vorgehend
Landgericht Düsseldorf, 14c O 294/08, 19.02.2009
Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 46/09, 30.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 23/10 Verkündet am:
28. September 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Kinderwagen
GGV Art. 10 Abs. 1 und 2, Art. 19 Abs. 1, Art. 89 Abs. 1 Buchst. d, Art. 91
Abs. 1

a) Eine Verfahrensaussetzung nach Art. 91 Abs. 1 GGV kommt nicht in Betracht
, wenn die Verletzungsklage nach Art. 81 Buchst. a GGV vor dem Antrag
auf Nichtigerklärung nach Art. 52 GGV erhoben worden ist.

b) Eine Begehungsgefahr für ein Herstellen und Herstellenlassen eines das
Klagemuster verletzenden Erzeugnisses im Gebiet der Europäischen Union
besteht bei einem produzierenden Unternehmen bereits dann, wenn es entsprechende
Erzeugnisse außerhalb der Europäischen Union herstellen lässt
und innerhalb der Europäischen Union anbietet und vertreibt.
BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 23/10 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und
Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 2009 wird zurückgewiesen. Die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und Herausgabe zur Vernichtung sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht sind wirkungslos, soweit sie sich auf Verletzungshandlungen beziehen, die nicht im Inland begangen sind. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, eine in den Niederlanden ansässige Gesellschaft, vertreibt weltweit Babyprodukte. Sie ist Inhaberin des am 3. Juli 2003 angemeldeten und am selben Tag für „Kinderwagen“ eingetragenen sowie am 3. September 2003 bekanntgemachten nachstehend wiedergegebenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 000049655-0003: Die Klägerin vertreibt seit dem Jahr 2003 unter der Marke „Quinny“ das
2
nachfolgend dargestellte Kinderwagenmodell „ZAPP“:
3
Vor der Anmeldung des Klagemusters erfolgte die Bekanntgabe der für „Stroller/Poussette d'enfants“ (Kindersportwagen) international registrierten nachstehenden Geschmacksmuster DM/061845, DM/061834 und DM/061846: DM/061845 DM/061834 DM/061846
4
Ebenfalls vor der Anmeldung des Klagemusters wurden die nachstehenden , auszugsweise wiedergegebenen Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen veröffentlicht: Patentanmeldung Internationale Veröffentlichungsnummer WO 99/02389 Figuren 3 und 6 US-Design-Patent 442 895 US-Design-Patent 5 863 061 Figur 3 US-Design-Patent 399 458 Figuren 1 und 2 US-Design-Patent 369 992 Figur 1 Gebrauchsmusteranmeldung DE 20208353 U1 Figuren 1 und 2
5
Die Beklagte, eine in Süddeutschland ansässige GmbH, ist Herstellerin von Babyausstattungen. Sie bietet die im Klageantrag abgebildeten Kinderwagen der Modelle „Fit“ und „Kiss“ an.
6
Die Klägerin hält die Kinderwagen der Modelle „Fit“ und „Kiss“ der Beklagten für unzulässige Nachahmungen ihres Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Sie hat die von der Beklagten vertriebenen Kinderwagen zudem als wettbewerbsrechtlich unlautere Nachahmung ihres Modells „ZAPP“ beanstandet.
7
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten begehrt.
8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Düsseldorf, Urteil vom 19. Februar 2009 - 14c O 294/08, juris).
9
In der Berufungsinstanz hat die Klägerin beantragt, I. 1. die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen , es zu unterlassen, Kinderwagen, die die nachstehenden Gestaltungsmerkmale aufweisen, im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft herzustellen und/oder herstellen zu lassen, anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in Verkehr zu bringen oder in Verkehr bringen zu lassen oder zu den vorstehend genannten Zwecken zu besitzen: (1) elliptisch geformter Rahmen aus Aluminiumstangen, dessen Ellipsenform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlaufende Aluminiumstange begrenzt wird; (2) Applikationen aus schwarzem Kunststoff an den Gelenkstellen und am unteren Ende des Rahmens; (3) Griffe aus schwarzem Kunststoff, die die äußeren Streben des Rahmens fortsetzen und nach vorne zeigen; (4) horizontal verlaufende Verbindung der Griffe mit einem schwarzen Kunststoffversatzstück um das sich in der Mitte befindende Gelenk herum; (5) Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen eingespannt ist; (6) hängemattenartige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff eingelassen ist; (7) zwei Räder im hinteren Bereich, die durch Aluminiumstangen pfeilartig mit zwei im Abstand voneinander angeordneten Rädern an der Spitze des Pfeilsegments verbunden sind; wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind: Modell „Fit“ Modell „Kiss“ 2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen begangen hat und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer ;
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer;
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns; 3. die Beklagte zu verurteilen, die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend vorstehend Ziffer I 1 an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben; II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
10
Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (OLG Düsseldorf, WRP 2011, 614).
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
12
Während des Revisionsverfahrens hat die Klägerin den Auskunfts- und Vernichtungsanspruch sowie den Schadensersatzanspruch auf Verletzungshandlungen im Inland beschränkt. Die Beklagte hat der darin liegenden Klagerücknahme zugestimmt.

Entscheidungsgründe:


13
A. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin verfolgten Unterlassungsanspruch nach Art. 10 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 1 Buchst. a GGV und die Ansprüche auf Auskunft und Vernichtung gemäß Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 43 Abs. 1, § 46 GeschmMG, § 242 BGB sowie den Schadensersatzanspruch nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 42 Abs. 2 GeschmMG für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
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Dem Klagemuster komme ein weiter Schutzbereich zu. Der Entwerfer eines Kinderwagens habe nur wenige funktionale Vorgaben zu beachten. Er verfüge deshalb über einen großen Gestaltungsspielraum. Das Klagemuster setze sich erheblich vom vorbekannten Formenschatz ab. Die angegriffenen Kinder- wagenmodelle mit den Bezeichnungen „Kiss“ und „Fit“ erweckten beim informierten Betrachter keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster. Dem eingetragenen Muster sei die Verwendung bestimmter Materialien nicht zu entnehmen. Der die Materialien umfassende Klageantrag stelle sich danach als eine Einschränkung des Klageanspruchs dar. In den angegriffenen Modellen seien mit Ausnahme der Stützkonstruktion die Merkmale nahezu identisch übernommen worden, die das Klagemuster prägten. Die unterschiedlich gestalteten Stützkonstruktionen seien nicht geeignet, den Gesamteindruck zu ändern. Der Frontbügel, das Dach und die Aufbewahrungstasche der angegriffenen Modelle „Kiss“ und „Fit“ seien Zubehör, das bei der Beurteilung des Gesamteindrucks außer Betracht zu bleiben habe.
15
Der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Beklagte habe das Klagemuster fahrlässig verletzt. Der Auskunftsanspruch folge aus Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 46 GeschmMG und § 242 BGB. Die Klägerin könne auch die Herausgabe der im Besitz und Eigentum der Beklagten befindlichen rechtsverletzenden Erzeugnisse beanspruchen. Die Vernichtung sei nicht unverhältnismäßig. Auf die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche, die nur hilfsweise geltend gemacht worden seien, komme es nicht an.
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B. Die Revision hat keinen Erfolg.
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I. Gegenstand des Rechtsmittels sind die Verurteilung nach dem Klageantrag zu I 1 und - nach teilweiser Klagerücknahme im Revisionsrechtszug - die Verurteilung zur Auskunftserteilung und Herausgabe zur Vernichtung sowie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nach den Klageanträgen zu I 2 und 3 sowie zu II für im Inland begangene Rechtsverletzungen. Soweit die Klägerin die Verurteilung nach den Klageanträgen zu I 2 und 3 sowie II für Verlet- zungshandlungen in anderen Mitgliedstaaten begehrt hat, hat sie die Klage wirksam zurückgenommen (§ 269 ZPO).
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II. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, folgt aus Art. 82 Abs. 1 GGV. Die Beklagte hat ihren Sitz in Deutschland. Für die internationale Zuständigkeit kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte nicht im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Düsseldorf als Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht geschäftsansässig ist, sondern im Bezirk des Oberlandesgerichts München, für den das Landgericht München I Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht ist. Dies berührt nur die örtliche Zuständigkeit, die der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2010 - VIII ZR 341/09, NJW-RR 2011, 72 Rn. 1).
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III. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte gemeinschaftsweite Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 000049655-0003 nach Art. 19 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a GGV zu.
20
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Verletzungsverfahren nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GGV von der Rechtsgültigkeit des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters und damit vom Vorliegen der Schutzvoraussetzungen (Art. 4 Abs. 1 GGV) der Neuheit (Art. 5 GGV) und der Eigenart (Art. 6 GGV) sowie vom Fehlen von Schutzausschließungsgründen (Art. 8, 9 GGV) auszugehen ist.
21
Im Streitfall besteht auch kein Anlass, das vorliegende Verfahren im Hinblick auf den gegen das Klagemuster gerichteten Antrag auf Nichtigerklärung (Art. 52 GGV) auszusetzen. Die Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 1 GGV für eine Aussetzung liegen nicht vor. Die Bestimmung sieht eine Verfahrensaussetzung vor, wenn vor Erhebung einer Klage im Sinne des Art. 81 GGV die Rechtsgültigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters bereits aufgrund einer Widerklage vor einem Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht angegriffen oder beim Amt bereits ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters gestellt worden ist. Das vorliegende Verfahren betrifft zwar eine Verletzungsklage nach Art. 81 Buchst. a GGV. Der Antrag auf Nichtigerklärung vom 14. Mai 2010 ist aber nach Erhebung der vorliegenden Verletzungsklage gestellt worden.
22
Eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 3 GGV in Verbindung mit § 148 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Ob ein Verletzungsverfahren im Hinblick auf einen Antrag auf Nichtigerklärung nach § 148 ZPO auszusetzen ist, entscheidet sich anhand der Abwägung der Erfolgsaussichten des Verfahrens auf Nichtigerklärung und der mit der Aussetzung verbundenen Prozessverzögerung (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2003 - I ZR 257/00, BGHZ 156, 112, 119 - Kinder I; Urteil vom 25. Januar 2007 - I ZR 22/04, BGHZ 171, 89 Rn. 17 - Pralinenform I). Der Antrag auf Nichtigerklärung ist erst während des Revisionsverfahrens gestellt worden. Mit der Aussetzung des Verfahrens wäre eine unzumutbare Verfahrensverzögerung verbunden, die die Klägerin in Abwägung mit den Erfolgsaussichten des Verfahrens auf Erklärung der Nichtigkeit nach Art. 52 Abs. 1 GGV im Interesse einer effektiven Rechtsverfolgung nicht hinnehmen muss.
23
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das Modell „Fit“ das Klagemuster verletzt, weil das angegriffene Muster beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster erweckt und daher in dessen Schutzbereich fällt (Art. 10 Abs. 1 GGV).
24
a) Bei der Bestimmung des Schutzumfangs des Klagemusters ist nach Art. 10 Abs. 2 GGV - ebenso wie bei der Beurteilung der Eigenart nach Art. 6 Abs. 2 GGV - der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen. Dabei besteht zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und damit ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers führen zu einem engen Schutzumfang des Musters mit der Folge, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen können. Dagegen führen eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers zu einem weiten Schutzumfang des Musters, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 71/08, GRUR 2011, 142 Rn. 17 = WRP 2011, 100 - Untersetzer; KG, ZUM 2005, 230, 231; öOGH, GRUR Int. 2008, 523, 525; vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf des Geschmacksmusterreformgesetzes, BT-Drucks. 15/1075, S. 52 zu § 38 GeschmMG). Der bereits vor Umsetzung der Richtlinie 98/71/EG durch das Geschmacksmusterreformgesetz anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt, gilt daher nach wie vor und ist auch für die Bestimmung des Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach Art. 10 Abs. 2 GGV maßgeblich (vgl. BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 - Untersetzer ; BGH, Urteil vom 24. März 2011 - I ZR 211/08, GRUR 2011, 1112 Rn. 32 = WRP 2011, 1621 - Schreibgeräte; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 16, 18; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 977; D. Jestaedt, GRUR 2008, 19, 22; vgl. auch EuG, Urteil vom 18. März 2010 - T 9/07, Slg. 2010, II-981 = GRUR Int. 2010, 602 Rn. 72 - Grupo Promer/HABM). Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Klagemuster über einen weiten Schutzumfang verfügt.
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aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass das Klagemuster folgende prägende Merkmale aufweist: (1) elliptisch geformter Rahmen aus metallisch-hellen Stangen, dessen Ellipsenform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlaufende metallischhelle Stange begrenzt wird; (2) Applikationen aus schwarzem Material an den Gelenkstellen und am unteren Rand des Rahmens; (3) Griffe aus schwarzem Material, die die äußeren Streben des Rahmens fortsetzen und nach vorne zeigen; (4) horizontal verlaufende Verbindung der Griffe mit einem schwarzen Versatzstück um das sich in der Mitte befindende Gelenk herum; (5) Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen eingespannt ist; (6) hängemattenartige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff eingelassen ist; (7) zwei Räder im hinteren Bereich, die durch metallisch-helle Stangen pfeilartig mit zwei im Abstand voneinander angeordneten Rädern an der Spitze des Pfeilsegments verbunden sind; (8) zwei metallisch-helle Stangen, die jeweils von den hinteren Rädern zu einem Verbindungsstück unter der Sitzfläche führen, von dem aus ein weiteres Verbindungsrohr zur vorderen Spitze führt; (9) zwei metallisch-helle Stangen, die von dem Mittelgelenk der Seitenstangen gleichfalls zu dem Verbindungsstück führen.
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bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist im Hinblick auf den vorbekannten Formenschatz kein Vergleich der einzelnen das Klagemuster prägenden Elemente mit den einzelnen Merkmalen vorbekannter Modelle vorzunehmen, sondern jeweils der Gesamteindruck des Klagemusters mit jedem Muster aus dem vorbekannten Formenschatz zu vergleichen. Für die Frage, welchen Abstand das Klagemuster vom vorbekannten Formenschatz einhält, kommt es nicht auf einen Vergleich einzelner Merkmale des Klagemusters mit einzelnen Merkmalen vorbekannter Muster an. Maßgeblich ist vielmehr der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster, der darüber entscheidet, wie groß die Ähnlichkeit des Klagemusters mit dem vorbekannten Formenschatz ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2010 - I ZR 89/08, BGHZ 185, 224 Rn. 33 - Verlängerte Limousinen; BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 - Untersetzer; Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 10 Rn. 4; Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl., § 38 Rn. 21). Diese Beurteilung hat das Berufungsgericht seiner Prüfung zutreffend zugrunde gelegt.
