Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2018 - X ZR 44/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:130318UXZR44.16.0
13.03.2018
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 12/14, 12.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 44/16 Verkündet am:
13. März 2018
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2018:130318UXZR44.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Bacher und Dr. Deichfuß und die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 12. Januar 2016 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 42 01 748 (Streitpatents ), das am 23. Januar 1992 angemeldet wurde und bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils durch Zeitablauf erloschen ist. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung der feuerfesten Zustellung einer Gießpfanne. Der einzige Patentanspruch lautet wie folgt: "Verfahren zur Herstellung der feuerfesten Zustellung einer Wandungsdurchlässe mit Düsen- und/oder Spülsteinen aufnehmenden Pfanne für das Vergießen von Stahl oder eines ähnlichen metallurgischen Gefäßes unter Verwendung thixotroper Vibrationszustellmassen für das Verschleißfutter , dadurch gekennzeichnet, dass bei der Herstellung des Verschleißfutters (3) durch Schablonen Öffnungen (7, 8) für die Wandungsdurchlässe freigehalten und die konischen Düsen- und/oder Spülsteine (5, 6) in die freigehaltenen Öffnungen (7, 8) des Verschleißfutters (3) eingesetzt und dort ohne Sitzsteine unmittelbar in das Verschleißfutter (3) eingemörtelt werden."
2
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in neun geänderten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die ihre erstinstanzlichen Anträge mit der Maßgabe weiterverfolgt, dass hilfsweise in sämtlichen Anspruchssätzen jeweils die Wörter "oder eines ähnlichen metallurgischen Gefäßes" entfallen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung ist begründet.
5
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung der feuerfesten Zustellung einer Gießpfanne.
6
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift kann die Zustellung metallurgischer Gefäße auf unterschiedliche Weise hergestellt werden. Die klassische Art der Zustellung sei - so erläutert die Streitpatentschrift - die Aus- mauerung des Gefäßes mit feuerfesten Steinen. Im Stand der Technik seien indessen auch Verfahren bekannt, bei denen die Zustellung als monolithischer Block entstehe. Ein solches Verfahren sei in der deutschen Patentschrift 37 41 073 beschrieben. Danach werde die Zustellung hergestellt, indem eine der lichten Öffnung der Pfanne entsprechende Schablone in die Pfanne eingesetzt werde. Der dadurch entstehende Zwischenraum zwischen Pfanneninnenwandung und Schablone werde mit einer thixotropen feuerfesten Masse ausgefüllt , die sich unter dem Einfluss von Vibratoren verflüssige und dann kompaktiert werde. Eine solchermaßen hergestellte Zustellung könne bei Verschleiß relativ einfach repariert werden. Hierfür müsse lediglich die Oberflächenschicht der alten Zustellung entfernt werden. Danach könne mit Hilfe der Schablone wieder eine neue Schicht aus thixotroper feuerfester Masse aufgebracht werden.
7
Die Zustellung sei bei jedem Schmelzvorgang einer erodierenden Wirkung ausgesetzt. Da Pfannen und insbesondere Pfannenöfen absolut zuverlässig und sicher sein müssten und in der modernen Metallurgie zunehmend an Bedeutung gewönnen, gingen die Bestrebungen dahin, die Lebensdauer einer Zustellung so weit wie möglich zu verlängern, ohne dass den Betriebsablauf unterbrechende Reparaturen erforderlich würden. Probleme bei der Erosionsbeständigkeit träten insbesondere im Bereich des Abstichlochs auf, wo sich die Düsensteine befänden, über die die Schmelze ausgegossen werde, sowie im Bereich der Spülsteine, über die gasförmige Medien in den flüssigen Stahl in der Pfanne eingeblasen würden. Diese funktionellen Steine würden üblicherweise in besondere Sitzsteine eingesetzt, die ihrerseits in die Zustellung eingefügt seien. Bei der klassischen Ausmauerung seien die Sitzsteine Bestandteil des feuerfesten Mauerwerks. Auch nach dem Aufkommen monolithischer Zustellungen sei die Technik, Düsen- und Spülsteine in separate Sitzsteine einzusetzen , beibehalten worden. In diesem Fall würden die Sitzsteine in mittels Schablonen freigehaltene Öffnungen der Zustellung eingesetzt. Sitzsteine hätten indessen den Nachteil, dass sie unter der erodierenden Wirkung der Schmelze vorzeitig verschlissen. Um die Steine ausbrechen und durch neue ersetzen zu können, müsse die Pfanne abgekühlt werden, was störende Betriebsunterbrechungen zur Folge habe. Ferner sei das Auswechseln der Sitzsteine bei den im Stand der Technik bekannten Ausführungsformen erschwert, weil durch die zylindrische Form der Steine und die hierbei zum Teil auftretende Versinterung der Steine mit der sie umgebenden Zustellung ein Ausstoßen der verschlissenen Steine nicht ohne weiteres möglich sei. Schließlich verschlechterten die durch den Einsatz von Sitzsteinen bedingten zusätzlichen Fugen in der Zustellung die Erosionsbeständigkeit der Pfanne und erhöhten das Durchbruchsrisiko.
8
2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, ein Verfahren zur Herstellung einer Pfanne zur Verfügung zu stellen, das eine unaufwändige Installation der Funktionssteine in die Erstzustellung ermögliche, dem Verschleiß der Sitzsteine begegne und die Zahl der Fugen in der Zustellung minimiere, weil hierdurch die Lebensdauer, die Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Zustellung von Stahlgießpfannen erhöht werde. Dagegen könne die leichte Austauschbarkeit von Düsen- und/oder Spülsteinen bei der Reparatur entgegen der Auffassung der Beklagten nicht als Teil der Aufgabe angesehen werden, da die auf diesen Aspekt bezogenen Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents in den Ursprungsunterlagen nicht enthalten gewesen seien.
9
3. Diese Definition ist zu eng.
10
a) Nach der Rechtsprechung des Senats dient die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in einem Nichtigkeitsverfahren dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten , ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht (BGH, Urteil vom 11. November 2014 - X ZR 128/09, GRUR 2015, 356 Rn. 9 - Repaglinid). Dementsprechend hat sie nicht die Funktion , über die Frage der Patentfähigkeit bereits eine Vorentscheidung zu treffen. Daher ist es weder zulässig, Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören , bei der Formulierung der Aufgabe zu berücksichtigen, noch darf ohne weiteres unterstellt werden, dass für den Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung angezeigt war (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 16 - Quetiapin).
11
b) Allerdings kann auch nicht umgekehrt ohne weiteres angenommen werden, ein bestimmtes technisches Problem sei nicht Teil der Aufgabenstellung , weil die hierauf bezogenen Ausführungen in der Streitpatentschrift in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht enthalten gewesen seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich das einer Erfindung zugrunde liegende technische Problem aus dem, was die Erfindung tatsächlich leistet. Insoweit stehen die Bestimmung der Aufgabe und die Auslegung des Patentanspruchs zwar in einer gewissen Wechselwirkung. Die Bestimmung der Aufgabe darf jedoch angesichts des Vorrangs des Patentanspruchs gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 113/11, GRUR 2012, 1122 Rn. 22 - Palettenbehälter III).
12
c) Im Streitfall ist deshalb das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem allgemein und in Übereinstimmung mit der Formulierung in der Streitpatentschrift , die im Übrigen nahezu wortgleich in der Anmeldung enthalten ist, darin zu sehen, ein Verfahren zur Herstellung einer feuerfesten Zustellung von Gießpfannen oder ähnlichen metallurgischen Gefäßen zur Verfügung zu stellen, mit dem die Lebensdauer, die Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Zustellung erhöht werden können.
13
4. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der erteilten Fassung ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern): 1. Das Verfahren dient der Herstellung der feuerfesten Zustellung einer Pfanne für das Vergießen von Stahl oder eines ähnlichen metallurgischen Gefäßes [M1]. 2. Die Pfanne oder das metallurgische Gefäß weist auf 2.1 Wandungsdurchlässe, die Düsen- und/oder Spülsteine aufnehmen [M2]; 2.2 ein Verschleißfutter (3). 3. Die Düsen- und/oder Spülsteine (5, 6) sind konisch [M5]. 4. Bei der Herstellung des Verschleißfutters (3) werden 4.1 thixotrope Vibrationszustellmassen verwendet [M3]; 4.2 durch Schablonen Öffnungen (7, 8) für die Wandungsdurchlässe freigehalten [M4] und 4.3 die Düsen- und/oder Spülsteine (5, 6) in die freigehaltenen Öffnungen (7, 8) des Verschleißfutters (3) eingesetzt [M5] und dort ohne Sitzsteine unmittelbar in das Verschleißfutter (3) eingemörtelt [M6].
14
5. Zum Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre sind folgende Bemerkungen veranlasst:
15
a) Die Merkmalsgruppe 2 führt nur einen Teil der Bestandteile einer Gießpfanne auf. Die Anordnung dieser Bestandteile im Verhältnis zu den weiteren Bestandteilen einer Gießpfanne wird aus der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 der Streitpatentschrift deutlich, die eine Ausführungsform einer Gießpfanne mit einer nach dem beanspruchten Verfahren hergestellten Zustellung zeigt:
16
