Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - IX ZR 214/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:131016UIXZR214.15.0
bei uns veröffentlicht am13.10.2016
vorgehend
Landgericht Neubrandenburg, 3 O 147/09, 15.11.2011
Oberlandesgericht Rostock, 1 U 152/11, 26.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 214/15 Verkündet am:
13. Oktober 2016
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG § 88; AFB 2010 § 7 Nr. 1 Buchst. a, § 8 Nr. 3
Sehen Allgemeine Versicherungsbedingungen vor, dass der Zeitwertschaden entsprechend
den Bestimmungen über den Versicherungswert festgestellt wird und
dass der Zeitwert von Gebäuden sich aus dem Neuwert des Gebäudes durch einen
Abzug entsprechend seinem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten
Zustand ergibt, und schließt der Neuwert Architektengebühren und sonstige Konstruktions
-, Planungs- und Baunebenkosten ein, sind diese Gebühren und Kosten
auch bei der Ermittlung des Zeitwertschadens zu berücksichtigen.
Hat der Rechtsanwalt den Verlust des Vorprozesses aufgrund einer unzureichenden
oder fehlerhaften rechtlichen Beratung und Vertretung zu verantworten, trifft den über
die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels unzureichend aufgeklärten Mandanten
kein Mitverschulden, wenn er es unterlässt, gegen die nachteilige Entscheidung im
Vorprozess Rechtsmittel einzulegen.
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - IX ZR 214/15 - OLG Rostock
LG Neubrandenburg
ECLI:DE:BGH:2016:131016UIXZR214.15.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Grupp und Dr. Schoppmeyer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 26. März 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung des Beklagten wegen Ansprüchen in Höhe von 82.552,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27. Juni 2009 sowie wegen außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.935,50 € nebst Zinsen in Höhevon fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11. August 2009 abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt vom Beklagten, ihrem früheren Rechtsanwalt, Schadensersatz. Die Klägerin betrieb ein Fuhrunternehmen. Für die vom Un- ternehmen genutzten Gebäude bestand bei der K. Versicherungs -AG (fortan: K. oder Versicherer) eine AllgefahrenVersicherung zum Neuwert. Die vereinbarten Versicherungsbedingungen (fortan AVB) bestimmten unter anderem Folgendes: "7. Soweit Sachen zum Neuwert versichert sind, gilt als Versicherungswert 7.1.1. der Neuwert Neuwert von Gebäuden ist der ortsübliche Neubauwert einschließlich Architektengebühren und sonstiger Konstruktions-, Planungsund Baunebenkosten; [...] 7.1.2. der Zeitwert, falls er weniger als 40 % des Neuwertes beträgt : Der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert der Sachen durch einen Abzug entsprechend ihrem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustand. [...] 13.5. Ist der Neuwert (Ziff. 7.1.1.) der Versicherungswert, so erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt, einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um 13.5.1. Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wieder herzustellen [...]. […] 13.5.4. Der Zeitwertschaden wird bei zerstörten oder abhanden gekommenen Sachen gemäß Ziff. 7.1.2. festgestellt. Bei beschädigten Sachen werden die Kosten einer Reparatur um den Betrag gekürzt , um den durch die Reparatur der Zeitwert der Sache gegenüber dem Zeitwert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles erhöht würde."
2
Im August und Dezember 2003 wurden durch Brandstiftung mehrere auf dem Betriebsgrundstück befindliche Büro- und Lagerhallen, die teilweise vermietet waren, zerstört beziehungsweise beschädigt. Die K. zahlte auf der Grundlage eines von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens als Zeitwertschaden insgesamt 1.221.230 € an die Grundpfandgläubiger. Dieser Betrag enthielt vom Sachverständigen ermittelte Kosten für Baustelleneinrichtung , Planung, Statik und Baugenehmigung in Höhe von 226.307 € (fortan: Baunebenkosten).
3
Nachdem die K. weitere Versicherungsleistungen ablehnte, mandatierte die Klägerin im Sommer 2006 den Beklagten. Vertreten durch den Beklagten erhob die Klägerin am 27. Dezember 2006 Klage gegen die K. ; die Klageforderung belief sich zuletzt auf 971.972,28 € und setzte sich zusammen aus der Neuwertspitze in Höhe von 773.770 €, dem Inventarschaden (30.000 €), den Abrisskosten (126.650 €) und dem Mietausfallschaden (41.551,20 €).
4
Die K. verteidigte sich damit, dass kein Anspruch auf die Neuwertspitze bestehe, weil - was zutraf - die versicherten Gebäude weder innerhalb von drei Jahren nach den Brandereignissen tatsächlich im Wesentlichen wiederaufgebaut waren noch ein Wiederaufbau sichergestellt war. Hingegen stellte die K. den Inventarschaden, den Mietausfallschaden sowie die Abrisskosten bis auf einen Differenzbetrag von 16.160 € unstreitig. In Höhe des danach unstreitigen Anspruchs auf weitere Versicherungsleistungen von 182.041,20 € rechnete sie mit einer behaupteten Überzahlung auf. Sie machte geltend, ein Anspruch auf die vom Sachverständigen beim Zeitwertschaden mit einem Betrag von 226.307 € berücksichtigten Baunebenkosten bestehe nur bei einem Wiederaufbau der Gebäude; sie habe diesen Betrag versehentlich gezahlt. Hierauf trug der Beklagte für die Klägerin vor, dass das Sachverständigengutachten korrekt sei und keine Anhaltspunkte zu erkennen seien, dass der technische Zeitwert fehlerhaft bestimmt sei. Das Landgericht wies in der mündlichen Verhandlung im Vorprozess unter anderem darauf hin, dass es die Aufrechnung der K. für wirksam halte, weil diese die auf die Baunebenkosten entfallenden Beträge ohne Rechtsgrund geleistet habe. Der Beklagte nahm zu diesen gerichtlichen Hinweisen nicht Stellung. Das Landgericht wies die Klage ab; das Urteil wurde rechtskräftig, weil die Klägerin nach einer Besprechung mit dem Beklagten keine Berufung einlegte.
5
Die K. machte sodann gegen die Klägerin außergerichtlich eine nach ihrer Ansicht verbliebene Überzahlung wegen der Baunebenkosten in Höhe von weiteren 44.265,80 € geltend. Die Klägerin gab ein von der K. über diese Forderung verlangtes schriftliches Anerkenntnis ab. Später verzichtete die K. auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche.
6
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sie nicht darüber aufgeklärt, dass die Klage im Vorprozess - soweit die K. die Forderungen nicht unstreitig gestellt habe - unschlüssig gewesen sei. Der Beklagte sei für die überhöhte Klage verantwortlich; hierdurch seien ihr Mehrkosten in Höhe von 17.206,81 € entstanden. Außerdem meint die Klägerin, dass die Entscheidung im Vorprozess falsch sei, soweit dem Versicherer ein Rückzahlungsanspruch in voller Höhe der Baunebenkosten als Aufrechnungsforderung zugesprochen worden sei. Vielmehr seien die Baunebenkosten bei einer Zeitwertentschädigung anteilig zu berücksichtigen. Entsprechend der jeweiligen Zeitwertquote der Gebäude hätten Baunebenkosten in Höhe von 126.818 € einbezogen werden müssen, so dass nur eine Überzahlung von 99.489 € vorgelegen habe. Ihre Klage im Vorprozess habe daher in Höhe von 82.552,20 € (182.041,20 € unstreitige weitere Versicherungsleistung abzüglich Überzahlung von 99.489 €) Erfolg haben müssen. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, auf die gerichtlichen Hinweise zum angeblichen Rückzahlungsanspruch des Versicherers wegen der Baunebenkosten zu reagieren, und ihr nach Klageabweisung auch nicht zur Einlegung einer Berufung geraten. Er hafte daher auch für die Folgen des von ihr abgegebenen Anerkenntnisses. Sie habe hierauf in Raten 7.000 € gezahlt; für die Abwehr der Ansprüche aus dem Anerkenntnis seien ihr weitere Anwaltskosten in Höhe von 2.723,80 € entstanden.
7
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Ersatz der behaupteten Mehrkosten von 17.206,81 €, entgangener Versicherungsleistungen in Höhe von 82.552,20 €, der von ihr auf das Anerkenntnis gezahlten weiteren 7.000 € sowie von 2.723,80 € an Anwaltskosten verlangt, die ihr zur Abwehr der Ansprüche des Versicherers aus dem Anerkenntnis entstanden seien. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der entgangenen Versicherungsleistungen sowie der Mehrkosten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht auf die Berufung des Beklagten das Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Der Senat hat die Revision der Klägerin zugelassen, soweit sie Schadensersatz für entgange- ne Versicherungsleistungen und die Folgen des Anerkenntnisses verlangt. Im Umfang der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
9
1. Das Berufungsgericht hat - soweit noch von Interesse - ausgeführt, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass dem Versicherer im Vorprozess kein Rückzahlungsanspruch zugestanden habe. Bestehe mangels Wiederherstellung der Gebäude nur ein Anspruch auf den Zeitwert, seien die Architektengebühren und sonstigen Konstruktions-, Planungs- und Baunebenkosten nicht einzubeziehen. Diese Kosten fielen tatsächlich nur an, wenn sich der Versicherungsnehmer zur Wiederherstellung entschließe. Es könne aber nicht Zweckbestimmung der Zeitwertentschädigung sein, den Versicherungsnehmer um etwas zu bereichern , wofür er gar keine Kosten verauslage. Zwar sei verwirrend, dass Ziff. 7.1.2. AVB den Zeitwert abhängig vom Neuwert bestimme, doch sei ersichtlich ein Abzug Neu für Alt gemeint. Mithin scheide jede - auch eine anteilige - Einbeziehung von Baunebenkosten in die Berechnung der Zeitwertentschädigung aus. Im Grunde ergebe sich dies schon aus dem Sprachgebrauch und der Wortbedeutung "Zeitwert".
10
Im Übrigen bestehe auch deshalb kein Regressanspruch der Klägerin, weil es ihr selbst zurechenbar sei, dass das Urteil im Vorprozess rechtskräftig geworden sei. Die Klägerin habe auf die Zusendung des Terminsprotokolls nicht reagiert und kein Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wollen, sondern den Beklagten darum gebeten, sich um Ratenzahlungen zu bemühen. Deshalb liege ein ganz überwiegendes, die Haftung des Beklagten ausschließendes Mitverschulden der Klägerin vor.
11
Für die Folgen des von der Klägerin abgegebenen Anerkenntnisses hafte der Beklagte nicht. Dies folge schon daraus, dass eine Überzahlung vorgelegen habe und die K. einen Anspruch auf Rückzahlung des auf die Baunebenkosten entfallenden, durch die Aufrechnung im Vorprozess noch nicht erfüllten Teils des überzahlten Zeitwertschadens gehabt habe.
12
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
13
a) Der Klägerin ist aufgrund der klageabweisenden Entscheidung im Vorprozess entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ein Schaden in Höhe von 82.552,20 € entstanden, weil die Klägerin in dieser Höhe einen ihr zustehenden Anspruch verloren hat. Unstreitig stand der Klägerin ein Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen in Höhe von 182.031,20 € zu. Der Versicherer hat sich gegen diesen Anspruch nur mit einer Aufrechnung verteidigt; die Aufrechnung des Versicherers mit dem Bereicherungsanspruch aufgrund einer überhöhten Zeitwertentschädigung war nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vortrag der Klägerin jedenfalls in einer 99.489 € übersteigenden Höhe unberechtigt, weil der der Klägerin unstreitig zustehende Zeitwertschaden auch Baunebenkosten umfasst.
14
aa) Die gegenteilige Auslegung der AVB durch das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft. Maßgeblich für die Höhe der Versicherungsleistung sind die zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer vereinbarten Versicherungsbedingungen. Aus den im Streitfall vereinbarten AVB ergibt sich, dass die Baunebenkosten bei der Berechnung des Zeitwertschadens einzubeziehen sind.
15
Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen , wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Ausgangspunkt für die Auslegung ist der Klauselwortlaut (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182, 185 f; vom 19. Juni 2013 - IV ZR 228/12, VersR 2013, 1039 Rn. 18).
16
bb) Ein solcher Versicherungsnehmer wird auf der Grundlage der im Streitfall vereinbarten Versicherungsbedingungen unter dem Zeitwertschaden den Schaden verstehen, der sich unter Einbeziehung der Baunebenkosten ergibt. Da die Klägerin eine Versicherung zum Neuwert abgeschlossen hatte, folgt aus Ziff. 13.5. AVB, dass ihr nur ein Anspruch auf den Zeitwertschaden zustand, weil sie die Wiederherstellung der Gebäude nicht innerhalb der DreiJahres -Frist sichergestellt hat. Ziff. 13.5.4. Satz 1 AVB bestimmt ausdrücklich, dass der Zeitwertschaden bei zerstörten oder abhanden gekommenen Sachen gemäß Ziff. 7.1.2. AVB festgestellt wird. Daraus entnimmt der Versicherungsnehmer , dass Ziff. 7.1.2. AVB für die Berechnung ausschlaggebend ist. Ziff. 7.1.2. AVB legt fest, dass sich der Zeitwert aus dem Neuwert der Sachen ergibt durch einen Abzug entsprechend ihrem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustand. Der Versicherungsnehmer wird diese Regelung dahin verstehen, dass der Neuwert der Sachen auch für die Berechnung des Zeitwertes den maßgeblichen Ausgangswert darstellt.
17
Sucht der verständige Versicherungsnehmer nach einer Bestimmung, die ihm Anhaltspunkte gibt, wie dieser Neuwert zu ermitteln ist, wird sein Blick auf die im unmittelbaren Zusammenhang stehende Regelung in Ziff. 7.1.1. AVB fallen. Aus dieser Regelung ersieht der Versicherungsnehmer, dass die AVB eine Definition des für die Feuerversicherung maßgeblichen Neuwertes enthalten. Sie zeigt dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, dass der von den Versicherungsbedingungen gemeinte Neuwert sich am ortsüblichen Neubauwert orientiert und ausdrücklich Architektengebühren und sonstige Konstruktions -, Planungs- und Baunebenkosten einschließt. Damit regeln die AVB im Streitfall nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers , dass der Zeitwert sich vom in Ziff. 7.1.1. AVB geregelten Neuwert nur durch die Abzüge unterscheidet, die sich aufgrund des insbesondere durch den Abnutzungsgrad des Gebäudes bestimmten Zustandes ergeben. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeitwert trotz dieser begrifflichen Festlegungen in den AVB abweichend ohne Berücksichtigung der Architektengebühren und sonstigen Konstruktions -, Planungs- und Baunebenkosten zu ermitteln wäre, enthalten die im Streitfall vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht. Die dispositiven Bestimmungen des § 88 VVG aF und des § 88 VVG nF stehen dem nicht entgegen. Auf die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zum Verständnis des Begriffs Zeitwert kommt es aus Rechtsgründen nicht an.
