vorgehend
Amtsgericht Stadthagen, 41 C 253/04, 27.10.2004
Landgericht Bückeburg, 2 S 71/04, 08.03.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 108/05 Verkündet am:
25. September 2006
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Geschäftsführer einer GmbH ist wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen
zur Sozialversicherung auch dann gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
§ 266 a StGB haftungsrechtlich verantwortlich, wenn die GmbH zwar zum Fälligkeitszeitpunkt
nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, er es jedoch pflichtwidrig
unterlassen hat, die Erfüllung dieser Verpflichtung durch Bildung von
Rücklagen, notfalls auch durch Kürzung der Nettolohnzahlung sicherzustellen
(st. Rspr. vgl. BGHZ 134, 304, 309).
BGH, Urteil vom 25. September 2006 - II ZR 108/05 - LG Bückeburg
AG Stadthagen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 25. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 8. März 2005 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen - 41 C 253/04 (II) - vom 27. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte war im Jahr 2003 Geschäftsführer der C. GmbH, auf deren am 24. April 2003 gestellten Antrag am 1. Juni 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die spätere Insolvenzschuldnerin zahlte dem bei ihr tätigen Arbeitnehmer B. für den Monat Februar 2003 den Nettolohn, blieb jedoch den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung in Höhe von 609,49 € schuldig; sie beglich diesen ausstehenden Betrag auch nicht, als im April 2003 eine Zahlung von 50.000,00 € bei ihr einging. Die klagende - zum 1. Januar 2005 mit der zuständigen Einzugstelle vereinigte - Betriebskrankenkasse verlangt von dem Beklagten, gestützt auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB, Ersatz dieses Betrages.
2
Der Beklagte hat sich darauf berufen, ihm sei die Abführung des Arbeitnehmeranteils zum Fälligkeitszeitpunkt (15. März 2003) nicht möglich gewesen. Die Gesellschaft habe nicht über die erforderlichen Zahlungsmittel verfügt, sie habe sich Ende Februar/Anfang März 2003 in einem erheblichen Liquiditätsengpass befunden. Er habe auf die - nicht eingehaltenen - Zusicherungen der niederländischen Muttergesellschaft vertraut, dass der Gesellschaft Ende März bzw. Ende April liquide Mittel zufließen würden. Die Gesellschaft sei spätestens zum 1. März 2003 wegen Eintritts der Zahlungsunfähigkeit insolvenzreif gewesen.
3
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen Revision - verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Klägerin ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten und zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
5
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die spätere Insolvenzschuldnerin habe am 15. März 2003, dem Fälligkeitszeitpunkt der Arbeitnehmerbeiträge für Februar 2003, nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um diese Verpflichtung zu erfüllen. Die Klägerin sei der sie treffenden Darlegungs- und Beweislast, dass dem Beklagten die Abführung der Arbeitnehmeranteile möglich gewesen wäre, nicht nachgekommen. Die Nichtbegleichung der Beitragsschuld aus den der Gesellschaft im April 2003 zugeflossenen Mitteln führe nicht zur Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB, vielmehr lasse die Unmöglichkeit der Pflichterfüllung zum Fälligkeitszeitpunkt die Tatbestandsmäßigkeit des § 266 a StGB entfallen.
7
II. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , dass der Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB nicht haftet, soweit ihm die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zum Fälligkeitszeitpunkt mangels verfügbarer Mittel nicht möglich war, und dass die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Möglichkeit normgemäßen Verhaltens des Geschäftsführers bei der Sozialkasse liegt (BGHZ 133, 370, 379 f.; BGH, Urt. v. 11. Dezember 2001 - VI ZR 123/00, ZIP 2002, 261, 262 f. und - VI ZR 350/00, ZIP 2002, 524; Sen.Urt. v. 18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026, 1028).
9
2. Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht jedoch verkannt , dass die Tatbestandsmäßigkeit i.S.des § 266 a Abs. 1 StGB hier nicht wegen Unmöglichkeit der Entrichtung der geschuldeten Beitragsleistung aufgrund fehlender Mittel ausgeschlossen ist, weil der Beklagte den Nettolohn für den betreffenden Monat in voller Höhe ausgezahlt hat.