Danach ist das aus starkem Stahlblech bestehende Gehäuse 1 auf der Innenseite mit einem Dauerfutter 2 aus feuerfestem Material versehen. Das Dauerfutter, das nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift gemauert oder gegossen sein kann, wird seinerseits auf der Innenseite von dem Verschleißfutter 3 überdeckt, das mittels der Schablone 4 ausgebildet wird. Das Verschleißfutter bildet die der Schmelze zugewandte Oberfläche der Gießpfanne , während das Dauerfutter mit der Schmelze nicht in Berührung kommt. Am Boden der Gießpfanne befinden sich ein Düsenstein 5 und ein Spülstein 6.
17
Die Düsen- und Spülsteine werden in der Streitpatentschrift zusammenfassend auch als "funktionelle Steine" bezeichnet, von denen die "Sitzsteine" zu unterscheiden sind (Beschr. Sp. 1 Z. 59-62). Die im Stand der Technik bekannten Steine dieser Kategorien lassen sich nach den Erläuterungen in der Streitpatentschrift wie folgt umschreiben:
18
aa) Düsensteine sind in der Regel buchsenartige Elemente aus besonders hochwertigem feuerfestem Material. Sie bilden die Ausgussdüsen der Gießpfanne, über die die Schmelze abläuft (Beschr. Sp. 1 Z. 53 f. und Z. 59-61).
19
Spülsteine sind meist kegelig und bestehen aus porösem Material. Sie dienen dazu, Gase in die Schmelze einzublasen (Beschr. Sp. 1 Z. 54-56).
20
bb) Sitzsteine sind separate Steine, die in die Zustellung eingefügt sind und die Halterung für die funktionellen Steine bilden, indem sie diese in einer zentralen Lochung aufnehmen (Beschr. Sp. 1 Z. 56-59 und Z. 63-65). Sitzsteine am Ausguss werden nach der Streitpatentschrift teilweise auch als Lochsteine oder Ausgusssteine bezeichnet (Beschr. Sp. 2 Z. 62 f.).
21
b) Die Düsen- und Spülsteine, die bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Herstellung der feuerfesten Zustellung eines metallurgischen Gefäßes eingesetzt werden, sind nach Merkmal 3 konisch geformt. Die Parteien streiten darüber, wie dies im Lichte der Beschreibung des Streitpatents zu verstehen ist.
22
aa) Bei dem in der Streitpatentschrift beschriebenen und in Figur 3 gezeigten Ausführungsbeispiel weist der Spülstein eine kegelige Form auf, für den eine in der Streitpatentschrift als "einfach konisch" beschriebene Öffnung vorgesehen ist (Sp. 4 Z. 18). Der Düsenstein wird als aus zwei mit den verjüngten Seiten einander zugewandten Kegeln bestehender Stein beschrieben (Sp. 4 Z. 14-16), der in eine als "doppelkegelig" beschriebene Öffnung eingesetzt wird (Sp. 4 Z. 13 f.).
23
(1) Das Patentgericht hat in Anbetracht dieser Beschreibung angenommen , dass danach unter konisch im Sinne des Streitpatents nicht nur die Form eines Kegels, sondern über den allgemeinen Sprachgebrauch hinaus jede sich aus der Kombination mehrerer Kegel ergebende Form zu verstehen sei, wobei aus Gründen der technischen Umsetzbarkeit bei über einen Doppelkegel hinausgehenden Formen wohl eine Grenze gesetzt sei.
24
(2) Die Klägerin meint demgegenüber, aus dem Umstand, dass der Ausdruck "konisch" im Streitpatent nicht entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch zur Bezeichnung einer sich nur in eine Richtung verjüngenden Form verwendet werde, folge, dass der Begriff rein funktional auszulegen sei. Danach sei ein Düsenstein bereits dann als konisch im Sinne des Streitpatents anzusehen, wenn er eine Form mit stellenweise verringertem Durchmesser aufweise, die ein nachträgliches Einsetzen und Einmörteln zulasse.
25
bb) Dem kann nicht beigetreten werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Beschreibung des Patents Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein "patenteigenes Lexikon" darstellen mit der Folge, dass bei Abweichungen vom allgemeinen Sprachgebrauch letztlich der sich aus der Patentschrift ergebende Begriffsinhalt maßgebend ist (BGH, Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 911 f. - Spannschraube). Danach ist der Ausdruck "konisch" angesichts der Erläuterungen zu dem geschilderten Ausführungsbeispiel - wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat - dahin zu verstehen, dass die so beschriebenen Steine zwar eine kegelige Form aufweisen müssen, diese aber nicht auf einen einfachen Kegel beschränkt ist, sondern auch in einem Doppelkegel bestehen kann. Für die von der Klägerin befürwortete funktionale Auslegung bietet die Beschreibung des Streitpatents dagegen keine Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch nichts anderes aus dem Umstand, dass Düsensteine in der Streitpa- tentschrift als "buchsenartig" charakterisiert werden (Sp. 3 Z. 3). Diese Aussage bezieht sich auf die im Stand der Technik bekannten, üblicherweise verwendeten Düsensteine.
26
c) Die Merkmalsgruppe 4 betrifft die Herstellung desVerschleißfutters. Nach Merkmal 4.2 werden die Öffnungen für die Wandungsdurchlässe, in die später die Düsen- und/oder Spülsteine ohne Sitzstein eingesetzt und eingemörtelt werden (Merkmal 4.3), durch Schablonen freigehalten.
27
aa) Bei dem in der Streitpatentschrift geschilderten Ausführungsbeispiel werden das Verschleißfutter und die darin enthaltenen Öffnungen 7 und 8 für den Düsenstein 5 und den Spülstein 6 in der Weise hergestellt, dass zunächst an den für die Steine vorgesehenen Öffnungen diesen - in der Figur 1 nicht gezeigte - entsprechende kleine Schablonen gesetzt werden und danach eine der lichten Öffnung der Pfanne entsprechende Schablone 4 in die Pfanne abgesenkt wird. Anschließend wird der Zwischenraum zwischen dem Dauerfutter und der Schablone 4 mit thixotroper Gießmasse aufgefüllt, die durch an der Schablone angebrachte Vibratoren kompaktiert wird. Wenn die Zustellung getrocknet ist, werden die Schablonen entfernt und der Düsenstein 5 und der Spülstein 6 mit feuerfestem Mörtel 11 ohne separate Sitzsteine unmittelbar in die hierfür vorgesehenen Öffnungen in der Zustellung - wie in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 des Streitpatents gezeigt - eingesetzt und die Fuge mit feuerfestem Mörtel geschlossen:
28
Entsprechend wird bei den der Erstzustellung folgenden Reparaturzustellungen verfahren. Hierbei werden zunächst die geschädigten Oberflächenschichten der Zustellung abgetragen und aufgeraut und anschließend der Zwischenraum zwischen der in der Pfanne verbliebenen Zustellung und der Schablone 4 erneut mit thixotroper Masse aufgefüllt. Die konische Form des Spülsteins erleichtert es dabei, ihn nach außen auszubrechen, und Entsprechendes gilt, wenn der obere Konus erodiert ist, für den Düsenstein.
29
Figur 5 zeigt im Vergleich dazu einen Schnitt durch den Boden einer Gießpfanne, bei der der Düsenstein 105 und der Spülstein 106 entsprechend der herkömmlichen Technik mit feuerfestem Mörtel 11 in den Sitzsteinen 115 und 116 befestigt sind, die ihrerseits mit feuerfestem Mörtel 121 in die Zustellung eingesetzt sind:
30
bb) Die in Merkmal 4.2 genannten Schablonen sind von der im Stand der Technik bereits bekannten - in dem in der Streitpatentschrift geschilderten Ausführungsbeispiel mit der Bezugsziffer 4 bezeichneten - Schablone zu unterscheiden , die der lichten Öffnung der Gießpfanne oder des metallurgischen Gefäßes entspricht und damit die Form der Auskleidung der gesamten Innenwand des Gefäßes bestimmt. Im Gegensatz hierzu dienen die Schablonen nach Merkmal 4.2 bei der Herstellung der Zustellung als Platzhalter für die nach der Fertigstellung der Zustellung an der Innenwand des Gefäßes einzusetzenden Düsen- und/oder Spülsteine. Da die nach dem Einsetzen der Funktionssteine im Verschleißfutter verbleibenden Fugen mit feuerfestem Mörtel geschlossen werden, muss die Form der Schablonen nach Merkmal 4.2 so bemessen sein, dass sie der Form der Funktionssteine einschließlich der Mörtelschicht entspricht , mit der die Steine nach Merkmal 4.3 mit dem Verschleißfutter verbunden werden.
31
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
32
Der Gegenstand des Streitpatents gehe hinsichtlich der Merkmalsgruppe 4 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Sowohl die konische Form der Düsen- und Spülsteine als auch das Einmörteln der funktionellen Steine ohne Sitzstein lasse sich den Anmeldeunterlagen entnehmen. So würden die Spülsteine dort als Steine von meist kegeliger Gestalt beschrieben. Von einem "konischen Düsenstein" sei in der Anmeldung zwar nicht die Rede. Jedoch werde auch schon in der Anmeldung ein Ausführungsbeispiel geschildert, bei dem der Düsenstein aus zwei mit den verjüngten Seiten einander zugewandten Kegeln mit einer zentralen Ausgussöffnung bestehe. Dementsprechend ergebe sich für den Fachmann die konische Ausgestaltung der Düsen- und Spülsteine aus dem Gesamtzusammenhang. Das Merkmal Einmörteln ohne Sitzstein sei zwar nicht in den Patentansprüchen der Anmeldung enthalten, ergebe sich aber aus der Beschreibung.
33
Der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Zwar werde das beanspruchte Verfahren durch keine der vorgelegten Entgegenhaltungen vollständig offenbart, weil keine dieser Schriften das Einmörteln eines konischen Funktionssteins beschreibe. Jedoch sei der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann, einem in der Gießereitechnik tätigen Diplomingenieur mit mehrjäh- riger Erfahrung in der Herstellung feuerfester Gießereiprodukte, durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen.
34
