Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2014 - 4 StR 496/13

bei uns veröffentlicht am16.01.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 4 9 6 / 1 3
vom
16. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Januar
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 10. Juni 2013 wird
a) das Urteil im Fall II.1. der Entscheidungsgründe, im Ausspruch über die Gesamtstrafe und hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit den Feststellungen aufgehoben,
b) die Verfolgung im Fall II.2. gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Körperverletzung beschränkt ,
c) der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.2. der Körperverletzung und im Fall II.3. der besonders schweren sexuellen Nötigung schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 10. Juni 2013 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. III. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer sexueller Nötigung , (vorsätzlicher) Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Detmold vom 28. März 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachrüge. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt; sie beanstandet mit der Sachrüge, dass das Landgericht nicht die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat - nach einer Beschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO - hinsichtlich der Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht, des Gesamtstrafenausspruchs sowie der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts reiste der Angeklagte im Juni 2002 nach Deutschland ein. Aus Langeweile und Frustration trank er - weiter gehend als noch in Kasachstan - nunmehr täglich Alkohol (Wodka und Bier) und begann, Haschisch und Heroin zu konsumieren. Wegen einer am 15. November 2002 unter Alkoholeinfluss (die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration des Angeklagten betrug 3,27 Promille) begangenen Vergewaltigung wurde er am 12. November 2003 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt, die er voll verbüßte. Während der Strafhaft war der Angeklagte , bei dem ein Sachverständiger einen Mehrfachsubstanzmissbrauch festgestellt hatte, zu therapeutischen Gesprächen nicht bereit und nahm weiterhin Heroin und Haschisch zu sich. Dies führte am 27. Januar 2006 zu einer Verurteilung zu einer - ebenfalls voll verbüßten - einmonatigen Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Nach der Entlassung aus der Strafhaft setzte der Angeklagte bereits nach kurzer Zeit den Konsum von Heroin und Alkohol auch während der nunmehr angeordneten Führungsaufsicht fort. Wegen bereits ab Ende Oktober 2008 begangener Beschaffungstaten wurde er am 27. Mai 2009 wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auch diese Strafe verbüßte der Angeklagte voll, wobei er während der Haft mit Methadon substituiert wurde. Eine bewilligte Drogenentwöhnungstherapie nach § 35 BtMG trat er nicht an; auch im Übrigen war er nicht gesprächs- und therapiebereit. Während der nach seiner Haftentlassung am 30. April 2012 angeordneten Führungsaufsicht wurde der Angeklagte auf sein Bemühen hin am 23. Juli 2012 zur Durchführung einer Langzeittherapie in die "Wohngemeinschaft " aufgenommen. Da er mit den strengen Regeln der Therapieeinrichtung nicht zu Recht kam und den Entzug von Methadon und Alkohol nicht aushielt, er aber die Einnahme von Medikamenten ablehnte, verließ er die Einrichtung - unter Verstoß gegen ihm im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisungen - eigenmächtig bereits am 31. Juli 2012. Am nächsten Tag meldete er sich in alkoholisiertem Zustand bei seinem Bewährungshelfer und sprach in der Folge wieder verstärkt dem Alkohol zu; eine Entwöhnungstherapie strebte er nicht mehr an. Wegen am 17. Juli 2012 und ab dem 8. August 2012 begangener Beschaffungs- und weiterer Taten wurde er schließlich am 11. Dezember 2012 vom Amtsgericht Detmold wegen Diebstahls in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, die das Landgericht Detmold auf die Berufung des Angeklagten hin mit Urteil vom 28. März 2013 auf acht Monate ermäßigte.
3
2. Zu den abgeurteilten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
(1.) Im Rahmen der nach Vollverbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Detmold vom 27. Mai 2009 angeordneten Führungsaufsicht war dem Angeklagten unter anderem auferlegt worden, zur Überwachung seines Aufenthalts eine elektronische "Fußfessel" zu tragen. Mit deren Hilfe konnte sein Aufenthaltsort nach dem - weisungswidrigen - Verlassen der Therapieeinrichtung am 31. Juli 2012 festgestellt werden. Nachdem Polizeibeamte vergeblich versucht hatten, ihn aufzusuchen, durchtrennte ein Freund des Angeklagten mit dessen Einverständnis das Befestigungsband des Überwachungsgeräts, so dass dieses anschließend nicht mehr funktionsfähig war und der Aufenthaltsort des Angeklagten nicht mehr festgestellt werden konnte. In der Folge betrank sich der Angeklagte mehrfach (wodurch er sich gut fühlte) und wurde schließlich in ebenfalls alkoholisiertem Zustand von Polizeibeamten im Stadtpark aufgegriffen.
5
(2.) Im Januar 2013 hatte sich der Angeklagte "wiederum in Alkohol und Kokain geflüchtet"; das zu Beginn des Monats ausbezahlte Arbeitslosengeld hatte er bereits am 10. Januar vollständig - hauptsächlich für Alkohol und Drogen - ausgegeben. Nachdem er am Abend dieses Tages mit einem Freund eine Flasche Wodka konsumiert hatte, entschloss er sich, bei einem Bekannten eine von diesem versprochene, aber noch nicht geleistete Zahlung einzutreiben, um dafür unter anderem Drogen und Alkohol zu kaufen. Als dieser sich weigerte, ihm Geld zu geben, versetzte ihm der Angeklagte mehrere kräftige Schläge, die ihn zu Fall brachten. Der Lebensgefährtin des Opfers, der Zeugin L. , gelang es schließlich, den Angeklagten in ein Gespräch zu verwickeln. Während dessen konnte das Opfer in ein anderes Zimmer flüchten.
6
(3.) Nunmehr entschloss sich der Angeklagte, der Zeugin "sexuell näher zu kommen". Um den sicher erwarteten Widerstand der Zeugin mit einer "eindrucksvollen Drohung abzuwenden", nahm er ein Küchenmesser und hielt es ihr an den Hals. Sodann griff er unter ihr Kleid, "fasste ihr über dem Slip in den Schritt und streichelte schließlich ihre Brüste". Dies ließ die Zeugin aus Angst vor dem Einsatz des - vom Angeklagten inzwischen abgelegten - Messers geschehen , jedoch weigerte sie sich, der Aufforderung des Angeklagten nachzukommen , sich auszuziehen. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab und verließ die Wohnung.
7
Die Strafkammer bewertete diese Taten als schwere sexuelle Nötigung, (vorsätzliche) Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht. Im Fall 3 verhängte sie eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, im Fall 2 eine solche von einem Jahr und im Fall 1 eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10 EUR. Hinsichtlich der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bejahte sie die Erfolgsaussichten, weil der Angeklagte sowohl unter der Führungsaufsicht als auch in der Hauptverhandlung gezeigt habe, "dass er an einer Bewältigung seiner Suchtproblematik interessiert und zu der erforderlichen Mitarbeit auch in der Lage" sei. Sein Verhalten im Rahmen der abgeur- teilten Sexualstraftat habe zudem gezeigt, dass er die sicher vorhandenen dissozialen Persönlichkeitszüge überwinden könne.
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Den für eine Anordnung von Sicherungsverwahrung erforderlichen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten vermochte die Strafkammer - entgegen dem von ihr beigezogenen Sachverständigen - nicht festzustellen. Zudem sei die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht verhältnismäßig und die Unterbringung nach § 64 StGB, die "Aussicht auf Erfolg" habe, vorrangig.

II.


9
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat im Fall II.1. der Urteilsgründe, hinsichtlich der vom Landgericht verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sowie der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt Erfolg. Im Fall II.2. der Urteilsgründe beschränkt der Senat zudem die Verfolgung auf den Vorwurf der Körperverletzung.
10
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1. wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
a) Aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) besteht zwar seit dem 1. Januar 2011 die Möglichkeit, im Rahmen der Führungsaufsicht eine elektronische Überwachung des Aufenthaltes einer verurteilten Person durchzuführen ("elektronische Fußfessel", § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB). Gemäß § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 StGB ist eine solche Weisung unter anderem aber nur dann zulässig, wenn sie erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Abs. 4 Satz 2 StPO, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art abzuhalten.
12
b) Dies ist - jedenfalls bislang - nicht hinreichend belegt.
13
Der Zweck einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB - eine Weisung nach dessen Nummer 2 wurde dem Angeklagten nicht erteilt - besteht zum einen in der erleichterten Kontrolle durch die Aufsichtsstelle, zum anderen in der Vermeidung einer kriminellen Gefährdung, der der Verurteilte außerhalb seines Wohn- oder Aufenthaltsbereichs ausgesetzt ist (BT-Drucks. 17/3403 S. 38). Auf eine solche kriminelle Gefährdung des Angeklagten außerhalb des Aufenthaltsbereichs "Kreis Lippe" und damit auch eine spezialpräventive Wirkung der Aufenthaltsüberwachung hat indes weder die Strafvollstreckungskammer noch die erkennende Strafkammer abgestellt. Angesichts der Feststellungen des Landgerichts zu den Umständen der hier abgeurteilten wie auch der vorangegangenen Straftaten des Angeklagten liegt es fern, dass deren Begehung dadurch hätte verhindert werden können, dass der Angeklagte den Kreis Lippe nicht verlassen durfte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2011 - 3 StR 439/10, NStZ-RR 2011, 244). Denn die Tatorte der nunmehr sowie der im Jahr 2012 abgeurteilten Straftaten befanden sich stets in Detmold, also inmitten des Kreises Lippe.
14
2. Auf die Revision des Angeklagten beschränkt der Senat im Fall II.2. der Urteilsgründe die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts aus den von diesem in der Antragsschrift vom 13. November 2013 dargelegten Gründen auf den Vorwurf der (vorsätzlichen) Körperverletzung.
15
3. Im verbleibenden Umfang weisen die Schuld- und Einzelstrafaussprüche keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Dagegen kann die von der Strafkammer insbesondere mit der hohen Rückfallgeschwindigkeit begründete Gesamtstrafe nach der Aufhebung der Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht keinen Bestand haben.
16
Der Senat schließt jedoch aus, dass der Tatrichter im Fall II.2. der Urteilsgründe eine geringere als die verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr festgelegt hätte, wenn er den Angeklagten allein wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung verurteilt hätte. Denn die Strafkammer hat die Strafe zutreffend dem Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB entnommen und bei der konkreten Strafzumessung die tateinheitlich angenommene versuchte Nötigung nicht strafschärfend berücksichtigt.
17
Im Fall II.3. der Urteilsgründe berichtigt der Senat zudem den Schuldspruch. Unter den vom Landgericht rechtsfehlerfrei bejahten Voraussetzungen des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB lautet dieser selbst dann auf "besonders schwere sexuelle Nötigung", wenn - wie hier - ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 5 StGB bejaht wird (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 177 Rn. 78a; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 25 jeweils mwN).
18
4. Keinen Bestand hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Denn die Annahme des Landgerichts, diese habe hinreichende Erfolgsaussichten, entbehrt einer tragfähigen Grundlage.
19
a) Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist an die Voraussetzung geknüpft, dass eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Süchtigen zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 25. Juli 2008 - 2 BvR 573/08 [juris Rn. 2]; vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 708/12 [juris Rn. 28] jeweils mwN). Erforderlich ist deshalb jedenfalls in Fällen, in denen sich dies angesichts der Feststellungen nicht von selbst versteht , die Darlegung im Urteil, dass sich unter Berücksichtigung der Art und des Stadiums seiner Sucht sowie bereits eingetretener physischer und psychischer Veränderungen und Schädigungen (BGH, Beschluss vom 18. Dezember2012 - 4 StR 453/12) in Persönlichkeit und Lebensumständen des Angeklagten konkret zu benennende Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass es innerhalb eines zumindest "erheblichen" Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48; vom 16. September 2008 - 5 StR 378/08; vom 13. Januar 2010 - 2 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 141; sowie vom 13. September 2011 - 3 StR 277/11).
20
b) Die auf dieser Grundlage gebotene Gesamtwürdigung konkret festgestellter Umstände lässt das landgerichtliche Urteil vermissen.
21
Vielmehr verweist die Strafkammer lediglich darauf, dass eine in früheren Urteilen als möglich angesehene hirnorganische Persönlichkeitsveränderung beim Angeklagten auf von diesem frei erfundenen Angaben beruht habe und mangelnde Therapiebereitschaft nicht mehr zu sehen sei, sondern der Angeklagte gezeigt habe, "dass er an einer Bewältigung seiner Suchtproblematik interessiert und zu der erforderlichen Mitarbeit auch in der Lage" sei (UA S. 25). Unerörtert geblieben sind hingegen der langjährige, teilweise in der Strafhaft fortgesetzte oder unmittelbar anschließend wieder begonnene, bereits mit einer "süchtigen Abhängigkeit" (UA S. 24) verbundene Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten, ferner der Umstand, dass er bereits mehrere Substitutionsund Therapieangebote erfolglos durchlaufen, abgelehnt oder nach wenigen Tagen abgebrochen hat. Im Hinblick auf dieses frühere Verhalten des Angeklagten wäre es für die Annahme eines die Behandlung im Maßregelvollzug erheblich überdauernden Therapieerfolgs zudem geboten gewesen, sich mit der Ernsthaftigkeit und dem Grad der Therapiewilligkeit des Angeklagten auseinanderzusetzen.
22
c) Der Senat schließt angesichts der vom Landgericht angeführten Strafzumessungserwägungen aus, dass dieses in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe ohne die angeordnete Unterbringung des Angeklagten gemäß § 64 StGB geringere Einzelstrafen verhängt hätte. Diese können daher Bestand haben.
23
Ergänzend weist der Senat den neu zur Entscheidung berufenen Tatrichter darauf hin, dass es an den Erfolgsaussichten fehlt, wenn eine erfolgreiche Therapie länger als zwei Jahren andauern müsste (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 4 StR 223/12 mwN; zum Einfluss einer Persönlichkeitsstörung auf die Erfolgsaussichten einer Therapie: Senat, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 4 StR 455/11 [juris Rn. 12]).

III.


24
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Dies - aus den oben dargelegten Gründen - nicht nur zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO), soweit dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde,sondern - insofern in vollem Umfang - auch zum Nachteil des Angeklagten. Denn die Erwägungen, mit denen die Strafkammer von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, halten der Überprüfung nicht stand.
25
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht auf die Nicht-Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Es richtet sich vielmehr ausdrücklich gegen den gesamten Rechtsfolgenausspruch, wodurch der aus § 72 StGB herzuleitenden Verknüpfung der Maßregeln nach § 64 und § 66 bzw. § 66a StGB Rechnung getragen wird, die nicht losgelöst voneinander geprüft und beurteilt werden können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12, sowie unten 4.).
26
2. Soweit das Landgericht bereits wegen des Vorrangs der Maßregel des § 64 StGB und der daraus von ihm hergeleiteten Unverhältnismäßigkeit der den Angeklagten ungleich schwerer belastenden Sicherungsverwahrung von deren Anordnung abgesehen hat (UA S. 27), hat schon die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zur Folge, dass die Nicht-Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben kann.
27
a) Erweist sich die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich einer angeordneten Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, 107). Nichts anderes gilt im umgekehrten Fall, wenn also das Landgericht - wie hier - von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, weil es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr schon durch die Anordnung einer Maßnahme nach § 64 StGB und eine erfolgreiche Therapie begegnet werden kann.
28
b) Hinzu kommt, dass die Strafkammer im Rahmen der Prüfung des § 72 Abs. 1 StGB von einem falschen Maßstab ausgegangen ist:
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Liegen die Voraussetzungen sowohl des § 66 StGB (bzw. § 66a StGB) als auch des § 64 StGB vor, erfordert das Absehen von der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit, dass mit der alleinigen Unterbringung gemäß § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12 [juris Rn. 19]; vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11 [juris Rn. 9]; vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, NStZ-RR 2011, 204 jeweils mwN). Unsicherheiten über den Erfolg der milderen Maßnahme müssen dagegen - bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen - zur kumulativen Anordnung der Maßregeln führen (§ 72 Abs. 2 StGB; vgl. auch BGH, Urteile vom 14. Mai 2013 - 1 StR 573/12 [juris Rn. 24]; vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106 jeweils mwN).
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Ein solches hohes Maß an prognostischer Sicherheit des Erfolges der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird von der insoweit vom Landgericht allein angeführten Erwägung, "die durchzuführende Ent- wöhnungstherapie … [habe] Aussicht auf Erfolg" (UA S. 27) nicht belegt.
31
3. Auch die Ablehnung eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB durch die Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
32
a) Diese stützt das Landgericht - abweichend vom Sachverständigen - zum einen insbesondere darauf, dass den früher vom Angeklagten begangenen (Sexual- und Gewalt-)Straftaten kein Symptomwert für einen jetzt bestehenden Hang zu entnehmen sei, da es sich um lange zurückliegende Spontan- bzw. Beschaffungstaten gehandelt habe. Zum anderen sei bei den nunmehr abgeurteilten Taten das Maß der angewendeten Gewalt wesentlich geringer gewesen; der Angeklagte habe "eine Entwicklung weg von der Gewalt durchgemacht" und es sei eine "abnehmende Intensität seiner Taten" festzustellen (UA S. 26).
33
Abgesehen davon, dass die Strafkammer hierbei die mehrjährigen Strafverbüßungen durch den Angeklagten nicht berücksichtigt hat und der Senat angesichts der zu erheblichen Verletzungen führenden Misshandlungen im Fall II.2. sowie der Bedrohung mit dem Messer (am Hals des Opfers) im Fall II.3. der Urteilsgründe eine abnehmende Intensität der Taten nicht zu erkennen vermag, hat die Strafkammer nicht bedacht, dass die Neigung immer wieder straffällig zu werden, wenn sich die Gelegenheit bietet, auch bei sogenannten Gelegenheits- und Augenblickstaten zu bejahen sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 3. August 2011 - 2 StR 190/11 [juris Rn. 9]; vom 17. November 2010 - 2 StR 356/10, NStZ-RR 2011, 77 jeweils mwN). Die Anwendung des § 66 oder des § 66a StGB unter dem Gesichtspunkt des Spontan- oder Gelegenheitscharakters der Tat ist lediglich dann ausgeschlossen, wenn eine äußere Tatsituation oder Augenblickserregung die Tat allein verursacht hat (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2006 - 5 StR 316/06, NStZ 2007, 114). Dies hat das Landgericht weder festgestellt noch drängt es sich in einem Maße auf, dass es der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen kann.
34
b) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung oder eines entsprechenden Vor- behalts erforderliche Hang zur Begehung erheblicher Straftaten nicht bereits dann ausscheidet, wenn die wiederholte Straffälligkeit eines Täters allein auf dessen Hang zu übermäßigem Konsum berauschender Mittel beruht; denn auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, NStZ-RR 2011, 204; vom 3. August 2011 - 2 StR 190/11 [juris Rn. 9]).
35
4. Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs , da der Senat nicht von vorneherein ausschließen kann, dass der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung oder eines entsprechenden Vorbehalts geringere Einzelstrafen oder eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängen wird.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 455/11 vom 25. Oktober 2011 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Oktober

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - 3 StR 374/11

bei uns veröffentlicht am 20.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 374/11 vom 20. Dezember 2011 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - z

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2012 - 4 StR 453/12

bei uns veröffentlicht am 18.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 453/12 vom 18. Dezember 2012 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Dezember 2012 gemäß § 349

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2011 - 3 StR 439/10

bei uns veröffentlicht am 01.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 439/10 vom 1. Februar 2011 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2006 - 5 StR 316/06

bei uns veröffentlicht am 25.10.2006

5 StR 316/06 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 25. Oktober 2006 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2006, an der

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2010 - 4 StR 210/10

bei uns veröffentlicht am 08.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 210/10 vom 8. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 05. Juli 2013 - 2 BvR 708/12

bei uns veröffentlicht am 05.07.2013

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts L. wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. §§ 11
8 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2014 - 4 StR 496/13.

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Apr. 2019 - 3 StR 31/19

bei uns veröffentlicht am 04.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 31/19 vom 4. April 2019 in der Strafsache gegen wegen Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:040419U3STR31.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. April 2019, an der teil

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2019 - 4 StR 69/19

bei uns veröffentlicht am 11.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 69/19 vom 11. April 2019 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes ECLI:DE:BGH:2019:110419B4STR69.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdef

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Aug. 2019 - 4 StR 147/19

bei uns veröffentlicht am 14.08.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 147/19 vom 14. August 2019 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:140819B4STR147.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des B

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2018 - 4 StR 54/18

bei uns veröffentlicht am 01.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 54/18 vom 1. August 2018 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. ECLI:DE:BGH:2018:010818B4STR54.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nac

Referenzen

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

(1) Die Aufsichtsstellen (§ 68a des Strafgesetzbuches) können zur Überwachung des Verhaltens des Verurteilten und der Erfüllung von Weisungen von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art, mit Ausschluß eidlicher Vernehmungen, entweder selbst vornehmen oder durch andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit vornehmen lassen. Ist der Aufenthalt des Verurteilten nicht bekannt, kann der Leiter der Führungsaufsichtsstelle seine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (§ 131a Abs. 1) anordnen.

