Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - 5 StR 37/14

bei uns veröffentlicht am10.04.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Therapiedauer und konkrete Erfolgsaussicht.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 5 StR 37/14
LG Braunschweig
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 37/14
vom
10. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. April
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. September 2013 dahin abgeändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen einer Reihe von Vergehen nach dem Betäubungsmittel- und dem Arzneimittelgesetz sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt im Ergebnis vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel.

2
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 34-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis sowie seit dem 17. Lebensjahr Kokain und ist in diesem Zusammenhang vielfach unter anderem mit Raubdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Erstmals 2005 nahm er eine stationäre Therapie auf, aus der er jedoch wegen eines Drogenrückfalls entlassen werden musste. Eine kurze Zeit später begonnene erneute stationäre Behandlung brach er ab. Aus zwei ambulanten Therapien im November 2005 und im August 2006 wurde er wegen Drogenrückfällen entlassen. Im Frühjahr 2007 scheiterte eine weitere Behandlung in einer Therapieeinrichtung , da sich Mitarbeiter und Patienten von ihm bedroht fühlten. Erstmals im Februar 2008 schloss er eine rund viermonatige ambulante Therapie regulär ab; im selben Jahr kam es jedoch wieder zu einem Rückfall. Nach einer erneuten ambulanten Therapie war er von Ende 2010 bis Anfang 2012 abstinent. Wegen des Verlusts seines Arbeitsplatzes begann er dann jedoch abermals mit dem täglichen Konsum von Kokain und Cannabis. Auch seine Festnahme im vorliegenden Verfahren und die spätere Außervollzugsetzung des Haftbefehls hielten ihn nicht davon ab, weiterhin Betäubungsmittel zu konsumieren und zu deren Beschaffung wiederum Straftaten zu begehen (UA S. 29).
4
b) Sachverständig beraten hat die Strafkammer die Voraussetzungen des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Auch eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) sei gegeben. Der Angeklagte sei therapiemotiviert. Er sehe für sich selber das Erfordernis professioneller Unterstützung und habe als Therapieaufträge die Bearbeitung seiner Biografie und das Erreichen von Langzeit- lebenszielen wie das Fortführen seiner Ehe und das Erlangen eines Arbeitsplatzes formuliert. Trotz der Schwere einer bei ihm bestehenden dissozialen Persönlichkeitsstörung erscheine der Aufbau einer therapeutischen Beziehung „noch möglich“. Polytoxikomanie sowie hirnorganische Folgen des Drogen- missbrauchs seien nicht feststellbar. Die vom Sachverständigen prognostizierte Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren“ stehe der Annahme hinreichend konkreter Erfolgsaussicht nicht entgegen, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, dass Therapien von über zwei Jahren generell als aussichtslos einzustufen seien (UA S. 36 ff.).
5
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich nicht.
6
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen nicht die Annahme des Landgerichts, es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
7
a) Bei dem seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten ist eine Vielzahl von Therapieabbrüchen bzw. Rückfällen nach Absolvierung von Therapien zu verzeichnen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 1996 – 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131, 132; vom 21. Januar 2014 – 2 StR 650/13). Neben anderen Risikofaktoren (vgl. Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341) kommt als weiterer sehr ungünstiger Umstand hinzu, dass bei dem An- geklagten „primär“ eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und (nur) „sekundär“ eine Abhängigkeit von Kokain und Cannabis besteht (UA S. 30), was die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindert (vgl. Nedopil /Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 158; Querengässer u.a., RuP 2014, 21). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen besteht bei einer durch den Sachverständigen und ihm folgend die Strafkammer prognostizierten Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren, einschließlich einer Adaptationsphase“ (UA S. 36) keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht, deren Unsicherheit sich im Übrigen aus den Urteilsausführungen selbst (UA S. 37) erschließt. Einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung lässt unter solchen Vorzeichen nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen. Hinzu kommt, dass es angesichts der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Dauer der anzurechnenden Untersuchungshaft kaum möglich wäre, die Therapie innerhalb der verlängerten Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu beenden (vgl. zu deren Berechnung van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 9). Hierzu haben die Prozessbeteiligten in der Revisionshauptverhandlung Stellung genommen; der Vertreter der Bundesanwaltschaft hat hierauf seinen Antrag maßgeblich gestützt.
8
b) Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB auf der Grundlage der Feststellungen sicher ausscheidet, führt die – gegen eine zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) – Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel (vgl. zur Kostenfolge § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 473 Rn. 16).

9
4. Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob es an einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB im vorliegenden Fall bereits allein deshalb fehlt, weil die prognostizierte Therapiedauer zwei Jahre überschreitet (in diesem Sinne BGH, Urteile vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09, JR 2010, 500; vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 377/12, StV 2013, 698; vom 27. März 2013 – 2 StR 384/12, StV 2013, 698; vom 16. Januar 2014 – 4 StR 496/13; Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3StR 65/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1; vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12, StraFo 2012, 413; vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7). Der Senat hält jedoch an seiner gegenteiligen Auffassung (BGH, Beschluss vom 6. Februar 1996 – 5 StR 16/96) fest; danach steht eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren einer konkreten Erfolgsaussicht jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eine strikte Begrenzung der Unterbringungsdauer auf zwei Jahre mit der Folge der generellen Aussichtslosigkeit bei absehbar eine längere Dauer erfordernden Unterbringungen lässt sich dem Gesetzwortlaut nicht entnehmen (vgl. van Gemmeren aaO Rn. 73 mwN). § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB enthält gerade keine starre Beschränkung der Unterbringungsdauer; die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu sehen, der ausdrücklich eine Verlängerung der Zweijahresfrist vorsieht. Eine solche Begrenzung lässt sich auch nicht mit systematischen Erwägungen begründen, findet in den Gesetzesmaterialien keinen Niederschlag (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 218, siehe auch BT-Drucks. V/4095, S. 33) und widerstreitet dem Gesetzeszweck, die Allgemeinheit bei Bedarf auch durch im Einzelfall zwei Jahre übersteigende Therapie vor gefährlichen Tätern zu schützen (vgl. dazu auch Trenckmann, JR 2010, 501). Insbesondere ergäben sich im Vorfeld und in Konkurrenz zu schwereren freiheitsentziehenden Maßregeln (§§ 63, 66 StGB) prinzipielle Sperren gegen unter Umständen konkret aussichtsreiche längere Entzugstherapien. Diese wären – gerade auch im Blick auf § 72 StGB – mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schwerlich vereinbar und widersprächen in Fällen der Sicherungsverwahrung dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 128, 326) initiierten gesetzlichen Konzept, Sicherungsverwahrung durch individuelle und intensive Therapie vermeidbar zu machen (vgl. § 66c Abs. 2 StGB).
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - 5 StR 37/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - 5 StR 37/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - 5 StR 37/14 zitiert 10 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 67d Dauer der Unterbringung


(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich

Strafgesetzbuch - StGB | § 72 Verbindung von Maßregeln


(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am we

Strafgesetzbuch - StGB | § 66c Ausgestaltung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und des vorhergehenden Strafvollzugs


(1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die 1. dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten, a) die i

Strafprozeßordnung - StPO | § 296 Rechtsmittelberechtigte


(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu. (2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - 5 StR 37/14 zitiert oder wird zitiert von 17 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - 5 StR 37/14 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2013 - 2 StR 384/12

bei uns veröffentlicht am 27.03.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 384/12 vom 27. März 2013 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. März 2013, an der teilgenommen haben: Rich

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Sept. 2011 - 1 StR 120/11

bei uns veröffentlicht am 20.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 120/11 vom 20. September 2011 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. September 2011, an der teilgenommen haben: Vorsitzender

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2014 - 4 StR 496/13

bei uns veröffentlicht am 16.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 S t R 4 9 6 / 1 3 vom 16. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen schwerer sexueller Nötigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Januar 2014, an der teilgenomm

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2014 - 2 StR 650/13

bei uns veröffentlicht am 21.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 650/13 vom 21. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts u

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2012 - 4 StR 223/12

bei uns veröffentlicht am 17.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 223/12 vom 17. Juli 2012 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Juli

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Aug. 2012 - 2 StR 279/12

bei uns veröffentlicht am 08.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 279/12 vom 8. August 2012 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführer
11 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - 5 StR 37/14.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2014 - 5 StR 59/14

bei uns veröffentlicht am 10.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 59/14 vom 10. April 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2014 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juli 2019 - 2 StR 172/19

bei uns veröffentlicht am 30.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 172/19 vom 30. Juli 2019 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u. a. ECLI:DE:BGH:2019:300719B2STR172.19.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalt

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2019 - 2 StR 187/19

bei uns veröffentlicht am 18.09.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 187/19 vom 18. September 2019 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u. a. ECLI:DE:BGH:2019:180919B2STR187.19.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwal

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Nov. 2014 - 5 StR 464/14

bei uns veröffentlicht am 04.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 464/14 vom 4. November 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Diebstahls mit Waffen u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. November 2014 beschlossen : 1. Die Revision des Angeklagten B. geg

Referenzen

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 650/13
vom
21. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. Januar 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 26. September 2013, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Auf der Grundlage der zum Werdegang, zu den Vorstrafen und zu der abgeurteilten Tat getroffenen Feststellungen hat das Landgericht, sachverständig beraten, den gemäß § 64 Satz 1 StGB erforderlichen Hang des Angeklagten , Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ebenso rechtsfehlerfrei bejaht wie den symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Tat. Auch die Prognoseentscheidung der Strafkammer ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
4
b) Indessen sind die Voraussetzungen für die gemäß § 64 Satz 2 StGB geforderte hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges nicht rechtsfehlerfrei dargetan.
5
Zwar steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Tatsache , dass ein Täter bereits eine Therapie absolviert hat und rückfällig geworden ist, der Erfolgsaussicht einer neuen Therapie regelmäßig nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 - 4 StR 7/11 mwN). Es kann auch dahin stehen, ob bei einem mehrfachen Therapieabbruch oder einem Rückfall nach jeweils erfolgreicher Absolvierung mehrerer Therapien in der Regel eine andere rechtliche Bewertung veranlasst ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1996 - 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131, 132).
6
Jedenfalls im vorliegenden Fall durfte sich das Landgericht nicht auf die bloße Mitteilung des Ergebnisses der Bewertung des Sachverständigen beschränken , es bestehe "aufgrund der in der Hauptverhandlung glaubhaft vermittelten Einsicht in die Drogenabhängigkeit" und "entsprechende(r) Therapiewilligkeit seitens des Angeklagten" trotz der bisher erfolglosen Behandlungen eine "hinreichend konkrete Erfolgsaussicht" (UA S. 16). Der Angeklagte hat über einen Zeitraum von nahezu 14 Jahren hinweg Drogenentwöhnungstherapien - von nicht näher festgestellter Dauer - ohne durchgreifenden Erfolg absolviert. Die gleichwohl für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechenden Gesichtspunkte, zu denen auch der - vom Landgericht freilich nicht erörterte - Grad der Therapiewilligkeit des Angeklagten gehört (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2011 - 4 StR 7/11 mwN), hätten daher einer eingehenderen Darlegung in den Urteilsgründen bedurft.
7
Hinzu kommt, dass der Entscheidung der Strafkammer keine präzise Prognose hinsichtlich der voraussichtlich notwendigen Dauer des Maßregelvollzugs zu Grunde liegt, die zudem bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB) zu berücksichtigen ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. März 2013 - 4 StR 60/13).
8
Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb der erneuten Prüfung und Entscheidung.
9
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils hinsichtlich des Schuldund Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Fischer Appl Herr RiBGH Prof. Dr. Schmitt ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Eschelbach Zeng

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu.

