Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2003 - VI ZR 430/02

bei uns veröffentlicht am13.05.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 430/02 Verkündet am:
13. Mai 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist grundsätzlich auch in Fällen einfacher Streitgenossenschaft
anwendbar.

b) Die Rücknahme der Berufung gegen den einzigen Streitgenossen mit Wohnsitz im
Ausland hat jedenfalls dann keinen Einfluß auf die Berufungszuständigkeit des
Oberlandesgerichts, wenn sie erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgt.
BGH, Urteil vom 13. Mai 2003 - VI ZR 430/02 - LG Kleve
AG Geldern
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Mai 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen sowie die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 22. November 2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 13. Dezember 1999, an dem der frühere Beklagte zu 1) mit Wohnsitz in den Niederlanden mit dem von ihm gefahrenen niederländischen Lkw beteiligt war. Im ersten Rechtszug hat sie den Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2), einen eingetragenen Verein deutschen Rechts als Haftpflichtversicherer gemäß §§ 4, 2 Abs. 1 lit. b AuslPflVG (Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger vom 24. Juli 1956 - BGBl. I, 667 – in Verbindung mit Art. 6 Drittes Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 21. Juli 1994 - BGBl. I, 1630) in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat zunächst hinsichtlich beider Beklagten Berufung zum Landgericht eingelegt. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist hat sie ihre Berufung gegen den Beklagten zu 1) zurückgenommen. Der Beklagte zu 2) hat die funktionelle Zuständigkeit des Landgerichts gerügt und die Auffassung vertreten, daß das Oberlandesgericht für die Berufung zuständig sei. Das Landgericht hat die Klägerin ihres Rechtsmittels gegen den Beklagten zu 1) für verlustig erklärt, die Berufung der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen und die Revision zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Landgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, da der Beklagte zu 1) bei Eintritt der Rechtshängigkeit seinen Wohnsitz in den Niederlanden gehabt habe, sei gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Berufung gegeben gewesen. Die spätere Rücknahme der gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Berufung begründe keine Zuständigkeit des Landgerichts.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Nachprüfung stand. 1. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler seine Zuständigkeit für die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts verneint.
Seit dem 1. Januar 2002 weist § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG i.d.F. des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, 1887 ff.) den Oberlandesgerichten die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde gegen amtsgerichtliche Entscheidungen in Sachen mit Auslandsberührung zu. Entscheidend ist hierbei nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung , ob es sich um eine Streitigkeit über Ansprüche von einer oder gegen eine Person handelt, die im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit erster Instanz ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hatte. Maßgeblich ist hiernach der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit, also regelmäßig der Zustellung der Klageschrift an diese Partei (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO). Diese Regelung, die aufgrund einer Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses neu gefaßt worden ist, trägt dem Umstand Rechnung, daß infolge der Internationalisierung des Rechts und des zunehmenden grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtsprechung besteht (vgl. BGH, Beschluß vom 19. Februar 2003 – IV ZB 31/02 – zur Veröffentlichung bestimmt; BT-Drs. 14/6036 S.118 f.; Hannich/Meyer-Seitz/Engers, ZPO-Reform, S. 518). Durch die Zentralisierung der Berufung und der Beschwerde in Streitigkeiten mit internationalem Bezug beim Oberlandesgericht soll die Möglichkeit divergierender Entscheidungen in derartigen Sachen mit tendenziell internationalem Bezug verringert und die bei internationalen Sachverhalten besonders wichtige Rechtssicherheit gestärkt werden (vgl. MünchKomm-ZPO/Aktualisierungsband-Wolf § 119 GVG Rn. 4; Hannich/Meyer-Seitz/Schwartze, ZPO-Reform 2002, § 119 GVG Rn. 4). Entsprechend diesem Zweck des Gesetzes, jedenfalls für solche Streitigkeiten eine einheitliche Rechtsprechung durch Konzentration der Berufungen bei den gegenüber der Zahl der Landgerichte wenigen Oberlandesgerichten zu erreichen,
