Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2018 - 5 StR 179/18

bei uns veröffentlicht am10.10.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 179/18
vom
10. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:101018U5STR179.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Mosbacher als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin N. als Verteidigerin des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt D. L. als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt F. als Verteidiger der Angeklagten M. G. ,
Rechtsanwalt M. L. als Verteidiger des Angeklagten B. G. ,
Rechtsanwältin P. als Vertreterin des Nebenklägers,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18. Oktober 2017 werden verworfen.
Die Angeklagten M. und B. G. sowie W. tragen die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels ; bei dem Angeklagten H. wird davon abgesehen, ihm die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.
Die Angeklagten tragen die durch ihre Rechtsmittel dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von drei Jahren (M. G. ), drei Jahren und sechs Monaten (B. G. ) und zwei Jahren und neun Monaten (W. ) sowie zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten (H. ) verurteilt. Die mit einer Verfahrensrüge der Angeklagten M. G. und Sachrügen geführten Revisionen der Angeklagten wenden sich gegen die Verurteilungen , während die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen das Fehlen einzelner Qualifikationsmerkmale innerhalb der Schuldsprüche bemängelt und höhere Strafen erstrebt. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben überwiegend Erfolg; diejenigen der Angeklagten sind unbegründet.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der geistig behinderte Nebenkläger bei der Angeklagten M. G. seit 23. Dezember 2016 zu Gast. Beide hatten sich über eine Kontaktplattform im Internet kennengelernt und wollten ihr Interesse an einer weitergehenden Beziehung erproben. In der Wohnung der Angeklagten waren zudem ihre fünf Kinder, darunter der Angeklagte B. G. . Aufgrund der Unerfahrenheit und Scheu des Nebenklägers kam es nicht zu der von M. G. erwünschten erotischen Annäherung. Nachdem die ersten Tage noch weitgehend problemlos verlaufen waren, fiel der Nebenkläger seit 30. Dezember 2016 den Angeklagten G zunehmend zur Last. Zudem hielt sich seit diesem Zeitpunkt noch eine Vielzahl weiterer Personen in der Wohnung auf, um dort gemeinsam Silvester zu feiern, darunter auch die Angeklagten W. und H. .
3
Am 30. Dezember 2016 begannen erhebliche Übergriffe auf den diesen hilflos ausgesetzten Nebenkläger. Zunächst urinierte der neunjährige Sohn der Angeklagten M. G. auf den Nebenkläger, ohne dass jemand Anstoß daran nahm. Der mittellose Nebenkläger äußerte daraufhin den Wunsch, nach Hause zu fahren, konnte diesen jedoch nicht umsetzen. Versuche , seinen Betreuer zwecks Überweisung des Fahrgeldes zu kontaktieren, misslangen. Am Folgetag bewarf der Angeklagte B. G. den Nebenkläger in der Wohnung mit gezündeten Knallkörpern und ohrfeigte ihn vor den anderen. Die Angeklagten H. und B. G. boten dem Nebenkläger eine mit Schwarzpulver gefüllte Zigarette an, die dieser anzündete. Die Zigarette explodierte. Spätestens danach war allen Angeklagten klar, dass der geistig behinderte, unreif und furchtsam auftretende Nebenkläger mangels Selbstbehauptungswillens auch weitergehenden Angriffen keinen nennenswerten Widerstand entgegenbringen würde.
4
Am Abend des Neujahrtages 2017 entschlossen sich die Angeklagten gegen 21 Uhr, diese Schwäche auszunutzen und den heterosexuellen Nebenkläger im Wohnzimmer vor den Augen anderer durch homosexuellen Oral- und Analverkehr zu „entjungfern“, wenn nötig, unter Einsatz von Gewalt. Ihnen war dabei klar, dass dies alles gegen den erkennbaren Willen des Nebenklägers geschah und dieser nur bei Ausübung massiven Drucks in gewünschter Weise mitwirken würde. In Umsetzung der Abrede forderte B. G. den Nebenkläger barsch auf, sich auszuziehen, was dieser bis auf die Unterhose tat. Auf die Weigerung, auch diese auszuziehen, boxte B. G. den Nebenkläger mit der Faust in den Genitalbereich. Anschließend brachten die drei männlichen Angeklagten den Nebenkläger gewaltsam zu Boden. Während W. und H. die Arme festhielten, hielt B. G. ein brennendes Feuerzeug an den seitlichen Bund der Unterhose, um diesen anzubrennen. Die Flamme wirkte auf die Haut im Lendenbereich ein und verursachte erhebliche Schmerzen beim Nebenkläger. Dies war auch beabsichtigt, um jeden Widerstand zu brechen und den Nebenkläger gefügig zu machen. Durch das gewaltsame Entblößen erlitt dieser neben Brandverletzungen Kratzer , eine Hautabschürfung und mehrere Prellmarken.
5
Anschließend setzte sich der Nebenkläger auf Anweisung von B. G. auf einen Sessel. Dessen Verlangen, bis zum Samenerguss zu onanieren, kam der Nebenkläger erfolglos nach. Nach dem Willen der Angeklagten musste der weiterhin sichtlich eingeschüchterte Nebenkläger nunmehr den Oralverkehr am Angeklagten H. vollziehen und das zunächst ausgespuckte Ejakulat schlucken. Nun beschlossen die Angeklagten, die starke Behaarung des Nebenklägers an Oberkörper und Schambereich großflächig abzubrennen. Hierzu schüttete der Angeklagte B. G. Desinfektionsmittel auf Brust-, Bauch- und Schambereich des Nebenklägers und zündete dieses anschließend mit dem Feuerzeug an. Durch die Flammenhitze erlitt der Nebenkläger empfindliche Schmerzen an den betroffenen Hautpartien und protestierte lautstark.
6
Da die Angeklagten eine anale Penetration planten, setzte B. G. die Prozedur ungerührt fort. Seiner Aufforderung, den mittlerweile apathisch wirkenden Nebenkläger ins Gesicht und auf den Kopf zu schlagen, kamen die zwei anwesenden Jugendlichen K. und V. G. nach. Nachdem die Afterregion des Nebenklägers mittels Trocken- und Nassrasierer von noch vorhandener Behaarung befreit worden war, musste sich der Nebenkläger in „Hündchenstellung“ beugen und den Angeklagten sein ent- blößtes Hinterteil präsentieren. Der Angeklagte H. näherte sich mit entblößtem und erigiertem Glied dem Nebenkläger. Ob es dabei zum Vollzug des Analverkehrs oder nur zu dessen Vortäuschen kam, konnte nicht geklärt werden. Nachdem der Angeklagte H. vom Nebenkläger abgelassen hatte, holte die Angeklagte M. G. einen Dildo und stieß diesen überraschend und kräftig in den After des Nebenklägers, so dass er steckenblieb. Der Nebenkläger erlitt hierdurch heftige Schmerzen sowie eine Hautunterblutung am Aftereingang und schrie vor Schmerz. Es gelang ihm, den Dildo zu entfernen und wegzuschleudern. Der Angeklagte B. G. nahm den Dildo wieder auf und führte ihn anschließend erneut in den After des Nebenklägers ein, was diesem wiederum Schmerzen bereitete. M. G. setzte derweil die Enthaarung mittels Desinfektionsmittel und Feuerzeug fort. Erst als der Nebenkläger sein Schreien intensivierte, lenkte M. G. ein und forderte B. G. auf, von ihrem Opfer abzulassen, damit die Tat nicht durch dessen Geschrei entdeckt würde. Anschließend ließen alle Angeklagten gegen 24 Uhr von ihren stundenlangen Übergriffen auf den Nebenkläger ab. Dieser hat die Folgen der Tat bislang noch nicht vollständig psychisch verarbeitet und wird therapeutisch betreut.
7
2. Das Landgericht hat das Handeln der Angeklagten als gemeinschaftliche besonders schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1, 6 und 8 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB gewertet. Den Einsatz des Feuerzeugs hat das Landgericht als Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB angesehen, nicht hingegen den Einsatz des Dildos, da zu dessen näherer Beschaffenheit keine Feststellungen getroffen werden konnten. Den Strafrahmen für die Freiheitsstrafen hat das Landgericht § 177 Abs. 9 StGB (minder schwe- rer Fall) entnommen und jeweils eine Sperrwirkung des Strafrahmens des § 177 Abs. 6 StGB bejaht, beim Angeklagten B. G. unter Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB. Die Verhängung von Jugendstrafe gegen den zur Tat 19 Jahre alten H. hat die Jugendkammer auf die Schwere der Schuld gestützt und die konkrete Strafe unter Betonung des Erziehungsgedankens nach einer hypothetischen Strafrahmenbetrachtung – entsprechend derjenigen bei den erwachsenen Angeklagten – gefunden.

II.