18
b) Auch die Hilfsbegründung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Klägerin treffe ein die Haftung des Beklagten überwiegendes Mitverschulden an der Schadensentstehung, weil eine Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils im Vorprozess unterblieben ist.
19
aa) Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf ein Mitverschulden des Mandanten berufen, soweit sich der Regressanspruch aus seiner rechtlichen Tätigkeit - also insbesondere Rechtsberatung und -vertretung - ergibt, weil es in diesem Bereich nach dem Inhalt des Anwaltsvertrags allein Sache des Anwalts ist, einen Schaden seines Auftragsgebers zu verhindern (vgl. D. Fischer in Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 6 Rn. 18 mwN). Im rein rechtlichen Bereich ist der Anwalt im Verhältnis zu seinem Mandanten vielmehr grundsätzlich allein verantwortlich, und insoweit scheidet die Annahme eines Mitverschuldens durch den Mandanten im Allgemeinen aus (BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 276/03, WM 2005, 1902, 1903 unter III.1. mwN).
20
bb) So liegt der Fall hier.
21
(1) Der Beklagte hat die Klägerin im Vorprozess in rechtlicher Hinsicht in mehrfacher Hinsicht unzureichend rechtlich beraten und vertreten. Er hat damit seine aus dem Anwaltsvertrag folgenden Pflichten verletzt.
22
(a) Der Beklagte hat die Klägerin unzureichend gegen die vom Versicherer erklärte Aufrechnung verteidigt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte gegenüber der Aufrechnung des Versicherers mit einer angeblichen Überzahlung lediglich eingewandt, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das vom Versicherer eingeholte Gutachten den technischen Zeitwert fehlerhaft bestimme. Damit genügte er seinen Pflichten nicht. Nachdem der Versicherer sich im Vorprozess darauf berufen hat, dass der Zeitwertschaden nach den AVB keine Baunebenkosten umfasse, hätte der Beklagte das Gericht im Vorprozess auf die rechtlichen Maßstäbe hinweisen müssen, die nach ständiger Rechtsprechung für die Auslegung von Versicherungsbedingungen gelten. Dies gilt jedenfalls, nachdem das Landgericht im Vorprozess darauf hingewiesen hatte, dass Baunebenkosten nicht zu ersetzen seien.
23
Der Rechtsanwalt ist vertraglich verpflichtet, einer gerichtlichen Fehlentscheidung entgegenzuwirken (BGH, Urteil vom 2. April 1998 - IX ZR 107/97, WM 1998, 1542, 1545). Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene rechtliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit des Irrtums ist es die Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts zu begegnen (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 15; vom 17. September 2009 - IX ZR 74/08, WM 2009, 2138 Rn. 7; vom 10. Dezember 2015 - IX ZR 272/14, WM 2016, 180 Rn. 8). Der Rechtsanwalt muss alles - einschließlich Rechtsausführungen - vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1866; vom 10. Dezember 2015, aaO). Er hat auch eine vom Gericht im Verlauf der Instanz vertretene Rechtsansicht im Interesse seines Mandanten zu überprüfen, selbst wenn sie durch Nachweise von Rechtsprechung und Schrifttum belegt ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324 Rn. 13 f; vom 11. April 2013 - IX ZR 94/10, WM 2013, 1426 Rn. 4). Insbesondere muss der Anwalt zum Beispiel auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hinweisen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008, aaO). Der Schutz des Mandanten gebietet es, dass der Rechtsanwalt dafür Sorge trägt, dass diese Argumente bei der gerichtlichen Entscheidung berücksichtigt werden können (BGH, Urteil vom 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3016; vom 18. Dezember 2008, aaO; vom 11. April 2013, aaO).
24
Im Vorprozess lag auf der Hand, dass für die vom Versicherer behauptete Bereicherungsforderung die Auslegung der im Streitfall vereinbarten AVB maßgeblich war. Ob der Versicherer tatsächlich eine überhöhte Zeitwertentschädigung gezahlt hatte, richtete sich auch danach, welche Regelungen die AVB zum Zeitwertschaden enthielten. Daher hätte der Beklagte im Vorprozess bereits vor der mündlichen Verhandlung, jedenfalls aber nach dem Hinweis des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung auf die entsprechenden Regelungen in den AVB und insbesondere die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen hinweisen müssen.
25
(b) Der Beklagte hat es weiter versäumt, die Klägerin darauf hinzuweisen , dass eine Berufung gegen das klageabweisende Urteil im Vorprozess angesichts der rechtsfehlerhaften Auslegung der Versicherungsbedingungen gute Aussichten auf Erfolg hatte. In welchem Umfang ein Anwalt auch ohne Auftrag seinen Mandanten über die Aussichten eines Rechtsmittels aufklären muss, kann dahinstehen. Eine Belehrungspflicht besteht jedenfalls bei ohne weiteres erkennbarer Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung und in den Fällen , in denen der Fehler des Urteils darauf beruht, dass der Rechtsanwalt nicht sachgerecht gearbeitet, das unrichtige Urteil also mitverschuldet hat (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 142/05, WM 2007, 1425 Rn. 12).
26
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Urteil im Vorprozess wich hinsichtlich der von ihm vorgenommenen Auslegung der AVB von den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Dies hatte der Beklagte zudem mitverschuldet. Der Beklagte hat nach seiner eigenen Einlassung der Klägerin bei der Beratung über eine mögliche Berufung mitgeteilt, dass ein nicht unerhebliches Risiko bestehe und er keine Erfolgsaussichten sähe. Damit genügte der Beklagte angesichts der für die Auslegung von Versicherungsbedingungen klaren Rechtslage seinen Pflichten nicht.
27
(2) Unter diesen Umständen zeigt der Beklagte keinen Sachverhalt auf, der ein Mitverschulden der Klägerin am entstandenen Schaden begründen könnte. Die gegenteilige Würdigung des Berufungsgerichts steht im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Anwaltshaftungsfällen.
28
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es unerheblich, dass die Klägerin auf die Übersendung des Terminsprotokolls des Vorprozesses nicht reagiert hat. Die darin enthaltenen Hinweise des Landgerichts im Vorprozess betrafen - soweit für den Streitfall erheblich - nur die Rechtsfrage,wie die AVB im Streitfall auszulegen waren und ob Kosten für Baustelleneinrichtung sowie für Planung, Statik und Baugenehmigung beim Zeitwert zu berücksichtigen seien. Hierauf hätte der Beklagte auch ohne Reaktion der Klägerin ergänzend vortragen können und müssen. Unkenntnis des Mandanten in Rechtsfragen ist nicht geeignet, ein Mitverschulden zu begründen.
29
Gleichfalls ohne Bedeutung ist, dass die Klägerin den Beklagten nach dem erstinstanzlichen Urteil im Vorprozess darum gebeten hat, sich gegenüber dem Versicherer um Ratenzahlungen zu bemühen. Ebensowenig folgt aus der unterlassenen Weisung an den Beklagten, Berufung gegen das Urteil im Vorprozess einzulegen, ein Mitverschulden der Klägerin. Zum einen beruht dieses Verhalten der Klägerin maßgeblich und entscheidend auf der pflichtwidrig unzureichenden Vertretung und Beratung durch den Beklagten hinsichtlich der Rechtsfrage, wie die im Streitfall vereinbarten AVB auszulegen waren. Erst dieses Verhalten des Beklagten hat die rechtsfehlerhafte Entscheidung im Vorprozess ermöglicht. Zum anderen hat der Beklagte die Klägerin hinsichtlich der rechtlichen Erfolgsaussichten einer Berufung unzureichend beraten, so dass der Klägerin - die mit der unterlassenen Berufung nur den falschen Rat des Beklagten befolgte - kein Mitverschulden zur Last fällt.
30
c) Schließlich kann ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der nach ihrer Behauptung an den Versicherer gezahlten 7.000 € sowie der zur Abwehr der weiteren Ansprüche des Versicherers aus dem Schuldanerkenntnis entstandenen Anwaltskosten von 2.723,80 € mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden. Der Klägerin ist insoweit ein Schaden entstanden, weil dem Versicherer keine Rückzahlungsansprüche mehr zustanden.
31
Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Zeitwertschadens umfasst die anteiligen Baunebenkosten (vgl. oben a). Ihr Anteil am Zeitwertschaden betrug nach der Behauptung der Klägerin entsprechend der Zeitwertquote der jeweiligen Gebäude 126.818 €; soweit der Versicherer im Rahmen des Zeitwertschadens der Klägerin 226.307 € für Baunebenkosten gezahlt hatte, lag mithin nur eine Überzahlung von 99.489 € vor. Diese Bereicherungsforderung erlosch vollständig aufgrund der Aufrechnung des Versicherers im Vorprozess gegen den unstreitigen - mit 182.041,20 € höheren - Anspruch der Klägerin auf weitere Versicherungsleistungen. Ein Bereicherungsanspruch stand dem Versicherer danach nicht mehr zu. Die gleichwohl erfolgten Zahlungen der Klägerin, das Anerkenntnis und die Kosten zur Beseitigung des Anerkenntnisses stellen daher - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - einen weiteren Schaden der Klägerin dar.
32
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Klägerin steht vielmehr dem Grunde nach ein Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz zu.
33
a) Der Beklagte hat pflichtwidrig gehandelt. Er hat die Klägerin unzureichend vertreten, weil er es versäumt hat, im Vorprozess rechtzeitig auf die für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen geltenden Grund- sätze hinzuweisen und die Klägerin über die Erfolgsaussichten einer Berufung aufzuklären (siehe oben unter 2.b).
34
b) Diese Pflichtverletzungen haben den von der Klägerin behaupteten Schaden kausal verursacht.
35
aa) Soweit die Entscheidung des Gerichts im Vorprozess falsch ist, entlastet dies den Beklagten nicht. Versäumnisse des Gerichts schließen die Verantwortung des Rechtsanwalts für eigenes Versehen grundsätzlich nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn der Fehler - wie im Streitfall - darin liegt, dass das Gericht die Rechtsprüfung fehlerhaft durchgeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015 - IX ZR 272/14, WM 2016, 180 Rn. 8 mwN). Insbesondere entfällt der Zurechnungszusammenhang nicht, wenn der Anwalt ein Fehlverständnis des Gerichts nicht beseitigt, obwohl ihm dies leicht möglich gewesen wäre (BGH, Urteil vom 17. September 2009 - IX ZR 74/08, WM 2009, 2138 Rn. 18), oder wenn die Fehlentscheidung maßgeblich auf Problemen beruht, deren Auftreten der Anwalt durch sachgemäßes Arbeiten gerade hätte vermeiden sollen (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 15). Das Gericht hat sich im Vorprozess mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht befasst; es hat sie offensichtlich übersehen. Bei pflichtgemäßem Vorgehen des Beklagten hätte dieser hierauf hinweisen müssen und so die Probleme einer falschen Auslegung der AVB vermeiden können.
36
bb) Der Beklagte haftet dem Grunde nach auch für die Folgen des von der Klägerin abgegebenen Anerkenntnisses. Zwar hat die Klägerin das Anerkenntnis aufgrund eines eigenen Willensentschlusses - und nach Behauptung des Beklagten erst nach Beendigung des Mandats - abgegeben. Jedoch haftet ein Anwalt trotz mitwirkender Handlungen des Mandanten, wenn der Anwalt den Mandanten durch seinen Beratungsfehler in eine ungünstige Situation gegenüber dem Gegner gebracht hat; entschließt sich der Mandant in einer solchen Lage, dem Begehren des Gegners nachzugeben und es nicht auf einen Prozess ankommen zu lassen, handelt es sich im Allgemeinen um einen normalen Geschehensablauf, der die Zurechnung bestehen lässt (BGH, Urteil vom 13. März 2003 - IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 855 f unter V.4.b.).
37
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Anerkenntnis der Klägerin gegenüber dem Versicherer beruht wesentlich darauf, dass die Klägerin den Vorprozess verloren hat und das Gericht des Vorprozesses dabei angenommen hat, dass der Zeitwertschaden grundsätzlich keine Baunebenkosten umfasse. Diese - falsche - Entscheidung hat der Beklagte aufgrund der pflichtwidrig unzureichenden Beratung und Vertretung der Klägerin im Vorprozess und der falschen Beratung über die Erfolgsaussichten einer Berufung mitzuverantworten. Die Klägerin hatte danach keine Anhaltspunkte dafür, den vom Versicherer geltend gemachten Bereicherungsanspruch in Zweifel zu ziehen. Angesichts dieser Umstände handelt es sich beim Anerkenntnis nicht um eine ungewöhnliche oder gänzlich unangemessene Reaktion der Klägerin, so dass der Beklagte hierfür haftet.
38
4. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht hat sich - aus seiner Sicht konsequent - mit der Höhe des Schadens nicht befasst. Dies wird nachzuholen sein.
39
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass - was bislang übersehen worden ist - der Beklagte darzulegen und zu beweisen hat, dass dem Versicherer eine höhere Bereicherungsforderung als 99.489 € zustand.
Dies ergibt sich daraus, dass die Beweislastregeln des Vorprozesses auch für den Regressprozess gelten (BGH, Urteil vom 18. November 1999 - IX ZR 420/97, WM 2000, 189, 192; vom 6. Mai 2004 - IX ZR 211/00, WM 2004, 2220, 2221). Der Klägerin stand unstreitig ein Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen in Höhe von 182.041,20 € zu, gegen den sich der Versicherer nur mit der aufrechnungshalber eingewandten Bereicherungsforderung verteidigt hat. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Bereicherungsanspruch aufgrund einer Überzahlung trifft den Gläubiger (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 150/11, NJW 2014, 2275 Rn. 11 mwN); mithin hatte der Versicherer im Vorprozess zu beweisen, dass die gezahlte Zeitwertentschädigung um mehr als die von der Klägerin nunmehr zugestandenen 99.489 € überhöht war. Dementsprechend hat der Beklagte im Regressprozess zu beweisen, dass eine höhere Überzahlung vorlag, weil der beim Zeitwertschaden zu berücksichtigende Anteil der Baunebenkosten tatsächlich geringer ist als die Klägerin behauptet. Bislang hat der Beklagte sich darauf beschränkt, die Behauptungen der Klägerin zur Höhe der im Rahmen des Zeitwertschadens zu ersetzenden Baunebenkosten mit Nichtwissen zu bestreiten. Das ist unerheblich. Da die Darlegungs- und Beweislast bislang verkannt worden ist, ist dem Beklagten Gelegenheit zu geben,
seinen Sachvortrag entsprechend der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast zu ergänzen.
Kayser Gehrlein Vill
Grupp Schoppmeyer