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Die - ohnehin weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende - Beurteilung des Gesamteindrucks der einzelnen Muster des vorbekannten Formenschatzes durch das Berufungsgericht lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
28
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Geschmacksmuster DM/061845 der H. GmbH & Co. KG verfüge ebenso wie das Klagemuster über Applikationen aus schwarzem Material. Es weise aber keine elliptische Gestaltung des Rahmens auf; die Stangen des Rahmens liefen nur im unteren Bereich spitz zu. Auch die pfeilartige Fahrwerkkonstruktion des Klagemusters fehle, weshalb das Vergleichsmuster eher den Eindruck eines herkömmlichen Kinderwagens hervorrufe und im Gesamteindruck deutlich vom Klagemuster abweiche.
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Ohne Erfolg hält die Revision dem entgegen, der untere Teil des Musters DM/061845 sei ellipsenförmig ausgestaltet. Auch wenn die Rahmenstangen des Musters DM/061845 im unteren Teil gebogen - oder wie die Revision geltend macht - ellipsenförmig ausgestaltet sind, ist der Gesamteindruck des in Rede stehenden Musters und des Klagemusters trotz der schwarzen Applikation deutlich verschieden.
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Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die weiteren Muster der H. GmbH & Co. KG sich noch weiter vom Klagemuster unterscheiden als das Muster DM/061845, weil das Muster DM/061834 nur ein Vorderrad aufweist und das Muster DM/061846 über eine vierrädrige Anordnung verfügt.
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(2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weisen das Modell „Gecko“ und die Patentanmeldung WO 99/02389 einen deutlich anderen Gesamteindruck als das Klagemuster auf. Die Ellipsenform sei bei den vorbekannten Modellen nicht geschnitten, weil eine horizontal verlaufende Stange im oberen Bereich fehle. Die Fahrwerkskonstruktion unterscheide sich vom Klagemuster durch das klassische vierrädrige Fahrgestell. Die Sitzfläche sei nicht in den Rahmen eingespannt und im Zentrum der Ellipse finde sich eine Sitzschale.
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Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Revision greift sie auch nicht an. Sie meint vielmehr, charakteristisches Element des Modells „Gecko“ sei die Ellipsenform. Auf den von der Revision in diesem Zusammenhang vorgenommenen Vergleich eines einzelnen Elements des Klagemusters mit einem Element des Modells „Gecko“ kommt es aber nicht an.
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(3) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Gebrauchsmusterschrift DE 202 08 353 U 1 keinen Kinderwagen, sondern nur ein Gestell zeigt, bei dem zwar die Radaufhängung pfeilförmig ausgestaltet ist, dem aber die für das Klagemuster charakteristische Ellipsenform fehlt. Dagegen erinnert die Revision mit Ausnahme eines Hinweises auf Applikationen aus Kunststoff am unteren Ende des Rahmens und an den Gelenkstellen und die pfeilartige Ausgestaltung der Stangen nichts. Die Applikationen ändern aber nichts daran, dass das in der Gebrauchsmusterschrift wiedergegebene Gestell und das Klagemuster sich deutlich unterscheiden. Entsprechendes gilt für die weitere Rüge der Revision. Die pfeilartige Ausgestaltung der zwei Stangen hat das Berufungsgericht berücksichtigt. Die Anordnung doppelter Räder findet sich im Klagemuster nur vorne. Am unterschiedlichen Gesamteindruck ändern diese Merkmale nichts. Auf den von der Revision durchgeführten Vergleich einzelner Merkmale des Klagemusters und des in der Gebrauchsmusterschrift abgebildeten Modells kommt es aus Rechtsgründen nicht an.
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(4) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Abbildungen der US-Design-Patentschriften 369 992 und 442 895 keines der charakteristischen Merkmale des Klagemusters wiedergeben. Dagegen wendet sich die Revision nur insoweit, als sie geltend macht, die Patentschrift 369 992 zeige eine hängende Sitzplatzgestaltung. Das trifft zwar zu, ändert aber an dem vom Berufungsgericht angenommenen Ergebnis nichts, nach dem der Rahmen des in der Patentschrift wiedergegebenen Modells anders als beim Klagemuster von der Sitzbespannung verborgen wird.
35
(5) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Modelle der USDesign -Patentschriften 5863061 und 399 458 gewisse Ähnlichkeiten mit dem Klagemuster im Hinblick auf die Griffgestaltung aufweisen, im Übrigen aber völlig anders gestaltet sind. Auch diese tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Daran ändert auch die Rüge der Revision nichts, das Berufungsgericht habe bei den Abbildungen in den Patentschriften die horizontal verlaufende Verbindung der Griffe außer Acht gelassen. Die Revision zeigt schon nicht auf, dass die Beklagte in den Tatsacheninstanzen eine entsprechende Übereinstimmung geltend gemacht hat. Im Übrigen ändert dieses Merkmal an dem Ergebnis der Beurteilung des Berufungsgerichts nichts. Entgegen der Ansicht der Revision bestehen bei dem in der Patentschrift 399 458 wiedergegebenen Modell auch keine Übereinstimmungen mit dem Klagemuster in der Sitzgestaltung.
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(6) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Entwerfer von Kinderwagen verfüge über einen großen Gestaltungsspielraum , weil er nur wenige Vorgaben beachten müsse. Auf den gegenteiligen Vortrag der Beklagten in den Instanzen brauchte das Berufungsgericht nicht weiter einzugehen. Er erschöpft sich in der allgemeinen Darstellung, bei Kinderwagen seien zahlreiche technische und sicherheitsrelevante Vorgaben zu berücksichtigen, ohne dass die Beklagte angeführt hat, dass und in welchem Umfang dadurch der Gestaltungsspielraum des Entwerfers eingeengt wird.
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b) Das Berufungsgericht hat angenommen, beim Modell „Fit“ der Beklagten seien die Merkmale (1) bis (7) des Klagemusters nahezu identisch übernommen worden. Der Rahmen weise die gleiche durch die obere Stange (Merkmal 4) geschnittene Ellipsenform (Merkmal 1) des Klagemusters auf. Ebenso finde sich die Form der geschnittenen Ellipse bei der Fahrwerkgestaltung (Merkmal 7) wieder. Der Rahmen werde ebenfalls durch zwei schwarze Griffe begrenzt, die nach vorne zeigten (Merkmal 3). Die Griffe würden beim Modell „Fit“ der Beklagten anders als beim Klagemuster nach oben hin breiter. Dies beeinflusse den Gesamteindruck des Klagemusters aber nicht wesentlich. Das angegriffene Modell übernehme weiter die Merkmale (5) und (6) des Klagemusters. Der Stoff der Sitzbespannung sei in den Rahmen eingespannt; bei beiden Mustern bleibe der Rahmen dadurch vollständig sichtbar. Die unterschiedliche Spannung des Stoffs - beim Klagemuster sei der Stoff straff gespannt und beim Modell „Fit“ der Beklagten eher locker gehalten - präge den Gesamteindruck weniger als der sichtbare Rahmen. Weniger bedeutungsvoll für den Gesamteindruck seien die Unterschiede zwischen dem Klagemuster und dem Modell der Beklagten bei der Stufengestaltung. Das Klagemuster zeige nur eine Stufe, während das Modell „Fit“ eine weitere Stufe für die Füße aufweise. Die Merkmale (8) und (9) der Stützkonstruktion des Klagemusters fänden sich nicht in gleicher Weise beim angegriffenen Modell „Fit“. Die Unterschiede seien indessen nicht geeignet, den Gesamteindruck zu ändern. Der informierte Benutzer werde die Stützkonstruktion als eher technisch bedingt ansehen. Bei dem Vergleich mit dem Klagemuster hätten beim angegriffenen Modell „Fit“ der Frontbügel, das Dach und die Aufbewahrungstasche außer Betracht zu bleiben. Diese Teile würden bei der Auslieferung nur mitgeliefert. Sie müssten vom Benutzer des Kinderwagens noch montiert werden. Es handele sich um Zubehör, das der informierte Betrachter bei der Beurteilung des Gesamteindrucks außer Betracht lasse. Die Übernahme des in Form einer geschnittenen Ellipse gestalteten Rahmens und Fahrwerks sowie der eingespannte Stoff, der den Rahmen sichtbar lasse, wirke sich auf den Gesamteindruck besonders aus, weil sich das Klagemuster gerade durch diese Merkmale vom vorbekannten Formenschatz abhebe.
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Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat den Gesamteindruck des Klagemusters und des angegriffenen Musters rechtsfehlerfrei bestimmt.
39
aa) Entgegen der Rüge der Revision sind die Merkmale (1) bis (7) des Klagemusters für dessen Gesamteindruck ebenfalls prägend. Sie sind in ihrem Zusammenwirken nicht vorbekannt und dem informierten Benutzer deshalb auch nicht geläufig (dazu Rn. 26 bis 36). Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diese Merkmale bestimmend für den Gesamteindruck des Klagemusters sind und sich in nahezu identischer Form auch in dem angegriffenen Modell „Fit“ der Beklagten wiederfinden.
40
bb) Die Revision rügt, das Berufungsgericht sei bei seiner Beurteilung von einem falschen Maßstab ausgegangen. Es hätte berücksichtigen müssen, dass der informierte Benutzer bei teuren Erzeugnissen und solchen, die äußer- lich sichtbar benutzt werden und mit denen er ständig konfrontiert werde, eine größere Aufmerksamkeit walten lasse.
41
Auch mit diesem Vorbringen dringt die Revision nicht durch. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass auf dem Produktsektor der Kinderwagen der informierte Benutzer ein gegenüber anderen Gegenständen gesteigertes Interesse am Produktdesign hat. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch keinen Vortrag der Beklagten übergangen. Der von der Revision in Bezug genommene Vortrag lässt keinen Rückschluss auf ein in diesem Sinn gesteigertes Interesse des informierten Benutzers am Produktdesign von Kinderwagen zu, so dass vorliegend von den allgemeinen Maßstäben auszugehen ist, die für den Grad der Aufmerksamkeit des informierten Benutzers gelten (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 20. November 2011 - C-281/10, GRUR Int. 2012, 43 Rn. 59 - PepsiCo.).