8
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
9
1. Die von der Angeklagten G. erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung von § 261 StPO durch Nichtausschöpfung verlesener Vernehmungsniederschriften versagt. Der Senat kann anhand des Revisionsvorbringens nicht zuverlässig beurteilen, ob die unmittelbare Verwertung dieser Urkunden vor dem Hintergrund des in § 250 StPO niedergelegten Unmittelbarkeitsprinzips überhaupt zulässig oder etwa die Nichtberücksichtigung dieses Beweisstoffs rechtlich geboten war. Vortrag, aus dem sich eindeutig ergibt, dass die Vernehmungsniederschriften lediglich nach Vernehmung der entsprechenden Zeugen ergänzend oder in ihrer Anwesenheit nach § 253 StPO zur Klärung von Widersprüchen oder Erinnerungslücken verlesen werden durften (näher BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2018 – 3 StR 400/17, NJW 2018, 2809, 2811; vom 19. März 2013 – 3 StR 26/13, NStZ 2013, 479; Mosbacher, NStZ 2014, 1 mwN), enthält die Revision nicht. Ob die Ausführungen in der mitgeteilten Vorsitzendenverfügung vom 15. September 2017 vollständig waren und zutrafen, kann der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen. Darüber hinaus ist das Tatgericht nicht gehalten, jeden erhobenen Beweis im Urteil zu behan- deln, zumal sich seine Relevanz im Laufe der Hauptverhandlung relativiert haben kann (vgl. näher Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 58 mwN).
10
2. Die jeweils erhobenen Sachrügen decken ebenfalls keinen Rechtsfehler auf. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und tragen die Schuldsprüche. Dies gilt namentlich auch, soweit die Jugendkammer den Einsatz des Feuerzeugs als Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs bei der Tat gewürdigt hat (vgl. zum Verbrennen der Haut durch ein Feuerzeug als gefährliche Körperverletzung BGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 – 2 StR 109/93, BGHR StGB § 170d Fürsorgepflichtiger 1; zur Verwendung ei- ner brennenden Zigarette: BGH, Urteile vom 4. September 2001 – 1 StR 232/01, NStZ 2002, 30, und vom 27. September 2001 – 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86). Die Rechtsfolgenaussprüche enthalten ebenfalls keine die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.

III.


11
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben überwiegend Erfolg.
12
1. Sie sind gemäß ihrer Begründung wirksam auf die Strafaussprüche beschränkt, weil die Staatsanwaltschaft lediglich die Nichtannahme weiterer Qualifikationsmerkmale innerhalb des Schuldspruchs und auf dieser Grundlage eine zu milde Bestrafung bemängelt.
13
2. Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Jugendkammer das gewaltsame Einführen des Dildos in den After des Nebenklägers nicht als Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB angesehen hat.
14
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Alternative liegt vor, wenn ein – auchfür sich gesehen ungefährlicher – Gegenstand nach der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (vgl. zum gleichlautenden früheren § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB Hörnle in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 284 ff. mwN). Dies ist regelmäßig bei einem Dildo der Fall, wenn er überraschend und kräftig in den After gestoßen wird und hierdurch ganz erhebliche Schmerzen und eine Hautunterblutung am Aftereingang verursacht. Die Jugendkammer hätte sich deshalb nicht mit der Überlegung begnügen dürfen, die konkrete Beschaffenheit des Dildos sei nicht feststellbar, weshalb der Gegenstand nicht als gefährlich angesehen werden könne. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des 3. Strafsenats (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 278/16) besagt nichts anderes, da sie sich mit dieser Fragestellung (auf die Revision der Angeklagten hin) nicht auseinandersetzt.
15
3. Ebenso rechtsfehlerhaft prüft die Jugendkammer nicht, ob die Qualifikation der schweren körperlichen Misshandlung nach § 177 Abs. 8 Nr. 2a StGB im vorliegenden Fall erfüllt wurde. Für eine schwere körperliche Misshandlung in diesem Sinne genügt jede schwere Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens ; die körperliche Integrität muss in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, beeinträchtigt sein (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 2000 – 3 StR 347/00, NJW 2000, 3655; Beschluss vom 3. Mai 2018 – 3StR 658/17). Auch wenn die insoweit anzustellenden Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen (vgl. BGH aaO), liegt dieses Merkmal ange- sichts der stundenlangen Quälerei des Nebenklägers mit Zufügung „thermischer Hautverletzungen“ und erheblicher Schmerzen durch analePenetration (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 StR 422/14, NStZ 2015, 152) doch überaus nahe und hätte erörtert werden müssen.
16
4. Die Staatsanwaltschaft weist in diesem Zusammenhang zudem zutreffend darauf hin, dass das Landgericht auch hätte prüfen müssen, ob der Verbrechenstatbestand des § 177 Abs. 5 StGB erfüllt worden ist. Denn auch dies hätte im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden können.
17
5. Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruhen die Strafaussprüche, denn das Landgericht ist bei jedem Angeklagten von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Jugendkammer bei allen Angeklagten bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen höhere Strafen verhängt hätte.
18
6. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); insoweit bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. Die Feststellungen dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Bei Annahme der oben genannten Qualifikationsmerkmale wird insbesondere zu prüfen sein, inwieweit diese vom – gegebenenfalls sukzessive erweiterten – gemeinsamen Tatplan erfasst waren und deren Verwirklichung deshalb allen Angeklagten zuzurechnen ist.
Mutzbauer Sander Schneider
König Mosbacher

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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 400/17
vom
8. Februar 2018
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Rechtsgrundlage für das Versenden sogenannter "stiller SMS" durch die Ermittlungsbehörden
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2018 - 3 StR 400/17 - KG Berlin
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
ECLI:DE:BGH:2018:080218B3STR400.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Februar 2018 einstimmig
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 17. März 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (PKK) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er das Bestehen eines Verfahrenshindernisses geltend macht und die er auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts sowie auf Verfahrensbeanstandungen stützt. Das Rechtsmittel erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Die gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erteilte Ermächtigung zur Verfolgung von PKK-Führungskadern bis hin zur Ebene der Gebietsverantwortlichen ist wirksam. Anhaltspunkte für eine willkürliche Erteilung der Ermächtigung - worauf sich eine gerichtliche Überprüfung allenfalls erstrecken könnte - bestehen nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2014 - 3 StR 265/13, NStZ-RR 2014, 274 und 3 St3 StR 407/13, juris Rn. 6). Die Vorschrift des § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB ist - auch aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts - nicht verfassungswidrig. Die in den genannten Verfahren erhobenen Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschlüssen vom 15. Oktober 2014 - 2 BvR 2389/14 - und vom 19. Dezember 2014 - 2 BvR 2730/14 - nicht zur Entscheidung angenommen.

II.