muß diese Regelung grundsätzlich auch bei Streitgenossenschaft Anwendung finden. Wollte man demgegenüber die funktionelle Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nur hinsichtlich der „ausländischen“ Partei bejahen, könnte dies dazu führen, daß es zu einer Aufspaltung der Berufungszuständigkeit und damit zu einer Trennung des Prozesses in dieser Instanz käme. Dieses Ergebnis ist denkbar unpraktikabel und wird deshalb im Schrifttum abgelehnt (vgl. Zöller /Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 119 GVG Rn.14; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 61. Aufl., § 119 Rn. 9; bejahend dagegen MünchKomm-ZPO/Aktualisierungsband -Wolf, aaO; Heidemann NJW 2002, 494). Der Senat vermag sich dieser Auffassung schon deshalb nicht anzuschließen, weil sie sowohl der Vereinfachungstendenz des Gesetzes als auch seinem Zweck, die Rechtssicherheit zu verstärken, widerspricht. Nach diesen Grundsätzen war hier das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Berufung gegen das Urteil des zu seinem Gerichtsbezirk gehörenden Amtsgerichts berufen. Daran änderte sich – entgegen der Auffassung der Revision – nichts dadurch , daß die Klägerin ihre Berufung gegen den Beklagten zu 1) zurückgenommen hat. Der Beklagte zu 1) war zwar die Partei, die bei Klageerhebung ihren Wohnsitz im Ausland hatte (§ 13 ZPO, seit 1. März 2002 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 59, 60 EuGVVO - Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – ABl. EG L 12 vom 16. Januar 2001). Die funktionelle Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für das Berufungsverfahren wird jedoch nach Sinn und Zweck des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG grundsätzlich einheitlich durch den allgemeinen Gerichtsstand der Partei, die den Auslandsbezug herstellt, bestimmt. Spätere Veränderungen können jedenfalls dann keinen Einfluß auf diese Zuständigkeit
nehmen, wenn diese Partei erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist aus dem Rechtsstreit ausscheidet. Hiernach hat das Landgericht ohne Rechtsfehler die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Berufung bejaht und die eigene Berufungszuständigkeit verneint. 2. Die Revision rügt auch ohne Erfolg, das Landgericht habe den Rechtsstreit an das zuständige Oberlandesgericht verweisen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Eine Verweisung des Rechtsstreits über die Berufung der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Landgericht ohne Rechtsfehler nicht ausgesprochen. Diese Bestimmung gilt nicht für die funktionelle Zuständigkeit (vgl. BGH Beschluß vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95 - NJW-RR 1997, 55). Ob eine entsprechende Anwendung der Bestimmung hier möglich wäre, bedarf keiner Entscheidung, denn die Klägerin hatte eine Verweisung nicht beantragt, sondern zu dem Verweisungsantrag des Beklagten zu 2) keine Erklärung abgegeben. Ein solcher Antrag wäre hier ohne Erfolg gewesen, weil - wie dargelegt - die Berufung beim Oberlandesgericht eingelegt werden mußte und die Berufungsfrist im Zeitpunkt der denkbaren Antragstellung bereits abgelaufen war.
b) Diese Erwägungen gelten auch für die Rüge der Revision, das Landgericht habe von Amts wegen in entsprechender Anwendung des § 17 a Abs. 2 GVG verweisen müssen. Zudem ist für eine analoge Anwendung dieser Bestimmung hier kein Raum. Der gegenteiligen Ansicht (vgl. MünchKomm-ZPO/ Aktualisierungsband-Wolf, aaO, Rn. 7, 11), der die Revision folgt, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Verhältnis zwischen dem Landgericht und dem Oberlandesgericht in Berufungssachen ist nicht durch unterschiedliche
Verfahren wie im Verhältnis zwischen einem ordentlichen Gericht und einem Wohnungseigentumsgericht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1995 - V ZR 118/94 - NJW 1995, 2851) oder zwischen der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit und dem Landwirtschaftsgericht in den nichtstreitigen Landwirtschaftssachen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1996 - II ZR 293/93 - WM 1996, 1198) geprägt. Vielmehr gehören Landgericht und Oberlandesgericht als Berufungsgericht zum Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Auch geht es nicht um die Verweisung in eine andere Verfahrensart wie etwa bei der Verweisung eines Verfahrens von den Gerichten für Notarsachen an die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Juli 1991 - NotZ 25/90 - NJW 1992, 2423, 2426). Insoweit besteht keine Lücke in der gesetzlichen Regelung, die eine entsprechende Anwendung des § 17 a Abs. 2 GVG gestatten würde.
c) Auch der "Meistbegünstigungsgrundsatz" konnte das Landgericht nicht zu einer Verweisung an das Oberlandesgericht von Amts wegen verpflichten. Dieser Grundsatz findet bei Fehlern der Rechtspflegeorgane Anwendung, welche die Wahl des gegebenen Rechtsbehelfs erschweren oder unmöglich machen , aber der Partei nicht zuzurechnen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. April 2002 - IX ZB 101/02 - NJW 2002, 2106; vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 27/02 - WM 2003, 353, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen; BGH, Urteile vom 28. Juni 2002 - V ZR 74/01 - NJW-RR 2002, 1651 und vom 29. Januar 2003 - VIII ZR 146/02 – NJW-RR 2003, 489). Hier ist die Einlegung der Berufung zum Landgericht jedoch ersichtlich nicht durch das Gericht beeinflußt worden. Für eine Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung ist deshalb kein Raum.
3. Nach allem ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit


(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

Zivilprozessordnung - ZPO | § 13 Allgemeiner Gerichtsstand des Wohnsitzes


Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 119


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte a) in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;b) in den Angelegenh

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(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 31/02
vom
19. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Berufungen und Beschwerden
gegen Entscheidungen der Amtsgerichte nach § 119 Abs. 1
Nr. 1 b GVG hängt nicht davon ab, ob es im Einzelfall auf internationales
Recht ankommt.
BGH, Beschluß vom 19. Februar 2003 - IV ZB 31/02 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert, Dr. Schlichting, die Richterinnen Ambrosius, Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch
am 19. Februar 2003

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 32, vom 4. September 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Streitwert: 5.022,73

Gründe:


I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung "! #%$& auf Zahlung von 5.022,73 März 2002 zugestellt. Das Amtsgericht wies sie mit Urteil vom 3. Mai 2002 ab, weil ein Versicherungsfall nicht dargetan sei. Gegen dieses dem Klägervertreter am 15. Mai 2002 zugestellte Urteil wurde am Freitag, dem 14. Juni 2002, Berufung beim Landgericht eingelegt, also innerhalb der am Montag, dem 17. Juni 2002, endenden Frist des § 517 ZPO; die Berufung wurde am 5. Juli 2002 rechtzeitig begründet. Das Landgericht wies die Parteien mit Verfügung vom 12. Juli 2002 darauf hin, daß sich der Hauptsitz der Beklagten ausweislich des der Klage beigefügten Ver-

sicherungsscheins in L. befinde und sie in der Bundesrepublik Deutsch- land lediglich über eine Niederlassung verfüge, für die ein Hauptbevollmächtigter bestellt sei; zuständig für die Berufung sei daher das Oberlandesgericht gemäß §§ 72, 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG. Die Kammer beabsichtige , die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Demgegenüber vertrat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Auffassung, das Landgericht sei zuständig. Es hat die Berufung durch Beschluß vom 4. September 2002 als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 ZPO auch zulässig im Hinblick auf die Klärung der Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG, der durch Art. 1 des ZPO-Reformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) neu gefaßt worden ist. Die Rechtsbeschwerde ist im übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Auf die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO kommt es nicht an (BGH, Beschluß vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02 - NJW 2002, 3783 unter II 1 b).
2. Mit Recht hat das Landgericht im angefochtenen Beschluß festgestellt , daß es sich bei der Beklagten um eine Aktiengesellschaft nach englischem Recht mit Sitz in L. handle, die in H. lediglich über eine Zweigniederlassung verfüge. Deren Eintragung im Handelsregister besagt für sich genommen nichts über ihre rechtliche Selbständigkeit (§ 13 HGB; vgl. BGH, Beschluß vom 13. Januar 1998 - X ARZ 1298/97 - NJW 1998, 1322). Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten liegt mithin im

Ausland (§ 17 ZPO), so daß die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG dem Wortlaut nach gegeben sind. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde auch nicht mehr.
3. Er macht vielmehr geltend, im Hinblick auf die für Niederlassungen von Versicherungsgesellschaften geltenden Sonderregelungen sowie auf Art. 8 ff. EGVVG müsse § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG einschränkend ausgelegt werden. Dem ist nicht zu folgen.

a) Mit § 119 Abs. 1 Nr. 1 b und c GVG hat der Gesetzgeber für Sachen mit Auslandsberührung eine neue Zuständigkeit der Oberlandesgerichte zur Entscheidung über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Amtsgerichte eingeführt, im übrigen aber an der Zuständigkeit der Landgerichte gemäß § 72 GVG festgehalten. Diese Sonderzuweisung sollte dem Umstand Rechnung tragen, daß durch die Internationalisierung des Rechts und den zunehmenden grenzüberschreitenden Rechtsverkehr ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtssprechung bestehe. Dabei wurde mit § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG an den allgemeinen Gerichtsstand einer Partei im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit angeknüpft, weil sich bei einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland regelmäßig Fragen des Internationalen Privatrechts stellten; das Kriterium des Gerichtsstands gewährleiste eine hinreichende Bestimmtheit und damit Rechtssicherheit für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit zwischen Landgericht und Oberlandesgericht (BT-Drucks. 14/6036 S. 118 f.).