Ausgangspunkt seien die deutsche Offenlegungsschrift 2 233 894 (NK8a) und die britische Patentschrift 1 374 493 (NK8b), die beide die Priorität der japanischen Patentanmeldung Sho 46-51 263 vom 10. Juli 1971 in Anspruch nähmen. Beide beträfen nicht nur die feuerfeste Zustellung metallurgischer Gefäße, sondern auch den Einsatz thixotroper Massen im Sinne von Merkmal 4.1, die die Herstellung monolithischer und damit fugenfreier Zustellungen ermöglichten. Nach der Offenlegungsschrift des Streitpatents sei unter dem Begriff "thixotrope Masse" eine Masse zu verstehen, die unter dem Einfluss von Vibratoren gut fließe und kompaktiert werde. Die Definition einer thixotropen Masse schließe indessen mit ein, dass sich diese bei Beendigung der mechanischen Einwirkung wieder verfestige. Nicht nur das nach der NK8b verwendete feuerfeste Material, sondern auch die in der NK8a genannten Feuerfeststoffe wiesen dieses Eigenschaftsprofil auf. In der NK8a werde zwar der Begriff "thixotrop" nicht verwendet. In dieser Schrift werde jedoch erläutert, dass sich die Feuerfeststoffe während des Rüttelns durch den Vibrator flüssigkeitsähnlich verhielten. Ferner werde dort ausgeführt, dass der in die durch Vibration verflüssigte feuerfeste Masse eingetauchte Formrahmen nach dem Ausschalten der Vibration angehoben und die Abdeckplatte auf dem Ausgussstein entfernt werde. Dies setze voraus, dass die feuerfeste Masse thixotrop sei, weil eine Entfernung des Formrahmens und der Abdeckplatte ohne Abgleiten der feuerfesten Masse an den steilen Schrägkanten nicht möglich wäre, wenn sich die Masse nach Abschalten der Vibratoren nicht verfestigte.
35
Merkmal 4.2 werde weder in der NK8a noch in der NK8b explizit offenbart , sei diesen Schriften aber dennoch zu entnehmen. Denn beide Schriften sähen als Alternative vor, die Funktionssteine erst nach Fertigstellung der Zu- stellung einzusetzen. Dies setze voraus, dass der hierfür benötigte Raum während der Herstellung der Zustellung freizuhalten sei. Hierbei sei der Einsatz einer Schablone offensichtlich und zwangsläufig notwendig, weil bei der Verwendung einer thixotropen Masse, die sich zwischendurch verflüssige, der für die Funktionssteine benötigte Raum anders nicht freigehalten werden könne. Das Streitpatent selbst verweise auf die deutsche Patentschrift 37 41 073, in der die Schablonentechnik als Standardtechnik zum Freihalten von - konischen - Öffnungen beschrieben werde.
36
In den Entgegenhaltungen NK8a und NK8b sei allerdings weder von konischen Düsen- und Spülsteinen im Sinne von Merkmal 3 die Rede, noch würden Sitzsteine erwähnt. Ob der Fachmann diesen Entgegenhaltungen eine Ausgestaltung des dort beschriebenen Ausgusssteins mit oder ohne Sitzstein entnehme, könne indessen dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ergebe sich aus der Veröffentlichung von Stecher (NK6), dass der Blasstein/Spülstein entweder in einem Bodenstein oder direkt am Tiegelboden angeordnet werden könne. Diese beiden Arten der Befestigung gehörten zum allgemeinen Fachwissen , auf das der Fachmann zurückgreife, um die Lösung einer Aufgabe möglichst effizient zu gestalten. Ausgehend von der NK8a und NK8b, wonach das Freihalten von Öffnungen für Funktionssteine und der Einsatz thixotroper Massen für die Zustellung empfohlen würden, gelange der Fachmann daher ohne erfinderisches Zutun in Kenntnis der NK6 zu dem erfindungsgemäßen Verfahren, bei dem ein konischer Funktionsstein unmittelbar in die Zustellung eingebracht werde. Vor diesem Hintergrund sei die Einholung eines von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens zum Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen NK8a und NK8b in Bezug auf die Verwendung von Sitzsteinen und zur Frage, ob die unterschiedlichen Möglichkeiten, Funktionssteine in einer Zustellung zu befestigen, zum Fachwissen des Fachmanns gehörten , nicht erforderlich gewesen.
37
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
38
1. Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht. Insoweit kann auf die zutreffenden Erwägungen des Patentgerichts verwiesen werden.
39
2. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts beruht der Gegenstand des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit. Die britische Patentschrift 1 374 493 (NK8b) und die deutsche Offenlegungschrift 2 233 894 (NK8a), die beide die Priorität der japanischen Patentanmeldung Sho 46-51 263 beanspruchen , legen dem Fachmann den Gegenstand des Streitpatents weder in Verbindung mit der Veröffentlichung von Stecher (Beitrag zur Metallurgie des Schmelzens hochlegierter Stähle im Induktionsofen, in Giesserei 72, 1985, S. 133-138, NK6) noch in Verbindung mit seinem Fachwissen nahe.
40
a) Die NK8b betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer feuerfesten Zustellung (lining) für offene Gefäße (open vessel), wie beispielsweise Gießpfannen (ladle) oder Gießwannen (tundish), sowie für Rinnen (channel), bei dem thixotropes feuerfestes Material verwendet wird (S. 1 Z. 53-55; S. 2 Z. 74-77). Aus der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 der Entgegenhaltung ergibt sich das Prinzip des Verfahrens:
41
Danach wird die Zustellung wie folgt hergestellt: Zunächst wird das Gefäß mit einer gemauerten Auskleidung (brick wall) 2 versehen. Die Düse (pou- ring nozzle) 9, die sich am Boden des Gefäßes befindet, wird dabei mit einer Platte (patch plate, blind plate) abgedeckt. Anschließend wird das feuerfeste Material 3 in das Gefäß gegeben. Auf dieses wird ein Formteil (male mould member) 4, an dem ein Vibrator 5 und ein Zusatzgewicht 7 angebracht sind, abgesenkt und mit der Vibration des Materials begonnen. Durch die Vibration wird das feuerfeste Material verflüssigt, so dass das Formteil nach und nach in die vorgegebene Position gebracht werden kann. Wenn die gewünschte Form erreicht ist, wird die Vibration beendet. Die Abdeckplatte über der Düse wird entfernt und die ausgeformte Zustellung getrocknet (S. 2 Z. 110 - S. 3 Z. 2).
42
b) Die NK8a betrifft wie die NK8b ebenfalls ein Verfahren zum feuerfesten Zustellen von oben offenen metallurgischen Gefäßen, bei dem eine feuerfeste Formmasse mit eingestellter Teilchengröße in den Zwischenraum zwischen dem äußeren Rahmen des Gefäßes, der aus dem äußeren Mantel und der feuerfesten Ausmauerung an dessen Innenseite besteht, und einem inneren Formrahmen eingebracht wird. Die Formmasse wird durch Vibratoren gerüttelt und verhält sich dadurch flüssigkeitsähnlich. Der innere Formrahmen wird auf die feuerfeste Formmasse zum Ausformen derselben abgesenkt. Unter der Belastung durch den inneren Formrahmen, das Gewicht der Vibratoren und ein Zusatzgewicht oder einen mechanisch aufgebrachten Druck wird die Formmasse homogenisiert und verdichtet und nimmt so die gewünschte Kontur an (S. 2 und 5).
43
c) Damit sind, wie das Patentgericht zu Recht - und von der Berufung insoweit nicht angegriffen - entschieden hat, Merkmal 1 und die Merkmalsgruppe 2 sowohl in der NK8a als auch in der NK8b offenbart. Darüber hinaus ist jedenfalls in der NK8b auch die Verwendung thixotroper Massen für die Zustellung im Sinne von Merkmal 4.1 offenbart.
44
d) Nicht offenbart ist Merkmal 3. Weder die NK8b noch die NK8a befassen sich mit der Form der Düse oder des Ausgusssteins.
45
e) Darüber hinaus ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch Merkmal 4.2 weder in der NK8b noch in der NK8a offenbart.
46
Die NK8b schildert das Verfahren zur Herstellung der feuerfesten Zustellung anhand mehrerer Beispiele für unterschiedliche metallurgische Gefäße. Dabei war die Ausgussdüse (pouring nozzle, teilweise auch nozzle oder tuyère) in den geschilderten Beispielen bereits in das Gefäß eingesetzt, bevor mit der Herstellung der Zustellung begonnen wurde. Die Ausgussdüse wird daher vor dem Einfüllen der feuerfesten Masse mit einer Schutzplatte abgedeckt, die nach Fertigstellung der Zustellung wieder entfernt wird (S. 2 Z. 125 - S. 3 Z. 1; S. 3 Z. 25 f.; Z. 49 f.; S. 3 Z. 96 f.; S. 4 Z. 21 f.). Zwar sieht die NK8b ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Düse auch erst nach Fertigstellung der Zustellung einzusetzen (S. 3 Z. 3 f.). Nähere Angaben dazu, wie bei dieser Variante vorzugehen ist, enthält die NK8b nicht.
47
Auch die NK8a beschreibt das Herstellungsverfahren anhand mehrerer Beispiele für unterschiedliche metallurgische Gefäße, wobei sie die Öffnung der Gefäße, durch die die Schmelze abgegossen wird, durchgehend mit dem Begriff "Ausgussstein" bezeichnet. Wie die Ausgussdüse in der NK8b ist der Ausgussstein in allen in der NK8a geschilderten Beispielen bereits an der Unterseite des äußeren Rahmens des Gefäßes eingesetzt, bevor die Zustellung hergestellt wird. Er wird vor dem Einfüllen der feuerfesten Masse mit einer Schutzplatte abgedeckt. Nachdem durch Vibration und Belastung die gewünschte Dichte der Formmasse erreicht ist, wird der innere Formrahmen angehoben und ausgeschwenkt. Die Abdeckplatte wird von dem Ausgussstein entfernt und die ausgeformte Zustellung getrocknet (S. 8). Alternativ kann der Ausgussstein auch bei der NK8a nach dem Einbringen und Ausformen der feuerfesten Masse in die Außenwand des Gefäßes eingesetzt werden. In der NK8a heißt es zu dieser Variante lediglich, der Bereich des Ausgusssteins könne, während die Zustellung hergestellt werde, offen gehalten werden (S. 8 Abs. 3). Mit welchen Mitteln der Bereich des Ausgusssteins offen gehalten werden kann, erläutert auch die NK8a nicht näher (S. 8 Abs. 3).
48
f) Schließlich ist auch Merkmal 4.3 nicht offenbart. Weder der Beschreibung noch dem sonstigen Inhalt der Entgegenhaltungen NK8b und NK8a lässt sich unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass die Ausgussdüse bzw. der Ausgussstein ohne Sitzstein in der Zustellung angebracht sind.
49