Vorinstanzen:
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 15.11.2011 - 3 O 147/09 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 26.03.2014 - 1 U 152/11 -

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - IX ZR 214/15 zitiert 7 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 675 Entgeltliche Geschäftsbesorgung


(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichte

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 88 Versicherungswert


Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt als Versicherungswert, wenn sich die Versicherung auf eine Sache oder einen Inbegriff von Sachen bezieht, der Betrag, den der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles für die Wiede

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - IX ZR 214/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - IX ZR 214/15 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Apr. 2013 - IX ZR 94/10

bei uns veröffentlicht am 11.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 94/10 Verkündet am: 11. April 2013 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 675; ZPO § 516

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Sept. 2009 - IX ZR 74/08

bei uns veröffentlicht am 17.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 74/08 Verkündet am: 17. September 2009 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 675 Abs. 1, § 280

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2002 - IV ZR 226/01

bei uns veröffentlicht am 11.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 226/01 Verkündet am: 11. Dezember 2002 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja _____________________

Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2003 - IX ZR 181/99

bei uns veröffentlicht am 13.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 181/99 Verkündet am: 13. März 2003 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein EheG a.F. §§ 15a, 17 Abs. 2 (EGBGB n.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2008 - IX ZR 179/07

bei uns veröffentlicht am 18.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 179/07 Verkündet am: 18. Dezember 2008 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 249 Bb, 675

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2015 - IX ZR 272/14

bei uns veröffentlicht am 10.12.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 272/14 Verkündet am: 10. Dezember 2015 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 675 Die V
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - IX ZR 214/15.

Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil, 26. Jan. 2017 - 6 U 56/14

bei uns veröffentlicht am 26.01.2017

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 10. März 2014, Az.: 419 HKO 64/12, wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist

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Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt als Versicherungswert, wenn sich die Versicherung auf eine Sache oder einen Inbegriff von Sachen bezieht, der Betrag, den der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung der versicherten Sache in neuwertigem Zustand unter Abzug des sich aus dem Unterschied zwischen alt und neu ergebenden Minderwertes aufzuwenden hat.

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 226/01 Verkündet am:
11. Dezember 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________
AHB § 1 Ziff. 1; WEG § 14 Nr. 4 Halbsatz 2
1. § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG ist ein Schadensersatzanspruch i.S. von § 1 Ziff. 1
AHB.
2. Der Risikoausschluß für "Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum"
nimmt nur den unmittelbaren Sachschaden, nicht jedoch Folgeschäden von
der Leistungspflicht aus.
BGH, Urteil vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01 - Hans. OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius
und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Dezember 2002

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 21. August 2001 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie verlangen von dem beklagten Haftpflichtversicherer Ersatz für bereits erbrachte sowie Freistellung von noch zu erbringenden Ausgleichszahlungen an einzelne Wohnungseigentümer wegen Beeinträchtigungen des jeweiligen Sondereigentums.
Dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag für Haus- und Grundbesitzer-Haftpflicht liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie Besondere Bedingungen des Beklagten (BB) zugrunde. Unter Teil A "Haus- und

Grundbesitzer-Haftpflicht" der Besonderen Bedingungen ist in Ziff. 4 d zum Umfang des Versicherungsschutzes u.a. vereinbart: "Eingeschlossen sind - abweichend von § 4 Ziff. II 2 AHB in Verbindung mit § 7 Ziff. 1 AHB - .....
2) Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; ..... Ausgeschlossen bleiben Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum." Anläßlich einer Wohnungsrenovierung im Herbst 1998 wurde am gemeinschaftlichen Eigentum echter Hausschwamm festgestellt. Die betroffenen Gebäudeteile wurden saniert, wobei raumweise Zwischendekken entfernt, Balkone abgebrochen, Wandputz abgeschlagen, Teppichböden entfernt und Heizkörper demontiert werden mußten. Die Kosten der Wiederherstellung des Gemeinschaftseigentums sowie der Wohnungen der betroffenen Wohnungseigentümer trugen die Kläger gemeinschaftlich. Weiterhin ersetzten sie der Klägerin zu 20) einen Mietzinsausfall für die Zeit von Mitte November 1998 bis Juli 1999 in Höhe von 10.540 DM, der Klägerin zu 16) Mietzinszahlungen für eine von Oktober 1998 bis Ende April 1999 angemietete Ersatzwohnung in Höhe von 6.896,40 DM sowie der Klägerin zu 21) Transportkosten für zwischenzeitlich ausgelagerte Möbel in Höhe von 1.848,44 DM.

Die Kläger verlangen für diese Zahlungen Ersatz. Außerdem begehren sie Freistellung von weiteren Mietausfallkosten, die die Klägerin zu 20) für die Monate August und September 1999 in Höhe von 2.480 DM ihnen gegenüber geltend macht. Der Beklagte lehnt Leistungen ab, weil insoweit kein Versicherungsschutz bestehe.
In beiden Vorinstanzen hatte die Klage hinsichtlich dieser Positionen Erfolg; weitere, von den Klägern erfolglos geltend gemachte Ersatzansprüche sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hält den Beklagten im ausgeurteilten Umfang für bedingungsgemäß leistungspflichtig. Bei dem allein in Betracht kommenden Anspruch der Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG handele es sich um einen von der Haftpflichtversicherung gedeckten echten Schadensersatzanspruch. Seine verschuldensunabhängige Ausgestaltung und die ihm zugrunde liegenden aufopferungsähnlichen Grundgedanken änderten daran nichts.

Die Mietausfall-, Mietzinszusatz- und Möbeltransportkosten stellten sogenannte unechte Vermögensschäden dar, die zwar im Vermögen des Geschädigten einträten, jedoch adäquat kausal auf einen Sachschaden zurückzuführen seien. Derartige Folgeschäden seien von der Ausschlußklausel in Teil A Ziff. 4 d BB nicht erfaßt. Diese schließe ausdrücklich nur Schäden am Eigentum aus, d.h. an körperlichen Sachen. Folgeschäden würden nicht erwähnt. Die Klausel sei daher aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers so zu verstehen, daß der Ausschluß nur auf den unmittelbaren Sachschaden beschränkt sei.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
II. 1. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es nicht schon an einem den Klägern zuzurechnenden Schadenereignis im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB.
Die Klausel knüpft die Gewährung von Versicherungsschutz zunächst an den Eintritt eines Ereignisses, das einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Versicherungsschutz setzt weiter voraus, daß der Versicherungsnehmer für diese Folge - also etwa den Sachschaden - aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen sind dabei solche, die unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines unter § 1 Ziff. 1 der Bedingungen fallenden Ereignisses Rechtsfolgen knüpfen (std.

Rspr. des BGH, siehe nur Urteil vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99 - VersR 2000, 311 unter II 3 a).
Die Kläger begehren Versicherungsschutz für die Inanspruchnahme durch Wohnungseigentümer, die auf § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG gestützt ist. Unterstellt man, daß diese Vorschrift eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung darstellt, die die Gemeinschaft zum Schadensersatz verpflichtet (siehe dazu nachfolgend unter 3.), kann es sich bei dem Schadenereignis nur um ein solches handeln, das ebendiesen Anspruch auszulösen geeignet ist. Damit scheidet der Schwammbefall von vornherein aus, denn für dessen Folgen haben die Kläger aufgrund des § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG dem jeweiligen Wohnungseigentümer keinen Schadensersatz zu leisten. Gleiches gilt für das Duldungsverlangen an sich.
Als Schadenereignis kommt vielmehr allein der Eingriff in die im jeweiligen Sondereigentum der betroffenen Wohnungseigentümer stehenden Gebäudeteile (Putz, Teppichböden, Heizkörper, Balkonbelag, vgl. dazu allgemein Pick in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl. § 5 Rdn. 27 m.w.N.) in Betracht. Diese Eingriffe waren zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich. Deshalb sind die Wohnungseigentümer gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Diese Eingriffe sind den Klägern auch haftungsrechtlich zuzurechnen. Daran ändert nichts, daß sie bewußt vorgenommen worden sind. Auch ein vom Versicherungsnehmer gewollt herbeigeführtes Ereignis kann ein Schadenereignis sein. Versicherungsschutz besteht allerdings dann

nicht, wenn dies vorsätzlich und widerrechtlich geschehen ist (vgl. § 152 VVG und § 4 I Ziff. 1 AHB). Das war hier jedoch nicht der Fall. Denn die betroffenen Wohnungseigentümer waren gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 1 WEG zur Duldung der - mithin rechtmäßigen - Eingriffe verpflichtet.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung mit privatrechtlichem Inhalt ist. Die an die Eingriffe in das Sondereigentum geknüpfte Rechtsfolge ist vom Willen der Beteiligten unabhängig. Denn die Kläger haften ohne weiteres für die daraus entstehenden Schäden.
3. Der Anspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG ist auch ein Anspruch auf Schadensersatz im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB. Dies ergibt die Auslegung der Klausel.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85; Senatsurteil vom 25. September 2002 aaO unter 2 a). Verbindet allerdings die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff, ist anzunehmen, daß darunter auch die Versicherungsbedingungen nichts anderes verstehen wollen (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa m.w.N.).


b) Ausgangspunkt der Auslegung ist der Klauselwortlaut. Danach setzt Versicherungsschutz unter anderem voraus, daß der Versicherungsnehmer von einem Dritten "auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird". Den Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse führt der Ausdruck Schadensersatz nicht eindeutig in den Bereich der Rechtssprache, weil es dort keinen, in seinen Konturen eindeutig festgelegten Schadensersatzbegriff gibt; in der Umgangssprache umschreibt der Ausdruck Schadensersatz allgemein den Ausgleich eines erlittenen Nachteils (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b bb). Dementsprechend kann der Versicherungsnehmer unabhängig davon, wie die einschlägige gesetzliche Haftpflichtbestimmung diese Rechtsfolge beschreibt, nach § 1 Ziff. 1 AHB Versicherungsschutz jedenfalls dann erwarten, wenn der Anspruch auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet ist (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b cc). Deshalb besteht etwa Versicherungsschutz für einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB, der dieselbe wiederherstellende Wirkung hat wie ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b cc und 5). Gleiches gilt für einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1999 - V ZR 377/98 - VersR 1999, 1139 unter II 2).

c) Nach diesen Grundsätzen sind auch die gegen die Kläger geltend gemachten Ansprüche solche auf Schadensersatz im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB. § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG sieht als Rechtsfolge die Pflicht vor, den durch den Eingriff entstandenen Schaden zu ersetzen. Darauf

finden die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB über Art, Inhalt und Umfang der Schadensersatzleistung uneingeschränkte Anwendung (BayObLG NJW-RR 1994, 1104,1105; KG ZMR 2000, 335 m.w.N.). Zu ersetzen sind danach die Vermögenseinbußen durch zusätzliche Mietzinszahlungen und Möbeltransportkosten, sowie der entgangene Mietzins (§ 249 Abs. 1, 252 BGB).
Daß der Anspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG verschuldensunabhängig ausgestaltet ist und - wie die Regelung zum Notstand in § 904 Satz 2 BGB, der er nachgebildet ist - einen aufopferungsentschädigenden Charakter hat, weil der Geschädigte den Eingriff in sein Eigentum dulden muß (vgl. BayObLGZ 1987, 50; KG aaO; Pick, aaO § 14 WEG Rdn. 60; Lüke in Weitnauer, WEG, 8. Aufl. § 14 Rdn. 8), steht der Einordnung als Anspruch auf Schadensersatz im Sinne des § 1 Ziff. 1 AHB nicht entgegen. Den Bedingungen ist nicht zu entnehmen, daß der Versicherungsschutz auf Schadensersatzansprüche beschränkt sein soll, die ein widerrechtliches und dem Versicherungsnehmer vorwerfbares Verhalten voraussetzen. Dementsprechend ist in der Literatur seit langem einhellig anerkannt, daß Schadensersatzansprüche im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB grundsätzlich auch solche sein können, die - wie etwa die Ansprüche aus §§ 228 Satz 2, 904 Satz 2 BGB - Ersatz für von Dritten zu duldende Beeinträchtigungen gewähren (vgl. Voit in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 1 AHB Rdn. 7; Späte, AHB § 4 Rdn. 205; Littbarski, AHB § 4 Rdn. 369; BK-Baumann, VVG § 149 Rdn. 53; Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl. Band IV Anm. G 58; Wussow, AHB 8. Aufl. § 1 70 u. 76; Sieg, VersR 1984, 1105, 1107).

III. Entgegen der Auffassung der Revision greift auch der Lei- stungsausschluß in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB zugunsten des Beklagten nicht ein. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist die Klausel so zu verstehen, daß nur unmittelbare Sachschäden, nicht jedoch Folgeschäden von der Leistungspflicht ausgenommen sind.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Risikoausschlußklauseln eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, daß er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne daß die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 25. September 2002 aaO unter 2 a und vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a, jeweils m.w.N.). Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof etwa § 4 I Ziff. 6 b AHB, wonach sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden bezieht, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind, so ausgelegt, daß damit nur der unmittelbare Sachschaden von der Leistungspflicht des Versicherers ausgeschlossen ist (BGHZ 88, 228, 231; Senatsurteil vom 17. März 1999 aaO; vgl. auch BGHZ 23, 349, 352 ff.).
2. Zum gleichen Ergebnis führt die Auslegung der Klausel in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB, soweit danach Schäden einzelner Wohnungseigentümer am Sonder- und Teileigentum ausgeschlossen bleiben.