3
1. Die erhobenen Verfahrensrügen dringen im Wesentlichen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch. Der eingehenderen Erörterung bedarf lediglich die Rüge der Verletzung der §§ 100a, 100b aF, § 261 StPO durch Verwertung von mittels sogenannter "stiller SMS" erlangter Standortdaten (II.4. der Revisionsbegründung), mit der geltend gemacht wird, dass eine Eingriffsermächtigung fehle. Der Verfahrensbeanstandung bleibt im Ergebnis der Erfolg versagt. Rechtsgrundlage für das Versenden stiller SMS durch die Ermittlungsbehörden ist § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO; zur Erhebung der dadurch erzeugten Daten ermächtigt § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 StPO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 TKG bzw. § 100g Abs. 2 StPO i.V.m. § 113b Abs. 4 TKG. Im Einzelnen:
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a) Bei einer stillen SMS (auch "stealth ping" genannt) wird eine spezielle Kurzmitteilung (SMS) an eine Mobilfunknummer gesandt, die zwar eine Verbindung mit dem angewählten Mobiltelefon erzeugt, jedoch von dessen Nutzer nicht bemerkt werden kann, da sie im Nachrichteneingang nicht angezeigt wird. Der Empfang der SMS bewirkt - wie eine gewöhnliche Telefonverbindung zu einem Mobilfunkgerät - eine Rückmeldung des Mobiltelefons bei der Funkzelle, in der es eingebucht ist, wodurch bei dem jeweiligen Netzbetreiber ein Verkehrsdatensatz erzeugt wird, der auch die Angabe der benutzten Funkzelle beinhaltet. Nach einer Abfrage der Daten bei dem Netzbetreiber kann - abhängig von der Größe der Funkzelle - der ungefähre Standort des Mobiltelefons im Zeitpunkt des Empfangs der stillen SMS bestimmt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das angewählte Mobiltelefon eingeschaltet und empfangsbereit ist ("Standby-Modus"). Im betriebsbereiten Standby-Modus erzeugt das Mobiltelefon in periodischen Abständen ähnliche Daten: Die Netzbetreiber erfassen hierbei die sog. "Local Area", in der ein Mobiltelefon eingebucht ist, welche ihrerseits aus einer variablen Anzahl von Funkzellen besteht. In wiederkehrenden Abständen von einigen Stunden meldet das Mobiltelefon dem Netzbetreiber, in welcher Local Area es gerade eingebucht ist. Darüber hinaus wird sofort gemeldet , wenn das Mobiltelefon in eine Funkzelle einer anderen Local Area wechselt. Ein Wechsel zwischen zwei Funkzellen, die sich in derselben Local Area befinden, wird hingegen nicht mitgeteilt (vgl. BT-Drucks. 18/2695, S. 5 f.; Roggan, FS Hirsch, S. 153, 157 f.).
5
b) Der Einsatz stiller SMS und die Erhebung der so generierten Standortdaten kann entgegen der vom Generalbundesanwalt vertretenen Ansicht nicht auf § 100a StPO i.V.m. den Ermittlungsgeneralklauseln der § 161 Abs. 1 Satz 1, § 163 Abs. 1 StPO gestützt werden. Die Erhebung mittels stiller SMS erzeugter Standortdaten wird schon deshalb nicht von § 100a StPO erfasst, weil sie nicht im Rahmen von Telekommunikation anfallen. Zwar schützt das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG nicht nur die Vertraulichkeit des Kommunikationsinhalts , sondern auch der näheren Umstände des Kommunikationsvorgangs (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, BVerfGE 125, 260, 309 f.), wozu als Verkehrsdaten auch die Standortdaten während der Kommunikation zu zählen sind. Als Kommunikation in diesem Sinne ist die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mittels Fernmeldetechnik gleich welcher Art zu verstehen (BVerfG, Beschluss vom 22. August 2006 - 2 BvR 1345/03, NJW 2007, 351, 353 mwN). Bei dem Versand stiller SMS fehlt es jedoch an einem menschlich veranlassten Informationsaustausch , der sich auf zu übermittelnde Inhalte bezieht. Es wird lediglich ein Datenaustausch zwischen technischen Geräten verursacht, der keinen Rückschluss auf Kommunikationsbeziehungen oder -inhalte erlaubt.
6
Zudem erfasst § 100a StPO seinem Wortlaut nach nur die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation, also die Auskunft über vorhandene Daten. Das Erzeugen solcher Daten, das eine aktive Einflussnahme auf den vorhandenen Datenbestand darstellt, geht jedoch darüber hinaus und bedarf daher einer eigenen Ermächtigungsgrundlage (insoweit überzeugend Eisenberg /Singelnstein, NStZ 2005, 62, 63; LR/Hauck, StPO, 26. Aufl., § 100a Rn. 70). Diese kann nicht in den Ermittlungsgeneralklauseln der § 161 Abs. 1 Satz 1, § 163 Abs. 1 StPO gesehen werden, weil der Einsatz stiller SMS und die sich daran anschließende Abfrage der so erzeugten Standortdaten das Erstellen eines - wenn auch abhängig von der Größe der Funkzellen recht groben - Bewegungsprofils ermöglichen und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) in erheblicher Weise berühren.
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c) Soweit als Rechtsgrundlage für das Versenden stiller SMS § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO erwogen wird (BeckOK StPO/Graf, § 100a Rn. 233; SSW-StPO/Eschelbach, 3. Aufl., § 100h Rn. 6; SK-StPO/Wolter/Greco, 5. Aufl., § 100a Rn. 21 und § 100g Rn. 29), vermag auch dies letztlich nicht zu überzeugen.
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aa) Zwar dürfen nach dieser Vorschrift auch ohne Wissen des Betroffenen außerhalb von Wohnungen sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre und Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist. In Abgrenzung zu § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO sind unter den "sonstigen technischen Mitteln" i.S.d. § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO solche zu verstehen, die weder der Herstellung von Bildaufzeichnungen noch der Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes innerhalb (§ 100c StPO) oder außerhalb (§ 100f StPO) von Wohnungen dienen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2001 - 3 StR 324/00, BGHSt 46, 266, 271 f.; BVerfG, Urteil vom 12. April 2005 - 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304, 317). Dabei bezieht sich die Bestimmung eines technischen Mittels zu Observationszwecken auf seine konkrete Verwendung im Strafverfahren. Es ist unerheblich, mit welcher Zweckbestimmung es ursprünglich konzipiert und auf den Markt gebracht wurde (MüKoStPO/Günther, § 100h Rn. 6). Diese Voraussetzungen erfüllt das technische Mittel der stillen SMS.
9
bb) Jedoch dürfen die nach dieser Vorschrift zulässigen technischen Mittel nur außerhalb von Wohnungen verwendet werden. Die Strafverfolgungsbehörden haben jedoch weder Kenntnis davon noch Einfluss darauf, wo sich ein Mobiltelefon im Zeitpunkt des Empfangs einer stillen SMS befindet. Zwar wird als maßgeblich für die Zuordnung einer Maßnahme als außerhalb oder innerhalb einer Wohnung nicht der Standort oder die Wirkung des technischen Mittels, sondern die Lage der zu erhebenden Daten angesehen (BGH, Beschluss vom 14. März 1997 - 1 BGs 65/97, NJW 1997, 2189 f.; MüKoStPO/ Günther, § 100h Rn. 8). Auch der Schutzbereich des Art. 13 GG soll von einem Eingriff dann nicht betroffen sein, wenn dieser unabhängig vom Standort möglich und nicht auf die Wahrnehmung von Vorgängen gerichtet ist, die sich innerhalb der privaten räumlichen Sphäre zutragen. Denn Art. 13 GG vermittelt dem Einzelnen keinen generellen, von den Zugriffsmodalitäten unabhängigen Schutz gegen Eingriffe, deren spezifische Gefährdung durch dessen raumbezogenen Schutzbereich ohnehin nicht abgewendet werden kann (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07, BVerfGE 120, 274, 309 f. zur Online-Durchsuchung ).
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cc) § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO könnte daher als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für das Versenden stiller SMS durchaus in Betracht gezogen werden. Mit § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO gibt es aber eine Eingriffsnorm, die die Ermittlung des Standorts eines Mobiltelefons durch Einsatz technischer Mittel explizit regelt, auch die Versendung stiller SMS umfasst (siehe sogleich d)) und daher insoweit als lex specialis zu § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO anzusehen ist (MüKoStPO/Günther, § 100i Rn. 17).
11
d) Die Eingriffsbefugnis für den Einsatz stiller SMS ergibt sich aus § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO. Diese Vorschrift sieht vor, dass bei einem durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht der dort näher bezeichneten Straftaten durch technische Mittel der Standort eines Mobilfunkendgerätes ermittelt werden darf, soweit es für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthalts des Beschuldigten erforderlich ist.