(2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 120/11
vom
20. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. September 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 26. November 2010 werden mit der Maßgabe verworfen, dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde wegen Totschlags zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und bei Anordnung eines Vorwegvollzugs von zehn Jahren Strafe in einer Entziehungsanstalt untergebracht.
2
Die mit der ausgeführten Sachrüge begründeten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten führen zum Wegfall der Unterbringung, bleiben aber im Übrigen erfolglos.
3
1. Dem Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
4
Der Angeklagte lebte mit der Freundin des inhaftierten L. zusammen und hatte deshalb mit dessen Freund K. Streit. Am späten Abend des 28. März 2009 stritten sie zunächst vor dem Wohnhaus des Angeklagten und entfernten sich dann zu Fuß. Ihnen folgten die Zeugen C. , Cu. - sie hatten zuvor mit dem Angeklagten gezecht - und F. , die den Angeklagten auf dessen Wunsch erforderlichenfalls bei einer tätlichen Auseinandersetzung unterstützen wollten. Obwohl höchstens 50 m entfernt, sahen sie den Angeklagten und K. nicht mehr, als diese in eine dunkle Hofeinfahrt gingen. Dort kam es auch zu Tätlichkeiten. Der Angeklagte bedrohte K. mit einem eigens wegen der bevorstehenden Auseinandersetzung mitgenommenen kleineren Messer. Auch K. hatte ein Messer und spottete über die geringe Größe des Messers des Angeklagten. Darauf versetzte ihm dieser spontan einen wuchtigen Stich „Richtung Herz“- an anderer Stelle des Urteils heißt es „zielgerichtet gegen den Oberkörper“; auch von einem Stich „in die Brust“ und „den Brustbereich“ ist die Rede - und traf ihn mitten ins Herz. K. brach zusammen, der Angeklagte sagte den hinzugekommenen C. , Cu. und F. , er habe K. in die Brust gestochen, sie sollten sich um ihn kümmern und ging fort. Er reinigte und versteckte das Tatmesser. Er wurde zu anderweitiger Strafvollstreckung noch in der Nacht in seiner Wohnung in einem Schrank versteckt festgenommen. Als Verantwortlicher für den nach einigen Tagen eingetretenen Tod K. s wurde er erst später ermittelt.
5
2. Hinsichtlich des Schuldspruchs wendet sich die Revision des Angeklagten im Wesentlichen gegen den (bedingten) Tötungsvorsatz.
6
a) Entgegen ihrer Auffassung ergeben sich insoweit keine Bedenken im Blick auf das nicht immer mit denselben Worten bezeichnete Ziel des Stiches.
Die Strafkammer hat näher begründet rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der An- geklagte wuchtig und gezielt jedenfalls in den „Brustbereich“ gestochen hat. Ein solcher Stich ist, wie auch die Strafkammer näher ausführt, eine äußerst gefährliche Gewalthandlung, die regelmäßig für Tötungsvorsatz spricht. Eine Stelle im vorderen Bereich des Oberkörpers, die den Tötungsvorsatz deshalb in Frage stellte, weil ein wuchtiger Stich gerade hierhin zielte, ist kaum vorstellbar (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2006 - 1 StR 307/06), bei einem Stich in den Brustbereich ist dies jedenfalls nicht der Fall.
7
b) Auch sonst ist die nicht zuletzt auch auf den äußeren Geschehensablauf gestützte Annahme eines Tötungsvorsatzes rechtsfehlerfrei (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2001 - 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541 f.; hierzu Schneider in MüKomm-StGB, § 212 Rn. 9 jew. mwN). Die Annahme, dass die Aufforderungen des Angeklagten gegenüber C. , Cu. und F. , ihn zu begleiten bzw. (später), sich um den Verletzten zu kümmern, zwar gegen eine von langer Hand geplante Tat, aber nicht gegen einen spontanen Tatent- schluss sprächen, ist nicht zu beanstanden. Auch die festgestellte „affektive Erregung“ des Angeklagten bei der Tat spricht nichtgegen einen Tötungsvorsatz , da eine gewisse affektive Erregung bei einem tödlichen Angriff normal ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2006 - 2 StR 284/06). Außerdem ist rechtsfehlerfrei - auch die Revision macht insoweit nichts anderes geltend - die uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt. Dies spricht regelmäßig für eine realistische Wahrnehmung des Bedeutungsgehalts der Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2009 - 1 StR 520/09 Rn. 18 mwN), zumal hier die Bewertung eines wuchtigen Stichs in den Brustbereich keine komplizierten Überlegungen erfordert. Auch die planmäßige Spurenbeseitigung alsbald nach der Tat spricht gegen eine ungewöhnliche psychische Ausnahmesituation bei der Tat, die unter irgendeinem Gesichtspunkt eine breitere Erörterung des Vorsatzes gebieten könnte.
8
3. Ebenso wenig wie der Schuldspruch enthält der Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
9
4. Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung wegen heimtückisch begangenen Mordes. Ein Rechtsfehler liegt jedoch nicht vor.
10
a) Heimtücke ist verneint, weil der Angeklagte im Rahmen der vorangegangenen Auseinandersetzung K. das Messer gezeigt und ihn vonvorne ins Herz gestochen habe. Dies folgt den Angaben des Angeklagten, die insoweit von den maximal 50 m entfernten Begleitern bestätigt werden, als sie angeben , die tätliche Auseinandersetzung nicht gesehen, aber entsprechende Geräusche gehört zu haben. Auch hatte der Angeklagte bei seiner Festnahme kleinere Verletzungen, die auf die Auseinandersetzung zurückgehen können.
11
b) Die Staatsanwaltschaft hält insbesondere die tätliche Auseinandersetzung nicht für bewiesen.
12
(1) Mangels näherer Ausführungen dazu, was die Zeugen gehört haben, sei nicht überprüfbar, was mit „Geräuschen“ gemeint sei. Ein gängiger Begriff verdeutlicht aber auch ohne weitere Umschreibung, was gemeint ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Strafkammer unbekannt sei, welche Geräusche bei einer tätlichen Auseinandersetzung entstehen.
13
(2) Im Übrigen seien nur Schlussfolgerungen rechtsfehlerfrei, die „zwin- gend“ aus den Feststellungen folgten. Dem entsprechend ist eine Reihe- teil- weise untereinander unvereinbarer, teilweise nur abstrakter - Möglichkeiten aufgezählt, die im Ergebnis deshalb erörterungsbedürftig seien, weil sie denkgesetzlich nicht ausschließbar sind, z.B.
- die Geräusche könnten an (irgend)einem anderen Ort entstanden sein;
- selbst wenn sie aus dem Hof stammten, könnten sie (irgend)eine andere Ursache gehabt haben;
- es spräche gegen eine Auseinandersetzung, wenn K. keine hierauf hindeutenden Verletzungen gehabt hätte;
- die Verletzungen des Angeklagten könnten auch durch ihn selbst oder durch die Polizei bei seiner Verhaftung im Schrank verursacht worden sein.
14
Bei alledem ist verkannt, dass richterliche Überzeugung keine absolute, das Gegenteil zwingend ausschließende, letztlich mathematische Gewissheit erfordert (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteile vom 4. Dezember 2008 - 1 StR 327/08 und 7. November 2006 - 1 StR 307/06 mwN). Allein die Denkbarkeit eines Geschehensablaufs, für den die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte bieten , führt daher nicht dazu, dass er zu Gunsten (BGH aaO) oder gar zu Lasten des Angeklagten zu unterstellen oder auch nur erörterungsbedürftig wäre (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 mwN). Aufklärungsrügen zum Beleg der genannten Vermutungen sind nicht erhoben.
15
c) Im Übrigen ist kaum erkennbar, was hier - Streit; der tödliche Stich mit dem zuvor gezeigten Messer erfolgte von vorne; auch K. hatte ein Messer - noch tragfähig (innerpsychische) Arg- und darauf beruhend Wehrlosigkeit des Verstorbenen belegen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02, NStZ-RR 2003, 186, 188; BGH, Urteil vom 13. November 1985 - 3 StR 273/85, BGHSt 33, 363, 365).
16
d) Auch sonst sind weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler ersichtlich.
17
5. Die Staatsanwaltschaft hält die Unterbringungsanordnung mangels Erfolgsaussichten für rechtsfehlerhaft, der Angeklagte wendet sich gegen die Dauer des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe.
18
Im Ergebnis wird von beiden Revisionen übereinstimmend die Unterbringungsanordnung insgesamt angefochten, da sie sich beide gegen den Schuldspruch richten. Führten die behaupteten Mängel des Schuldspruchs zu Aufhebung und Zurückverweisung, entfiele auch eine Unterbringung. Sie könnte nicht allein auf der Grundlage einer Prognose des Senats Bestand haben, auch nach erneuter Verhandlung über den Schuldspruch werde diese Maßregel wieder geboten sein (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 - 1 StR 268/95 zu § 63 StGB).
19
Hier haben sich allerdings weder zu Gunsten noch zu Lasten des Angeklagten Rechtsfehler im Schuld- oder Strafausspruch ergeben.
20