Die Klausel nennt nach ihrem Wortlaut nur Schäden "am" Eigen- tum, sei es Gemeinschafts-, Sonder- oder Teileigentum. Folgeschäden werden nicht erwähnt. Damit ist aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse nur der unmittelbare Sachschaden von dem Ausschluß erfasst. Es kann dahinstehen , ob es sich bei den verwendeten Ausdrücken um fest umrissene Rechtsbegriffe handelt und ob sie deshalb im Sinne der Rechtssprache zu verstehen sind (vgl. dazu Senat, Urteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa m.w.N. und vorstehend unter III 3 a). Denn sowohl in der Rechtssprache als auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden unmittelbare Schäden am verletzten Recht oder Rechtsgut selbst und mittelbare Schäden als Einbußen am sonstigen Vermögen (Vermögensfolgeschäden , unechte Vermögensschäden) unterschieden (vgl. MünchKommBGB-Oetker, 4. Aufl. § 249 Rdn. 94 f.; Staudinger/Schiemann , BGB 13. Bearb. 1998 vor § 249 Rdn. 43 f.; Palandt/Heinrichs, BGB 62. Aufl. vor § 249 Rdn. 15). Dabei wird der Eigentumsbegriff im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch im bürgerlichen Recht auf Sachen , also bewegliche oder unbewegliche körperliche Gegenstände, bezogen (vgl. MünchKommBGB/Holch, 4. Aufl. § 90 Rdn. 7 sowie MünchKommBGB /Säcker, 3. Aufl. § 903 Rdn. 1; Palandt/Bassenge, aaO § 903 BGB Rdn. 2). Nur Beeinträchtigungen der Sachsubstanz selbst sind daher , auch aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, als Schäden "am" Eigentum anzusehen.
Danach erfaßt die Ausschlußklausel in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB Aufwendungen zur Behebung von Schäden an den betroffenen Gebäudebestandteilen. Die streitbefangenen Aufwendungen sind jedoch erst

infolge der Beschädigungen der Sachsubstanz eingetreten. Für derartige mittelbare (Vermögens-) Schäden gilt der Risikoausschluß nach der gebotenen engen Auslegung nicht.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch

Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt als Versicherungswert, wenn sich die Versicherung auf eine Sache oder einen Inbegriff von Sachen bezieht, der Betrag, den der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung der versicherten Sache in neuwertigem Zustand unter Abzug des sich aus dem Unterschied zwischen alt und neu ergebenden Minderwertes aufzuwenden hat.

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Nach a) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsanwalt im Rahmen seines Auftrags verpflichtet, seinen Mandanten vor voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Er hat deshalb, wenn verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, den relativ sichersten Weg zu gehen. Der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt ist mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums verpflichtet , nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGH, Urt. v. 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1866; v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3015 f; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324, 325 Rn. 8).
8
b) Im Zivilprozess obliegt die Beibringung des Tatsachenstoffs in erster Linie der Partei. Der für sie tätige Anwalt ist über den Tatsachenvortrag hinaus verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 1990 - IX ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1241, 1242; vom 20. Januar 1994 - IX ZR 46/93, NJW 1994, 1211, 1213). Daher muss der Rechtsanwalt alles - einschließlich Rechtsausführungen - vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1866). Kann die Klage auf verschiedene rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, ist der Sachvortrag so zu gestalten, dass alle in Betracht kommenden Gründe im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten konkret dargelegt werden (BGH, Urteil vom 7. Februar 2002 - IX ZR 209/00, NJW 2002, 1413). Hat der Anwalt eine ihm übertragene Aufgabe nicht sachgerecht erledigt und auf diese Weise zusätzliche tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hervorgerufen, sind die dadurch ausgelösten Wirkungen ihm grundsätzlich zuzurechnen. Folglich haftet er für die Folgen eines gerichtlichen Fehlers, sofern dieser auf Problemen beruht, die der Anwalt durch eine Pflichtverletzung erst geschaffen hat oder bei vertragsgemäßem Arbeiten hätte vermeiden müssen (BGH, Urteil vom 2. April 1998 - IX ZR 107/97, NJW 1998, 2048, 2050; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 15). Etwaige Versäum- nisse des Gerichts schließen die Mitverantwortung des Rechtsanwalts für eigenes Versehen grundsätzlich nicht aus (BGH, Urteil vom 28. Juni 1990, aaO). Der Verpflichtung, "das Rechtsdickicht zu lichten", ist der Rechtsanwalt folglich nicht wegen der dem Gericht obliegenden Rechtsprüfung ("iura novit curia") enthoben (Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung , 4. Aufl., § 2 Rn. 54).
13
Unabhängig cc) von den an eine sorgfältige Berufungserwiderung zu stellenden Anforderungen war die Beklagte außerdem verpflichtet, auf den Hinweis des Berufungsgerichts im Ausgangsprozess zu reagieren und dabei die der Rechtsauffassung des Gerichts entgegenstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu zitieren. In der mündlichen Verhandlung über die Berufung der Mieter wies das Berufungsgericht darauf hin, dass seiner Ansicht nach eine stillschweigende Abänderung der im schriftlichen Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen über die Nebenkosten nicht in Betracht komme. Es bezog sich dabei auf eine „herrschende Meinung“ und zitierte zwei landgerichtliche Urteile aus den Jahren 1982 und 1989 sowie eine Kommentierung aus dem Jahre 1979 (Sternel, Mietrecht 2. Aufl. 1979 II 72; LG Darmstadt WuM 1989, 582; LG Wuppertal WuM 1982 Heft 11). Bei ordnungsgemäßer Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wäre die Beklagte in der Lage gewesen, auf anderslautende jüngere Rechtsprechung und Literatur hinzuweisen. Konnte sie dies nicht, hätte sie Schriftsatznachlass beantragen, sich in das Problem einarbeiten (vgl. BGH, Urt. v. 22. September 2005 - IX ZR 23/04, WM 2005, 2197, 2198 m.w.N.) und im nachgelassenen Schriftsatz auf den aktuellen Meinungsstand sowie insbesondere die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 hinweisen können. Gemäß § 139 Abs. 5 ZPO soll das Gericht dann, wenn einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich ist, eine Frist bestimmen, in der die Partei die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann. Einen Antrag auf Schriftsatznachlass hat die Beklagte jedoch nicht gestellt.
4
Den Mandatspflichten widerspricht die Annahme des Berufungsgerichts, der Rechtsanwalt dürfe der Anregung eines Kollegialgerichts zur Rechtsmittelrücknahme dann nicht folgen, wenn diese unvertretbar erscheine und der Rechtsweg noch nicht erschöpft sei. Ein solcher Rechtssatz findet sich in der Rechtsprechung einzelner Oberlandesgerichte im Zusammenhang mit der an- waltlichen Stellungnahme zu gerichtlichen Vergleichsvorschlägen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1988, 3269, 3270) oder - wie hier - der gerichtlichen Empfehlung , die Berufung zurückzunehmen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 1. Juni 2001 - 6 U 6/01, bei juris Rn. 39, redaktioneller Leitsatz mit Anmerkung Borgmann abgedruckt in BRAK-Mitt. 2001, 290). Der Bundesgerichtshof hat einen solchen Grundsatz bisher weder aufgestellt noch gebilligt. Er widerspricht vielmehr verschiedenen Aussagen seiner Rechtsprechung, an denen festzuhalten ist. Den Berufungsanwalt trifft die Pflicht, eine vom Gericht im Verlauf der Instanz vertretene Rechtsansicht im Interesse seines Mandanten zu überprüfen, selbst wenn sie durch Nachweise von Rechtsprechung und Schrifttum belegt ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324 Rn. 13 f). Eine solche Rechtsansicht erscheint dann nicht unvertretbar, kann aber trotzdem von Haus aus unrichtig oder überholt sein. Kommt ein solcher Fehler des Gerichts in Betracht, muss der Prozessanwalt die Möglichkeiten der Verfahrensordnung nutzen, um die zu Gunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend zur Geltung zu bringen , wie die Umstände es zulassen. Der Schutz des Mandanten gebietet es, dass diese Tatsachen und Argumente bei der gerichtlichen Entscheidung berücksichtigt werden können (vgl. BGH, aaO Rn. 8). Unterbleibt eine solche Einwirkung auf das Gericht, weil der Mandant einer Rücknahme des Rechtsmittels zustimmt, so handelt der Prozessanwalt nur dann pflichtmäßig, wenn er zuvor den Mandanten zutreffend über die verbleibenden Möglichkeiten aufgeklärt hat, in der Instanz oder durch ein Rechtsmittel den Prozess zu einem günstigeren Ende zu bringen. Der Mandant muss gerade in einer solchen kritischen Lage die wägbaren Prozessaussichten beurteilen können.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

8
b) Im Zivilprozess obliegt die Beibringung des Tatsachenstoffs in erster Linie der Partei. Der für sie tätige Anwalt ist über den Tatsachenvortrag hinaus verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 1990 - IX ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1241, 1242; vom 20. Januar 1994 - IX ZR 46/93, NJW 1994, 1211, 1213). Daher muss der Rechtsanwalt alles - einschließlich Rechtsausführungen - vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1866). Kann die Klage auf verschiedene rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, ist der Sachvortrag so zu gestalten, dass alle in Betracht kommenden Gründe im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten konkret dargelegt werden (BGH, Urteil vom 7. Februar 2002 - IX ZR 209/00, NJW 2002, 1413). Hat der Anwalt eine ihm übertragene Aufgabe nicht sachgerecht erledigt und auf diese Weise zusätzliche tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hervorgerufen, sind die dadurch ausgelösten Wirkungen ihm grundsätzlich zuzurechnen. Folglich haftet er für die Folgen eines gerichtlichen Fehlers, sofern dieser auf Problemen beruht, die der Anwalt durch eine Pflichtverletzung erst geschaffen hat oder bei vertragsgemäßem Arbeiten hätte vermeiden müssen (BGH, Urteil vom 2. April 1998 - IX ZR 107/97, NJW 1998, 2048, 2050; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 15). Etwaige Versäum- nisse des Gerichts schließen die Mitverantwortung des Rechtsanwalts für eigenes Versehen grundsätzlich nicht aus (BGH, Urteil vom 28. Juni 1990, aaO). Der Verpflichtung, "das Rechtsdickicht zu lichten", ist der Rechtsanwalt folglich nicht wegen der dem Gericht obliegenden Rechtsprüfung ("iura novit curia") enthoben (Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung , 4. Aufl., § 2 Rn. 54).
7
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsanwalt im Rahmen seines Auftrags verpflichtet, seinen Mandanten vor voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Er hat deshalb, wenn verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, den relativ sichersten Weg zu gehen. Der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt ist mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums verpflichtet , nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGH, Urt. v. 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1866; v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3015 f; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324, 325 Rn. 8).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 181/99
Verkündet am:
13. März 2003
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
EheG a.F. §§ 15a, 17 Abs. 2 (EGBGB n.F. Art. 13 Abs. 3 S. 2; BGB n.F. § 1310);
Eine vor einem nicht gemäß § 15a Abs. 1 EheG ermächtigten Geistlichen in
Deutschland geschlossene Ehe kann zivilrechtlich nicht allein durch ein Zusammenleben
der Verheirateten als Ehegatten geheilt werden.
BGB §§ 675, 276 Hb, 1310 Abs. 1 (EheG a.F. § 11 Abs. 1)
Den Grundsatz, daß Ehen in Deutschland regelmäßig nur unter Mitwirkung eines
Standesbeamten wirksam geschlossen werden können, muß jeder Rechtsanwalt
beachten, der einen Mandanten in einer eherechtlichen Auseinandersetzung berät.
BGB §§ 675, 249 Bb, 254 Da, 839 Abs. 2 Satz 1 G
Betreibt ein Rechtsanwalt eine Ehescheidungsklage für einen Mandanten, obwohl
dieser erkennbar keine wirksame Ehe geschlossen hatte, so wird die Haftung des
Anwalts für die Schäden, die dem Mandanten aus der Scheidung erwachsen, regelmäßig
nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß auch das Familiengericht das Vorliegen
einer Nichtehe hätte erkennen und deswegen die Scheidungsklage hätte abweisen
müssen.
BGH, Urteil vom 13. März 2003 - IX ZR 181/99 - OLG München
LG Kempten
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Raebel, Dr. Bergmann und

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird - unter Zurückweisung der Revision des Beklagten - das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 18. März 1999 zu III und IV des Ausspruchs teilweise aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Unter weitergehender Abänderung des Urteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. März 1997 wird der Beklagte zusätzlich zum Ausspruch unter II des Berufungsurteils verurteilt, an den Kläger 97.759,01 DM) nebst 4 % Zinsen von 54.974,10 DM) seit 17. September 1996 und von weiteren 42.784,91 "! $#% DM) seit 9. Juni 1998 zu zahlen.
Soweit der Kläger Erstattung eines künftigen Unterhaltsschadens ab 1. Februar 1999 verlangt (Klageantrag zu II, 2. Absatz im Tatbestand des Berufungsurteils), wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz aufgrund des Vorwurfs fehlerhafter anwaltlicher Beratung.
Der Kläger, damals griechischer Staatsangehöriger, ging 1962 vor einem griechisch-orthodoxen Geistlichen in H. die Ehe mit einer Griechin ein. Die Ermächtigung dieses Geistlichen gemäß § 15a EheG a.F. zeigte die griechische Regierung dem deutschen Auswärtigen Amt erst im Jahre 1964 an. 1989 trennte sich der Kläger, inzwischen Arzt und nur deutscher Staatsangehöriger , von der Frau. Er beauftragte den jetzt verklagten Rechtsanwalt mit der Interessenwahrnehmung ihr gegenüber. Der Beklagte erwirkte für den Kläger in Deutschland am 30. Juni 1992 ein Scheidungsurteil, mit dem zugleich der Versorgungsausgleich angeordnet wurde; im selben Termin vereinbarten die Geschiedenen Unterhaltszahlungen des Klägers an die Frau, die unterdessen neben der griechischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Später wurde erkannt, daß die Eheschließung im Jahre 1962 nicht mit § 15a EheG a.F. im Einklang stand. Der Kläger ist der Ansicht, daß er bei richtiger Beratung durch den Beklagten seiner Schein-Ehefrau nichts hätte zahlen müssen. Nach Abweisung seiner Schadensersatzklage durch das Landgericht hat er vor dem Berufungsgericht Ersatz aller von ihm geleisteten und künftig zu leistenden Unterhaltszahlungen, des erbrachten Zugewinnausgleichs sowie aller vergangenen und künftigen Leistungen auf den Versorgungsausgleich verlangt. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten - nur - dazu verurteilt, dem Kläger den aus dem Versorgungsausgleich entstandenen und weiterhin ent-
stehenden Schaden zu ersetzen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt; diejenige des Klägers hat der Senat insoweit nicht angenommen, als jener Ersatz des Zugewinnausgleichs verlangte.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers führt im Umfang ihrer Annahme zur Verurteilung des Beklagten hinsichtlich aller getätigten Unterhaltszahlungen sowie der erbrachten und künftig zu erbringenden Versorgungsausgleichsleistungen; soweit der Kläger Erstattung des Unterhaltsschadens für die Zukunft verlangt, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Revision des Beklagten ist dagegen unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht hat gemeint, die Ehe des Klägers sei wegen fehlender Ermächtigung des griechisch-orthodoxen Geistlichen gemäß § 15a EheG a.F. nach deutschem Recht unwirksam. Eine Heilung dieser "hinkenden Ehe" entsprechend § 17 Abs. 2 EheG a.F. sei nicht möglich. Deshalb habe der Beklagte keinen Scheidungsantrag in Deutschland einreichen dürfen. Sein gegenteiliges , vertragswidriges Vorgehen habe zum Versorgungsausgleich zu Lasten des Klägers geführt, der anderenfalls nicht angeordnet worden wäre.
Dagegen bestehe für den vom Kläger geleisteten Unterhalt kein Ersatzanspruch. Der Kläger habe den Unterhalt trotz fehlender Bedürftigkeit seiner Ehefrau freiwillig bezahlt. Er habe gewußt, daß er seiner Ehefrau auch nach griechischem Recht keinen Unterhalt schulde.
Dies hält der Revision des Klägers nicht in allen Punkten stand.