(2) Die Aufsichtsstelle kann für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anordnen, daß der Verurteilte zur Beobachtung anläßlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen, ausgeschrieben wird. § 163e Abs. 2 gilt entsprechend. Die Anordnung trifft der Leiter der Führungsaufsichtsstelle. Die Erforderlichkeit der Fortdauer der Maßnahme ist mindestens jährlich zu überprüfen.

(3) Auf Antrag der Aufsichtsstelle kann das Gericht einen Vorführungsbefehl erlassen, wenn der Verurteilte einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 oder Nr. 11 des Strafgesetzbuchs ohne genügende Entschuldigung nicht nachgekommen ist und er in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass in diesem Fall seine Vorführung zulässig ist. Soweit das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig ist, entscheidet der Vorsitzende.

(4) Die Aufsichtsstelle erhebt und speichert bei einer Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 des Strafgesetzbuches mit Hilfe der von der verurteilten Person mitgeführten technischen Mittel automatisiert Daten über deren Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung; soweit es technisch möglich ist, ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der verurteilten Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden. Die Daten dürfen ohne Einwilligung der betroffenen Person nur verwendet werden, soweit dies erforderlich ist für die folgenden Zwecke:

1.
zur Feststellung des Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches,
2.
zur Ergreifung von Maßnahmen der Führungsaufsicht, die sich an einen Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches anschließen können,
3.
zur Ahndung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches,
4.
zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter oder
5.
zur Verfolgung einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art oder einer Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 des Strafgesetzbuches.
Zur Einhaltung der Zweckbindung nach Satz 2 hat die Verarbeitung der Daten zur Feststellung von Verstößen nach Satz 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 2 des Strafgesetzbuches automatisiert zu erfolgen und sind die Daten gegen unbefugte Kenntnisnahme besonders zu sichern. Die Aufsichtsstelle kann die Erhebung und Verarbeitung der Daten durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen; diese sind verpflichtet, dem Ersuchen der Aufsichtsstelle zu genügen. Die in Satz 1 genannten Daten sind spätestens zwei Monate nach ihrer Erhebung zu löschen, soweit sie nicht für die in Satz 2 genannten Zwecke verwendet werden. Bei jedem Abruf der Daten sind zumindest der Zeitpunkt, die abgerufenen Daten und der Bearbeiter zu protokollieren; § 488 Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Werden innerhalb der Wohnung der verurteilten Person über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehende Aufenthaltsdaten erhoben, dürfen diese nicht verwertet werden und sind unverzüglich nach Kenntnisnahme zu löschen. Die Tatsache ihrer Kenntnisnahme und Löschung ist zu dokumentieren.

(5) Örtlich zuständig ist die Aufsichtsstelle, in deren Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat. Hat der Verurteilte keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so ist die Aufsichtsstelle örtlich zuständig, in deren Bezirk er seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, seinen letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 439/10
vom
1. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Februar 2011 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 7. Juni 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Zu den Einzelausführungen der Revision zur Sachrüge in der Gegenerklärung (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) vom 6. Dezember 2010 bemerkt der Senat: Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die gemäß § 66 Abs. 2 und 3 Satz 1 und 2 StGB aF gegen den Angeklagten angeordnete Sicherungsverwahrung. Dies wird im Grundsatz von der Revision ebenso gesehen. Entgegen deren Auffassung führt auch die aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) seit dem 1. Januar 2011 gegebene Möglichkeit, im Rahmen der Führungsaufsicht eine elektronische Überwachung des Aufenthaltes einer verurteilten Person durchzuführen ("elektronische Fußfessel", § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB nF), nicht nachträglich zur Rechtsfehlerhaftigkeit der Maßregelentscheidung des Landgerichts, was gemäß Art. 316e Abs. 2 http://www.juris.de/jportal/portal/t/20el/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE015002307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 3 - EGStGB, § 354a StPO im Revisionsverfahren zu beachten wäre. Das Landgericht hätte selbst bei zusätzlicher Berücksichtigung des Umstandes, dass zum Ende des Strafvollzugs im Rahmen der eintretenden Führungsaufsicht (möglicherweise ) eine derartige Aufenthaltsüberwachungsweisung angeordnet werden könnte, bei der Ausübung seines ihm zustehenden pflichtgemäßen Ermessens aus Rechtsgründen nicht von der Maßregelanordnung absehen können.
1. Grundlage der auch bei Anordnungen gemäß § 66 Abs. 2 und 3 StGB vorausgesetzten Gefährlichkeitsprognose sind zunächst stets die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung. Maßgeblich ist demnach, ob von dem Straftäter nach seinem derzeitigen Persönlichkeitsbild zu erwarten ist, dass er nach Verbüßung der Strafe in Freiheit gesetzt neue Straftaten begehen wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Mai 1971 - 1 StR 40/71, BGHSt 24, 160, 164; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 66 Rn. 36 mwN).
Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und 3 Satz 1 und 2 StGB hat der Tatrichter im Rahmen der Ausübung des ihm danach zustehenden pflichtgemäßen Ermessens die Möglichkeit, sich ungeachtet der Feststellung der Gefährlichkeit zu diesem Zeitpunkt auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern (schon jetzt) erwartet werden kann, dass sich der Täter bereits diese hinreichend zur Warnung dienen lässt. Diese Erwartung muss stets auf konkreten Anhaltspunkten und hinreichenden Gründen beruhen. Eine nur denkbare, mögliche oder erhoffte und daher noch ungewisse (positive) Entwicklung der Persönlichkeit des Täters bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Strafvollzug bleibt bei der Prognose außer Betracht. Die Berücksichtigung einer solchen, zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht zu erwartenden Veränderung im Strafvollzug ist der Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB vorbehalten (vgl. BGH, Urteile vom 13. März 2007 - 5 StR 499/06, NStZ 2007, 401 und vom 4. November 2009 - 2 StR 347/09, NJW 2010, 1545).
2. Danach kann allein eine Weisung, die im Rahmen der nach der Strafvollstreckung eintretenden Führungsaufsicht erteilt wird, regelmäßig keine Erwartung einer Haltungsänderung in diesem Sinne begründen, sofern nicht zusätzliche andere Umstände von besonderem Gewicht hinzutreten. Vielmehr hat die Ausgestaltung der Führungsaufsicht in erster Linie Bedeutung für die Prüfung und Entscheidung gemäß § 67c Abs. 1 StGB. So ist es auch im vorliegenden Fall. Allein die Möglichkeit einer Weisung, den Aufenthalt des Angeklagten im Rahmen der Führungsaufsicht elektronisch festzustellen, könnte bei der gegebenen Sachlage (mehrfache Vorverurteilungen wegen Gewaltdelikten zu vollstreckten Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als elf Jahren) nicht schon bei der Urteilsfällung die erforderliche Erwartung hinreichend begründen, dass der Angeklagte nach (vollständiger) Verbüßung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe unter dem präventiven Einfluss dieser im Rahmen der Führungsaufsicht gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB nF möglichen Überwachungsmaßnahme keine neuen Straftaten begehen wird. Auch der Vortrag der Revision belegt eine solche Erwartung nicht. Vielmehr wird lediglich die Möglichkeit einer spezialpräventiven Einwirkung der Weisung auf den Angeklagten vorgetragen. Dem Rechtsmittel bleibt daher schon deshalb der Erfolg versagt.
Hinzu kommt, dass mehr als fraglich erscheint, ob diese Weisung im vorliegenden Fall überhaupt angeordnet werden könnte. Gemäß § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 StGB nF ist sie u.a. nur zulässig, wenn sie erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Abs. 4 Satz 2 StPO, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art abzuhalten. Gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB kann die verurteilte Person angewiesen werden , den Wohn- und Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen; nach Nr. 2 kann die Weisung erteilt werden, sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können. Angesichts der Feststellungen des Landgerichts zu den Umständen der hier abgeurteilten wie auch der vorangegangenen Straftaten des Angeklagten liegen diese Weisungen und damit eine spezialpräventive Wirkung der Aufenthaltsüberwachung auf den Angeklagten eher fern; denn deren Begehung war nicht mit dem Aufenthalt an bestimmten Orten verbunden und hätte ersichtlich auch nicht dadurch verhindert werden können, dass der Angeklagte seinen Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht hätte verlassen dürfen.
Die Frage, ob Weisungen und andere zukünftige Maßnahmen im Rahmen der Führungsaufsicht die Erwartung begründen könnten, dass der Angeklagte nach Verbüßung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe keine weiteren Straftaten begeht, ist daher hier bei der Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB zu beantworten.
Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts L. wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. §§ 114, 121 ZPO).

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Fortdauer der Unterbringung eines im Zeitpunkt der Anlasstat jugendlichen Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus bei geringen Behandlungsaussichten (§ 63, § 67d Abs. 2 StGB).

I.

2

1. Der 1977 geborene Beschwerdeführer wurde im November 1992 mit Urteil des Bezirksgerichts Leipzig wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch sowie wegen Mordes zum Nachteil eines achtjährigen Jungen zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

3

Nicht von der Verurteilung umfasst waren weitere Straftaten, die der Beschwerdeführer in strafunmündigem Alter begangen und im Zuge der Ermittlungen gestanden hatte. Hierbei handelte es sich um sexuellen Missbrauch und Mord an einem zehnjährigen Jungen sowie weitere sexuelle Missbräuche an Mädchen und Jungen im Alter von sieben bis zehn Jahren in mindestens fünf Fällen.

4

2. Das Landgericht Leipzig ordnete mit angegriffenem Beschluss vom 21. Dezember 2011 die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Zur Begründung führte das Landgericht aus, es schließe sich den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen an und gehe davon aus, dass nach wie vor ein eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB begründender Zustand gegeben sei, der bei fortbestehender Gefährlichkeit die Fortdauer der Unterbringung gebiete:

5

a) Die Sachverständigen gingen übereinstimmend von einer erheblichen Störung und nicht nur von einer Akzentuierung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers aus. Im Maßregelvollzug habe sich die Störung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers nicht grundlegend geändert. Seine Persönlichkeit sei nach wie vor geprägt von mangelnder affektiver Affizierbarkeit und kaum bis gar nicht vorhandener Empathie bei hohem Manipulationsbedürfnis und -vermögen, Egozentrik und narzisstischer Suche nach dem Gefühl eigener Größe und Macht.

6

b) Es sei nach wie vor von einer erheblichen Gefahr erneuter einschlägiger Straftaten durch den Beschwerdeführer auszugehen, weshalb eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung zur Bewährung nicht in Betracht komme. Selbst ein Wiedereinstieg in Vollzugslockerungen wäre mit einer nicht zu vernachlässigenden Gefahr erneuter einschlägiger Delikte verbunden.

7

Dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit sei auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor den Freiheitsinteressen des Beschwerdeführers eindeutig der Vorrang einzuräumen. Zwar befinde sich der Beschwerdeführer seit fast 20 Jahren und damit über die Hälfte seines Lebens im Maßregelvollzug. Auch könne die Fortdauerentscheidung zu einem noch Jahre andauernden Weitervollzug führen, da erst bei einem echten Therapiefortschritt, eventuell nach langfristiger Gabe triebdämpfender Mittel bei begleitender Therapie und ehrlicher Aufarbeitung der zugrundeliegenden Taten und Sexualität, wieder Lockerungen in Betracht kämen. Das Risiko, dass erneut Kinder sexuell missbraucht und möglicherweise getötet würden, sei jedoch zu hoch, als dass eine Entlassung in Betracht kommen könne.

8

c) Darüber hinaus scheide auch eine Erledigung der Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB aus, weil die Voraussetzungen der Maßregel nach wie vor vorlägen und die weitere Unterbringung aus den dargestellten Gründen verhältnismäßig sei. Ergänzend sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung nicht deshalb unverhältnismäßig sei, weil sie unbefristet angeordnet werde und damit insbesondere im Fall geringer Behandlungsaussicht einer - tatsächlich nicht angeordneten - Sicherungsverwahrung entspreche. Auch unter Beachtung fehlender grundsätzlicher Behandelbarkeit könne die Fortdauer der Unterbringung angeordnet werden.

9

3. Das Oberlandesgericht Dresden verwarf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 28. Februar 2012 "aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Entscheidung" als unbegründet.

II.

10

1. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer sieht sich durch § 63 und § 67d StGB in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Vor allem rügt er, § 63 und § 67d StGB missachteten Art. 37 Buchstabe a des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child) vom 20. November 1989 (BGBl 1992 II S. 121) [im Folgenden: Kinderrechtskonvention]. § 63 und § 67d StGB enthielten keine Einschränkungen bezüglich der Anwendbarkeit auf Kinder oder Jugendliche. In Fällen schwerster zur Einweisung in den Maßregelvollzug führender Verbrechen hätten die aktuellen gesetzlichen Regelungen daher die Wirkkraft eines potentiell lebenslangen Freiheitsentzuges für Kinder. Dies stelle eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 37 Buchstabe a der Kinderrechtskonvention dar.

11

Darüber hinaus verletzten § 63 und § 67d StGB das allgemeine Gleichbehandlungsgebot. Während in einer Entziehungsanstalt untergebrachte suchtkranke gefährliche Straftäter bei nicht sicher feststellbaren hinreichenden Behandlungsaussichten zwingend mit der Erledigterklärung der Maßregel rechnen könnten, verblieben die nach § 63 StGB untergebrachten Patienten bei gleicher Ausgangslage im psychiatrischen Maßregelvollzug. Die gesetzgeberische Differenzierung bezüglich des Erfordernisses von Behandlungsaussichten zwischen § 63 StGB und § 64 StGB lasse keine hinreichenden Gründe erkennen und erfolge damit willkürlich.

12

2. Der Beschwerdeführer sieht sich ferner durch die angegriffenen Beschlüsse in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzt. Es seien insbesondere - abgesehen von einer denktheoretischen Möglichkeit - keine konkreten Behandlungsaussichten vorhanden. Er werde die Einrichtung "nur noch im Sarg" verlassen können. Der Chefarzt selbst habe ihm gegenüber erklärt, eine Behandlung sei sinnlos und "bloße Augenwischerei".

III.

13

1. Der Generalbundesanwalt hat Stellung genommen und hält die Verfassungsbeschwerde für jedenfalls unbegründet. Die Bejahung der Verhältnismäßigkeit halte verfassungsrechtlicher Überprüfung stand. Ungünstigen Behandlungsaussichten sei bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung zu tragen. Dies habe das Landgericht getan. Da hier die Möglichkeit der Besserung bestehe, stelle sich die weitere Unterbringung nicht als faktische Vollziehung einer Sicherungsverwahrung dar.

14

2. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa hat von einer Stellungnahme abgesehen.

15

3. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht ebenso vorgelegen wie das Vollstreckungsheft.

IV.

16

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und ihre Annahme ist nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Grundrechte des Beschwerdeführers werden weder durch die angegriffenen Normen (1.) noch durch die auf deren Grundlage ergangenen Beschlüsse verletzt (2.).

17

1. § 63 und § 67d StGB sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie tragen der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG Rechnung (a) und verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (b).

18

a) Ein Verstoß der §§ 63, 67d StGB gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

19

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber im Blick auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten für die Vollstreckung der Maßregel nach § 63 StGB besondere Regelungen getroffen hat, die der Bedeutung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG grundsätzlich genügen (vgl. BVerfGE 70, 297 <307 f.>).

20

bb) Abweichendes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht für jugendliche Straftäter aus Art. 37 Buchstabe a Kinderrechtskonvention.

21

(1) Der Kinderrechtskonvention kommt aufgrund der Entscheidung des Bundesgesetzgebers vom 17. Februar 1992 (BGBl II S. 121) Gesetzesrang zu. Sie kann als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes herangezogen werden (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; 128, 282 <306>; 326 <368> m.w.N.). Dies verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Kinderrechtskonvention, sondern ein Aufnehmen ihrer Wertungen, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; 128, 326 <371 f.>).

22

(2) Die Wertungen der Kinderrechtskonvention stehen der Vereinbarkeit der §§ 63, 67d StGB mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nicht entgegen. Insbesondere wird Art. 37 Buchstabe a der Kinderrechtskonvention durch diese Vorschriften nicht verletzt.

23

Gemäß Art. 37 Buchstabe a der Kinderrechtskonvention darf kein Kind der Folter oder einer anderen grausamen, erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Für Straftaten, die von Personen vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres begangen worden sind, darf eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht ohne die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verhängt werden.

24

Diesen Anforderungen tragen § 63, § 67d StGB Rechnung. Zwar handelt es sich bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus um eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung, die grundsätzlich zeitlich nicht befristet ist. Aufgrund § 67d Abs. 2 und Abs. 6 StGB besteht aber die Möglichkeit der Aussetzung oder der Erledigungserklärung der weiteren Vollstreckung der Maßregel. Die zwingende Überprüfung einer Aussetzung oder Erledigung der Maßregel im Jahresabstand gemäß § 67d Abs. 2 StGB genügt dabei den Anforderungen, die derGeneral Comment No. 10 (2007) an die Verurteilung von Kindern zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe stellt (UN-Dok. CRC/C/GC/10, Rn. 77). Auch wenn es sich insoweit nicht um eine rechtlich verbindliche Auslegung der Kinderrechtskonvention handelt (vgl. Klein, General Comments: Zu einem eher unbekannten Instrument des Menschenrechtsschutzes, in: Festschrift für Rauschning, 2001, S. 301 <307>), bestätigt dies den Befund, dass die Regelungen der §§ 63, 67a StGB den Wertungen der Kinderrechtskonvention nicht widersprechen. Mit der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist gerade keine lebenslange Freiheitsentziehung ohne Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verbunden.

25

b) Auch ein Verstoß der §§ 63, 67d StGB gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

26

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz bindet in Gestalt der Rechtssetzungsgleichheit auch den Gesetzgeber selbst (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 32, 346 <360>; 42, 64 <72>; 98, 365 <385>; 116, 164 <180>; 121, 317 <369>). Er gebietet ihm, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 55, 72 <88 f.>; 65, 377 <384>; 82, 60 <86>; 87, 1 <36>; 92, 277 <318>; 95, 39 <45>; 96, 315 <325>; 100, 59 <90>; 102, 41 <54>; 104, 126 <144 f.>; 107, 133 <141>; 121, 317 <369>). Er ist verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die vom Gesetzgeber vorgenommene rechtliche Unterscheidung muss also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden (vgl. BVerfGE 87, 234 <255>).

27

bb) Hieran gemessen ist Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt, dass der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur angeordnet werden kann, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges besteht (§ 64 Satz 2, § 67d Abs. 5 StGB), während § 63 StGB für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine entsprechende Regelung nicht vorsieht. Diese rechtliche Unterscheidung findet in den vom Gesetzgeber mit den Maßregeln verfolgten Zwecken eine ausreichende Stütze.

28

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB zielt primär auf die Besserung des Untergebrachten ab. Sie setzt eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen zumindest zeitweiligen Therapieerfolg voraus. Für eine Ablösung des Sicherungsgedankens von der therapeutischen Funktion der Maßregel ist im Rahmen des § 64 StGB kein Raum. Der Schutz der Allgemeinheit soll durch eine Behandlung des Untergebrachten erreicht werden, die darauf abzielt, ihn von seinem Hang zu heilen oder für eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall zu bewahren (vgl. BVerfGE 91, 1 <28>).

29

(2) Demgegenüber dient die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB dem Schutz der Allgemeinheit vor Tätern, die rechtswidrige Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen haben und von denen die Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten infolge ihres Zustandes ausgeht. Dem Besserungszweck kann dabei zwar nicht jede Erheblichkeit abgesprochen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <318>), zumal auch der Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf das Ziel der Resozialisierung ausgerichtet und daher freiheits- und therapieorientiert ausgestaltet sein muss (vgl. BVerfGE 130, 372 <380>). Im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung kann aber die Besserung gegenüber den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit verblassen oder als Nebenzweck nachrangig sein (vgl. BVerfGE 70, 297 <316, 318>; BVerfGK 2, 55 <63>).

30

(3) Diese unterschiedliche Gestaltung der §§ 63, 64 StGB ist sachlich gerechtfertigt und verfassungsrechtlich daher nicht zu beanstanden. Sie resultiert aus der Pflicht des Staates, die Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern zu schützen (vgl. BVerfGE 130, 372 <389> m.w.N.). Diese Schutzpflicht rechtfertigt die unterschiedliche Gewichtung des Sicherungs- und Besserungszwecks in den genannten Vorschriften. Dem Resozialisierungsanspruch des Untergebrachten wird dabei neben der freiheits- und therapieorientierten Ausgestaltung des Vollzugs der jeweiligen Maßregel dadurch Rechnung getragen, dass von mehreren gleich geeigneten Maßregeln die am wenigsten belastende anzuordnen ist (§ 72 Abs. 1 Satz 2 StGB) und der Täter nachträglich in die für die Resozialisierung geeignetere Maßregel überwiesen werden kann (§ 67a StGB).