10
Der Geschäftsführer hat als Arbeitgeber i.S.von § 266 a StGB dafür Sorge zu tragen, dass ihm die zur ordnungsgemäßen Abführung der - auf den geschuldeten Lohn entfallenden - Arbeitnehmeranteile notwendigen Mittel bei Fälligkeit zur Verfügung stehen. Drängen sich wegen der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft deutliche Bedenken auf, dass zum Fälligkeitszeitpunkt ausreichende Zahlungsmittel vorhanden sein werden, muss der Geschäftsführer nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 133, 370, 379 f.; BGHZ 134, 304, 308 f.; Sen.Urt. v. 15. September 1997 - II ZR 170/96, ZIP 1998, 42, 43 = BGHZ 136, 332; BGH, Urt. v. 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80, 81) durch Bildung von Rücklagen, notfalls durch Kürzung der Nettolöhne sicherstellen, dass am Fälligkeitstag die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung fristgerecht an die zuständige Einzugsstelle entrichtet werden können.
11
Gegen diese Pflicht hat der Beklagte verstoßen. Er hat am 7. März 2003 - nur wenige Tage vor Fälligkeit des für Februar 2003 geschuldeten Arbeitnehmerbeitrags - den Nettolohn für diesen Monat ungekürzt ausgezahlt, obwohl er wusste, dass er die Beitragsschuld bei Fälligkeit nicht würde erfüllen können. Denn nach seinem eigenen Vorbringen konnte er nicht erwarten, dass der Gesellschaft , die schon Ende Februar/Anfang März einen erheblichen Liquiditätsbedarf hatte, bis zum Fälligkeitszeitpunkt am 15. März liquide Mittel zufließen würden.
12
Dafür, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der verspäteten Lohnzahlung im insolvenzrechtlichen Sinne zahlungsunfähig war, ergeben sich aus dem in sich widersprüchlichen und nicht konkretisierten Vortrag des Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte.
13
3. Das Berufungsurteil unterliegt deshalb der Aufhebung, ohne dass es auf den - von den Instanzgerichten für maßgeblich erachteten - späteren Liquiditätszufluss und die von dem Berufungsgericht für rechtsgrundsätzlich erachtete Frage ankommt.

Goette Kraemer Strohn
Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
AG Stadthagen, Entscheidung vom 27.10.2004 - 41 C 253/04 (II) -
LG Bückeburg, Entscheidung vom 08.03.2005 - 2 S 71/04 -

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2006 - II ZR 108/05 zitiert 4 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

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bei uns veröffentlicht am 09.09.2016

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16. April 2015 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abgeändert und wie folgt gefasst: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tr

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 61/03 Verkündet am:
18. April 2005
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) § 266a StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

b) Für die Unmöglichkeit normgemäßen Verhaltens ist im Rahmen des § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB der Anspruchsteller darlegungs- und beweispflichtig
(Bestätigung von BGHZ 133, 370, 379). An die Erfüllung der
grundsätzlich bestehenden sekundären Darlegungslast des Geschäftsführers
einer GmbH dürfen keine diese Verteilung der Vortragslast umkehrenden Anforderungen
gestellt werden. Eine besondere Dokumentationspflicht zur Abwehr
einer möglichen Haftung nach diesen Vorschriften besteht nicht. Auch
die Verletzung der Insolvenzantragspflicht erhöht die sekundäre Darlegungslast
des Geschäftsführers nicht.

c) Hätte der Insolvenzverwalter die Zahlungen an die Sozialkasse nach der
InsO anfechten können, entfällt mangels Kausalität der Schaden (Bestätigung
von BGH, Urt. v. 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80).
§ 266a StGB begründet in der Insolvenzsituation keinen Vorrang der Ansprüche
der Sozialkasse (Bestätigung von BGHZ 149, 100, 106 f.; Urt. v. 10. Juli
2003 - IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666). Der Geschäftsführer, der in dieser
Lage die Arbeitnehmeranteile noch abführt, statt das Gebot der Massesicherung
(§ 64 Abs. 2 GmbHG) zu beachten, handelt nicht mit der Sorgfalt eines
ordentlichen Geschäftsmanns im Sinne von § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG (Bestätigung
von BGHZ 146, 264, 274 f.).