II.


Die zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau geschlossene Ehe war nach deutschem Recht unwirksam. Dies ist aufgrund der vor dem 1. September 1986 geltenden Vorschriften zu beurteilen, weil die Eheschließung vor diesem Tag stattgefunden hat (Art. 220 Abs. 1 EGBGB). Gemäß Art. 13 Abs. 3 EGBGB a.F. (Abs. 3 Satz 1 n.F.) richtet sich die Form einer Ehe, die im Inland geschlossen wird, grundsätzlich allein nach den deutschen Gesetzen. Danach konnten die Parteien hier eine wirksame Ehe nur vor dem Standesbeamten schließen (§ 11 EheG a.F. = § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.), sofern nicht die Ausnahme des § 15a EheG a.F. (jetzt Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB n.F.) eingriff.
Die Trauung des Klägers am 18. August 1962 in H. vor dem griechisch -orthodoxen Geistlichen entsprach nicht den Voraussetzungen des § 15a EheG a.F., weil es zum Zeitpunkt der Eheschließung an einer ordnungsgemäßen Ermächtigung des Priesters fehlte. Die diesem später erteilte Ermächtigung wirkte nicht zurück. Damit handelt es sich nach deutschem Recht um eine Nichtehe (vgl. BGHZ 43, 213, 222 ff).

Der Fehler der Eheschließung ist auch nicht als geheilt anzusehen. Zur Beurteilung dieser Frage kommt es im vorliegenden Zusammenhang auf den Rechtszustand zur Zeit des Mandats des Beklagten an (vgl. BGHZ 79, 223, 228 ff; Zugehör/Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1103 m.w.N.). Infolgedessen ist die durch Art. 226 Abs. 3 EGBGB auch für die Heilungsmöglichkeit nach § 1310 Abs. 3 BGB n.F. angeordnete Rückwirkung hier bedeutungslos. Vor dem 1. Juli 1998 war die Heilung einer solchen Nichtehe von Rechts wegen nicht möglich. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, daß ein vom Kläger eingeleiteter Prozeß auf Feststellung der Ehenichtigkeit (dazu s.u. III 1) so lange gedauert hätte, daß sich die spätere Gesetzesänderung noch darauf hätte auswirken können (vgl. dazu im übrigen unten 4 b).
Zwar war die vor dem griechisch-orthodoxen Geistlichen geschlossene Ehe des Klägers nach griechischem Recht wirksam, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Es fehlt jedoch eine gesetzliche Regelung, die eine solche "hinkende Auslandsehe" in Deutschland zivilrechtlich wirksam werden läßt. Eine solche Norm kann weder im Wege der Auslegung noch im Wege der Lückenergänzung gefunden werden.
1. § 15a EheG a.F. regelte nur die Voraussetzungen, unter denen eine Ehe auch ohne Mitwirkung eines Standesbeamten geschlossen werden konnte. Die Norm enthielt keine Vorschrift, derzufolge eine unter Verstoß gegen die dort geregelten Voraussetzungen geschlossene Ehe geheilt werden könnte. Insbesondere sah sie keine Heilung vor, wenn die Person, welche die Trauung vornahm, nicht ordnungsgemäß ermächtigt war.
2. Auch § 11 Abs. 2 EheG a.F. (§ 1310 Abs. 2 BGB n.F.) führt nicht dazu , daß die Ehe des Klägers als gültig anzusehen wäre. Nach dieser Vorschrift ist eine Ehe voll gültig, die vor einem Schein-Standesbeamten geschlossen wurde, sofern dieser die Ehe in das Familienbuch eingetragen hat. Eine direkte Anwendung kommt hier nicht in Betracht, weil eine gesetzgeberische Anordnung fehlt, daß diese Norm auch auf Eheschließungen nach § 15a EheG a.F. anzuwenden sei. Ob eine entsprechende Anwendung möglich ist, kann offenbleiben. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein nicht formell ermächtigter griechischorthodoxer Geistlicher als ein Schein-Standesbeamter anzusehen ist. Denn die vor ihm die Ehe Schließenden halten ihn gar nicht für einen Standesbeamten, sondern glauben unabhängig davon an dessen Befugnis, in Deutschland Ehen zu schließen. Jedenfalls ist die Ehe des Klägers hier nicht in das Familienbuch eingetragen worden. Die erst 1995 vollzogene Eintragung in ein standesamtliches Register in Griechenland ist hinsichtlich der heilenden Wirkung nicht mit dem deutschen Familienbuch gleichzusetzen; nach griechischem Recht war die Eheschließung ohnehin wirksam. Es ist auch nichts zur Bedeutung dieses Registers dargetan. In ein deutsches Register wurde die Ehe gerade nicht eingetragen.
3. § 17 Abs. 2 EheG a.F. ermöglicht eine Heilung dieser Ehe ebenfalls nicht. Danach war zwar eine Ehe - obwohl die sie begründende Eheschließung nicht in der durch § 13 EheG vorgesehenen Form stattgefunden hatte - als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre als Ehegatten miteinander gelebt hatten, es sei denn, daß eine Nichtigkeitsklage erhoben war. Diese Vorschrift galt aber ausdrücklich nur für die Heilung von Formmängeln im Sinne des § 13 EheG a.F. (vgl. Staudinger /Strätz, BGB 13. Bearb. § 1310 Rn. 11), dessen erster Absatz als Form der
Eheschließung bestimmte, daß die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen (nunmehr § 1311 BGB n.F.). Um diese Form der Erklärungen der Verlobten geht es hier nicht. Eine Ehe, die gar nicht vor einem Standesbeamten geschlossen wird, verstößt nicht - nur - gegen die Formvorschriften des § 13 EheG a.F., sondern gegen den Grundsatz der obligatorischen Zivilehe. Dieser war in § 11 EheG a.F. (jetzt § 1310 Abs. 1 BGB n.F.) geregelt, auf den § 17 EheG a.F. gerade nicht Bezug nahm.
Eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 2 EheG a.F. auf eine gegen § 15a EheG a.F. verstoßende Ehe scheitert jedenfalls daran, daß damit die engen Voraussetzungen umgangen würden, die § 11 Abs. 2 EheG a.F. (siehe oben 2.) für eine Wirksamkeit gerade einer vor einem NichtStandesbeamten geschlossene Ehe vorsah. § 17 Abs. 2 EheG a.F. baut auf der Voraussetzung auf, daß die Eheleute wenigstens vor dem als allein befugt angesehenen Standesbeamten gehandelt haben. Damit fehlt es für eine entsprechende Anwendung auf den Fall einer Eheschließung vor einer nicht ordnungsgemäß ermächtigten Person an der Vergleichbarkeit der Interessenlagen. § 17 Abs. 2 EheG war nicht für den Fall gedacht, daß die Eheschließung den Grundsatz der obligatorischen Zivilehe verletzt. Folgerichtig nahm § 15a EheG a.F. den § 17 EheG a.F. auch ausdrücklich von der Anwendung aus.
Im übrigen ließe sich eine Analogie zu § 17 Abs. 2 EheG a.F. - einer Norm des Sachrechts - nicht ohne weiteres auf "hinkende" Ehen beschränken, sondern müßte alle in Deutschland nicht standesamtlich geschlossenen Ehen in Betracht ziehen. Dies würde zu einer weitgehenden Auflösung des staatli-
chen Eheschließungsrechts führen und damit gegen einen wesentlichen Grundsatz des deutschen Eherechts verstoßen.
4. Allein das etwa 26 Jahre dauernde Zusammenleben des Klägers mit seiner Schein-Ehefrau - beide haben eine gemeinsame, inzwischen erwachsene Tochter - reicht nicht aus, um den Mangel der Eheschließung auszugleichen.

a) § 11 EheG a.F. lag - ebenso wie Art. 13 Abs. 3 EGBGB a.F. - die Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde, eine im Inland geschlossene Ehe nur dann als wirksam anzusehen, wenn sie vor dem Standesbeamten geschlossen wurde. Dieser Gleichlauf von Inlandstrauung und Inlandsform (so jetzt auch § 1310 Abs. 1 BGB n.F.) beruht auf einer für den Richter bindenden Wertentscheidung des Gesetzgebers. Danach soll bei einer Inlandstrauung dem Grundsatz der obligatorischen Zivilehe eine größere Bedeutung eingeräumt werden als dem gemeinsamen Ehewillen. Die Mitwirkung des Standesbeamten wurde als das entscheidende Merkmal angesehen, um die Ehe von einem Tatbestand abgrenzen zu können, der keine Eheschließung darstellt (vgl. Begründung zum EheG 1938, Deutsche Justiz 1938, S. 1102, 1104). Eine Heilung der Nichtehe war danach bewußt nicht vorgesehen.
Diese - in das Ehegesetz von 1946 unverändert übernommene - Regelung ist nicht spezifisch nationalsozialistisch geprägt (so auch Hepting IPRax 1994, 355, 359). Zwar hob die Begründung zum Ehegesetz 1938 darauf ab, daß die Mitwirkung des Staates bei der Eheschließung es bewirke, "die Eheschließung wegen ihrer über das Individualinteresse der Ehegatten weit hinausreichenden Bedeutung für die Volksgemeinschaft aus dem Kreis der rein
privatrechtlichen Verträge herauszuheben" (Begründung aaO S. 1102). Hiervon hängt aber der Gedanke einer obligatorischen Zivilehe nicht entscheidend ab. Dies zeigt sich bereits an den in der Sache übereinstimmenden Vorläuferbestimmungen in §§ 1317 Abs. 1, 1319 BGB in der Fassung von 1896 und in § 41 PStG von 1875 (vgl. Hepting aaO S. 358 f; Staudinger/Strätz, aaO § 1310 Rn. 1).

b) Diese gesetzgeberische Wertung besteht fort. Das Gesetz zur Neuregelung des internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 (BGBl I 1142) hat in Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB den Grundsatz des Gleichlaufs von Inlandstrauung und Inlandsform bestätigt. Satz 2 dieser Vorschrift übernahm bewußt nur die begrenzte Ausnahmeregelung des § 15a EheG (amtliche Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 10/504 S. 53). Weitere Ausnahmen wurden in Kenntnis der möglichen Folgen für Nichtehen und insbesondere unter ausdrücklicher Erwähnung "hinkender" Ehen von Griechen (amtliche Begründung, aaO) ausgeschlossen; hierfür wurde die in Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB übernommene Regelung des § 15a EheG a.F. als hinreichende Auflockerung angesehen.
Endlich hat das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998 (BGBl I S. 833) die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten der obligatorischen Zivilehe mit der Gestaltung des § 1310 BGB n.F. erneut bestätigt. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift kann eine ohne Mitwirkung eines Standesbeamten eingegangene Ehe auch dann als geschlossen gelten, wenn ein Standesbeamter wenigstens die Ehe in das Heirats- oder Familienbuch oder im Zusammenhang mit der Beurkundung der Geburt eines gemeinsamen Kindes
der Ehegatten in das Geburtenbuch eingetragen oder den Ehegatten eine in Rechtsvorschriften vorgesehene Bescheinigung betreffend eine Erklärung über die Wirksamkeit der Ehe erteilt hat. Das bloße, mehrjährige Zusammenleben der Ehegatten ist zwar zusätzliche Voraussetzung, genügt aber allein nicht. Bei der Fassung dieser Vorschrift wurden gerade auch die Fälle "hinkender" Ehen bedacht (amtliche Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts, BT-Drucks. 13/4898 S. 17). Wegen der durch Art. 226 Abs. 3 EGBGB angeordneten Rückwirkung dieser Vorschrift wurde § 1310 Abs. 3 BGB n.F. als ausreichende Heilungsvorschrift für bereits zuvor fehlerhaft geschlossene Ehen angesehen. Demnach hat der Gesetzgeber die Frage, ob und unter welchen Umständen Nichtehen geheilt werden können, gesehen und entschieden. Liegen die Voraussetzungen des § 1310 Abs. 3 BGB n.F. - wie hier - nicht vor, so sind die Interessen der Ehegatten an einer Heilung durch bloßen Zeitablauf gegenüber den Interessen des Staates am Grundsatz der obligatorischen Zivilehe nachrangig. Ohne die qualifizierte Mitwirkung eines Standesbeamten kommt eine Heilung nicht in Betracht. Das bloße Zusammenleben als Ehegatten genügt dazu weiterhin nicht.