Zwar werden in keiner der beiden Entgegenhaltungen Sitzsteine erwähnt. In der NK8b heißt es lediglich, dass die Ausgussdüse entweder bereits in das Gefäß eingesetzt ist (S. 3 Z. 25 f.; Z. 49 f.; S. 3 Z. 96 f.; S. 4 Z. 21 f.), bevor mit der Herstellung der Zustellung begonnen wird, oder dass sie alternativ nach Fertigstellung der Zustellung eingesetzt werden kann (S. 3 Z. 3 f.). In der NK8a ist nur die Rede davon, dass der Ausgussstein im unteren Bereich des metallurgischen Gefäßes angeordnet ist und wahlweise vor oder nach Herstellung der Zustellung eingesetzt werden kann. Auch in den zeichnerischen Darstellungen in den Entgegenhaltungen NK8b und NK8a sind Sitzsteine nicht gesondert ausgewiesen. In den übereinstimmenden Figuren 1 und 2 der NK8b und NK8a ist die Ausgussdüse bzw. der Ausgussstein jeweils als ein einheitliches Bauteil wiedergegeben, das auch mit nur einer Bezugsziffer (9) versehen ist. Eine weitere Unterteilung des Bauteils oder ein die Ausgussdüse umgebendes weiteres Bauteil ist in den Darstellungen nicht erkennbar.
50
Dennoch kann nicht angenommen werden, dass die Möglichkeit, eine Ausgussdüse ohne Sitzstein in die Zustellung einzusetzen, durch die Entgegenhaltungen NK8a und NK8b unmittelbar offenbart wird oder so offensichtlich ist, dass der Fachmann diese Möglichkeit gleichsam mitliest. Die beiden Schriften befassen sich anders als das Streitpatent nicht mit dem Problem des vorzeitigen Verschleißes von Sitzsteinen, sondern allgemein mit dem Herstellungsverfahren für feuerfeste Zustellungen. Sie wollen ein Verfahren zur Verfügung stellen , mit dem die Nachteile der bis dahin bekannten Verfahren vermieden werden können, bei denen metallurgische Gefäße entweder mit feuerfesten Formsteinen ausgemauert oder mit feuerfesten Massen ausgestampft werden. Nach den Erläuterungen sind mit feuerfesten Formsteinen gemauerte Zustellungen schwierig und nur von erfahrenen Handwerkern in zufriedenstellender, langlebiger Qualität und angemessener Zeit herzustellen, wobei stets die Gefahr besteht , dass die Schmelze in die Mauerwerksfugen eindringt und zu Schäden am Futter und unter Umständen auch zum Brechen des Schmelzgefäßes führt. Bei durch Ausstampfen mit feuerfesten Massen hergestellten Zustellungen ist die Oberflächenschicht ebenfalls anfällig und damit das Risiko eines Durchbruchs gegeben, weil die feuerfeste Masse oftmals nicht ausreichend verdichtet werden kann. Zur Lösung schlagen die beiden Entgegenhaltungen ein Verfahren vor, bei dem die Zustellung als monolithischer Block in situ mit thixotropem feu- erfestem Material durch Vibration und Druckformen hergestellt wird. Die Frage, wie der Ausgussstein eingesetzt wird, ist dagegen nicht Gegenstand dieser Schriften. Vor dem Hintergrund, dass nach den Ausführungen im Beschluss des fachkundig besetzten 13. Senats des Bundespatentgerichts vom 9. September 1997 (13 W (pat) 64/95) zum Prioritätszeitpunkt der NK8a und NK8b die übliche Ausgusssteinkonstruktion aus Düsenstein und Sitzstein bestand , kann somit allein daraus, dass die NK8a und NK8b Sitzsteine nicht erwähnen oder gesondert darstellen, nicht der Schluss gezogen werden, dass die Schriften eine Ausgussdüsenkonstruktion ohne Sitzstein offenbaren. Auch die Klägerin hat nicht dargelegt, dass zum damaligen Zeitpunkt das Einsetzen von Funktionssteinen ohne Verwendung eines Sitzsteins praktiziert wurde, so dass der Fachmann die Entgegenhaltungen die NK8a und NK8b vor diesem Hintergrund entsprechend hätte lesen können.
51
g) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts war dem Fachmann weder durch die NK6 noch durch sein Fachwissen nahegelegt, bei der Herstellung der feuerfesten Zustellung eines metallurgischen Gefäßes nach den Merkmalen 4.2 und 4.3 zu verfahren.
52
aa) Die NK6 beschreibt zwar die Möglichkeit, einen Blasstein, über den Gase in die Stahlschmelze eingeleitet werden - in der Terminologie des Streitpatents als Spülstein bezeichnet - ohne einen Boden- bzw. Sitzstein in einem Schmelztiegel anzubringen. Indessen befürwortet die NK6 den Verzicht auf Sitzsteine nur für den Fall, wenn der Spülstein während der Tiegelreise nicht ausgewechselt werden muss, wobei es nach den Ausführungen in der NK6 dann aus Gründen der Betriebssicherheit gleichzeitig erforderlich ist, den bisher gebräuchlichen Spülstein dahingehend zu modifizieren, dass er mit einem Blechmantel umgeben und die Druckausgleichskammer mit grober loser Stampfmasse ausgefüllt wird, um beim Auftreten von Rissen im Spülstein ein Durchtreten der Stahlschmelze und einen Tiegeldurchbruch zu verhindern (NK6 S. 134 r. Sp.). Die NK6 lehrt damit keine grundsätzliche Abkehr von der Verwendung eines Boden- bzw. Sitzsteins, sondern hält den Einsatz von Sitzsteinen weiterhin dann für angezeigt, wenn die Funktionssteine während einer Tiegelreise ausgewechselt werden müssen, weil dies nach der Lehre der NK6 nach wie vor mit Sitzsteinen einfacher zu bewerkstelligen ist. Das Streitpatent stellt demgegenüber mit dem Verzicht auf Sitzsteine eine Lösung für den Fall bereit, dass die Düsensteine während der Lebensdauer (des Verschleißfutters) der Zustellung einer Gießpfanne verschleißen und daher ausgetauscht werden müssen. Außerdem soll nach dem Streitpatent mit dem Verzicht auf die Sitzsteine auch eine längere Lebensdauer der Zustellung der Gießpfanne erreicht werden, weil damit die bei der Verwendung von Sitzsteinen zusätzlich entstehenden Fugen in der Zustellung wegfallen. Mithin legt es die NK6 dem Fachmann nicht nahe, bei der Herstellung einer feuerfesten Zustellung einer Gießpfanne oder eines ähnlichen metallurgischen Gefäßes, bei dem die Funktionssteine typischerweise während der Lebensdauer der Zustellung regelmäßig ausgewechselt werden müssen, nach den Merkmalen 4.2 und 4.3 zu verfahren.
53
bb) Vor diesem Hintergrund können die Ausführungen in der NK6 zu der Möglichkeit, einen Funktionsstein auch ohne einen Sitzstein in den Tiegelboden einzusetzen, entgegen der Auffassung des Patentgerichts auch nicht als zum allgemeinen Fachwissen gehörende Lösung angesehen werden, auf die der Fachmann als generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel zur Lösung der vom Streitpatent gestellten Aufgabe hätte zurückgreifen können. Feststellungen, die eine entsprechende Wertung tragen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2017 - X ZR 109/15, Mitt. 2018, 21 Rn. 114 - Spinfrequenz) hat das Patentgericht nicht getroffen.
54
IV. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend dar. Weder aus der japanischen Patentanmeldung Sho 61-182872 (NK11) noch aus der europäischen Patentanmeldung 352 353 (NK12) ergab sich für den Fachmann, der ausgehend von den Entgegenhaltungen NK8 und NK8b die Lebensdauer, die Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit einer feuerfesten Zustellung erhöhen wollte, eine Anregung, bei der Herstellung des Verschleißfutters durch Schablonen Öffnungen für die Düsen - und/oder Spülsteine freizuhalten und die Funktionssteine ohne Sitzsteine unmittelbar in die freigehaltenen Öffnungen im Verschleißfutter einzusetzen und einzumörteln (Merkmale 4.2 und 4.3).
55
1. Die NK11 betrifft eine Pfanne mit einem Bodenausguss. Im Bodenteil des Pfannenkörpers befindet sich eine Ausgussdüse, die über eine im Pfannenkörper angeordnete, aus einem Kopfteil, einem Hülsenteil und einem Koppelstab bestehende Stoppstange geöffnet und geschlossen werden kann. Der NK11 liegt die Aufgabe zugrunde, die Stoppstange so zu konstruieren, dass eine Wärmeausdehnung, die bei herkömmlichen Pfannen zur Beschädigung des Kopfteils führen kann, vermieden wird. Die Frage der Befestigung der Ausgussdüse ist dagegen nicht Gegenstand der NK11, so dass aus dem Umstand, dass die Ausgussdüse in Figur 1 der NK11 als einheitliches Bauelement dargestellt ist und in den Erläuterungen als aus einem einzigen feuerfesten Material (Bornitrid) bestehend beschrieben wird, keine Rückschlüsse darauf gezogen werden können, ob die Ausgussdüse in der Pfanne mit oder ohne Sitzstein angebracht ist. Insoweit geht die NK11 nicht über die Offenbarung in den Entgegenhaltungen NK8a und NK8b hinaus.
56
2. Die NK12 betrifft einen Pfannenlochstein für die Verschlussvorrichtung einer Gießpfanne. Ihr liegt die Aufgabe zugrunde, einen Pfannenlochstein bereitzustellen, der ein Verstopfen durch versinterte Füllmasse verhindert und den aufwendigen Einsatz von Sauerstofflanzen zum Freimachen der Öffnung entbehrlich macht. Die NK12 sieht die Lösung hierfür in einer asymmetrischen Ausbildung des Trichterabschnitts der Öffnung. Mit der Anbringung des Pfannenlochsteins befasst sich die NK12 nur am Rande und führt hierzu aus, dass ein Pfannenlochstein entweder während der Ausmauerung der Pfanne direkt in der Pfanne abgeformt oder als monolithisches Fertigteil bei der Zustellung eingesetzt werden könne, wobei die letztere Variante vorzuziehen sei (NK12 Sp. 1 Z. 12-16). Damit offenbart die NK12 dem Fachmann zwar die Möglichkeit, einen Funktionsstein in situ auszuformen. Indessen wird diese Vorgehensweise nur für den Fall beschrieben, dass die Zustellung durch Ausmauern hergestellt wird, und auch hierfür als nachrangig gegenüber der Verwendung eines monolithischen Fertigteils angesehen. Vor diesem Hintergrund gab auch die NK12 dem Fachmann keine Anregung, bei der Herstellung der Zustellung einer Gießpfanne mittels thixotroper Vibrationszustellmassen für die Anbringung von Funktionssteinen entsprechend den Merkmalen 4.2 und 4.3 zu verfahren.
57
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Bacher Deichfuß
Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.01.2016 - 3 Ni 12/14 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2018 - X ZR 44/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2018 - X ZR 44/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2018 - X ZR 44/16 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2018 - X ZR 44/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2018 - X ZR 44/16 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2012 - X ZR 113/11