BGH, Urteil vom 18. April 2005 - II ZR 61/03 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. April 2005 durch die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Strohn

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Januar 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte war im Jahr 2000 Geschäftsführer der E. GmbH, auf deren am 18. August 2000 gestellten Antrag am 22. März 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Für die Monate Mai, Juni und Juli 2000 blieb die spätere Gemeinschuldnerin die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 13.794,91 € schuldig. Die klagende Innungskrankenkasse verlangt als die zuständige Einzugsstelle von dem Beklagten, gestützt auf § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266a StGB, Ersatz dieses Betrages.
Der Beklagte hat sich darauf berufen, ihm sei die Abführung der Arbeitnehmeranteile zu den Fälligkeitszeitpunkten nicht möglich gewesen. Die Gesellschaft habe weder über eigene noch über Kredit-Mittel verfügt, infolge einer gegen ihre - inzwischen ebenfalls insolvente - Alleingesellschafterin am 23. Mai 2000 von deren Hausbank verhängten Verfügungssperre sei auch die Gemeinschuldnerin ab diesem Zeitpunkt von allen weiteren Geldquellen abgeschnitten gewesen. Deswegen habe den Arbeitnehmern, die statt dessen Insolvenzausfallgeld erhalten hätten, für die Monate Mai - Juli 2000 kein Arbeitslohn gezahlt werden können. Er hat außerdem gemeint, im Hinblick auf seine von der Klägerin nicht beantwortete Korrespondenz habe er annehmen dürfen, daß die offenen Beträge gestundet worden seien. Schließlich hat er sich darauf berufen, daß der Klägerin kein Schaden entstanden sei, weil sie etwa abgeführte Beträge nach den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften (§§ 129 ff., 143 InsO) hätte zurückgewähren müssen.
Gegen den Beklagten hat das Amtsgericht Chemnitz einen rechtskräftigen Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung erlassen und diesen folgendermaßen begründet:
"Die E. ... GmbH war, was Sie auch wußten, spätestens ab dem 15. Juli 2000 außer Stande, ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Ab diesem Zeitpunkt konnten die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr an die ... abgeführt werden. Außerdem existierten seit diesem Zeitpunkt Lohnrückstände , und der Kontokorrentkreditrahmen bei der Sparkasse ... war überzogen".
Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht (ZInsO 2003, 376 = ZIP 2003, 360) zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagte der ihn treffenden sekundären Darlegungslast, daß ihm die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zu den Fälligkeitszeitpunkten nicht möglich war, durch seinen Vortrag nicht nachgekommen, die spätere Gemeinschuldnerin habe weder eigene Mittel gehabt, noch habe sie Kreditmittel oder Gelder ihrer Alleingesellschafterin in Anspruch nehmen und nicht einmal die Löhne der Arbeitnehmer auszahlen können. Der Schaden der Klägerin könne auch nicht mit der Erwägung verneint werden, daß eine etwaige Zahlung an die Klägerin von dem Insolvenzverwalter mit Erfolg hätte angefochten werden können, denn Zahlungen an die Sozialkassen seien gegenüber den Ansprüchen anderer Gläubiger der Gemeinschuldnerin privilegiert. Davon abgesehen komme es auf die Anfechtbarkeit nicht an, weil der Beklagte damit den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens erhebe, dieser ihm aber im Hinblick auf den Schutzzweck des § 266a StGB verwehrt sei. Schließlich könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, sein Vorgehen habe mit dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG, nach Eintritt der Insolvenzreife keine Zahlungen mehr aus dem Gesellschaftsvermögen zu erbringen, in Einklang gestanden. Wenn der Geschäftsführer die Beitragspflicht erfülle, handele er vielmehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes i.S. von § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG und könne daher wegen der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter haftbar sein.
II. Dies hält in mehrfacher Hinsicht der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand. Das Berufungsgericht mißt dem Umstand, daß der Gesetzgeber die
Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in § 266a StGB unter Strafe gestellt hat, eine verfehlte Bedeutung zu und stellt demgemäß nicht nur überspannte Anforderungen an die sekundäre Behauptungslast des in Anspruch genommenen Geschäftsführers, sondern gelangt zu einer insgesamt unzutreffenden Einordnung der Haftung des Geschäftsführers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB in das Gesamtgefüge der Rechtsordnung.
