil sie die Masseflächen der Antenne ausbilden. Die Lage der Folie mit dem Mittelleiter wird durch beabstandete Positionierungsvorsprünge erhalten, die auf den Platten angeordnet oder deren Bestandteil sind. Aufgrund der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 war damit zum Prioritätszeitpunkt eine Hyperfrequenz-Flachantenne bekannt, die, was metallische, selbsttragende und Masseflächen bildende Platten (Merkmale 1, 1 a, 1 c, 1 e), das Stützblatt (Merkmale 2, 2 a, 2 b), die Positionierstützen (Merkmale 3, 3 a, 3 b) und den zentralen Leiter (Merkmale 4, 4 a-d) betrifft, mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents übereinstimmt. Die bekannte Antenne weist ferner Aperturen nach Maßgabe des nach den Merkmalen 5 b und c für Schlitze gemachten Vorschlags auf, die zur Kopplung mit den jeweiligen Endbereichen des zentralen Leiters dienen (vgl. Merkmal 5 d).
Hiervon ausgehend mußte der Fachmann nur noch die sich in den Merkmalen 1 b (dünne Platten) und 5 a (Schlitze als strahlende Elemente) ausdrückende Gestaltung auffinden. Daß hierin der wesentliche Schritt zur Lösung nach dem Streitpatent bestand, gilt unabhängig davon, ob und inwieweit die Offenbarung der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 auch etwas im Hinblick auf die nach Merkmal 1 d notwendigerweise dünne Tripelstruktur sowie darauf hergab, daß nach Merkmal 5 d die Verantwortlichkeit der Schlitze für die elektromagnetische Kopplung gegeben sein muß. Denn die Verwirklichung der Merkmale 1 b und 5 a bei einer ansonsten nach der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 gestalteten Flachantenne bedeutet zugleich eine Gestaltung nach den Merkmalen 1 d und 5 d. Während es auf der Hand liegt, daß bei Verwendung dünner Masseplatten eine dünne Tripelstruktur, d.h. ein dreifach gestufter Aufbau mit geringer Höhe, vorhanden ist (Merkmal 1 d), er-
gibt sich das bei Merkmal 5 d ebenfalls ohne weiteres. Denn wie auch der Be- klagte immer wieder betont hat, führen Schlitze bei einer auch ansonsten die Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents aufweisenden Gestaltung zu der mit dem Merkmal 5 d beanspruchten Kopplung.

b) Der Senat ist davon überzeugt, daß zum Auffinden einer den Merkmalen 1 b und 5 a entsprechenden Gestaltung bei einer ansonsten aufgrund der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 beschaffenen Flachantenne eine erfinderische Leistung nicht erforderlich war.
Was die nach dem Vorgesagten im Hinblick auf die Verwirklichung der Merkmale 1 b und 5 a letztlich maßgebliche Dicke der Masseplatten dieser Antenne betrifft, erhielt der Fachmann durch die europäische Patentanmeldung 0 123 350 keine eindeutige Anweisung. Unmittelbare Angaben zu der Stärke der Platten mit den Bezugszeichen 40 und 10 fehlen in dieser Schrift. Aus der Darstellung in der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 ließen sich auch keine zwingenden Rückschlüsse gewinnen, ob dieser Vorschlag auf eine bestimmte Dicke der Platten abhebt.
Entgegen der Meinung des Beklagten ließ sich dieser Schrift nicht entnehmen , daß die Wirkung dieser Antenne auf dem Wellenleiterprinzip basiert, das nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung Hohlkörper mit durchgehender leitender Wandung und einer Erstreckung von mindestens der Hälfte der zu empfangenden bzw. abzustrahlenden Welle voraussetzt und das auch nach der Darstellung des Beklagten, wonach Töpfe oder Trichter mit unterbrochener Wandung ebenfalls als Wel-
lenleiter wirken können, deutlich dickere Masseplatten voraussetzt, als sie für das Streitpatent kennzeichnend sind. Wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, erwähnt die Beschreibung der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 nicht, daß die vorgeschlagene Antenne mit Hohlleitern arbeiten solle. Den Figuren 1 a und b der europäischen Patentanmeldung 0 123 350, die bezogen auf das Stützblatt vergleichsweise sehr dicke Platten mit den Bezugszeichen 40 und 10 zeigen, konnte der Fachmann in dieser Hinsicht Verläßliches ebenfalls nicht entnehmen , weil in der Beschreibung ausdrücklich angegeben ist, aus Gründen der Klarheit der Darstellung seien die Abmessungen in Richtung der Dicke im Querschnitt stark übertrieben gezeigt. Als Hinweis darauf, daß die Antenne der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 mit Masseplatten mit für einen Wellenleiter erforderlicher Dicke auszuführen sei, bleibt deshalb allenfalls der Umstand, daß in den Figuren 1 a und b der äußere Rand der Aperturen in der Platte 40 mit einer Fase versehen dargestellt ist. Dem steht jedoch entgegen, daß die Tiefe b in den Figuren 3 b bzw. 4 b mit 1,8 bzw. 2 mm angegeben ist (S. 5 Z. 11, S. 6 Z. 8; deutsche Übers. S. 6 bzw. 7). Denn hieraus läßt sich - wie der gerichtliche Sachverständige, ohne daß dem seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten worden wäre, bestätigt hat - auf eine Dicke der in den Figuren 1 a und b gezeigten Platten von etwa 2 mm, also auf die Verwendung relativ dünner Platten schließen, welche die Ausbildung eines Wellenleiters für den im Streitfall relevanten Wellenbereich nicht erlauben.
Unter diesen Umständen rechtfertigt sich die Überzeugung, daß der sich zum Prioritätszeitpunkt mit der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 be-
fassende Fachmann zu der Erkenntnis gelangte, hinsichtlich der Dicke der Masseplatten, die zu verwenden seien, die Wahl selbst treffen zu müssen, die zu einer brauchbaren Flachantenne führt. Die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, wie ein Fachmann mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zum Prioritätszeitpunkt üblicherweise bei seiner Arbeit vorging, führt ferner zu der Überzeugung, daß der Fachmann dabei den Weg des praktischen Versuchs einschlug. Die Qualität seiner Ausbildung hätte dem hier maßgeblichen Fachmann zwar auch erlaubt, sich unter Nutzung theoretischer Ansätze und der Mathematik zu entscheiden. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen erforderten die insoweit nötigen Berechnungen zum Prioritätszeitpunkt jedoch noch vergleichweise lange Zeiträume, weshalb Versuche die Aussicht auf schnellere Ergebnisse boten. Dementsprechend waren die Fachleute daraufhin ausgebildet und gewohnt, die Technik auf dem hier interessierenden Gebiet durch Versuche voranzutreiben.