a) Daraus folgt hinsichtlich der Revision der Staatsanwaltschaft: Eine Unterbringung gemäß § 64 StGB beschwert den Angeklagten (BGH, Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331; v. Gemmeren in MüKommStGB , § 64 Rn. 101; vgl. auch § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Senat hatte daher - unbeschadet § 301 StPO - zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft den Wegfall der Unterbringung nur als notwendige Folge der von ihr wegen (behaupteter ) Fehlerhaftigkeit des Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten angestrebten Urteilsaufhebung ansieht oder ob sie den Wegfall unabhängig vom Bestand des Schuldspruchs auf jeden Fall anstrebt. Insoweit läge eine gemäß § 296 Abs. 2 StPO zulässige Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten vor. Eine Revision der Staatsanwaltschaft kann hinsichtlich des Schuldspruchs einerseits und einer Maßregel andererseits von unterschiedlicher Zielrichtung sein, auch wenn hier die den Angeklagten begünstigende Anfechtung der Unterbringung nur bei Erfolglosigkeit der zu seinem Nachteil zum Schuldspruch eingelegten Revision eigenständige Bedeutung hat. Die Staatsanwaltschaft hat sich zu alledem entgegen Nr. 147 Abs. 1 Satz 3 RiStBV nicht geäußert (vgl. auch Hanack in LR-StPO, 25. Aufl., § 296 Rn. 10). Die Aufgabe des Senats, das Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der Rechtsmittelerklärungen zu ermitteln, ist davon jedoch unberührt (vgl. Hanack aaO; MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 296 Rn. 14 jew. mwN). Diese ergibt hier angesichts der eingehenden Darlegung, warum die Unterbringung aus vom Schuldspruch unabhängigen Gründen fehlerhaft sei, dass die Staatsanwaltschaft die Unterbringung auch unabhängig vom Ergebnis ihrer Revision hinsichtlich des Schuldspruchs auf jeden Fall anfechten will.
21
b) Aus den dargelegten Gründen kann auch eine gegen den Schuldspruch gerichtete Revision des Angeklagten eine zugleich angeordnete Unterbringung nicht vom Rechtsmittelangriff ausnehmen. Daher kann offen bleiben, ob hier die Revision, die im Ergebnis geltend macht, dieUnterbringung müsse früher beginnen, hinsichtlich der Maßregel auf die Dauer des Vorwegvollzugs beschränkt sein soll; dies wäre wegen der gleichzeitigen Anfechtung des Schuldspruchs unwirksam.
22
6. Die Unterbringungsanordnung kann nicht bestehen bleiben.
23
a) Schon die Feststellungen zu einem Hang sind nicht klar. Der Angeklagte konsumiert seit Jahren Heroin und Haschisch. Wie seine näher geschil- derten zahlreichen Vorstrafen belegen, geriet er immer mehr „in den Teufelskreis von Drogen und Beschaffungskriminalität“, während etlicheTherapiever- suche erfolglos blieben. Die Strafkammer geht jedoch nicht davon aus, dass die Tat auf einem Hang zu Drogenmissbrauch beruht, sondern auf einem Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum. Hierzu ergeben die Feststellungen zu Vorleben und Vorstrafen jedoch nichts. Mitgeteilt ist lediglich, dass der Sachverständige den Angeklagten für „trinkgewohnt“ hält, ohne dass die tatsächlichen Grundlagen dieser Bewertung erkennbar wären. Freilich treten Alkoholmissbrauch und Drogenmissbrauch nicht selten gleichzeitig auf (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07; Schöch in LK-StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 80; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 64 Rn. 7a mwN). Es ist jedoch fraglich, ob allein die unausgeführte Annahme, ein Drogenkonsument sei trinkgewohnt, einen Hang zu Alkoholmissbrauch tragfähig belegt.
24
b) Selbst wenn man aber von einem solchen Hang ausginge, fehlte es an den weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB. Erforderlich wäre, dass die rechtswidrige Tat entweder im Rausch begangen ist oder auf den Hang zurückgeht , wobei die erste dieser Alternativen ein Unterfall der zweiten Alternative ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96 mwN).
25
(1) „Im Rausch“ bedeutet, dass die Tat während des für das jeweilige Rauschmittel typischen, die geistig-psychischen Fähigkeiten beeinträchtigenden Intoxikationszustands begangen sein muss (Schöch in SSW-StGB, § 64 Rn. 26). Wie viel Alkohol der Angeklagte getrunken hatte, bevor K. kam, war nicht feststellbar, Spuren einer „deutlichen Intoxikation“ gibt es nicht. We- der ein Zeuge, noch der Angeklagte selbst hat von „erheblicher Alkoholisierung“ berichtet, bei seiner Festnahme wirkte er „in keiner Weise alkoholisiert oder drogenbeeinflusst“, eine nachfolgende Untersuchung ergab keine Hinweise auf Restalkohol. Auch die Feststellungen zur Tat einschließlich Vor- und Nachtat- geschehen zeigen, so die Strafkammer, „schlüssige und sinnvolle Handlungsabläufe“. Nach alledem spricht nichts dafür, dass die Tat i.S.d. §64 StGB im Rausch begangen wurde, der Zweifelssatz gilt insoweit nicht (v. Gemmeren aaO Rn. 36 mwN).
26
(2) Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Tat, obwohl nicht im Rausch begangen , doch auf einen (etwaigen) Hang zum Alkohol- oder auch Drogenmissbrauch zurückginge, bestehen nicht. Dies setzte voraus, dass sie Symptomwert für den Hang hat, indem sich in ihr die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters äußert. Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96 mwN). Darum geht es hier nicht. Andere Delikte kommen als Hangtaten dann in Betracht, wenn hierfür besondere Anhaltspunkte bestehen (BGH aaO). Bei Konflikttaten und (oder) Taten, denen eine Provokation des Täters durch das Opfer vorausging, liegt die Annahme eines Zusammenhangs mit einem Hang zum Missbrauch berauschender Mittel wenig nahe (v. Gemmeren aaO Rn. 37; vgl. auch Schöch in SSW-StGB, § 64 Rn. 27). Anhaltspunkte , dass hier bei einer spontanen Gewalttat aus Ärger über Vorhalte eines Außenstehenden wegen der Beziehung zu einer Frau, nahe liegend in Verbindung mit dem Gefühl (wegen des nur kleinen Messers) verspottet und nicht ernst genommen zu werden, ausnahmsweise ein solcher Zusammenhang möglich sein könnte, sind nicht ersichtlich. Der wenig klare Hinweis der Strafkammer , trotz nicht erkennbarer besonderer Alkoholisierung beruhe die Tat wegen der Enthemmung des Angeklagten auf seinem Hang zu Alkoholmissbrauch , ändert daran nichts.
27
c) Selbst wenn noch Feststellungen hinsichtlich eines generellen Hanges (auch) zu Alkoholmissbrauch möglich sein sollten, hält es der Senat für sicher ausgeschlossen, dass noch Feststellungen zu einem Rausch bei der Tat oder einem symptomatischen Zusammenhang zwischen der Tat und einem Hang zu Alkohol- oder auch Rauschgiftmissbrauch möglich sind. Daher erkennt er entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf Wegfall der Unterbringungsanordnung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 167/08 mwN). Auf die für sich genommen zutreffenden Hinweise der Revisionen und des Generalbundesanwalts auf rechtliche Bedenken gegen die Annahme der Strafkammer, die gegenwärtigen Zweifel am Erfolg einer Unterbringung könnten nach Ablauf des (mit § 67 Abs. 2 StGB nicht zu vereinbarenden) Vorwegvollzuges von zehn Jahren Freiheitsstrafe ausgeräumt sein, kommt es daher nicht mehr an.
28
7. Der Senat hat geprüft, ob der Wegfall der Unterbringung den Bestand des für sich genommen rechtsfehlerfreien Strafausspruchs (vgl. oben 3, 4d) gefährdet. Dies wäre der Fall, wenn ein Einfluss der Maßregel auf die Strafhöhe möglich erschiene. Grundsätzlich besteht entsprechend der „Zweispurigkeit“ von Strafe und Maßregel zwischen beiden Rechtsfolgen keine Wechselwirkung, sie sollen unabhängig voneinander bemessen bzw. verhängt werden (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 365 mwN). Freilich sind die für Strafe und Unterbringungsanordnung wesentlichen Gesichtspunkte nicht stets streng voneinander zu trennen, z.B. kann ein Rausch auf die Bestimmung des Maßes der Schuld Einfluss haben und, sofern er hangbedingt ist, zugleich Grundlage einer Unterbringung sein. Derartige Zusammenhänge können nicht nur je nach den Umständen des Einzelfalles für die (vorliegend wegen umfassender Anfechtung des Urteils auch im Schuldspruch nicht einschlägige ) Frage der weiteren Beschränkbarkeit eines nicht gegen den Schuldspruch gerichteten Rechtsmittels im Zusammenhang mit der Unterbringungsanordnung bedeutsam sein (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362; BGH, Beschluss vom 14. Juli 1993 - 2 StR 352/93, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 6), sondern auch im Blick auf eine die Unterbringung betreffende Entscheidung auf den Bestand des Strafausspruches Einfluss haben (vgl. BGH aaO; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111). Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass die Urteilsgründe - auf diese kommt es an - konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Wechselwirkung zwischen der Entscheidung über die Höhe der Strafe und der Maßregel enthalten.
29
Dies ist hier in keiner Richtung der Fall.
30
8. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen waren der Staatskasse aufzuerlegen, auch soweit sie im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten erfolgreich war (vgl. zu den Kosten Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 473 Rn. 16 mwN); hinsichtlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten ergibt sich dies aus § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Kosten seiner Revision und die ihm dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat der Senat insgesamt dem Angeklagten auferlegt, § 473 Abs. 4 StPO. Nichts spricht dafür, dass er keine Revision eingelegt hätte, wenn seine Unterbringung gemäß § 64 StGB nicht angeordnet worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 - 1 StR 451/03 mwN).
Nack Wahl Rothfuß
Hebenstreit Sander