b) Danach ist die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts daran, daß eine Partei bei Klageerhebung keinen

allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, formal zu verstehen: Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen Fragen des In- ternationalen Privatrechts stellen (Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. § 119 GVG Rdn. 15; MünchKomm/Wolf, ZPO 2. Aufl. Aktualisierungsband, GVG § 119 Rdn. 4). Schon deshalb kommt die vom Kläger geforderte teleologische Reduktion der Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht in Betracht.

c) Der Bundesgerichtshof hat zwar in einem Beschluß vom 6. April 1979 angenommen, daß eine ausländische Versicherungsgesellschaft, die im Inland eine selbständige Niederlassung unterhält, im Hinblick auf deren weitgehende Angleichung an eine juristisch selbständige Rechtspersönlichkeit durch das Versicherungsaufsichtsrecht ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland am Ort der Niederlassung habe; dies gelte jedenfalls für die Zuständigkeit im Mahnverfahren gemäß § 689 Abs. 2 ZPO (I ARZ 403/78 - VersR 1979, 561 unter II). Diese Entscheidung kann ungeachtet zwischenzeitlicher Änderungen des Versicherungsaufsichtsrechts jedenfalls deshalb nicht auf die Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG übertragen werden, weil es für die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach dem Zweck dieser Regelung nicht auf das Maß an Selbständigkeit einer Niederlassung ankommt, sondern darauf, ob Internationales Privatrecht für die Entscheidung eine Rolle spielen könnte. Hierfür hat der Gesetzgeber auf den allgemeinen Gerichtsstand abgehoben , der sich bei juristischen Personen nach ihrem Sitz bestimmt (§ 17 ZPO). Liegt dieser Sitz im Ausland, ist generell das Auftreten von Fragen des Internationalen Privatrechts möglich, mit denen der Gesetzgeber die Oberlandesgerichte betraut hat, auch wenn die Partei im Inland eine Niederlassung mit verhältnismäßig weitgehender Selbständigkeit unter-

hält. Der Zweck der Neuregelung steht mithin einer einschränkenden Auslegung für inländische Niederlassungen ausländischer Versicherungsgesellschaften entgegen.

d) Nichts anderes ergibt sich im Blick auf das europäische Internationale Versicherungsvertragsrecht: Nach Art. 8 EGVVG ist auf ein Versicherungsverhältnis , bei dem das versicherte Risiko in dem Land belegen ist, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zwar das Recht dieses Landes anzuwenden, hier also deutsches Recht. Deshalb ist das Entstehen von Fragen des Internationalen Privatrechts aber nicht ausgeschlossen. In welchem Land ein Risiko belegen ist, wird in Art. 7 Abs. 2 EGVVG differenziert geregelt. Art. 9 bis 11 EGVVG eröffnen in einer Reihe von Fällen die Möglichkeit einer Rechtswahl oder der Zuordnung zum Recht des Staates, zu dem der Versicherungsvertrag die engsten Verbindungen aufweist. Ob einer dieser besonderen Tatbestände vorliegt oder aber der Fall des Art. 8 EGVVG, ist bereits eine Frage des Internationalen Privatrechts, deren Entscheidung der Gesetzgeber dem Oberlandesgericht als Berufungsinstanz zugewiesen hat. Auch insoweit kommt also eine teleologische Reduktion des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG nicht in Betracht.
4. Mithin war die Berufung unzulässig, weil sie nicht nach § 519 Abs. 1 ZPO bei dem hier gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG zuständigen Berufungsgericht eingereicht wurde.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Das mit der Sache zuvor nicht befaßte Landgericht war nicht verpflichtet, die Berufung etwa noch am Tage ihres Eingangs an das zuständige