In Anbetracht des zuvor Erörterten konnte sich diese Vorgehensweise im Streitfall sowohl darauf erstrecken, die Antenne nach der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 mit - um es kurz auszudrücken - dicken Masseplatten zu versehen, als auch darauf, ihre Leistungsfähigkeit bei Verwendung dünner Masseplatten zu erproben. Auch hiervon kann aufgrund der ausführlichen Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ausgegangen werden. Anschaulich hat der Sachverständige dabei angegeben , als Mitarbeiter eines Antennenherstellers, der er vor seiner Hochschullaufbahn jahrelang gewesen sei, hätte er angesichts der Unklarheit des in der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 gemachten Vorschlags diese An-
tenne in beiderlei Richtungen daraufhin untersucht, was zu den besseren Er- gebnissen führe. Damit war es aber (jedenfalls auch) nahegelegt, aufgrund des Vorschlags nach der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 eine Flachantenne mit Platten herzustellen, deren Aperturen Schlitze bilden, weil die Platten die hierfür nötige geringe Stärke besitzen, und auf diese Weise zu der erfindungsgemäßen Antenne zu gelangen. Denn angesichts der Qualifikation des hier maßgeblichen Fachmanns ist kein Raum für durchgreifende Zweifel, daß die insoweit nötigen Versuche ebenfalls in seinem Fachkönnen lagen. Angesichts der auch vom gerichtlichen Sachverständigen genannten Zielrichtung von Versuchen kann ferner angenommen werden, daß eine fachgerechte Vorgehensweise nicht bei Platten endete, die im Sinne des Streitpatents noch zu dick sind, sondern einschloß, sich für den hier interessierenden Hyperfrequenzbereich etwa ganz dünne Bleche von einer Stärke von 0,8 mm nutzbar zu machen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, für die Verwendung dickerer Platten habe eine Präferenz bestanden, oder es habe gegen die Verwendung solch dünner Platten sprechende Kenntnisse gegeben. Der gerichtliche Sachverständige hat die Angaben der Streitpatentschrift bestätigt, wonach zum Prioritätszeitpunkt die Möglichkeit der preiswerten Massenherstellung von Flachantennen im aktuellen Interesse lag. Unter diesem Gesichtspunkt mußte dem Fachmann insbesondere eine dünne Gestaltung der beiden Platten der in der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 vorgeschlagenen Flachantenne sinnvoll erscheinen. Es lag auf der Hand, daß völlig aus metallischem Material hergestellte dicke Platten einen vergleichsweise hohen Aufwand an leitender Masse bedeuten; bei dicken Platten mußten ferner in jedem Fall die Aperturen
als kreisförmige Hohlräume herausgearbeitet werden. Es kommt hinzu, daß andere Entgegenhaltungen dem Fachmann zeigten, auch Flachantennen mit ganz dünnen Masseplatten in Betracht zu ziehen. So haben beide Platten der in der britischen Patentschrift 1 594 559 vorgeschlagenen Antennenstruktur nach der Darstellung in Figur 3 eine dem Stützblatt vergleichbare Dicke und können durch herkömmliches Metallprägen in die ihnen eigene und insbesondere aus Figur 2 ersichtliche Form gebracht werden; sie sind also dünne Bleche und - was auch von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird - auch dünn im Sinne des Merkmals 1 b. Das deutsche Gebrauchsmuster 82 12 076 offenbarte darüber hinaus eine weitere Verringerung der Stärke der die Masseflächen bildenden Schichten. Danach können Flachantennen sogar mit aufgedampften metallischen Schichten als Masseplatten betrieben werden.
Die Vorbildfunktion dieser Entgegenhaltungen zieht der Beklagte vergeblich mit dem Hinweis in Zweifel, diese Schriften behandelten gegenüber dem patentgemäßen Vorschlag artverschiedene Flachantennen. Soweit der Beklagte hierbei darauf abstellt, daß das Gebrauchsmuster 82 12 076 von einer Anregung durch Dipole ausgehe, ist dem bereits entgegenzuhalten, daß Seite 10 der Beschreibung dieses Gebrauchsmusters auch Flachantennen offenbart , die mit Enden einer Streifenleitung arbeiten, so daß die bei dieser Flachantenne als hauchdünne leitende Schicht auf das verwendete Dielektrikum aufgedampften Massenflächen - wie nach Anspruch 1 des Streitpatents - strahlende Elemente in Form von Schlitzen ausbilden, die paarweise ausgerichtet mit den Endbereichen des zentralen Leiters in elektromagnetischer Kopplung zusammenwirken (Merkmal 5 d). Abgesehen davon waren für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt jedenfalls im Hinblick auf anzustellende Ver-
suche auch Flachantennen anderer Wirkweise durchaus von Interesse. Das entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten, weil der gerichtliche Sachverständige für die Vergleichbarkeit letztlich nur als entscheidend angesehen hat, ob es sich jeweils um eine planare Mikro-Antenne handelt. Die Annahme , daß der Fachmann im Prioritätszeitpunkt sich von einer engeren Sicht leiten ließ, würde auch der Erfahrung widersprechen, daß bei einer zielgerichteten Entwicklung, wie sie Diplomingenieure zu machen gewohnt sind, eine ergebnisorientierte Betrachtungsweise vorherrscht. Daß im Streitfall Fehlvorstellungen oder andere Gründe den Fachmann hieran gehindert hätten, hat auch der Beklagte nicht geltend gemacht.