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 384/12
vom
27. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 16. März 2012 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Hierbei hat es Einzelstrafen von zwei Jahren und einem Jahr und sechs Monaten festgesetzt und in die Gesamtstrafe vier Einzelstrafen in Höhe von zweimal drei Monaten, einmal sechs Monaten und einmal neun Monaten aus früheren Verurteilungen einbezogen. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie ihn im Adhäsionsverfahren verurteilt, an eine der beiden Geschädigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die umfassend eingelegte , auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist in vollem Umfang begründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts infizierte sich der heute 30-jährige, an Politoxikomanie leidende Angeklagte im Jahr 2001 oder 2002 mit dem HI-Virus. Dies wurde anlässlich einer Inhaftierung festgestellt und ihm vor seiner Entlassung im Jahr 2002 mitgeteilt. Im Rahmen eines weiteren Aufenthalts in einer Haftanstalt wurde er im Jahr 2003 umfassend über die Risiken der Infektion und die von ihm einzuhaltenden Sicherheitsmaßregeln aufgeklärt. Ihm war daher bekannt, dass bei ungeschützten Sexualkontakten die Gefahr einer Infektion des jeweiligen Sexualpartners bestand. Nicht geklärt werden konnte, ob er Kenntnis davon hatte, dass das bei Analverkehr bestehende Infektionsrisiko vielfach höher ist als bei vaginalem Geschlechtsverkehr.
3
Der Angeklagte kümmerte sich nach seiner Haftentlassung nicht weiter um seine Infektion und setzte auch die insoweit in der Haft begonnene Therapie nicht fort. In der Folgezeit hatte er mit mehreren Frauen ungeschützten vaginalen und analen Geschlechtsverkehr.
4
Zwischen August 2008 und November 2010 hatte der Angeklagte eine intime Beziehung zu der damals 18 bis 20 Jahre alten Nebenklägerin S. . Es kam regelmäßig zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr, häufig auch zu Analverkehr. Der Angeklagte klärte die Nebenklägerin nicht über seine Infektion auf. Er nahm eine von ihm für möglich gehaltene Infektion der Nebenklägerin billigend in Kauf. Bei einem der Sexualkontakte in der vorgenannten Zeit infizierte sich die Nebenklägerin. Sie ist hierdurch, obgleich sie bislang noch keine Dauertherapie benötigt, psychisch stark belastet.
5
In der Woche vor dem 11. November 2010 kam es zwischen dem Angeklagten und der damals 23 Jahre alten Zeugin H. mehrfach zu ungeschütztem vaginalen, oralen und analen Geschlechtsverkehr. Hierbei infizierte sich die Zeugin mit dem HI-Virus. Der Angeklagte klärte sie über seine Infektion nicht auf und nahm ihre Infektion billigend in Kauf.
6
Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten angenommen, dass beide Infektionen in einem drogeninduzierten Rauschzustand verursacht wurden , durch welchen die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten jeweils erheblich vermindert war.
7
2. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet.
8
a) Die Beweiswürdigung weist weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Soweit das Landgericht dem Sachverständigen Dr. K. darin gefolgt ist, dass die Infektionen beider Geschädigter dem Angeklagten zuzurechnen sind, begegnet dies keinen Bedenken. Schon aufgrund der Identität der Virenstämme ist danach mit einer "an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" von einer Verursachung durch den Angeklagten auszugehen. Diese Wahrscheinlichkeit wurde hier noch durch den häufigen bzw. mehrmaligen Vollzug des Analverkehrs gesteigert, der ein besonders hohes Infektionsrisiko birgt. Andere Geschlechtspartner der Geschädigten wiesen nach den Feststellungen des Landgerichts keine HI-Infektion auf. Die Annahme der Ursächlichkeit des Angeklagten ist daher rechtsfehlerfrei. Eine zur Verurteilung hinreichende Überzeugung des Tatrichters setzt nicht den Ausschluss jeder theoretischen Möglichkeit eines abweichenden Verlaufs voraus.
9
Auch die Annahme des bedingten Vorsatzes ist rechtsfehlerfrei. Dass das Landgericht dem Angeklagten aufgrund rechtsfehlerfreier Erwägungen seine Einlassung nicht geglaubt hat, er habe bereits nach dem ersten Sexualkontakt mit der Nebenklägerin S. geglaubt, nun sei es "zu spät" – was entgegen seiner Einlassung gerade für seine Kenntnis und daher seinen Vorsatz gesprochen hätte – nötigt entgegen der Annahme der Revision nicht dazu anzunehmen, der Angeklagte habe beim ersten Sexualkontakt keinen (bedingten ) Vorsatz gehabt. Dies hat der Tatrichter aufgrund der Aussagen der Zeugen , die den Angeklagten aufgeklärt und belehrt hatten, als widerlegt angesehen. Die unklare und an sich widersprüchliche Erwägung, der Angeklagte habe "gedankenlos gehandelt und die Infektion damit billigend in Kauf genommen" (UA S. 13), beruht ersichtlich nur auf fehlerhafter Formulierung.
10
b) Die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Keinen Bedenken begegnet insbesondere, dass das Landgericht die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB als nicht gegeben angesehen hat. Soweit die Revision die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB vermisst, hätte auch eine solche Prüfung hier ersichtlich nicht zu einer Strafmilderung führen können. Denn das bloße Anerkenntnis einer Schmerzensgeldzahlung führte hier offenkundig nicht zu einem umfassenden Ausgleich mit dem Tatopfer. Ein "kommunikativer Prozess" der Versöhnung ist nicht ersichtlich; ob der mittellose Angeklagte jemals Leistungen erbringen wird, ist mindestens fraglich. Die Zumessung der Gesamtstrafe ist nicht zu beanstanden.
11
3. Keinen Bestand kann aber der Maßregelausspruch haben. Dies beruht zwar nicht, wie die Revision rügt, auf einem angeblichen Vorrang des § 35 BtMG gegenüber § 64 StGB. Nach ständiger Rechtsprechung ist vielmehr gerade umgekehrt für § 35 BtMG kein Raum, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB gegeben sind.
12
Die Anordnung ist aber rechtsfehlerhaft, weil – wie auch die Staatanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt des § 301 StPO zutreffend rügt – ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten zu Rauschmitteln und den Taten weder festgestellt noch vom Landgericht näher geprüft worden ist. Eine nähere Erörterung eines solchen Zusammenhangs, welcher der Natur der Sache nach nicht nahelag, war auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Landgericht "zu Gunsten" des Angeklagten angenommen hat, seine Steuerungsfähigkeit sei aufgrund akuten Drogenrausches bei allen möglichen Infektionsgelegenheiten erheblich vermindert gewesen.
13
Überdies hat das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen angenommen, die erforderliche Therapiedauer liege bei "zweieinhalb Jahren". Da die Höchstfrist der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 1 S. 1 StGB auf zwei Jahre beschränkt ist, ist damit eine hinreichend konkrete Erfolgsmöglichkeit nicht dargetan; die Anordnung war vielmehr unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292). Auf die rechtsfehlerhafte Bezugnahme des Landgerichts auf den seit geraumer Zeit nicht mehr geltenden "§ 64 Abs. 2" alter Fassung und auf den seit nunmehr 18 Jahren für verfassungswidrig erklärten Maßstab der "Aussichtslosigkeit" einer Therapie kommt es daher nicht mehr an.
14
4. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich zu Lasten des Angeklagten nur gegen den Strafausspruch wendet, ist in diesem Umfang begründet.
Die Annahme minderschwerer Fälle, zu der das Landgericht jeweils unter Einbeziehung des vertypten Milderungsgrunds gemäß § 21 StGB gelangt ist, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
Das Landgericht hat sich der Annahme des Sachverständigen angeschlossen , es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es mit beiden Geschädigten (auch) dann zum Sexualverkehr gekommen sei, wenn die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten wegen Drogenkonsums erheblich vermindert gewesen sei. Diese pauschale Annahme reicht, wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend hervorgehoben hat, angesichts der Umstände der Einzelfälle nicht aus. Es fehlt an jeglichen konkretisierenden Feststellungen außer den Einlassungen des Angeklagten, er habe vor dem ersten Geschlechtsverkehr mit der Zeugin S. "Extacy konsumiert", habe seine Infektion dauerhaft "verdrängt", habe "nicht daran gedacht" oder gedacht, jetzt sei es "schon zu spät" (UA S. 8/9). Beim ersten Verkehr mit der Zeugin H. sei er "sauer gewesen" (UA S. 9). Diese Einlassungen hat das Landgericht gerade nicht geglaubt (UA S. 9/10). Es war daher im Einzelnen zu erläutern, wieso gleichwohl eine erhebliche Verminderung von Steuerungsfähigkeit angenommen wurde und welche konkrete Ausprägung dieser Zustand beim Angeklagten gehabt haben könnte. Eine Annahme "zu Gunsten", also unter Anwendung des Zweifelssatzes , würde eine abgeschlossene Beweiswürdigung voraussetzen, die für das Revisionsgericht nachprüfbar dargelegt werden muss. Die Anwendung des Zweifelssatzes kann eine sachgerechte Beweiswürdigung nicht ersetzen, sondern setzt sie ihrerseits voraus.