Oberlandesgericht weiterzuleiten, um die am Montag, dem 17. Juni 2002, ablaufende Berufungsfrist zu wahren (vgl. BVerfG NJW 1995, 3173 unter C II 2). Eine spätere Weiterleitung (oder eine Verweisung analog § 17 a Abs. 2 GVG, für die sich MünchKomm/Wolf, aaO GVG § 119 Nr. 7 ausspricht ,) hätte dem Kläger nicht mehr geholfen, weil durch den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift bei einem unzuständigen Gericht auch bei Weiterverweisung an das zuständige Gericht die inzwischen abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt wird (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999 - III ZR 73/99 - NJW 2000, 1574 unter 3 a). Die insoweit für das Kartellverfahren geltenden Sonderregeln (BGHZ 71, 367 ff.) können nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil die Bestimmung der Zuständigkeit für das Berufungsverfahren nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG nicht mit vergleichbaren Unsicherheiten wie das Kartellverfahren belastet ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999

aaO unter 3 b). Einen Antrag auf Verweisung verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Berufungsfrist hat der Kläger nicht gestellt. Das Landgericht hat die Berufung daher mit Recht als unzulässig verworfen.
Seiffert Dr. Schlichting Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 74/01 Verkündet am:
28. Juni 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Verweist das Landgericht einen Teil des Rechtsstreits durch Urteil an das Landwirtschaftsgericht
, so ist das statthafte Rechtsmittel dagegen nach § 17a Abs. 4
Satz 3 GVG i.V.m. §§ 22 LwVG, 22 Abs. 1 Satz 1 FGG die sofortige Beschwerde.

b) Der Grundsatz des Meistbegünstigungsgebotes eröffnet dem durch die Verweisung
Beschwerten zwar die Möglichkeit, die Entscheidung auch mit der Berufung
anzufechten. Der Meistbegünstigungsgrundsatz ermöglicht es aber nicht, die
Vorteile des einen Rechtsmittels (hier: kein Begründungszwang bei der sofortigen
Beschwerde) mit denen des anderen (längere Rechtsmittelfrist bei der Berufung)
zu verbinden.
BGH, Urt. v. 28. Juni 2002 - V ZR 74/01 - OLG Celle
LG Stade
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juni 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 17. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zum Abschluß eines notariellen Grundstückskaufvertrages über die im Grundbuch von S. Blatt eingetragene Besitzung verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 13. Mai 1997 als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden in allen Instanzen gegeneinander aufgehoben, jedoch mit Ausnahme der durch die Säumnis des Klägers in erster Instanz entstandenen Kosten, die dieser vorab trägt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagte) war zusammen mit ihrem 1977 verstorbenen Mann Eigentümer eines mit Hofvermerk versehenen Hofes in S. . Der Kläger und der frühere Beklagte zu 2 sind ihre Kinder.
Mit notariellem Erbvertrag vom 9. Oktober 1975 setzten sich die Ehegatten wechselseitig als Erben und Hoferben ein und bestimmten, daß der Überlebende berechtigt sein sollte, eines der gemeinschaftlichen Kinder als weiteren Hoferben zu bestimmen. Für den Fall des gleichzeitigen Versterbens sollte der Kläger Hoferbe sein.
Nach dem Tode des Mannes übernahm die Beklagte den Hof und verpachtete ihn mit Vertrag vom 30. September 1985 auf die Dauer von neun Jahren an den Kläger. Der Vertrag enthält die Bestimmung, daß er enden sollte, wenn der Hof im Wege vorweggenommener Erbfolge an den Kläger übergeben werde.
Zu dieser Übergabe kam es nicht. Mit Schreiben vom 1. Juli 1993 kündigte die Beklagte den Pachtvertrag zum 30. September 1994. Den Hofvermerk ließ sie 1995 löschen und übertrug den Grundbesitz an den früheren Beklagten zu 2, der als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde.
Der Kläger hält den Übergabevertrag zwischen der Beklagten und seinem Bruder für unwirksam und meint, die Beklagte sei verpflichtet, den Hof an ihn zu übertragen. Hilfsweise hat er Zahlungsansprüche geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Übergabevertrages und auf Feststellung der Verpflichtung des früheren Beklagten zu 2 zur Rückübertragung an die Beklagte abgewiesen. Einen Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Übereignung des Hofes an den Kläger hat es - durch Urteil - abgetrennt und an das Landwirtschaftsgericht verwiesen. Auf den Hilfsantrag hat es die Beklagte (zusammen mit dem früheren Beklagten zu 2) zur Zahlung von rund 245.000 DM an den Kläger verurteilt.
Das Berufungsgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Beklagte verurteilt, mit dem Kläger einen notariellen Grundstücksübergabevertrag über das landwirtschaftliche Anwesen zu schlieûen. Mit der Revision hat die Beklagte das Ziel weiterverfolgt, daû die Klage mit allen Hauptanträgen abgewiesen werde und dem hilfsweise gestellten Zahlungsantrag nur in Höhe von 7.000 DM stattzugeben sei. Der Senat hat die Revision nur insoweit angenommen , als sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zum Abschluû eines notariellen Grundstücksübergabevertrages wendet. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht hat über den Antrag des Klägers, die Beklagte zum Abschluû eines notariellen Grundstücksübertragungsvertrages zu verurteilen , entschieden, obwohl das Landgericht diesen Antrag an das Landwirtschaftsgericht verwiesen hat. Zwar sei gegen den Verweisungsbeschluû - so hat es ausgeführt - an sich das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben gewe-
sen. Da der Kläger mit seiner Berufung aber auch diesen Teil der Entscheidung beanstandet habe, sei die Berufung in das statthafte Rechtsmittel der Beschwerde umzudeuten, das in der Sache Erfolg habe.

II.


Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts, den Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluû eines notariellen Grundstücksübergabevertrages an das Landwirtschaftsgericht zu verweisen , ist unzulässig.
1. Das zulässige Rechtsmittel gegen einen die Verweisung aussprechenden Beschluû ist nicht - wie das Beschwerdegericht meint - die einfache Beschwerde, sondern die sofortige Beschwerde. Das ergibt sich aus § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, welche Vorschrift nach der Rechtsprechung des Landwirtschaftssenats des Bundesgerichtshofs auf das Verhältnis von Landwirtschaftsgericht und Prozeûgericht entsprechend anzuwenden ist (Beschl. v. 26. Oktober 1999, BLw 1/99, AgrarR 2000, 232, 233). Dem schlieût sich der Senat an. Diese Norm verweist auf die Vorschriften des jeweils anzuwendenden Verfahrensrechts. Das ist hier § 22 LwVG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG. Die Beschwerdefrist betrug danach zwei Wochen (vgl. Barnstedt/ Steffen, LwVG, 6. Aufl., § 12 Rdn. 40-43). Diese Frist ist nicht eingehalten. Das der Beklagten am 27. Mai 2000 zugestellte Urteil hat sie mit der erst am 27. Juni 2000 bei Gericht eingegangenen Berufung angefochten.
2. Zwar läût sich dieser prozessuale Mangel dadurch beheben, daû man der Beklagten nach dem Grundsatz des Meistbegünstigungsgebotes (s. Senat, BGHZ 98, 362, 364 f) die Möglichkeit eröffnet, die durch Urteil ergangene Entscheidung über die Verweisung des Antrags an das Landwirtschaftsgericht mit dem dafür vorgesehenen Rechtsmittel der Berufung anzufechten. Doch ist auch dieses Rechtsmittel im konkreten Fall nicht zulässig. Es fehlt an der erforderlichen Begründung (§ 519 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F.). Die Ausführungen zur Berufungsbegründung verhalten sich nur zu der Frage der Wirksamkeit des Übertragungsvertrages zwischen der Beklagten und dem Bruder des Klägers. Sie betreffen daher nur den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages und der daraus sich ergebenden Verpflichtung zur Rückabwicklung. Zwar ist die Unwirksamkeit dieses Vertrages wesentliche Vorbedingung für den geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte auf Übereignung des Hofes. Er ergibt sich aber daraus nicht ohne weiteres. Die Erörterung der Unwirksamkeit des Vertrages zwischen der Beklagten und dem Bruder des Klägers ersetzt daher nicht eine Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Anspruch auf Übereignung. Auûerdem fehlen Angriffe gegen die Auffassung des Landgerichts , daû für diesen Teil des Rechtsstreits das Landwirtschaftsgericht zuständig sei.
3. Über den Mangel der Berufungsbegründung hilft - entgegen der Meinung der Revisionserwiderung - nicht hinweg, daû das statthafte Rechtsmittel die sofortige Beschwerde gewesen sei, die keiner Begründung bedürfe. Zwar erlaubte es der Grundsatz der Meistbegünstigung dem Kläger, gegen die Teilverweisung des Rechtsstreits ohne Begründung, aber gleichwohl in zulässiger Weise, Beschwerde einzulegen. Doch gelten dann auch die sonstigen Verfahrensvorschriften für das Beschwerdeverfahren. Im konkreten Fall wäre aber
- wie ausgeführt - die an die zweiwöchige Frist gebundene sofortige Beschwerde einzulegen gewesen. Daran fehlt es. Der Grundsatz der Meistbegünstigung ermöglicht es hingegen nicht, die Vorteile des einen Rechtsmittels (kein Begründungszwang ) mit denen des anderen (längere Rechtsmittelfrist) zu verbinden.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 344 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger
Klein Gaier

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)