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aa) Zwar hatte der Gesetzgeber bei der Einführung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3018) in erster Linie den sogenannten "IMSI-Catcher" im Blick (BT-Drucks. 14/9088 S. 7). Nach dem Wortlaut der Norm hat er deren Anwendungsbereich aber gerade nicht auf diesen beschränkt, sondern durch die Wahl des Begriffs "technische Mittel" erkennbar dem technischen Fortschritt Rechnung tragen und die Anwendbarkeit der Vorschrift auch für weitere kriminaltechnische Neuerungen offenhalten wollen. Dies ist verfassungsrechtlich zulässig und verletzt insbesondere nicht die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anforderungen an Tatbestandsbestimmtheit und Normenklarheit, die für Vorschriften des Strafverfahrensrechts gelten (vgl. BVerfG, Urteil vom 12. April 2005 - 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304, 315 f.). Auch der konkrete Anwendungsbereich der Norm ist durch den benannten Zweck des technischen Mittels zur Ermittlung des Standorts eines Mobilfunkgeräts hinreichend bestimmt.
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bb) Die Gesetzgebungshistorie bestätigt die Zulässigkeit der Subsumtion der stillen SMS unter diese Vorschrift. Die stille SMS zur Ermittlung des ungefähren Standorts eines Mobilfunkgeräts wird meist observationsunterstützend eingesetzt. Nachdem § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO in seiner ursprünglichen Fassung die Ermittlung des Standorts eines Mobilfunkendgeräts nur zur vorläufigen Festnahme oder Ergreifung des Täters auf Grund eines Haft- oder Unterbringungsbefehls zuließ, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezem- ber 2007 (BGBl. I S. 3198) diese Einschränkung gestrichen. Hierdurch wollte er ausdrücklich ermöglichen, dass technische Mittel im Sinne dieser Vorschrift auch zur Unterstützung von Observationsmaßnahmen oder zur Vorbereitung einer Verkehrsdatenerhebung nach § 100g StPO eingesetzt werden können (BT-Drucks. 16/5846, S. 56).
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cc) Die so generierten Daten können von den Strafverfolgungsbehörden nach § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 StPO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 TKG bzw. § 100g Abs. 2 StPO i.V.m. § 113b Abs. 4 TKG erhoben werden. Die Regelungen zur Umsetzung einer entsprechenden Abfrage hat die Bundesregierung mit der Verordnung zur Änderung der Telekommunikationsüberwachungsverordnung vom 14. Juni 2017 (BGBl. I S. 1657 und S. 2316) in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 32 TKÜV geschaffen.
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2. Im Übrigen ist ergänzend lediglich Folgendes anzumerken:
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a) Die Rüge, das Kammergericht hätte zur Überprüfung der Verwertbarkeit verfahrensfremder Telekommunikationsüberwachungserkenntnisse die vollständigen Akten der Drittverfahren beiziehen müssen (II.1. der Revisionsbegründung ), ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Rügt die Revision eine unterlassene Beiziehung von Akten, handelt es sich der Sache nach um eine Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 327; vom 17. Juli 2008 - 3 StR 250/08, NStZ 2009, 51 f.). Der erforderliche Tatsachenvortrag muss sich daher auch darauf erstrecken, aufgrund welcher Umstände sich das Tatgericht zur Beiziehung der verfahrensfremden Akten hätte gedrängt sehen müssen.
17
In Bezug auf die Überprüfung der Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gilt, dass dem eine solche Maßnahme anordnenden Richter bei der Prüfung nach § 100a StPO, ob ein auf bestimmte Tatsachen gestützter Tatverdacht gegeben ist und der Subsidiaritätsgrundsatz nicht entgegensteht, ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Nachprüfung durch den Tatrichter - und durch das Revisionsgericht -, ob die Anordnung rechtmäßig war und die Ergebnisse der Überwachung verwertbar sind, ist daher auf den Maßstab der Vertretbarkeit beschränkt (BGH, Urteil vom 16. Februar 1995 - 4 StR 729/94, BGHSt 41, 30, 33 f.). Ist die Darstellung der Verdachts- und Beweislage im ermittlungsrichterlichen Beschluss plausibel, kann sich der erkennende Richter in der Regel hierauf verlassen. Fehlt es jedoch an einer ausreichenden Begründung oder wird die Rechtmäßigkeit der Maßnahme konkret in Zweifel gezogen, hat der erkennende Richter die Verdachts - und Beweislage, die im Zeitpunkt der Anordnung gegeben war, anhand der Akten zu rekonstruieren und auf dieser Grundlage die Verwertbarkeit zu untersuchen. War die Überwachung der Telekommunikation in einem anderen Verfahren angeordnet worden, hat er hierzu in der Regel die Akten dieses Verfahrens beizuziehen (BGH, Beschluss vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, BGHSt 47, 362, 367). Um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob die jeweiligen Anordnungen der Überwachungsmaßnahmen ausreichend und plausibel begründet waren und das Kammergericht sich mangels konkreter Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnungsbeschlüsse auf deren Begründungen verlassen durfte, hätte der Revisionsführer jedenfalls alle in den hiesigen Verfahrensakten enthaltenen ermittlungsrichterlichen Beschlüsse mitteilen müssen. Daran fehlt es hier, weil die gegen den gesondert Verfolgten A. erlassenen Beschlüsse 6 BGs 83/14 vom 8. April 2014 (Sbd. TKÜ Haftbefehl Bl. 113), 6 BGs 260/14 vom 30. Dezember 2014 (Sbd. TKÜ Haftbefehl Bl. 122), 6 BGs 80/14 vom 8. April 2014 (Sbd. TKÜ Haftbefehl Bl. 124), 6 BGs 141/14 vom 7. Juli 2014 (Sbd. TKÜ Haftbefehl Bl. 127), 6 BGs 202/14 vom 7. Oktober 2014 (Sbd. TKÜ Haftbefehl Bl. 130) und 6 BGs 259/14 vom 30. Dezember 2014 (Sbd. TKÜ Haftbefehl Bl. 133) nicht vorgelegt werden. Auch der ermittlungsrichterliche Beschluss vom 16. Juli 2015 - 6 BGs 251/15 - aus dem gegen K. geführten Verfahren ist Bestandteil der hiesigen Verfahrensakten (Sbd. Kontakte D. - K. Bl. 83), wird jedoch von der Revision nicht mitgeteilt. Und schließlich legt der Beschwerdeführer nicht dar, welche Teile aus verfahrensfremden Akten Bestandteil der hiesigen Verfahrensakten geworden sind. Damit ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob das Kammergericht bereits aufgrund der entsprechenden Akteninhalte die Rechtmäßigkeit der verfahrensfremden ermittlungsrichterlichen Anordnungen kontrollieren konnte oder ob es darüber hinaus die vollständigen Akten hätte beiziehen müssen.
18
b) Die Rüge der Verletzung des § 250 Satz 2 StPO durch Verlesung polizeilicher Observationsberichte und weiterer polizeilicher Vermerke und Berichte (II.3. der Revisionsbegründung) ist neben den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen im Hinblick auf den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten polizeilichen Schlussbericht auch deshalb unbegründet, weil dessen Verfasser in der Hauptverhandlung als Zeuge auch zum Inhalt dieses Berichts vernommen wurde. Damit handelte es sich um eine zulässige vernehmungsergänzende Verlesung (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - 1 StR 350/07, NStZ-RR 2008, 48). Da der in § 250 Satz 2 StPO normierte Vorrang des Personalbeweises den grundsätzlich zulässigen (BGH, Urteil vom 16. Februar 1965 - 1 StR 4/65, BGHSt 20, 160, 161 f.) Urkundenbeweis nicht weiter als für seine Zielsetzung einer besseren Sachaufklärung erforderlich einschränkt, ist die eigenständige Beweisverwendung des Inhalts einer verlesenen Urkunde auch dann zulässig, wenn sie beispielsweise Lücken der Zeugenaussage schließt (vgl. im Einzelnen LR/Sander/Cirener, StPO, 26. Aufl., § 250 Rn. 17 ff.). Eine solche Urkunde kann dabei auch im Wege des Selbstleseverfahrens gemäß § 249 Abs. 2 StPO zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden, wenn es nicht ausnahmsweise darauf ankommt, einen in ihr enthaltenen bestimmten Wortlaut unmittelbar mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern (LR/Mosbacher, StPO, 26. Aufl., § 249 Rn. 46, 53; aA LR/Sander/Cirener, StPO, 26. Aufl., § 250 Rn. 17 aE).
19
c) Die Unzulässigkeit der Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1, § 222b StPO) ergibt sich entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht schon daraus, dass die Revision das Protokoll des ersten Hauptverhandlungstages nicht vorgelegt und damit belegt hat, dass der Besetzungseinwand nach § 222b StPO vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache erhoben wurde. Denn der Revisionsführer erfüllt seine die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge bewirkende Pflicht aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bereits mit insoweit vollständigem Vortrag aller entscheidungserheblichen Tatsachen. Ob die von der Revision behaupteten Verfahrenstatsachen als erwiesen angesehen werden können, ist jedoch eine Frage des Beweises, deren Beantwortung dem Revisionsgericht obliegt (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 40 mwN).
20
Die Unzulässigkeit der Rüge folgt indes daraus, dass die Revision den die Maßnahmen bei Überlastung des 1. Strafsenats regelnden Teil des Geschäftsverteilungsplans des Kammergerichts für das Jahr 2016 (III.B.2.5.) nicht mitgeteilt hat und dieser für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der unterjährigen Übertragung von Zuständigkeiten des 1. Strafsenats auf den 2. Strafsenat von Bedeutung war. Im Übrigen wäre die Rüge aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Erwägungen auch unbegründet.