16
Soweit das Landgericht angenommen hat, es lägen "außergewöhnliche Tatumstände" vor (UA S. 14), erschließt sich diese Bewertung auch im Übrigen aus den Urteilsfeststellungen nicht.
17
5. Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Dies gilt auch im Hinblick auf die Maßregelanordnung. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass aufgrund neuer Feststellungen die rechtsfehlerfreie Anordnung einer Maßregel möglich und geboten ist.
Fischer Schmitt Berger Krehl Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 4 9 6 / 1 3
vom
16. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Januar
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 10. Juni 2013 wird
a) das Urteil im Fall II.1. der Entscheidungsgründe, im Ausspruch über die Gesamtstrafe und hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit den Feststellungen aufgehoben,
b) die Verfolgung im Fall II.2. gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Körperverletzung beschränkt ,
c) der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.2. der Körperverletzung und im Fall II.3. der besonders schweren sexuellen Nötigung schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 10. Juni 2013 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. III. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer sexueller Nötigung , (vorsätzlicher) Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Detmold vom 28. März 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachrüge. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt; sie beanstandet mit der Sachrüge, dass das Landgericht nicht die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat - nach einer Beschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO - hinsichtlich der Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht, des Gesamtstrafenausspruchs sowie der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts reiste der Angeklagte im Juni 2002 nach Deutschland ein. Aus Langeweile und Frustration trank er - weiter gehend als noch in Kasachstan - nunmehr täglich Alkohol (Wodka und Bier) und begann, Haschisch und Heroin zu konsumieren. Wegen einer am 15. November 2002 unter Alkoholeinfluss (die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration des Angeklagten betrug 3,27 Promille) begangenen Vergewaltigung wurde er am 12. November 2003 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt, die er voll verbüßte. Während der Strafhaft war der Angeklagte , bei dem ein Sachverständiger einen Mehrfachsubstanzmissbrauch festgestellt hatte, zu therapeutischen Gesprächen nicht bereit und nahm weiterhin Heroin und Haschisch zu sich. Dies führte am 27. Januar 2006 zu einer Verurteilung zu einer - ebenfalls voll verbüßten - einmonatigen Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Nach der Entlassung aus der Strafhaft setzte der Angeklagte bereits nach kurzer Zeit den Konsum von Heroin und Alkohol auch während der nunmehr angeordneten Führungsaufsicht fort. Wegen bereits ab Ende Oktober 2008 begangener Beschaffungstaten wurde er am 27. Mai 2009 wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auch diese Strafe verbüßte der Angeklagte voll, wobei er während der Haft mit Methadon substituiert wurde. Eine bewilligte Drogenentwöhnungstherapie nach § 35 BtMG trat er nicht an; auch im Übrigen war er nicht gesprächs- und therapiebereit. Während der nach seiner Haftentlassung am 30. April 2012 angeordneten Führungsaufsicht wurde der Angeklagte auf sein Bemühen hin am 23. Juli 2012 zur Durchführung einer Langzeittherapie in die "Wohngemeinschaft " aufgenommen. Da er mit den strengen Regeln der Therapieeinrichtung nicht zu Recht kam und den Entzug von Methadon und Alkohol nicht aushielt, er aber die Einnahme von Medikamenten ablehnte, verließ er die Einrichtung - unter Verstoß gegen ihm im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisungen - eigenmächtig bereits am 31. Juli 2012. Am nächsten Tag meldete er sich in alkoholisiertem Zustand bei seinem Bewährungshelfer und sprach in der Folge wieder verstärkt dem Alkohol zu; eine Entwöhnungstherapie strebte er nicht mehr an. Wegen am 17. Juli 2012 und ab dem 8. August 2012 begangener Beschaffungs- und weiterer Taten wurde er schließlich am 11. Dezember 2012 vom Amtsgericht Detmold wegen Diebstahls in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, die das Landgericht Detmold auf die Berufung des Angeklagten hin mit Urteil vom 28. März 2013 auf acht Monate ermäßigte.
3
2. Zu den abgeurteilten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
(1.) Im Rahmen der nach Vollverbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Detmold vom 27. Mai 2009 angeordneten Führungsaufsicht war dem Angeklagten unter anderem auferlegt worden, zur Überwachung seines Aufenthalts eine elektronische "Fußfessel" zu tragen. Mit deren Hilfe konnte sein Aufenthaltsort nach dem - weisungswidrigen - Verlassen der Therapieeinrichtung am 31. Juli 2012 festgestellt werden. Nachdem Polizeibeamte vergeblich versucht hatten, ihn aufzusuchen, durchtrennte ein Freund des Angeklagten mit dessen Einverständnis das Befestigungsband des Überwachungsgeräts, so dass dieses anschließend nicht mehr funktionsfähig war und der Aufenthaltsort des Angeklagten nicht mehr festgestellt werden konnte. In der Folge betrank sich der Angeklagte mehrfach (wodurch er sich gut fühlte) und wurde schließlich in ebenfalls alkoholisiertem Zustand von Polizeibeamten im Stadtpark aufgegriffen.
5
(2.) Im Januar 2013 hatte sich der Angeklagte "wiederum in Alkohol und Kokain geflüchtet"; das zu Beginn des Monats ausbezahlte Arbeitslosengeld hatte er bereits am 10. Januar vollständig - hauptsächlich für Alkohol und Drogen - ausgegeben. Nachdem er am Abend dieses Tages mit einem Freund eine Flasche Wodka konsumiert hatte, entschloss er sich, bei einem Bekannten eine von diesem versprochene, aber noch nicht geleistete Zahlung einzutreiben, um dafür unter anderem Drogen und Alkohol zu kaufen. Als dieser sich weigerte, ihm Geld zu geben, versetzte ihm der Angeklagte mehrere kräftige Schläge, die ihn zu Fall brachten. Der Lebensgefährtin des Opfers, der Zeugin L. , gelang es schließlich, den Angeklagten in ein Gespräch zu verwickeln. Während dessen konnte das Opfer in ein anderes Zimmer flüchten.
6
(3.) Nunmehr entschloss sich der Angeklagte, der Zeugin "sexuell näher zu kommen". Um den sicher erwarteten Widerstand der Zeugin mit einer "eindrucksvollen Drohung abzuwenden", nahm er ein Küchenmesser und hielt es ihr an den Hals. Sodann griff er unter ihr Kleid, "fasste ihr über dem Slip in den Schritt und streichelte schließlich ihre Brüste". Dies ließ die Zeugin aus Angst vor dem Einsatz des - vom Angeklagten inzwischen abgelegten - Messers geschehen , jedoch weigerte sie sich, der Aufforderung des Angeklagten nachzukommen , sich auszuziehen. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab und verließ die Wohnung.
7
Die Strafkammer bewertete diese Taten als schwere sexuelle Nötigung, (vorsätzliche) Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht. Im Fall 3 verhängte sie eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, im Fall 2 eine solche von einem Jahr und im Fall 1 eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10 EUR. Hinsichtlich der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bejahte sie die Erfolgsaussichten, weil der Angeklagte sowohl unter der Führungsaufsicht als auch in der Hauptverhandlung gezeigt habe, "dass er an einer Bewältigung seiner Suchtproblematik interessiert und zu der erforderlichen Mitarbeit auch in der Lage" sei. Sein Verhalten im Rahmen der abgeur- teilten Sexualstraftat habe zudem gezeigt, dass er die sicher vorhandenen dissozialen Persönlichkeitszüge überwinden könne.
8
Den für eine Anordnung von Sicherungsverwahrung erforderlichen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten vermochte die Strafkammer - entgegen dem von ihr beigezogenen Sachverständigen - nicht festzustellen. Zudem sei die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht verhältnismäßig und die Unterbringung nach § 64 StGB, die "Aussicht auf Erfolg" habe, vorrangig.