Bei fachgemäßen Versuchen, wie sie im Können des Fachmanns im Prioritätszeitpunkt lagen, waren schließlich auch die Ergebnisse gewährleistet, welche die Streitpatentschrift für sich beansprucht und als überraschend bezeichnet (Sp. 4 Z. 46 ff., deutsche Übers. S. 7, 1. vollständiger Abs.). Das schloß die Erlangung der Erkenntnis ein, daß bei der versuchsweise genutzten Antenne die Aperturen in den dünnen Platten strahlende Elemente sind, die mit den Endbereichen des zentralen Leiters in elektromagnetischer Kopplung zusammenwirken , und daß diese Antenne deshalb nicht auf die Nutzung eines Wellenleiters angewiesen ist. Dies gilt um so mehr, als - wie bereits erwähnt - in dem Gebrauchsmuster 82 12 076 für ein Antennenelement mit Enden eines Streifenleiters inmitten zweier dort unterbrochener, ansonsten durch massives Dielektrikum beabstandeter Metallfolien vorbeschrieben war, daß man hierdurch eine Kopplung zwischen aufeinander gerichteten Aperturen in als Erdungs - oder Masseflächen dienenden äußerst dünnen Leitern und dem Ende des anderen Leiters (Streifenleiters) verwirklichen könne.

4. Die Ansprüche 2 bis 25 können aus den erörterten Gründen ebenfalls keinen Bestand haben. Der Beklagte selbst macht nicht geltend, wegen der insoweit beanspruchten Gestaltungen könne eine erfinderische Tätigkeit festgestellt werden. Der gerichtliche Sachverständige hat in ihnen ebenfalls nur Bekanntes oder Nahegelegtes ohne erfinderischen Gehalt gesehen. Ob hinsichtlich Anspruch 24 eine unzulässige Erweiterung gegeben ist, wie die Klägerin geltend gemacht hat, kann deshalb dahinstehen.
5. Die Berufung des Beklagten kann auch nicht mit dem Hilfsantrag Erfolg haben.
Nach der hilfsweise verteidigten Fassung des Anspruchs 1 sind die Platten durch das zusätzliche Merkmal (1 f) gekennzeichnet, daß sie
1 f) im Bereich der Schlitze und des Mikro-Streifenleiters flach sind.
Hiermit soll - wie der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung hat erläutern lassen - nur klargestellt werden, daß in den Antennenbereichen, die für Empfang bzw. Aussendung besondere Bedeutung haben, die dünnen Masseplatten eben ausgebildet sind. Eine solche Ausbildung war jedoch eine für Flachantennen gebräuchliche Gestaltung. Auch insoweit kann auf die bereits abgehandelten Entgegenhaltungen verwiesen werden. Die unter 3. und 4. gemachten Ausführungen gelten deshalb für das Streitpatent in der hilfsweise verteidigten Fassung gleichermaßen.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Schaffert Asendorf
41
Für den Fachmann, der ausgehend von der US-Patentschrift 2 372 792 (D 40) nach einer Alternative zur massiven Ausgestaltung der Holzpaneele suchte, lag es danach nahe, die Paneele statt aus Holz aus Blechschalen auszubilden. Das gilt auch im Hinblick auf die in der US-amerikanischen Druckschrift offenbarten konvexen und konkaven Oberflächenbereiche der Stirnbreitseiten der Paneele und die Anordnung der Oberflächenbereiche derart, dass zumindest über einen Großteil des Verschwenkwinkels hinweg keine Spaltöffnung des Torblatts auftritt, in welche man die Finger einer Hand einführen könnte. Soweit die Beklagte dem entgegenhält, dass in der Fachwelt Vorbehalte hinsichtlich der Realisierbarkeit einer solchen Konstruktion bestanden hätten , überzeugt dies nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 68/99 Verkündet am:
10. Dezember 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kosmetisches Sonnenschutzmittel
EPÜ Art. 56
Synergistische Effekte, die über die bloße Summenwirkung einer aus mehreren
Stoffen zusammengesetzten Mischung hinausgehen, können als Anzeichen für erfinderische
Tätigkeit gewertet werden. War die Kombination dem Fachmann durch
den Stand der Technik nahegelegt, vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter
und überraschender Effekt die erfinderische Leistung der Kombination allein nicht zu
begründen.
BGH, Urt. v. 10. Dezember 2002 - X ZR 68/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 5. November 1998 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 555 460 (Streitpatents), das am 25. August 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der französischen Patentanmeldung vom 29. August 1991 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Französisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent - und Markenamt unter der Nummer 692 02 759 geführt wird, betrifft ein "Kosmetisches Sonnenschutzmittel" und umfaßt 23 Patentansprüche.
Die Patentansprüche 1 und 23 in der erteilten Fassung lauten in deutscher Übersetzung:
"1. Kosmetische Filter-Zusammensetzung, dadurch gekennzeich- net, daß sie, in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium, mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden, ausgewählt aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm und mindestens einen aus fettlöslichen Polymeren mit Kohlenwasserstoffstruktur und aus Polymeren mit SiloxanStruktur polymeren Träger mindestens einer ultraviolette Strahlungsanteile absorbierenden Gruppierung enthält. 23. Kosmetisches Verfahren zum Schutz der menschlichen Haut und der Haare vor ultravioletter Strahlung von Wellenlängen von 280 bis 400 nm, dadurch gekennzeichnet, daß man auf die Haut oder die Haare eine wirksame Menge einer kosmetischen Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 1 bis 22 aufträgt." Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 22 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat gegen die Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 Teilnichtigkeitsklage erhoben, soweit diese kosmetische Zusammensetzungen betreffen , die als polymeren Träger allein ein Polymer mit Siloxan-Struktur enthalten. Die Klägerin hat geltend gemacht, in diesem Umfang seien die Gegenstände des Streitpatents nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eine neue Fassung der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 überreicht.