c) Eine Heilung unwirksamer Ehen allein durch bloßes Zusammenleben ist auch bisher nicht in Urteilen oberster Bundesgerichte angenommen worden. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 5. April 1978 - IV ZR 71/77, FamRZ 1983, 450, 451) und das Bundessozialgericht (NJW 1979, 1792) sind zwar von einer Heilung formnichtiger Ehen ausgegangen, die unter Mitwirkung beider Eheleute wenigstens in ein deutsches standesamtliches Heiratsregister eingetragen worden waren. Daran fehlt es aber hier gerade.
5. Aus Art. 6 Abs. 1 GG läßt sich keine allgemeine Heilung der Nichtehe herleiten. Die gesetzgeberische Wertung, Inlandsehen nur in der Inlandsform zuzulassen und bei Abweichungen eine Heilung nicht ohne Beteiligung einer zuständigen deutschen Stelle vorzusehen, hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Der grundgesetzlich garantierte Schutz der Ehe fordert nicht die - wenigstens teilweise - Anerkennung von Nichtehen für die Zwecke des Versorgungsausgleichs oder des nachehelichen Unterhalts. Eine solche Anerkennung würde notwendigerweise zu Lasten eines der (Nicht-)Ehegatten gehen. Das Interesse des einen Ehegatten am (Nicht-)Bestand der Scheinehe verdient nicht allgemein weniger Schutz als das Vertrauen des anderen Ehegatten auf den Bestand seiner vermeintlichen Ehe.
Zwar steht auch eine "hinkende" Ehe grundsätzlich unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG (BVerfGE 62, 323, 331). Eine nicht den Regeln der bürgerlich -rechtlichen Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft kann aber nur dann der Ehe gleichgestellt werden, wenn anderenfalls die Form der Eheschließung zum Selbstzweck würde (BVerfG NJW 1993, 3316, 3317). Die Mitwirkung des Standesbeamten hat den Zweck, die im Hinblick auf die Bedeutung der Ehe erforderliche Mitwirkung des Staates an der Eheschließung sicherzustellen. Diese Mitwirkung ist vor allem für die Prüfung der Ehevoraussetzungen und -hindernisse von Bedeutung. Sie soll auch die Offenkundigkeit der Eheschließung und damit die Klarheit der Rechtsverhältnisse gewährleisten. Diesem Ordnungselement kommt entscheidende Bedeutung zu. Deshalb hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Form einer Eheschließung (vgl. BVerfGE 29, 166, 176 f). Ebenso steht dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht die Regelung frei, unter welchen Voraussetzungen die Heilung einer unter Verletzung des Prinzips der obligatorischen
Zivilehe geschlossenen, "hinkenden" Ehe möglich ist. Läßt er dazu - wie jetzt in § 1310 Abs. 3 BGB - nur die Mitwirkung eines Standesbeamten ausreichen, handelt es sich insoweit nicht nur um eine Formalie (so aber OLG Köln IPRax 1994, 371, 372). Vielmehr schafft erst diese Mitwirkung ein schutzwürdiges Vertrauen in die Bestandskraft der Ehe. Eine solche Heilungsmöglichkeit ist als abschließend gedacht (Wagenitz/Bornhofen, Handbuch des Eheschließungsrechts 2. Teil 4. Abschnitt Rn. 39 ff, insbesondere Rn. 45).
Dem steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wirkung der "hinkenden" Ehe im Sozialrecht (BVerfGE 62, 323 ff) nicht entgegen. Deren Begründung stützt sich maßgeblich auf den sozialrechtlichen Aspekt der Hinterbliebenenversorgung (aaO S. 332 f); dies führt letztlich zu einem besonderen Ehebegriff des Sozialrechts (Staudinger/von Bar/Mankowski, BGB 13. Bearbeitung Art. 13 EGBGB Rn. 532 ff m.w.N.). Der vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fall betrifft das Verhältnis der Ehegatten oder eines überlebenden Ehegatten zu Dritten, insbesondere staatlichen Organen. Eine entsprechende Auslegung des Ehebegriffs familienrechtlicher Normen, die auch eine "hinkende" Ehe einschlösse, wird dadurch nicht vorgegeben. Was für den Schutzbereich der staatlichen Sozialversicherung gilt, läßt sich nicht ohne weiteres auf den zivilrechtlichen Ausgleich zwischen Schein-Ehegatten übertragen. Diese befinden sich potentiell jeweils in der gleichen Ausgangslage : So wie jeder der Schein-Ehegatten im Einzelfall ein Interesse daran haben kann, daß die nicht bestehende Ehe als wirksam angesehen wird, kann er in anderen Zusammenhängen ein Interesse daran haben, daß die Verbindung als Nichtehe behandelt wird.
6. Endlich steht hier nicht schon aufgrund des rechtskräftigen Schei- dungsurteils aus dem Jahre 1992 fest, daß die Eheschließung des Klägers als wirksam zu behandeln sei. Denn im Scheidungsprozeß ist das Bestehen einer wirksamen Ehe nur eine Vorfrage, die nicht von der materiellen Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) des Scheidungsurteils erfaßt wird (vgl. MünchKommBGB /Müller-Gindullis, 3. Aufl. § 11 EheG Rn. 19; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht 3. Aufl. § 1564 Rn. 23; LG Bonn IPRax 1985, 353 mit zust. Anm. von Henrich).

III.


1. Aufgrund der zuvor dargestellten Rechtslage (s.o. II) hätte der Beklagte bei seiner Beauftragung im Mai 1991 dem Kläger raten müssen, jedenfalls vorrangig auf Feststellung des Nichtbestehens einer Ehe gemäß § 638 ZPO a.F. (§ 632 ZPO n.F.) - statt auf deren Scheidung - zu klagen, weil dies die für den Kläger günstigste Lösung war. Sie hätte - anders als eine Ehenichtigkeitsklage (§ 26 EheG a.F., § 1318 BGB n.F.) - zur Folge gehabt, daß zwischen dem Kläger und der ihm angetrauten Frau nach deutschem Recht keinerlei familienrechtliche Bindungen bestanden hätten. Rechtlich und wirtschaftlich hätte dies dem Kläger persönlich erhebliche Vorteile, aber keine wesentlichen Nachteile gebracht. Er wollte, soweit dargetan, als selbständig tätiger Arzt nicht seinerseits vermögensrechtliche Ansprüche gegen seine Schein-Ehefrau erheben. Statt dessen mußte er besorgen, daß diese im Falle einer Ehescheidung bestrebt sein würde, vermögensrechtliche Folgen aus der vermeintlichen Ehe zu ziehen, zumal sie schon 60 Jahre alt, nicht mehr berufstätig und körperbehindert war.


a) Der Kläger hatte nach den Feststellungen des Landgerichts allerdings das Ziel, "möglichst bald aus der Ehe loszukommen". Dieses Ziel war jedoch, anders als das Landgericht gemeint hat, mit der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Ehe nicht wesentlich langwieriger zu erreichen als mit einer Ehescheidungsklage.
Eine solche Klage bot objektiv keine zuverlässige Aussicht auf eine erhebliche Abkürzung der eherechtlichen Auseinandersetzung. Denn bei der Feststellungsklage waren weder Trennungsfristen (§ 1565 Abs. 2 BGB) noch Folgesachen im Verbund mit einer Ehescheidung (§§ 628, 629 ZPO) zu beachten. Zwar hätte im Rahmen einer Feststellungsklage berücksichtigt werden müssen, daß ein solches Verfahren wegen rechtlicher Zweifel an einer Heilung der formfehlerhaften Eheschließung (s.o. II) bis in die dritte Instanz betrieben werden würde. Eine vergleichbare Verzögerung war aber auch im Falle einer Ehescheidung nicht auszuschließen. Abgesehen davon, daß das Familiengericht möglicherweise die Unwirksamkeit der Ehe erkennen könnte, lag eine Verzögerung aus tatsächlichen Gründen nahe, falls die Parteien des Scheidungsrechtsstreits sich nicht über alle Folgesachen einigen würden. Bei dem Kläger als freiberuflich Tätigem konnte eine Aufklärung der wirtschaftlich erheblichen Tatsachen erfahrungsgemäß eine längere Zeit dauern. Der spätere, mehrjährige Prozeß des Klägers mit seiner geschiedenen Frau über den Zugewinnausgleich bestätigt eine solche Erfahrung.

b) Daß die vor dem griechisch-orthodoxen Geistlichen abgeschlossene Ehe nach griechischem Recht voll wirksam war und hieran möglicherweise auch ein in Deutschland zu erwirkender gerichtlicher Ausspruch auf Nichtigkeit
der Ehe nichts geändert hätte, stand dem Vorschlag einer solchen Feststellungsklage nicht entgegen. Soweit es um die eherechtliche Bindung ging, brauchte der Kläger, der inzwischen nur noch deutscher Staatsangehöriger war, die Rechtslage in Griechenland nicht besonders zu berücksichtigen. Vermögensrechtliche Folgen einer nach griechischem Recht fortwirkenden Ehe hätte er in Deutschland aufgrund des vorausgehenden Feststellungsurteils nach Maßgabe des Art. 3 Nr. 1 Halbs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 des deutschgriechischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages vom 4. November 1961 (BGBl 1963 II, S. 110) oder - insbesondere für Unterhalt - gemäß Art. 27 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EuGVÜ grundsätzlich abwehren können. Dafür, daß ihn mögliche Folgen in Griechenland beeinflußt hätten, ist nichts dargetan. Einer zusätzlichen Ehescheidungsklage in Griechenland bedurfte es aus seiner Sicht nicht.
2. Der objektiv fehlerhafte Rat des Beklagten, eine Ehescheidungsklage zu erheben, beruhte auf Fahrlässigkeit. Unstreitig wußte er, daß der Kläger im Jahre 1962 in Deutschland - nur - vor einem Geistlichen geheiratet hatte. Er hat selbst mit Schreiben vom 23. Mai 1991 bei der Stadtverwaltung H. angefragt , ob die kirchlich geschlossene Ehe im Personenstandsregister des Standesamtes H. eingetragen war (Anlage K 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 12. Oktober 1998, S. 3 f). Ferner wurde in der vom Beklagten eingereichten Scheidungsklage der Antrag wie folgt gefaßt: "Die am 18.08.62 vor dem Pfarramt der griechisch-orthodoxen Kirche in H. geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden".
Den in Deutschland geltenden Grundsatz der obligatorischen Zivilehe (§ 11 Abs. 1 EheG a.F., § 1310 Abs. 1 BGB n.F.) muß jeder Rechtsanwalt be-
achten, der einen Mandanten bei einer eherechtlichen Auseinandersetzung berät. Eine erkannte Abweichung davon muß ihm Anlaß zur Nachprüfung geben , ob die Ehe wirksam zustande gekommen ist. Hierbei hätte der Beklagte auf § 15a EheG a.F. (nunmehr § 1310 Abs. 3 BGB) stoßen und erwägen müssen , ob die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift erfüllt waren. Der Kurzkommentar von Palandt/Diederichsen (BGB 50. Aufl./1991, § 15a EheG Rn. 4) enthielt dazu den Hinweis, daß nur diejenigen griechisch-orthodoxen Geistlichen in Deutschland zur Eheschließung ermächtigt seien, die in der Verbalnote der griechischen Regierung benannt seien; insoweit wurde auf den Abdruck dieser Verbalnote (vom 15. Juni 1964) in der Zeitschrift "Das Standesamt" 1965, Seite 15 hingewiesen. Dieser Veröffentlichungszeitpunkt lag erheblich später als die hier fragliche Eheschließung. Ferner wurde in der Kommentarstelle auf die Entscheidung BGHZ 43, 222 dafür verwiesen, daß eine spätere Ermächtigung keine rückwirkende Kraft habe.
Eine fahrlässige Vertragsverletzung vermag der Beklagte nicht durch die Behauptung in Frage zu stellen, er habe den Kläger darauf hingewiesen, daß er - Beklagter - das griechische Recht nicht kenne. Denn im vorliegenden Zusammenhang geht es allein um die Anwendung deutschen Rechts.
3. Da der Beklagte jedenfalls vorrangig den Rat schuldete, eine Feststellungsklage auf Nichtbestehen der Ehe zu erheben, spricht die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (vgl. hierzu BGHZ 123, 311, 315 ff; weitere Nachweise bei Zugehör/Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1049 bis 1052) dafür, daß der Kläger einem solchen Rat gefolgt wäre. Es ist nichts dargetan , was diese auf der eindeutigen Interessenlage des Klägers (s.o. 1) beruhende Vermutung erschüttern könnte.