31

2. Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Leipzig vom 21. Dezember 2011 und des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Februar 2012 nicht in seinem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzt. Insbesondere tragen die Entscheidungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend Rechnung.

32

a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 29, 312 <316>; 35, 185 <190>; 45, 187 <223>; stRspr). Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Kollidiert der Freiheitsanspruch der Person mit der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem Erfordernis, die Allgemeinheit vor zu erwartenden Rechtsgutverletzungen zu schützen, sind beide Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 90, 145 <172>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372 f.>). Die verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriffstatbestände haben insoweit auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie nicht nur den Eingriff in ein grundrechtlich geschütztes Interesse erlauben, sondern zugleich die äußersten Grenzen zulässiger Grundrechtseinschränkungen bestimmen (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>; 75, 329 <341>; 126, 170 <195>; 130, 372 <391>).

33

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Er gebietet, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist. Er ist in die Prüfung der Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67 Abs. 2 StGB einzubeziehen (BVerfGE 70, 297<312>; BVerfGK 2, 55 <59>). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf daher nur fortgesetzt werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zum Grad der von ihm ausgehenden Gefahr nicht außer Verhältnis steht (BVerfGE 70, 297 <312>).

34

Die dem Richter auferlegte Prognose erfordert eine wertende Entscheidung. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Verurteilten ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen. Die Beurteilung hat sich demnach darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfGE 70, 297 <313>; BVerfGK 2, 55 <60>).

35

Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges sein. Das Freiheitsgrundrecht gewinnt wegen des sich verschärfenden Eingriffs immer stärkeres Gewicht für die Wertungsentscheidung des Strafvollstreckungsrichters. Die besondere Bedeutung, die dem Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkt hier zukommt, folgt bei lang andauernden Unterbringungen gemäß § 63 StGB nicht zuletzt daraus, dass der Gesetzgeber für diese Maßregel eine absolute zeitliche Höchstgrenze ihrer Vollstreckung nicht vorgesehen hat. Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 <315>; BVerfGK 2, 55 <61>).

36

Da es sich bei der Entscheidung über die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung um eine wertende Entscheidung handelt, die nach ausfüllungsbedürftigen Kriterien und unter Prognosegesichtspunkten fällt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen (vgl. BVerfGE 27, 211 <219>; 70, 297 <315>; BVerfGK 2, 55 <60>).

37

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen tragen die angegriffenen Beschlüsse im Ergebnis hinreichend Rechnung.

38

aa) Das Landgericht Leipzig hat in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2011, dem das Oberlandesgericht Dresden sich angeschlossen hat, sowohl das Fortbestehen einer Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers in Form einer schweren anderen seelischen Abartigkeit, als auch einer erheblichen Gefahr erneuter einschlägiger Taten bei einer Aussetzung der Unterbringung festgestellt. Es hat sich dabei ausführlich mit den Darlegungen der Sachverständigen und den teilweise abweichenden Ausführungen der Bezugstherapeuten des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und die spezifischen Besonderheiten des vorliegenden Falles berücksichtigt. Verfassungsrechtlich ist hiergegen nichts zu erinnern.

39

bb) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung verweist das Landgericht Leipzig sowohl auf die Tatsache, dass der 33-jährige Beschwerdeführer sich seit fast 20 Jahren und damit den Großteil seiner Jugend sowie sein gesamtes Erwachsenenleben im Maßregelvollzug befindet, als auch darauf, dass auf ihn im Zeitpunkt seiner Verurteilung noch Jugendstrafrecht anzuwenden war. Daneben stellt das Landgericht dar, dass die Fortdauerentscheidung für den Beschwerdeführer mit weiteren erheblichen Opfern verbunden sei, weil sie zu einem noch Jahre andauernden Weitervollzug der Unterbringung führen könne. Erst bei einem echten Therapiefortschritt, eventuell nach langfristiger, konsequenter und eng überwachter Gabe triebdämpfender Mittel bei begleitender Therapie und ehrlicher Aufarbeitung der zugrundeliegenden Taten komme die Gewährung von Lockerungen in Betracht.

40

Trotzdem erachtet das Landgericht die Fortdauer der Unterbringung auch ohne in absehbarer Zeit realisierbare Entlassung als verhältnismäßig. Zu beachten sei, dass der Beschwerdeführer infolge seiner Störung bereits im Alter von 13 Jahren ein weiteres Kind nach vorangegangenem sexuellem Missbrauch getötet und mehrere sexuelle Missbrauchstaten begangen hat. Unter Berücksichtigung der Ausführungen aller Sachverständigen bestehe die Gefahr weiterer, sehr schwerer gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern oder das Leben gerichteter Gewalttaten. Das Risiko, dass Kinder erneut sexuell missbraucht und möglicherweise getötet würden, sei zu hoch, als dass eine Entlassung des Beschwerdeführers in Betracht kommen könnte. Daher sei dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit vor den Freiheitsinteressen des Beschwerdeführers der Vorrang einzuräumen.

41

Damit genügt die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Landgerichts im Ergebnis den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es hat das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers gegen die Sicherheitsbelange der Allgemeinheit in nachvollziehbarer Weise abgewogen und dabei die lange Dauer der Unterbringung und das Alter des Beschwerdeführers in Rechnung gestellt. Wenn das Gericht gleichwohl angesichts der Gefahr schwerster Straftaten gegen das Leben und die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern davon ausgeht, dass eine Entlassung des Beschwerdeführers in die Freiheit nicht zu verantworten sei, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landgericht - gestützt auf die Feststellungen der Sachverständigen - davon ausgeht, dass es für den Beschwerdeführer weitere Behandlungsmöglichkeiten gibt, wenngleich deren Erfolgsaussichten als gering angesehen werden. Damit trägt das Gericht dem Umstand Rechnung, dass aus Sicht der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Besserungsgesichtspunkt nicht jede Erheblichkeit abgesprochen werden kann (vgl. BVerfGE 70, 297 <318>) und der Staat im Rahmen der Ausgestaltung des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßregel geeignete Konzepte bereitzustellen hat, um die Gefährlichkeit des Untergebrachten für die Allgemeinheit nach Möglichkeit zu beseitigen und ihn auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten (vgl. BVerfGE 130, 372 <391>). Soweit Möglichkeiten der Behandlung des Untergebrachten verbleiben, tragen diese auch bei geringen Erfolgsaussichten zur Verhältnismäßigkeit der Fortdauer einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei.

42

cc) Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die "lediglich ergänzenden" Hinweise des Landgerichts Leipzig in dem Beschluss vom 21. Dezember 2011, auch bei geringer oder fehlender Behandelbarkeit sei die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB nicht unverhältnismäßig, selbst wenn sie sich als eine - tatsächlich nicht angeordnete - Sicherungsverwahrung darstelle, verfassungsrechtlicher Überprüfung standhalten.

43

Insoweit ist zu beachten, dass die Sicherungsverwahrung und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die grundsätzlich nebeneinander angeordnet werden können, voneinander zu unterscheiden sind. Sie stehen nicht in einem Stufenverhältnis zueinander, sondern unterscheiden sich qualitativ. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist kein geringeres, sondern ein anderes Übel (vgl. BVerfGK 2, 55 <63>). Ob daher auch bei Fehlen jeglicher Behandlungsmöglichkeit die Fortdauer einer Unterbringung gemäß § 63 StGB verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, bedürfte gesonderter Betrachtung.

44

Vorliegend kann diese Frage aber offen bleiben, da angesichts der sachverständig dargestellten und in Bezug genommenen Möglichkeiten der Behandlung des Beschwerdeführers die Feststellung des Landgerichts Leipzig, die Fortdauer der Unterbringung verstoße nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

V.

45

1. Da die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung des Rechtsanwalts L nicht in Betracht, §§ 114, 121 ZPO.

46

2. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

47

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

48

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 453/12
vom
18. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 22. Juni 2012 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben.
3
2. Hingegen hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt keinen Bestand.
4
Nach § 64 Satz 2 StGB ergeht die Unterbringungsanordnung nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Diese konkrete Erfolgsaussicht, die insbesondere von der Persönlichkeit des Täters, der Art und dem Stadium seiner Sucht sowie von bereits eingetretenen physischen und psychischen Veränderungen und Schädigungen abhängt (LK-Schöch, StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 137), ist in den Urteilsgründen nicht rechtsfehlerfrei belegt. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte seit Jahrzehnten schwer alkoholabhängig, trägt mit Spider Naevi, Palmarerythem und Polyneuropathie bereits äußerlich erkennbare Zeichen der Alkoholkrankheit und leidet seit Jahren allmorgendlich unter Entzugserscheinungen. Die hinreichende Erfolgsaussicht hat das Landgericht allein darauf gestützt, dass der Angeklagte im Jahre 1993 im Anschluss an eine - allerdings vorzeitig abgebrochene - Entwöhnungsbehandlung etwa ein Jahr alkoholabstinent lebte. Angesichts der Tatsache, dass diese nur kurzfristig erfolgreiche Maßnahme bereits annährend zwei Jahrzehnte zurückliegt, der Angeklagte nach seinem Rückfall durchgängig Alkohol konsumiert hat und mehrere Entgiftungsbehandlungen - zuletzt im Jahre 2002 - ohne nachhaltigen Erfolg geblieben sind, erweist sich die Einschätzung des Landgerichts als nicht tragfähig (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 2 StR 288/09); über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist daher erneut zu befinden. Mutzbauer Roggenbuck Cierniak Bender Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 277/11
vom
13. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag -
am 13. September 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 18. April 2011 aufgehoben,
a) soweit die Einziehung einer Snaptüte mit circa einem Gramm Marihuana angeordnet worden ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
Im Umfang der Aufhebung unter 1. b) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Raubes, jeweils in Tateinheit mit Überlassen von Betäubungsmitteln zum un- mittelbaren Verbrauch an eine Minderjährige, wegen Diebstahls und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat es bei dem Angeklagten sichergestellte Betäubungsmittel, circa ein Gramm Marihuana in einer Snaptüte und weitere 5,35 Gramm Marihuana, eingezogen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zur Entscheidung des Landgerichts über die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel ausgeführt: "Bedenken bestehen gegen die Einziehung des Rauschgifts, soweit es die in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte Snaptüte mit circa einem Gramm Marihuana betrifft. Die Einziehung kann insoweit nicht auf § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG gestützt werden. Voraussetzung der Einziehung nach dieser Vorschrift ist, dass die Betäubungsmittel Gegenstand der von der Anklage umschriebenen und vom Gericht festgestellten Tat sind (vgl. BGH NStZ 2002, [438, 439]; [BGH, Beschluss vom 6. April 2000 - 1 StR 59/00, juris Rn. 10, insoweit nicht abgedruckt in] StV 2000, 613 [f.]; Körner BtMG 6. Aufl. § 33 Rdn. 12). Dies trifft für die am 5. Oktober 2010, also zwei Tage nach den Taten, wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte Rauschgiftmenge von etwa ein[em] Gramm Marihuana jedoch nicht zu; vielmehr hatte bereits die Staatsanwaltschaft mit Abschlussverfügung vom 29. Dezember 2010 (Bd. I Bl. 168 d.A.) die Tat hinsichtlich des in der Wohnung des Angeklagten gefundenen Rauschgifts im Hinblick auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe gemäß § 154 StPO eingestellt."
3
Dem schließt sich der Senat an. Da der Ausspruch über die Einziehung insoweit nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben ist, entschei- det der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst dahin, dass die Anordnung der Einziehung in dem unter 1. a) der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entfällt.
4
2. Das Urteil hat weiter keinen Bestand, soweit das Landgericht die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat. Die Begründung, mit der das Landgericht einen Hang des Angeklagten , Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, einen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und den Anlasstaten sowie die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Behandlung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt verneint hat, vermag die Ablehnung der Maßregelanordnung nicht zu tragen.
5
a) Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts ist der Angeklagte von Cannabis und Amphetaminen psychisch abhängig, so dass bei ihm entgegen der Annahme des Landgerichts ein Hang zu einem übermäßigen Genuss berauschender Mittel im Sinne des § 64 Satz 1 StGB besteht. Ein Hang im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur im Falle einer chronischen , auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit zu bejahen. Vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07, juris Rn. 8; Beschluss vom 4. April 1995 - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5). Eine solche Disposition des Angeklagten ist nach den Feststellungen des Landgerichts gegeben.
6
b) Bei seiner Entscheidung ist das Landgericht von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstaten ausgegangen.
7
Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5).
8
So liegt es hier. Das Landgericht hat die aggressive Stimmung des bereits vor seiner Ankunft bei der Geschädigten unter Betäubungsmitteleinfluss stehenden Angeklagten bei Begehung der Anlasstaten, während derer der Angeklagte weitere Betäubungsmittel konsumierte, ausdrücklich auf die Kombination der von ihm genossenen Rauschmittel zurückgeführt. Soweit es im Zusammenhang mit der Prüfung einer Maßregelanordnung ausgeführt hat, "für die Gewalttätigkeiten des Angeklagten sei der Drogenkonsum nicht symptomatisch" , steht diese Behauptung in Widerspruch zu den übrigen Feststellungen und trägt die Ablehnung einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht. Dass außer dem Hang weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen, steht dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1996 - 2 StR 470/96, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1).
9
c) Schließlich durfte das Landgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen nicht von der Anordnung nach § 64 StGB mit dem Hinweis absehen, eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt biete keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Die Wertung des Landgerichts, der Genuss von Betäubungsmitteln sei "nur eine Begleiterscheinung des kriminellen Lebenswandels", lässt sich mit den Feststellungen zu den Anlasstaten nicht in Einklang bringen. Sie widerspricht auch den Mitteilungen des Landgerichts über Vorverurteilungen des Angeklagten, denen wiederholt rechtswidrige Taten zur Finanzierung des Betäubungsmittelkonsums des Angeklagten zugrunde lagen.
10
Im Übrigen stehen, was hier nicht festgestellt ist, für die Begehung von Straftaten mitursächliche Persönlichkeitsmängel der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB nur dann entgegen, wenn die Unterbringung ausschließlich der Besserung des Angeklagten dient, also sich nicht gleichzeitig günstig auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit auswirkt, und wenn bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung das Ausmaß seiner Gefährlichkeit nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden Straftaten nicht deutlich herabgesetzt wird (BGH, Beschluss vom 22. September 1999 - 3 StR 393/99, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 2; Beschluss vom 6. August 2002 - 4 StR 230/02, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 4). Der Erwartung, der Angeklagte werde außerhalb des Vollzugs (überhaupt) keine rechtswidrigen Taten mehr begehen, bedarf es nicht (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 3 StR 195/05, NStZ-RR 2005, 304, 305).
11
3. Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb (wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, § 246a StPO) neu verhandelt und entschieden werden; es werden hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2007 - 4 StR 499/07, NStZ-RR 2008, 74). Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen.
12
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen erkannt oder eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
Becker Pfister Schäfer RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Menges

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 223/12
vom
17. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Juli 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21. Februar 2012 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von einem Jahr der Freiheitsstrafe angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten wendet sich allein gegen die Anordnung der Dauer des Vorwegvollzugs. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs insgesamt.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestehen bei dem Angeklagten eine langjährige multiple Substanzabhängigkeit mit im Vordergrund stehendem Cannabis-, Amphetamin- und Kokainkonsum sowie eine dissoziale Persönlichkeitsfehlentwicklung, möglicherweise sogar eine dissoziale Persön- lichkeitsstörung. Er konsumierte phasenweise täglich Cannabinoide, Amphetamine , gelegentlich Ecstasy und - wenn er ausreichend Geld zum Erwerb hatte - auch Kokain. Nach der letzten Haftentlassung im Jahr 2010 lebte er drei Monate lang abstinent, danach wurde er rückfällig. Der Drogenkonsum ist möglicherweise Ausdruck seiner dissozialen Persönlichkeitsfehlentwicklung. Eine Langzeittherapie nach § 35 BtMG hat der Angeklagte abgebrochen, aus einer weiteren ist er von der Einrichtung disziplinarisch entlassen worden. Er hat wegen seiner Persönlichkeitsfehlentwicklung oder Persönlichkeitsstörung erhebliche Probleme, im offenen Rahmen einer normalen Therapieeinrichtung eine Drogentherapie konstruktiv wahrzunehmen. Allerdings kann er seine Verhaltensauffälligkeiten willentlich steuern und hat Krankheits- und Behandlungseinsicht geäußert. Das Landgericht hat deshalb die Erfolgsaussicht der Maßregel bejaht. Entgegen der Auffassung des von ihm gehörten Sachverständigen, der wegen des bereits lange Zeit andauernden Betäubungsmittelmissbrauchs von einer längeren Therapiedauer von bis zu drei Jahren ausgegangen ist, hat das Landgericht eine Therapiedauer von zwei Jahren prognostiziert. Eine längere Therapiedauer sei nach dem Willen des Gesetzgebers nicht vorgesehen. Danach sei - entgegen der Formulierung im Urteilstenor - ein Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der Freiheitsstrafe anzuordnen.
3
2. Die grundsätzlich mögliche Beschränkung der Revision auf die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48, 49). Die Rechtswirksamkeit einer Beschränkung setzt voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Das ist hier nicht der Fall.
4
Die Dauer des Vorwegvollzugs hängt gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 StGB von der Höhe der verhängten Strafe und der voraussichtlichen Dauer der Unterbringung gemäß § 64 StGB ab. Für letztere ist derjenige Zeitraum maßgebend, der bei prognostischer Beurteilung erforderlich erscheint, um einen Behandlungserfolg zu erzielen. Die Festlegung einer angemessenen Dauer der Unterbringung setzt deshalb voraus, dass die Maßregel als solche überhaupt Aussicht auf Erfolg bietet. Ist dies bereits dem Grunde nach nicht der Fall oder zweifelhaft, lässt sich kein angemessener Zeitraum für die Therapie bemessen.
5
3. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als solche begegnet hier durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie setzt nach § 64 Satz 2 StGB voraus, dass eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
6
Das Urteil teilt keine tragfähigen Gründe dafür mit, dass eine (nur) zweijährige Therapie bei dem Angeklagten erfolgversprechend ist. Der vom Landgericht zutreffend erkannte Umstand, dass nach § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB die Unterbringung nicht länger als zwei Jahre dauern darf (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12), reicht als Begründung für einen zu erwartenden Behandlungserfolg bei dem Angeklagten in diesem Zeitraum nicht aus. Dies gilt hier umso mehr, als möglicherweise der Drogenkonsum nur Ausdruck der dissozialen Persönlichkeitsfehlentwicklung des Angeklagten ist, was einen Heilungserfolg insgesamt oder jedenfalls innerhalb von zwei Jahren in Frage stellen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 2 StR 209/09; Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11 Rn. 24; Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12 Rn. 7). Bei einer Therapiedauer von drei Jahren, wie sie der gehörte Sachverständige prognostiziert hat, fehlt es aber an der notwendigen konkreten Erfolgsaussicht (BGH, Urteil vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09 Rn. 10 ff., NStZ-RR 2011, 5, 6 f.; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10 Rn. 10; Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12 Rn. 3).
7
4. Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist deshalb erneut zu befinden. Der neue Tatrichter wird insbesondere Gelegenheit haben, neue Feststellungen zu der voraussichtlich notwendigen Therapiedauer zu treffen.
8
Da das Verfahren sich nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267).
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 455/11
vom
25. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 10. März 2011, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
3
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte einer gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (gemeinschaftlich mit einem anderen Beteiligten begangen) schuldig ist. Dagegen wird seine Annahme, dass der Angeklagte auch eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begangen hat, von den Feststellungen nicht getragen.
4
a) Eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung liegt vor, wenn das als Körperverletzung zu beurteilende Verhalten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls generell geeignet war, das Leben des Opfers zu gefährden. Nicht erforderlich ist es, dass das Opfer auch tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 575/09, NStZ-RR 2010, 176; Urteil vom 4. September 1996 – 2 StR 320/96, NStZ-RR 1997, 67 m.w.N.).
5
Nach den Feststellungen zwang der Angeklagte an einem Septemberabend den mit Jeans, Pullover und Schuhen bekleideten 21jährigen Geschädigten in die Elbe zu steigen und sich stromabwärts treiben zu lassen. Der Geschädigte war ein guter Schwimmer, ortskundig und trotz der vorhandenen Dunkelheit räumlich orientiert. Nach etwa 700 m vermochte er an einem Buhnenkopf aus dem Wasser zu steigen und zeitnah ärztliche Hilfe zu erlangen. Er erlitt eine leichte Unterkühlung (Untertemperatur von einem Grad Celsius) und wurde über Nacht im Krankenhaus mit vorgewärmten Infusionen versorgt. Die Elbe hatte zum fraglichen Zeitpunkt eine Temperatur von 15 Grad Celsius, einen Pegelstand von 92 cm über Pegel – was Niedrigwasser entspricht – und eine Fließgeschwindigkeit von 0,81 m/s. Strudelbildungen gab es in dem betreffenden Flussabschnitt nicht. Zur Wassertiefe und zum Schiffsverkehr hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
6
Daraus ergibt sich nicht, dass der von dem Angeklagten erzwungene und auf Grund der eingetretenen Unterkühlung als Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zu beurteilende Aufenthalt des Geschädigten in der Elbe unter Bedingungen erfolgt ist, die dessen Leben zumindest abstrakt in Gefahr gebracht haben. Das Wasser war mit 15 Grad Celsius noch nicht so kalt, dass eine tödliche Unterkühlung zu befürchten war (vgl. LG Saarbrücken, NStZ 1983, 414). Auch Umstände, die geeignet waren, den Geschädigten in die Gefahr des Ertrinkens zu bringen, sind nicht festgestellt. In dem gleichmäßig und eher langsam fließenden Wasser war eine körperliche Überforderung des Geschädigten nicht zu befürchten. Allein aus dem Umstand, dass der Geschädigte beim Schwimmen wegen der mit Wasser vollgesogenen Kleidung mehr Kraft als erwartet aufwenden musste, kann noch keine abstrakte Lebensgefährdung abgeleitet werden. Als sich der Geschädigte ins Wasser sinken ließ und zu schwimmen begann, konnte er noch gefahrlos stehen. Panikreaktionen oder ein Orientierungsverlust waren mit Rücksicht auf die Ortskunde des Geschädigten und sein beherrschtes Reagieren offenkundig nicht zu befürchten. Andere in der konkreten Situation angelegte, aber letztlich nicht wirksam gewordene Gefahrenquellen (vgl. RG Urteil vom 8. April 1884 – II. StrafS 783/84, RGR 6, 282) sind nicht erkennbar.
7
b) Der Bestand des Schuldspruchs wird durch die rechtsfehlerhafte Bejahung einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht in Frage gestellt. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft nur den Schuldumfang und damit den Strafausspruch (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1999 – 2 StR 58/99; KK-StPO/Kuckein, 6. Aufl., § 353 Rn. 13 m.w.N.). Zwischen den Feststellungen zu der den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung tragenden gemeinschaftlichen Begehungsweise nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und den Feststellungen zu einer möglichen das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB besteht auch kein innerer Zusammenhang, der eine nochmalige tatrichterliche Entscheidung über den Schuldspruch erforderlich machen würde. Beide Fragen betreffen voneinander abgrenzbare Ausschnitte des Gesamtgeschehens und können daher getrennt beantwortet werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1995 – 1 StR 393/95, BGHSt 41, 222, 223 f.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 7).
8
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Obgleich das Landgericht bei der Strafzumessung nicht ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten darauf abgehoben hat, dass zwei Tatbestände des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht worden sind, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafe bei einem reduzierten Schuldumfang auch niedriger bemessen worden wäre. Der neue Tatrichter wird daher - gegebenenfalls auf der Grundlage ergänzender Feststellungen - über die Gefährlichkeit der Körperverletzung und die danach schuldangemessene Strafe neu zu befinden haben.
9
3. Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB leidet an einem durchgreifenden Rechtsfehler.
10
Das Landgericht hat die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise dargelegt. Schließt sich der Tatrichter bei der Begründung einer Maßregelanordnung den Ausführungen des zu dieser Frage gehörten Sachverständigen ohne zusätzliche eigene Erwägungen an, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 – 5 StR 123/10). Hieran fehlt es.
11
Die Urteilsgründe enthalten – bis auf die Erwähnung eines stationären Psychiatrieaufenthaltes im Jahre 2005, bei dem u.a. die Diagnose einer Polytoxikomanie vom Prägnanztyp eines Abhängigkeitssyndroms gestellt wurde – keine Feststellungen zum Drogen- und Alkoholkonsum des Angeklagten, sodass nicht nachvollzogen werden kann, aufgrund welcher Tatsachen der Sachverständige auf einen Hang, alkoholische Getränke und andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, geschlossen hat. Ebenso fehlt eine Darstellung der tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Bejahung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und der Tat; insbesondere bleibt unerörtert, ob Alkohol oder Drogen bei den zur Aburteilung gelangten früheren Straftaten des Angeklagten eine Rolle gespielt haben.
12
Schließlich wird auch die vom Sachverständigen angenommene Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) nicht durch Tatsachen belegt. Angesichts des Umstandes , dass sich das bei dem Angeklagten diagnostizierte Abhängigkeitssyndrom (ICD 10: F 19.2) erst auf der Basis einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61.0) entwickelt hat, die durch eine latente Aggressionsbereitschaft , psychosoziale Desintegration und eine zunehmende dissoziale Entwicklung gekennzeichnet ist (UA 27), wären hierzu eingehende Ausführungen erforderlich gewesen (vgl. Schalast in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd. 3 S. 341).
13
4. Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, weist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Quentin