II.


9
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat im Fall II.1. der Urteilsgründe, hinsichtlich der vom Landgericht verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sowie der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt Erfolg. Im Fall II.2. der Urteilsgründe beschränkt der Senat zudem die Verfolgung auf den Vorwurf der Körperverletzung.
10
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1. wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
a) Aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) besteht zwar seit dem 1. Januar 2011 die Möglichkeit, im Rahmen der Führungsaufsicht eine elektronische Überwachung des Aufenthaltes einer verurteilten Person durchzuführen ("elektronische Fußfessel", § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB). Gemäß § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 StGB ist eine solche Weisung unter anderem aber nur dann zulässig, wenn sie erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Abs. 4 Satz 2 StPO, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art abzuhalten.
12
b) Dies ist - jedenfalls bislang - nicht hinreichend belegt.
13
Der Zweck einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB - eine Weisung nach dessen Nummer 2 wurde dem Angeklagten nicht erteilt - besteht zum einen in der erleichterten Kontrolle durch die Aufsichtsstelle, zum anderen in der Vermeidung einer kriminellen Gefährdung, der der Verurteilte außerhalb seines Wohn- oder Aufenthaltsbereichs ausgesetzt ist (BT-Drucks. 17/3403 S. 38). Auf eine solche kriminelle Gefährdung des Angeklagten außerhalb des Aufenthaltsbereichs "Kreis Lippe" und damit auch eine spezialpräventive Wirkung der Aufenthaltsüberwachung hat indes weder die Strafvollstreckungskammer noch die erkennende Strafkammer abgestellt. Angesichts der Feststellungen des Landgerichts zu den Umständen der hier abgeurteilten wie auch der vorangegangenen Straftaten des Angeklagten liegt es fern, dass deren Begehung dadurch hätte verhindert werden können, dass der Angeklagte den Kreis Lippe nicht verlassen durfte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2011 - 3 StR 439/10, NStZ-RR 2011, 244). Denn die Tatorte der nunmehr sowie der im Jahr 2012 abgeurteilten Straftaten befanden sich stets in Detmold, also inmitten des Kreises Lippe.
14
2. Auf die Revision des Angeklagten beschränkt der Senat im Fall II.2. der Urteilsgründe die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts aus den von diesem in der Antragsschrift vom 13. November 2013 dargelegten Gründen auf den Vorwurf der (vorsätzlichen) Körperverletzung.
15
3. Im verbleibenden Umfang weisen die Schuld- und Einzelstrafaussprüche keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Dagegen kann die von der Strafkammer insbesondere mit der hohen Rückfallgeschwindigkeit begründete Gesamtstrafe nach der Aufhebung der Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht keinen Bestand haben.
16
Der Senat schließt jedoch aus, dass der Tatrichter im Fall II.2. der Urteilsgründe eine geringere als die verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr festgelegt hätte, wenn er den Angeklagten allein wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung verurteilt hätte. Denn die Strafkammer hat die Strafe zutreffend dem Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB entnommen und bei der konkreten Strafzumessung die tateinheitlich angenommene versuchte Nötigung nicht strafschärfend berücksichtigt.
17
Im Fall II.3. der Urteilsgründe berichtigt der Senat zudem den Schuldspruch. Unter den vom Landgericht rechtsfehlerfrei bejahten Voraussetzungen des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB lautet dieser selbst dann auf "besonders schwere sexuelle Nötigung", wenn - wie hier - ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 5 StGB bejaht wird (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 177 Rn. 78a; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 25 jeweils mwN).
18
4. Keinen Bestand hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Denn die Annahme des Landgerichts, diese habe hinreichende Erfolgsaussichten, entbehrt einer tragfähigen Grundlage.
19
a) Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist an die Voraussetzung geknüpft, dass eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Süchtigen zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 25. Juli 2008 - 2 BvR 573/08 [juris Rn. 2]; vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 708/12 [juris Rn. 28] jeweils mwN). Erforderlich ist deshalb jedenfalls in Fällen, in denen sich dies angesichts der Feststellungen nicht von selbst versteht , die Darlegung im Urteil, dass sich unter Berücksichtigung der Art und des Stadiums seiner Sucht sowie bereits eingetretener physischer und psychischer Veränderungen und Schädigungen (BGH, Beschluss vom 18. Dezember2012 - 4 StR 453/12) in Persönlichkeit und Lebensumständen des Angeklagten konkret zu benennende Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass es innerhalb eines zumindest "erheblichen" Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48; vom 16. September 2008 - 5 StR 378/08; vom 13. Januar 2010 - 2 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 141; sowie vom 13. September 2011 - 3 StR 277/11).
20
b) Die auf dieser Grundlage gebotene Gesamtwürdigung konkret festgestellter Umstände lässt das landgerichtliche Urteil vermissen.
21
Vielmehr verweist die Strafkammer lediglich darauf, dass eine in früheren Urteilen als möglich angesehene hirnorganische Persönlichkeitsveränderung beim Angeklagten auf von diesem frei erfundenen Angaben beruht habe und mangelnde Therapiebereitschaft nicht mehr zu sehen sei, sondern der Angeklagte gezeigt habe, "dass er an einer Bewältigung seiner Suchtproblematik interessiert und zu der erforderlichen Mitarbeit auch in der Lage" sei (UA S. 25). Unerörtert geblieben sind hingegen der langjährige, teilweise in der Strafhaft fortgesetzte oder unmittelbar anschließend wieder begonnene, bereits mit einer "süchtigen Abhängigkeit" (UA S. 24) verbundene Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten, ferner der Umstand, dass er bereits mehrere Substitutionsund Therapieangebote erfolglos durchlaufen, abgelehnt oder nach wenigen Tagen abgebrochen hat. Im Hinblick auf dieses frühere Verhalten des Angeklagten wäre es für die Annahme eines die Behandlung im Maßregelvollzug erheblich überdauernden Therapieerfolgs zudem geboten gewesen, sich mit der Ernsthaftigkeit und dem Grad der Therapiewilligkeit des Angeklagten auseinanderzusetzen.
22
c) Der Senat schließt angesichts der vom Landgericht angeführten Strafzumessungserwägungen aus, dass dieses in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe ohne die angeordnete Unterbringung des Angeklagten gemäß § 64 StGB geringere Einzelstrafen verhängt hätte. Diese können daher Bestand haben.
23
Ergänzend weist der Senat den neu zur Entscheidung berufenen Tatrichter darauf hin, dass es an den Erfolgsaussichten fehlt, wenn eine erfolgreiche Therapie länger als zwei Jahren andauern müsste (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 4 StR 223/12 mwN; zum Einfluss einer Persönlichkeitsstörung auf die Erfolgsaussichten einer Therapie: Senat, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 4 StR 455/11 [juris Rn. 12]).