42
cc) Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht sei nur von den übereinstimmenden Merkmalen ausgegangen und habe Gewicht und Umfang der Unterschiede zu Unrecht außer Betracht gelassen. Es habe auch die Merkmale, die einen besonderen Abstand zum Formenschatz aufwiesen, nicht gewichtet. Das betreffe die Stützkonstruktion und die vordere Radaufhängung.
43
(1) Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht die übereinstimmenden Merkmale in ihrer Bedeutung für die Frage, ob das angegriffene Modell „Fit“ der Beklagten keinen anderen Gesamteindruck hervorruft, näher gewichtet. In die Beurteilung hat das Berufungsgericht auch die Unterschiede zwischen den Mustern und die Bedeutung dieser Unterschiede für die Frage einbezogen, ob dadurch ein vom Klagemuster abweichender Gesamteindruck erweckt wird.
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(2) Die Ausführungen, aufgrund deren das Berufungsgericht angenommen hat, das angegriffene Muster der Beklagten rufe keinen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster hervor, halten auch im Übrigen der rechtlichen Nachprüfung stand.
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Die Feststellung des übereinstimmenden Gesamteindrucks der sich gegenüberstehenden Muster liegt im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. In der Revisionsinstanz ist nur zu prüfen, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat.
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Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, das Berufungsgericht habe die Unterschiede zwischen den Mustern nicht zutreffend erfasst. Der in der Form der geschnittenen Ellipse gestaltete Rahmen des Klagemusters sei nicht identisch übernommen. Der optische Eindruck der Ellipse werde beim angegriffenen Muster dadurch eingeschränkt, dass der Stoff mit der Fußstufe ende und dort die nach vorne gewölbte Kunststoffapplikation beginne. Die Aluminiumstangen des Rahmens seien beim Verletzungsmuster nicht wie beim Klagemuster kreisrund, sondern oval gehalten. Die schwarzen Kunststoffapplikationen an den Gelenkstangen und an der Spitze des Wagens hätten aufgrund ihrer Vorbekanntheit nur ein geringes Gewicht bei der Beurteilung des Gesamteindrucks. Die Kunststoffapplikationen des angegriffenen Musters und des Klagemusters unterschieden sich. Die Griffgestaltung sei üblich. Die horizontal verlaufenden Streben mit dem Faltmechanismus gehörten zum vorbekannten Formenschatz. Die Gestaltung der Sitzflächen des Klagemusters und des angegriffenen Musters sei unterschiedlich. Der verschiedenen Zahl der Stufen der Muster komme entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts Bedeutung für den Gesamteindruck zu. Die pfeilförmige Gestaltung der unteren Streben gehöre zum vorbekannten Formenschatz. Der unterschiedlichen Ausformung der Muster unterhalb des Sitzes komme erhebliches Gewicht für die Bestimmung des Gesamteindrucks zu.
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Mit dieser von der Beurteilung des Berufungsgerichts abweichenden Würdigung und Gewichtung einzelner Merkmale des Klagemusters und des angegriffenen Modells „Fit“ der Beklagten zeigt die Revision keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf. Sie setzt vielmehr in unzulässiger Weise ihre eigene Auffassung an die Stelle derjenigen des Tatrichters.
48
(3) Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision dagegen, dass das Berufungsgericht in die Beurteilung des Gesamteindrucks des angegriffenen Musters nicht den Frontbügel, das Dach und die Aufbewahrungstasche einbezogen hat. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass diese Teile Zubehör sind, dessen Montage im Belieben des Benutzers steht. Sie haben außer Betracht zu bleiben, wenn die Klägerin ein Verbot der Verletzungsform ohne die Zubehörteile verfolgt, wie dies vorliegend der Fall ist. Entgegen der Ansicht der Revision verfehlt der Unterlassungsantrag danach auch nicht die konkrete Verletzungsform.
49
c) Der Klägerin steht danach ein unionsweiter Unterlassungsanspruch zu. Dies folgt aus Art. 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 GGV, nach dem das Gemeinschaftsgeschmacksmuster einheitlich ist und sich in den Wirkungen auf die gesamte Gemeinschaft erstreckt. Eine Verletzungshandlung, die in einem Mitgliedstaat begangen wird, begründet in der Regel eine Begehungsgefahr für das gesamte Gebiet der Europäischen Union (vgl. BGHZ 185, 224 Rn. 56 - Verlängerte Limousinen, mwN).
50
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Unterlassungsanspruch auch das Herstellen und Herstellenlassen des Modells „Fit“ der Beklagten umfasst. Nach Art. 19 Abs. 1 GGV gewährt das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster seinem Inhaber das ausschließliche Recht, es durch Herstellung, Anbieten, Inverkehrbringen, Einfuhr oder Ausfuhr eines Erzeugnisses zu benutzen.
51
Das Berufungsgericht hat eine Begehungsgefahr für ein Herstellen oder Herstellenlassen des angegriffenen Musters in dem Gebiet der Europäischen Union zwar nicht festgestellt. Dies ist jedoch unschädlich, weil der Senat aufgrund des unstreitigen Parteivorbringens das Vorliegen einer Begehungsgefahr bejahen kann.
52
Die Beklagte ist kein reines Handelsunternehmen, sondern selbst Herstellerin von Babyausstattungen. Sie hat zwar bestritten, die streitbefangenen Erzeugnisse selbst herzustellen oder in der Europäischen Union herstellen zu lassen. Dass sie die Erzeugnisse außerhalb des Gebiets der Europäischen Union herstellen lässt, hat sie aber nicht in Abrede gestellt. Da die Frage des Produktionsstandorts oder einer Eigen- oder Auftragsfertigung bei einem produzierenden Unternehmen in erster Linie eine Kostenfrage ist, die sich fortlaufend ändern kann, ist vorliegend auch von einer Begehungsgefahr für ein Herstellen oder Herstellenlassen innerhalb der Europäischen Union durch die Klägerin auszugehen.
53
3. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass auch das angegriffene Muster „Kiss“ das Klagemuster verletzt, weil es beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt (Art. 10 Abs. 1 GGV). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unterscheidet sich das Modell „Kiss“ allein dadurch von dem Modell „Fit“, dass die beiden Vorderräder etwas weiter auseinanderstehen. Dieser Unterschied rechtfertigt keine andere Beurteilung des mit dem Klagemuster übereinstimmenden Gesamteindrucks als beim Mo- dell „Fit“ der Beklagten. Insoweit gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend (Rn. 23 bis 51).
54
IV. Der Klägerin steht der begehrte Schadensersatzanspruch nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 42 Abs. 2 GeschmMG analog zu, soweit er auf im Inland begangenen Verletzungshandlungen beruht. Entsprechendes gilt für den Auskunfts- und den Vernichtungsanspruch.
55
1. Die Beurteilung der Schadensersatzansprüche der im Inland begangenen Verletzungen der Klagemuster richtet sich nach deutschem Recht.
56
Gemäß Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV bestimmen sich andere als die in Art. 89 Abs. 1 Buchst. a bis c GGV angeführten Anordnungen im Falle einer bereits erfolgten oder drohenden Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach der Rechtsordnung des Mitgliedstaats einschließlich seines Internationalen Privatrechts, in dem die Verletzungshandlungen begangen sind oder drohen. Zu der Anordnung von Sanktionen nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV zählen Schadensersatzansprüche. Aufgrund der Verweisung in Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV ist danach deutsches Internationales Privatrecht für die Frage maßgeblich, welches Recht auf Schadensersatzansprüche anzuwenden ist, die auf Verletzungshandlungen beruhen, die in Deutschland begangen sind (vgl. BGHZ 185, 224 Rn. 59 - Verlängerte Limousinen).
57
Nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) am 11. Januar 2009 ist gemäß ihrem Art. 8 Abs. 2 bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums auf Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft - hier die Gemeinschaftsgeschmacksmusterver- ordnung - fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde. Maßgeblich für die in Deutschland begangenen Rechtsverletzungen ist danach deutsches Recht.
58
Für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Rom-II-VO gilt nichts anderes, weil sich die Ansprüche im Fall der Verletzung gewerblicher Schutzrechte auch zuvor nach dem Recht des Schutzlandes richteten, das heißt nach dem Recht desjenigen Staates, für dessen Gebiet der Immaterialgüterschutz in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 Rn. 22 = WRP 2007, 996 - Staatsgeschenk).
59
Die Klägerin kann dem Grunde nach in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 GeschmMG Schadensersatz aufgrund von Rechtsverletzungen, die im Inland begangen sind, beanspruchen (vgl. BGHZ 185, 224 Rn. 62 - Verlängerte Limousinen).
60
Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Klagemuster der Klägerin zumindest fahrlässig verletzt. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
61
2. Der Auskunfts- und der Vernichtungsanspruch nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 43 Abs. 1 und § 46 Abs. 1 GeschmMG, § 242 BGB sind ebenfalls begründet, soweit sie auf Verletzungshandlungen bezogen sind, die im Inland begangen sind. Insoweit gelten die vorstehenden Erwägungen zum Schadensersatzanspruch entsprechend (Rn. 54 bis 59).
62
V. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, weil sich im Streitfall keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Auslegung des Unionsrechts stellen, die eine Vorlage erfordern. Die Gesamtwürdigung und Gewichtung der relevanten Umstände im konkreten Einzelfall ist Sache der nationalen Gerichte (EuGH, Urteil vom 16. November 2004 - C-245/02, Slg. 2004, I-10989 = GRUR 2005, 153 Rn. 84 - Anheuser Busch).
63
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.02.2009 - 14c O 294/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.12.2009 - I-20 U 46/09 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Zivilprozessordnung - ZPO | § 545 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. (2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 257/00 Verkündet am:
28. August 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Kinder
Nr. 3 und Abs. 2, § 51 Abs. 4 Nr. 2, § 54

a) Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG ist im Wege teleologischer
Reduktion einschränkend dahin auszulegen, daß im Verletzungsprozeß
das Vorliegen eines absoluten Schutzhindernisses der prioritätsälteren
Marke nicht zur Überprüfung gestellt werden kann, wenn dies noch im Löschungsverfahren
vor dem Deutschen Patent- und Markenamt durch einen
Löschungsantrag und ein Löschungsverfahren nach §§ 50, 54 MarkenG erfolgen
kann.

b) Entfallen nach Eintragung einer Marke gem. § 8 Abs. 3 MarkenG nachträglich
die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung, begründet dies keine
Löschungsreife der Marke wegen Verfalls.

c) Dem Wortbestandteil "Kinder" einer farbigen Wort-/Bildmarke fehlt für die
Ware "Schokolade" wegen der ausschließlichen Beschreibung der Abnehmerkreise
jegliche Unterscheidungskraft. Dieser Wortbestandteil kann da-
her aus Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks der Wort-/
Bildmarke bewirken.

d) Aus einem rein beschreibenden Begriff (hier: "Kinder" für die Waren "Schokolade"
), dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt, kann der Schutz des
Stammbestandteils einer Zeichenserie nur abgeleitet werden, wenn sich aufgrund
der wiederholten Verwendung des Stammbestandteils dieser im Verkehr
i.S. von § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat.
BGH, Urteil vom 28. August 2003 - I ZR 257/00 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 5. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Oktober 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Herstellerin von Schokoladenprodukten. Sie vertreibt diese unter Verwendung von Marken, die mit dem Begriff "Kinder" beginnen. Sie ist Inhaberin der als durchgesetzte Zeichen am 11. August 1980 für "gefüllte Vollmilchschokolade" eingetragenen Wortmarke (Nr. 1006192) "Kinderschokolade" und der am 12. August 1991 für "Schokolade" eingetragenen nachfolgenden farbigen Wort-/Bildmarke "Kinder" (Nr. 1180071):

Die Beklagte stellt Süßwaren her. Sie ist Inhaberin der mit Priorität vom 6. Oktober 1998 am 18. Dezember 1998 für "Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren , nicht medizinische Kaugummis" eingetragenen Wortmarke "Kinder Kram".
Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Markenrechte, daß die Beklagte die Marke "Kinder Kram" benutzt hat. Sie hat geltend gemacht, die Marken der Parteien seien verwechselbar. Aufgrund der Vielzahl der von ihr mit dem Zeichen "Kinder" vertriebenen Produkte und der großen Bekanntheit ihrer Marken erwarte der Verkehr, daß mit der Marke "Kinder Kram" gekennzeichnete Waren von ihr stammten.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten zu untersagen,
Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren und nicht-medizinische Kaugummis unter der Marke
"Kinder Kram",
wie sie im Markenblatt Heft 4 vom 28. Januar 1999 auf Seite 1051 unter der Nr. 398 57 206 (wie nachfolgend eingeblendet) veröffent- licht worden ist,

anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat bestritten, daß sich die Marke "Kinder" ohne die graphische Gestaltung durchgesetzt habe, und hat die Ansicht vertreten, die Schutzfähigkeit der Marke sei auf die konkrete Gestaltung beschränkt. An dem Zeichen bestehe ein hohes Freihaltebedürfnis.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Köln GRUR-RR 2002, 7 = WRP 2001, 57).
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Marke "Kinder Kram" der Beklagten sei für den angemeldeten Warenbereich mit der Wort-/Bildmarke "Kinder" der Klägerin verwechselbar. Im Verletzungsprozeß sei von der Schutzfähigkeit der eingetragenen Marke "Kinder" auszugehen. Die Schutzfähigkeit sei durch den von der Beklagten gestellten Löschungsantrag nicht beseitigt. Ein etwaiges Freihaltebedürfnis an der Bezeichnung "Kinder" sei durch die im Eintragungsverfahren festgestellte Verkehrsdurchsetzung überwunden. Dies sei für das Verletzungsverfahren bindend. Entgegen ihrem Wortlaut eröffne die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG auch nicht die Möglichkeit, im Verletzungsverfahren zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Eintragung der prioritätsälteren Marke die Eintragungsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Die Klägerin könne aus ihrer Marke "Kinder" nur dann gegen die Marke "Kinder Kram" keine Rechte herleiten, wenn am Tag der Veröffentlichung der Eintragung der Kollisionsmarke (28. Januar 1999) die Eintragungsvoraussetzungen für die Klagemarke wieder entfallen seien. Es könne aber keine Rede davon sein, daß die Klagemarke im Januar 1999 dem Verkehr wesentlich weniger bekannt gewesen sei als zum Zeitpunkt der Eintragung 1991. Die Marke "Kinder" verfüge wegen der in dem GfK-Gutachten angeführten hohen Bekanntheit über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Diese bestehe nicht nur für das Wort-/Bildzeichen in der farbigen Gestaltung, sondern auch für das reine Wortzeichen. Die Kritik der Beklagten an dem Gutachten sei
unberechtigt. Daß die im Jahre 1997 ermittelten Ergebnisse zwischenzeitlich überholt seien, mache die Beklagte selbst nicht geltend. Eine nachhaltige Schwächung durch Drittkennzeichen sei nicht gegeben.
Die von der Beklagten erhobene Einrede der Nichtbenutzung bleibe ohne Erfolg. Die Marke "Kinder" sei auch dann ausreichend benutzt, wenn die Verwendung nicht in Alleinstellung erfolgt sei. Die Klägerin habe die Bezeichnung "Kinder" vor und nach Eintragung als Marke in derselben Form benutzt. Die Weiterverwendung eines Zeichens in der Form, die zur Eintragung als durchgesetztes Zeichen geführt habe, könne keine Nichtbenutzung darstellen. Die Eintragung beruhe ersichtlich auf der Feststellung, daß der Bestandteil "Kinder" in der charakteristischen farbigen Ausgestaltung nach Art eines Serienzeichens herkunftshinweisend wirke.
Weiterhin sei von hoher Zeichenähnlichkeit und jedenfalls geringer Warenähnlichkeit auszugehen. Die Marke der Beklagten ähnele durch die entgegen den Regeln der deutschen Rechtschreibung vorgenommene Schreibweise in zwei Wörtern der Klagemarke, die regelmäßig durch einen weiteren Begriff individualisiert werde. An der erheblichen Ähnlichkeit ändere der Umstand nichts, daß das Klagezeichen eine Wort-/Bildmarke und das Kollisionszeichen eine Wortmarke sei. Der Verkehr werde sich an die Wortmarke aufgrund ihres Sinns erinnern. Der bildliche Teil der Klagemarke werde zudem bei einer akustischen Präsentation nicht wahrgenommen.
Die Waren Schokolade, Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren sowie nicht-medizinische Kaugummis seien in Anbetracht der hohen Kennzeich-
nungskraft und großer Zeichenähnlichkeit hinreichend ähnlich, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe eine Verwechslungsgefahr zwischen der Klagemarke "Kinder" und dem angegriffenen Zeichen "Kinder Kram" (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings im vorliegenden Verletzungsprozeß im Hinblick auf die Markeneintragung vom Bestand der Klagemarke ausgegangen.
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Revision zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht, mit der sie die Löschungsreife der Marke "Kinder" im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der Kollisionsmarke "Kinder Kram" geltend macht, auf die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG. Nach dieser Vorschrift hat der Inhaber einer Marke nicht das Recht, die Benutzung einer Marke mit jüngerem Zeitrang zu untersagen, wenn ein Antrag auf Löschung der Eintragung der prioritätsjüngeren Marke zurückzuweisen wäre, weil die ältere Marke am Tage der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke wegen absoluter Schutzhindernisse hätte gelöscht werden können (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 51 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG). Nach seinem Wortlaut eröffnet § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG für den Inhaber der jüngeren eingetragenen Marke im Verletzungsverfahren die Möglichkeit, über das Vorliegen
absoluter Schutzhindernisse der prioritätsälteren Marke nach § 8 MarkenG eine (erneute) Prüfung herbeizuführen. Die Vorschrift ist jedoch im Wege teleologischer Reduktion einschränkend auszulegen. Danach kann im Verletzungsprozeß das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen der prioritätsälteren Marke nicht zur Überprüfung gestellt werden, wenn dies - wie im Streitfall - (noch) im Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nach §§ 50, 54 MarkenG und im Verfahren vor dem Bundespatentgericht erfolgen kann (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 22 Rdn. 12; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 22 Rdn. 14; a.A. Rohnke, Festschrift für Hertin, S. 643, 657 ff. = GRUR 2001, 696, 701 ff.).
Unter Geltung des Warenzeichengesetzes entsprach es ständiger Rechtsprechung (vgl. RG GRUR 1934, 360, 361 - Antimott/Mott-Nie; GRUR 1943, 41, 43 - Strickende Hände; BGH, Urt. v. 15.4.1966 - Ib ZR 85/64, GRUR 1966, 495, 497 = WRP 1966, 369 - UNIPLAST; Urt. v. 25.5.1979 - I ZR 132/77, GRUR 1979, 853, 854 = WRP 1979, 780 - LILA) und einhelliger Ansicht im Schrifttum (vgl. Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 4. Aufl., Kap. 5 Rdn. 4 Anm. 3 b; Tetzner, Warenzeichengesetz, § 4 Rdn. 6; Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., § 4 WZG Rdn. 32, m.w.N.; v. Gamm, Warenzeichengesetz, Einf. Rdn. 108 und 111; Busse/Starck, Warenzeichengesetz , 6. Aufl., § 4 Rdn. 3), daß die ordentlichen Gerichte an die Eintragungsentscheidung des Patentamts gebunden sind. Dieser Grundsatz sollte durch das Markengesetz keine Änderung erfahren (vgl. hierzu Begr. zum Regierungsentwurf , BT-Drucks. 12/6581, S. 57 = BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 51). Angesichts der Aufgabenverteilung zwischen den Eintragungsinstanzen und den Verletzungsgerichten ist nur den ersten die Zuständigkeit zur Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen zugewiesen (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1997
- I ZR 95/95, GRUR 1998, 412, 413 f. = WRP 1998, 373 - Analgin; Urt. v. 20.10.1999 - I ZR 110/97, GRUR 2000, 608, 610 = WRP 2000, 529 - ARD-1). Dadurch wird eine doppelte Inanspruchnahme des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts einerseits und der ordentlichen Ge- richte andererseits zur Überprüfung der Löschungstatbestände gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3, § 51 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG vermieden. Zudem werden die Aufstellung unterschiedlicher Maßstäbe bei der Beurteilung der absoluten Schutzhindernisse durch die Eintragungsinstanzen und die Verletzungsgerichte und die Gefahr widersprechender Entscheidungen zu den tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen nach § 8 MarkenG bei derselben Marke ausgeschlossen.
Eine gegenteilige, ausschließlich am Wortlaut des Gesetzes ausgerichtete Auslegung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG würde die Rechtsdurchsetzung der älteren Marke zudem über Gebühr dadurch erschweren, daß in jedem Markenverletzungsverfahren bei entsprechendem Vortrag des Inhabers einer prioritätsjüngeren Marke das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen der Klagemarke erneut geprüft werden müßte.
Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG ist danach auf Fälle beschränkt, in denen die Löschungsreife der prioritätsälteren Marke im Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nach § 54 MarkenG nicht (mehr) geltend gemacht werden kann. Dies kommt einmal in Betracht, wenn die Zehnjahresfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG für die Antragstellung abgelaufen ist. Der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG ist weiterhin eröffnet, wenn am Tag der Veröffentlichung der prioritätsjüngeren Marke das absolute Schutzhindernis des § 50 Abs. 1 MarkenG nach wie vor bestand, nachfolgend jedoch entfallen ist und deshalb ein Lö-
schungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt erfolglos bleiben muß (§ 50 Abs. 2 Satz 1, § 54 MarkenG). Zur Darlegung dieses inter partes wirkenden Einwandes gehört nicht nur ein substantiierter Vortrag zur Fortdauer des von Anfang an bestehenden Schutzhindernisses bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der Marke mit jüngerem Zeitrang, sondern auch der substantiierte Hinweis auf solche später eingetretenen Umstände, derentwegen ein Wegfall des behaupteten Schutzhindernisses möglich erscheint (vgl. Ekey/Klippel/Bous, Markenrecht, § 22 MarkenG Rdn. 14) und deshalb ein Löschungsantrag keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Nur in einem solchen Fall darf der Inhaber der jüngeren Marke von der Einleitung des vorrangigen patentamtlichen Löschungsverfahrens absehen, um sich im Verhältnis zum Inhaber der prioritätsälteren Marke auf sein eingetragenes Zeichen als Zwischenrecht berufen zu können. Die Beklagte, die selbst das Löschungsverfahren betreibt, hat dahingehend nicht vorgetragen. Ein effektiver Rechtsschutz des Inhabers der jüngeren Marke gegen ein nur formal bestehendes älteres Recht wird dadurch nicht beeinträchtigt. Soweit der Inhaber der jüngeren Marke nicht ohnehin - im vorstehend ausgeführten Rahmen - die Möglichkeit hat, die Löschungsreife der älteren Klagemarke nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG im Verletzungsverfahren geltend zu machen, kann er neben dem Löschungsantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt zugleich die Aussetzung des Verletzungsverfahrens nach § 148 ZPO anregen. Je nachdem, wie das Verletzungsgericht die Erfolgsaussichten des patentamtlichen Löschungsverfahrens und die mit der Aussetzung verbundene Prozeßverzögerung beurteilt, kann die Aussetzung des Verletzungsverfahrens geboten sein (vgl. auch BGH, Urt. v. 3.11.1999 - I ZR 136/97, GRUR 2000, 888, 889 = WRP 2000, 631 - MAG-LITE). Diese Verfahrensweise - Löschungsverfahren und Aussetzungsmöglichkeit des Verletzungsverfahrens bei durchgehender Löschungsreife - stellt wegen des wei-
terreichenden patentamtlichen Verfahrens mit der Folge der Löschung der Eintragung der älteren Marke gegenüber der nur zwischen den Prozeßbeteiligten wirkenden einredeweisen Geltendmachung der Löschungsreife im Verletzungsprozeß keine durchgreifende Einschränkung der Rechtsverteidigung für den Inhaber der jüngeren Marke dar.
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG könne die Klägerin aus ihrer Marke schon dann keine Rechte gegen die Marke "Kinder Kram" herleiten, wenn am Tage der Veröffentlichung der Eintragung der Kollisionsmarke am 28. Januar 1999 die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung (§ 4 Abs. 3 WZG, § 8 Abs. 3 MarkenG) nicht mehr bestanden hätten. Dem kann aus den dargelegten Gründen nicht beigetreten werden. Der Einwand weggefallener Verkehrsdurchsetzung ist der Beklagten auch nicht über § 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V. mit § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eröffnet (a.A. Ekey/Klippel/Bous aaO § 49 MarkenG Rdn. 15).
Entfallen nach Eintragung einer Marke aufgrund Verkehrsdurchsetzung i.S. von § 8 Abs. 3 MarkenG nachträglich deren Voraussetzungen, so begründet dies keine Löschungsreife der Marke wegen Verfalls. Der Tatbestand der Verkehrsdurchsetzung ist in § 49 Abs. 2 MarkenG nicht angeführt. Die Vorschrift des § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, die den Fall einer nachträglichen Umwandlung einer Marke zu einer gebräuchlichen Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen betrifft und dem absoluten Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG entspricht, ist wegen der abschließenden Aufzählung in § 49 Abs. 2 MarkenG auf den Fortfall der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG nicht entsprechend anwendbar (vgl. auch Fezer, Markenrecht,
3. Aufl., § 49 Rdn. 25; Ingerl/Rohnke aaO § 49 Rdn. 29; v. Schultz/Stuckel, Markenrecht, § 49 Rdn. 11; Ströbele/Hacker aaO § 49 Rdn. 35 ff.).

b) Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte habe mit ihrer Marke "Kinder Kram" wegen einer Verwechslungsgefahr in den Schutzbereich der Klagemarke "Kinder" eingegriffen.
aa) Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i.S. des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2001 - I ZR 111/99, GRUR 2002, 542, 543 = WRP 2002, 534 - BIG; Urt. v. 10.10.2002 - I ZR 235/00, GRUR 2003, 428, 431 f. = WRP 2003, 647 - BIG BERTHA).
bb) Zwischen "Schokolade" und "Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren , nicht-medizinischen Kaugummis" hat das Berufungsgericht eine Warenähnlichkeit angenommen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
cc) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klagemarke verfüge über eine hohe Kennzeichnungs-
kraft. Die Feststellungen des Berufungsgerichts vermögen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft nicht zu rechtfertigen.
Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens der GfK-Marktforschung für April 1997 davon ausgegangen , 71,6 % der Befragten, die sich zumindest gelegentlich mit Schokolade befaßten, seien der Meinung, "Kinder" deute im Zusammenhang mit Schokolade auf einen bestimmten Hersteller hin. Bezogen auf die Gesamtzahl der Befragten habe dieser Bekanntheitsgrad noch 63,6 % betragen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann aus der in dem Gutachten ermittelten Zahl derjenigen Personen, die von der Bezeichnung "Kinder" auf einen bestimmten Hersteller schließen, nicht auf die Bekanntheit der Klagemarke geschlossen werden. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß dadurch diejenigen Befragten in die Ermittlung des Bekanntheitsgrades des Klagezeichens einbezogen werden, die die Bezeichnung "Kinder" nicht der Klägerin, sondern anderen Unternehmen zuordnen. Vielmehr ergibt sich aus der Untersuchung der GfK-Marktforschung für April 1997 für die Gesamtheit der Befragten nur ein Bekanntheitsgrad von 48,5 % derjenigen, die die Bezeichnung "Kinder" der Klägerin unmittelbar oder mittelbar über andere Marken zuordnen (Frage 4, F. /F. -Marken). Dieser prozentuale Bekanntheitsgrad reicht für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft im Streitfall nicht aus. Marken, die aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen sind, weisen, da sie die ihnen von Haus aus fehlende Unterscheidungskraft überwunden und sich als betriebliches Herkunftszeichen im Verkehr durchgesetzt haben, im Regelfall zunächst allein normale Kennzeichnungskraft auf (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1992 - I ZR 19/91, WRP 1993, 694, 696 - apetito/apitta, m.w.N.; Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn. 292).

Eine Kennzeichnungsschwäche kann für derartige Zeichen nur angenommen werden, wenn hierfür besondere tatsächliche Umstände vorliegen. In der Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß die Anlehnung des Zeichens an beschreibende Angaben die Kennzeichnungskraft schwächt (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2001 - I ZR 139/99, GRUR 2002, 626, 629 = WRP 2002, 705 - IMS, m.w.N.; Fezer aaO § 14 Rdn. 291; Ingerl/Rohnke aaO § 14 Rdn. 199). Diese liegen bei der Klagemarke, was das Berufungsgericht nicht näher untersucht hat, in der die Zielgruppe der Abnehmer der Produkte in besonderem Maße beschreibenden Bezeichnung von "Kinder" vor (vgl. auch Handelsgericht Wien WRP 2002, 349, 352 = MarkenR 2002, 211; OLG Wien WRP 2003, 109 = MarkenR 2002, 267; ÖOGH, Beschl. v. 16.7.2002 - 4 Ob 156/02 y). Die Klagemarke erhält ihre Kennzeichnungskraft gerade aus der Kombination der graphischen Elemente mit dem Wortbestandteil, während der Wortbestandteil - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - für sich genommen in bezug auf die in Rede stehenden Waren jegliche Unterscheidungskraft vermissen läßt.
dd) Das Berufungsgericht ist von einer großen Zeichenähnlichkeit ausgegangen. Es hat angenommen, auch das Klagezeichen werde, obwohl es sich um eine Wort-/Bildmarke handele, von seinem Sinn her als Wort der Umgangssprache verstanden und erinnert, während die farbliche Ausgestaltung lediglich als Individualisierung des Schriftzuges aufgefaßt werde. Zudem werde der bildliche Teil der Marke bei einer akustischen Präsentation nicht wahrgenommen. Das Kollisionszeichen passe in die Reihe von Produkten, für die die Klägerin das Zeichen "Kinder" als Serienzeichen verwende. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind nicht frei von Rechtsfehlern.

(1) Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2000 - I ZR 223/97, GRUR 2000, 506, 508 = WRP 2000, 535 - ATTACHÉ/TISSERAND; Urt. v. 6.7.2000 - I ZR 21/98, GRUR 2001, 158, 160 = WRP 2001, 41 - Drei-Streifen-Kennzeichnung, jeweils m.w.N.).
(2) Den Gesamteindruck der farbigen Wort-/Bildmarke in schriftbildlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht nicht ermittelt. Es hat auch nicht festgestellt, daß dem Wortbestandteil in dem Klagezeichen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft zukommt (vgl. hierzu: BGH GRUR 2002, 542, 543 - BIG). Von der Annahme einer Markenähnlichkeit in begrifflicher Hinsicht kann aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht ausgegangen werden. Es hat eine solche Markenähnlichkeit nicht ausdrücklich bejaht. In Anbetracht des begrifflichen Unterschieds von "Kinder" und "Kinderkram" liegt dies auch fern.
(3) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen auch eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht. Zwar stellt bei einer kombinierten Wort-/Bildmarke in der Regel der Wortbestandteil die einfachste Möglichkeit der Benennung der Marke dar (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2001 - I ZR 212/98, GRUR 2002, 167, 169 = WRP 2001, 1320 - Bit/Bud). Dies setzt allerdings die Feststellung voraus, daß dem Wortbestandteil - für sich genommen - nicht wegen des Bestehens absoluter Schutzhindernisse jeglicher Markenschutz zu versagen ist (§ 8 Abs. 2 u. Abs. 3 MarkenG). Die Wortmarke "Kinder" ist für die in Rede stehenden Produkte schutzunfähig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Der Wortbestandteil "Kinder" der kombinierten Wort-/Bildmarke kann daher ohne Verkehrsdurchsetzung aus
Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks bewirken (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2001 - I ZR 136/99, GRUR 2002, 814, 815 = WRP 2002, 987 - Festspielhaus).
(4) Daß der Wortbestandteil "Kinder" für sich die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG erfüllt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
(5) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Kollisionszeichen passe in die Reihe von Produkten der Klägerin, die das Zeichen "Kinder" als Serienzeichen tragen. Ob das Berufungsgericht damit eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens bejahen wollte (vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 542, 544 - BIG), ist der Entscheidung nicht eindeutig zu entnehmen. Ohne nähere Feststellungen hierzu tragen die Ausführungen die Annahme dieser Art der Verwechslungsgefahr nicht.
Die Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens ist gegeben, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2002 - I ZR 156/99, GRUR 2002, 544, 547 = WRP 2002, 537 - BANK 24). Aus einem rein beschreibenden Begriff, dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt, kann der Schutz des Stammbestandteils einer Zeichenserie jedoch nur abgeleitet werden , wenn sich aufgrund der wiederholten Verwendung des Stammbestandteils dieser im Verkehr i.S. von § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat. Denn der Verkehr wird einen nicht unterscheidungskräftigen Zeichenbestandteil einem be-
stimmten Unternehmen als Stamm einer Zeichenserie nur zuordnen, wenn dieser Teil des Zeichens die mangelnde Eignung, vom Verkehr als Unterschei- dungsmittel für die von dem Zeichen erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, aufgrund Durchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen überwunden hat (vgl. auch BGH GRUR 2002, 542, 544 - BIG).
2. Das Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haben. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, die Frage der Verwechslungsgefahr abschließend selbst zu beurteilen. Insbesondere müssen die Parteien zur Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs Gelegenheit erhalten, zu den für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr in der Tatsacheninstanz vortragen zu können.

a) Im Rahmen des wiedereröffneten Berufungsrechtszugs wird das Berufungsgericht auf der Grundlage des Vortrags der Parteien die erforderlichen Feststellungen zur Kennzeichnungskraft der Klagemarke nachzuholen haben. Für die Feststellung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt an, zu dem das Kollisionszeichen kennzeichenrechtlichen Schutz erlangt hat (6. Oktober 1998), wobei allerdings eine etwaige Schwächung der Kennzeichnungskraft bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu beachten ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 21.2.1975 - I ZR 18/74, GRUR 1975, 370, 371 = WRP 1975, 298 - Protesan; vgl. auch BGH GRUR 2003, 428, 433 - BIG BERTHA). Bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft wird das Berufungsgericht weiter zu berücksichtigen haben, daß der Grad der Kennzeichnungskraft einer Marke nicht allein
durch die Ermittlung eines bestimmten prozentualen Bekanntheitsgrades als erfüllt angesehen werden kann, sondern eine Beurteilung unter Heranziehung aller relevanten Umstände erforderlich ist, insbesondere der Eigenschaften, die die Marke von Hause aus besitzt, des Marktanteils der mit der Marke versehenen Waren, der Intensität, der geographischen Ausdehnung und der Dauer der Benutzung sowie des Werbeaufwandes (vgl. EuGH, Urt. v. 14.9.1999 - Rs. C-375/97, Slg. 1999, I-5421 = GRUR Int. 2000, 73, 75 Tz. 27 = WRP 1999, 1130 - Chevy; BGH, Beschl. v. 8.5.2002 - I ZB 4/00, GRUR 2002, 1067, 1069 = WRP 2002, 1152 - DKV/OKV).

b) Sollte es im weiteren Verfahren auf das Vorliegen einer Verkehrsdurchsetzung des reinen Wortzeichens "Kinder" ankommen, wird das Berufungsgericht hierzu von der Notwendigkeit einer nahezu einhelligen Verkehrsbekanntheit auszugehen haben, weil "Kinder" die Abnehmerkreise der in Rede stehenden Waren glatt beschreibt (vgl. auch EuGH, Urt. v. 4.5.1999 - Rs. C-108 und 109/97, Slg. 1999, I-2799 = GRUR 1999, 723, 727 Tz. 50 = WRP 1999, 629 - Chiemsee).

c) Die Klägerin hat eine Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch zwischen ihrer Wortmarke "Kinderschokolade" und dem Kollisionszeichen "Kinder Kram" der Beklagten geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt folgerichtig - hierzu keine Feststellungen getroffen. Sollte es auf diesen Punkt ankommen, wird von folgendem auszugehen sein:
Die Wortmarke "Kinderschokolade" wird durch den Wortbestandteil "Kinder" nicht derart geprägt, daß der weitere Bestandteil "Schokolade" der Marke
der Klägerin dahinter so weit zurücktritt, daß er den Gesamteindruck der Wortmarke nicht mehr mitbestimmt (vgl. BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2002, 542, 543 - BIG). Denn die Wortbestandteile "Kinder" und "Schokolade" der Wortmarke Nr. 1006192 der Klägerin bezeichnen die Zielgruppe und das Produkt. Keiner dieser beschreibenden Wortbestandteile prägt das Gesamtzeichen allein. Gleiches gilt für das Gesamtzeichen "Kinder Kram" der Beklagten.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Büscher Schaffert
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2. Ein Markenverletzungsverfahren kann aber auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen im Hinblick auf ein Löschungsverfahren auszusetzen sein (vgl. BGHZ 156, 112, 119 - Kinder). Eine Aussetzung kommt hier jedoch nicht in Betracht. Die Beklagte selbst hat nach wie vor keinen Löschungsantrag gestellt. Der Löschungsantrag eines anderen Unternehmens ist zurückgewiesen worden. Die Aussetzung des Verfahrens würde bei dieser Sachlage zu einer unzumutbaren Verzögerung des Verletzungsverfahrens führen.
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(1) Nach § 2 Abs. 3 GeschmMG hat ein Muster Eigenart, wenn es sich im Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster bei diesem Benutzer hervorruft , das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist. In die Beurteilung einzubeziehen ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung. Eine hohe Musterdichte und ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers können dazu führen, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen, während eine geringe Musterdichte und damit ein größerer Gestaltungsspielraum selbst bei größeren Gestaltungsunterschieden beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 71/08, GRUR 2011, 142 Rn. 17 = WRP 2011, 100 - Untersetzer; KG ZUM 2005, 230, 231; österr. OGH, GRUR Int. 2008, 523, 525; Steinberg in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht , 2. Aufl., Art. 6 GGV Rn. 9; Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 2 Rn. 34; Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 17; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 977; Begründung zum Regierungsentwurf des Geschmacksmusterreformgesetzes BT-Drucks. 15/1075, S. 34 zu § 2 GeschmMG ). Ob das Klagemuster über die erforderliche Eigenart verfügt, ist durch einen Einzelvergleich mit bereits vorhandenen Mustern zu ermitteln (BGH, Ur- teil vom 22. April 2010 - I ZR 89/08, BGHZ 185, 224 Rn. 33 - Verlängerte Limousinen ; OLG Hamm, InstGE 8, 233, 237; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 16, 17; OLG Hamburg, Urteil vom 1. Juli 2009 - 5 U 183/07 Rn. 77, juris).
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Ob das Klagemuster über die erforderliche Eigenart verfügt, ist durch einen Einzelvergleich mit bereits vorhandenen Mustern zu ermitteln (OLG Hamm InstGE 8, 233, 237; OLG Frankfurt GRUR-RR 2009, 16, 17; Eichmann, GRUR Int. 1996, 859, 862; ders., MarkenR 2003, 10, 15; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 974).
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bb) Nach der Senatsrechtsprechung zum deutschen internationalen Privatrecht ist die Frage, ob Ansprüche im Falle der Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte bestehen, grundsätzlich nach dem Recht des Schutzlandes, d.h. nach dem Recht desjenigen Staates zu beurteilen, für dessen Gebiet der Immaterialgüterschutz in Anspruch genommen wird (BGHZ 152, 317, 321 - Sender Felsberg; 155, 257, 261 - Sendeformat; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. UrhG Rdn. 124 ff.; Dreier in Dreier/Schulze aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 28; Obergfell, IPRax 2005, 9, 10 ff.; Buchner, GRUR Int. 2005, 1004, 1005). Danach ist im Streitfall deutsches Urheberrecht anwendbar, weil Gegenstand der Klage nur die Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte ist, die dem Kläger im Inland zustehen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.