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 573/12
vom
14. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 26. Juli 2012 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision gegen den gesamten Maßregelausspruch und rügt dabei insbesondere, dass die (vorbehaltene) Anordnung der Sicherungsverwahrung unterblieben ist. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. a) Am 30. November 2011 abends begab sich der „leicht“ angetrunkene und enthemmte Angeklagte zur Wohnung der H. , weil er - irrtümlich - davon ausging, dort wegen einer Geldangelegenheit einen Freund antreffen zu können. Als H. den Angeklagten nicht in die Wohnung ließ und ihm mitteilte, der Freund des Angeklagten wohne nicht mehr bei ihr, geriet der An- geklagte in Zorn. „Um seinem Ärger Luft zu machen, schrie er H. durchdie Wohnungstür zu: ‚Ich brech‘ dir alle Knochen und fick‘ dich!‘ … Von der Haus- tür aus schrie er H. hinter der Wohnungstür noch zu: ‚Ich fick‘ dich, du Schlampe! Ich bring‘ dich um!‘“ (UA S. 15; Fall 1 der Urteilsgründe).
4
b) Ende November 2011 geriet der Angeklagte, der „bereits erhebliche Mengen an alkoholischen Getränken zu sich genommen“ hatte, wodurch er „leicht angetrunken und enthemmt“ war (UAS. 16), mit seiner Lebensgefährtin S. , der Nebenklägerin, in einen Streit. Die seit einigen Monaten bestehende Beziehung zwischen dem Angeklagten und der etwas älteren, anderwei- tig verheirateten Nebenklägerin, war „mehr und mehr von gegenseitiger Eifer- sucht geprägt“ (UA S. 16); die Nebenklägerin zweifelte an seiner Liebe zu ihr. Der Angeklagte schlug sie anlässlich des Streites mit der Faust ins Gesicht, wodurch sie erhebliche Schmerzen erlitt. Außerdem lockerte sich der linke obere Schneidezahn (Fall 2 der Urteilsgründe). Im Anschluss versöhnten sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wieder miteinander und führten ihre Beziehung fort.
5
c) In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2012 überkam dem leicht angetrunkenen und enthemmten Angeklagten „ein sexuelles Verlangen. Er ent- kleidete sich und forderte S. auf, ihm ‚einen runterzuholen‘. Daraufhin ergriff sie seinen Penis mit der Hand und massierte ihn. Als der Angeklagte auf diese Weise nicht zum Samenerguss kam, schlug er S. mit der flachen Hand ins Gesicht und forderte sie dazu auf, ihn mit dem Mund zu befriedigen. Dabei war ihm bewusst, dass S. den Oralverkehr grundsätzlich ablehnte“ (UA S. 17).
6
Als S. seiner Aufforderung nicht nachkam und der Angeklagte erkannte , dass sie - wie immer - nicht dazu bereit war, ihn mit dem Mund zu be- friedigen, fasste der Angeklagte die Nebenklägerin „an den Haaren und zog so ihren Kopf wissentlich und willentlich vor seinen erigierten Penis“ (UA S. 17). S. erlitt erhebliche Schmerzen. Außerdem war sie durch das Auftreten des Angeklagten „so nachhaltig beeindruckt, dass sie sich aus Angst vor weiteren Gewaltausbrüchen des Angeklagten“ jeden Gedanken an Gegenwehr auf- gab und mit ihm den ungeschützten Oral- und Analverkehr ausübte; den Analverkehr brach der Angeklagte nach kurzer Zeit ab, ohne zum Samenerguss gekommen zu sein (Fall 3 der Urteilsgründe).
7
d) Nachdem der Angeklagte am folgenden Morgen alkoholische Getränke zu sich genommen hatte, begab er sich zu S. ins Schlafzimmer, „weil ihn erneut ein sexuelles Verlangen ergriffen hatte“ (UA S. 19). Er unterwarf die Nebenklägerin seinem Willen, indem er sich eine Gabel an den eigenen Hals hielt und ihr zu verstehen gab, er werde sie auf diese Weise stechen, wenn sie nicht ruhig wäre. Außerdem hielt er ihr eine 2,5 kg schwere Hantelscheibe vor und bedeutete ihr, er werde ihr damit erhebliche Schmerzen zufügen, wenn sie ihm nicht gehorche. Nachdem die Nebenklägerin erneut jeden Gedanken an Gegenwehr aufgegeben hatte, ließ der Angeklagte seinen Penis von ihr manuell stimulieren und übte mit ihr den ungeschützten Oralverkehr aus, um sich gegen ihren Willen sexuell zu befriedigen. Um die Nebenklägerin „fortwährend in Angst zu halten“ (UA S. 19), schlug der Angeklagte sie während des Sexual- verkehrs mit der flachen Hand ins Gesicht, wodurch sie - wie vom Angeklagten beabsichtigt - erhebliche Schmerzen erlitt. Der Angeklagte brach den Oralverkehr nach kurzer Zeit ab, ohne zum Samenerguss gekommen zu sein (Fall 4 der Urteilsgründe). Der Angeklagte hielt der Nebenklägerin sodann die Gabel erneut vor und forderte sie auf, „keinen falschen Ton“ von sich zu geben, ande- renfalls „sie nie mehr aus dem Schlafzimmer“ herauskommen werde.
8
e) Der Nebenklägerin gelang es im weiteren Verlauf, die Polizei über eine Passantin herbeizurufen. Als der Angeklagte sah, dass drei Beamte der Schutzpolizei mit ihm sprechen wollten, zeigte er sich mit der Nebenklägerin in einem Fenster, hielt eine Hantelscheibe hoch, forderte die Polizei zum Gehen auf und erklärte, anderenfalls werde er S. töten. Als die Polizeibeamten sich nicht entfernten, sondern vor Ort blieben, um den Angeklagten festzunehmen bzw. S. aus der Wohnung zu „entfernen“, fasste der Angeklagte den Entschluss, „die Polizeibeamten mit Gegenständen zu bewerfen, um sie aus Sorge, getroffen zu werden, zur Aufgabe ihres Vorhabens zu bewegen“ (UA S. 20). Der Angeklagte warf eine 2,5 kg schwere Hantelscheibe aus dem Fens- ter in Richtung der Polizeibeamten; die Hantelscheibe verfehlte ihr Ziel „knapp“ und zerbrach auf dem Pflaster. In der Folge warf der Angeklagte noch zwei weitere Hantelscheiben, ein schwarzes Klappmesser sowie ein Mobiltelefon aus verschiedenen Fenstern (Fall 5 der Urteilsgründe).
9
f) Gegen Mittag desselben Tages überkam dem Angeklagten „erneut ein sexuelles Verlangen“ (UA S. 21). Er forderte die Nebenklägerin auf, mit ihm den Geschlechtsverkehr auszuüben, wobei ihm bewusst war, dass sie hierzu nicht bereit war. Er ging aber davon aus, S. würde ihm angesichts der von ihm erlittenen und der gegenüber der Polizei gezeigten Gewalt vollständig gehorchen. Tatsächlich unterwarf sich S. aus Angst erneut seinem Willen. Der Angeklagte penetrierte sie sodann vaginal, um sich gegen ihren Willen sexuell zu befriedigen. Ohne zum Samenerguss gekommen zu sein, brach er den Geschlechtsverkehr nach kurzer Zeit ab (Fall 6 der Urteilsgründe).
10
2. Eine verminderte Schuldfähigkeit des - in hohem Maße alkoholgewöhnten - Angeklagten hat das Landgericht bei allen Taten geprüft und nach sachverständiger Beratung verneint.
11
3. Die Strafkammer hat - ebenfalls sachverständig beraten - die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB für gegeben erachtet. Insbesondere bestünde die Gefahr, dass der - bereits im Jahr 2001 wegen sexueller Nötigung zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe vorverurteilte - Angeklagte, „auch wenn (er) nicht für die Allgemeinheit gefährlich ist, … überhaupt suchtbedingte und erhebliche rechtswidrige Taten begeht“ (UA S. 31). Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB liege ebenfalls vor: Wenn der Angeklagte die Therapie erfolgreich durchführe, bestehe die „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass suchtbedingte Aggressionstaten nicht mehr aufträten.
12
Die (vorbehaltene) Anordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht mit der Erwägung abgelehnt, dass „der Zweck dieser Maßregeln, die Gefahr weiterer rechtswidriger Taten durch den Angeklagten abzuwenden, … durch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bereits für sich alleine erreicht werden (konnte); diese Maßregel beschwerte den Angeklagten zudem im Vergleich zu den anderen am wenigsten“ (UA S. 33).

II.

13
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den gesamten Maßregelausspruch ist wirksam.
14
Die unterbliebene Anordnung der Maßregel nach § 66 StGB bzw. § 66a StGB kann nicht getrennt von derjenigen nach § 64 StGB geprüft werden. Nach den Gründen des angefochtenen Urteils stand schon die vom Landgericht angenommene „hohe Wahrscheinlichkeit“ des Therapieerfolges der Unterbringung nach § 64 StGB der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten entgegen. Die Revision erfasst deshalb den gesamten Maßregelausspruch (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442).
15
Eine Abhängigkeit der Strafhöhe vom Maßregelausspruch ist hier zu verneinen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Februar 1994 - 3 StR 679/93, BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1; BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 - 2 StR 509/09, NStZ-RR 2010, 238).
16
2. Die Begründung, mit der das Landgericht mit Blick auf die von ihm verhängte Maßregel nach § 64 StGB von der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
17
a) Das Landgericht stellt schon nicht ausreichend fest, ob die Voraussetzungen der §§ 66, 66a StGB - mit Blick auf die Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326, 404 ff.) - vorliegen. Insbesondere ist der Tatrichter gehalten , eingehend das Vorliegen einer hohen Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte ohne die Maßregel zu prognostizieren (BGH, Urteil vom 13. März 2013 - 2 StR 392/12 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 5 StR 620/12 zu § 66a StGB). Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es dabei auf das Ergebnis einer Gesamtwürdi- gung des Täters und seiner Taten an (vgl. nur Fischer, StGB, 60. Aufl., § 66 Rn. 37 m. zahlr. Nachw.). Zu alldem verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
18
b) Die Begründung, von der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung könne jedenfalls deswegen abgesehen werden, weil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bereits ausreichend sei, ist - unbeschadet der unter lit. a) dargelegten Auslassungen - zudem lückenhaft.
19
aa) Allerdings ist der rechtliche Ausgangspunkt der landgerichtlichen Entscheidung nicht zu beanstanden. Liegen die Voraussetzungen sowohl des § 66 StGB (bzw. § 66a StGB) als auch des § 64 StGB vor, erfordert das - freilich nur ausnahmsweise (vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 4 StR 443/05, NStZ-RR 2006, 104, 105) - Absehen von der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit in dem Sinne, dass mit der alleinigen Unterbringung gemäß § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (vgl. auch Senatsurteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; BGH, Urteil vom 9. November 2006 - 3 StR 360/06, NStZ 2007, 328; BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336 f.; BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442 f.; BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11). Dabei setzt die gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB vorzunehmende Prognose eine umfassende Gesamtwürdigung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336, 337; BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442, 443).
20
bb) Diesen Anforderungen genügt die landgerichtliche Entscheidung nicht.
21
(1) Der Sachverständige, dem die Strafkammer gefolgt ist, ging von einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ aus, dass bei einer erfolgreich durchgeführten Therapie suchtbedingte Aggressionstaten nicht mehr aufträten. „Entscheidend sei, dass die Geschädigte S. kein zufälliges Opfer darstelle, sondern aufgrund der Liebesbeziehung zum Angeklagten eine hochspezifische TäterOpfer -Beziehung vorliege. Die sexuelle Nötigung im Jahre 2000 sei insofern nicht vergleichbar. … Aus der Biographie des Angeklagten ergebe sich gerade kein Hinweis darauf, dass sexuelle Übergriffe mit regelmäßiger Wahrscheinlich- keit aufträten. … Die vorliegenden Vergewaltigungenseien eher Ausdruck der besonderen Situation in der Beziehung zur Geschädigten S. nach dem Zusammenzug in eine gemeinsame Wohnung und wechselseitigen Eifersuchtsanfällen“ (UA S. 31 f.).
22
(2) Bei dieser Bewertung, wonach neben dem Alkoholismus allein die pathologische Beziehungsgestaltung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin Ursache der Straftaten gewesen sei, lässt das Landgericht schon die zum Fall 1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen zum Nachteil der Zeugin H. außer Betracht. Ausführungen dazu, wie es mit den von der Strafkammer übernommenen Erwägungen des Sachverständigen zu vereinbaren ist, dass der Angeklagte der Zeugin aus Zorn ankündigte, sie zu vergewaltigen und zu töten, fehlen.
23
Entsprechendes gilt für die zum Tatgeschehen am 23. und 24. Februar 2012 getroffenen weiteren tatsächlichen Feststellungen. Im Rahmen der Prognoseentscheidung bleibt unerörtert, dass der Angeklagte die Nebenklägerin innerhalb von zwölf Stunden insgesamt drei Mal vergewaltigt hat und die allein zur Durchführung der Vergewaltigung erfolgte Gewaltanwendung - anders als die Körperverletzungshandlung im Fall 2 der Urteilsgründe - nicht (auch) Ausdruck von Wut oder Enttäuschung über die Beziehung zu der Nebenklägerin oder deren Verhalten war. Nach den Feststellungen lag den Vergewaltigungen der Nebenklägerin jeweils ein „sexuelles Verlangen“ des Angeklagten zugrunde. Dass die Vergewaltigungen „Ausdruck der besonderen Situation in der Be- ziehung zur Geschädigten S. nach dem Zusammenzug in eine gemein- same Wohnung und wechselseitigen Eifersuchtsanfällen“ seien, belegen die Feststellungen - anders als im Fall 2 der Urteilsgründe - gerade nicht. Schließlich richteten sich die Aggressionen des wegen sexueller Nötigung vorverurteilten Angeklagten nicht allein gegen die Nebenklägerin, sondern auch gegen die eingesetzten Polizeibeamten. Eine „hochspezifische Täter-Opfer-Beziehung“ weisen diese Tathandlungen nicht auf.
24
c) Die Erörterungsmängel entziehen der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB vorzunehmenden Prognose die Grundlage. Über die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt ist auf der Grundlage neu zu treffender Feststellungen erneut zu entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen erscheint es nicht fernliegend, dass ein neuer Tatrichter die Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt feststellen wird. Der Senat weist darauf hin, dass Unsicherheiten über das Ausreichen allein der milderen Maßregel des § 64 StGB zur kumulativen Anwendung der Maßregeln führen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Mai 2008 - 5 StR 97/08, NStZ 2009, 87; BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336, 337; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, 107; BGH, Urteil vom 10. April 2013 - 2 StR 1/13).
25
Bei einer nach § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB vorzunehmenden Abwägung wird der neue Tatrichter auch die einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen, wie sie in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegt worden sind, in den Blick zu nehmen haben.
26
3. Die für sich genommen revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist wegen ihres hier bestehenden untrennbaren Zusammenhangs mit der erneuten Prüfung der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung ebenfalls aufzuheben (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, insoweit in NStZRR 2011, 204 nicht abgedruckt). Wahl Rothfuß Graf Radtke Zeng