bei uns veröffentlicht am 17.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 113/11 Verkündet am: 17. Juli 2012 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2017 - X ZR 109/15

bei uns veröffentlicht am 26.09.2017

Berichtigt durch Beschluss B vom 14. Februar 2018 e Anderer Justizangestellte r als Urkundsbeamtin i der Geschäftsstelle c h t BUNDESGERICHTS

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13

bei uns veröffentlicht am 13.01.2015

Tenor Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Nov. 2014 - X ZR 128/09

bei uns veröffentlicht am 11.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 1 2 8 / 0 9 Verkündet am: 11. November 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

9
2. In der Beschreibung des Streitpatents ist eine Aufgabe nicht formuliert. Die Beklagte sieht diese darin, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit gegenüber dem Stand der Technik vorteilhaften pharmakologischen Eigenschaften , insbesondere mit einem durch schnelles Einsetzen der Wirkung, einem im Verhältnis zur Blutzuckersenkung niedrigen Plasmaspiegel und rascher Eliminierung des Wirkstoffs aus dem Blut ausgestatteten besonderen pharmakokinetischen Profil vorzuschlagen. Dieser Aufgabenbestimmung kann nicht beigetreten werden. Gegen sie wäre möglicherweise nichts einzuwenden, wenn zweifelsfrei feststünde, dass der Fachmann seine Bemühungen am Anmeldetag gezielt und ausschließlich an den genannten Parametern ausgerichtet hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Beschreibung zufolge hat sich erst bei den Bemühungen der Erfinder um eine Weiterentwicklung des Stands der Technik herausgestellt, dass Repaglinid die genannten vorteilhaften pharmakokinetischen Eigenschaften aufweist. Die Bestimmung des technischen Problems dient dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht. Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören oder die sich bei ihrer Erarbeitung herausgestellt haben, sind deshalb bei der Bestimmung des technischen Problems nicht zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel ). Dem Streitpatent liegt hiernach das Problem zugrunde, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit verbesserter Wirkung bereitzustellen.

Tenor

Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 907 364 (Streitpatents), das am 27. Mai 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. Mai 1996 angemeldet wurde und ein Arzneimittel aus einem Dibenzothiazepinderivat mit verzögerter Freisetzung betrifft. Patentanspruch 1, auf den neunzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"A sustained release formulation comprising a gelling agent and 11-[4-[2-(2-hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepine or a pharmaceutically acceptable salt thereof, together with one or more pharmaceutically acceptable excipients."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hat ferner geltend gemacht, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

5

I. Das Streitpatent betrifft eine Retard-Formulierung mit dem Wirkstoff Quetiapin.

6

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass der Wirkstoff 11-[4-[2-(2-Hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepin (Freiname: Quetiapin) antidopaminerge Wirkung hat und zum Beispiel als Antipsychotikum oder zur Behandlung von Hyperaktivität eingesetzt werden kann.

7

In der Streitpatentschrift wird weiter ausgeführt, bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten sei es wünschenswert, die pharmazeutischen Wirkstoffe in Retard-Form bereitzustellen, um eine einheitliche und konstante Freisetzungsrate über einen längeren Zeitraum ohne häufige Verabreichung sicherzustellen. Im Stand der Technik seien zahlreiche Retard-Formulierungen mit Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen bekannt. Die Herstellung solcher Formulierungen von löslichen Medikamenten habe sich aber als schwierig dargestellt. Wasserlösliche Wirkstoffe neigten zu dem als dose dumping bekannten Phänomen, dass die Freisetzung zunächst verzögert werde, dann aber mit hoher Rate einsetze. Ferner bestehe die Tendenz zu Fluktuationen und Tagesschwankungen bei der Plasmakonzentration. Schließlich sei es schwierig, die Freisetzungsrate zu steuern. Deshalb bestehe ein Bedarf an Retard-Formulierungen von löslichen Medikamenten wie Quetiapin, mit denen diese Schwierigkeiten überwunden oder vermindert werden könnten.

8

2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine Formulierung des Wirkstoffs Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

9

3. Diese Definition ist zu eng. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem besteht vielmehr darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt.

10

a) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition bietet sich zwar durch den Wortlaut der Beschreibung an. Diesem kommt aber, wie das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat und wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen, nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung zu.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats ist als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zwingend auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III). Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger).

12

b) Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt.

13

Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).

14

Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die vom Streitpatent beanspruchte Formulierung nicht nur eine konstante Freisetzungsrate über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht, sondern auch zusätzliche Anwendungsfelder und Indikationen für Quetiapin eröffnet, für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung. Sofern der Fachmann Anlass hatte, nach einer Formulierung mit konstanter Freisetzungsrate zu suchen und der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dieser Problemstellung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist die Patentfähigkeit auch dann zu verneinen, wenn die Erfindung daneben zur Lösung weiterer Probleme geeignet ist.

15

c) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition des technischen Problems ist aber deshalb zu eng, weil der Streitfall unter anderem die Frage aufwirft, ob der Fachmann Anlass hatte, für Quetiapin eine Formulierung in Betracht zu ziehen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

16

Die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Deshalb dürfen Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

17

Aus demselben Grund ist es nicht zulässig, ohne weiteres zu unterstellen, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahegelegt war. In vielen Fällen mag sich zwar aus der Beschreibung des Patents oder aus sonstigen Umständen klar ergeben, welchen Problemen sich der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik zugewendet hätte. Sofern sich dies nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, wäre es jedoch verfehlt, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

18

d) Im Streitfall besteht das technische Problem deshalb darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt. Die Frage, welche Maßnahmen dem Fachmann zur Erreichung dieses Ziels nahegelegt waren, ist demgegenüber ausschließlich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung.

19

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Retard-Formulierung vor, die ein Geliermittel, Quetiapin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Hilfsstoffe enthält.

20

II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

21

Aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (Time course for dopamine and serotonin receptor occupancy in the brain of schizophrenic patients following dosing with 150 mg Seroquel TM tld, European Neuropsychopharmacology, 1995, S. 347, P-4-65, NiK9 = TM8) habe der Fachmann, ein Team aus einem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie promovierten Pharmazeuten und einem Mediziner, entnehmen können, dass nach Verabreichung des Quetiapin sofort freisetzenden Arzneimittels Seroquel zwei von drei für die Wirksamkeit wichtige Werte innerhalb von 26 Stunden erheblich absanken. Hieraus habe sich ergeben, dass dieses Medikament mehr als einmal pro Tag verabreicht werden müsse, damit die angestrebte Wirkung erzielt werden könne. In NiK9 werde zwar eine Verabreichungshäufigkeit von ein- oder zweimal pro Tag als erstrebenswert bezeichnet. Das weitere Vorgehen der Autoren zeige aber, dass sie die bekannte, Quetiapin sofort freisetzende orale Darreichungsform für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag nicht in Betracht gezogen hätten. Eine Anregung, zur Verwirklichung dieses Ziels eine Formulierung mit anderem Freisetzungsprofil in Betracht zu ziehen, habe sich aus der als TM17 vorgelegten Pressemitteilung ergeben, in der berichtet werde, dass die Beklagte die Entwicklung einer Formulierung in Auftrag gegeben habe, mit der Seroquel nur einmal pro Tag verabreicht werden müsse.

22

Für den Fachmann habe auch der Einsatz eines Geliermittels nahegelegen. Aus der US-Patentschrift 4 389 393 (NiK12) sei bekannt gewesen, dass sich Matrixsysteme auf der Grundlage von Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen für die Formulierung einer Vielzahl von Wirkstoffen eigneten.

23

Aus der europäischen Patentanmeldung 240 228 (NiK3) ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Diese enthalte nur allgemeine Dosierungsangaben. Darüber hinausgehende Hinweise ergäben sich erst aus NiK9, die den Fachmann lehre, eine den Wirkstoff sofort freisetzende Darreichungsform mindestens zweimal täglich zu verabreichen. Die in NiK9 als vorteilhaft dargestellte Wirkstoffmenge sei nicht so groß, dass sie den Fachmann davon abgehalten habe, Retard-Formulierungen ins Auge zu fassen. Aus den Veröffentlichungen von Farde et. al (Positron emission tomographic analysis of central D1 and D2 dopamine receptor occupancy in patients treated with classical neuroleptics and clozapine, Arch. Gen Psychiatry 49 (1992), 538, NiK29), Wetzel et al. (Seroquel (ICl 204 636), a putative "atypical" antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231, NiK30) und Gelder et al. (Oxford Textbook of Psychiatry, Third Edition, 1996, Kap. 9 S. 246 ff. und Kap. 17, S. 532 ff., NiK32) ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

24

Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents unterschieden sich von der erteilten Fassung lediglich durch zusätzliche Angaben zur Verabreichungsart (Tablettenform), zum Anteil des Geliermittels (5 bis 50 Gewichtsprozent) und zur Auswahl des Geliermittels. Alle diese Maßnahmen hielten sich im Rahmen des aus fachlicher Sicht Üblichen.

25

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

26

1. Die Berufung rügt, das Patentgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der zu dem als Fachmann anzusehenden Team gehörende pharmazeutische Technologe verfüge über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung. Sie macht geltend, innerhalb des Teams sei der Mediziner die treibende Kraft, die die zu überwindenden Probleme vorgebe.

27

Diese Rüge vermag das angefochtene Urteil nicht in Frage zu stellen.

28

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass innerhalb des aus einem Mediziner und einem Pharmazeuten bestehenden Teams der erstere die Federführung hat und dass der Pharmazeut nicht zwingend auf Retard-Formulierungen spezialisiert ist. Auch ein solches Team ist indes in der Lage, auf besonderes Fachwissen hinsichtlich solcher Formulierungen zuzugreifen, sofern es erkennt, dass eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs als Lösungsmittel in Betracht kommt.

29

2. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

30

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, nach Verabreichungsformen zu suchen, mit denen Quetiapin nur einmal pro Tag verabreicht wird.

31

aa) Eine hinreichende Anregung dafür ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (NiK9).

32

In der Einleitung von NiK9 wird ausgeführt, das Quetiapin enthaltende Medikament Seroquel sei in Tests der Phasen II und III drei- oder viermal täglich verabreicht worden. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die einer verlässlichen Einnahme bei Schizophrenie-Patienten zukomme, sei ein bequemeres (more convenient) Verabreichungsschema hilfreich. In den abschließenden Bemerkungen wird die Hoffnung geäußert, eine ein- bis zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein.

33

Daraus ergab sich nicht nur die Anregung, die Zahl der täglichen Verabreichungen auf zwei zu verringern, sondern jedenfalls auch die Anregung, eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag anzustreben.

34

bb) Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. M.   geäußerte Einschätzung, eine Verabreichung einmal pro Tag habe keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer Verabreichung zweimal pro Tag (HE12 S. 8), führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

35

Die genannte Einschätzung stellt nicht in Frage, dass sowohl für den Patienten als auch für eine gegebenenfalls mit der Betreuung oder Überwachung betraute Person ein geringerer Aufwand entsteht, wenn das Medikament nur einmal pro Tag eingenommen werden muss. Schon dies gab Anlass, eine solche Verabreichungsform auch dann als Alternative ins Auge zu fassen, wenn die damit verbundenen Vorteile von einem Teil der Fachwelt als eher geringfügig angesehen wurden.

36

Dass eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit von zweimal auf einmal pro Tag auch in Zusammenhang mit Quetiapin nicht generell als nutzlos angesehen wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass in NiK9 die Hoffnung geäußert wurde, eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein. Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet die in TM17 wiedergegebene Pressemitteilung, wonach die Unternehmensgruppe der Beklagten schon vor dem Prioritätstag einem anderen Unternehmen den Auftrag erteilt hat, eine Verabreichungsform von Seroquel zu entwickeln, die eine Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag ermöglicht.

37

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann aufgrund der in NiK9 wiedergegebenen Daten davon ausgehen musste, dass die Belegung der D2-Rezeptoren vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme gegen null tendiert.

38

Zwar enthält NiK9 keine ausdrücklichen Angaben zur Rezeptorbelegung zu dem genannten Zeitpunkt. Aus den dort wiedergegebenen Werten ergibt sich aber, dass der Prozentsatz der belegten D2-Rezeptoren zwei Stunden nach der letzten Einnahme bei 44 % und sechsundzwanzig Stunden nach diesem Zeitpunkt bei null liegt. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung des Patentgerichts, dass der Wert schon vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme nicht in einem signifikanten Bereich lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird durch die Einwände der Berufung nicht in Frage gestellt.

39

Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Werte nicht linear absinken, zumal in NiK9 für das sechsstündige Intervall zwischen der ersten und der zweiten Messung ein Rückgang um vierzehn Prozentpunkte ausgewiesen ist, für den nachfolgenden Zeitraum von vier Stunden dagegen nur noch ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Auch die Beklagte zieht aber nicht in Zweifel, dass der weitere Rückgang im Wesentlichen gleichmäßig erfolgt. Ihre auf der Prämisse eines linearen Rückgangs gezogene Schlussfolgerung, vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme seien noch 4 % der D2-Rezeptoren belegt, steht zu der Annahme des Patentgerichts, die Belegung tendiere zu diesem Zeitpunkt gegen null, nicht in Widerspruch. Zwar wird in NiK9 nicht dargelegt, welcher Prozentsatz an D2-Rezeptoren mindestens belegt sein muss, damit Quetiapin die angestrebte Wirkung entfalten kann. Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der belegten Rezeptoren acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme - also innerhalb eines Zeitraums, in dem bei dreimaliger Verabreichung pro Tag eine erneute Einnahme zu erwarten ist - noch 30 % beträgt, gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wert von 4 % aus fachlicher Sicht ebenfalls noch ausreichend erschien, zumal NiK9 für den Prozentsatz der belegten 5HT2-Rezeptoren einen deutlich anderen Verlauf wiedergibt, der erst acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme den gemessenen Höchststand von 85 % und sechsundzwanzig Stunden nach dem genannten Zeitpunkt noch einen Restbestand von 50 % aufweist.

40

c) Zu Recht hat das Patentgericht hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich aus NiK9 keine erfolgversprechenden Hinweise darauf ergaben, dass die dort angegebene Wirkstoffmenge von 450 mg für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag mit sofortiger Freisetzung geeignet sein würde.

41

aa) Der von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M.   aufgezeigte Umstand, dass die relativ schwache Bindung an den D2-Rezeptor und das relativ starke Abdriften von diesem nach dem Prioritätstag als mögliche Ursachen für die Wirkung von Quetiapin angesehen wurden (HE12 S. 11), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass dem Fachmann diese Überlegungen schon am Prioritätstag bekannt waren.

42

Die von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. K.   angeführte Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 (Kasper et al., D2-Receptor Imaging (SPEC) as a Tool for Measuring the Efficacy and Side-Effect Profile of Treatment With Neuroleptics, Biol Psychiatry 39 (1996), 564, Anlage 3 zu HE8) gab hierüber noch keinen Aufschluss. Dort wird zwar berichtet, es habe kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Belegung der D2-Rezeptoren und der Wirksamkeit festgestellt werden können und eine Belegung dieser Rezeptoren sei mit Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System (EPMS) verbunden. Für Seroquel wird aber berichtet, die zur Verfügung stehenden vorläufigen Daten deuteten auf einen vergleichbaren Belegungsgrad wie bei dem verwandten Wirkstoff Clozapin hin. Daraus ergibt sich nicht, dass auch extrem geringe Prozentsätze oder eine nur kurzzeitige Belegung ausreichen könnten. In der Veröffentlichung selbst wurde vielmehr die Vermutung geäußert, die beobachteten Zusammenhänge könnten auf der Wirkung auf die 5HT2-Rezeptoren beruhen, weil Risperidon und Olanzapin zu einer relativ hohen Belegung der D2-Rezeptoren führten, aber dennoch eher geringe Nebenwirkungen zeigten.

43

In der Veröffentlichung von Wetzel et al. (Seroquel (ICI 204 636), a putative “atypical” antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231-238, NiK30) wird ebenfalls die kombinierte und ausgeglichene Blockade der D2- und 5HT2-Rezeptoren als wahrscheinliche Ursache der beobachteten Wirkungen von Seroquel und Clozapin angeführt und der Antagonismus zu D2-Rezeptoren bei Seroquel als eher schwach eingeschätzt (NiK30 S. 232 links oben). Auch daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine anteilsmäßig geringe oder nur kurzfristig wirkende Belegung dieser Rezeptoren ausreichen könnte.

44

Aus den Veröffentlichungen von Casey ('Seroquel' (Quetiapine): preclinical and clinical findings of a new atypical antipsychotic, Exp. Opin. Ivest. Drugs 1996, 939-957, NiK31), Hirsch et al. (ICI 204 636: A New Atypical Antipsychotic Drug, British Journal of Psychiatry 168 (1996), 45-56, NiK37) sowie Fleischhacker et al. (A Multicentre, Double-Blind, Randomised Comparison of Dose and Dose Regimen of 'Seroquel' in the Treatment of Patients with Schizophrenia, American College of Neuropsychopharmacology, 34th Annual Meeting (1995), 275, NiK45) ergeben sich insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse.

45

bb) Die in NiK9 geäußerte Hoffnung, Seroquel könnte dennoch für eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag geeignet sein, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

46

Diese Äußerung lässt schon für sich gesehen gewisse Zweifel daran erkennen, ob sich am Ende nicht doch eine Verabreichungshäufigkeit von mindestens zweimal pro Tag als erforderlich erweisen werde. In NiK9 werden zudem keine Hinweise darauf gegeben, auf welche konkreten Ergebnisse der angestellten Untersuchung die Hoffnung bezüglich einer nur einmaligen Verabreichung pro Tag gestützt wird und ob sie sich auf die im Rahmen der Untersuchung verabreichte Dosis von 450 mg pro Tag oder auf eine höhere Dosis bezieht.

47

Das vom Privatgutachter Prof. Dr. M.   in diesem Zusammenhang angeführte Konzept von "drug holidays" (HE12 S. 13) findet in NiK9 keine Erwähnung und steht überdies in Widerspruch zu der dort einleitend wiedergegebenen Einschätzung, wonach zum damaligen Zeitpunkt eine Verabreichung von drei- oder viermal pro Tag als erforderlich angesehen wurde.

48

cc) Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang ergänzend die Ergebnisse der in NiK9 erwähnten SAFARI-Studie herangezogen, über die in NiK45 und in einer Pressemeldung aus der Unternehmensgruppe der Beklagten vom 2. Oktober 1995 (World opinion leaders on psychiatric disease are updated on benefits of Zeneca's 'Seroquel' in treating schizophrenia, TM16) berichtet wird.

49

In NiK45 wird zwar, wie die Berufung zutreffend anführt, unter Bezugnahme auf NiK9 die dort geäußerte Hoffnung wiedergegeben, Seroquel könnte aktiv sein, wenn es ein- oder zweimal täglich verabreicht werde. Die SAFARI-Studie betraf ausweislich beider Veröffentlichungen aber allein die Frage, ob die Verabreichung von 450 mg Seroquel bei einer Aufteilung auf zwei Verabreichungen pro Tag die gleichen Wirkungen zeigt wie bei einer Aufteilung auf drei Verabreichungen pro Tag. Die aus der Studie abgeleitete positive Antwort bezieht sich mithin lediglich auf die Verabreichung von zweimal 225 mg pro Tag. Daraus hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass sich aus der Studie keine Hinweise auf die Möglichkeit ergeben, die genannte Dosis mit sofortiger Freisetzung in einer einzigen täglichen Verabreichung anzuwenden, und dass die Autoren der Studie die in NiK9 diesbezüglich geäußerten Hoffnungen nicht zum Anlass genommen haben, ihre Untersuchungen auf diese Art der Verabreichung zu erstrecken.

50

Ob für die Konzeption der Studie, wie die Berufung geltend macht, auch ethische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich auch daraus, dass eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag aus Sicht des Fachmanns auf praktische Schwierigkeiten stieß und im Ergebnis keine allzu große Erfolgsaussicht bot.

51

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass eine Erhöhung der Dosis aus Sicht des Fachmanns jedenfalls nicht als einziges erfolgversprechendes Mittel in Betracht kam, um die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag absenken zu können.

52

aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings aus der in TM17 wiedergegebenen Pressemitteilung allein für den Fachmann nicht hinreichend deutlich, dass sich der von Seiten der Beklagten erteilte Auftrag zur Entwicklung einer neuen Darreichungsform auf eine Retard-Formulierung bezog. Der Umstand, dass das beauftragte Unternehmen besondere Kompetenz bei der Entwicklung solcher Formulierungen hatte, mag einen gewissen Hinweis in diese Richtung geben. Der Mitteilung lässt sich bei isolierter Betrachtung aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass diese Kompetenz bei dem erteilten Auftrag zum Einsatz kommen sollte oder zumindest für die Auswahl des Auftragnehmers relevant war. Zu Schlussfolgerungen in diese Richtung bestand nur dann Anlass, wenn es auch aus fachlicher Sicht Gründe gab, eine Retard-Formulierung für Quetiapin in Betracht zu ziehen.

53

bb) Solche Gründe ergeben sich indes aus den im Prioritätszeitpunkt zugänglichen Kenntnissen über die Bedeutung der Rezeptorbelegung und des Plasmaspiegels.

54

Wie bereits oben dargelegt wurde, gab es im Prioritätszeitpunkt zwar Hinweise darauf, dass ein relativ geringer Prozentsatz für die Belegung der D2-Rezeptoren ausreichend und sogar eher vorteilhaft ist. Es gab aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass eine kurzfristige Belegung dieser Rezeptoren ausreicht, um die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund mag sich als eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Überwindung der aus NiK9 ersichtlichen Schwierigkeiten angeboten haben, die verabreichte Dosis zu erhöhen. Die vom Patentgericht erwähnte Gefahr, dass es dabei zu toxischen Plasmawirkstoffspitzen kommen könnte, schloss dies nicht ohne weiteres aus, zumal der in NiK9 dokumentierte Belegungsgrad der D2-Rezeptoren von Anfang an nicht allzu hoch war und es aus Anlage 3 zu HE8 Hinweise darauf gab, dass ein höherer Belegungsgrad nicht zwangsläufig zu schädlichen Wirkungen führen muss, wenn eine gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren gewährleistet bleibt.

55

Der Fachmann hatte im Prioritätszeitpunkt dennoch Anlass, eine Dosiserhöhung nicht als einzige Alternative in Betracht zu ziehen, weil die einmalige Verabreichung einer hohen Dosis zu erheblichen Schwankungen des Plasmaspiegels führt und dies jedenfalls aus damaliger Sicht nicht wünschenswert war.

56

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist ein möglichst gleichmäßiger Plasmaspiegel aus Sicht des Fachmanns grundsätzlich als erstrebenswert anzusehen.

57

Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 2) und wird auch von der Berufung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ihr Einwand, kurze Halbwertszeiten, wie sie für Quetiapin unter anderem aus NiK9 dokumentiert sind, und die damit verbundene schnelle Abnahme der Plasmakonzentration stünden einer Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag nicht zwingend im Wege, bestätigt vielmehr, dass starke Schwankungen des Plasmaspiegels zumindest ein potentielles Problem darstellen.

58

(2) Exemplarisch wurde diese Einschätzung für Neuroleptika, die die D2-Rezeptoren belegen, auch in der Veröffentlichung von Tench et al. (Steady-state pharmacokinetics of controlled release and immediate release formulations of remoxipride in patients with chronic schizophrenia, Psychopharmacology 101 (1990), 132-136, TM23) zum Ausdruck gebracht.

59

In TM23 wird über Versuche mit einer Retard-Formulierung des Wirkstoffs Remoxiprid berichtet. In der Einleitung wird ausgeführt, extrapyramidale Symptome zeigten einen hohen Korrelationsgrad mit neuroleptischer Dosis und Plasmaspiegeln. Remoxiprid habe eine Halbwertszeit von vier bis sieben Stunden und müsse deshalb zwei- bis dreimal täglich verabreicht werden. Für eine einmalige Verabreichung pro Tag sei eine Formulierung mit kontrollierter Abgabe entwickelt worden, um mögliche Nebenwirkungen, die mit hohen Plasma-Spitzenkonzentrationen verbunden sein könnten, zu vermeiden (TM 23 S. 132 rSp).

60

Daraus ergibt sich, dass eine Retard-Formulierung schon dann in Betracht gezogen wurde, wenn bei einer Höherdosierung zwar nicht zwingend mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen war, zumindest aber eine gewisse Gefahr bestand.

61

Eine vergleichbare Ausgangssituation bestand am Prioritätstag auch in Bezug auf Quetiapin. Zwar deuteten die bereits oben behandelten Veröffentlichungen darauf hin, dass der Grad der Belegung der D2-Rezeptoren bei Quetiapin grundsätzlich eher niedrig ist und dass die gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren einen zusätzlichen Schutz gegen Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System gewährleistet. Dies bot aber keine hinreichende Gewissheit dafür, dass solche Nebenwirkungen auch dann ausbleiben, wenn die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag gesenkt und hierzu die Tagesdosis signifikant erhöht wird.

62

(3) Aus dem Umstand, dass sich die allgemein bestehenden Vorbehalte gegenüber stark schwankenden Plasmaspiegeln bei einzelnen Wirkstoffen als unbegründet erwiesen haben, ließ sich im Prioritätszeitpunkt mangels einschlägiger Erkenntnisse nicht ableiten, dass dies auch bei Quetiapin der Fall sein werde. Aus der von der Berufung herangezogenen Passage aus dem Lehrbuch von Remington (The Science and Practice of Pharmacy, 19. Auflage 1995, S. 893, HE13), laut der Omeprazol trotz geringer Halbwertszeit einen therapeutischen Effekt hervorruft, der zweiundsiebzig Stunden anhält, ergaben sich deshalb keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Quetiapin eintreten könnte, zumal die lange Wirkungsdauer von Omeprazol in HE13 für einen Wirkstoff mit geringer Halbwertszeit als unerwartet bezeichnet wird.

63

cc) Angesichts all dessen lagen im Prioritätszeitpunkt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Erhöhung der Dosis nicht ausreichen würde, um eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag zu ermöglichen. Dies gab dem Fachmann Anlass, gängige Alternativen in den Blick zu nehmen. Dazu gehörte eine Retard-Formulierung, die zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu geringeren Schwankungen des Plasmaspiegels führt.

64

dd) Die von der Berufung geltend gemachten Bedenken, dass die erforderliche Dosis bei Quetiapin zu hoch sein könnte, um eine solche Formulierung herstellen zu können, wiegen im Hinblick auf die in NiK9 und NiK45 als ausreichend bezeichnete Dosierung von 450 mg pro Tag jedenfalls nicht hinreichend schwer, um von einem Beschreiten des nahegelegten Wegs abzusehen.

65

e) Aus den von der Berufung angeführten Dosierungsangaben in der Patentanmeldung für Quetiapin (EP 0 240 228 A1, NiK3, S. 4 Z. 42-43) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Angaben (1,0 mg bis 40 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht) hinsichtlich der Obergrenze einen Druckfehler enthalten, weil die ebenfalls angegebenen Beispielswerte für ein Körpergewicht von 50 kg (50 mg bis 200 mg) pro Tag auf eine Obergrenze von 4,0 mg hindeuten. Jedenfalls ergab sich für den Fachmann aus nachfolgenden Veröffentlichungen wie NiK9 und NiK45 die begründete Erwartung, dass eine derart hohe Dosierung nicht erforderlich ist.

66

e) Die Ausführungen des Patentgerichts, dass der Einsatz eines Geliermittels sowie die nach den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt waren, greift die Berufung nicht an. Rechtsfehler oder konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.

67

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO.

Meier-Beck                       Gröning                              Bacher

                    Deichfuß                       Kober-Dehm

22
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich das einer Erfindung zugrunde liegende technische Problem aus dem, wasdie Erfindung tatsächlich leistet. In der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabenstellung können einen Hinweis auf das richtige Verständnis enthalten, entheben aber nicht davon, den Patentanspruch anhand der dafür maßgeblichen Kriterien auszulegen und aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 12 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III, jeweils mwN).
114
Die vom Patentgericht getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht die Annahme , eine solche Konstellation liege im Streitfall vor. Das Patentgericht hat keine Umstände aufgezeigt, denen entnommen werden kann, dass die Anordnung einer Mehrzahl von Frequenzspektren zu einer Spektrumspur und ihre Auswertung im Prioritätszeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehörten. Es hat ferner keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich ein solches Vorgehen zur Abschätzung der Spinparameter eines Sportballs im Prioritätszeitpunkt als objektiv zweckmäßig darstellte, und sich nicht mit der Frage befasst, ob Umstände vorlagen, die einer Anwendung entgegenstehen konnten.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.