III.


21
Die aufgrund der Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Becker Gericke Spaniol
RiBGH Dr. Tiemann ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hoch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 26/13
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. März 2013 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 10. Oktober 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten führt bereits aufgrund einer Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils; auf eine weitere Verfahrensrüge und die Sachrüge kommt es daher nicht an.
2
Die Rüge, die Verlesung der polizeilichen Vernehmung des Mitangeklagten sei nach § 253 Abs. 1, § 254 Abs. 1 StPO unzulässig gewesen, hat Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf den Inhalt des Protokolls der polizeilichen Vernehmung des seinerzeitigen Beschuldigten (Verurteilten) C. L. gestützt, der in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat (UA S. 5). Der Angeklagte hat den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf in der Hauptverhandlung bestritten (UA S. 5). Das Protokoll der polizeilichen Vernehmung vom 21. November 2008, in der der Verurteilte C. L. die Tat gestanden und seinen Bruder, den Angeklagten, als Mittäter benannt hatte, wurde dem Vernehmungs- beamten, […] der an den Inhalt der Vernehmung keine Erinnerung mehr hatte, gemäß § 253 Abs. 1 StPO zur Stütze des Gedächtnisses vollständig vorgehalten.
Diese Verfahrensweise begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Erklärt ein Vernehmungsbeamter, er könne sich an den Inhalt der Vernehmung nicht erinnern, kommt eine Verlesung der von ihm gefertigten polizeilichen Vernehmungsniederschrift gemäß § 253 Abs. 1 StPO nicht in Betracht. Diese Vorschrift gilt nicht im Rahmen der Vernehmung von Verhörspersonen, die in der Hauptverhandlung über Bekundungen aussagen , die andere vor ihnen gemacht haben (vgl. BGH StV 1994, 637). Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn es sich bei dem Zeugen, dessen Gedächtnis unterstützt werden soll, um dieselbe Person handelt, deren Aussage in dem zu verlesenden Protokoll festgestellt wurde (BGH NStZ 1984, 17). Ein Anwendungsfall des § 253 StPO liegt deshalb hier nicht vor. Verhörspersonen können die darüber aufgenommenen Niederschriften zwar vorgehalten werden, sie dürfen aber nicht, wie hier, zum ergänzenden Urkundenbeweis bei Erinnerungsmängeln benutzt werden (vgl. BGH NStZ 1984, 17; Diemer in KK StPO, 6. Aufl. § 253 Rdn. 3).
Da sich die Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auf die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung des Verurteilten C. L. gründet, beruht das Urteil auch auf dem Verfahrensverstoß (§ 337 Abs. 1 StPO)."
3
Dem schließt sich der Senat an.
Tolksdorf Pfister Schäfer
Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 232/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 25. Januar 2001
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß aa) die Verurteilungen wegen Bedrohung entfallen; bb) sämtliche unter B. B. der Urteilsgründe abgeurteilten Taten im Verhältnis von Tateinheit stehen;
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen wurde, sowie im gesamten Strafausspruch. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ein andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat festgestellt:
a) Am 2. März 2000 hatte der Angeklagte dem B. angeboten , mit ihm und K. in seiner Wohnung über die Rückgabe B. gehörender Möbel zu sprechen, die sich noch bei K. befanden. Ohne daß B. hierfür einen nachvollziehbaren Grund gegeben hätte, kündigte der Angeklagte dort alsbald an, ihm den "Kopf weg(zu)pusten", und hinderte B. mit Ohrfeigen und einem Faustschlag am Verlassen der Wohnung. In den nächsten Stunden wurdeB. von ihm vielfältig mißhandelt , gequält und gedemütigt. Er bedrohte ihn ständig mit dem Tod ("killen"; "häuten") und gravierenden Verletzungen ("Eier abreißen"), "probierte" Karateschläge an ihm aus und würgte ihn, bis er seinen Geldbeutel herausgab, dem der Angeklagte einen Geldschein entnahm, der dann verbrannt wurde. B. mußte die Schuhevon K. küssen und er bekam vom Angeklagten seinen Ausweis in den Mund geschoben.
b) Am 13. April 2000 hielt sich der Nebenkläger R. in der Wohnung des Angeklagten auf, weil ihm dieser einen Arbeitsplatz versprochen hatte. Als sich nichts ergab und R. wieder gehen wollte, war die Tür verschlossen und der Angeklagte bedrohte R. mit einer von diesem für echt gehaltenen Pistolenattrappe und einem Messer, beschimpfte ihn und kündigte ihm an, "er sei bald tot". Damit begann ein mehrtägiges, von der Strafkammer im einzelnen geschildertes Martyrium R. s. In dessen Verlauf mußte R. nicht nur Haus- und Küchenarbeiten verrichten und nackt in eine Badewanne mit kaltem Wasser steigen, sondern auch nackt herumkriechen,
Schuhe und Fuûboden ablecken, Zigarettenkippen schlucken und den Urin des Angeklagten trinken. Bei alledem wurde er nicht nur ständig mit dem Tod bedroht , sondern auch körperlich schwer miûhandelt. Der Angeklagte drückte unmittelbar über der Nase R. s eine brennende Zigarette aus - nach etwa zehn Tagen war noch eine gerötete Narbe festzustellen -, schlug auf den nackt herumkriechenden R. mit Holzprügeln ein und schoû jeweils aus der Nähe mit einem Luftgewehr in seinen rechten Zeh und seine linke Hand und mit einem Gasrevolver in seine Genitalien. 2. Nach weitgehender Verfahrensbeschränkung hat die Strafkammer das Geschehen zum Nachteil B. als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und jeweils zwei Fällen der Nötigung und der vorsätzlichen Körperverletzung bewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Das Geschehen zum Nachteil R. hat die Strafkammer als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und Nötigung in sieben Fällen angesehen sowie als gefährliche Körperverletzung in fünf Fällen, die hierzu jeweils in Tatmehrheit stehen, weil sie auf Spontanentschlüsse zurückgingen. Für die Freiheitsberaubung und die damit in Tateinheit stehenden Delikte hat sie vier Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Für die gefährlichen Körperverletzungen wurden festgesetzt: Zehn Monate wegen der Schläge mit den Holzprügeln, ein Jahr und drei Monate für das Brennen mit der Zigarette, ein Jahr und sechs Monate für den Schuû in den Zeh, zwei Jahre für den Schuû in die Hand und drei Jahre für den Schuû in die Genitalien. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren gebildet. Von Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer abgesehen.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die uneingeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten führt zu zwei Änderungen des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung beschränkt und hat Erfolg. Zugleich führt sie zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten.

II.

Die Revision des Angeklagten: 1. Die Revision meint, eine brennende Zigarette sei "mangels Eignung der Hervorrufung erheblicher Verletzungen" kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Sie verweist auf die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, wonach die Möglichkeit erheblicher Verletzungen nicht naheliegt, wenn mit Zigarettenglut eine Brandverletzung auf der Wade herbeigeführt wird (StV 1994, 244, 246; Zweifel hieran bei Tröndle/Fischer StGB, 50. Aufl. § 224 Rdn. 9). Diese Bewertung von Brandverletzungen widerspricht schon im Ansatz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die gefährliche Körperverletzung bei "Zufügung von Brandwunden durch glimmende Zigaretten" ohne weiteres bejaht hat (Beschl. vom 25. April 2001 - 3 StR 7/01 [mitgeteilt in dem Urteil, das gegen einen an diesem Tatkomplex nicht beteiligten Mittäter in jener Sache am selben Tag ergangen ist]). Damit vergleichbar wurde gefährliche Körperverletzung ebenfalls ohne weiteres in einem Fall bejaht, in dem ein brennendes Feuerzeug einige Sekunden unter vier Finger der Hand eines Kindes gehalten
wurde, was zu schmerzhaften Verletzungen mit Blasen und Narben führte (BGHR StGB § 170d [aF] Fürsorgepflichtiger 1). Der Senat sieht keinen Anlaû, von dieser Rechtsprechung abzuweichen: Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 1999, 616). Es kommt also nicht allein auf die letztlich eingetretene Verletzung an, es genügt vielmehr schon die potentielle Gefährlichkeit des Werkzeugs im konkreten Fall (Tröndle/Fischer aaO). Eine brennende Zigarette, die auf der Haut ausgedrückt wird, führt regelmäûig zu schmerzhaften Brandverletzungen, die vielfach mit Narbenbildung - hier war die Narbe des Geschädigten nach zehn Tagen noch gerötet (I 1 b) - verbunden sind; auch darüber noch hinausgehende Komplikationen sind niemals auszuschlieûen. Im konkreten Fall kommt im übrigen [zusätzlich] noch hinzu, daû die Zigarette unmittelbar über der Nase ausgedrückt wurde, so daû wegen der [nicht] auszuschlieûenden Möglichkeit schmerzbedingt unkontrollierter Bewegungen sogar die Gefahr einer Augenverletzung bestand. 2. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt im einzelnen ausgeführt haben, stehen sämtliche Taten zum Nachteil R. in Tateinheit. Er befand sich auf Grund des Verhaltens des Angeklagten in einer Zwangslage und konnte sich nicht frei bewegen, was der Angeklagte bei den Verletzungshandlungen ausgenutzt hat. Auch wenn diese Handlungen auf Spontanentschlüsse zurückgehen sollten, ist daher das gesamte Geschehen tateinheitlich verbunden (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 16 m.w.Nachw.). Schon weil auch die unverändert zugelassene Anklage von Tateinheit zwi-
schen allen Delikten (auch) in diesem Tatkomplex ausgegangen ist, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. 3. Im übrigen enthält der Schuldspruch nur noch insoweit einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler, als Bedrohung (§ 241 StGB) hinter Nötigung (§ 240 StGB) zurücktritt, da die Bedrohungen - jedenfalls auch - Nötigungsmittel waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2; w. Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 240 Rdn. 63). Auch insoweit war der Schuldspruch daher zu ändern. 4. Zwar hat weder der Wegfall der Verurteilungen wegen Bedrohung hier für den Strafausspruch Bedeutung, noch gefährdet eine unzutreffende Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang im Ergebnis ohne weiteres den Strafausspruch (vgl. nur BGHSt 41, 368, 373 f.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, daû eine aus mehreren Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil aus der im Fall R. noch zu bildenden Einzelstrafe und der Strafe im Fall B. eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Daher ist der Senat an einer Bestätigung des Strafausspruchs gehindert (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 7), so daû der Strafausspruch aufzuheben war, wobei der Senat im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Taten auch die Strafe im Fall B. aufgehoben hat (vgl. hierzu BGH wistra 1998, 106, 108 m.w.Nachw.).