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 374/11
vom
20. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit
a) die Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist,
b) im Maßregelausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte gegen den Angeklagten am 23. April 2010 wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt und ihn unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hatte es bestimmt, dass wegen der überlangen Verfahrensdauer sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Von der Anordnung einer Maßregel nach § 64 oder § 66 StGB hatte es abgesehen. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hob der Senat dieses Urteil im Strafausspruch und soweit die Strafkammer von der Anordnung einer Maßregel abgesehen hatte auf (Senatsbeschluss vom 25. November 2010 - 3 StR 382/10, NStZ-RR 2011, 78). Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen der verfahrensgegenständlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen weitgehenden Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Begründung, mit welcher das Landgericht von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB abgesehen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Das Landgericht hat für die am 7. Mai 2003 begangene verfahrensgegenständliche Tat eine Freiheitsstrafe von acht Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet. An einer Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 hat es sich mit der Begründung, gehindert gesehen, diese Strafe sei seit dem 10. Mai 2010 vollständig vollstreckt und deshalb erledigt. Es hat sodann im Wege eines Härteausgleichs von der aus seiner Sicht schuldangemessen Freiheitsstrafe von acht Jahren einen Abschlag von zwei Jahren und drei Monaten vorgenommen und auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten erkannt.
5
Die Strafkammer hat dabei verkannt, dass bei Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht in der neuen Verhandlung die Gesamtstrafe nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verhandlung vorzunehmen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. November 2009 - 3 StR 427/09 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 55 Rn. 37). Danach hätte das Landgericht seiner Prüfung die Vollstreckungssituation am 23. April 2010 zugrunde legen müssen. Zu diesem Zeitpunkt war die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 aber noch nicht vollständig erledigt und deshalb gemäß § 55 StGB gesamtstrafenfähig.
6
Der Rechtsfehler hat sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Das Landgericht hat ersichtlich übersehen, dass der Senat den Strafausspruch des Urteils vom 23. April 2010 gemäß § 301 StPO ausschließlich zugunsten des Angeklagten aufgehoben hat. Wegen des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) war das Landgericht deshalb gehindert, die Höhe der Rechtsfolgen der Tat zum Nachteil des Angeklagten zu ändern (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 358 Rn. 11). Dies ist hier jedoch trotz des vorgenommenen Härteausgleichs geschehen. Denn die für die verfahrensgegenständliche Tat festgesetzte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten und die gesamtstrafenfähige Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil vom 16. Juni 2006 übersteigen zusammengenommen die Höhe der im ersten Durchgang verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten.
7
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sich die Grundlagen für die Bemessung der neuen Gesamtstrafe geändert haben. Der neue Tatrichter wird der Gesamtstrafenbildung neben der Strafe aus dem Urteil vom 16. Juni 2006 die für die verfahrensgegenständliche Tat nunmehr verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten zugrunde zu legen haben. Zwar ist die Berücksichtigung eines Härteausgleichs bei Bemessung dieser Strafe rechtsfehlerhaft vorgenommen worden. Dieser Rechtsfehler hat sich aber ausschließlich zugunsten des Angeklagten ausgewirkt und ist daher auf seine Revision nicht zu beanstanden. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass aus den oben genannten Gründen auch die vom Landgericht als schuld- und tatangemessen angesehene Freiheitsstrafe von acht Jahren gegen das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO verstieße, da im ersten Durchgang für die verfahrensgegenständliche Tat lediglich eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren festgesetzt worden war.
8
Bei Bildung der Gesamtstrafe wird der neue Tatrichter als Obergrenze die im Urteil vom 23. April 2011 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten zu beachten haben.
9
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB hat ebenfalls keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht hat bei der vorrangig anzustellenden Prüfung, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten nicht allein durch eine andere Maßregel begegnet werden kann (§ 72 Abs. 1 StGB), dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB mit rechtlich unzureichender Begründung abgelehnt.
11
Die Delinquenz des mittlerweile 66-jährigen, seit 1972 u.a. mehrfach wegen Sexual- und Gewaltdelikten vorbestraften Angeklagten ging nach den Feststellungen des Landgerichts in den hier relevanten Fällen stets mit Alkoholkonsum bzw. Alkoholmissbrauch einher. Auch bei der verfahrensgegenständlichen Tat stand er unter erheblichem Alkoholeinfluss.
12
Das sachverständig beratene Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB infolge eines Zusammenwirkens der Alkoholbeeinflussung bei Tatbegehung und einer diagnostizierten dissozialen Persönlichkeitsstörung auszuschließen vermocht. Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat es abgelehnt. Es ist, dem Sachverständigen folgend, zu dem Ergebnis gelangt, dass der Alkoholmissbrauch des Angeklagten nicht den Grad einer manifesten psychischen oder gar körperlichen Abhängigkeit erreicht habe, da der Angeklagte in den letzten eineinhalb Jahren vor seiner letzten Inhaftierung während seines Zusammenlebens mit seiner Verlobten in der Lage gewesen sei, seinen Alkoholkonsum zu kontrollieren und es in jener Zeit zu keinem schwerwiegenden Alkoholmissbrauch gekommen sei. Allein unter Hinweis auf diesen Umstand hat das Landgericht auch eine intensive Neigung des Angeklagten, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ausgeschlossen.
13
Diese Begründung trägt die Ablehnung eines Hanges im Sinne des § 64 StGB nicht. Das Landgericht hat zwar seinen Ausführungen zu den Anforderungen an einen Hang im Ansatz einen zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellung eines Hangs im Sinne des § 64 StGB nicht das Vorliegen eines manifesten Abhängigkeitssyndroms erfordert, sondern hierfür bereits eine intensive Neigung, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ausreichend ist (Fischer aaO, § 64 Rn. 7 mwN). Die Strafkammer hat sich jedoch nicht dazu verhalten, weshalb der vorübergehend kontrollierte Alkoholkonsum des Angeklagten in der Zeit vor seiner Inhaftierung nicht nur den Ausschluss eines Abhängigkeitssyndroms rechtfertigt, sondern auch gegen eine intensive Neigung des Angeklagten, Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen, spricht. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage war geboten, weil der Sachverständige, dem die Strafkammer im Übrigen uneingeschränkt gefolgt ist, die kontrollierte Alkoholaufnahme des Angeklagten in der Zeit des Zusammenlebens mit seiner Verlobten lediglich als ausreichendes Indiz für eine fehlende körperliche oder psychische Abhängigkeit angese- hen hat. Nach den Urteilsgründen hat sich der Sachverständige hingegen nicht zu der Intensität eines missbräuchlichen Alkoholkonsums des Angeklagten unterhalb der Schwelle einer Abhängigkeit geäußert. Hinzu kommt, dass im angefochtenen Urteil mehrfach auf den vom Angeklagten betriebenen "Alkoholmissbrauch" bzw. auf dessen "Alkoholproblematik", deren Bearbeitung angezeigt sei, abgestellt wird. Vor diesem Hintergrund erschließt sich ohne weitere Begründung die Annahme der Strafkammer nicht, beim Angeklagten liege auch keine "intensive Neigung" zum übermäßigen Alkoholkonsum vor.
14
b) Erweist sich danach die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 StGB). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer, wäre sie vom Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen und hätte sie der Anlasstat Symptomwert für den Hang zugeschrieben, nicht nur die Gefährlichkeitsprognose , sondern auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche Suchtbehandlung und eine damit einhergehende deutliche Verringerung der Tätergefährlichkeit bejaht hätte.
15
c) Danach muss die Frage der Maßregelanordnung nach § 66 und § 64 StGB ebenfalls neu verhandelt und entschieden werden. Der neue Tatrichter wird dabei zum einen zu beachten haben, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßnahme zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, NStZ 2010, 83). Zum anderen wird er der Prüfung einer Maßregelanordnung nach § 66 StGB den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) geforderten strengen Maßstab einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung" zugrunde zu legen haben. Dabei wird er insbesondere die Frage der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer schwerer Gewalt- oder Sexualtaten eingehender als bisher geschehen zu erörtern (Senatsbeschlüsse vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11 und vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11, StV 2011, 672) und sich hierbei vor allem auch mit dem fortgeschrittenen Alter des Angeklagten und einer etwa damit einhergehenden geringeren Gefährlichkeit auseinanderzusetzen haben.
16
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 573/12
vom
14. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 26. Juli 2012 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision gegen den gesamten Maßregelausspruch und rügt dabei insbesondere, dass die (vorbehaltene) Anordnung der Sicherungsverwahrung unterblieben ist. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. a) Am 30. November 2011 abends begab sich der „leicht“ angetrunkene und enthemmte Angeklagte zur Wohnung der H. , weil er - irrtümlich - davon ausging, dort wegen einer Geldangelegenheit einen Freund antreffen zu können. Als H. den Angeklagten nicht in die Wohnung ließ und ihm mitteilte, der Freund des Angeklagten wohne nicht mehr bei ihr, geriet der An- geklagte in Zorn. „Um seinem Ärger Luft zu machen, schrie er H. durchdie Wohnungstür zu: ‚Ich brech‘ dir alle Knochen und fick‘ dich!‘ … Von der Haus- tür aus schrie er H. hinter der Wohnungstür noch zu: ‚Ich fick‘ dich, du Schlampe! Ich bring‘ dich um!‘“ (UA S. 15; Fall 1 der Urteilsgründe).
4
b) Ende November 2011 geriet der Angeklagte, der „bereits erhebliche Mengen an alkoholischen Getränken zu sich genommen“ hatte, wodurch er „leicht angetrunken und enthemmt“ war (UAS. 16), mit seiner Lebensgefährtin S. , der Nebenklägerin, in einen Streit. Die seit einigen Monaten bestehende Beziehung zwischen dem Angeklagten und der etwas älteren, anderwei- tig verheirateten Nebenklägerin, war „mehr und mehr von gegenseitiger Eifer- sucht geprägt“ (UA S. 16); die Nebenklägerin zweifelte an seiner Liebe zu ihr. Der Angeklagte schlug sie anlässlich des Streites mit der Faust ins Gesicht, wodurch sie erhebliche Schmerzen erlitt. Außerdem lockerte sich der linke obere Schneidezahn (Fall 2 der Urteilsgründe). Im Anschluss versöhnten sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wieder miteinander und führten ihre Beziehung fort.
5
c) In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2012 überkam dem leicht angetrunkenen und enthemmten Angeklagten „ein sexuelles Verlangen. Er ent- kleidete sich und forderte S. auf, ihm ‚einen runterzuholen‘. Daraufhin ergriff sie seinen Penis mit der Hand und massierte ihn. Als der Angeklagte auf diese Weise nicht zum Samenerguss kam, schlug er S. mit der flachen Hand ins Gesicht und forderte sie dazu auf, ihn mit dem Mund zu befriedigen. Dabei war ihm bewusst, dass S. den Oralverkehr grundsätzlich ablehnte“ (UA S. 17).
6
Als S. seiner Aufforderung nicht nachkam und der Angeklagte erkannte , dass sie - wie immer - nicht dazu bereit war, ihn mit dem Mund zu be- friedigen, fasste der Angeklagte die Nebenklägerin „an den Haaren und zog so ihren Kopf wissentlich und willentlich vor seinen erigierten Penis“ (UA S. 17). S. erlitt erhebliche Schmerzen. Außerdem war sie durch das Auftreten des Angeklagten „so nachhaltig beeindruckt, dass sie sich aus Angst vor weiteren Gewaltausbrüchen des Angeklagten“ jeden Gedanken an Gegenwehr auf- gab und mit ihm den ungeschützten Oral- und Analverkehr ausübte; den Analverkehr brach der Angeklagte nach kurzer Zeit ab, ohne zum Samenerguss gekommen zu sein (Fall 3 der Urteilsgründe).
7
d) Nachdem der Angeklagte am folgenden Morgen alkoholische Getränke zu sich genommen hatte, begab er sich zu S. ins Schlafzimmer, „weil ihn erneut ein sexuelles Verlangen ergriffen hatte“ (UA S. 19). Er unterwarf die Nebenklägerin seinem Willen, indem er sich eine Gabel an den eigenen Hals hielt und ihr zu verstehen gab, er werde sie auf diese Weise stechen, wenn sie nicht ruhig wäre. Außerdem hielt er ihr eine 2,5 kg schwere Hantelscheibe vor und bedeutete ihr, er werde ihr damit erhebliche Schmerzen zufügen, wenn sie ihm nicht gehorche. Nachdem die Nebenklägerin erneut jeden Gedanken an Gegenwehr aufgegeben hatte, ließ der Angeklagte seinen Penis von ihr manuell stimulieren und übte mit ihr den ungeschützten Oralverkehr aus, um sich gegen ihren Willen sexuell zu befriedigen. Um die Nebenklägerin „fortwährend in Angst zu halten“ (UA S. 19), schlug der Angeklagte sie während des Sexual- verkehrs mit der flachen Hand ins Gesicht, wodurch sie - wie vom Angeklagten beabsichtigt - erhebliche Schmerzen erlitt. Der Angeklagte brach den Oralverkehr nach kurzer Zeit ab, ohne zum Samenerguss gekommen zu sein (Fall 4 der Urteilsgründe). Der Angeklagte hielt der Nebenklägerin sodann die Gabel erneut vor und forderte sie auf, „keinen falschen Ton“ von sich zu geben, ande- renfalls „sie nie mehr aus dem Schlafzimmer“ herauskommen werde.
8
e) Der Nebenklägerin gelang es im weiteren Verlauf, die Polizei über eine Passantin herbeizurufen. Als der Angeklagte sah, dass drei Beamte der Schutzpolizei mit ihm sprechen wollten, zeigte er sich mit der Nebenklägerin in einem Fenster, hielt eine Hantelscheibe hoch, forderte die Polizei zum Gehen auf und erklärte, anderenfalls werde er S. töten. Als die Polizeibeamten sich nicht entfernten, sondern vor Ort blieben, um den Angeklagten festzunehmen bzw. S. aus der Wohnung zu „entfernen“, fasste der Angeklagte den Entschluss, „die Polizeibeamten mit Gegenständen zu bewerfen, um sie aus Sorge, getroffen zu werden, zur Aufgabe ihres Vorhabens zu bewegen“ (UA S. 20). Der Angeklagte warf eine 2,5 kg schwere Hantelscheibe aus dem Fens- ter in Richtung der Polizeibeamten; die Hantelscheibe verfehlte ihr Ziel „knapp“ und zerbrach auf dem Pflaster. In der Folge warf der Angeklagte noch zwei weitere Hantelscheiben, ein schwarzes Klappmesser sowie ein Mobiltelefon aus verschiedenen Fenstern (Fall 5 der Urteilsgründe).
9
f) Gegen Mittag desselben Tages überkam dem Angeklagten „erneut ein sexuelles Verlangen“ (UA S. 21). Er forderte die Nebenklägerin auf, mit ihm den Geschlechtsverkehr auszuüben, wobei ihm bewusst war, dass sie hierzu nicht bereit war. Er ging aber davon aus, S. würde ihm angesichts der von ihm erlittenen und der gegenüber der Polizei gezeigten Gewalt vollständig gehorchen. Tatsächlich unterwarf sich S. aus Angst erneut seinem Willen. Der Angeklagte penetrierte sie sodann vaginal, um sich gegen ihren Willen sexuell zu befriedigen. Ohne zum Samenerguss gekommen zu sein, brach er den Geschlechtsverkehr nach kurzer Zeit ab (Fall 6 der Urteilsgründe).
10
2. Eine verminderte Schuldfähigkeit des - in hohem Maße alkoholgewöhnten - Angeklagten hat das Landgericht bei allen Taten geprüft und nach sachverständiger Beratung verneint.
11
3. Die Strafkammer hat - ebenfalls sachverständig beraten - die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB für gegeben erachtet. Insbesondere bestünde die Gefahr, dass der - bereits im Jahr 2001 wegen sexueller Nötigung zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe vorverurteilte - Angeklagte, „auch wenn (er) nicht für die Allgemeinheit gefährlich ist, … überhaupt suchtbedingte und erhebliche rechtswidrige Taten begeht“ (UA S. 31). Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB liege ebenfalls vor: Wenn der Angeklagte die Therapie erfolgreich durchführe, bestehe die „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass suchtbedingte Aggressionstaten nicht mehr aufträten.
12
Die (vorbehaltene) Anordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht mit der Erwägung abgelehnt, dass „der Zweck dieser Maßregeln, die Gefahr weiterer rechtswidriger Taten durch den Angeklagten abzuwenden, … durch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bereits für sich alleine erreicht werden (konnte); diese Maßregel beschwerte den Angeklagten zudem im Vergleich zu den anderen am wenigsten“ (UA S. 33).

II.

13
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den gesamten Maßregelausspruch ist wirksam.
14
Die unterbliebene Anordnung der Maßregel nach § 66 StGB bzw. § 66a StGB kann nicht getrennt von derjenigen nach § 64 StGB geprüft werden. Nach den Gründen des angefochtenen Urteils stand schon die vom Landgericht angenommene „hohe Wahrscheinlichkeit“ des Therapieerfolges der Unterbringung nach § 64 StGB der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten entgegen. Die Revision erfasst deshalb den gesamten Maßregelausspruch (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442).
15
Eine Abhängigkeit der Strafhöhe vom Maßregelausspruch ist hier zu verneinen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Februar 1994 - 3 StR 679/93, BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1; BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 - 2 StR 509/09, NStZ-RR 2010, 238).
16
2. Die Begründung, mit der das Landgericht mit Blick auf die von ihm verhängte Maßregel nach § 64 StGB von der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
17
a) Das Landgericht stellt schon nicht ausreichend fest, ob die Voraussetzungen der §§ 66, 66a StGB - mit Blick auf die Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326, 404 ff.) - vorliegen. Insbesondere ist der Tatrichter gehalten , eingehend das Vorliegen einer hohen Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte ohne die Maßregel zu prognostizieren (BGH, Urteil vom 13. März 2013 - 2 StR 392/12 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 5 StR 620/12 zu § 66a StGB). Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es dabei auf das Ergebnis einer Gesamtwürdi- gung des Täters und seiner Taten an (vgl. nur Fischer, StGB, 60. Aufl., § 66 Rn. 37 m. zahlr. Nachw.). Zu alldem verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
18
b) Die Begründung, von der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung könne jedenfalls deswegen abgesehen werden, weil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bereits ausreichend sei, ist - unbeschadet der unter lit. a) dargelegten Auslassungen - zudem lückenhaft.
19
aa) Allerdings ist der rechtliche Ausgangspunkt der landgerichtlichen Entscheidung nicht zu beanstanden. Liegen die Voraussetzungen sowohl des § 66 StGB (bzw. § 66a StGB) als auch des § 64 StGB vor, erfordert das - freilich nur ausnahmsweise (vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 4 StR 443/05, NStZ-RR 2006, 104, 105) - Absehen von der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit in dem Sinne, dass mit der alleinigen Unterbringung gemäß § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (vgl. auch Senatsurteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; BGH, Urteil vom 9. November 2006 - 3 StR 360/06, NStZ 2007, 328; BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336 f.; BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442 f.; BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11). Dabei setzt die gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB vorzunehmende Prognose eine umfassende Gesamtwürdigung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336, 337; BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442, 443).
20
bb) Diesen Anforderungen genügt die landgerichtliche Entscheidung nicht.
21
(1) Der Sachverständige, dem die Strafkammer gefolgt ist, ging von einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ aus, dass bei einer erfolgreich durchgeführten Therapie suchtbedingte Aggressionstaten nicht mehr aufträten. „Entscheidend sei, dass die Geschädigte S. kein zufälliges Opfer darstelle, sondern aufgrund der Liebesbeziehung zum Angeklagten eine hochspezifische TäterOpfer -Beziehung vorliege. Die sexuelle Nötigung im Jahre 2000 sei insofern nicht vergleichbar. … Aus der Biographie des Angeklagten ergebe sich gerade kein Hinweis darauf, dass sexuelle Übergriffe mit regelmäßiger Wahrscheinlich- keit aufträten. … Die vorliegenden Vergewaltigungenseien eher Ausdruck der besonderen Situation in der Beziehung zur Geschädigten S. nach dem Zusammenzug in eine gemeinsame Wohnung und wechselseitigen Eifersuchtsanfällen“ (UA S. 31 f.).
22
(2) Bei dieser Bewertung, wonach neben dem Alkoholismus allein die pathologische Beziehungsgestaltung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin Ursache der Straftaten gewesen sei, lässt das Landgericht schon die zum Fall 1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen zum Nachteil der Zeugin H. außer Betracht. Ausführungen dazu, wie es mit den von der Strafkammer übernommenen Erwägungen des Sachverständigen zu vereinbaren ist, dass der Angeklagte der Zeugin aus Zorn ankündigte, sie zu vergewaltigen und zu töten, fehlen.
23
Entsprechendes gilt für die zum Tatgeschehen am 23. und 24. Februar 2012 getroffenen weiteren tatsächlichen Feststellungen. Im Rahmen der Prognoseentscheidung bleibt unerörtert, dass der Angeklagte die Nebenklägerin innerhalb von zwölf Stunden insgesamt drei Mal vergewaltigt hat und die allein zur Durchführung der Vergewaltigung erfolgte Gewaltanwendung - anders als die Körperverletzungshandlung im Fall 2 der Urteilsgründe - nicht (auch) Ausdruck von Wut oder Enttäuschung über die Beziehung zu der Nebenklägerin oder deren Verhalten war. Nach den Feststellungen lag den Vergewaltigungen der Nebenklägerin jeweils ein „sexuelles Verlangen“ des Angeklagten zugrunde. Dass die Vergewaltigungen „Ausdruck der besonderen Situation in der Be- ziehung zur Geschädigten S. nach dem Zusammenzug in eine gemein- same Wohnung und wechselseitigen Eifersuchtsanfällen“ seien, belegen die Feststellungen - anders als im Fall 2 der Urteilsgründe - gerade nicht. Schließlich richteten sich die Aggressionen des wegen sexueller Nötigung vorverurteilten Angeklagten nicht allein gegen die Nebenklägerin, sondern auch gegen die eingesetzten Polizeibeamten. Eine „hochspezifische Täter-Opfer-Beziehung“ weisen diese Tathandlungen nicht auf.
24
c) Die Erörterungsmängel entziehen der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB vorzunehmenden Prognose die Grundlage. Über die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt ist auf der Grundlage neu zu treffender Feststellungen erneut zu entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen erscheint es nicht fernliegend, dass ein neuer Tatrichter die Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt feststellen wird. Der Senat weist darauf hin, dass Unsicherheiten über das Ausreichen allein der milderen Maßregel des § 64 StGB zur kumulativen Anwendung der Maßregeln führen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Mai 2008 - 5 StR 97/08, NStZ 2009, 87; BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336, 337; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, 107; BGH, Urteil vom 10. April 2013 - 2 StR 1/13).
25
Bei einer nach § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB vorzunehmenden Abwägung wird der neue Tatrichter auch die einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen, wie sie in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegt worden sind, in den Blick zu nehmen haben.
26
3. Die für sich genommen revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist wegen ihres hier bestehenden untrennbaren Zusammenhangs mit der erneuten Prüfung der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung ebenfalls aufzuheben (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, insoweit in NStZRR 2011, 204 nicht abgedruckt). Wahl Rothfuß Graf Radtke Zeng