4. Der von der Vertragsverletzung des Beklagten ausgehende Zurechnungszusammenhang ist - auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12. August 2002 (NJW 2002, 2937) - nicht dadurch unterbrochen worden, daß das angerufene Familiengericht die Unwirksamkeit der Eheschließung ebenfalls übersehen hat. Denn der im Interesse des Klägers tätige Beklagte hatte vor allen anderen die Aufgabe, die seinem Mandanten günstigste Klage zu erheben. Mit der Wahl der Klageart übte er den entscheidenden Einfluß auf die weitere rechtliche Gestaltung aus, weil der deutsche Zivilprozeß der Parteiherrschaft unterliegt.
Zwar hätte das Familiengericht die ihm vorgegebene Ehescheidungsklage abweisen müssen, weil eine gar nicht bestehende Ehe nicht geschieden werden kann. Dieser mitwirkende Fehler des Gerichts verdrängt aber nicht denjenigen des Beklagten. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln haben bei mitwirkender Schadensverursachung zum Schutz des Geschädigten die mehreren Schädiger gemeinsam den angerichteten Schaden zu ersetzen (s.u. V 4 c). Der Umstand, daß der daraus üblicherweise folgende Innenausgleich (§§ 426, 254 BGB) hier durch das Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB gestört wird, kann nicht dazu führen, daß die durch zwei nebeneinander handelnde Organe der Rechtspflege geschädigte Partei regelmäßig keinen Ersatz ihres Schadens erlangen könnte.
Etwas anderes ist nach allgemeinen zivilrechtlichen Abwägungsgrundsätzen allenfalls anzunehmen, falls der Schadensbeitrag des Gerichts denjenigen des anwaltlichen Parteivertreters so weit überwiegt, daß dieser daneben ganz zurücktritt. Das traf hier nicht zu. Aufgrund der zu § 254 BGB entwickelten
Regeln ist - wie zum Beispiel auch bei der Abwägung von Schadensbeiträgen mehrerer Rechtsanwälte untereinander - darauf abzustellen, ob die Verhaltensweise eines Beteiligten den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat als das Verhalten des anderen (BGH, Urt. v. 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87, VersR 1988, 1238, 1239). Im vorliegenden Falle verantwortete zwar der Familienrichter allein das Ehescheidungsurteil mit der Anordnung des Versorgungsausgleichs. Keinesfalls in geringerem Maße hat zu dem vom Kläger erlittenen Schaden aber der vom Beklagten vertragswidrig fehlgestaltete Prozeß beigetragen, der erst die Gefahrenlage schuf, in welcher sich der Fehler des Gerichts auswirken konnte. Gericht und Beklagten traf zudem derselbe Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit.
Im übrigen wäre mit einer Abweisung der Scheidungsklage allein eine Belastung des Klägers mit Getrenntlebensunterhalt (§ 1361 BGB) nicht zu vermeiden gewesen. Zur Begründung der nachehelichen Unterhaltsverpflichtung hat der Beklagte durch seine Mitwirkung beim Vergleichsabschluß beigetragen (s.u. V 4).
Darüber hinaus hat der Beklagte auch nach dem Scheidungsurteil vertragswidrig Maßnahmen unterlassen, die den Schadenseintritt - einschließlich der Übertragung von Versorgungsanwartschaften - hätten verhindern können. Er hätte die Scheidungsklage noch innerhalb der Rechtsmittelfrist wirksam zurücknehmen können. Statt dessen hat er dabei mitgewirkt, daß im Termin vom 30. Juni 1992 vor dem Familiengericht hinsichtlich des Scheidungsausspruchs auf Rechtsmittel verzichtet wurde.
Ferner hätte der Beklagte - für den Kläger - auch nach Rechtskraft des Ehescheidungsurteils das Nichtbestehen der Ehe im Wege der Feststellungsklage weiter geltend machen können. Denn wird eine Nichtehe versehentlich geschieden, so wird damit weder festgestellt, daß die Ehe vorher bestanden hat, noch kommt dem Ausspruch anderweit rechtserzeugende Kraft zu (s.o. II 5; ferner Henrich in Anm. FamRZ 1987, 950; a.M. - ohne Begründung - von Schwind RabelsZ Bd. 38 [1974], 523, 529). Sogar für den Fall eines Eheaufhebungsgrundes im Sinne von §§ 28, 29 EheG a.F. (§§ 1313 ff BGB n.F.) hatte ein Scheidungsurteil nicht die Wirkung, daß sich der geschiedene Ehegatte nicht nachträglich auf das sich aus § 37 Abs. 2 EheG a.F. ergebende, für den Aufhebungsgrund spezifische Ausschlußrecht hätte berufen dürfen (BGHZ 133, 227, 233 f). Für den Fall einer von Anfang an nicht bestehenden Ehe gilt das erst recht.
5. Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten sind nicht verjährt.
Zwar ist die dreijährige Verjährungsfrist des § 51 BRAO a.F. (§ 51b BRAO n.F.) abgelaufen. Denn ein Schaden des Klägers trat - erst - mit der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 1992 und dem an diesem Tage abgeschlossenen Vergleich ein. Die dreijährige Verjährungsfrist lief folglich am 30. Juni 1995 ab, während die hier vorliegende Klage erst am 11. November 1996 eingereicht und am 27. November 1996 zugestellt wurde.
Jedoch hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß sich der Beklagte auf den Ablauf dieser Verjährungsfrist nach den Grundsätzen der Sekundärverjährung (BGHZ 94, 380, 384 ff; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaf-
tung Rn. 1252 ff m.w.N.) nicht berufen kann. Denn der Beklagte hatte Anlaß, noch vor Beendigung seines Mandats den Kläger auf den vorangegangenen Beratungsfehler hinzuweisen. Spätestens als er während des Zugewinnausgleichsverfahrens im Jahre 1994 die Fehlerhaftigkeit der Eheschließung erkannte , hätte der Beklagte darauf hinweisen müssen, daß seine eigene Haftung wegen des Betreibens der Ehescheidungsklage und des Abschlusses des Unterhaltsvergleichs vom 30. Juni 1992 in Betracht kam. Da er dies schuldhaft unterlassen hat, schloß sich eine zweite Verjährungsfrist an, die bis zum 30. Juni 1998 lief. Innerhalb dieser Frist ist auch der Schriftsatz des Klägers vom 4. Juni 1998 zugestellt worden, mit dem der erhöhte Anspruch auf Ersatz eines Unterhaltsschadens angekündigt wurde.

IV.


Hätte der Beklagte den Kläger richtig beraten (s.o. III 1), so wäre zu dessen Lasten kein Versorgungsausgleich durchgeführt worden (§ 249 BGB). Dieser knüpft nach §§ 1587 ff BGB an eine Ehescheidung an, zu der es im Falle des Nichtbestehens einer Ehe von Rechts wegen nicht kommen kann. Das griechische Recht kennt, soweit dargetan, einen Versorgungsausgleich insgesamt nicht.
Sogar für den Fall, daß in Griechenland die Ehefrau eine Ehescheidung erwirkt hätte, wäre ein Versorgungsausgleich in Deutschland trotz Art. 17 Abs. 3 EGBGB (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 30. September 1992 - XII ZB 100/89, NJW 1992, 3293, 3294 f) nicht durchzuführen gewesen. Denn auch diese Vorschrift setzt voraus, daß eine Ehe bestanden hat.

Dies ist insoweit wiederum nach deutschem Recht zu beurteilen. Die Vorfrage, ob eine Ehe besteht, ist im Rahmen des Art. 17 Abs. 3 EGBGB nach herrschender Ansicht gemäß dem Recht des Urteilsstaates anzuknüpfen (Soergel/Schurig, BGB 12. Aufl. Art. 17 EGBGB Rn. 9; Staudinger/ von Bar/Mankowski, aaO Art. 17 EGBGB Rn. 73 und 292 m.w.N.). Jene Kollisionsnorm setzt eine wirksam zustande gekommene Ehe voraus. Aber auch eine unselbständige Anknüpfung gemäß dem Scheidungsstatut (vgl. Johannsen /Henrich aaO Art. 17 EGBGB Rn. 53 ff) würde hier zu keinem anderen Ergebnis führen, weil ein Versorgungsausgleich nur auf der Grundlage deutschen Rechts hätte durchgeführt werden können (vgl. Art. 14 Abs. 1 EGBGB).
Dementsprechend beruht diese Rechtsfolge allein auf der fehlerhaften Beratung durch den Beklagten. Er hat daran nach der gerichtlichen Anordnung des Versorgungsausgleichs insbesondere noch durch die Erklärung des Rechtsmittelverzichts mitgewirkt (s.o. III 4).

V.


Wegen seiner Unterhaltsverpflichtung aufgrund des Vergleichs vom 30. Juni 1992 kann der Kläger im Wege des Schadensersatzes vom Beklagten Zahlung - in Höhe von insgesamt 191.200 DM (97.759,01 & - wegen derjeni- gen Raten verlangen, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Januar 1999) an die Ehefrau geleistet worden sind. Es handelt sich um monatlich 2.560 DM für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis
31. Januar 1997 und monatlich 2.100 DM seither. Wegen der späteren Raten bedarf es hingegen ergänzender Feststellung (s.u. 5).
1. Auch in bezug auf die Ehefolgesache Unterhalt bestand zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis. Durch seine fehlerhafte Beratung (s.o. III 1) hat der Beklagte seine Vertragspflichten insoweit schuldhaft verletzt.

a) Nach deutschem Recht war der Kläger aufgrund der nicht bestehenden Ehe nicht unterhaltspflichtig, weil die §§ 1569 ff BGB eine wirksame Ehe voraussetzen. Zwar hätte die Schein-Ehefrau des Klägers möglicherweise für ihre Mitwirkung bei Aufbau und Betrieb seiner Arztpraxis Ausgleichsansprüche auf gesellschafts- oder bereicherungsrechtlicher Grundlage oder in entsprechender Anwendung der §§ 611, 612 BGB geltend machen können. Darum geht es hier aber nicht. Denn als der Unterhaltsvergleich abgeschlossen wurde , arbeitete die Schein-Ehefrau nicht mehr in der Praxis des Klägers. Zu fortlaufendem Unterhalt für die Zukunft wäre der Kläger keinesfalls verpflichtet gewesen. Hiernach kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, daß auch für Rechtsgrund und Umfang solcher Ausgleichsansprüche im einzelnen im vorliegenden Rechtsstreit nichts Konkretes vorgetragen worden ist.

b) Nach griechischem Recht bestand ein Anspruch der Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt aufgrund des Vortrags der Parteien ebenfalls nicht. Dies ist aus Rechtsgründen nicht angreifbar. Nach den insoweit nicht angefochtenen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. B. in seinem Gutachten vom 13. Mai 1998 sehen die Art. 1442 und 1443 des griechischen Zivilgesetzbuchs einen Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau nur vor, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Einkünfte oder Vermögen
sicher stellen kann. Um den eigenen Unterhalt zu decken, ist grundsätzlich auch der Stamm des Vermögens zu verwerten, soweit dies nicht unwirtschaftlich oder im Einzelfall unbillig ist (Hohloch, Internationales Scheidungs- u. Scheidungsfolgenrecht 1998, Griechenland, 2 B Rn. 148; Stamatiadis, Die Ehescheidung im deutsch-griechischen Rechtsverkehr, 1994, S. 70). Nach dem Vortrag des Klägers verfügt die Ehefrau über ausreichendes Vermögen in Griechenland. Dem ist der Beklagte nicht entgegengetreten.
Demzufolge hätte der Beklagte dem Kläger abraten müssen, Unterhaltsverpflichtungen im Vergleichswege einzugehen.
2. Die Vertragsverletzung des Beklagten war ursächlich dafür, daß den Kläger eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Schein-Ehefrau trifft.
Hätte der Beklagte den Kläger pflichtgemäß darauf hingewiesen, daß die Ehe nach deutschem Recht nicht bestand und daher auch keine nachehelichen Unterhaltsansprüche begründete, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß der Kläger sich im eigenen Interesse beratungsgerecht verhalten und keine Unterhaltsverpflichtung übernommen hätte.
3. Die Begründung, mit welcher das Berufungsgericht die Ursächlichkeit des Beratungsfehlers für den eingetretenen Schaden verneint oder ein überwiegendes Mitverschulden des Klägers angenommen hat, hält den Angriffen der Revision nicht stand.

a) Das Berufungsgericht stellt nicht in bestimmter, nachvollziehbarer Weise fest, daß der Kläger bei Abschluß des Unterhaltsvergleichs gewußt
hätte, der geschiedenen Ehefrau nach deutschem Recht keinen Unterhalt zu schulden. Derartiges hat auch keine Partei dargetan. Der Kläger kannte seinerzeit die Unwirksamkeit der Ehe aufgrund des Beratungsfehlers des Beklagten nicht. Ging er von einer wirksamen Eheschließung aus, so hätte eine Unterhaltspflicht seinerseits angesichts der verhältnismäßig langen Dauer der vermeintlichen Ehe und des Alters der Frau (§§ 1571, 1572 BGB) allenfalls im Hinblick auf § 1577 BGB entfallen können, also solange und soweit sich die Ehefrau aus ihren Einkünften und ihrem Vermögen selbst hätte unterhalten können.
Hierfür fehlt es an hinreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts und auch an entsprechendem Vortrag des Beklagten. Angesichts der Einkommensverhältnisse in Deutschland - die Ehefrau bezog hier aufgrund der Angaben im Scheidungsantrag des Klägers nur eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 444 DM - lag die Annahme fern, daß sie ohne Unterhaltszahlungen des Klägers imstande sein würde, ein den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechendes (vgl. § 1578 BGB) Leben zu führen. Zwar hat der Kläger während des Ehescheidungsverfahrens durch Schreiben vom 12. April 1992 den Beklagten auf angeblichen Grundbesitz der Ehefrau in Griechenland hingewiesen und hinzugefügt: "Sie ist finanziell unabhängig - Millionärin -." Soweit die Frau danach eine Wohnung und eine Villa besitzen sollte, ergab sich daraus allein nach deutschem Recht aber schon kein unmittelbarer Bezug zur Unterhaltspflicht. Denn gemäß § 1577 Abs. 3 BGB braucht der Unterhaltsberechtigte den Stamm des Vermögens nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Dies ließ sich nicht zuverlässig beurteilen, zumal der Kläger selbst in Deutschland unstreitig Eigentümer eines Hausgrundstücks war.