1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , daß es sich bei § 266a StGB um ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB handelt. Dies entspricht nicht nur der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s. nur BGHZ 134, 304 ff.; 136, 332 f.; 144, 311 ff.; Urt. v. 20. März 2003 - III ZR 301/01, WM 2003, 1876, 1878), sondern auch der ganz h.M. im Schrifttum (Staudinger/Hager, BGB [1999] § 823 Rdn. G 42 m. zahlr. Nachw.; Soergel/Zeuner, BGB 12. Aufl. § 823 Rdn. 298 f.; MünchKommBGB/Wagner 4. Aufl. § 823 Rdn. 359 und 390 ff. m.w.Nachw.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 17. Aufl. § 43 Rdn. 69; Roth/Altmeppen, GmbHG 4. Aufl. § 43 Rdn. 48; Scholz/U.H. Schneider, GmbHG 9. Aufl. § 43 Rdn. 275; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 43 Rdn. 82; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG 16. Aufl. § 43 Rdn. 6; Medicus, ZGR 1998, 570, 582 f.; i.E. auch Cahn, ZGR 1998, 367 ff., 376 f., 381; a.A. Kiethe, ZIP 2003, 1957 f. unter Hinweis auf Stein, DStR 1998, 1055, 1056-1058; Dreher, DB 1991, 2585; Hachenburg/Mertens, GmbHG 8. Aufl. § 43 Rdn. 120). Von ihr abzugehen, besteht um so weniger Anlaß, als der Gesetzgeber schon in der 11. Wahlperiode (BT-Drucks. 11/3445, S. 35) und erneut bei den Beratungen (BT-Drucks. 14/8221, S. 18) des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit (BGBl 2002 I 2787) hat deutlich werden lassen, daß er die ihm bekannte Rechtsprechung zur
zivilrechtlichen Haftung der Geschäftsleiter für die Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung in seinen Willen aufgenommen hat.
2. Im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befindet sich das Berufungsgericht ferner noch, soweit es davon ausgeht, daß der Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266a StGB nicht haftet, soweit ihm die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zum Fälligkeitszeitpunkt mangels verfügbarer Mittel nicht möglich war, und den Sozialversicherungsträger auch hinsichtlich der Möglichkeit normgemäßen Verhaltens für darlegungs - und beweispflichtig erachtet (BGHZ 133, 370, 379 f.; Urt. v. 11. Dezember 2001 - VI ZR 123/00, ZIP 2002, 261, 263 und VI ZR 350/00, ZIP 2002, 524; s. auch BGH, Beschl. v. 30. Juli 2003 - 5 StR 221/03, ZIP 2003, 2213).
Mit Recht rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht diese von ihm richtig wiedergegebenen Grundsätze rechtsfehlerhaft angewandt hat. Verfehlt ist schon, daß das Berufungsgericht hinsichtlich der drei Fälligkeitstermine (15. Juni, 15. Juli und 15. August 2000) nicht unterschieden hat, obwohl sich ihm aufdrängen mußte, daß jedenfalls beim dritten Termin, drei Tage vor Anbringung des nach dem Ergebnis des Strafverfahrens ohnehin zu spät gestellten Insolvenzantrags, etwa vorher vorhandene Mittel längst aufgebraucht gewesen sein müssen. Obendrein stellt es die darlegungs- und beweispflichtige Sozialkasse - in Widerspruch zu seinem eigenen Ausgangspunkt - von jeder Darlegungspflicht frei, wenn es für hinreichend hält, daß diese sich auf den "ins Blaue" gehaltenen Vortrag beschränkt, die Gemeinschuldnerin sei zahlungsfähig gewesen und habe an andere Gläubiger Zahlungen erbracht. Gleichzeitig überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an den Vortrag des nur sekundär darlegungspflichtigen Geschäftsführers, wenn es seine Darlegung, daß die Gemeinschuldnerin über keinerlei finanzielle Mittel mehr verfügte, den
Kreditrahmen bei der Hausbank längst überzogen hatte, von der Alleingesellschafterin wegen deren plötzlich eingetretenen eigenen finanziellen Schieflage nicht nur keine Geldmittel erhalten konnte, sondern sogar einem Rückzahlungsverlangen von Darlehensmitteln ausgesetzt war und aus allen diesen Gründen nicht einmal imstande war, auch nur einen Teil der Arbeitslöhne ab Mai 2000 auszuzahlen, für nicht hinreichend substantiiert angesehen hat. Nicht einmal den unstreitigen Umstand, daß der Beklagte wegen Insolvenzverschleppung rechtskräftig bestraft worden ist und daß der Tatvorwurf darin besteht, der Geschäftsführer habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ab spätestens 15. Juni 2000, als nämlich die Sozialversicherungsbeiträge für Mai 2000 fällig wurden, den gebotenen Insolvenzantrag nicht gestellt, hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang gewürdigt. Dazu bestand um so eher Anlaß, als der Text des Strafbefehls nahelegt, daß das Strafverfahren auf Initiative der Klägerin eingeleitet worden ist, ihren Mitarbeitern, die in dem Strafbefehl als Zeugen aufgeführt worden sind, also die Unmöglichkeit der Gesellschaft bekannt war, der Zahlungspflicht nachkommen zu können.