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 573/12
vom
14. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 26. Juli 2012 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision gegen den gesamten Maßregelausspruch und rügt dabei insbesondere, dass die (vorbehaltene) Anordnung der Sicherungsverwahrung unterblieben ist. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. a) Am 30. November 2011 abends begab sich der „leicht“ angetrunkene und enthemmte Angeklagte zur Wohnung der H. , weil er - irrtümlich - davon ausging, dort wegen einer Geldangelegenheit einen Freund antreffen zu können. Als H. den Angeklagten nicht in die Wohnung ließ und ihm mitteilte, der Freund des Angeklagten wohne nicht mehr bei ihr, geriet der An- geklagte in Zorn. „Um seinem Ärger Luft zu machen, schrie er H. durchdie Wohnungstür zu: ‚Ich brech‘ dir alle Knochen und fick‘ dich!‘ … Von der Haus- tür aus schrie er H. hinter der Wohnungstür noch zu: ‚Ich fick‘ dich, du Schlampe! Ich bring‘ dich um!‘“ (UA S. 15; Fall 1 der Urteilsgründe).
4
b) Ende November 2011 geriet der Angeklagte, der „bereits erhebliche Mengen an alkoholischen Getränken zu sich genommen“ hatte, wodurch er „leicht angetrunken und enthemmt“ war (UAS. 16), mit seiner Lebensgefährtin S. , der Nebenklägerin, in einen Streit. Die seit einigen Monaten bestehende Beziehung zwischen dem Angeklagten und der etwas älteren, anderwei- tig verheirateten Nebenklägerin, war „mehr und mehr von gegenseitiger Eifer- sucht geprägt“ (UA S. 16); die Nebenklägerin zweifelte an seiner Liebe zu ihr. Der Angeklagte schlug sie anlässlich des Streites mit der Faust ins Gesicht, wodurch sie erhebliche Schmerzen erlitt. Außerdem lockerte sich der linke obere Schneidezahn (Fall 2 der Urteilsgründe). Im Anschluss versöhnten sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wieder miteinander und führten ihre Beziehung fort.
5
c) In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2012 überkam dem leicht angetrunkenen und enthemmten Angeklagten „ein sexuelles Verlangen. Er ent- kleidete sich und forderte S. auf, ihm ‚einen runterzuholen‘. Daraufhin ergriff sie seinen Penis mit der Hand und massierte ihn. Als der Angeklagte auf diese Weise nicht zum Samenerguss kam, schlug er S. mit der flachen Hand ins Gesicht und forderte sie dazu auf, ihn mit dem Mund zu befriedigen. Dabei war ihm bewusst, dass S. den Oralverkehr grundsätzlich ablehnte“ (UA S. 17).
6
Als S. seiner Aufforderung nicht nachkam und der Angeklagte erkannte , dass sie - wie immer - nicht dazu bereit war, ihn mit dem Mund zu be- friedigen, fasste der Angeklagte die Nebenklägerin „an den Haaren und zog so ihren Kopf wissentlich und willentlich vor seinen erigierten Penis“ (UA S. 17). S. erlitt erhebliche Schmerzen. Außerdem war sie durch das Auftreten des Angeklagten „so nachhaltig beeindruckt, dass sie sich aus Angst vor weiteren Gewaltausbrüchen des Angeklagten“ jeden Gedanken an Gegenwehr auf- gab und mit ihm den ungeschützten Oral- und Analverkehr ausübte; den Analverkehr brach der Angeklagte nach kurzer Zeit ab, ohne zum Samenerguss gekommen zu sein (Fall 3 der Urteilsgründe).
7
d) Nachdem der Angeklagte am folgenden Morgen alkoholische Getränke zu sich genommen hatte, begab er sich zu S. ins Schlafzimmer, „weil ihn erneut ein sexuelles Verlangen ergriffen hatte“ (UA S. 19). Er unterwarf die Nebenklägerin seinem Willen, indem er sich eine Gabel an den eigenen Hals hielt und ihr zu verstehen gab, er werde sie auf diese Weise stechen, wenn sie nicht ruhig wäre. Außerdem hielt er ihr eine 2,5 kg schwere Hantelscheibe vor und bedeutete ihr, er werde ihr damit erhebliche Schmerzen zufügen, wenn sie ihm nicht gehorche. Nachdem die Nebenklägerin erneut jeden Gedanken an Gegenwehr aufgegeben hatte, ließ der Angeklagte seinen Penis von ihr manuell stimulieren und übte mit ihr den ungeschützten Oralverkehr aus, um sich gegen ihren Willen sexuell zu befriedigen. Um die Nebenklägerin „fortwährend in Angst zu halten“ (UA S. 19), schlug der Angeklagte sie während des Sexual- verkehrs mit der flachen Hand ins Gesicht, wodurch sie - wie vom Angeklagten beabsichtigt - erhebliche Schmerzen erlitt. Der Angeklagte brach den Oralverkehr nach kurzer Zeit ab, ohne zum Samenerguss gekommen zu sein (Fall 4 der Urteilsgründe). Der Angeklagte hielt der Nebenklägerin sodann die Gabel erneut vor und forderte sie auf, „keinen falschen Ton“ von sich zu geben, ande- renfalls „sie nie mehr aus dem Schlafzimmer“ herauskommen werde.
8
e) Der Nebenklägerin gelang es im weiteren Verlauf, die Polizei über eine Passantin herbeizurufen. Als der Angeklagte sah, dass drei Beamte der Schutzpolizei mit ihm sprechen wollten, zeigte er sich mit der Nebenklägerin in einem Fenster, hielt eine Hantelscheibe hoch, forderte die Polizei zum Gehen auf und erklärte, anderenfalls werde er S. töten. Als die Polizeibeamten sich nicht entfernten, sondern vor Ort blieben, um den Angeklagten festzunehmen bzw. S. aus der Wohnung zu „entfernen“, fasste der Angeklagte den Entschluss, „die Polizeibeamten mit Gegenständen zu bewerfen, um sie aus Sorge, getroffen zu werden, zur Aufgabe ihres Vorhabens zu bewegen“ (UA S. 20). Der Angeklagte warf eine 2,5 kg schwere Hantelscheibe aus dem Fens- ter in Richtung der Polizeibeamten; die Hantelscheibe verfehlte ihr Ziel „knapp“ und zerbrach auf dem Pflaster. In der Folge warf der Angeklagte noch zwei weitere Hantelscheiben, ein schwarzes Klappmesser sowie ein Mobiltelefon aus verschiedenen Fenstern (Fall 5 der Urteilsgründe).
9
f) Gegen Mittag desselben Tages überkam dem Angeklagten „erneut ein sexuelles Verlangen“ (UA S. 21). Er forderte die Nebenklägerin auf, mit ihm den Geschlechtsverkehr auszuüben, wobei ihm bewusst war, dass sie hierzu nicht bereit war. Er ging aber davon aus, S. würde ihm angesichts der von ihm erlittenen und der gegenüber der Polizei gezeigten Gewalt vollständig gehorchen. Tatsächlich unterwarf sich S. aus Angst erneut seinem Willen. Der Angeklagte penetrierte sie sodann vaginal, um sich gegen ihren Willen sexuell zu befriedigen. Ohne zum Samenerguss gekommen zu sein, brach er den Geschlechtsverkehr nach kurzer Zeit ab (Fall 6 der Urteilsgründe).
10
2. Eine verminderte Schuldfähigkeit des - in hohem Maße alkoholgewöhnten - Angeklagten hat das Landgericht bei allen Taten geprüft und nach sachverständiger Beratung verneint.
11
3. Die Strafkammer hat - ebenfalls sachverständig beraten - die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB für gegeben erachtet. Insbesondere bestünde die Gefahr, dass der - bereits im Jahr 2001 wegen sexueller Nötigung zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe vorverurteilte - Angeklagte, „auch wenn (er) nicht für die Allgemeinheit gefährlich ist, … überhaupt suchtbedingte und erhebliche rechtswidrige Taten begeht“ (UA S. 31). Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB liege ebenfalls vor: Wenn der Angeklagte die Therapie erfolgreich durchführe, bestehe die „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass suchtbedingte Aggressionstaten nicht mehr aufträten.
12
Die (vorbehaltene) Anordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht mit der Erwägung abgelehnt, dass „der Zweck dieser Maßregeln, die Gefahr weiterer rechtswidriger Taten durch den Angeklagten abzuwenden, … durch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bereits für sich alleine erreicht werden (konnte); diese Maßregel beschwerte den Angeklagten zudem im Vergleich zu den anderen am wenigsten“ (UA S. 33).

II.