Die Klägerin hat beantragt, das europäische Patent 0 555 460 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland insoweit für nichtig zu erklären, als sie über den Umfang der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 hinausgehen. Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und das Streitpatent hilfsweise in beschränktem Umfang verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat der Teilnichtigkeitsklage stattgegeben und das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dieses über die Ansprüche in der neuen Fassung hinausgeht.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte das Streitpatent entsprechend ihren bisherigen Hilfsanträgen im Umfang ihrer (neu formulierten) Ansprüche 24 bis 38 verteidigt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abweisung der Klage im übrigen das europäische Patent 0 555 460 im Umfang der neuen Patentansprüche 1 bis 38 aufrechtzuerhalten, und zwar die Ansprüche 24 bis 38 in folgender Fassung: 24. Kosmetische Filter-Zusammensetzung, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie, in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium, mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden, ausgewählt aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm, und mindestens ein Polymer mit Siloxanstruktur, das mindestens eine ultraviolette Strahlungsanteile-absorbierende Gruppierung trägt, enthält, wobei das Polymer mit Siloxan-Struktur ein Diorganpolysiloxan ist, das in seinem Molekül mindestens eine Einheit der Formel aufweist:
R’a ‰ X-Si-O 3-a (VI)

2

worin gilt: R' bedeutet eine gesättigte oder ungesättigte C1-30Kohlenwasserstoffgruppe , eine halogenierte C1-8Kohlenwasserstoffgruppe oder eine Trimethylsilyloxygruppe, a = 1 oder 2, X = -A-Y, worin A ein aliphatischer oder aromatischer zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen ist, der gegebenenfalls ein oder mehrere Sauerstoffatome aufweist, und Y den Rest eines Moleküls darstellt, das die UV-Strahlung filtert , welcher ein 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazolrest ist, der nicht substituiert ist oder an einem der aromatischen Kerne C1-8-Alkyl-, C2-8-Alkenyl-, Halogen-, Alkoxy-, Carboxy-, Hydroxyoder Amino-Substituenten aufweist. 25. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 24, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Nanopigmente der Metalloxide einen Durchmesser von 5 bis 50 nm aufweisen. 26. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 24 oder 25, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Metalloxid Titanoxid ist. 27. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 26, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Nanopigment der Metalloxide ein umhülltes Pigment ist, das einem oder mehreren Oberflächenbehandlungsverfahren chemischer, elektronischer , mechanochemischer oder mechanischer Art mit Verbindungen unterzogen worden ist, die aus Aminosäuren, Bienenwachs , Fettsäuren, Fettalkoholen, anionischen oberflächenaktiven Mitteln, Lecithinen, Natrium-, Kalium-, Zink-, Eisen- oder Aluminiumsalzen von Fettsäuren, Metallalkoxiden, Polyethylen, Siliconen, Proteinen, Alkanolaminen, Siliziumoxiden, Metalloxiden und aus Natriumhexametaphosphat ausgewählt sind. 28. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 27,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das umhüllte Na- nopigment aus Metalloxiden ein Pigment aus Titanoxid ist, das mit Kieselsäure, Kieselsäure und Aluminiumoxid, Kieselsäure und Eisenoxid, Aluminiumoxid und Silicon, Aluminiumoxid, Aluminiumoxid und Aluminiumstearat, Aluminiumoxid und Aluminiumlaurat , Eisenoxid und Eisenstearat, Zinkoxid und Zinkstearat , Kieselsäure und Aluminiumoxid und Silicon, Kieselsäure und Aluminiumoxid und Aluminiumstearat und Silicon, Triethanolamin, Stearinsäure oder mit Natriumhexametaphosphat umhüllt ist. 29. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 28, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie 0,1 bis 15 vorzugsweise 0,5 bis 10 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung, mindestens eines Nanopigments aus Metalloxiden enthält. 30. Kosmetische Zusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 24 bis 29, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Diorganopolysiloxan zusätzlich Einheiten mit der Formel umfaßt: R'a ½ R'b - SiO 4-b (VII) und Z-Si-O 3-a (VIII)
2
2 worin R' und a die in Anspruch 12 angegebenen Bedeutungen haben, b eine ganze Zahl gleich 1, 2 oder 3 ist, Z = -O-Y, worin Y dieselbe Bedeutung wie in Anspruch 12 hat, und wobei mindestens 40 % der Anzahl der Reste R' den Methylrest bedeuten. 31. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 30, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie ein Polydimethylsiloxan mit gepfropfte(m)(n) 2-(3'-Trimethylen-5'-methyl2' -hydroxyphenyl)benztriazol-Rest(en) enthält. 32. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Anprüche 24 bis 31, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie 0,1 bis 15 vor- zugsweise 0,5 bis 10 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung, mindestens eines polymeren Filterstoffes mit Siloxan-Struktur enthält. 33. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 32, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Gewichtsverhältnis Nanopigment(e)/polymere(r) Filterstoff(e) 0,1 bis 10 und vorzugsweise 0,5 bis 5 beträgt. 34. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie eine Zusammensetzung zum Schutz der menschlichen Haut oder ein Sonnenschutzmittel darstellt und in Form einer Lotion, verdickten Lotion, eines Gels, Öls, einer bläschenartigen Dispersion, einer Creme, Milch, eines Puders, Feststoffstäbchens, Schaums oder eines Spray-Produkts vorliegt. 35. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie eine Zusammensetzung zum Schminken der Wimpern, Augenbrauen oder der Haut darstellt und in fester oder pasteuser, wasserfreier oder wässriger Form einer Emulsion, Suspension oder bläschenartigen Dispersion vorliegt. 36. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33 zur Verwendung zum Schutz der Haare vor ultravioletten Strahlen, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie in Form eines Shampoo, einer Lotion, eines Gels oder einer Zusammensetzung zur Spülung, zur Aufbringung vor oder nach einer Shampoonierung , vor oder nach einer Färbung oder Entfärbung, vor, bei oder nach einer Dauerwelle oder einem Ausfrisieren, in Form einer Lotion oder eines Gels zum Frisieren oder Behandeln , einer Lotion oder eines Gels zum Bürsten oder zur Wellengebung , eines Lacks für die Haare, einer Zusammensetzung zur Dauerwelle oder zum Ausfrisieren, zur Färbung oder Entfärbung der Haare vorliegt.
37. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 36, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie zusätzlich kosmetische Hilfsstoffe enthält, ausgewählt aus Fettkörpern, organischen Lösungsmitteln, Siliconen, Verdickungsmitteln, weichmachenden Mitteln, solaren Filterstoffen für UV-A, UV-B oder eine lange Wellenbande, Antischaummittelen, hydratisierenden Mitteln, Parfüm-Produkten, Konservierungsstoffen, oberflächenaktiven Mitteln, Beladungsmitteln, Sequestriermitteln, anionischen, kationischen, nicht-ionischen oder amphoteren Polymeren oder aus deren Mischungen, Treibmitteln, alkalisch oder sauer machenden Mitteln, Färbemitteln und aus Pigmenten von Metalloxiden mit einer Korngröße von 100 bis 20000 nm. 38. Kosmetisches Verfahren zum Schutz der menschlichen Haut und der Haare vor ultravioletter Strahlung von Wellenlängen von 280 bis 400 nm, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß man auf die Haut oder die Haare eine wirksame Menge einer kosmetischen Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 37 aufträgt. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Prof. Dr. L. , , hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten von Dr. J. F. sowie Versuchsprotokolle vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Gegenstand des Berufungsverfahrens sind ausschließlich die von der Beklagten neu formulierten Patentansprüche 24 bis 38 des Streitpatents. Sie waren Gegenstand der im Verfahren vor dem Bundespatentgericht gestellten Hilfsanträge der Beklagten und sind gegenüber dem Ausspruch der Teilnichtigerklärung des Bundespatentgerichts weiter eingeschränkt. Soweit die Beklagte das Urteil des Bundespatentgerichts nicht angefochten hat, verbleibt es bei der Teilnichtigerklärung des Streitpatents. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.1. Das Streitpatent betrifft eine kosmetische Zusammensetzung, die ultraviolette Strahlung filtert und die in Abmischung mindestens ein Nanopigment eines Metalloxids sowie mindestens ein fettlösliches Polymer enthält.
Die nicht sichtbare ultraviolette Strahlung der Sonne (UV-Licht) schädigt bei längerer Einwirkung die Haut. Für die typische Erscheinung des "Sonnenbrandes" (Hautrötung, Erythem) sind in erster Linie die kürzerwelligen, energiereichen UV-B-Strahlen verantwortlich (280 bis 320 nm). Das längerwellige, energieärmere UV-A-Licht (320 bis 400 nm) kann allerdings auf Grund seiner höheren Intensität zu Langzeitschäden führen, die kurzfristig nicht offenbar werden, wie Hautalterung, chronische Lichtschäden und Hautkrebs. Seit langem wird hoher Schutz im UV-B-Bereich gefordert, da durch die Verringerung der Ozonschicht UV-Strahlen verstärkt auf die Erdoberfläche auftreffen und auch UV-B-Strahlen Langzeitschäden verursachen können. Zum Schutz gegen UV-A-Strahlen waren bisher organische Filter bekannt. Es wurde befürchtet, daß diese organischen Substanzen bei einer Konzentrationserhöhung zum Zwecke eines verstärkten Schutzes in merklichen Mengen die Haut passieren
und vom Gesamtorganismus resorbiert werden könnten. Mögliche unerwünschte Wirkungen für den Anwender waren nicht auszuschließen.
Nach den Angaben der Streitpatentschrift (S. 2 Z. 3 bis 8 der deutschen Übersetzung) sind Sonnenschutzmittel auf der Basis polymerer siloxanischer Trägerstoffe bekannt, die den ultravioletten Anteil absorbieren und den Vorteil aufweisen, das Eindringen der Filterstoffverbindungen in den Organismus herabzusetzen und sogar zu unterdrücken. Ebenso bekannt sind kosmetische Zusammensetzungen , die Metalloxide wie z.B. Titanoxid enthalten (S. 2 Z. 9 bis 11) und infolge ihrer Diffusions- und Reflexionseigenschaften über einen großen Bandbereich als Sonnenschutzmittel geeignet sind. Solche Zusammensetzungen haben jedoch den Nachteil, daß ihre Wirksamkeit gegen ultraviolette Strahlungen bei empfindlicher oder kontinuierlich der Sonnenstrahlung ausgesetzter Haut unzureichend ist (S. 2 Z. 11 bis 17).
2. Das Streitpatent will eine kosmetische Zusammensetzung zur Verfügung stellen, die eine verbesserte Schutzwirkung gegenüber ultravioletter Strahlung in einem Wellenlängen-Bereich von 280 bis 400 nm (UV-B- und UV-A-Bereich) aufweist, und ein Verfahren hierzu.
3. Patentanspruch 24 beschreibt eine kosmetische Filterzusammensetzung ,
(1)
die in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden enthält, (1.1) das ausgewählt ist aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, (1.2) mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm und
(2)
die mindestens ein Polymer mit Siloxanstruktur enthält, (2.1) das mindestens eine ultraviolette Strahlungsanteile absorbierende Gruppierung trägt, (2.2) wobei das Polymer mit Siloxan-Struktur ein Diorganpolysiloxan ist, (2.3) das in seinem Molekül mindestens eine Einheit der Formel aufweist R'a ½ X-Si-O 3-a (VI)

2

worin gilt: (2.3.1) R' bedeutet eine gesättigte oder ungesättigte C1-30-Kohlenwasserstoffgruppe, eine halogenierte C1-8-Kohlenwasserstoffgruppe oder eine Trimethylsilyoxygruppe , (2.3.2) a = 1 oder 2, (2.3.3) X = -A-Y, (2.3.3.1) worin A ein aliphatischer oder aromatischer zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen ist, der gegebenenfalls ein oder mehrere Sauerstoffatome aufweist, und (2.3.3.2) Y den Rest eines Moleküls darstellt, das die UVStrahlung filtert, (2.3.3.2.1) welcher ein 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazolrest ist, der nicht substituiert ist oder (2.3.3.2.2) an einem der aromatischen Kerne C1-8-Alkyl-, C2-8Alkenyl -, Halogen-, Alkoxy-, Carboxy-, Hydroxy- oder Amino-Substituenten aufweist. 4. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen erkannte der Durchschnittsfachmann, ein Diplomchemiker, Pharmazeut oder Diplom-Biologe, der sich in das spezielle Fachgebiet der Kosmetik (Kosmetologie) intensiv eingearbeitet hat, daß Patentanspruch 24 des Streitpatents das technische Problem eines erwünschten hohen UV-Schutzes durch Kombination von zwei Komponenten löst: Als (anorganischer) UV-B-Filter werden partikuläre Metalloxide, z.B. Oxide des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm (Nanopigmente) in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium einge-
setzt. Derartige Metalloxide zählen zu den Substanzen, die nicht in gelöster, sondern in partikulärer Form den Lichtschutz erbringen. Die hochdispersiven Metalloxide bewirken Reflexion, Absorption und Streuung der UV-Strahlen, wobei Teilchengrößen über 100 nm zur Reflexion des einstrahlenden Lichts und Teilchengrößen von weniger als 100 nm zur Absorption oder Streuung führen. Wie der Gutachter Dr. F. in seinem Gutachten (S. 5 f. der deutschen Übersetzung ) verdeutlicht hat, verändert eine Verminderung der Teilchengröße die Absorptionskurve. Mit verringerter Teilchengröße vermindert sich die Absorption des sichtbaren Lichts; die UV-A-Absorption nimmt ab und die UV-B-Absorption zu. Titandioxid, wie im Streitpatent beschrieben, ist deshalb als überwiegendes UV-B-Sonnenschutzmittel mit Breitbandspektrumschutz zu klassifizieren.
