Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2015 - V ZR 2/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 16. Juni 2011 wurden mehrere Beschlüsse gefasst. Mit der am 18. Juli 2011 (Montag) eingegangenen Anfechtungsklage wendet sich die Klägerin - soweit hier noch von Interesse - gegen die zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 10 beschlossene Entlastung der Verwaltungsbeiräte und der Hausverwaltung. Nachdem die Klägerin nach Aufforderung des Gerichts innerhalb der hierzu gesetzten Frist zur Berechnung des Kostenvorschusses erforderliche Unterlagen eingereicht hatte, ihr Prozessbevollmächtigter am 31. August 2011 die an ihn versandte Aufforderung zur Zahlung des Vorschusses erhalten und er diese an die Rechtsschutzversicherung der Klägerin weitergeleitet hatte, ist der Vorschuss am 19. September 2011 bei der Justizkasse eingegangen.
- 2
- Die am 11. Oktober 2011 zugestellte Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Anfechtung der zu TOP 10 gefassten Beschlüsse weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht hält die Klage wegen Versäumung der einmonatigen Anfechtungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG für unbegründet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 167 ZPO, weil die Klage nicht „demnächst“ zugestellt worden sei. Diese Voraussetzung sei nur erfüllt, wenn sich die Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen hielten. Gehe es um die Zahlung des Kostenvorschusses, sei das nur dann der Fall, wenn dieser nach Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt werde, der sich um zwei Wochen bewege oder nur geringfügig darüber liege. Besondere Umstände seien bei der Frage zu berücksichtigen, ob eine geringfügige Überschreitung des grundsätzlich maßgeblichen Zeitraums von 14 Tagen hinzunehmen sei. Gemessen daran liege keine 14 Tage nur geringfügig überschreitende Verzögerung vor. Das gelte selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin berücksichtigte, dass die Anforderung des Kostenvorschusses entgegen § 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 KostVfGBerlin nicht dieser selbst, sondern ihrem Prozessbevollmächtigten zugesandt worden sei.
II.
- 4
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klägerin hat die materielle Klageerhebungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Zustellung der Klage demnächst im Sinne von § 167 ZPO bewirkt worden.
- 5
- 1. Im rechtlichen Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht allerdings mit Recht davon aus, dass das Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) nur erfüllt ist, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen (vgl. nur Senat, Urteil vom 12. Januar 1996 - V ZR 246/94, NJW 1996, 1060, 1061 [insoweit in BGHZ 131, 376 nicht abgedruckt]; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1993 - XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073, 1074; jeweils mwN), um eine Überforderung des Klägers sicher auszuschließen.
- 6
- 2. Darüber hinaus sieht das Berufungsgericht richtig, dass der Senat in der typisierbaren Fallgruppe des nach § 12 Abs. 1 GKG zu leistenden Gerichtskostenvorschusses eine hinnehmbare Verzögerung bejaht hat, wenn dieser nach seiner Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich „um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt“ (Senat, Urteil vom 30. März 2012 - V ZR 148/11, ZMR 2012, 643 f.; Urteil vom 17. September 2010 - V ZR 5/10, NJW 2010, 3376, 3377 Rn. 7; Urteil vom 3. Februar 2012 - V ZR 44/11, NJW-RR 2012, 527 Rn. 7; Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, BGHZ 179, 230, 235 f., Rn. 16; vgl. auch jeweils obiter BGH, Urteil vom 15. November 1985 - II ZR 236/84, NJW 1986, 1347, 1348; Urteil vom 12. November 2009 - III ZR 113/09, juris Rn. 21 f.; insoweit in NJW 2010, 333 ff. nicht abgedruckt). Dabei hat der Senat einen Zeitraum von 14 Tagen für unschädlich erachtet. Die Hinnehmbarkeit darüber hinausgehender Verzögerungen hat er dagegen vom Vorliegen besonderer Umstände und dem Ergebnis einer tatrichterlichen Würdigung der Gesamtumstände abhängig gemacht (vgl. nur Senat, Urteil vom 30. März 2012 - V ZR 148/11, ZMR 2012, 643, 644). Demgegenüber belässt es der VII. Zivilsenat auch in dieser Konstellation bei den allgemeinen Grundsätzen, was dazu führt, dass bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf abgestellt wird, um wieviele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227 Rn. 8 f.; Urteil vom 20. April 2000 - VII ZR 116/99, NJW 2000, 2282; Urteil vom 27. Mai 1999 - VII ZR 24/98, NJW 1999, 3125; vgl. auch Urteil vom 25. Februar 1971 - VII ZR 181/69, NJW 1971, 891 f.). Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat nunmehr aus Gründen der Vereinheitlichung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und zur Herstellung eines einheitlichen - für sämtliche Fallgruppen geltenden - Maßstabes an.
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- 3. Gemessen daran ist die Zustellung vorliegend „demnächst“ bewirkt worden. Eine der Klägerin vorwerfbare Verzögerung von mehr als 14 Tagen liegt nicht vor.
- 8
- Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Kostenvorschuss verfahrenswidrig (§ 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 KostVfG-Berlin aF) nicht von der Partei selbst, sondern über deren Anwalt angefordert worden ist (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 30. März 2012 - V ZR 148/11, ZMR 2012, 643, 644; Urteil vom 3. Februar 2012 - V ZR 44/11, NJW-RR 2012, 527 Rn. 11). Die damit einhergehende - der Partei nicht zuzurechnende - Verzögerung ist nach Auffassung des Senats im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen unter Ausklammerung des Eingangstages und von Wochenendtagen. Innerhalb einer solchen Zeitspanne kann auch in hochbelasteten Anwaltskanzleien eine Kenntnisnahme , Bearbeitung und Weiterleitung sowie bei Zugrundelegung üblicher Post- laufzeiten auch der Eingang bei der Partei selbst erwartet werden. Vorliegend ist die Kostenanforderung dem Prozessbevollmächtigten am 31. August 2011 (Mittwoch) zugegangen. Dies führt dazu, dass die Klägerin so zu stellen ist, wie sie stünde, wenn ihr selbst die Anforderung erst am 5. September 2012 (Montag ) zugegangen wäre. Da die Klägerin frühestens am nächsten Tag hätte tätig werden müssen und der Kostenvorschuss tatsächlich am 19. September 2011 bei der Justizkasse eingegangen ist, liegt selbst ohne Berücksichtigung des für die Überweisung durch die Bank erforderlichen Zeitraums keine schuldhafte Verzögerung von mehr als 14 Tagen vor.
III.
- 9
- Nach allem unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die für eine Endentscheidung notwendigen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Stresemann Roth Brückner
Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 22.08.2012 - 770 C 53/11 WEG -
LG Berlin, Entscheidung vom 17.09.2013 - 85 S 147/12 WEG -
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Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige Veräußerung dieses Wohnungseigentums nach seiner Begründung handelt, es sei denn, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Das Fehlen der Zustimmung steht in diesen Fällen dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 878desBürgerlichen Gesetzbuchs nicht entgegen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen der §§ 30 und 35 des Wohnungseigentumsgesetzes.
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige Veräußerung dieses Wohnungseigentums nach seiner Begründung handelt, es sei denn, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Das Fehlen der Zustimmung steht in diesen Fällen dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 878desBürgerlichen Gesetzbuchs nicht entgegen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen der §§ 30 und 35 des Wohnungseigentumsgesetzes.
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten soll die Klage erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden. Wird der Klageantrag erweitert, soll vor Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden; dies gilt auch in der Rechtsmittelinstanz. Die Anmeldung zum Musterverfahren (§ 10 Absatz 2 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes) soll erst nach Zahlung der Gebühr nach Nummer 1902 des Kostenverzeichnisses zugestellt werden.
(2) Absatz 1 gilt nicht
- 1.
für die Widerklage, - 2.
für europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, - 3.
für Rechtsstreitigkeiten über Erfindungen eines Arbeitnehmers, soweit nach § 39 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen die für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte ausschließlich zuständig sind, und - 4.
für die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 der Zivilprozessordnung.
(3) Der Mahnbescheid soll erst nach Zahlung der dafür vorgesehenen Gebühr erlassen werden. Wird der Mahnbescheid maschinell erstellt, gilt Satz 1 erst für den Erlass des Vollstreckungsbescheids. Im Mahnverfahren soll auf Antrag des Antragstellers nach Erhebung des Widerspruchs die Sache an das für das streitige Verfahren als zuständig bezeichnete Gericht erst abgegeben werden, wenn die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gezahlt ist; dies gilt entsprechend für das Verfahren nach Erlass eines Vollstreckungsbescheids unter Vorbehalt der Ausführung der Rechte des Beklagten. Satz 3 gilt auch für die nach dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen zu zahlende Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen.
(4) Absatz 3 Satz 1 gilt im Europäischen Mahnverfahren entsprechend. Wird ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen ohne Anwendung der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 fortgeführt, soll vor Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden.
(5) Über den Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung soll erst nach Zahlung der dafür vorgesehenen Gebühr entschieden werden.
(6) Über Anträge auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733 der Zivilprozessordnung) und über Anträge auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 829 Absatz 1, §§ 835, 839, 846 bis 848, 857, 858, 886 bis 888 oder § 890 der Zivilprozessordnung soll erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren und der Auslagen für die Zustellung entschieden werden. Dies gilt nicht bei elektronischen Anträgen auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 829a der Zivilprozessordnung.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.