13
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den gesamten Maßregelausspruch ist wirksam.
14
Die unterbliebene Anordnung der Maßregel nach § 66 StGB bzw. § 66a StGB kann nicht getrennt von derjenigen nach § 64 StGB geprüft werden. Nach den Gründen des angefochtenen Urteils stand schon die vom Landgericht angenommene „hohe Wahrscheinlichkeit“ des Therapieerfolges der Unterbringung nach § 64 StGB der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten entgegen. Die Revision erfasst deshalb den gesamten Maßregelausspruch (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442).
15
Eine Abhängigkeit der Strafhöhe vom Maßregelausspruch ist hier zu verneinen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Februar 1994 - 3 StR 679/93, BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1; BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 - 2 StR 509/09, NStZ-RR 2010, 238).
16
2. Die Begründung, mit der das Landgericht mit Blick auf die von ihm verhängte Maßregel nach § 64 StGB von der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
17
a) Das Landgericht stellt schon nicht ausreichend fest, ob die Voraussetzungen der §§ 66, 66a StGB - mit Blick auf die Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326, 404 ff.) - vorliegen. Insbesondere ist der Tatrichter gehalten , eingehend das Vorliegen einer hohen Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte ohne die Maßregel zu prognostizieren (BGH, Urteil vom 13. März 2013 - 2 StR 392/12 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 5 StR 620/12 zu § 66a StGB). Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es dabei auf das Ergebnis einer Gesamtwürdi- gung des Täters und seiner Taten an (vgl. nur Fischer, StGB, 60. Aufl., § 66 Rn. 37 m. zahlr. Nachw.). Zu alldem verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
18
b) Die Begründung, von der (vorbehaltenen) Anordnung der Sicherungsverwahrung könne jedenfalls deswegen abgesehen werden, weil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bereits ausreichend sei, ist - unbeschadet der unter lit. a) dargelegten Auslassungen - zudem lückenhaft.
19
aa) Allerdings ist der rechtliche Ausgangspunkt der landgerichtlichen Entscheidung nicht zu beanstanden. Liegen die Voraussetzungen sowohl des § 66 StGB (bzw. § 66a StGB) als auch des § 64 StGB vor, erfordert das - freilich nur ausnahmsweise (vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 4 StR 443/05, NStZ-RR 2006, 104, 105) - Absehen von der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit in dem Sinne, dass mit der alleinigen Unterbringung gemäß § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (vgl. auch Senatsurteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; BGH, Urteil vom 9. November 2006 - 3 StR 360/06, NStZ 2007, 328; BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336 f.; BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442 f.; BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11). Dabei setzt die gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB vorzunehmende Prognose eine umfassende Gesamtwürdigung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336, 337; BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08, NStZ 2009, 442, 443).
20
bb) Diesen Anforderungen genügt die landgerichtliche Entscheidung nicht.
21
(1) Der Sachverständige, dem die Strafkammer gefolgt ist, ging von einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ aus, dass bei einer erfolgreich durchgeführten Therapie suchtbedingte Aggressionstaten nicht mehr aufträten. „Entscheidend sei, dass die Geschädigte S. kein zufälliges Opfer darstelle, sondern aufgrund der Liebesbeziehung zum Angeklagten eine hochspezifische TäterOpfer -Beziehung vorliege. Die sexuelle Nötigung im Jahre 2000 sei insofern nicht vergleichbar. … Aus der Biographie des Angeklagten ergebe sich gerade kein Hinweis darauf, dass sexuelle Übergriffe mit regelmäßiger Wahrscheinlich- keit aufträten. … Die vorliegenden Vergewaltigungenseien eher Ausdruck der besonderen Situation in der Beziehung zur Geschädigten S. nach dem Zusammenzug in eine gemeinsame Wohnung und wechselseitigen Eifersuchtsanfällen“ (UA S. 31 f.).
22
(2) Bei dieser Bewertung, wonach neben dem Alkoholismus allein die pathologische Beziehungsgestaltung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin Ursache der Straftaten gewesen sei, lässt das Landgericht schon die zum Fall 1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen zum Nachteil der Zeugin H. außer Betracht. Ausführungen dazu, wie es mit den von der Strafkammer übernommenen Erwägungen des Sachverständigen zu vereinbaren ist, dass der Angeklagte der Zeugin aus Zorn ankündigte, sie zu vergewaltigen und zu töten, fehlen.
23
Entsprechendes gilt für die zum Tatgeschehen am 23. und 24. Februar 2012 getroffenen weiteren tatsächlichen Feststellungen. Im Rahmen der Prognoseentscheidung bleibt unerörtert, dass der Angeklagte die Nebenklägerin innerhalb von zwölf Stunden insgesamt drei Mal vergewaltigt hat und die allein zur Durchführung der Vergewaltigung erfolgte Gewaltanwendung - anders als die Körperverletzungshandlung im Fall 2 der Urteilsgründe - nicht (auch) Ausdruck von Wut oder Enttäuschung über die Beziehung zu der Nebenklägerin oder deren Verhalten war. Nach den Feststellungen lag den Vergewaltigungen der Nebenklägerin jeweils ein „sexuelles Verlangen“ des Angeklagten zugrunde. Dass die Vergewaltigungen „Ausdruck der besonderen Situation in der Be- ziehung zur Geschädigten S. nach dem Zusammenzug in eine gemein- same Wohnung und wechselseitigen Eifersuchtsanfällen“ seien, belegen die Feststellungen - anders als im Fall 2 der Urteilsgründe - gerade nicht. Schließlich richteten sich die Aggressionen des wegen sexueller Nötigung vorverurteilten Angeklagten nicht allein gegen die Nebenklägerin, sondern auch gegen die eingesetzten Polizeibeamten. Eine „hochspezifische Täter-Opfer-Beziehung“ weisen diese Tathandlungen nicht auf.
24
c) Die Erörterungsmängel entziehen der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB vorzunehmenden Prognose die Grundlage. Über die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt ist auf der Grundlage neu zu treffender Feststellungen erneut zu entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen erscheint es nicht fernliegend, dass ein neuer Tatrichter die Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt feststellen wird. Der Senat weist darauf hin, dass Unsicherheiten über das Ausreichen allein der milderen Maßregel des § 64 StGB zur kumulativen Anwendung der Maßregeln führen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Mai 2008 - 5 StR 97/08, NStZ 2009, 87; BGH, Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 336, 337; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, 107; BGH, Urteil vom 10. April 2013 - 2 StR 1/13).
25
Bei einer nach § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB vorzunehmenden Abwägung wird der neue Tatrichter auch die einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen, wie sie in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegt worden sind, in den Blick zu nehmen haben.
26
3. Die für sich genommen revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist wegen ihres hier bestehenden untrennbaren Zusammenhangs mit der erneuten Prüfung der (vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung ebenfalls aufzuheben (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, insoweit in NStZRR 2011, 204 nicht abgedruckt). Wahl Rothfuß Graf Radtke Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 374/11
vom
20. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit
a) die Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist,
b) im Maßregelausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte gegen den Angeklagten am 23. April 2010 wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt und ihn unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hatte es bestimmt, dass wegen der überlangen Verfahrensdauer sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Von der Anordnung einer Maßregel nach § 64 oder § 66 StGB hatte es abgesehen. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hob der Senat dieses Urteil im Strafausspruch und soweit die Strafkammer von der Anordnung einer Maßregel abgesehen hatte auf (Senatsbeschluss vom 25. November 2010 - 3 StR 382/10, NStZ-RR 2011, 78). Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen der verfahrensgegenständlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen weitgehenden Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Begründung, mit welcher das Landgericht von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB abgesehen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Das Landgericht hat für die am 7. Mai 2003 begangene verfahrensgegenständliche Tat eine Freiheitsstrafe von acht Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet. An einer Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 hat es sich mit der Begründung, gehindert gesehen, diese Strafe sei seit dem 10. Mai 2010 vollständig vollstreckt und deshalb erledigt. Es hat sodann im Wege eines Härteausgleichs von der aus seiner Sicht schuldangemessen Freiheitsstrafe von acht Jahren einen Abschlag von zwei Jahren und drei Monaten vorgenommen und auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten erkannt.
5
Die Strafkammer hat dabei verkannt, dass bei Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht in der neuen Verhandlung die Gesamtstrafe nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verhandlung vorzunehmen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. November 2009 - 3 StR 427/09 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 55 Rn. 37). Danach hätte das Landgericht seiner Prüfung die Vollstreckungssituation am 23. April 2010 zugrunde legen müssen. Zu diesem Zeitpunkt war die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 aber noch nicht vollständig erledigt und deshalb gemäß § 55 StGB gesamtstrafenfähig.
6
Der Rechtsfehler hat sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Das Landgericht hat ersichtlich übersehen, dass der Senat den Strafausspruch des Urteils vom 23. April 2010 gemäß § 301 StPO ausschließlich zugunsten des Angeklagten aufgehoben hat. Wegen des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) war das Landgericht deshalb gehindert, die Höhe der Rechtsfolgen der Tat zum Nachteil des Angeklagten zu ändern (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 358 Rn. 11). Dies ist hier jedoch trotz des vorgenommenen Härteausgleichs geschehen. Denn die für die verfahrensgegenständliche Tat festgesetzte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten und die gesamtstrafenfähige Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil vom 16. Juni 2006 übersteigen zusammengenommen die Höhe der im ersten Durchgang verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten.
7
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sich die Grundlagen für die Bemessung der neuen Gesamtstrafe geändert haben. Der neue Tatrichter wird der Gesamtstrafenbildung neben der Strafe aus dem Urteil vom 16. Juni 2006 die für die verfahrensgegenständliche Tat nunmehr verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten zugrunde zu legen haben. Zwar ist die Berücksichtigung eines Härteausgleichs bei Bemessung dieser Strafe rechtsfehlerhaft vorgenommen worden. Dieser Rechtsfehler hat sich aber ausschließlich zugunsten des Angeklagten ausgewirkt und ist daher auf seine Revision nicht zu beanstanden. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass aus den oben genannten Gründen auch die vom Landgericht als schuld- und tatangemessen angesehene Freiheitsstrafe von acht Jahren gegen das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO verstieße, da im ersten Durchgang für die verfahrensgegenständliche Tat lediglich eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren festgesetzt worden war.
8
Bei Bildung der Gesamtstrafe wird der neue Tatrichter als Obergrenze die im Urteil vom 23. April 2011 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten zu beachten haben.
9
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB hat ebenfalls keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht hat bei der vorrangig anzustellenden Prüfung, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten nicht allein durch eine andere Maßregel begegnet werden kann (§ 72 Abs. 1 StGB), dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB mit rechtlich unzureichender Begründung abgelehnt.
11
Die Delinquenz des mittlerweile 66-jährigen, seit 1972 u.a. mehrfach wegen Sexual- und Gewaltdelikten vorbestraften Angeklagten ging nach den Feststellungen des Landgerichts in den hier relevanten Fällen stets mit Alkoholkonsum bzw. Alkoholmissbrauch einher. Auch bei der verfahrensgegenständlichen Tat stand er unter erheblichem Alkoholeinfluss.
12
Das sachverständig beratene Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB infolge eines Zusammenwirkens der Alkoholbeeinflussung bei Tatbegehung und einer diagnostizierten dissozialen Persönlichkeitsstörung auszuschließen vermocht. Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat es abgelehnt. Es ist, dem Sachverständigen folgend, zu dem Ergebnis gelangt, dass der Alkoholmissbrauch des Angeklagten nicht den Grad einer manifesten psychischen oder gar körperlichen Abhängigkeit erreicht habe, da der Angeklagte in den letzten eineinhalb Jahren vor seiner letzten Inhaftierung während seines Zusammenlebens mit seiner Verlobten in der Lage gewesen sei, seinen Alkoholkonsum zu kontrollieren und es in jener Zeit zu keinem schwerwiegenden Alkoholmissbrauch gekommen sei. Allein unter Hinweis auf diesen Umstand hat das Landgericht auch eine intensive Neigung des Angeklagten, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ausgeschlossen.
13
Diese Begründung trägt die Ablehnung eines Hanges im Sinne des § 64 StGB nicht. Das Landgericht hat zwar seinen Ausführungen zu den Anforderungen an einen Hang im Ansatz einen zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellung eines Hangs im Sinne des § 64 StGB nicht das Vorliegen eines manifesten Abhängigkeitssyndroms erfordert, sondern hierfür bereits eine intensive Neigung, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ausreichend ist (Fischer aaO, § 64 Rn. 7 mwN). Die Strafkammer hat sich jedoch nicht dazu verhalten, weshalb der vorübergehend kontrollierte Alkoholkonsum des Angeklagten in der Zeit vor seiner Inhaftierung nicht nur den Ausschluss eines Abhängigkeitssyndroms rechtfertigt, sondern auch gegen eine intensive Neigung des Angeklagten, Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen, spricht. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage war geboten, weil der Sachverständige, dem die Strafkammer im Übrigen uneingeschränkt gefolgt ist, die kontrollierte Alkoholaufnahme des Angeklagten in der Zeit des Zusammenlebens mit seiner Verlobten lediglich als ausreichendes Indiz für eine fehlende körperliche oder psychische Abhängigkeit angese- hen hat. Nach den Urteilsgründen hat sich der Sachverständige hingegen nicht zu der Intensität eines missbräuchlichen Alkoholkonsums des Angeklagten unterhalb der Schwelle einer Abhängigkeit geäußert. Hinzu kommt, dass im angefochtenen Urteil mehrfach auf den vom Angeklagten betriebenen "Alkoholmissbrauch" bzw. auf dessen "Alkoholproblematik", deren Bearbeitung angezeigt sei, abgestellt wird. Vor diesem Hintergrund erschließt sich ohne weitere Begründung die Annahme der Strafkammer nicht, beim Angeklagten liege auch keine "intensive Neigung" zum übermäßigen Alkoholkonsum vor.
14
b) Erweist sich danach die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 StGB). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer, wäre sie vom Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen und hätte sie der Anlasstat Symptomwert für den Hang zugeschrieben, nicht nur die Gefährlichkeitsprognose , sondern auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche Suchtbehandlung und eine damit einhergehende deutliche Verringerung der Tätergefährlichkeit bejaht hätte.
15
c) Danach muss die Frage der Maßregelanordnung nach § 66 und § 64 StGB ebenfalls neu verhandelt und entschieden werden. Der neue Tatrichter wird dabei zum einen zu beachten haben, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßnahme zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, NStZ 2010, 83). Zum anderen wird er der Prüfung einer Maßregelanordnung nach § 66 StGB den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) geforderten strengen Maßstab einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung" zugrunde zu legen haben. Dabei wird er insbesondere die Frage der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer schwerer Gewalt- oder Sexualtaten eingehender als bisher geschehen zu erörtern (Senatsbeschlüsse vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11 und vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11, StV 2011, 672) und sich hierbei vor allem auch mit dem fortgeschrittenen Alter des Angeklagten und einer etwa damit einhergehenden geringeren Gefährlichkeit auseinanderzusetzen haben.
16
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 190/11
vom
3. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. August
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen wurde,
b) im Strafausspruch, insoweit zugunsten des Angeklagten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und zwei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 11. Mai 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, mit der Sachrüge begründeten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft namentlich gegen die vom Landgericht abgelehnte Anordnung der Sicherungsverwahrung. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung und - insoweit zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - des gesamten Strafausspruchs.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der zur Tatzeit 44jährige Angeklagte seit vielen Jahren alkoholabhängig.
3
a) Bereits vor der Anlassverurteilung verurteilte ihn das Landgericht Aachen im Jahre 1999 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren , die er bis März 2008 verbüßte. Die wegen der Alkoholabhängigkeit des Angeklagten zugleich angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde von 1999 bis 2002 erfolglos vollzogen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte am 28. Dezember 1998 mit dem späteren Tatopfer zunächst über Stunden hinweg große Mengen Alkohol konsumiert hatte, bis sie schließlich in Streit geraten waren. Im Verlaufe dessen hatte der Angeklagte über einen längeren Zeitraum derart brutal und heftig auf das am Boden liegende Tatopfer eingeschlagen und -getreten, dass dieses kurze Zeit später an seinen Verletzungen verstorben war.
4
Am 11. Mai 2010 verurteilte ihn das Amtsgericht Aachen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Dem lag zugrunde, dass er wenige Monate nach seiner Haftentlassung zu seiner Freundin in deren Wohnung gezogen war. Ungefähr zeitgleich hatte er begonnen, wieder regelmäßig Alkohol zu trinken und infolge dessen ohne nachvollziehbaren Anlass zunehmend aggressiver zu reagieren. Am 24. Januar 2009 hatte er im stark betrunkenen Zustand nach einem Streit einen Stuhl nach der Tochter seiner Lebensgefährtin geworfen. Anschließend hatte er seiner Lebensgefährtin mehrfach ins Gesicht geschlagen, die nunmehr Flüchtende zu Boden gestoßen und ihr mit beschuhten Füßen mehrfach und mit erheblicher Wucht in den Bauch und gegen die Beine getreten.
5
b) Nach den zur Sache getroffenen Feststellungen kam es auch in der anschließenden Beziehung des Angeklagten zu der später Geschädigten K. vor allem deshalb zu Streitigkeiten, weil der Angeklagte infolge seines Alkoholkonsums zu Aggressionen neigte. Am 7. März 2010 fühlte er sich durch eine Bemerkung der Geschädigten provoziert, weshalb er mit Händen und Fäusten zunächst auf deren Körper und Kopf einschlug. Nachdem die flüchtende Geschädigte infolge weiterer Schläge schließlich zu Boden gegangen war, trat der Angeklagte - ohne dass Feststellungen zur Art seines Schuhwerks getroffen werden konnten - mindestens zwei Mal mit dem beschuhten Fuß auf sie ein. Die Kammer hat weiter festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seiner zur Tatzeit erheblichen Alkoholisierung in Verbindung mit der bei ihm aufgrund seiner langjährigen Alkoholabhängigkeit bereits eingetretenen Persönlichkeitsdepravation nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Für diese Tat hat sie eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren festgesetzt.
6
c) Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Satz 1 StGB hat die Kammer abgesehen. Die vorliegende Tat gehe zwar auf einen Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, zurück, und dieser Hang begründe auch die Gefahr künftiger erheblicher Straftaten. Eine Entziehungstherapie sei jedoch aufgrund der bei dem Angeklagten bereits eingetretenen alkoholbedingten Persönlichkeitsdepravation nicht erfolgversprechend. Er sei abstinenzunfähig und nicht in der Lage, seine Alkoholabhängigkeit als Problem zu erkennen und entsprechend zu handeln.
7
Die sachverständig beratene Strafkammer hat - ohne Ausführungen zu den formellen Voraussetzungen zu machen - eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgelehnt, weil bei dem Angeklagten ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. nicht vorliege. Es bestehe zwar das Risiko, dass der Angeklagte auch weiterhin alkoholbedingt Straftaten wie die bereits verübten begehen werde und daher für die Allgemeinheit gefährlich sei. Die zu erwartenden Straftaten beruhten indes nicht auf einem bestehenden eingeschliffenen inneren Zustand bzw. einer auf charakterlicher Anlage beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung zu Rechtsbrüchen, sondern stellten sich - wie auch die früheren Taten - "jeweils in Verbindung mit der Erkrankung des Angeklagten als situativ entstandene und eskalierte Konflikt- bzw. Spontantaten dar", die eine Hangtäterschaft gerade nicht begründeten (UA S. 21).
8
2. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. zu Grunde gelegt hat.
9
Die Strafkammer hat nicht bedacht, dass für die Annahme eines Hanges ein "dauerhafter Entschluss", Straftaten zu begehen, nicht erforderlich ist. Vielmehr kann eine entsprechende, in der Persönlichkeit liegende Neigung auch bei sog. Gelegenheits- und Augenblickstaten zu bejahen sein, denn auch solche Taten können auf einem eingeschliffenen Verhaltensmuster beruhen und damit Ausfluss eines inneren Hanges zu Straftaten sein (BGH NStZ-RR 2010, 238, 239). Entscheidend ist - und damit hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt -, ob frühere Taten einen symptomatischen Charakter aufweisen und damit Indizwert für das Vorliegen eines gefährlichen Hanges haben (Fischer StGB 58. Aufl. § 66 Rn. 24). Auf die Ursache für das eingeschliffene Verhaltensmuster kommt es dabei nicht an (vgl. Senat, Urteil vom 11. September 2002 - 2 StR 193/02; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 11, BGH, Urteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09; vgl. auch Fischer aaO § 66 Rn. 25 mwN). Einen Hang kann auch haben, wer willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht genügend widerstehen kann (BGH NStZ 2003, 310, 311; NStZ-RR 2003, 107, 108) oder wer aufgrund erhöhter Aggressionsbereitschaft dazu neigt, mit einer strafbaren Handlung auf einen äußeren Tatanstoß zu reagieren (BGH NStZ 1994, 280; NStZ-RR 2010, 238, 239). Selbst wenn sich eine Suchterkrankung als alleinige Ursache für die Kriminalität eines Täters feststellen lässt, scheidet die Annahme eines Hanges im Sinne des § 66 http://www.juris.de/jportal/portal/t/jz2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=17&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE304728705&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - StGB nicht aus (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10). Entsprechend ist auch dann, wenn sich die Straftaten als Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung und der damit einhergehenden Neigung zu aggressivem Ausagieren darstellen, ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der abgeurteilten Tat und den die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung begründenden Taten für die Neigung des Angeklagten zur Begehung von erheblichen Straftaten nicht ausgeschlossen (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 238, 239).
10
3. Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist daher neu zu entscheiden.
11
a) Die formellen Voraussetzungen für die zwingende Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor. Der Angeklagte wurde zwar zweimal wegen vorsätzlicher Straftaten zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr verurteilt ; doch nur die Verurteilung aus 1999 erfolgte vor Begehung der Anlasstat am 7. März 2010. Die Verurteilung wegen der beiden am 24. Januar 2009 begangenen Taten erfolgte erst mit Urteil vom 11. Mai 2010, weshalb es an der für § 66 Abs. 1 StGB notwendigen Feststellung der kriminellen Intensität des Täters fehlt, die verlangt, dass er mindestens zweimal die Warnfunktion eines Strafurteils missachtet haben muss (BGHSt 52, 225, 226; 35, 6, 12; vgl. Rissing-van Saan LK StGB 12. Aufl. § 66 Rn. 49).
12
Nach den Urteilsfeststellungen sind aber die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2 StGB a.F. erfüllt. Der Angeklagte hat wegen drei vorsätzlicher Taten - der hier abgeurteilten Tat und zwei gesamtstrafen fähiger Taten - Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren verwirkt und ist wegen dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von über drei Jahren verurteilt worden. Dem steht nicht entgegen, dass in die Gesamtstrafe bereits abgeurteilte Straftaten einbezogen wurden. § 66 Abs. 2 StGB a.F. verlangt lediglich, dass der Täter in dem Verfahren, in dem über die Frage der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist, wegen einer Tat verurteilt wird (BGH NStZ 2002, 536, 537).
13
b) Das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) hat nichts zugunsten des Angeklagten geändert (vgl. § 2 Abs. 6 StGB; Art. 316e Abs. 2 EGStGB). Sowohl bei der Anlasstat als auch bei den beiden Vortaten handelt es sich um Katalogtaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB in der seit dem 1. Januar 2011 wirksamen Fassung (vgl. Art. 316e Abs. 1, 2 EGStGB).
14
c) Eine Anordnung der Sicherungsverwahrung kommt auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 ff.) aufgestellten Anforderungen an die befristete weitere Anwendung der als verfassungswidrig erklärten Regelungen des Strafgesetzbuchs über die Sicherungsverwahrung noch in Betracht. Danach darf die Anwendung der Regelungen nur noch nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen, und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird in der Regel nur gewahrt sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstrafen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten" ist (BVerfG aaO S. 1946).
15
Aufgrund der Urteilsfeststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine entsprechende Gefahrprognose gestellt werden kann. Im Rahmen dessen wird der neue Tatrichter jedoch ergänzend klarstellen müssen, welche konkreten Rechtsgüter gefährdet sind. Die Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil lassen nicht mit der notwendigen Klarheit erkennen, ob es seine Prognose, von dem Angeklagten seien auch in Zukunft Straftaten wie die bereits verübten zu erwarten, durch den angebrachten Zusatz, "nämlich speziell (gefährliche) Körperverletzungsdelikte seien zu befürchten", einschränken wollte (UA S. 22).
16
4. Die gebotene Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Sicherungsverwahrung anzuordnen, führt, insoweit zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO), zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann trotz an sich rechtsfehlerfreier Strafzumessungserwägungen nicht ausschließen, dass die verhängte Einzelfreiheitsstrafe und die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht zugleich auf Sicherungsverwahrung erkannt hätte (vgl. BGH NJW 1980, 1055, 1056; StV 2002, 480, NStZ-RR 2003, 107, 108).
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