Zu einem weitergehenden Vortrag war der Beklagte im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast nicht verpflichtet. Das gilt auch im Hinblick auf den von dem Berufungsgericht herausgestellten Umstand, daß der Beklagte nur zögerlich mit dem Insolvenzverwalter zusammengearbeitet hat; denn die dem Geschäftsführer im Insolvenzverfahren nach den §§ 97, 22 Abs. 3 InsO auferlegten Pflichten dienen allein der effektiven Durchführung des Insolvenzverfahrens, nicht aber der Erleichterung der Anspruchsverfolgung durch Gläubiger des Leitungsorgans; nicht einmal für Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren dürfen die von dem organschaftlichen Vertreter erteilten Auskünfte gegen seinen Willen verwertet werden (§ 97 Abs. 1 Satz 3 InsO).
3. Das Berufungsurteil unterliegt danach der Aufhebung. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat verwehrt, weil der Klägerin, die sich in ihrem bisherigen prozessualen Vorgehen offensichtlich von der unzutreffenden Ansicht der beiden Tatsachengerichte hat leiten lassen, im Interesse eines fairen Verfahrens die Möglichkeit eröffnet werden muß, ihrer Darlegungspflicht zu genügen.
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin.
1. Aus einer möglichen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB ergeben sich keine besonderen Dokumentationspflichten, wie das Berufungsgericht für möglich erachtet. Deren angebliche Verletzung kann deswegen auch nicht zu einer faktischen Umkehr der Darlegungs- und Beweislast führen.
2. Ebensowenig rechtfertigt die Verletzung der Insolvenzantragspflicht gesteigerte Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Geschäftsführers ; im Gegenteil wird - wie auch der hier zu beurteilende Fall zeigt - eine verspätete Anbringung des Insolvenzantrags Anhaltspunkte dafür bieten, daß der Geschäftsführer zum Fälligkeitszeitpunkt seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen konnte.
3. Sollte das Berufungsgericht auf Grund des wieder eröffneten Berufungsverfahrens erneut zu dem Ergebnis gelangen, daß der Beklagte mindestens an einem der drei Fälligkeitszeitpunkte imstande gewesen wäre, die geschuldeten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ganz oder teilweise an die Klägerin abzuführen, wird es sich mit dem Einwand des Beklagten auseinanderzusetzen haben, daß die Pflichtverletzung nicht zu einem Schaden bei der Sozialkasse geführt hat, weil der Insolvenzverwalter die Zahlung mit Erfolg hätte anfechten können.
Der entsprechende Vortrag des Beklagten, dessen Richtigkeit mangels tatrichterlicher Feststellungen für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist, ist hinreichend substantiiert und schlüssig.
Das Berufungsgericht geht fehl, wenn es entgegen der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 149, 100, 106 f.; Urt. v. 30. April 1998 - IX ZR 141/97, ZinsO 1998, 141; Urt. v. 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666, 1667 f.; Urt. v. 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80), in der alle Argumente wiederholt gewürdigt worden sind, meint, die Ansprüche der Einzugsstelle seien gegenüber denjenigen anderer Gläubiger privilegiert. Aus der Strafbewehrung der Beitragsabführungspflicht läßt sich der von dem Berufungsgericht postulierte Vorrang nicht herleiten. Sie unterstreicht ausschließlich die große Bedeutung, die der Gesetzgeber der Erfüllung dieser Pflicht durch den Arbeitgeber bzw. - bei Kapitalgesellschaften - durch deren organschaftlichen Vertreter beimißt; sie besagt jedoch nichts darüber, ob gezahlte Beträge bei der Sozialkasse bleiben oder auf Insolvenzanfechtung hin zurückgewährt werden müssen. Das Rangverhältnis bestimmt sich vielmehr ausschließlich nach den Vorschriften der Insolvenzordnung , die bewußt und nach eingehenden Beratungen den früheren Vorrang der Sozialkassen im Interesse einer effektiven, dem Ziel der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger verpflichteten Durchführung des Insolvenzverfahrens abgeschafft hat.
Das von dem Berufungsgericht für richtig erachtete Vorgehen hätte zur Folge, daß diese Entscheidung des Gesetzgebers der Insolvenzordnung auf dem Umweg über ein extensives Verständnis des § 266a StGB ausgehebelt würde. Die in diesem Zusammenhang von dem Berufungsgericht angestellten Hilfserwägungen, nach denen sich der Geschäftsführer auf die später mögliche
Insolvenzanfechtung als ein rechtmäßiges Alternativverhalten nicht soll berufen dürfen, stehen - wie es selbst richtig erkannt hat - in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80); dieser verneint den Schaden deswegen, weil der Beitragsausfall - hätte der Geschäftsführer die Arbeitnehmeranteile bei Fälligkeit abgeführt - im Sinne einer Reserveursache ebenfalls eingetreten, die Kausalität der Unterlassung also zu verneinen wäre. Ein Fall rechtmäßigen Alternativverhaltens läge demgegenüber nur dann vor, wenn der Beklagte geltend machen würde, der verursachte Schaden wäre in gleicher Weise entstanden, wenn er eine von der verletzten Pflicht verschiedene andere selbständige Pflicht erfüllt hätte (BGH, Urt. v. 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, WM 2002, 2325 f.).
4. Von der verfehlten Vorstellung, der Anspruch auf Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung sei privilegiert, ist schließlich die - als obiter dictum einzuordnende - Auffassung des Berufungsgerichts geprägt, ein Geschäftsführer, der in der in § 64 Abs. 2 GmbHG beschriebenen Situation Ansprüche von Einzugsstellen befriedige, handele mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns i.S. von § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Dem ist der Senat (BGHZ 146, 264, 274 f.) bereits früher entgegengetreten und hat ausgesprochen , daß die entsprechende Prüfung nicht in erster Linie an den allgemeinen Verhaltenspflichten, sondern an dem besonderen Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG auszurichten ist, im Vorgriff auf das spätere Insolvenzverfahren, auch wenn der gebotene Insolvenzantrag nicht unverzüglich oder gar erst nach Ablauf der höchstzulässigen Dreiwochenfrist gestellt wird, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. Nach dieser Entscheidung besteht in dem - nach dem als richtig zu unterstellenden Vortrag des Beklagten
hier allerdings nicht gegebenen - Fall, daß der Geschäftsführer bei Insolvenzreife der Gesellschaft noch über Mittel verfügt und entweder nach § 64 Abs. 2 GmbHG oder nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB ersatzpflichtig zu werden droht, eine Pflichtenkollision, die zu einer Verneinung des deliktischen Verschuldens führen muß. Das steht nicht in Widerspruch zur Judikatur des 5. Strafsenats (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2003 - 5 StR 221/03, ZIP 2003, 2213), weil diese Entscheidung eine Fallgestaltung aus dem Jahr 1997 betrifft, als noch die Konkursordnung galt, die den Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung Vorrang einräumte (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a KO); sie berücksichtigt jedoch nicht den inzwischen mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung eingetretenen Paradigmenwechsel.
Goette Kurzwelly Kraemer
Gehrlein Strohn