Als zweite Komponente wird ein (organischer) Polymer-Sonnenschutzfilter mit Siloxan-Struktur (C-Si-O) vom Typ des Diorganopolysiloxan eingesetzt, das z.B. als chemisch daran gebundenen Chromophor das UV-Filtermolekül 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazol oder Derivate davon (im folgenden als Benztriazol bezeichnet) trägt. Der organische Polymer-Sonnenschutzfilter ist ebenfalls ein Breitbandsonnenschutzmittel in den UV-A- und UV-BWellenlängenbereichen ; er ist aufgrund seiner Polymerstruktur in öligen, lipophilen Trägern einschließlich Silikonölen löslich und erreicht die volle UVAbsorption nur in gelöstem Zustand. Er zeigt eine gute Haftung auf der Haut und wird vom Körper nicht resorbiert.
Durch das Mischen der beiden Breitbandsonnenschutzmittel kommt es zu einer Überlagerung der beiden Absorptionsbereiche und infolgedessen zu einer Verstärkung der Schutzwirkung. Gleichzeitig wird durch die spezielle Wahl der organischen Polymere mit Siloxan-Struktur eine unerwünschte Resorption weitgehend vermieden. Die organischen Polymere werden infolge ihrer Molekülgröße auch in gelöstem Zustand nicht durch die Haut resorbiert. Nanopig-
mente von Metalloxiden werden ebenfalls nicht vom Organismus aufgenommen.
Die vorgeschlagene Kombination verbessert den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge den Schutz mit organischen Polymeren. Da die optimale UV-A-Absorption nur von gelösten Molekülen erreicht wird, können mit dem beanspruchten Polymer höhere Konzentrationen und damit eine verbesserte Schutzwirkung erzielt werden. Als Folge können in Zusammensetzungen die beiden Filtersubstanzen in ihrer Konzentration herabgesetzt werden. Die Kombinationspräparate besitzen eine besonders hohe Effektivität.
II. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 24 des Streitpatents ist neu (Art. 52 EPÜ). In keiner der in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen wird die erfindungsgemäße Lehre vollständig beschrieben.
2. Die Lehre des Patentanspruchs 24 beruht allerdings nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Der Senat ist aufgrund des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen und dessen Erläuterung sowie dessen Ergänzungen , des Gutachtens von Dr. F. , aufgrund des Vorbringens der Parteien und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, daß die Kombination von zwei bekannten Breitbandsonnenschutzmitteln mit Sonnenschutzwirkung sowohl im UV-B- als auch im UV-A-Wellenbereich, nämlich eines anorganischen UV-Filters mit kolloidalen Metalloxiden und eines organischen UV-Absorbers gemäß Patentanspruch 24, dem einschlägigen Fachmann am Prioritätstag ohne erfinderisches Bemühen nahegelegt war.

a) Metalloxide, vornehmlich Titandioxid mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von 200 nm oder mehr, die auf der Haut eine weiße Schicht zurücklassen , wurden viele Jahre als Sonnenschutz verwendet. Der Fachwelt war
am Prioritätstag des Streitpatents aus dem Stand der Technik bekannt, daß die bekannte, aber kosmetisch nicht akzeptable Weißfärbung durch Verringerung der mittleren Teilchengröße der Metalloxid-Pigmente vermieden werden kann.
Die US-amerikanische Patentschrift 5,032,390 beschreibt kosmetische Mittel gegen Sonnenbräune mit Metalloxid-Pigmenten des Zinks und Titans. Dabei wird hervorgehoben, daß "feines" Zinkoxid mit mittlerer Teilchengröße von 70 bis 300 nm und Titanoxid mit mittlerer Teilchengröße von 30 bis 70 nm als UV-Absorber geeignet sind und zugleich in Zubereitungen den Vorteil der Transparenz bieten. Es wird ausgeführt (S. 7 der Übersetzung), das Titanoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 40 bis 70 nm zeige zusätzlich zum Schutz im UV-B-Bereich eine erhöhte Absorption und Streuung der Strahlen im UV-ABereich nahe 320 nm. Dies wird in Figur 5 der US-Druckschrift bestätigt. Wenn die dargestellten Kurven auch nicht mathematisch exakt seien, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, so könne der Fachmann Figur 5 doch das Prinzip entnehmen, daß bei zunehmender Teilchengröße (von 15 nm bis 75 nm) der Höchstpunkt der Absorption aus dem UV-B-Bereich in den UV-ABereich verlagert werde. Bei einer Teilchengröße von 75 nm liegt nämlich der Höchstpunkt der Absorption bereits im UV-A-Bereich; bei kleineren Partikelgrößen , die ebenfalls von den geltenden Patentansprüchen des Streitpatents umfaßt sind, liegen die Maxima noch im Bereich von weniger als 320 nm Wellenlänge und damit im UV-B-Bereich. Diese Abhängigkeit der Absorption von der Teilchengröße des Titandioxids und die Verschiebung der Aktivitätspeaks vom UV-B-Bereich zum UV-A-Bereich bei zunehmender Teilchengröße wird in Figur 3 des Gutachten von Dr. F. bestätigt (S. 6 der Übersetzung).
Der mit der Verwendung von mikrofeinen Metalloxid verbundene Vorteil der Transparenz bei Sonnenschutzmitteln wird auch in der PCT-Anmeldung WO 90/11067 beschrieben, welche die Verwendung von Titandioxid mit einer
mittleren Primärteilchengröße von etwa 15 nm und von mindestens einer weiteren Qualität Titandioxid mit einer mittleren Primärteilchengröße zwischen etwa 30 bis 50 nm in einem kosmetischen Träger vorschlägt: Diese Zusammensetzungen seien auf der Haut im wesentlichen transparent. Größere Partikel seien wegen der Erscheinung der "Weiße" ungeeignet. Das beschriebene Produkt liefere transparente Präparate (S. 1 und 3), die für den Verbraucher in ästhetischer Hinsicht akzeptabel seien. Sonnenschutzmittel mit einem relativ hohen Anteil an Titandioxid, beispielsweise zwischen 5 und 30 %, bewirkten einen ausreichenden Schutz gegen UV-A- und UV-B-Strahlen und seien sogar zur Behandlung von Patienten geeignet, die unter durch Lichteinwirkung bedingten Hautausschlägen litten (S. 9 f.). Ebenso schildert die Druckschrift "Degussa, Schriftenreihe Pigmente: Hochdisperse Metalloxide nach dem AEROSIL-Verfahren , Nr. 56", Titandioxid P 25 mit einer mittleren Primärteilchengröße von etwa 21 nm besitze die Eigenschaften (S. 15), UV-Licht zu absorbieren und in Flüssigkeiten transparent zu sein. Es könne deshalb in kosmetischen und medizinischen Sonnenschutzpräparaten eingesetzt werden (S. 28).

b) Der Fachmann, der sich zur Vermeidung der nicht akzeptierten Weißfärbung für eine kleinere Teilchengröße der Metalloxide entschloß, konnte nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aus den genannten Druckschriften ohne weiteres entnehmen, daß er mit dem Vorteil der Transparenz eines Sonnenschutzmittels zugleich einen verminderten Schutz gegen ultraviolette Strahlen einhandelte und daß er deshalb zur Verbesserung des Schutzes Maßnahmen ergreifen mußte. Schon wegen der erkannten Gefahr von Schäden durch UV-Strahlen sei der Fachmann veranlaßt gewesen, über eine Optimierung des Schutzes nachzudenken. Einen ersten Hinweis erhielt der Fachmann aus der US-amerikanischen Patentschrift 5,032,390. Aus dieser Druckschrift konnte er den Vorschlag entnehmen, Titanoxid und Zinkoxid zu kombinieren, um dadurch einen verbesserten Breitbandschutz im gesamten
Bereich der UV-Strahlen zu erzielen. Während das Titanoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 40 bis 70 nm eine erhöhte Absorption der Strahlen im UV-BBereich nahe einer Wellenlänge von 320 nm zeigt, erreicht Zinkoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 250 nm ein deutliches Absorptionsmaximum bei einer Wellenlänge nahe 370 nm im UV-A-Bereich (S. 7 der Übersetzung). Der Fachmann wird bei diesem Vorschlag allerdings auch den Nachteil erkannt haben , daß eine ausgesprochene UV-A-Filterwirkung erst ab höheren Teilchengrößen des Zinkoxids zu erwarten war, diese Teilchengröße aber wegen der Weißfärbung gerade nicht erwünscht war.

c) Verwarf der Fachmann diesen Weg wegen mangelnder Transparenz der Substanz, so erhielt er auf der Suche nach einem geeigneten Filter für den UV-A-Bereich aus der PCT-Anmeldung WO 90/11067 einen Hinweis dahin, daß sich andere Sonnenschutzmittel in die Zusammensetzungen mit Titanoxid einarbeiten lassen und daß als geeignete weitere Sonnenschutzmittel monomere organische Substanzen in Betracht kommen (S. 9), etwa Benzophenone. Einen entsprechenden Ansatz enthält auch die Degussa-Schrift, in der auf Kombinationen mit organischen UV-Absorbern hingewiesen wird (S. 16).
Eine Konkretisierung des organischen UV-Absorbers fand der Fachmann in der französischen Offenlegungsschrift 2 657 351. Diese schlägt als geeigneten organischen Filter kosmetische Zusammensetzungen mit Benztriazol vor. Aus dieser Druckschrift erfuhr der Fachmann, als Chromophor Benzophenon einzusetzen und chemisch mit dem Polymer Polysiloxan zu verknüpfen, sowie eine bessere Löslichkeit in lipophilen Trägern (Silikonöl) vorzusehen (S. 1, Z. 5). Ferner wird darauf hingewiesen, daß dieses Sonnenschutzmittel in Kombination mit anderen UV-Filtern verwendet werden kann, zum Beispiel in Kombination mit Titanoxid (Beispiel 2, S. 13, 14). Für den einschlägigen Fachmann lag es nahe, gerade diesen organischen Filter zu prüfen und eine Kombination mit
Nanopigmenten von Metalloxiden in Erwägung zu ziehen. Wie der gerichtliche Sachverständige in Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, ist der Fachmann auf der Suche nach Verbesserung seiner Sonnenschutzmittel stets bestrebt, alle auf dem Markt erhältlichen, zugelassenen Hilfsstoffe, die als geeignete Filter in Frage kommen, zu überprüfen. Dazu habe er sich die Anforderungen vor Augen führen müssen, die an ein gutes Sonnenschutzpräparat gestellt werden: UVAbsorption im UV-A- und UV-B-Bereich, hohe Effektivität und geringe Gefahr der Resorption. Dem Fachmann sei bewußt gewesen, daß bei Vermeidung der Weißfärbung eine einzige Filter-Substanz diesen Anforderungen nicht genügen konnte und daß die Kombination von mehreren Filtern zusätzliche Vorteile bot, nämlich die Überlappung der UV-Absorptionsbereiche und damit bei niedrigerer Konzentration der Einzelkomponenten eine erhöhte Gesamteffektivität. Da bekannt gewesen sei, daß hohe Effektivität bei löslichen, d.h. nicht partikulären Zusammensetzungen erzielt werden könne, und zwar dann, wenn möglichst wenig Substanz ungelöst, d.h. in dispergierter Form vorliege, habe es auf der Hand gelegen, unter den organischen UV-A-Filtern (silikon-) öllösliche Substanzen auszuwählen. Zur Vermeidung unerwünschter Resorption des organischen Filters sei ein polymerer Filterstoff in Betracht gekommen, weil dieser infolge der Größe seiner Moleküle nicht durch die Haut dringe. Der Fachmann habe damit nach einem organischen Filter Ausschau halten müssen, der die erstrebten Eigenschaften vereinigte. Deshalb habe es für ihn nahe gelegen, als organischen Filter das in der französischen Offenlegungsschrift 2 657 351 offenbarte Benztriazol mit den als geeignete UV-Filter vornehmlich im UV-B-Bereich wirksamen, bekannten Metalloxiden mit einer Partikelgröße von weniger als 100 nm (Nanopigmenten) zu kombinieren.