III.


24
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Dies - aus den oben dargelegten Gründen - nicht nur zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO), soweit dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde,sondern - insofern in vollem Umfang - auch zum Nachteil des Angeklagten. Denn die Erwägungen, mit denen die Strafkammer von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, halten der Überprüfung nicht stand.
25
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht auf die Nicht-Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Es richtet sich vielmehr ausdrücklich gegen den gesamten Rechtsfolgenausspruch, wodurch der aus § 72 StGB herzuleitenden Verknüpfung der Maßregeln nach § 64 und § 66 bzw. § 66a StGB Rechnung getragen wird, die nicht losgelöst voneinander geprüft und beurteilt werden können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12, sowie unten 4.).
26
2. Soweit das Landgericht bereits wegen des Vorrangs der Maßregel des § 64 StGB und der daraus von ihm hergeleiteten Unverhältnismäßigkeit der den Angeklagten ungleich schwerer belastenden Sicherungsverwahrung von deren Anordnung abgesehen hat (UA S. 27), hat schon die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zur Folge, dass die Nicht-Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben kann.
27
a) Erweist sich die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich einer angeordneten Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, 107). Nichts anderes gilt im umgekehrten Fall, wenn also das Landgericht - wie hier - von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, weil es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr schon durch die Anordnung einer Maßnahme nach § 64 StGB und eine erfolgreiche Therapie begegnet werden kann.
28
b) Hinzu kommt, dass die Strafkammer im Rahmen der Prüfung des § 72 Abs. 1 StGB von einem falschen Maßstab ausgegangen ist:
29
Liegen die Voraussetzungen sowohl des § 66 StGB (bzw. § 66a StGB) als auch des § 64 StGB vor, erfordert das Absehen von der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit, dass mit der alleinigen Unterbringung gemäß § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12 [juris Rn. 19]; vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11 [juris Rn. 9]; vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, NStZ-RR 2011, 204 jeweils mwN). Unsicherheiten über den Erfolg der milderen Maßnahme müssen dagegen - bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen - zur kumulativen Anordnung der Maßregeln führen (§ 72 Abs. 2 StGB; vgl. auch BGH, Urteile vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12 [juris Rn. 24]; vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106 jeweils mwN).
30
Ein solches hohes Maß an prognostischer Sicherheit des Erfolges der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird von der insoweit vom Landgericht allein angeführten Erwägung, "die durchzuführende Ent- wöhnungstherapie … [habe] Aussicht auf Erfolg" (UA S. 27) nicht belegt.
31
3. Auch die Ablehnung eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB durch die Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
32
a) Diese stützt das Landgericht - abweichend vom Sachverständigen - zum einen insbesondere darauf, dass den früher vom Angeklagten begangenen (Sexual- und Gewalt-)Straftaten kein Symptomwert für einen jetzt bestehenden Hang zu entnehmen sei, da es sich um lange zurückliegende Spontan- bzw. Beschaffungstaten gehandelt habe. Zum anderen sei bei den nunmehr abgeurteilten Taten das Maß der angewendeten Gewalt wesentlich geringer gewesen; der Angeklagte habe "eine Entwicklung weg von der Gewalt durchgemacht" und es sei eine "abnehmende Intensität seiner Taten" festzustellen (UA S. 26).
33
Abgesehen davon, dass die Strafkammer hierbei die mehrjährigen Strafverbüßungen durch den Angeklagten nicht berücksichtigt hat und der Senat angesichts der zu erheblichen Verletzungen führenden Misshandlungen im Fall II.2. sowie der Bedrohung mit dem Messer (am Hals des Opfers) im Fall II.3. der Urteilsgründe eine abnehmende Intensität der Taten nicht zu erkennen vermag, hat die Strafkammer nicht bedacht, dass die Neigung immer wieder straffällig zu werden, wenn sich die Gelegenheit bietet, auch bei sogenannten Gelegenheits- und Augenblickstaten zu bejahen sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 3. August 2011 - 2 StR 190/11 [juris Rn. 9]; vom 17. November 2010 - 2 StR 356/10, NStZ-RR 2011, 77 jeweils mwN). Die Anwendung des § 66 oder des § 66a StGB unter dem Gesichtspunkt des Spontan- oder Gelegenheitscharakters der Tat ist lediglich dann ausgeschlossen, wenn eine äußere Tatsituation oder Augenblickserregung die Tat allein verursacht hat (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2006 - 5 StR 316/06, NStZ 2007, 114). Dies hat das Landgericht weder festgestellt noch drängt es sich in einem Maße auf, dass es der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen kann.
34
b) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung oder eines entsprechenden Vor- behalts erforderliche Hang zur Begehung erheblicher Straftaten nicht bereits dann ausscheidet, wenn die wiederholte Straffälligkeit eines Täters allein auf dessen Hang zu übermäßigem Konsum berauschender Mittel beruht; denn auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, NStZ-RR 2011, 204; vom 3. August 2011 - 2 StR 190/11 [juris Rn. 9]).
35
4. Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs , da der Senat nicht von vorneherein ausschließen kann, dass der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung oder eines entsprechenden Vorbehalts geringere Einzelstrafen oder eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängen wird.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 223/12
vom
17. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Juli 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21. Februar 2012 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von einem Jahr der Freiheitsstrafe angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten wendet sich allein gegen die Anordnung der Dauer des Vorwegvollzugs. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs insgesamt.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestehen bei dem Angeklagten eine langjährige multiple Substanzabhängigkeit mit im Vordergrund stehendem Cannabis-, Amphetamin- und Kokainkonsum sowie eine dissoziale Persönlichkeitsfehlentwicklung, möglicherweise sogar eine dissoziale Persön- lichkeitsstörung. Er konsumierte phasenweise täglich Cannabinoide, Amphetamine , gelegentlich Ecstasy und - wenn er ausreichend Geld zum Erwerb hatte - auch Kokain. Nach der letzten Haftentlassung im Jahr 2010 lebte er drei Monate lang abstinent, danach wurde er rückfällig. Der Drogenkonsum ist möglicherweise Ausdruck seiner dissozialen Persönlichkeitsfehlentwicklung. Eine Langzeittherapie nach § 35 BtMG hat der Angeklagte abgebrochen, aus einer weiteren ist er von der Einrichtung disziplinarisch entlassen worden. Er hat wegen seiner Persönlichkeitsfehlentwicklung oder Persönlichkeitsstörung erhebliche Probleme, im offenen Rahmen einer normalen Therapieeinrichtung eine Drogentherapie konstruktiv wahrzunehmen. Allerdings kann er seine Verhaltensauffälligkeiten willentlich steuern und hat Krankheits- und Behandlungseinsicht geäußert. Das Landgericht hat deshalb die Erfolgsaussicht der Maßregel bejaht. Entgegen der Auffassung des von ihm gehörten Sachverständigen, der wegen des bereits lange Zeit andauernden Betäubungsmittelmissbrauchs von einer längeren Therapiedauer von bis zu drei Jahren ausgegangen ist, hat das Landgericht eine Therapiedauer von zwei Jahren prognostiziert. Eine längere Therapiedauer sei nach dem Willen des Gesetzgebers nicht vorgesehen. Danach sei - entgegen der Formulierung im Urteilstenor - ein Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der Freiheitsstrafe anzuordnen.
3
2. Die grundsätzlich mögliche Beschränkung der Revision auf die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48, 49). Die Rechtswirksamkeit einer Beschränkung setzt voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Das ist hier nicht der Fall.
4
Die Dauer des Vorwegvollzugs hängt gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 StGB von der Höhe der verhängten Strafe und der voraussichtlichen Dauer der Unterbringung gemäß § 64 StGB ab. Für letztere ist derjenige Zeitraum maßgebend, der bei prognostischer Beurteilung erforderlich erscheint, um einen Behandlungserfolg zu erzielen. Die Festlegung einer angemessenen Dauer der Unterbringung setzt deshalb voraus, dass die Maßregel als solche überhaupt Aussicht auf Erfolg bietet. Ist dies bereits dem Grunde nach nicht der Fall oder zweifelhaft, lässt sich kein angemessener Zeitraum für die Therapie bemessen.
5
3. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als solche begegnet hier durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie setzt nach § 64 Satz 2 StGB voraus, dass eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
6
Das Urteil teilt keine tragfähigen Gründe dafür mit, dass eine (nur) zweijährige Therapie bei dem Angeklagten erfolgversprechend ist. Der vom Landgericht zutreffend erkannte Umstand, dass nach § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB die Unterbringung nicht länger als zwei Jahre dauern darf (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12), reicht als Begründung für einen zu erwartenden Behandlungserfolg bei dem Angeklagten in diesem Zeitraum nicht aus. Dies gilt hier umso mehr, als möglicherweise der Drogenkonsum nur Ausdruck der dissozialen Persönlichkeitsfehlentwicklung des Angeklagten ist, was einen Heilungserfolg insgesamt oder jedenfalls innerhalb von zwei Jahren in Frage stellen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 2 StR 209/09; Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11 Rn. 24; Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12 Rn. 7). Bei einer Therapiedauer von drei Jahren, wie sie der gehörte Sachverständige prognostiziert hat, fehlt es aber an der notwendigen konkreten Erfolgsaussicht (BGH, Urteil vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09 Rn. 10 ff., NStZ-RR 2011, 5, 6 f.; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10 Rn. 10; Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12 Rn. 3).
7
4. Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist deshalb erneut zu befinden. Der neue Tatrichter wird insbesondere Gelegenheit haben, neue Feststellungen zu der voraussichtlich notwendigen Therapiedauer zu treffen.
8
Da das Verfahren sich nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267).
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 279/12
vom
8. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. August 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 4. April 2012
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung schuldig ist,
b) im Straf- sowie im Maßregelausspruch aufgehoben, im Hinblick auf den Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Unter- bringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung nach den §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 229, 52 StGB. Die Strafkammer hat es jedoch - worauf sie selbst in den Urteilsgründen (UA S. 13) hingewiesen hat - versäumt, die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Ur- teilsformel durch die Bezeichnung der Tat als „besonders“ schwere räuberische Erpressung zum Ausdruck zu bringen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt, weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der begangenen Qualifikation erfordert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 260 Rn. 25a).
3
Der Strafausspruch und die Maßregelanordnung weisen dagegen durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt: „1. Rechtlich zutreffend hat die Strafkammer zwar zunächst ohne Be- rücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB und unter alleiniger Heranziehung der allgemeinen Strafmilderungsgründe geprüft, ob die Tat als minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB zu werten ist (UA S. 14 f.). Auch hält sich die Wertung der Strafkammer, dass die allgemeinen Milderungsgründe allein die Annahme eines minderschweren Falles nicht tragen können , im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Die Strafkammer hätte jedoch im Anschluss an die Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände weiter prüfen müssen, ob der mildere Sonderstrafrahmen unter zusätzlicher Heranziehung des gesetzlich ver- typten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB der Strafzumessung im engeren Sinne hätte zu Grunde gelegt werden können. Erst wenn sie danach weiterhin keinen minderschweren Fall für gerechtfertigt gehalten hätte, hätte sie - wie geschehen (UA S. 15) - den wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen der Strafzumessung zu Grunde legen dürfen (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271; BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 449/07, NStZRR 2008, 105; Fischer, StGB, 59. Auflage 2012, § 50 Rn. 4 m.w.N.). Diese rechtlich zwingende Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht nicht beachtet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei zusätzlicher Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht hätte. Zwar wäre der gesetzlich vertypte Straf- milderungsgrund damit „verbraucht“ gewesen (§ 50StGB), der Sonderstrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe ) wäre jedoch für den Angeklagten günstiger gewesen als der nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB (2 Jahre bis 11 Jahre 3 Monate). Im Hinblick auf die von der Strafkammer festgestellten gewichtigen allgemeinen Strafminderungsgründe ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB eine mildere Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten verhängt hätte. Deshalb bedarf es einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch. Da die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen von diesem Rechtsfehler nicht berührt werden, können diese indes bestehen bleiben. 2. Die Maßregelanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB weist ebenfalls durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a) Zwar hat die Strafkammer einen Hang des langjährig opiatabhängigen Angeklagten zu übermäßigem Rauschmittelkonsum mit rechtlich tragfähiger Begründung bejaht (UA S. 3, 12). Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass die verfahrensgegenständliche Tat eine Symptomtat im Sinne des § 64 Satz 1 StGB war. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die verfahrensgegenständliche Tat in einem (hinreichenden ) symptomatischen Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten stand. Insbesondere sind keine An- haltspunkte dafür erkennbar, dass die Tat der Beschaffung von Finanzmitteln zum Drogenerwerb dienen sollte. Hiergegen spricht zum einen, dass der Angeklagte mit Methadon substituiert wurde (UA S. 3, 7), und zum anderen, dass seine (erhebliche) bisherige Delinquenz nicht durch Taten gekennzeichnet ist, die dem Bereich der Beschaffungskriminalität zuzuordnen sind. Zwar hatte der Angeklagte im unmittelbaren Tatvorfeld erhebliche Mengen Alkohol konsumiert (UA S. 7), was die sachverständig beratene Strafkammer veranlasst hat, in Verbindung mit dem konkreten Methadon- und Rohpynolkonsum des Angeklagten am Tattag von einer rauschbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit auszugehen (UA S. 12). Dies genügt jedoch nicht zum Beleg für eine Rauschtat im Sinne des § 64 StGB. Denn zum einen hat die Strafkammer den angenommenen Rauschzustand bei der Tatbegehung maßgeblich auf den stattgehabten Alkoholkonsum zurückgeführt, zum anderen ist sie von der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten ausgegangen, dass dieser in den letzten drei Jahren vor der Tat keinerlei Alkohol konsumiert hatte, mithin kein Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum vorlag (UA S. 3, 11 f.). Einem alkoholbedingten Rausch zur Tatzeit kann damit kein Symptomwert für einen Hang im Sinne des § 64 StGB zuerkannt werden, weil sich der vorhandene Hang des Angeklagten zum Rauschmittelkonsum nicht auf Alkohol, sondern auf Betäubungsmittel bezieht.
b) Im Übrigen hat die Strafkammer die konkrete Erfolgsaussicht einer Behandlung in einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nicht rechtsfehlerfrei dargetan. Denn die Strafkammer ist - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen - zu der Feststellung gelangt, dass eine Therapiedauer von etwa drei Jahren erforderlich sei (UA S. 18). Die maximale Dauer einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beläuft sich allerdings gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB auf „lediglich“ zwei Jahre. Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Satz 2 StGB kann deshalb nicht bejaht werden, wenn sie die voraussichtlich notwendige Dauer einer Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitet (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12).“
4
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Fischer Berger Krehl Ott

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

(1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die

1.
dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten,
a)
die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und
b)
die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann,
2.
eine Unterbringung gewährleisten,
a)
die den Untergebrachten so wenig wie möglich belastet, den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, und
b)
die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert, und
3.
zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels
a)
vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen, sowie
b)
in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit ermöglichen.

(2) Hat das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Urteil (§ 66), nach Vorbehalt (§ 66a Absatz 3) oder nachträglich (§ 66b) angeordnet oder sich eine solche Anordnung im Urteil vorbehalten (§ 66a Absatz 1 und 2), ist dem Täter schon im Strafvollzug eine Betreuung im Sinne von Absatz 1 Nummer 1, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung, anzubieten mit dem Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung (§ 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder deren Anordnung (§ 66a Absatz 3) möglichst entbehrlich zu machen.