Darüber hinaus sollte die Ehefrau aufgrund des bezeichneten Schreibens etwa ein Jahr zuvor einen Betrag von etwas mehr als 143.000 DM von einem gemeinsamen Sparbuch abgehoben sowie eine kleine Wohnung verkauft haben. Auch daraus ließen sich zuverlässige Rückschlüsse im Hinblick auf einen Unterhaltsanspruch gemäß deutschem Recht erfahrungsgemäß nicht ziehen. Dies gilt erst recht, wenn auf der anderen Seite die Einkommensverhältnisse eines selbständig berufstätigen Arztes zu bestimmen sind. Der Beklagte hat selbst darauf verwiesen, daß das Einkommen des Klägers seinerzeit weitaus höher gewesen sein müsse als angegeben (S. 3 seines Schriftsatzes v. 27. Januar 1999 = Bl. 312 GA).
Eine positive Kenntnis des Klägers vom komplexen Zusammenhang einer Unterhaltsverpflichtung läßt sich daraus schon aus Rechtsgründen nicht ableiten. Es kommt somit nicht mehr entscheidend darauf an, daß auch die Einschätzung des Wertes von vorhandenem Grundvermögen durch die Parteien erfahrungsgemäß oft zweckbestimmt und unsicher ist.

b) Ob der Kläger wußte, daß er nach griechischem Recht keinen Unterhalt schuldete, ist - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - unerheblich. Der Beklagte hatte den Kläger über die Rechtslage nach deutschem Recht zu unterrichten. Dieses wäre nicht nur für den Fall des Nichtbestehens der Ehe, sondern sogar im Falle ihrer Wirksamkeit gemäß Art. 18 Abs. 5 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgeblich gewesen (s.o. 1 c). Eine etwaige Kenntnis des Klägers von der Rechtslage in anderen Rechtsordnungen ist demgegenüber bedeutungslos.
4. An der Begründung der Unterhaltspflicht des Klägers hat der Beklagte auch durch den Abschluß des Vergleichs selbst mitgewirkt (s.o. III 4). Seine Schadensersatzpflicht ist nicht dadurch entfallen, daß der Kläger - vertreten durch einen anderen Rechtsanwalt - aufgrund eines am 12. Dezember 1995 geschlossenen Vergleichs seine Unterhaltspflicht gegenüber der geschiedenen Ehefrau bestätigt hat.

a) Dieser Vergleich wurde im Rahmen eines von der geschiedenen Ehefrau eingeleiteten Prozesses auf Zahlung von Zugewinnausgleich abgeschlossen. Im Verlaufe dieses Rechtsstreits trug der Beklagte - für den Kläger - erstmals Bedenken gegen die nur vor einem Geistlichen geschlossene Ehe vor. Nachdem daraufhin das Familiengericht die Klage abgewiesen hatte, verurteilte das im Wege der Berufung angerufene Oberlandesgericht den jetzigen Kläger, der geschiedenen Ehefrau Auskunft über seine den Zugewinnausgleich betreffenden Vermögensverhältnisse zu gewähren. Es nahm hierbei an, daß die Unwirksamkeit der Ehe in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 EheG geheilt sei. Der Kläger legte dagegen die zugelassene Revision ein, beendete das Mandat mit dem Beklagten und beauftragte einen anderen Rechtsanwalt , ihn - den Kläger - in einem gleichzeitig von der geschiedenen Ehefrau geführten Arrestverfahren zu vertreten. Diese hatte aufgrund eines von ihr erwirkten dinglichen Arrests unter anderem die Honoraransprüche des Klägers pfänden lassen. In diesem Verfahren einigte sich der Kläger, vertreten durch den neuen Rechtsanwalt, durch Vergleich vom 12. Dezember 1995 mit der geschiedenen Ehefrau darüber, alle gegenseitigen Ansprüche zu erledigen. Neben einer Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Zugewinnausgleich enthielt der Vergleich unter Nr. 4 die Bestimmung:
"Die Parteien sind sich weiterhin darüber einig, daß die Vereinbarung vom 30. Juni 1992 ... ohne Einschränkung aufrechterhalten bleibt. Herr Dr. A. verzichtet darauf, eventuelle Einwendungen dem Grunde nach gegen die genannte Vereinbarung vorzubringen. Er verzichtet dem Grunde nach auch auf etwaige Einwendungen gegen die im Verbundurteil des Amtsgerichts K. vom 30. Juni 1992 ... getroffene Regelung hinsichtlich des Versorgungsausgleichs".

b) Durch diese vertragliche Unterhaltsbestätigung ist der Zurechnungszusammenhang zwischen der fehlerhaften Beratung des Beklagten und der Unterhaltspflicht des Klägers sogar dann nicht unterbrochen worden, wenn auch dem inzwischen für den Kläger tätigen Rechtsanwalt eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last fiele.
Ein eigener selbständiger Willensakt des Geschädigten schließt es grundsätzlich nicht aus, demjenigen die Schadensfolge zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat. Bestand für die mitwirkende Handlung des Mandanten aufgrund des haftungsbegründenden Ereignisses ein rechtfertigender Anlaß, so bleibt der Zurechnungszusammenhang zu einem früheren, schädigenden Verhalten des Rechtsanwalts bestehen. Ein solcher rechtfertigender Anlaß liegt bereits vor, wenn der Mandant eine Entschließung trifft, die nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen zu bewerten ist (Senatsurt. v. 15. April 1999 - IX ZR 328/97, NJW 1999, 2183, 2187; Zugehör /Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1065 m.w.N.). Die Beendigung einer rechtlichen Auseinandersetzung durch Vergleich ist regelmäßig als vernünftige Reaktion in dem bezeichneten Sinne anzusehen (Senatsurt. v. 11. Fe-
bruar 1999 - IX ZR 14/98, NJW 1999, 1391, 1392). Hat der Rechtsanwalt sei- nen Mandanten durch einen Beratungsfehler in eine ungünstige Situation gegenüber dessen Vertragspartner gebracht, ist es nach der Lebenserfahrung nicht ungewöhnlich, daß dieser daraus Vorteile zu ziehen sucht; entschließt sich der Mandant in einer solchen Lage, dem Begehren des Vertragsgegners nachzugeben und es nicht auf einen Prozeß ankommen zu lassen, handelt es sich im allgemeinen um einen normalen Geschehensablauf, der die Zurechung bestehen läßt (BGH, Urt. v. 11. März 1980 - VI ZR 91/79, VersR 1980, 649, 650).
Davon ist auch im vorliegenden Falle auszugehen. Durch den Beratungsfehler des Beklagten war der Kläger bereits titulierten Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau ausgesetzt. Der Beklagte hat bis zur Beendigung seines Mandats nichts unternommen, um diese Unterhaltsverpflichtung zu beseitigen. Zwar hatte er zwischenzeitlich im Zugewinnausgleichsverfahren auf die Fehlerhaftigkeit der Eheschließung hingewiesen. Er hat den Kläger aber nicht darüber belehrt, daß weiterhin noch eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Ehe zulässig war (s.o. III 4). Ferner hat er den Kläger, soweit dargetan, nicht darauf hingewiesen, daß die vergleichsweise übernommenen Unterhaltsfolgen möglicherweise auf prozessualem Wege zu beseitigen wären, weil die im Vergleich vorausgesetzte Wirksamkeit der Eheschließung nicht vorlag (§ 779 Abs. 1 BGB).
Demgegenüber war der Kläger inzwischen von seiner Schein-Ehefrau mit einer Klage auf Leistung zusätzlichen, erheblichen Zugewinnausgleichs und mit Vollstreckungsmaßnahmen überzogen worden. Wenn er sich in dieser prozessualen Situation - ohne umfassende vorangegangene Beratung durch
den Beklagten - zu einer einvernehmlichen Gesamtlösung mit seiner Schein- Ehefrau entschloß, war dies noch durch den vorangegangenen Beratungsfehler des Beklagten mit herausgefordert. Zwar hat er hierbei im Wege gegenseitigen Nachgebens (§ 779 BGB) durch seine ausdrückliche Bestätigung der Unterhaltspflicht auch die Möglichkeit einer späteren prozessualen Abhilfe beseitigt. Da er auf diese Möglichkeit zuvor aber nicht hingewiesen wurde, war eine entsprechende Bestätigung im Verhältnis zum Beklagten nicht völlig unsachgemäß. Zudem ist nichts dafür dargetan, daß der Kläger - hätte er diesen zweiten Vergleich nicht abgeschlossen - infolge sachgerechter Beratung durch Dritte zu erfolgreichen Abwehrmaßnahmen gegen den früheren Unterhaltstitel veranlaßt worden wäre.

c) Allerdings hat auch der neue Rechtsanwalt, der kurz vor Abschluß des Vergleichs die Beratung des Klägers übernommen hatte, diesen nicht auf die zuvor aufgezeigten rechtlichen Abwehrmöglichkeiten hingewiesen. Sogar wenn darin ebenfalls eine schuldhafte Vertragsverletzung gegenüber dem Kläger läge, würde dies den Beklagten im Verhältnis zum Kläger nicht entlasten. Denn im Zivilrecht gelten grundsätzlich alle Schadensursachen als gleichwertig (§§ 421, 830, 840 BGB). Greifen weitere Personen in ein schadensträchtiges Geschehen ein, so entlasten sie damit regelmäßig nicht den Erstschädiger, sondern begründen - zum Schutz des Geschädigten - allenfalls eine eigene, zusätzliche Haftung. Das Verhalten Dritter beseitigt allgemein die Schadenszurechnung im Verhältnis zu früheren Verursachern nur, sofern es als gänzlich ungewöhnliche Beeinflussung des Geschehensablaufs zu werten ist (vgl. MünchKomm-BGB/Grunsky, 3. Aufl. vor § 249 Rn. 57 ff; Staudinger/ Schiemann, BGB 13. Bearb. § 249 Rn. 64 ff; Erman/Kuckuk, BGB 10. Aufl. vor § 249 Rn. 68 ff). Dementsprechend wird der von einer früheren Vertragsverlet-
zung eines Rechtsanwalts ausgehende Zurechnungszusammenhang grund- sätzlich nicht dadurch unterbrochen, daß nach dem pflichtwidrig handelnden Anwalt eine andere rechtskundige Person mit der Angelegenheit befaßt worden ist und noch in der Lage gewesen wäre, den Schadenseintritt zu verhindern, wenn sie die ihr obliegende Sorgfaltspflicht beachtet hätte (Senatsurt. v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92, NJW 1993, 1779, 1780 f; Zugehör/Fischer, aaO Rn. 1067 ff m.w.N.).
Davon ist auch hier auszugehen: Der Verursachungsbeitrag und ein mögliches Verschulden des zweiten Rechtsanwalts wiegen keinesfalls schwerer als die von dem langjährig beratend tätigen Beklagten verschuldete Schadensursache. In derartigen Fällen steht es dem Erstschädiger frei, den Mitschädiger als Gesamtschuldner nach Maßgabe der §§ 426, 254 BGB auf anteiligen Schadensausgleich im Innenverhältnis in Anspruch zu nehmen. Hierbei mag auch berücksichtigt werden, inwieweit ohne die in dem Vergleich vom 12. Dezember 1995 bestätigte Unterhaltspflicht deren Verringerung oder Wegfall hätte erreicht werden können. Dagegen ist dem Kläger im Außenverhältnis gegenüber dem Beklagten nach dem Sach- und Streitstand im vorliegenden Rechtsstreit auch im Hinblick auf die Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 254 Abs. 2 BGB kein mitwirkendes Verschulden seines zweiten Rechtsanwalts zuzurechnen (§ 278 BGB). Eine solche Einwendung steht zur Darlegungslast des Schädigers, hier also des Beklagten. Dieser hat nichts dazu vorgetragen, ob ohne den bestätigenden Vergleich vom 12. Dezember 1995 die Unterhaltspflicht des Klägers beseitigt worden wäre. Ferner hat er nicht dargetan, daß der neue Rechtsanwalt etwa schon mit der Verfolgung von Regreßansprüchen gegen den Beklagten betraut gewesen und in diesem Umfang zum Erfüllungsgehilfen des Klägers geworden wäre.

5. Allerdings ist die Klage derzeit insoweit unbegründet, als der Kläger Erstattung von Unterhalt für die Zeit nach der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts verlangt.
Insoweit steht dem Kläger gegen den Beklagten grundsätzlich ein Freistellungsanspruch bezüglich der Unterhaltspflicht zu. In einen Zahlungsanspruch wandelt sich dieses Forderungsrecht erst um, wenn der Kläger seinerseits die Unterhaltszahlungen an seine Schein-Ehefrau erbringt. Hierbei handelt es sich um ein ungewisses zukünftiges Ereignis, dessen jeweiliger Eintritt im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durch das Berufungsgericht nicht zuverlässig zu beurteilen war. Dementsprechend standen die Voraussetzungen des Zahlungsanspruchs noch nicht fest. Soweit dieser sich auf die Zukunft erstreckte, war er unbegründet. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von derjenigen hinsichtlich des Versorgungsausgleichs, weil die auf die Altersversorgung gerichteten Anwartschaften dem Kläger schon endgültig aberkannt worden sind.
Eine Klage auf zukünftige Leistung vermochte der Kläger auch nicht auf die §§ 257, 258 oder § 259 ZPO zu stützen.

a) § 257 ZPO ist nicht erfüllt. Zwar war die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner Schein-Ehefrau kalendermäßig festgelegt. Dies trifft aber nicht zugleich für den Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten zu. Dessen Umwandlung aus einem bloßen Freistellungsanspruch hing vielmehr von der vorangegangenen Leistung des Klägers an seine Schein-Ehefrau ab.


b) Ferner macht der Kläger nicht wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 258 ZPO geltend. Diese beruhen auf einseitigen Verpflichtungen, die sich in ihrer Gesamtheit als Folge ein- und desselben Rechtsverhältnisses ergeben , so daß die einzelne Leistung nur noch vom Zeitablauf abhängt (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 1986 - IX ZR 138/85, NJW 1986, 3142; v. 20. Juni 1996 - III ZR 116/94, MDR 1996, 1232). Die letztgenannte Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil die Umwandlung des Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch zusätzlich durch die tatsächliche Zahlung des Klägers bedingt ist.

c) Endlich scheidet § 259 ZPO als Grundlage für eine Klage auf künftige Leistung aus. Diese Vorschrift greift nicht ein, wenn der eingeklagte Anspruch erst künftig entsteht; dieser muß vielmehr in vollem Umfang seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis finden, dessen rechtserzeugende Tatsachen schon eingetreten sind. Die Möglichkeit, daß künftig ein solches Rechtsverhältnis entsteht , reicht grundsätzlich nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 2001 - VI ZR 290/00 zu § 256 Abs. 1 ZPO). Zwar genügt es, wenn sich der eingeklagte Anspruch aus einem schon bestehenden Rechtsverhältnis allein aufgrund des eigenen Verhaltens des Beklagten entwickelt (BGH, Urt. v. 14. Dezember 1998 - II ZR 330/97, NJW 1999, 954, 955 zu § 283 BGB a.F.). Darum geht es hier nicht.
Zwar kann das Rechtsverhältnis bedingt sein (BGHZ 43, 28, 31) und insbesondere auch unter der Bedingung künftiger Zahlung stehen (vgl. BGHZ 147, 225, 231). Einen bedingten Antrag hat der Kläger hier aber nicht gestellt. Seinem unbedingten Zahlungsbegehren kann nicht entsprochen werden.

d) Allerdings hätte der Kläger gemäß § 139 Abs. 1 ZPO a.F. auf den Fehler seines Antrags hingewiesen werden müssen. Um ihm die Gelegenheit zur Anpassung des Antrags zu geben, ist der Rechtsstreit in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Kreft Kirchhof Raebel ' ( Bergmann