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft: Die Strafkammer hat die formellen und materiellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB bejaht, von Sicherungsverwahrung aber gleichwohl abgesehen.
1. Der Angeklagte ist schon wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Nötigung und einem Waffendelikt, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden:
a) Am 4. Oktober 1988 hatte er den H. ohne nachvollziehbaren Grund schwer miûhandelt. Er hatte ihn vielfach mit einem Baseballschläger und einem Schlagstock auf Arme und Beine geschlagen, ihn etwa eine Viertelstunde in den Bauch getreten und ihm mit einem Messer zwei Stichverletzungen an den Armen zugefügt, wobei er dann in eine Wunde Salz gerieben hatte, um H. weitere Schmerzen zu bereiten (Strafe: zwei Jahre und sechs Monate

).


b) Am 7. Oktober 1988 hatte er den ihm bekannten Tankwart S. ebenfalls aus nichtigem Anlaû im Kassenraum der Tankstelle mit der Faust niedergeschlagen, ihn in sadistischer Weise ("Auge ausstechen"; "Schwanz abschneiden") bedroht, ihn getreten und sich schlieûlich auch noch den Kasseninhalt angeeignet (Strafe: vier Jahre und sechs Monate).
c) Am 10. Oktober 1988 drang der Angeklagte nachts in die Wohnung seines früheren Karateschülers Kö. ein, bedrohte ihn mit einer Pistole und forderte Auskunft über anonyme Anrufe im Zusammenhang mit seiner Karateschule. Als sich Kö. weigerte, schoû er ihm in den Hals. Anschlieûend quälte er ihn "über das Ziel der Informationserlangung hinaus". Er schlug ihn etwa mit der Pistole heftig in das Gesicht, trat ihm in die Genitalien und kündigte ihm "zynisch" seinen nahen Tod an. Der lebensgefährlich verletzte Kö. behielt Dauerschäden wie eine Armlähmung und eine Stimmbehinderung wegen der schuûbedingten Kehlkopfverdrehung (Strafe: zwölf Jahre).
Der Angeklagte war in dieser Sache vom 15. Oktober 1988 bis 1. März 1998 inhaftiert; der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Damit liegen die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB vor, ohne daû sich daran durch die vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung (II 2) etwas ändern würde (vgl. hierzu im einzelnen Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 9, 10 m.w.Nachw.). 2. Darüber hinaus hat die Strafkammer auch die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach sachverständiger Beratung bejaht, da der Angeklagte einen Hang zu Straftaten hat, durch die die Opfer körperlich und seelisch schwer geschädigt werden und er daher für die Allgemeinheit gefährlich ist. Im einzelnen ist ausgeführt, daû Aggressivität für ihn etwas "Normales" ist und daû er persönlichkeitsbedingt weder zu Schuld- und Unrechtsbewuûtsein in der Lage ist - die der Vorverurteilung zu Grunde liegenden Taten hat er "bagatellisiert" -, noch aus Erfahrungen lernen kann. Auûerdem sind im einzelnen näher beschriebene Persönlichkeitsmerkmale des Angeklagten "Indikatoren" für einen kriminellen Rückfall. 3. Die Strafkammer hält Sicherungsverwahrung für "derzeit noch unverhältnismäûig im Sinne des § 62 StGB". Unter Beachtung dieser Bestimmung sei nämlich im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen, daû der Angeklagte im Hinblick auf den anstehenden Strafvollzug und den zu erwartenden Bewährungswiderruf mehr als zehn Jahre von der Allgemeinheit ferngehalten und voraussichtlich erst mit 55 Jahren wieder in Freiheit gelangen werde. Da er auch während der früheren Haft offenbar nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei und bei vollständiger Verbüûung der jetzt verhängten Strafe unter Führungsaufsicht stehen werde (§ 68f StGB), die ein "besonderes Augenmerk" auf ihn zu werfen haben werde, sei es "noch
vertretbar" ihm die Möglichkeit eines straffreien Lebens jenseits der Lebensmitte einzuräumen. 4. Gegen diese Erwägungen wendet sich das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit Recht.
a) Dabei versteht der Senat die allerdings nicht sehr klaren Ausführungen zu § 62 StGB nicht dahin, daû die Strafkammer der - offensichtlich hier auch nicht vertretbaren - Auffassung wäre, schon wegen der Bedeutung der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Taten sowie des Grades der von ihm ausgehenden Gefahr komme Sicherungsverwahrung nicht in Betracht. Vielmehr stützt die Strafkammer ihre Entscheidung im wesentlichen auf die Dauer der anstehenden Freiheitsentziehung und das Lebensalter zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Haftentlassung.
b) Bei einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB können allerdings die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäû eintretenden Haltungsänderungen Gewicht gewinnen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 301 m.w.Nachw.). Es kommt dabei jedoch nicht auf die (mutmaûliche) Dauer des Strafvollzugs als solche an. Entscheidend ist vielmehr, ob zu erwarten ist, daû sie eine präventive Warnwirkung auf den Angeklagten haben und damit zu einer Haltungsänderung bei ihm führen wird (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3, 5, 6 m.w.Nachw.). Diese Annahme ist jedoch schon im Hinblick auf die früheren Taten und die deswegen vollzogene langjährige Strafhaft - unbeschadet des Verhaltens des Angeklagten in dieser Zeit - sehr fernliegend und darüber hinaus mit der ausdrücklich festgestellten Unfähigkeit des Angeklagten, aus Erfahrungen zu lernen, unvereinbar.
Das mutmaûliche Lebensalter des Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Haftentlassung kann an alledem nichts ändern. Anders wäre es nur, wenn unter Berücksichtigung der Art der in Frage stehenden Delikte für diesen Zeitpunkt eine positive Prognose gestellt werden könnte (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3). Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der damit vergleichbaren Frage der Gefährlichkeitsbeurteilung gemäû § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wiederholt ausgesprochen hat, ist allein ein Alter von etwa 55 Jahren bei der Haftentlassung als solches dabei nicht aussagekräftig (Urt. vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3 Gefährlichkeit 5). Auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB kann insoweit nichts anderes gelten. Gründe, die speziell beim Angeklagten eine andere Bewertung dieses Alters rechtfertigen könnten, sind schon im Hinblick auf seine Unfähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, nicht ersichtlich. Auch die Art der in Rede stehenden Delikte spricht nicht für eine andere Beurteilung. "In grausamer und sadistischer Weise" vorgenommenen Miûhandlungen steht auch ein Alter "jenseits der Lebensmitte" nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. vom 30. August 1994 - 1 StR 271/94). Schon deshalb, weil der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten unter Bewährungsbruch begangen hat, obwohl er einem Bewährungshelfer unterstanden ist - für eine Ausnahme vom Grundsatz des § 57 Abs. 3 Satz 2 StGB ist nichts ersichtlich - können schlieûlich auch die Erwägungen der Strafkammer zur Führungsaufsicht kein Gewicht gewinnen.
c) Nach alledem muû über die Anordnung von Sicherungsverwahrung daher neu befunden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Androhung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.Nachw.). Da die Strafkammer hier ausdrücklich einen Bezug zwischen der Höhe der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 278/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100117B3STR278.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 10. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 7. März 2016
a) soweit es den Angeklagten J. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung, der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung , der Vergewaltigung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung schuldig ist;
b) soweit es den Angeklagten B. betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung, der schweren räuberischen Erpressung, der räuberischen Erpressung in zwei tatmehrheitlichen Fällen sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur Vergewaltigung schuldig ist; bb) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten B. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Der Angeklagte J. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat beide Angeklagten unter Freispruch im Übrigen der gefährlichen Körperverletzung (Fall II. 1. der Urteilsgründe), der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2. der Urteilsgründe), der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 3. der Urteilsgründe), der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Vergewaltigung (Fall II. 4. der Urteilsgründe) sowie der räuberischen Erpressung (Fall II. 5. der Urteilsgründe) schuldig gesprochen. Es hat gegen den Angeklagten J. eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie gegen den Angeklagten B. eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die Angeklagten wenden sich mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilungen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall II. 2. der Urteilsgründe hält der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Angeklagten B. materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Nach den vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellungen beschoss J. den auf einem Pendlerparkplatz an ein Verkehrsschild gefesselten Geschädigten mit Kugeln aus einem Soft-Air-Gewehr. B. stand dabei und "ließ das Geschehen billigend zu", weil auch er den Zeugen zu weiteren Zahlungen gefügig machen wollte.
4
Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte B. sich nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB strafbar gemacht hat. Dieser hatte zwar ein Interesse daran, den Geschädigten zu weiteren Geldzahlungen zu veranlassen. Er beteiligte sich jedoch an der Körperverletzung nicht, sondern stand insoweit lediglich passiv in der Nähe. Die Körperverletzungshandlungen wurden allein von J. vorgenommen; ein Einfluss des B. hierauf lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Allein der Umstand, dass B. die Körperverletzungshandlungen des J. billigte, macht ihn insoweit nicht zum Mittäter.
5
Demgegenüber enthält der Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten J. im Ergebnis keinen Rechtsfehler. Allerdings verwirklichte dieser lediglich die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, nicht aber, wie das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen hat, auch diejenigen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Die Angeklagten wirkten bei der Körperverletzung nicht bewusst zusammen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass B. den J. aktiv physisch oder psychisch in einer Weise unterstützte, die sich als Demonstration von Ein- griffsbereitschaft und damit als Erhöhung der tatbestandsspezifischen Gefahr darstellt (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 224 Rn. 11 f.).
6
2. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe belegen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen für den Angeklagten J. lediglich eine Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung; der Angeklagte B. hat sich nur wegen räuberischer Erpressung strafbar gemacht.
7
Danach schlug J. dem Geschädigten im Beisein des B. und mit dessen Einverständnis mit der Faust in den Magen. B. stand während des Schlages neben J. und sagte im Anschluss, der Geschädigte habe genug, es reiche.
8
Diesen Feststellungen sind die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ebenfalls nicht zu entnehmen. Auch hier liegt ein bewusstes, gefahrerhöhendes Zusammenwirken der beiden Angeklagten bei der Körperverletzung nicht vor. Es verbleibt deshalb insoweit für J. eine einfache Körperverletzung nach § 223 StGB; B. ist wegen eines Körperverletzungsdelikts nicht strafbar.
9
3. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe ist der Angeklagte B. nach den getroffenen Feststellungen lediglich der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur Vergewaltigung schuldig.
10
Nach den diesbezüglichen Feststellungen führte J. dem mit dem Oberkörper auf der Motorhaube eines Kraftfahrzeugs liegenden Geschädigten mehrfach einen Dildo in den After ein. Der Geschädigte, der starke Schmerzen erlitt, rief, J. solle aufhören, und versuchte, sich wegzuwinden. Dies gelang ihm aber nicht, weil J. ihn festhielt. B. trug das Vorgehen desJ.
mit und leuchtete diesem währenddessen mit der Taschenlampenfunktion seines Handys.
11
Diese Feststellungen belegen nicht eine gemeinschaftliche Begehung der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aF, der § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 StGB nF entspricht; denn diese Vorschrift setzt ein aktives Zusammenwirken von mindestens zwei Personen als Täter voraus. Hierzu gilt:
12
Nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aF ist das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles der sexuellen Nötigung erfüllt, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird. Die Norm wurde durch das 33. Strafrechtsänderungsgesetz vom 1. Juli 1997 in das Strafgesetzbuch eingeführt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll strafschärfend wirken, dass bei der Mitwirkung mehrerer Personen die Abwehrchancen des Opfers geringer sind und es in solchen Fällen regelmäßig zu besonders massiven sexuellen Handlungen kommt (BT-Drucks. 13/2463, S. 7). Der Wortlaut der Vorschrift und dabei insbesondere der Ausdruck "gemeinschaftlich" nimmt Bezug auf die Regelung zur Mittäterschaft in § 25 Abs. 2 StGB. Auch der Vergleich zu einerseits § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB und andererseits § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, die beide durch das Sechste Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998 geschaffen wurden, belegt, dass für die Begehung des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aF Täterschaft erforderlich ist und sonstige Formen der Teilnahme nicht ausreichen. Anders als in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aF und § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB, die in gleicher Weise lediglich auf die "von mehreren" gemeinschaftlich begangene Tat abstellen, ist in § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB geregelt, dass die Tat "mit einem anderen Beteiligten" gemeinschaftlich begangen wird. Damit unterscheidet sich der Wortlaut der Normen maßgeblich. Insbesondere aus diesem Grund lässt die Rechtsprechung bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB das gemeinsame Wirken eines Täters und eines Gehilfen bei der Begehung einer Körperverletzung genügen (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2002 - 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383, 386), während sie bei § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB ein jeweils täterschaftliches Verhalten verlangt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 4 StR 258/13, BGHSt 59, 28, 32). Vor dem Hintergrund des insoweit identischen Wortlauts besteht kein Anlass, hiervon bei der Auslegung des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aF abzuweichen (im Ergebnis ebenso Renzikowski NStZ 1999, 377, 382; S/S-Eisele, StGB, 29. Aufl., § 177 Rn. 24; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 157; MüKoStGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 Rn. 74; aA LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 225).
13
Danach scheidet die Begehung des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aF für beide Angeklagten aus. Denn der Angeklagte B. handelte bei sachgerechter Bewertung des Grades seines Interesses am Erfolg der Tat, dem Umfang seiner Tatbeteiligung sowie seiner objektiven Tatherrschaft und dem Willen hierzu nicht als Täter des Sexualdelikts. Vielmehr unterstützte er mit seinem Beitrag lediglich die Tat des Angeklagten J. . Er ist deshalb insoweit nur der Beihilfe zur Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Nr. 1, § 27 Abs. 1 StGB) schuldig (vgl. LK/Hörnle aaO, Rn. 220). Demgegenüber verbleibt es bei dem Angeklagten J. bei dem Schuldspruch der Vergewaltigung, da dieser die Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB als Täter verwirklichte.
14
4. Es ist in allen Fällen auszuschließen, dass ein neues Tatgericht weitergehende Feststellungen als die bisherigen treffen könnte. Der Senat ändert deshalb in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch jeweils selbst entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen; denn die Angeklagten hätten sich auch bei einem entsprechenden Hinweis nicht anders als geschehen verteidigen können.
15
5. Die Änderung des Schuldspruchs beeinflusst bei dem Angeklagten J. den Strafausspruch nicht; dieser kann deshalb bestehen bleiben. Die Strafkammer hat die Jugendstrafe rechtsfehlerfrei nach jugendstrafrechtlichen Maßstäben zugemessen und dabei nicht darauf abgestellt, dass der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe tateinheitlich zu der räuberischen Erpressung nach ihrer Würdigung eine gefährliche Körperverletzung statt wie zutreffend eine einfache Körperverletzung beging. Ebenso wenig ist es für das Landgericht ein bestimmender Strafzumessungsgrund gewesen, dass der Angeklagte nach seiner Ansicht im Fall II. 2. der Urteilsgründe zwei Varianten des § 224 Abs. 1 StGB und im Fall II. 4. der Urteilsgründe zwei Alternativen des § 177 Abs. 2 StGB aF - statt jeweils richtigerweise eine Variante - beging.
16
6. Auch bei dem Angeklagten B. weisen die Erwägungen des Landgerichts zur Strafzumessung für sich genommen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Jedoch sind der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten dieses Angeklagten teilweise geringer, als die Strafkammer angenommen hat. Deshalb ist es nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen , dass ein neues Tatgericht eine geringere Jugendstrafe verhängen wird. Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Die aufgezeigten Rechtsfehler betreffen die festgestellten Strafzumessungstatsachen nicht; diese können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen , sind möglich.
Becker Schäfer Gericke
Spaniol Berg

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Schmerzhafte anale Penetrationshandlungen gegenüber Kindern
können eine körperlich schwere Misshandlung (§ 176a
Abs. 5, § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB) darstellen.
BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 5 StR 422/14
- LG Berlin -
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR422/14
vom
9. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Dezember
2014, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Schneider
als Vorsitzende,
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dölp,
Prof. Dr. König,
Dr. Berger,
Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin B.
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin E.
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Mai 2014 im Schuldspruch dahin abgeändert und klargestellt, dass der Angeklagte des besonders schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit besonders schwerer Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen , der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen und des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen –

Gründe:


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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes und sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen (Fall 4) und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung (Fall 8), wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in vier Fällen (Fälle 1, 2, 3 und 5) und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen (Fälle 6 und 7) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt ; im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten führt im Fall 3 zu einer Schuldspruchänderung zu seinen Gunsten; im Übrigen bleibt sein Rechtsmittel ohne Erfolg. Im Fall 4 verschärft der Senat den Schuldspruch zu Lasten des Angeklagten.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte die am 22. Oktober 1999 geborene Nebenklägerin, für die er Erziehungsaufgaben übernommen hatte, ab ihrem 11. Lebensjahr in acht Fällen, davon in einem Fall nach Vollendung ihres 14. Lebensjahres. Fall 3 liegt zugrunde, dass er an der unbedeckten Scheide der Nebenklägerin leckte (Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen). Im Fall 4 ergriff er die Nebenklägerin an den Unterarmen, warf sie aufs Bett und hielt sie fest. Er rieb ihren After mit einem Gel ein und vollzog gewaltsam den Analverkehr bis zum Samenerguss, obwohl die Nebenklägerin vor Schmerzen schrie. Um die „Geräusche“ zu ersticken, drückte er ihren Kopf inein Kissen (Ein- zelfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes und sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen).
3
2. Die Schuldsprüche begegnen in den genannten Fällen durchgreifenden Bedenken.
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a) Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall 3 zu Unrecht auch wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt. Denn es ist nicht festgestellt, dass er beim Oralverkehr in den Körper der Nebenklägerin eindrang. Mithin ist ein Fall des nicht qualifizierten sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gegeben. Der Senat ändert den Schuldspruch zugunsten des Angeklagten entsprechend ab.
5
Die Schuldspruchänderung führt entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts nicht zur Herabsetzung der insoweit verhängten Einzelstrafe (§ 354 Abs. 1 StPO). Denn der Senat kann ein Beruhen des Einzelstrafausspruchs auf dem aufgezeigten Rechtsfehler ausschließen. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen ausgeführt, dass ihm ein Tenorierungsversehen unterlaufen sei (UA S. 12) und dass es die Einzelfreiheitsstrafe dem Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB entnommen habe (UA S. 42). Hieran zu zweifeln besteht kein Anlass. Die Begründung, mit der die Jugendkammer die Tat trotz des milderen Strafrahmens im Verhältnis zu zwei Fällen des durch die Nebenklägerin am Angeklagten ausgeführten Oralverkehrs als gleichgewichtig angesehen hat, ist frei von Rechtsfehlern.
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b) Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Einzelfreiheitsstrafe in Fall 4 auf das in § 176a Abs. 2, § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB vorgesehene Mindestmaß von zwei Jahren Freiheitsstrafe festzusetzen (§ 354 Abs. 1 StPO), weil das Landgericht rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB als verwirklicht angesehen habe. Dem folgt der Senat nicht.

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Zwar vermochte die Jugendkammer in Abweichung von den Anklagevorwürfen eine Fesselung der Nebenklägerin nicht festzustellen. Das Urteil weist jedoch zugleich einen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf. Denn das Landgericht hat nicht erwogen, dass die Qualifikationstatbestände der schweren körperlichen Misshandlung nach § 176a Abs. 5 und § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB verwirklicht sind. Der Senat kann deswegen offen lassen, ob der Angeklagte wegen Verwendung eines gefährliches Werkzeugs (auch) den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB erfüllt hat, indem er den Kopf der Nebenklägerin in ein Kissen drückte, um deren Schreie zu unterbinden.
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a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt das Merkmal der schweren körperlichen Misshandlung einerseits nicht den Eintritt der in § 226 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung) bezeichneten gravierenden Folgen; andererseits genügt eine „nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung“ der körperlichen Unversehrtheit nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1993 – 4 StR 717/93, bei Miebach NStZ 1994, 223). Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass die körperliche Integrität des Opfers in einer Weise verletzt wird, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai1998 – 5StR 216/98, NStZ 1998, 461; BGH, Urteile vom 13. September2000 – 3 StR 347/00, BGHR StGB § 177 Abs. 4 Misshandlung 1; vom 13. Feb- ruar 2007 – 1 StR 574/06; vom 15. September 2010 – 2 StR 395/10, NStZ-RR 2011, 337, 338; vgl. zu § 176a Abs. 3 Nr. 2 StGB aF BGH, Urteil vom 11. August 1993 – 3 StR 325/93). Dabei schadet es nicht, wenn die Misshandlung nicht gerade als Nötigungsmittel eingesetzt wird, sondern im Zuge der sexuellen Handlungen erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 229).
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b) Daran gemessen ist das Merkmal hier gegeben. Der Angeklagte erzwang an der zur Tatzeit allenfalls zwölfjährigen Nebenklägerin den (erstmaligen) Analverkehr bis zum Samenerguss. Hierdurch fügte er ihr derart gravierende Schmerzen zu, dass er sich veranlasst sah, ihre lauten Schreie (vgl. auch UA S. 23: „… dass sie vor Schmerzen gebrüllt habe“) zu ersticken, indem er ihren Kopf in ein Kissen drückte. Den Ausführungen der Jugendkammer ist zu entnehmen, dass sich die Misshandlung über geraume Zeit erstreckte.
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aa) Der Senat verkennt nicht, dass namentlich anale Penetrationen bei Kindern auf dieser Basis nicht selten den Qualifikationstatbestand des § 176a Abs. 5 StGB177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB) erfüllen werden. Er sieht jedoch keinen Grund, solche schwerwiegenden Taten nicht der verschärften Strafdrohung zu unterwerfen. Dem lässt sich nicht überzeugend entgegenhalten, dass mit dem Eindringen in den Körper von Kindern typischerweise Schmerzen verbunden sein werden, der Gesetzgeber für derartige Taten in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB177 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 1 StGB) aber einen günstigeren Strafrahmen vorgesehen hat (vgl. dazu SK-Wolters, StGB, § 177 Rn. 33; LK-Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 84; Kudlich, JR 2001, 378, 380). Denn es existieren – wie auch die Tatserie des Angeklagten erweist – Vorgänge des Eindringens, die nicht schmerzhaft sind oder insoweit jedenfalls nicht den erforderlichen Erheblichkeitsgrad erreichen. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass die Verursachung beträchtlicher Schmerzen regelmäßige und damit vom Tatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB177 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 1 StGB) abschließend umfasste Begleiterscheinung der darin bezeichneten Tathandlungen ist. Dass eine Privilegierung schon für sich genommen äußerst schmerzhafter Sexualhandlungen gegenüber sonstigen körperlichen Misshandlungen wie etwa heftigen und mit Schmerzen verbundenen Schlägen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 1998 – 5 StR 216/98, aaO) vom Gesetzgeber intendiert gewesen sein könnte, liegt nicht nahe (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, aaO).
11
Genauso wenig lässt sich aus dem in der Vorschrift weiter aufgeführten Qualifikationsmerkmal der Verursachung einer Todesgefahr ein plausibler Grund für eine Ausgrenzung von (höchst schmerzhaften) „Pe- netrationshandlungen“ gewinnen (sowohl MüKo/Renzikowski, 2. Aufl., § 176a Rn. 34). Denn es handelt sich um qualitativ unterschiedliche Merkmale mit divergierender Schutzrichtung.
12
bb) Allerdings bedarf es für die Annahme einer schweren körperlichen Misshandlung hinreichender Feststellungen zu Ausmaß und Dauer der Schmerzen. Anders als bei den weiteren ausgeurteilten Fällen (analer) Vergewaltigungen bzw. deren Versuch zum Nachteil der Nebenklägerin genügen die Urteilsgründe diesem Erfordernis im Fall 4.
13
cc) Der Senat ändert daher den Schuldspruch zu Lasten des Angeklagten ab; das Verschlechterungsgebot steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2013 – 5 StR 365/13 mwN; vom 22. April 2014 – 5 StR 123/14, vom 6. Mai 2014 – 5 StR 99/14). Ferner ist § 265 StPO nicht verletzt, weil nicht ersichtlich ist, dass der in der Haupt- verhandlung schweigende und im Ermittlungsverfahren bestreitende Angeklagte sich anders als geschehen hätte verteidigen können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2013 – 5 StR 365/13).

14
3. Im Übrigen weist das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die weitergehende Revision ist daher aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet.
15
Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht im Fall 6 unter Verkennung des Gewaltbegriffs in der Ausformung durch die Rechtsprechung (vgl. Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 177 Rn. 5 mit zahlreichen Nachweisen) mangels „Gegenwehr“ des Opfers nicht auch eine sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB angenommen hat. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass sich die Jugendkammer im Fall 8 hinsichtlich der durch das verabreichte Potenzmittel hervorgerufenen Nebenwirkungen (Kopfschmerzen, Übelkeit der Nebenklägerin) nicht von einem zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten und damit vom Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu überzeugen vermochte (vgl. UA S. 19). Jedoch stellt der Senat die Urteilsformel mit Blick auf die bereits vom Landgericht angenommene Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB insoweit dahingehend klar, dass der Angeklagte in diesem Fall der schweren Vergewaltigung schuldig ist.
Schneider Dölp König
Berger Bellay

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.