d. Eine erfinderische Leistung folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus einem "synergistischen" Effekt der nahegelegten Kombination.
aa) Die Beklagte hat zwar durch Vorlage von Versuchsprotokollen (Anlagen Jo1 und Jo5) einen synergistischen Effekt bei speziellen Filterkombinatio- nen experimentell nachgewiesen. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß sich in den untersuchten Fällen bei der erfindungsgemäßen Kombination ein überadditiver Effekt ergab. Er hat weiter ausgeführt, Effekte von Mischungen lägen zwar oftmals über den erwarteten Additionen der Einzelwirkungen der Komponenten. Hier sei aber eine deutliche Ausprägung vorhanden, die sich auch nicht aus der angewandten Methode erklären lasse. Deutlich werde dies aus den in der Anlage Jo1 Tabelle 2b beschriebenen Versuchen mit Titandioxid-Nanopigment (MetalloxidPigment 2 = 50 nm) und Siloxanpolymer 1 (Benztriazol) (B4) im Vergleich zum erfindungsgemäßen Siloxanpolymer 2 (Cinnamat) (B5). Danach erreicht die Zusammensetzung B1 mit 12 % (erfindungsgemäßem) Pigment 2 allein einen Sonnenschutz-Wert (SPF) von 17,4 (+/- 2,3). Bei der Zusammensetzung B2 mit 12 % (erfindungsgemäßem) Siloxanpolymer 1 als alleiniger Wirksubstanz wird ein SPF-Wert von 6,2 (+/- 0,5) gemessen. Bei Zusammensetzung B3 mit 12 % (nicht erfindungsgemäßem) Polysiloxan 2 (Cinnamat) allein, wird ein SPF-Wert von 3,7 (+/- 0,6) gemessen. In der erfindungsgemäßen Mischung B4 mit 10 % Pigment 2 und 2 % Benztrialzol-Siloxanpolymer 1, d.h. mit einem Gesamtgewicht an Wirksubstanz von 12 %, liegt der SPF-Wert bei 28,7 (+/- 6,2); er ist viel höher als die SPF-Werte der Zusammensetzungen, welche die äquivalente Konzentration (d.h. 12 %) der einzelnen Wirkkomponenten enthalten. Rein additiv , so der gerichtliche Sachverständige, sei für diese Zusammensetzung ein Sonnenschutzfaktor (SPF) von etwa 15,5 zu erwarten gewesen. Nach der Tabelle 2b trete beinahe eine Verdoppelung der Wirkung ein, wenn nur ca. 2 %
des Nanopigments in B1 durch erfindungsgemäßes Siloxanpolymer 1 (Benz- triazol) ausgetauscht werde. Bei dem nicht-erfindungsgemäßen Siloxanpolymer vom Cinnamat-Typ (Siloxan-polymer 2) habe der gemessene SPF bei 16,9 und damit relativ nahe beim erwarteten additiven Wert von 15,2 gelegen. Verdeutlicht werde der Synergismus der speziellen Mischungen in Figur 7 des Gutachtens F. (S. 11 der deutschen Übersetzung), wobei davon auszugehen sei, daß bei kontinuierlichem Ansteigen und Abfallen der SPF-Kurve der gekennzeichnete Punkt in etwa den Maximalpunkt darstelle.
bb) Die Beklagte weist auch zutreffend darauf hin, nirgendwo im vorgelegten Stand der Technik finde sich ein Hinweis, daß ein derartiger synergistischer Effekt jemals beobachtet worden sei oder daß ein Auftreten eines solchen überadditiven Effekts hätte erwartet werden können. Gleichwohl kann im Streitfall ein solcher Effekt der erfindungsgemäßen Zusammensetzung die erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 24 des Streitpatents nicht begründen.
Synergistische Effekte, die über die bloße Summenwirkung einer aus mehreren Stoffen zusammengesetzten Mischung hinausgehen, können als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden, wenn sie für den Fachmann unerwartet und überraschend sind (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 5. Aufl., § 4 Rdn. 74; Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz, 9. Aufl., § 4 Rdn. 36; Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, Art. 56 Rdn. 98). Dies setzt bei der Kombination bekannter Stoffe allerdings voraus, daß Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Kombination als solche nicht nahegelegt war. War die Kombination von zwei Wirkstoffen wie im vorliegenden Fall, dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter und überraschender Effekt die erfinderische Leistung der Kombination jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn - wie hier - für den Fachmann Anlaß
bestand, von dem im Stand der Technik ausgelegten Maßnahmen Gebrauch zu machen. Da - wie dargelegt - die im Prioritätszeitpunkt neu gewonnenen Erkenntnisse zur Schädlichkeit von UV-Strahlen über den gesamten Bereich den Fachmann nach Möglichkeiten zu einer Verbesserung des Sonnenschutzes über das gesamte UV-Spektrum suchen lassen mußten, beschränkte sich die Leistung eher darauf, im Zuge dieser Suche von Kombinationsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, auf die er im Stand der Technik hingewiesen worden war. Der von der Beklagten in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückte unerwartete Effekt ist lediglich eine zwangsläufige Folge dieser durch die im Stand der Technik veranlaßten und durch ihn nahegelegten Kombination der im Streitpatent unter Schutz gestellten Maßnahmen; in einem solchen Fall kann auch ein auf einer solchen Kombination beruhender unerwarteter und überraschender Effekt eine erfinderische Tätigkeit allein nicht begründen.
3. Die Lehre der auf den Patentanspruch 24 des Streitpatents unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Unteransprüche 25 bis 37 sowie des Verfahrensanspruch 38 ist nicht neu, jedenfalls aber durch den Stand der Technik dem Fachmann nahegelegt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem nach Art. 29 des 2. PatG˜ndG weiterhin anwendbaren § 110 Abs. 3 PatG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)