5 StR 316/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. Oktober 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2006, an der teilgenommen haben:
Richter Häger als Vorsitzender,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 7. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist,
b) im Strafausspruch, insoweit zugunsten des Angeklagten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sieben Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (§§ 174 Abs. 1 Nr. 1, 176 Abs. 1, 176a Abs. 1 StGB jeweils a.F.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt, wobei unter Auflösung einer früheren Gesamtstrafe die früher verhängten Einzelstrafen (vier Jahre und sechs Monate sowie zweimal drei Monate) einbezo- gen worden sind. Die Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich allein dagegen , dass das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat. Das mit der Verletzung sachlichen Rechts begründete Rechtsmittel , das von der Bundesanwaltschaft vertreten wird, hat Erfolg; die Revision führt zugleich zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung des Strafausspruchs, der mit der Frage der Anordnung von Sicherungsverwahrung inhaltlich verknüpft ist.
2
1. Die Urteilsgründe weisen aus, dass die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB erfüllt sind (neu verhängte Einzelstrafen neun Monate, ein Jahr und neun Monate, fünfmal drei Jahre sowie drei Jahre und sechs Monate). Zum Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB hat das Landgericht den Sachverständigen P. gehört, der dem Angeklagten eine „gesteigerte sexuelle Triebhaftigkeit“ sowie „Anwendung von körperlicher Gewalt als Ausdruck von Impulsivität und mangelnder Bereitschaft zu rationaler Verhaltenskontrolle“ attestiert und einen Hang mit der Erwägung bejaht hat, dass „zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch unter Beachtung zunehmend krimineller Entwicklung , Ähnlichkeit der Straftaten, impulsiver Charakterstruktur und bisher missglückter Sozialisierung die Gefahr erheblicher rechtswidriger strafbarer Handlungen in bedeutsamem Maße wahrscheinlich“ sei. Gleichwohl hat die Strafkammer die Voraussetzungen eines Hanges verneint, weil unter anderem „die Missbrauchshandlungen im häuslichen Bereich typische Gelegenheitstaten“ seien, und darüber hinaus eine künftige Gefährlichkeit „im Hinblick auf das geringe Alter des Angeklagten und der Wirkungen des langjährigen Haftvollzuges mit der Möglichkeit sozialtherapeutischer Behandlung“ nicht bejaht.
3
Die Begründung, mit der das Landgericht den materiellen Anordnungsgrund nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint und von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar ist der Tatrichter nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen; denn dieses kann stets nur eine Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung sein. Will der Tatrichter jedoch eine Frage, zu der er einen Sachverständigen gehört hat, im Widerspruch zu dessen Gutachten lösen, muss er sich in einer Weise mit den Darlegungen des Sachverständigen auseinandersetzen, die erkennen lässt, dass er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat (vgl. BGH NStZ 2000, 550, 551; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 33 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
4
a) Die Revision beanstandet mit Recht die nicht ausreichenden Ausführungen des Landgerichts zu der Wertung, dass es sich lediglich um „Gelegenheitstaten“ gehandelt habe und Symptomtaten nicht vorgelegen hätten. Die Strafkammer stellt entscheidend darauf ab, dass die Taten „innerhalb eines kurzen Zeitraums von ca. vier Monaten“ begangen wurden. Die „Missbrauchshandlungen im häuslichen Bereich (seien) typische Gelegenheitstaten , die durch die Autorität des Angeklagten im Familienverbund und die mangelnde Widerstandskraft des Opfers gekennzeichnet“ seien.
5
Alle abgeurteilten Missbrauchstaten betreffen Sexualdelikte, die sich in ähnlicher Weise angebahnt und zugetragen haben. Schon diese näheren Umstände der Taten lassen die Annahme von Gelegenheitstaten als fernliegend erscheinen. Darüber hinaus berücksichtigt das Landgericht nicht ausreichend, dass auch eine Gelegenheitstat eine Hang- bzw. Symptomtat sein kann. Die Anwendung des § 66 StGB ist unter dem Gesichtspunkt des Gelegenheitscharakters der Tat lediglich dann ausgeschlossen, wenn eine äußere Tatsituation oder Augenblickserregung die Tat allein verursacht hat (vgl. BGH MDR 1980, 326, 327; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 7). Das angefochtene Urteil lässt zudem nicht erkennen, ob die Strafkammer bei der Gesamtwürdigung den Brief des Angeklagten an seine damalige Lebensgefährtin angemessen berücksichtigt hat. Darin heißt es hinsichtlich des seinerzeit 10-jährigen Tatopfers: „Wie Du ja weißt, möchte ich das nicht aufgeben, auch wenn ich mal gesagt hatte, dass damit Schluß wäre…“. In Bezug auf die seinerzeit 5-jährige Schwester des Tatopfers schreibt der Angeklagte: „ … wo es dabei um Biene geht. Das Du darüber nicht so begeistert warst, weiß ich ja. Denn wir hatten ja ausgemacht, dass es bei ihr nicht wird … Das Bienchen zu allem ja sagen würde, auch zu dem, wenn ich Sie das eine Fragen würde, glaub ich Dir. Denn Biene hängt ja total an mir.“ Weiterhin enthält der Brief folgende Passage: „Und deswegen hatte ich ja eigentlich gedacht, dass Sie deine Pille nehmen könnte. Aber Du hast mir ja heute gesagt, dass es nicht geht, weil die Pille zu stark wäre.“ Nach Bewertung des Sachverständigen lässt der Angeklagte in dem Brief Entschlossenheit zur Durchführung weiterer gleichartiger Missbrauchstaten gegenüber dem Opfer und zusätzlich noch gegenüber dessen jüngerer Schwester erkennen. Angaben dazu, ob überhaupt und wie sich der Angeklagte hiervon in der Hauptverhandlung überzeugend distanziert hat, fehlen.
6
b) Auch die Hilfserwägungen des Landgerichts zur Ermessensausübung sind unter diesen Umständen unzureichend. Insbesondere die Annahme des Landgerichts, die zu erwartenden Wirkungen des Strafvollzugs würden eine gefahrenreduzierende Verhaltensänderung zu Gunsten des Angeklagten bewirken, ist nicht ausreichend begründet. Ohne zu wissen, wie sich der Angeklagte zu seinen in dem genannten Brief geäußerten Wünschen und Vorstellungen nunmehr verhält, kann eine derartige Prognose nicht sachgerecht gestellt werden. Auch die vom Angeklagten gegenüber der Anstaltspsychologin erklärte Therapiebereitschaft ist wenig aussagekräftig, da die Bewertungen des psychiatrischen Sachverständigen und der Anstaltspsychologin hierzu im Urteil nicht mitgeteilt werden.
7
c) Bei dieser Sachlage kann die Begründung für die beanstandete Ablehnung der Maßregelanordnung gegen den jetzt 26-jährigen Angeklagten – auch angesichts ähnlich motivierter Taten zum Nachteil derselben Ge- schädigten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10) – nicht genügen.
8
2. Die daher gebotene Aufhebung des Urteils, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist, führt – allein zugunsten (§ 301 StPO) des Angeklagten – zur Aufhebung der hier verhängten Einzelstrafen und des Gesamtstrafausspruchs. Die Strafzumessung ist zwar für sich nicht zu beanstanden; der Angeklagte ist für seine Taten zu Recht schwer bestraft worden. Im Hinblick auf die Erwägungen des Urteils zu den möglichen Auswirkungen des Vollzugs der Strafe vermag der Senat aber nicht auszuschließen, dass die Strafen niedriger bemessen worden wären, wenn das Landgericht zugleich auf Sicherungsverwahrung erkannt hätte (vgl. BGHR § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 2).
Häger Raum Brause Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 210/10
vom
8. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Juli 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. Januar 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Beisichführung eines sonstigen Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen ge- eignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vier Monate der erkannten Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, dass das Landgericht die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat; außerdem hält sie eine Änderung des Schuldspruchs für geboten.
3
Die Rechtsmittel haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet.
4
1. Der Schuldspruch bedarf der Berichtigung.
5
a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden bei der Durchsuchung des betäubungsmittelabhängigen Angeklagten, der sich auf einer Drogenverkaufsfahrt befand, und des von ihm genutzten Fahrzeugs Betäubungsmittel aufgefunden. Dabei handelte es sich um 1,9 g Heroin mit einer Wirkstoffkonzentration von 44,3 % und 0,422 g Kokain mit einer Wirkstoffkonzentration von 50,2 % sowie sieben Bubbles Heroin mit einem Gesamtgewicht von 34,4 g, einer Wirkstoffkonzentration von 18 % und einem Wirkstoffgehalt von 6,81 g. Außerdem führte der Angeklagte bei dieser Fahrt an seinem Gürtel ein Springmesser mit einer einseitig geschliffenen, ca. sieben Zentimeter langen, nach vorne spitz zulaufenden Klinge mit sich, das auf Grund seiner Beschaffenheit geeignet und bestimmt war, andere Menschen zu verletzen. Bei einer anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung wurden weitere 20,8 g Heroin mit einer Wirkstoffkonzentration von 46 %, zwei digitale Feinwaagen und ein Mixer, die jeweils Betäubungsmittelanhaftungen aufwiesen, Streckmittel, Verpackungstüten und 1.100 Euro Bargeld gefunden.
6
Das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass ein die Grenze zur nicht geringen Menge nicht übersteigender Teil der Drogen zum Eigenkonsum und der Rest - darunter das in dem Fahrzeug aufgefundene, in verkaufsfertige Bubbles verpackte Heroin - zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Es ist außerdem zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass dieser sämtliche sichergestellten Drogen in einem Ankauf erworben hat.
7
b) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt hinsichtlich der gesamten zum Weiterverkauf bestimmten Heroinmenge den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das in § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG genannte Qualifikationsmerkmal prägt, auch wenn es nur bei einem einzelnen auf Umsatz gerichteten Teilakt verwirklicht ist, das gesamte einheitliche Geschehen, so dass eine Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 1996 - 1 StR 609/96, BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 2; vgl. auch Weber BtMG 3. Aufl. § 30 a Rdn. 196). Für eine tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist daneben kein Raum. Der bis zu der Verkaufsfahrt allein erfüllte Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wird durch den Qualifikationstatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch dann verdrängt, wenn dieser nur beim letzten Teilakt des Gesamtgeschehens verwirklicht wurde (vgl. BGH aaO).
8
Soweit der Angeklagte die Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erworben hat, erfüllt dies - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht die Alternative des unerlaubten Sichverschaffens, sondern die des unerlaubten Erwerbs im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Der Tatbestand des Erwerbs ist dann erfüllt, wenn der Täter - wie hier - die Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer erlangt hat (vgl. Weber aaO § 29 Rdn. 1046 m.w.N.); nur wenn ein solches Zusammenwirken nicht vorliegt oder nicht nachweisbar ist, liegt der Auffangtatbestand des Sichverschaffens vor (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 1993 - 4 StR 318/93, StV 1993, 570 f.; vgl. auch Weber aaO § 29 Rdn. 1110).
9
Der Senat ändert den Schuldspruch daher wie aus der Urteilsformel ersichtlich ab.
10
2. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
Nach den Urteilsfeststellungen liegen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB vor. Der 1961 geborene Angeklagte, der seit 1998 regelmäßig Heroin konsumiert , ist vor der hier abgeurteilten Tat bereits zweimal wegen einschlägiger, in den Jahren 1999, 2002 und 2003 begangener Delikte verurteilt worden, wobei mehrfach Einzelstrafen von mehr als einem Jahr verhängt worden sind; er hat wegen dieser Taten insgesamt acht Jahre Freiheitsstrafe verbüßt. Eine Rückfallverjährung nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB ist wegen der Vollstreckungszeiten (§ 66 Abs. 4 Satz 4 StGB) nicht eingetreten.
12
Das Landgericht geht, in Übereinstimmung mit der psychiatrischen Sachverständigen davon aus, dass bei dem Angeklagten auf Grund charakterlicher Veranlagungen eine eingewurzelte, intensive Neigung zu Rechtsbrüchen in Form von Eigentumsdelikten bestehe. Eine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es jedoch abgelehnt, weil nicht festzustellen sei, ob die vorliegende Betäubungsmittelstraftat im Zusammenhang mit dieser charakterlichen Veranlagung stehe oder allein auf die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten zurückzuführen sei.
13
Gegen diese Begründung bestehen in zweifacher Hinsicht durchgreifende rechtliche Bedenken:
14
a) Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu Grunde gelegt hat dahingehend, dass der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang zur Begehung erheblicher Straftaten ausscheide, wenn die wiederholte Straffälligkeit eines Täters allein auf dessen Hang zu übermäßigem Konsum berauschender Mittel beruht.
15
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2002 - 2 StR 193/02, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 11; BGH, Urteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 66 Rdn. 25 m.w.N.). Deshalb scheidet, selbst wenn sich eine Monokausalität der Suchterkrankung eines Täters für dessen Kriminalität ausnahmsweise feststellen ließe, die Annahme eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben der eines Hanges im Sinne von § 64 StGB nicht aus. Der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang hätte seine Ursache in einem solchen Fall ausschließlich in der Suchterkrankung.
16
b) Zudem belegen die Urteilsgründe nicht, dass bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB, der sich ausschließlich auf Eigentumsdelikte bezieht, besteht. Sie geben lediglich die Schlussfolgerungen der Sachverständigen wieder, die insoweit offensichtlich allein an die lange zurückliegenden Eigentumsdelikte des Angeklagten, die dieser seit seinem 17. Lebensjahr in Russland begangen hat und wegen der er er dort dreimal zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, sowie seine allgemeine Einstellung zum Stehlen angeknüpft hat. Nähere Angaben zu Art und Umfang dieser Straftaten enthalten die Urteilsgründe nicht, so dass nicht geprüft werden kann, ob aus diesen Taten auf eine eingewurzelte intensive Neigung zu Rechtsbrüchen geschlossen werden kann. Hinzu kommt, dass dem Urteil nicht zu entnehmen ist, inwieweit die Sachverständige die Tatsache, dass der Angeklagte seit seiner Übersiedlung nach Deutschland im Jahre 1991 wegen Diebstahlstaten nur zweimal - und zwar in den Jahren 1992 und 1993 jeweils wegen Diebstahls geringwertiger Sachen - in Erscheinung getreten ist, bei ihrer Beurteilung berücksichtigt hat.
17
c) Über die Frage der Sicherungsverwahrung ist daher neu zu entscheiden.
18
Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, dass die Voraussetzungen sowohl für eine Unterbringung nach § 64 StGB als auch nach § 66 Abs. 1 StGB vorliegen, wird er zu prüfen haben, ob die Unterbringung des Angeklagten in beiden Maßregelformen oder nur in einer von ihnen anzuordnen ist. Dies beurteilt sich nach der Regelung des § 72 Abs. 1 StGB. Ist der Zweck der Maßregel bereits durch eine von mehreren geeigneten Maßregeln zu erreichen , so ist derjenigen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschwert , hier der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Allerdings setzt nach ständiger Rechtsprechung ein Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit voraus, dass die vom Angeklagten ausgehende Gefahr auf diese Weise beseitigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 326 f.; vgl. auch Fischer aaO § 72 Rdn. 7 m.w.N.). Angesichts der Tatsache, dass der regelmäßige Heroinkonsum des Angeklagten und das Einsetzen seiner Betäubungsmittelstraftaten in engem zeitlichem Zusammenhang stehen und dass der Angeklagte auf die Einkünfte aus dem Drogenhandel zur Finanzierung seines Eigenkonsums angewiesen war, liegt eine solche Folgerung allerdings nicht fern. Für sie könnte auch sprechen, dass der regelmäßige Betäubungsmittelmissbrauch beim Angeklagten erst in dessen 37. Lebensjahr eingesetzt und der therapiebereite Angeklagte noch keine Entwöhnungsbehandlung erfahren hat.
19
3. Im Hinblick auf die nicht rechtsfehlerfrei abgelehnte Sicherungsverwahrung hebt der Senat zu Gunsten des Angeklagten auch den Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf, da - zumal angesichts der Höhe der verhängten Strafe - nicht auszuschließen ist, dass diese im Falle einer Anordnung der Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1994 - 3 StR 679/93, BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1 m.w.N.; Urteil vom 21. Oktober 2004 - 4 StR 325/04, NStZ-RR 2005, 39, 40).
20
Die für sich genommen revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist wegen ihres hier bestehenden untrennbaren Zusammenhangs mit der erneuten Prüfung der Sicherungsverwahrung ebenfalls aufzuheben.
21
4. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass bei der Bestimmung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe nach § 67 Abs. 2 StGB dieser nicht um die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft zu kürzen ist, weil die auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) ohne Weiteres in die Dauer eines angeordneten Vorwegvollzugs einzurechnen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09 - und vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09; vgl. auch Fischer aaO § 67 Rdn. 9 a m.w.N.).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 190/11
vom
3. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. August
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen wurde,
b) im Strafausspruch, insoweit zugunsten des Angeklagten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und zwei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 11. Mai 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, mit der Sachrüge begründeten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft namentlich gegen die vom Landgericht abgelehnte Anordnung der Sicherungsverwahrung. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung und - insoweit zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - des gesamten Strafausspruchs.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der zur Tatzeit 44jährige Angeklagte seit vielen Jahren alkoholabhängig.
3
a) Bereits vor der Anlassverurteilung verurteilte ihn das Landgericht Aachen im Jahre 1999 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren , die er bis März 2008 verbüßte. Die wegen der Alkoholabhängigkeit des Angeklagten zugleich angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde von 1999 bis 2002 erfolglos vollzogen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte am 28. Dezember 1998 mit dem späteren Tatopfer zunächst über Stunden hinweg große Mengen Alkohol konsumiert hatte, bis sie schließlich in Streit geraten waren. Im Verlaufe dessen hatte der Angeklagte über einen längeren Zeitraum derart brutal und heftig auf das am Boden liegende Tatopfer eingeschlagen und -getreten, dass dieses kurze Zeit später an seinen Verletzungen verstorben war.
4
Am 11. Mai 2010 verurteilte ihn das Amtsgericht Aachen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Dem lag zugrunde, dass er wenige Monate nach seiner Haftentlassung zu seiner Freundin in deren Wohnung gezogen war. Ungefähr zeitgleich hatte er begonnen, wieder regelmäßig Alkohol zu trinken und infolge dessen ohne nachvollziehbaren Anlass zunehmend aggressiver zu reagieren. Am 24. Januar 2009 hatte er im stark betrunkenen Zustand nach einem Streit einen Stuhl nach der Tochter seiner Lebensgefährtin geworfen. Anschließend hatte er seiner Lebensgefährtin mehrfach ins Gesicht geschlagen, die nunmehr Flüchtende zu Boden gestoßen und ihr mit beschuhten Füßen mehrfach und mit erheblicher Wucht in den Bauch und gegen die Beine getreten.
5
b) Nach den zur Sache getroffenen Feststellungen kam es auch in der anschließenden Beziehung des Angeklagten zu der später Geschädigten K. vor allem deshalb zu Streitigkeiten, weil der Angeklagte infolge seines Alkoholkonsums zu Aggressionen neigte. Am 7. März 2010 fühlte er sich durch eine Bemerkung der Geschädigten provoziert, weshalb er mit Händen und Fäusten zunächst auf deren Körper und Kopf einschlug. Nachdem die flüchtende Geschädigte infolge weiterer Schläge schließlich zu Boden gegangen war, trat der Angeklagte - ohne dass Feststellungen zur Art seines Schuhwerks getroffen werden konnten - mindestens zwei Mal mit dem beschuhten Fuß auf sie ein. Die Kammer hat weiter festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seiner zur Tatzeit erheblichen Alkoholisierung in Verbindung mit der bei ihm aufgrund seiner langjährigen Alkoholabhängigkeit bereits eingetretenen Persönlichkeitsdepravation nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Für diese Tat hat sie eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren festgesetzt.
6
c) Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Satz 1 StGB hat die Kammer abgesehen. Die vorliegende Tat gehe zwar auf einen Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, zurück, und dieser Hang begründe auch die Gefahr künftiger erheblicher Straftaten. Eine Entziehungstherapie sei jedoch aufgrund der bei dem Angeklagten bereits eingetretenen alkoholbedingten Persönlichkeitsdepravation nicht erfolgversprechend. Er sei abstinenzunfähig und nicht in der Lage, seine Alkoholabhängigkeit als Problem zu erkennen und entsprechend zu handeln.
7
Die sachverständig beratene Strafkammer hat - ohne Ausführungen zu den formellen Voraussetzungen zu machen - eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgelehnt, weil bei dem Angeklagten ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. nicht vorliege. Es bestehe zwar das Risiko, dass der Angeklagte auch weiterhin alkoholbedingt Straftaten wie die bereits verübten begehen werde und daher für die Allgemeinheit gefährlich sei. Die zu erwartenden Straftaten beruhten indes nicht auf einem bestehenden eingeschliffenen inneren Zustand bzw. einer auf charakterlicher Anlage beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung zu Rechtsbrüchen, sondern stellten sich - wie auch die früheren Taten - "jeweils in Verbindung mit der Erkrankung des Angeklagten als situativ entstandene und eskalierte Konflikt- bzw. Spontantaten dar", die eine Hangtäterschaft gerade nicht begründeten (UA S. 21).
8
2. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. zu Grunde gelegt hat.
9
Die Strafkammer hat nicht bedacht, dass für die Annahme eines Hanges ein "dauerhafter Entschluss", Straftaten zu begehen, nicht erforderlich ist. Vielmehr kann eine entsprechende, in der Persönlichkeit liegende Neigung auch bei sog. Gelegenheits- und Augenblickstaten zu bejahen sein, denn auch solche Taten können auf einem eingeschliffenen Verhaltensmuster beruhen und damit Ausfluss eines inneren Hanges zu Straftaten sein (BGH NStZ-RR 2010, 238, 239). Entscheidend ist - und damit hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt -, ob frühere Taten einen symptomatischen Charakter aufweisen und damit Indizwert für das Vorliegen eines gefährlichen Hanges haben (Fischer StGB 58. Aufl. § 66 Rn. 24). Auf die Ursache für das eingeschliffene Verhaltensmuster kommt es dabei nicht an (vgl. Senat, Urteil vom 11. September 2002 - 2 StR 193/02; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 11, BGH, Urteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09; vgl. auch Fischer aaO § 66 Rn. 25 mwN). Einen Hang kann auch haben, wer willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht genügend widerstehen kann (BGH NStZ 2003, 310, 311; NStZ-RR 2003, 107, 108) oder wer aufgrund erhöhter Aggressionsbereitschaft dazu neigt, mit einer strafbaren Handlung auf einen äußeren Tatanstoß zu reagieren (BGH NStZ 1994, 280; NStZ-RR 2010, 238, 239). Selbst wenn sich eine Suchterkrankung als alleinige Ursache für die Kriminalität eines Täters feststellen lässt, scheidet die Annahme eines Hanges im Sinne des § 66 http://www.juris.de/jportal/portal/t/jz2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=17&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE304728705&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - StGB nicht aus (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10). Entsprechend ist auch dann, wenn sich die Straftaten als Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung und der damit einhergehenden Neigung zu aggressivem Ausagieren darstellen, ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der abgeurteilten Tat und den die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung begründenden Taten für die Neigung des Angeklagten zur Begehung von erheblichen Straftaten nicht ausgeschlossen (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 238, 239).
10
3. Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist daher neu zu entscheiden.
11
a) Die formellen Voraussetzungen für die zwingende Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor. Der Angeklagte wurde zwar zweimal wegen vorsätzlicher Straftaten zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr verurteilt ; doch nur die Verurteilung aus 1999 erfolgte vor Begehung der Anlasstat am 7. März 2010. Die Verurteilung wegen der beiden am 24. Januar 2009 begangenen Taten erfolgte erst mit Urteil vom 11. Mai 2010, weshalb es an der für § 66 Abs. 1 StGB notwendigen Feststellung der kriminellen Intensität des Täters fehlt, die verlangt, dass er mindestens zweimal die Warnfunktion eines Strafurteils missachtet haben muss (BGHSt 52, 225, 226; 35, 6, 12; vgl. Rissing-van Saan LK StGB 12. Aufl. § 66 Rn. 49).
12
Nach den Urteilsfeststellungen sind aber die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2 StGB a.F. erfüllt. Der Angeklagte hat wegen drei vorsätzlicher Taten - der hier abgeurteilten Tat und zwei gesamtstrafen fähiger Taten - Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren verwirkt und ist wegen dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von über drei Jahren verurteilt worden. Dem steht nicht entgegen, dass in die Gesamtstrafe bereits abgeurteilte Straftaten einbezogen wurden. § 66 Abs. 2 StGB a.F. verlangt lediglich, dass der Täter in dem Verfahren, in dem über die Frage der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist, wegen einer Tat verurteilt wird (BGH NStZ 2002, 536, 537).
13
b) Das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) hat nichts zugunsten des Angeklagten geändert (vgl. § 2 Abs. 6 StGB; Art. 316e Abs. 2 EGStGB). Sowohl bei der Anlasstat als auch bei den beiden Vortaten handelt es sich um Katalogtaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB in der seit dem 1. Januar 2011 wirksamen Fassung (vgl. Art. 316e Abs. 1, 2 EGStGB).
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c) Eine Anordnung der Sicherungsverwahrung kommt auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 ff.) aufgestellten Anforderungen an die befristete weitere Anwendung der als verfassungswidrig erklärten Regelungen des Strafgesetzbuchs über die Sicherungsverwahrung noch in Betracht. Danach darf die Anwendung der Regelungen nur noch nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen, und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird in der Regel nur gewahrt sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstrafen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten" ist (BVerfG aaO S. 1946).
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Aufgrund der Urteilsfeststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine entsprechende Gefahrprognose gestellt werden kann. Im Rahmen dessen wird der neue Tatrichter jedoch ergänzend klarstellen müssen, welche konkreten Rechtsgüter gefährdet sind. Die Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil lassen nicht mit der notwendigen Klarheit erkennen, ob es seine Prognose, von dem Angeklagten seien auch in Zukunft Straftaten wie die bereits verübten zu erwarten, durch den angebrachten Zusatz, "nämlich speziell (gefährliche) Körperverletzungsdelikte seien zu befürchten", einschränken wollte (UA S. 22).
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4. Die gebotene Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Sicherungsverwahrung anzuordnen, führt, insoweit zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO), zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann trotz an sich rechtsfehlerfreier Strafzumessungserwägungen nicht ausschließen, dass die verhängte Einzelfreiheitsstrafe und die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht zugleich auf Sicherungsverwahrung erkannt hätte (vgl. BGH NJW 1980, 1055, 1056; StV 2002, 480, NStZ-RR 2003, 107, 108).
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott