Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2019 - 2 StR 187/19

bei uns veröffentlicht am18.09.2019
vorgehend

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 187/19
vom
18. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:180919B2STR187.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. September 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. Januar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten ausweislich des Urteilstenors wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr der Freiheitsstrafe angeordnet. Ausweislich der Urteilsgründe hat das Landgericht hingegen angenommen, der Angeklagte habe sich statt wegen besonders schweren Raubes wegen versuchten besonders schweren Raubes schuldig gemacht.
2
Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat wegen des Widerspruchs im Schuldspruch zwischen Urteilsformel und Urteilsgründen in vollem Umfang Erfolg.
3
1. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil der in der Urteilsformel zum Ausdruck kommende Schuldspruch – Verurteilung wegen besonders schweren Raubes – von den in den Urteilsgründen getroffenen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung – versuchter besonders schwerer Raub – nicht getragen wird. Es liegt kein für alle Beteiligten klar zu Tage tretendes Fassungsoder Schreibversehen vor (vgl. dazu nur BGH, Beschluss vom 4. Juli 2019 – 5 StR 154/19, juris Rn. 7 mwN), das eine Tenorberichtigung ermöglichen würde. Es handelt sich auch nicht um eine Fallgestaltung, bei der ohne Weiteres ersichtlich wird, dass der Tatrichter seine Erwägungen in Wirklichkeit nicht auf den in den Urteilsgründen, sondern auf den in der Urteilsformel zum Ausdruck gebrachten Schuldspruch bezogen hat und dass dies trotz der anderslautenden Entscheidungsgründe dem Beratungsergebnis entspricht. Vielmehr wird die Urteilsformel von den Feststellungen nicht zweifelsfrei getragen.
4
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass sich der kokain- und alkoholabhängige Angeklagte am 4. August 2018 in einen Lebensmitteldiscounter begab, um Alkohol zu stehlen. Er sah in der Tüte einer an der Kasse wartenden Zeugin eine Geldbörse und wollte diese an sich bringen. Er folgte der Zeugin aus dem Gebäude und sprühte ihr, nachdem er sich vergewissert hatte, dass keine Passanten in der Nähe waren, Pfefferspray in Richtung des Gesichts, um die nunmehr in der Hand der Geschädigten befindliche Geldbörse und andere stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Er versuchte, die Einkaufstüten zu ergreifen und entriss der Zeugin außerdem kurzzeitig die Geldbörse. Die Zeugin wehrte sich heftig und hielt den Angeklagten an seinem T-Shirt fest. Im weiteren Verlauf des Gerangels verlor der Angeklagte die Geldbörse wieder. Nachdem einige Passanten aufgrund der Hilferufe der Zeugin herbeigeeilt waren, gab sich der Angeklagte geschlagen und wartete auf das Eintreffen der Polizei.
5
b) Diese Feststellungen ermöglichen keine zweifelsfreie Beurteilung, ob die Raubtat bereits vollendet war.
6
aa) Eine Sache ist weggenommen und ihr Raub ist vollendet, wenn der Gewahrsam des bisherigen Inhabers aufgehoben und die Sache in die tatsächliche Verfügungsmacht des Räubers gelangt ist. Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter diese derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens; die Erlangung gesicherten oder gefestigten Gewahrsams ist nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 6. Oktober 1961 – 2 StR 289/61, BGHSt 16, 271, 273; BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08, NStZ 2008, 624, 625; vom 6. März 2019 – 5 StR 593/18, juris Rn. 4 f.).
7
bb) Hiervon ausgehend erweisen sich die getroffenen Feststellungen als ambivalent. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen, wie etwa bei Geldscheinen sowie Geld- und Schmuckstücken, lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen (BGH, Urteil vom 21. April 1970 – 1 StR 45/70, BGHSt 23, 254, 255; vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09, NStZ 2011, 158), weshalb in Betracht kommt, wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertreten, im Entreißen der Geldbörse eine zur Vollendung des Raubdelikts führende Gewahrsamserlangung zu sehen. Konnte allerdings der Angeklagte den Geldbeutel nur kurzzeitig der Geschädigten entreißen, während diese ihn durchgehend am T-Shirt festhielt und mit ihm rang, liegt die Annahme nahe, dass der Angeklagte die Sachherrschaft am Geldbeutel noch nicht ohne Behinderung durch die Geschädigte ausüben konnte, mithin die Raubtat noch nicht vollendet war. Wie sich die Sache hier verhalten hat, lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.
8
c) Dieser Rechtsfehler muss zur Aufhebung des Schuldspruchs und in dessen Folge auch des gesamten Rechtsfolgenausspruchs führen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auch der Rechtsfolgenausspruch auf der Annahme eines – wie tenoriert – vollendeten Raubdelikts fußt.
9
2. Für die neue Verhandlung weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
10
a) Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass es hinsichtlich des Geldbeutels noch nicht zu einem Wechsel der tatsächlichen Sachherrschaft gekommen war, wird er die Frage nach einem Rücktritt des Angeklagten vom Versuch (§ 24 StGB) in den Blick zu nehmen haben. Auch hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Allein die Feststellung, der Angeklag- te habe sich „geschlagen gegeben“, lässt nicht erkennen, ob nach dessen Vor- stellung nach dem Ende seiner letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont , vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; vom 13. März 2018 – 4 StR 531/17, NStZ 2018, 468) die Tat mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln noch hätte vollendet werden können und er durch freiwilliges Abstandnehmen von weiteren Ausführungshandlungen vom Versuch der Körperverletzung strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. Senat, Urteil vom 2. November 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306), oder ob er erkannt hat oder subjektiv davon ausging, dass eine Vollendung nicht mehr möglich ist, der Versuch also fehlgeschlagen war und ein strafbefreiender Rücktritt von vorneherein ausscheidet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 mwN).
11
b) Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB und der §§ 64, 67 Abs. 2 StGB zu treffen, naheliegender Weise unter Hinzuziehung eines neuen Sachverständigen. Die bisherigen Erwägungen des Landgerichts erweisen sich als nicht tragfähig.
12
Bedenken begegnet schon die ohne nähere Erläuterung getroffene Fest- stellung, der Angeklagte habe zum Tatzeitpunkt eine „Atemalkoholkonzentration von etwa 1 Promille“ aufgewiesen. Dies ist nicht nachvollziehbar, da das Er- gebnis einer Atemalkoholmessung die in g oder mg bestimmte Äthylalkoholmenge in einem bestimmten Atemvolumen darstellt. Die Strafkammer hat also entweder nicht das konkrete Messergebnis (zur Frage einer direkten Konvertierbarkeit von AAK- in BAK-Werte vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2001 – 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358 Rn. 17 ff.) oder aber irrtümlich ein unzutreffen- des Messergebnis mitgeteilt und damit nicht ausschließbar einen unzutreffenden Grad der Alkoholisierung seiner Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zugrunde gelegt.
13
Soweit die Strafkammer ihre Annahme vollständig erhaltener Schuldfä- higkeit darauf stützt, der Angeklagte habe „unter keinem besonderen Suchtdruck gestanden“, steht dies im Widerspruch zu den zu § 64 StGB getroffenen Feststellungen. Danach hat der Angeklagte, der seit dem 11. Lebensjahr Alkohol und dem 14. Lebensjahr regelmäßig Drogen, Kokain und Ecstasy konsumierte , mit dem entwendeten Geld seine Kokainsucht finanzieren wollen und stand „unter einem erheblichen Suchtdruck“. Ferner hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht, dass die Anwendung des § 21 StGB bei Beschaffungsdelikten eines Rauschmittelabhängigen nicht in jedem Fall davon abhängt, dass er zur Tatzeit unter aktuellen körperlichen Entzugserscheinungen gelitten hat. Es ist vielmehr nicht ausgeschlossen, dass die Angst des Täters vor Entzugser- scheinungen, die er schon als äußerst unangenehm erlebt hat und als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hemmungsvermögen erheblich beeinträchtigen kann (vgl. Senat, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05, NStZ 2006, 151, 152 mwN).
14
Auch die bislang erfolgte Bestimmung der Therapiedauer ist nicht frei von Bedenken. Der Sachverständige hat ausgehend von seiner Diagnose eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt „für indiziert und angemessen“ und eine „Langzeittherapie von 6 Monaten“ für erforderlich gehalten. Das ist offen- kundig in sich widersprüchlich. Ihre hiervon abweichende Annahme, eine Therapiedauer von einem Jahr sei erforderlich, stützt die Kammer auf nicht näher ausgeführte „Erfahrungen der Kammer in gleichgelagerten Fällen und mit dem hessischen Maßregelvollzug“. Auch damit ist die erforderliche individuelle Fest- legung einer Therapiedauer (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2013 – 4 StR 60/13, juris Rn. 3; vgl. zum Zusammenhang von Therapiedauer und konkreter Erfolgsaussicht BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, BGHR StGB § 64 Satz 2 nF Erfolgsaussicht 2 mwN) nicht tragfähig begründet. Es kann dahinstehen, ob das nach § 246a StPO zur Hinzuziehung eines Sachverständigen verpflichtete Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden einen weiteren Sachverständigen hinzuziehen musste, oder ob das Gutachten dem Gericht noch die erforderliche Sachkunde vermitteln konnte. Denn die – auch insoweit recht knappen – Urteilsgründe erlauben nicht die Nachprüfung, ob das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen zutreffend und hinreichend sachkundig gewürdigt und aus ihnen rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat, wozu es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit dessen Bekundungen bedurft hätte, insbesondere zu den Gesichtspunkten und Erkenntnissen, auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 – 3 StR 368/17, juris Rn. 11; KK-StPO/Krehl, 8. Aufl., § 246a Rn. 4).
Franke Krehl Eschelbach Meyberg Grube

Vorinstanz:
Frankfurt (Main), LG, 03.01.2019 - 3550 Js 238508/18 5/29 KLs 7/18

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


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Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


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Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

7
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen, sobald ein Urteil vollständig verkündet worden ist, nur noch offensichtliche Schreibversehen und Unrichtigkeiten berichtigt werden (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 16. Juni 1953 – 1 StR 508/52, BGHSt 5, 5, 10; Beschluss vom 28. Mai 1974 – 4 StR 633/73, BGHSt 25, 333, 336). „Offensichtlich“ im Sinne dieser Rechtsprechung sind nur solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss – auch ohne Berichtigung – eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht (BGH, Urteile vom 3. Februar 1959 – 1 StR 644/58, BGHSt 12, 374, 376, und vom 14. Januar 2015 – 2 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 119, 120). Besondere Zurückhaltung ist geboten, wenn die Berichtigung sich nicht auf Nebensächlichkeiten, sondern auf wesentliche Elemente des Urteils bezieht, so dass durch sie zugleich ein dem Urteil in der ursprünglichen Fassung anhaftender rechtlicher Mangel beseitigt wird (vgl. BGHSt aaO, S. 377).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 182/08
vom
26. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 2. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Bedrohung verurteilt worden ist;
b) im Gesamtstrafenausspruch. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung wegen schweren Raubes, und die des Angeklagten, der mit der allgemeinen Sachrüge einen Freispruch anstrebt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg, das des Angeklagten führt lediglich zur Aufhebung der Verurteilung wegen Bedrohung.

I.

2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der Angeklagte hatte vor geraumer Zeit seinen Laptop zur Reparatur in das Computerfachgeschäft des Geschädigten, des Zeugen M. , gebracht. Am Tattag erschien er erneut in dem Ladenlokal. Zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen kam es alsbald zu einem Wortgefecht und der Aufforderung des sehr impulsiven Angeklagten, ihm einen neuen Laptop zu geben, da - was nicht zutraf - der Zeuge das Gerät des Angeklagten beschädigt habe. Daraufhin legte der Zeuge M. den Laptop des Angeklagten auf den Verkaufstresen und forderte ihn auf, das Geschäft zu verlassen. Der Angeklagte nahm ein auf dem Tresen liegendes kleines Messer an sich und hielt es dem Geschädigten kurz an den Bauch. Nachdem der Angeklagte wieder vom Zeugen abgelassen hatte, nahm er einen IBM-Laptop zum Verkaufspreis von 899 Euro aus einem Regal und verließ damit das Ladenlokal. Der Zeuge M. folgte ihm sogleich nach und ergriff, als er den Angeklagten auf dem Gehweg erreicht hatte, das Notebook, um es dem Angeklagten wieder zu entwinden. Dieser versetzte dem Zeugen nunmehr einen Stoß mit dem Kopf, wodurch dieser eine blutende Platzwunde an der Oberlippe erlitt. Das Gezerre um das Notebook setzte sich fort, bis der Angeklagte davon abließ, weil er sein Interesse daran verloren hatte und sich entfernte.
4
2. Das Landgericht hat die Handlungen des Angeklagten lediglich als Bedrohung und als Körperverletzung gewertet. Wegen eines Wegnahmedeliktes hat es den Angeklagten nicht verurteilt, da ein solches nicht vollendet sondern nur versucht worden und der Angeklagte von einem Versuch strafbefreiend zurückgetreten sei.

II.

5
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Urteils.
6
1. Das Landgericht hat seiner Prüfung, ob die Wegnahme des Laptops vollendet war, als der Angeklagte von dem Gegenstand abließ, einen zu engen Maßstab zugrunde gelegt. Die Annahme, die Wegnahmehandlung sei nicht vollendet gewesen, hält deshalb rechtlicher Prüfung nicht stand.
7
Nach der Rechtsprechung ist die zur Vollendung des Diebstahls führende Wegnahme dann vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann (BGHSt 16, 271, 273 ff.) und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen (Fischer, StGB 55. Aufl. § 242 Rdn. 17 m. w. N.). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens (BGHSt 23, 254, 255). Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus.
8
Hiervon ausgehend lässt die Rechtsprechung bei handlichen und leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen des Gegenstands als Wegnahmehandlung genügen und weist in Fällen, in denen der Täter einen leicht zu transportierenden Gegenstand an sich gebracht hat, einer Person jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft zu, wenn sie den umschlossenen Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers verlassen hat (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1967, 896; BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 1; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 140, 141; Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn. 42). Daran ändert auch grundsätzlich die Beobachtung des auf frischer Tat betroffenen Täters nichts, da der Diebstahl keine heimliche Tat ist. Die Entdeckung des Täters gibt vielmehr nur die Möglichkeit , ihm die Sache wieder abzunehmen (vgl. BGHR StGB aaO).
9
Diese Grundsätze zugrunde gelegt, war die Wegnahme des Laptops jedenfalls spätestens vollendet, nachdem der Angeklagte mit ihm in der Hand das Ladenlokal und damit den Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers verlassen hatte. Dem steht - anders als dies das Landgericht meint (UA S. 19) - nicht entgegen, dass der Angeklagte den Gegenstand offen wegtrug und nicht am Körper oder in einer mitgeführten Tasche verborgen hatte. Dass der Angeklagte die alleinige tatsächliche Herrschaft über den Gegenstand hier bereits durch das bloße körperliche Ergreifen und Fortschaffen des Gegenstands erlangt hatte, ergibt sich schon daraus, dass der Ladeninhaber seine Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Angeklagten und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiederherstellen konnte (vgl. BGH MDR aaO). Die Verteidigung seines Besitzes durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber erfuhr durch das Fortschaffen des Gegenstands aus seinem Herrschaftsbereich eine zusätzliche Erschwernis. Dem Umstand, dass es dem Angeklagten lediglich gelungen war, sich mit dem Laptop nur wenige Schritte von dem Ladenlokal zu entfernen, kommt deshalb in einem Fall wie dem vorliegenden keine entscheidende Bedeutung zu.
10
2. Der Rechtsfehler führt auf die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Obwohl die Feststellungen eine vollendete Wegnahme und damit einen vollendeten Diebstahl tragen, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden, da auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls nach §§ 252, 249 StGB in Betracht kommt. Insoweit bedarf es jedenfalls zur subjektiven Tatseite weitere Feststellungen. Der Aufhebung unterliegt wegen des nicht ausschließbaren sachlichen Zusammenhangs mit der Wegnahmehandlung auch die Verurteilung des Angeklagten we- gen Bedrohung. Der neue Tatrichter wird deshalb Gelegenheit haben, den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt einer Raubtat nach §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu prüfen.

III.

11
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Bedrohung.
12
Die getroffenen Feststellungen belegen weder das Vorliegen der objektiven noch der subjektiven Voraussetzungen des § 241 Abs. 1 StGB. Entgegen § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO geben die Urteilsgründe nicht die für erwiesen erachteten Tatsachen an, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; eine Subsumtion wird nicht vorgenommen.
13
Das Urteil lässt weder erkennen, mit der Begehung welchen Verbrechens der Angeklagte den Zeugen M. bedroht hat, noch, aus welchen Umständen sich das Landgericht eine Überzeugung von dem Vorsatz des Angeklagten bei dessen Messereinsatz gebildet hat. Das bloße Halten eines kleinen Messers vor den Bauch des Geschädigten kann auch die Bedrohung nur mit einem Vergehen, z. B. einer Körperverletzung sein (vgl. zur subjektiven Seite BGHSt 17, 307 ff.; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 241 Rdn. 14 m. w. N.). Becker Miebach Sost-Scheible RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Graf Becker
4
Danach macht es einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen, wie etwa bei Geldscheinen sowie Geld- und Schmuckstücken, lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen. Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er allein durch diesen tatsächli- chen Vorgang die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam. Die Verkehrsauffassung weist daher im Regelfall einer Person, die einen Gegenstand in der Tasche ihrer Kleidung trägt, die ausschließliche Sachherrschaft zu, und zwar auch dann, wenn er sich noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten befindet (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1961 – 2 StR 289/61, BGHSt 16, 271, 274; Urteile vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09, NStZ 2011, 158, 159, und vom 27. März 2013 – 2 StR 115/12, NStZ 2014, 40, 41; ebenso bereits RG, Urteil vom 18. Dezember 1917 – V 678/17, RGSt 52, 75, 76).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 556/09
vom
18. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. E. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten A. E. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 6. Juli 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des versuchten schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 25 Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen. Den Angeklagten M. E. hat es zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, gegen den Angeklagten A. E. hat es eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Die Beschwerdeführerin beanstandet insbesondere, dass das Landgericht die Tat nicht als vollendeten (besonders) schweren Raub gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewürdigt hat. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg. Die Angeklagten wenden sich jeweils mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gegen das Urteil des Landgerichts. Das Rechtsmittel des Angeklagten M. E. hat dessen Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Die Angeklagten beabsichtigten zunächst in eine Tankstelle einzubrechen , um Tabakwaren zu stehlen. Als Einbruchswerkzeuge führte der Angeklagte M. E. einen Meißel mit eingedrückter Spitze, der Angeklagte A. E. einen Schraubendreher mit sich, dessen spitzes Ende abgebrochen war. Da wider Erwarten der Kassierer noch anwesend war, entschlossen sich die Angeklagten, trotz der veränderten Umstände "mit ihrem geplanten Vorhaben fortzufahren". Als der Kassierer sah, dass sich die Angeklagten mit übergezogenen Sturmmasken der Eingangstür der Tankstelle näherten, löste er bei der Polizei einen - stillen - Alarm aus. Die Angeklagten stürmten in den Verkaufsraum und erklärten dem Zeugen, "er solle sich ruhig verhalten, dann werde auch nichts passieren". Auf Geheiß eines der Angeklagten musste sich das Opfer in einen Nebenraum begeben, um dort die Beleuchtung im Verkaufsraum zu löschen. Auf dem Weg dorthin hielt der Angeklagte A. E. den Kassierer mit einer Hand an dessen linken Arm fest und drückte mit seiner anderen Hand den abgebrochenen Schraubendreher gegen den Rücken des Zeugen. Dieser sah das Werkzeug aus den Augenwinkeln und verspürte einen leichten Druck. Den vom Angeklagten M. E. mitgeführten Mei- ßel nahm er hingegen zunächst nicht wahr. Nachdem der Zeuge das Licht gelöscht hatte und sie in den Verkaufsraum zurückgekehrt waren, wiesen die Angeklagten ihn an, sich auf einen Stuhl zu setzen und auf den Boden zu schauen. Sie verlangten zunächst die Herausgabe des Tresorschlüssels und forderten den Zeugen sodann auf - nachdem dieser erklärt hatte, einen solchen Schlüssel nicht zu besitzen - die Kasse zu öffnen, was dieser auch tat. Der Angeklagte M. E. nahm Geld aus der Kasse und steckte selbst 800 € in Scheinen in seine Hosentasche, während er dem Angeklagten A. E. eine Münzrolle im Wert von 50 € übergab, die dieser ebenfalls einsteckte. Sodann füllten die Angeklagten - nachdem sie Schraubendreher und Meißel weggelegt hatten, um mit beiden Händen arbeiten zu können - Zigarettenstangen in so genannte gelbe Säcke, die sie von dem Tatopfer verlangt und erhalten hatten. Sie hatten bereits zwei Säcke gefüllt sowie zum Abtransport bereit gestellt und waren dabei einen dritten Sack zu befüllen, als mehrere Polizeibeamte eintrafen, den Verkaufsraum stürmten und die Angeklagten festnahmen.
4
I. Revision der Staatsanwaltschaft
5
Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten in objektiver Hinsicht den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, nicht hingegen den des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht, sowie die Wertung , die Tat sei von den Angeklagten nicht vollendet, sondern lediglich versucht worden, hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
6
1. Zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass es sich bei dem von dem Angeklagten A. E. geführten Schraubendreher um ein gefährliches Werkzeug im Sinne beider Qualifikationsvarianten handelte; denn dieser Schraubendreher war ein Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet war, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen , etwa bei einem Einsatz als Stichwerkzeug.
7
2. Dieses gefährliche Werkzeug hat der Angeklagte A. E. nicht (nur) im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB bei sich geführt, sondern gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch verwendet. Das Landgericht ist von einem rechtlich unzutreffenden Begriff des Verwendens ausgegangen.
8
a) Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Nach der Konzeption der Raubdelikte bezieht sich das Verwenden auf den Einsatz des Nötigungsmittels im Grundtatbestand, so dass es immer dann zu bejahen ist, wenn der Täter zur Wegnahme einer fremden beweglichen Sache eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht (BGHSt 45, 92, 94 f. m. w. N.; BGH NStZ 2008, 687; Sander in MünchKomm-StGB § 250 Rdn. 58). Dabei setzt (vollendetes) Verwenden zur Drohung voraus, dass das Opfer das Nötigungsmittel als solches erkennt und die Androhung seines Einsatzes wahrnimmt. Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt (BGHSt 16, 386) und dessen Verwirklichung er nach dem Inhalt seiner Äußerung für den Fall des Bedingungseintritts will. Die Äußerung der Drohung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (Fischer, StGB 57. Aufl. § 240 Rdn. 31 m. w. N.). Kein Verwenden ist das bloße Mitsichführen und zwar grundsätzlich auch dann nicht, wenn es offen erfolgt (BGH NStZ-RR 2004, 169; Fischer aaO § 250 Rdn. 18).
9
b) Danach hat der Angeklagte A. E. , indem er dem Kassierer den Schraubendreher - den dieser gesehen hatte - in den Rücken drückte, entgegen der Auffassung des Landgerichts den Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB objektiv verwirklicht. Er drohte durch diese Handlung - im Zusammenwirken mit der vorangegangen Äußerung, wenn sich der Zeuge ruhig verhalte, werde (ihm) nichts geschehen - konkludent damit, bei Widerstand und Nichtbefolgung seiner Forderungen dieses gefährliche Werkzeug als Stichwerkzeug gegen ihn einzusetzen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts setzt der Begriff des Verwendens nicht voraus, dass sich aus der Art des Einsatzes des objektiv gefährlichen Tatmittels eine konkrete Gefahr erheblicher Verletzungen ergibt. Vielmehr genügt jedes Benutzen solcher Tatmittel bei der Anwendung von Gewalt oder - wie hier - als Drohmittel (BGHSt 45, 92, 94 f.).
10
3. Die Auffassung des Landgerichts, die Angeklagten hätten hinsichtlich der aus der Kasse entnommenen 800 € in Banknoten und der Münzrolle im Wert von 50 €, die sich die Angeklagten schon in ihre Hosentaschen gesteckt hatten, bevor die Polizei eintraf und sie festnahm, "noch keinen hinreichenden neuen Gewahrsam begründet" und somit die Tat nur versucht, begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
a) Die vollendete Wegnahme setzt voraus, dass fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Letzteres beurteilt sich danach , ob der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie ohne Behinderung durch den früheren Gewahrsamsinhaber ausüben kann. Für die Frage der Sachherrschaft kommt es entscheidend auf die Anschauungen des täglichen Lebens an. Dabei macht es sowohl für die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers wie für die des Täters einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich http://127.0.0.1:50001/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-16-271_enr62'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghst_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50001/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-16-273_enr62'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghst_tocFrame#xaverTitleAnchore - 8 - schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen, wie etwa bei Geldscheinen sowie Geld- und Schmuckstücken, lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen. Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er allein durch diesen tatsächlichen Vorgang die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam. Die Verkehrsauffassung weist daher im Regelfall einer Person, die einen Gegenstand in der Tasche ihrer Kleidung trägt, die ausschließliche Sachherrschaft zu (vgl. BGHSt 16, 271, 273 f.; 23, 254, 255 m. w. N.).
12
Der Annahme eines Gewahrsamswechsels steht in diesen Fällen nicht entgegen, dass sich der erbeutete Gegenstand, wie etwa bei Festnahme des Täters am Tatort, noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten befindet. Die Tatvollendung setzt keinen gesicherten Gewahrsam voraus. Die alsbaldige Entdeckung des Täters und seine Festnahme gibt nur die Möglichkeit, ihm die Sache wieder abzunehmen. Auch eine etwaige Beobachtung dieses Tatvorgangs ändert an der Vollziehung des Gewahrsamswechsels nichts, da der Diebstahl keine heimliche Tat ist und die Beobachtung dem Bestohlenen lediglich die Möglichkeit gibt, den ihm bereits entzogenen Gewahrsam wiederzuerlangen. Demgemäß nimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung regelmäßig Vollendung der Wegnahme an, wenn der Täter innerhalb fremder Räume leicht bewegliche Gegenstände in seine Kleidung steckt (vgl. BGHSt 26, 24, 25 f.; Schmitz in MünchKomm-StGB § 242 Rdn. 52, 61, 72).
13
b) Nach diesen Maßstäben war hier die Wegnahme mit dem Einstecken des Geldes in die Kleidung vollendet. Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Strafkammer zur Begründung ihrer rechtlichen Würdigung herangezogenen Entscheidung des Bundes gerichtshofs in StV 1985, 323, die eine andere Fallgestaltung zum Gegenstand hat. Dahinstehen kann deshalb, ob auch die Wegnahme der in die Säcke gepackten Zigarettenstangen bereits vollendet war, zumal die bisherigen Feststellungen offen lassen, wie groß und schwer diese ganz bzw. teilweise befüllten Behältnisse waren (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn. 42 m. w. N.).
14
4. Die Sache bedarf insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung. Die bisherigen Feststellungen belegen die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes eines besonders schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. StGB durch die Angeklagten - namentlich durch den Angeklagten M. E. - nicht hinreichend. Daher ist der Senat gehindert , den Schuldspruch selbst abzuändern.
15
Der Senat weist den neuen Tatrichter darauf hin, dass die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat die Kennzeichnung der jeweils gegebenen Qualifikation notwendig macht. Daher wird im Falle der Verurteilung nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf "besonders schweren Raub" zu erkennen sein (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Juli 2008 - 3 StR 229/08 - Rdn. 5, insoweit in NStZ-RR 2008, 342 nicht abgedruckt; BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4; Schoreit in KK 6. Aufl. § 260 Rdn. 30).
16
5. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt nicht zur Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Urteils zu Gunsten der Angeklagten (§ 301 StPO; vgl. unten II.).
17
II. Revisionen der Angeklagten
18
Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet; sie zeigen weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
19
Das Landgericht hat zwar im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten beider Angeklagten berücksichtigt, dass sie "ein gefährliches Werkzeug mit sich" führten; diese Erwägung lässt mit Blick auf den vom Landgericht angenommenen schweren Raub gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB besorgen. Nicht frei von rechtlichen Bedenken ist ferner, dass die Strafkammer bei dem Angeklagten M. E. ihrer Strafzumessung den Strafrahmen des minder schweren Falles gemäß § 250 Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) zugrunde gelegt hat, ohne zu erörtern, ob statt dessen die Anwendung des nach Versuchsgrundsätzen (§§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB) gemilderten Strafrahmens der Raubqualifikation nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB in Betracht kommt, der zwar nicht im Höchstmaß, aber im Mindestmaß für die Angeklagten günstiger ist, als der des minder schweren Falles. Daher wäre im Hinblick auf die im unteren Strafrahmenbereich angesiedelte Strafe eine Erörterung dieser Milderungsmöglichkeit geboten gewesen (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 43). Der Senat kann angesichts der beiden außergewöhnlich milden Strafen hier indes ausschließen, dass das Landgericht ohne die aufgezeigten Rechtsfehler (noch) geringere Strafen festgesetzt hätte.
20
Die Revision des Angeklagten M. E. dringt auch mit ihrer Beanstandung nicht durch, das Landgericht habe die Möglichkeit einer weiteren Milderung des Sonderstrafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB nach §§ 22, 23 Abs.
1, § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB übersehen. Denn aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Landgericht einen minder schweren Fall nur unter der Voraussetzung angenommen hat, dass der gesetzliche (fakultative) Milderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung neben den allgemeinen strafmildernden Umständen zu Gunsten des Angeklagten zusätzlich Berücksichtigung findet (UA S. 21). Danach war wegen des sich aus § 50 StGB ergebenden Verbots der Doppelverwertung vertypter Strafmilderungsgründe für eine weitere Milderung des Strafrahmens des minder schweren Falles nach Versuchsgrundsätzen kein Raum.
21
Soweit der Angeklagte A. E. die den Mitangeklagten betreffende Strafrahmenwahl rügt, könnte sich ein solcher Rechtsfehler nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben.
Sost-Scheible Pfister von Lienen
Hubert Schäfer

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 531/17
vom
13. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:130318B4STR531.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 11. Juli 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. 2. i) und II. 2. l) der Urteilsgründe;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in vier Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 14. Mai 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten sowie wegen Betruges in zwei Fällen und versuchten Betruges in sechs Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Seine allgemein auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betruges in den Fällen II. 2. i) und II. 2. l) der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
a) Nach den zu diesen beiden Fällen getroffenen Feststellungen versandte der Angeklagte – ebenso wie in weiteren Fällen – in betrügerischer Absicht Rechnungen an Gewerbetreibende über angeblich von diesen in Auftrag gegebene Eintragungen in Branchenverzeichnisse im Internet. In den Fällen II. 2. i) und II. 2. l) erkannten die Empfänger der Rechnungen deren Nichtberechtigung und zahlten die ausgewiesenen Beträge nicht.
4
b) Die Urteilsgründe weisen insoweit einen durchgreifenden Erörterungsmangel auf, als sich aus ihnen nicht hinreichend ergibt, ob der Angeklagte in diesen beiden Fällen von einem versuchten Betrug strafbefreiend zurückgetreten ist. Das Urteil verhält sich nicht zur Vorstellung des Angeklagten nach dem Ende seiner letzten Ausführungshandlung bei diesen beiden Taten (sog. Rücktrittshorizont ; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227), insbesondere dazu, ob er davon ausging, er könne die den Rechnungsempfängern angesonnene Zahlung des Rechnungsbetrages noch erreichen , etwa durch den – auch in anderen Fällen von ihm vorgenommenen – Versand von Mahnungen. Daher bleibt offen, ob in diesen beiden Fällen der Betrugsversuch fehlgeschlagen, unbeendet oder beendet war. Dies durfte indes nicht dahinstehen, da im Fall eines unbeendeten Versuchs der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB bereits durch freiwilliges Abstandneh- men von weiteren Ausführungshandlungen vom Betrugsversuch strafbefreiend zurückgetreten wäre (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306).
5
Soweit die Strafkammer in der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils – pauschal für alle Taten – ausgeführt hat, ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch komme nicht in Betracht, da der Angeklagte in keinem einzigen Fall freiwillig auf die weitere Geltendmachung der Rechnungsforderungen verzichtet habe (UA 46), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die fehlende Freiwilligkeit ist nur in Bezug auf die weiteren versuchten Betrugstaten hinreichend belegt, für die jeweils festgestellt ist, dass sich die Rechnungsempfänger gegen die unberechtigten Forderungen mittels anwaltlicher Hilfe oder durch die Erstattung von Strafanzeigen zur Wehr setzten. Hingegen fehlen für die Fälle II. 2. i) und II. 2. l) der Urteilsgründe entsprechende Feststellungen; insoweit teilen die Urteilsgründe lediglich mit, dass die Rechnungsempfänger den geltend gemachten Betrag nicht zahlten.
6
2. Bereits der Wegfall der für diese beiden Taten festgesetzten Einzelstrafen entzieht der (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten die Grundlage.
7
3. Die Verhängung der (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten hält der revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Das Landgericht hat diese Gesamtstrafe im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB aus den Einzelstrafen für die Fälle II. 2. a) bis II. 2. d) der Urteilsgründe und einer unerledigten Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 14. Mai 2014 gebildet. Angesichts lückenhafter Feststellungen zu einer früheren Verurteilung vermag der Senat jedoch nicht zu prüfen, ob das Landgericht zu Recht die Voraussetzungen des § 55 StGB angenommen hat.
8
Die dem Urteil vom 14. Mai 2014 zugrunde liegende Tat hatte der Angeklagte begangen, bevor ihn das Amtsgericht Bünde am 24. September 2013 wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer (Gesamt-)Geldstrafe verurteilte. Waren die Einzelstrafen aus dem Urteil vom 24. September 2013 am 14. Mai 2014 noch nicht erledigt, war aus ihnen und der an diesem Tag verhängten Geldstrafe eine neue Gesamtgeldstrafe mit der Folge zu bilden, dass das frühere Urteil vom 24. September 2013 Zäsurwirkung entfaltete (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 55 Rn. 11). Eine Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil vom 14. Mai 2014 gemäß § 55 StGB kam dann im vorliegenden Verfahren nicht mehr in Betracht; vielmehr hätte das Landgericht aus den von ihm verhängten Einzelstrafen gemäß § 54 StGB eine Gesamtstrafe bilden müssen. Da sich das angefochtene Urteil zur Erledigung der Strafen aus dem Urteil vom 24. September 2013 nicht verhält, kann die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB keinen Bestand haben.
9
4. Für den Fall, dass erneut eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 14. Mai 2014 zu bilden ist, weist der Senat darauf hin, dass in diese Gesamtstrafe nur diejenigen Taten einbezogen werden dürfen, die zum Zeitpunkt des Urteils vom 14. Mai 2014 bereits beendet waren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 1 StR 142/94, NStZ 1994, 482, 483; Fischer, aaO, § 55 Rn. 7; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 9).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 346/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
die Nebenklägerin in Person – in der Hauptverhandlung
–,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 17. Februar 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe des versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Er hat jedoch die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Fall II. 2 a)
4
Der Angeklagte und die Nebenklägerin waren seit Ende 2010 befreundet und empfanden „tiefe, intensive Gefühle“ füreinander. Da der Angeklagteje- doch von heftiger Eifersucht und starken Verlustängsten geplagt wurde, verlief die Beziehung konfliktgeladen und wurde schließlich von der Nebenklägerin in der zweiten Juni-Hälfte 2011 vorübergehend beendet. In der Folgezeit entwickelte der Angeklagte immer heftigere Rachegelüste und fand zunehmend Gefallen an einem englischsprachigen Liedtext eines Rappers, der von der Tötung einer Ex-Freundin handelte (UA S. 10, 14). Nachdem ihm eine Aussöhnung aussichtslos erschien, sann der Angeklagte darauf, „die Nebenklägerin fertig zu machen“ (UA S. 15). Zu diesem Zweck redete er immer wieder auf den Zeugen T. ein, ihm dabei behilflich zu sein, die Nebenklägerin bei passender Gelegenheit „abzufüllen“ und sie – entlang einer Straße gehend – vor sein Auto zu stoßen, damit es wie ein Unfall aussähe. Der Zeuge T. , der das wiederholte Ansinnen schließlich ernst nahm, ging darauf jedoch nicht ein. Im Verlauf des 29. Juni 2011 tauschte sich der Angeklagte mehrmals mit dem Zeugen T. über das Internet-Chat-Forum ICQ aus und äußerte, dass er kurz vor dem Ausrasten sei und die Nebenklägerin „am liebsten echt umbringen“ würde. Der Zeuge T. solle dies jedoch niemandem erzählen. Am Abend desselben Tages traf der Angeklagte auf der Geburtstagsfeier einer Bekannten erstmals nach der Trennung auf die Nebenklägerin. In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 2011 entwickelte sich ein lautstarkes Wortgefecht, bei dem sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wechselseitig anschrien. Dabei äußerte der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin, er werde sie „umbrin- gen“ (UA S. 17). Nachdem es den weiteren Partygästen gelungen war, den An- geklagten zu beruhigen, brachte ihn die Mutter der Gastgeberin nach Hause.
5
Am späten Abend des 30. Juni 2011 fuhr er sodann zwischen 23.00 und 24.00 Uhr mit dem VW Polo seines Stiefvaters in Begleitung der Zeugen P. und F. zu einer Diskothek in G. und stellte das Fahrzeug – vorwärts einparkend – im Parkflächenbereich in der ersten oder zweiten Haltebucht ab, die rechts neben der kombinierten Ein- und Ausfahrt liegt. Etwa ein bis zwei Fahrzeuglängen hinter den Parkbuchten verläuft ein ca. zehn Zentimeter breiter und ca. acht Zentimeter hoher Pflastersockel, der die Parkfläche von einem Fahrstreifen für einen Drive-in-Schnellimbiss abtrennt. Zur Straßenseite hin wird das Areal durch einen etwa zwei Meter breiten Grünstreifen begrenzt. Kurz nach Mitternacht traf der Angeklagte auf die Nebenklägerin, die die Diskothek in Begleitung des Zeugen T. verließ. In unmittelbarer Nähe des geparkten Fahrzeugs kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin mit wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen. Schließlich versetzte die Nebenklägerin dem Angeklagten eine Ohrfeige und beschloss wegzugehen. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer seines Fahrzeugs, in dem auch die Zeugen P. und F. Platz nahmen. Er beobachtete , wie sich die Nebenklägerin in Richtung der Ein-/Ausfahrt wandte. Voller Wut und Verzweiflung entschloss er sich in diesem Augenblick, die Nebenklägerin zu töten, was er gegenüber seinen Begleitern mit den Worten ankündigte „Ich fahrdie J. jetzt um“, „Ich bring sie um“, „Ich glaub, ich bring sie jetzt um“. Demgemäß starteteer – während die Nebenklägerin die ersten Schritte in Richtung der Ein-/Ausfahrt machte – den Motor und fuhr sogleich an, „um sie rückwärtsfahrend umzufahren und hierdurch zu Tode zu bringen“. Als der Zeuge P. dies erkannte, packte er den Angeklagten sofort mit den Worten „Bist du bescheuert? Du hast sie nicht mehr alle!“ so heftig und unvermittelt am Arm, dass er ihn hierdurch am Weiterfahren hinderte. Nach einem starken Ruckeln – vergleichbar einem Abwürgen des Motors bei laufender Fahrt – stand das Fahrzeug sogleich wieder still. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeugheck – ohne Fahrtrichtungsänderung – „nur kurz hinter der Parkbucht“ (UA S. 20). Nunmehr trat der Zeuge T. an das stehende Fahrzeug heran und verwickelte den Angeklagten in ein Gespräch. In der Zwischenzeit hatte die Nebenklägerin über die Ein-/Ausfahrt bereits das Parkgelände verlassen und befand sich – für den Angeklagten nicht einsehbar – auf dem Bürgersteig. Durch die Büsche des Grünstreifens erblickte sie das stehende Fahrzeug und setzte ihren Weg fort. Auf der Rückfahrt machte der Angeklagte dem Zeugen P. wegen des Eingreifens beim Rückwärtsfahren Vorhaltungen und kündigte (vorübergehend) die Freundschaft auf; außerdem stellte er Überlegungen an, die Nebenklägerin bei anderer Gelegenheit mit tödlichem Ausgang zu überfahren. Im Verlauf des 1. Juli 2011 suchte er im Internet nach Methoden, die Nebenklägerin mittels Schreckschusspistole zu töten (UA S. 21).
6
Fall II. 2 b)
7
Am Nachmittag des 2. Juli 2011 begegnete der Angeklagte der Nebenklägerin auf der Kirmes in K. . Gegen 19.00 Uhr bat er sie um ein VierAugen -Gespräch abseits des Kirmes-Geländes. Der Angeklagte hatte auf der Kirmes dem Alkohol zugesprochen, ohne dass seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB herabgesetzt war. Es kam erneut zum Streit, wobei der Angeklagte die Nebenklägerin zunächst schubste und an den Händen packte. Gleichwohl gelang es ihr, den Angeklagten zu ohrfeigen. Daraufhin griff dieser noch fester zu, weshalb die Nebenklägerin versuchte, ihm in den Schritt zu treten. Voller Zorn beschloss der Angeklagte nunmehr, die Nebenklägerin an Ort und Stelle bis zum Tode zu würgen. Er brachte sie zu Fall, ergriff mit beiden Händen ihren Hals und drückte mit ganzer Kraft zu, so dass sie schließlich das Bewusstsein verlor. Als der Angeklagte glaubte, der Todeseintritt stehe unmittelbar bevor, schoss ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass die Nebenklägerin neben seiner Mutter die wichtigste Frau in seinem Leben sei. Daraufhin konnte er die Tat nicht mehr „durchziehen“ und ließ von der Geschädigten ab, die bald darauf wieder zu Bewusstsein kam (UA S. 22).
8
Fall II. 2 c)
9
Als die Nebenklägerin dem Angeklagten anlässlich einer weiteren Aussprache am 13. Juli 2011 eröffnete, mit dem Zeugen T. eine intime Beziehung eingegangen zu sein, ergriff der Angeklagte aus Wut und Eifersucht ein Küchenmesser mit einer ca. 20 Zentimeter langen Klinge und stürmte mit dem lauten Ruf „Missgeburt, ich stech dich ab“ aus dem Haus in Richtung des Zeu- gen T. , um diesen einzuschüchtern und davon zu jagen (UA S. 29).

II.


10
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Sie sind unzulässig. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs.
11
1. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags (Fall II. 2 a der Urteilsgründe ) weist keinen Rechtsfehler auf.
12
a) Das Landgericht hat sich ohne Lücken, Denkfehler oder Widersprüche auf Grund einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände von der Ernsthaftigkeit der Tötungsabsicht des Angeklagten überzeugt. Es hat sich umfassend mit den Umständen des Tatgeschehens, der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt, seiner Tatmotivation und sowie seinem Vor- und Nachtatverhalten auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, NStZ 2012, 1524, 1525 ff.). Insbesondere die nachhaltige Einwirkung auf den Zeugen T. vor dem 29. Juni 2011 („fingierter Verkehrsunfall“), der Verlauf der ICQ-ChatProtokolle vom 29. Juni 2011, die Todesdrohungen auf der Geburtstagsparty am 30. Juni 2011 und das Würgen der Geschädigten bis zur Bewusstlosigkeit am 2. Juli 2011 rechtfertigen die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte am 1. Juli 2011 in Tötungsabsicht handelte, als er „voller Wut und Ver- zweiflung“ das Überfahren der Nebenklägerin ankündigte und seinen Pkw star- tete. Das Gesamtverhalten des Angeklagten wurde von einem stets präsenten „intentionalen Spannungsbogen“ überwölbt, der Nebenklägerin nicht nur mit Worten zu drohen, sondern dies auch umzusetzen (UA S. 52).
13
b) Das Handeln des Angeklagten hat auch bereits die Schwelle zum Versuch (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) überschritten.
14
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden, die mithin – aus der Sicht des Täters – das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr bringen. Dementsprechend erstreckt sich das Versuchsstadium auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tat- bestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 26. August 1986 – 1 StR 351/86, BGHR StGB § 22 Ansetzen 5; Beschluss vom 11. Juni 2003 – 2 StR 83/03, BGHR StGB § 22 Ansetzen 31; Beschluss vom 27. September 2011 – 4 StR 454/11, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte , als er in Tötungsabsicht mit seinem Pkw rückwärts auf die Nebenklä- gerin zufuhr, die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und hierdurch unmittelbar zur Verwirklichung seines Tötungsvorhabens angesetzt. Denn zwischen ihm und der Nebenklägerin befand sich kein Hindernis mehr, so dass er das Tatopfer nach seiner Vorstellung aus der Parkbucht heraus ohne weitere Zwischenakte „in einem Zug“ überfahren konnte.
15
c) Das Landgericht musste sich nicht zu der Prüfung gedrängt sehen, ob der Angeklagte vom Versuch des Totschlags gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB zurückgetreten ist. Hinsichtlich des Geschehens auf dem Parkplatz der Diskothek liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein strafbefreiender Rücktritt von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Davon ist auch das Landgericht ersichtlich ausgegangen (UA S. 3, 20, 45 f.).
16
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Beschluss vom 7. Februar 2008 – 5 StR 402/07; Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Fehlschlagen des Versuchs auszugehen. Objektiv hat der festgestellte Geschehensablauf auf dem Parkplatzgelände durch das Eingreifen des Zeugen P. , das den abrupten Stillstand des Tatfahrzeugs zur Folge hatte und nach dem Hinzutreten des Zeugen T. dazu führte, dass die Nebenklägerin sich aus dem Sichtfeld des Angeklagten entfernen konnte, eine Zäsur erfahren. Durch das Eingreifen der Zeugen P. und T. war der Angeklagte gehindert, der Nebenklägerin nachzusetzen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen.
17
2. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann der Angeklagte nur wegen Versuchs (§ 315 b Abs. 2 StGB) verurteilt werden.
18
Durch das Eingreifen des Zeugen P. kam das vom Angeklagten geführte Kraftfahrzeug unmittelbar nach dem Anfahren abrupt wieder zum Stillstand, während die Nebenklägerin „die ersten SchritteRichtung Ein-/Ausfahrt machte“ (UA S. 20). Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat der Angeklagte angegeben , die Nebenklägerin sei etwa zehn Meter entfernt gewesen, als er losgefahren sei (UA S. 35, 47). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist somit der tatbestandliche Erfolg, nämlich eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB, nicht eingetreten. Dass der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs bereits zu einer kritischen Situation im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ geführt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2010 – 4 StR 506/09, NStZ 2010, 572, 573, und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BeckRS 2012, 07957 Tz. 12), ist durch die Feststellungen nicht belegt. Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt auch hier nicht vor.
19
Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
20
Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht in Frage gestellt; der Erziehungsbedarf des Angeklagten besteht unabhängig von der rechtlichen Einordnung des ohnehin bloßen Gefährdungsdelikts als versuchte oder vollendete Tat, zumal der Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens des Angeklagten durch den tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuch geprägt ist.

III.


21
Mutzbauer Cierniak Bender
Quentin Reiter

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

3
a) Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB soll das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB ist, sofern bei einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren nicht ausnahmsweise von einer Vikariierung abgesehen wird, der vorweg zu vollstreckende Teil der Freiheitsstrafe so zu bemessen, dass nach seiner Verbüßung und einer anschließenden Unterbringung eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, also eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum steht dem Tatrichter insoweit nicht zu. Zur Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe ist eine Prognose darüber notwendig, wie lange genau die Unterbringung in der Maßregel zur Durchführung der Therapie voraussichtlich erforderlich sein wird. Die Therapiedauer muss individuell festgelegt werden. Es genügt nicht, dass der Tatrichter nur eine Mindest- und eine Höchstdauer – also einen Zeitraum – prognostiziert (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. September 2008 – 1 StR 478/08, Rn. 6 f.; vom 13. Januar 2010 – 3 StR 532/09, Rn. 4; vom 31. August 2010 – 3 StR 309/10, Rn. 3; Urteil vom 8. April 2010 – 4 StR 53/10, Rn. 5).
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Therapiedauer und konkrete Erfolgsaussicht.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 5 StR 37/14
LG Braunschweig
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 37/14
vom
10. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. April
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. September 2013 dahin abgeändert, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen einer Reihe von Vergehen nach dem Betäubungsmittel- und dem Arzneimittelgesetz sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt im Ergebnis vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel.

2
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Der 34-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis sowie seit dem 17. Lebensjahr Kokain und ist in diesem Zusammenhang vielfach unter anderem mit Raubdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Erstmals 2005 nahm er eine stationäre Therapie auf, aus der er jedoch wegen eines Drogenrückfalls entlassen werden musste. Eine kurze Zeit später begonnene erneute stationäre Behandlung brach er ab. Aus zwei ambulanten Therapien im November 2005 und im August 2006 wurde er wegen Drogenrückfällen entlassen. Im Frühjahr 2007 scheiterte eine weitere Behandlung in einer Therapieeinrichtung , da sich Mitarbeiter und Patienten von ihm bedroht fühlten. Erstmals im Februar 2008 schloss er eine rund viermonatige ambulante Therapie regulär ab; im selben Jahr kam es jedoch wieder zu einem Rückfall. Nach einer erneuten ambulanten Therapie war er von Ende 2010 bis Anfang 2012 abstinent. Wegen des Verlusts seines Arbeitsplatzes begann er dann jedoch abermals mit dem täglichen Konsum von Kokain und Cannabis. Auch seine Festnahme im vorliegenden Verfahren und die spätere Außervollzugsetzung des Haftbefehls hielten ihn nicht davon ab, weiterhin Betäubungsmittel zu konsumieren und zu deren Beschaffung wiederum Straftaten zu begehen (UA S. 29).
4
b) Sachverständig beraten hat die Strafkammer die Voraussetzungen des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Auch eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) sei gegeben. Der Angeklagte sei therapiemotiviert. Er sehe für sich selber das Erfordernis professioneller Unterstützung und habe als Therapieaufträge die Bearbeitung seiner Biografie und das Erreichen von Langzeit- lebenszielen wie das Fortführen seiner Ehe und das Erlangen eines Arbeitsplatzes formuliert. Trotz der Schwere einer bei ihm bestehenden dissozialen Persönlichkeitsstörung erscheine der Aufbau einer therapeutischen Beziehung „noch möglich“. Polytoxikomanie sowie hirnorganische Folgen des Drogen- missbrauchs seien nicht feststellbar. Die vom Sachverständigen prognostizierte Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren“ stehe der Annahme hinreichend konkreter Erfolgsaussicht nicht entgegen, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, dass Therapien von über zwei Jahren generell als aussichtslos einzustufen seien (UA S. 36 ff.).
5
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich nicht.
6
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen nicht die Annahme des Landgerichts, es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
7
a) Bei dem seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten ist eine Vielzahl von Therapieabbrüchen bzw. Rückfällen nach Absolvierung von Therapien zu verzeichnen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 1996 – 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131, 132; vom 21. Januar 2014 – 2 StR 650/13). Neben anderen Risikofaktoren (vgl. Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341) kommt als weiterer sehr ungünstiger Umstand hinzu, dass bei dem An- geklagten „primär“ eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und (nur) „sekundär“ eine Abhängigkeit von Kokain und Cannabis besteht (UA S. 30), was die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindert (vgl. Nedopil /Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 158; Querengässer u.a., RuP 2014, 21). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen besteht bei einer durch den Sachverständigen und ihm folgend die Strafkammer prognostizierten Therapiedauer von „etwa vier bis fünf Jahren, einschließlich einer Adaptationsphase“ (UA S. 36) keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht, deren Unsicherheit sich im Übrigen aus den Urteilsausführungen selbst (UA S. 37) erschließt. Einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung lässt unter solchen Vorzeichen nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen. Hinzu kommt, dass es angesichts der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Dauer der anzurechnenden Untersuchungshaft kaum möglich wäre, die Therapie innerhalb der verlängerten Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu beenden (vgl. zu deren Berechnung van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 9). Hierzu haben die Prozessbeteiligten in der Revisionshauptverhandlung Stellung genommen; der Vertreter der Bundesanwaltschaft hat hierauf seinen Antrag maßgeblich gestützt.
8
b) Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB auf der Grundlage der Feststellungen sicher ausscheidet, führt die – gegen eine zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) – Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel (vgl. zur Kostenfolge § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 473 Rn. 16).

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4. Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob es an einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB im vorliegenden Fall bereits allein deshalb fehlt, weil die prognostizierte Therapiedauer zwei Jahre überschreitet (in diesem Sinne BGH, Urteile vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09, JR 2010, 500; vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 377/12, StV 2013, 698; vom 27. März 2013 – 2 StR 384/12, StV 2013, 698; vom 16. Januar 2014 – 4 StR 496/13; Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3StR 65/12, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1; vom 17. Juli 2012 – 4 StR 223/12, StraFo 2012, 413; vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7). Der Senat hält jedoch an seiner gegenteiligen Auffassung (BGH, Beschluss vom 6. Februar 1996 – 5 StR 16/96) fest; danach steht eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren einer konkreten Erfolgsaussicht jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eine strikte Begrenzung der Unterbringungsdauer auf zwei Jahre mit der Folge der generellen Aussichtslosigkeit bei absehbar eine längere Dauer erfordernden Unterbringungen lässt sich dem Gesetzwortlaut nicht entnehmen (vgl. van Gemmeren aaO Rn. 73 mwN). § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB enthält gerade keine starre Beschränkung der Unterbringungsdauer; die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu sehen, der ausdrücklich eine Verlängerung der Zweijahresfrist vorsieht. Eine solche Begrenzung lässt sich auch nicht mit systematischen Erwägungen begründen, findet in den Gesetzesmaterialien keinen Niederschlag (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 218, siehe auch BT-Drucks. V/4095, S. 33) und widerstreitet dem Gesetzeszweck, die Allgemeinheit bei Bedarf auch durch im Einzelfall zwei Jahre übersteigende Therapie vor gefährlichen Tätern zu schützen (vgl. dazu auch Trenckmann, JR 2010, 501). Insbesondere ergäben sich im Vorfeld und in Konkurrenz zu schwereren freiheitsentziehenden Maßregeln (§§ 63, 66 StGB) prinzipielle Sperren gegen unter Umständen konkret aussichtsreiche längere Entzugstherapien. Diese wären – gerade auch im Blick auf § 72 StGB – mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schwerlich vereinbar und widersprächen in Fällen der Sicherungsverwahrung dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 128, 326) initiierten gesetzlichen Konzept, Sicherungsverwahrung durch individuelle und intensive Therapie vermeidbar zu machen (vgl. § 66c Abs. 2 StGB).
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

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An dieser Abweichung von dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen war das Landgericht nicht grundsätzlich gehindert. Denn ein solches Gutachten kann stets nur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein. Insbesondere können ihm die sachverständigen Ausführungen die erforderliche Sachkunde verschafft haben, um die zu klärende Beweisfrage eigenständig und auch im Gegensatz zum Sachverständigen zu beantworten. Will der Tatrichter jedoch eine Frage, für deren Beantwortung er sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten , muss er die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlaubt, ob er die Darlegungen des Sachverständigen zutreffend gewürdigt und aus ihnen rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen , insbesondere zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (BGH, Beschluss vom 13. September 2001 - 3 StR 333/01, NStZ-RR 2002, 257, 259 bei Becker). Diese an das Urteil zu stellenden Darlegungsanforderungen gelten auch dann, wenn das Gericht sich - wie hier - in einer Frage, zu deren Beantwortung von Gesetzes wegen ein Sachverständiger zu hören ist (vgl. § 246a Abs. 1 StPO), zu der dieser sich aber nicht geäußert hat, eine Überzeugung verschafft hat. Dies lässt das angefochtene Urteil vermissen.