Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2020 - 5 StR 333/19

bei uns veröffentlicht am09.01.2020
vorgehend
Landgericht Hamburg, 72, 5 Js 93/18
Landgericht Hamburg, 61, KLs 26/18
Landgericht Hamburg, , 2 Ss 59/19

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 333/19
vom
9. Januar 2020
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:090120U5STR333.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Januar 2020, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin P.
als Verteidigerin des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt M. , Rechtsanwalt T.
als Verteidiger des Angeklagten E. ,
Rechtsanwalt Ö.
als Verteidiger der Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt G.
als Verteidiger des Angeklagten Eh. ,
Rechtsanwältin D.
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Februar 2019 hinsichtlich der Angeklagten H. , E. und Eh. sowie – auf die Revision des Nebenklägers – hinsichtlich der Angeklagten A. mit den Feststellungen aufgehoben; ausgenommen hiervon sind Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in der Wohnung der Angeklagten A. .
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers werden verworfen.

3. Die Revision der Angeklagten A. wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten H. und Eh. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit schwerer Vergewaltigung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verurteilt. Es hat deshalb gegen den Angeklagten H. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und gegen den Angeklagten Eh. unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung eine – zur Bewährung ausgesetzte – Jugendstrafe von zwei Jahren verhängt. Den Angeklagten E. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und Beihilfe zur schweren Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen die Angeklagte A. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers haben weitgehend Erfolg. Das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel der Angeklagten A. ist hingegen unbegründet.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Die Angeklagten H. und A. waren von Juni 2016 bis Februar 2017 liiert. Nach der Trennung ging A. eine Liebesbeziehung mit dem Nebenkläger ein. Den Lebensmittelpunkt des Paares bildete die Wohnung der Angeklagten A. in . Daran änderte auch ein Umzug des Nebenklägers nach im Januar 2018 nichts.
4
Ab November 2017 wollte A. die Beziehung beenden. Grund hierfür waren – nicht ausschließbare – sexuelle Übergriffe (unter anderem in Form von Analverkehr), Gewalttätigkeiten und massive Beleidigungen von Seiten des Nebenklägers. Das Landgericht hat außerdem zugunsten der Angeklagten unterstellt , dass sie keine Möglichkeit gesehen habe, ihren Trennungswunsch umzusetzen , da der Nebenkläger für diesen Fall gedroht habe, ihrer Familie intime Fotos und Videos zukommen zu lassen, die er in seiner „Cloud“ gespeichert habe. Ende Januar 2018 berichtete sie H. und dessen Mutter von ihrer aussichtslosen Lage. H. geriet darüber in Wut. Eine Unterrichtung öffentlicher Stellen kam auch aus seiner Sicht nicht in Betracht, weil er die Veröffentlichung der kompromittierenden Bilddateien oder Repressalien durch den Nebenkläger befürchtete.
5
H. schlug A. spätestens Anfang Februar 2018 vor, den Nebenkläger mit Gewalt zur Trennung zu nötigen. Der Nebenkläger sollte in A. s Wohnung überfallen und durch Gewalt- und Todesdrohungen dazu gebracht werden, dauerhaft fernzubleiben. Zudem sollten dabei die vom Nebenkläger gespeicherten Dateien betreffend A. gelöscht werden. A. war einverstanden, weil sie keinen anderen Weg sah, um den Nebenkläger „loszuwerden“. Unter Hinweis auf sexuelle Übergriffe des Nebenklägers gelang es H. , die Angeklagten E. und Eh. als Mittäter für die Umsetzung des Tatplans zu gewinnen.
6
Wenige Tage später informierte A. H. über einen für den Abend angekündigten Besuch des Nebenklägers. Beide kamen überein, den Plan noch in derselben Nacht umzusetzen. H. unterrichtete E. und Eh. und besorgte im Laufe des Tages unter anderem einen 30 cm langen und 5 cm breiten Dildo nebst Gleitgel. Damit sollte der Nebenkläger aus Rache für die sexuellen Übergriffe auf A. anal vergewaltigt werden.
7
Kurz nachdem der Nebenkläger in eingetroffen war, ging A. unter einem Vorwand zur Wohnung der Mutter des dort befindlichen Angeklagten H. und gab ihm über dessen Ankunft Bescheid. Nach ihrer Rückkehr schlug der Nebenkläger vor, gemeinsam auf eine Feier zu gehen. Sie lehnte dies unter Hinweis auf Unwohlsein ab, um die Umsetzung des Tatplans zu gewährleisten. Der Nebenkläger schlief auf der Wohnzimmercouch ein.
8
Gegen 0:30 Uhr trafen E. und Eh. in der Wohnung der Mutter des Angeklagten H. ein, wo die Einzelheiten des Überfalls besprochen wurden. Um jeden Verdacht von A. zu lenken, verabredeten sie, sich gegenüber dem Nebenkläger als Mitglieder eines Drogenclans auszugeben, der ihn aus vertreiben wolle, da ihr kleiner Bruder nach einem Drogenkauf bei ihm ins Koma gefallen sei. Die „Drogengeschichte“ sollte als Vorwand dienen, den Nebenkläger zu schlagen und sein Handy zu durchsuchen, um die Fotos und Videos von A. zu löschen. Während der Vorbesprechung breitete

H.

die Tatmittel aus, deren Einsatz auch E. und Eh. billigten. Darunter befanden sich zwei Schreckschusswaffen, ein Elektroschocker sowie der Dildo nebst Gleitgel. Sie vereinbarten, die Schreckschusswaffen nicht zu laden und den Dildo lediglich zur Drohung mit einer Vergewaltigung zu verwenden. Zugunsten der Angeklagten A. hat das Landgericht unterstellt, dass sie keine Kenntnis von der etwaigen Verwendung der teils gefährlichen Tatwerkzeuge hatte. Sie habe jedoch gebilligt, dass die Angeklagten den Nebenkläger fesseln und durch schmerzhafte Schläge und Tritte verletzen würden.
9
Gegen 2 Uhr begaben sich die Angeklagten H. , E. und Eh. mit Sturmhauben zur Wohnung der Angeklagten A. . Nachdem sie an die Tür geklopft hatten, weckte die in Erwartung des Überfalls wachliegende Angeklagte A. den Nebenkläger und forderte ihn auf nachzusehen, wer sich vor der Tür befinde. Dem kam er nach und fragte durch die Tür, wer da sei. Da sich einer der Angeklagten als hilfsbedürftiger Nachbar ausgab, öffnete der arglose Nebenkläger die Tür. H. drängte ihn in den Flur. Dort versetzte er ihm entweder mit dem Lauf einer Schreckschusswaffe oder mit einer Taschenlampe einen schmerzhaften Schlag auf den Kopf und brachte ihn zu Boden. Anschließend legten er und E. dem Nebenkläger Handschellen hinter dem Rücken an. Eh. , der die Wohnungstür von innen verschlossen hatte, fesselte die Angeklagte A. locker mit Panzertape an den Händen und zog ihr eine Sturmmaske über den Kopf. Ihrer Rolle als vorgebliches Opfer entsprechend verhielt sie sich in der Folge passiv.
10
Zu Beginn des nun folgenden, etwa eine Stunde dauernden Geschehens wurde der am Boden liegende Nebenkläger erneut geschlagen und getreten. Sodann wurde er auf einen Sessel im Wohnzimmer gesetzt, wo Eh. mit Panzertape seine Beine fesselte sowie die Augen und kurzzeitig den Mund überklebte. Nun konfrontierte E. ihn mit der „Drogengeschichte“. Insbeson- dere dann, wenn er eine „falsche“ Antwort gab, schlugen und traten die Ange- klagten heftig und schmerzhaft auf ihn ein. Zudem hielt ihm Eh. eine Schreckschusspistole an Kopf sowie Körper und drohte mehrfach, ihn „abzuknallen“. Der Nebenkläger weinte und zitterte in Todesangst.
11
Im weiteren Verlauf nahm H. das Handy des Nebenklägers an sich. Nachdem dieser die Zugangspasswörter preisgegeben hatte, machten sich zunächst er und dann Eh. daran, etwaige Fotos und Videos von A. zu finden und gegebenenfalls zu löschen.
12
Währenddessen holte E. auf Aufforderung des H. ein Messer mit einer Klingenlänge von 15 cm aus der Küche und hielt es dem Nebenkläger an den Oberkörper. Er drohte, ihn „abzustechen“, falls er wieder nach kommen sollte. H. entfernte das Klebeband von den Augen des Nebenklä- gers und zeigte ihm mit den Worten „ich habe Dir ein Geschenk mitgebracht“ den Dildo. E. fragte, ob er lieber mit einem Dildo „gefickt“ werden wolle oder ob sie ihm den „Schwanz“ abschneiden sollten. Der Nebenkläger sollte dadurch weiter verängstigt und gedemütigt werden. Zudem sollte damit der Forderung Nachdruck verliehen werden, sich aus fernzuhalten.
13
Als einer der Angeklagten das Messer an seine Brust setzte, „entschied“ sich der Nebenkläger für eine Penisamputation, glaubte allerdings nicht an deren Durchführung. Einer der Angeklagten zog ihm die Boxershorts herunter und hielt ihm das Messer an das Geschlechtsteil. Aufgrund dessen nahm der Nebenkläger die Drohung nunmehr ernst und erklärte, dass er „lieber die Verge- waltigung“ wolle. Das Messer wurde beiseitegelegt und im weiteren Geschehen nicht mehr verwendet. Sowohl H. als auch E. und Eh. hätten allerdings weiterhin jederzeit auf es zugreifen können.
14
E. und Eh. meinten, dass ihr Ziel einer Verängstigung und Demütigung des Nebenklägers erreicht und die Tat abgeschlossen sei. E. entfernte sich daher in Richtung der Tür der Einzimmerwohnung. H. entschloss sich jedoch, den Nebenkläger nun doch mit dem Dildo zu vergewalti- gen, um „Gleiches mit Gleichem zu vergelten“. Zu E. und Eh. sagte er sinngemäß: „Jungs, ich muss das jetzt doch durchziehen.“ E. erwiderte: „lass das“, wovon sich H. abernicht abbringen ließ. Vielmehr präparierte er den Dildo mit dem Gleitgel. E. gab „seinen Widerstand“ auf, hielt sich aber zunächst im Hintergrund. Eh. beschloss, aktiv mitzuwirken, um seine „Treue zu demonstrieren“ und nicht als „Weichling“ dazustehen. Mit Billigung des Angeklagten H. hielt er eine Schreckschusspistole an den Kopf des Nebenklägers. H. forderte den Nebenkläger auf, sich bäuchlings auf den Sessel zu legen. Dem kam der Nebenkläger aus Angst um sein Leben nach. H. führte den Dildo gewaltsam mindestens einige Zentimeter in den Anus ein und bewegte ihn mehrere Sekunden vor und zurück. Der Nebenkläger erlitt starke Schmerzen, eine Rötung der Schleimhäute im Analbereich und mehrere Tage andauernde Unterbauchschmerzen.
15
Gleichzeitig begann H. , die Vergewaltigung mit seinem Handy zu filmen , um den Nebenkläger zu demütigen und ihm mit der Veröffentlichung der Aufnahme drohen zu können, falls er entgegen ihrer Forderung nach kommen würde. Es gelang ihm jedoch nicht, sowohl das Einführen des Dildos als auch die von Eh. an den Kopf des Nebenklägers angesetzte Schreckschusspistole im Bild einzufangen. Er forderte E. auf, das Geschehen aufzunehmen. E. , der die Vergewaltigung „nicht als eigene Tat wollte“, kam dem nach. Im Zuge der jedenfalls einige Sekunden dauernden Aufnahme bewegte H. den Dildo im Anus des Nebenklägers vor und zurück. Währenddessen posierte Eh. – die Schreckschusswaffe an den Kopf des Nebenklägers haltend – für die Videosequenz.
16
Nachdem H. vom Nebenkläger abgelassen hatte, steckten die Angeklagten persönliche Dokumente und das Handy des Tatopfers ein, um etwaige Videos und Fotos von A. danach löschen zu können. Sowohl das Mobilfunktelefon als auch die Dokumente sollten vernichtet werden. Abweichend vom Tatplan entwendete einer der Angeklagten 200 Euro.
17
Bevor H. , E. und Eh. die Wohnung verließen, nahmen sie dem Nebenkläger die Handschellen ab und fesselten ihn mit Panzertape. H. forderte den Nebenkläger erneut auf, nie wieder nach zu kommen und nicht zur Polizei zu gehen. Andernfalls würden sie ihn oder seine Familie umbringen bzw. das Video von der Vergewaltigung veröffentlichen. Um der Drohung Nachdruck zu verleihen, wurde ihm ein weiterer heftiger Faustschlag gegen die Schläfe versetzt. Sodann gaben sie ihm zehn Minuten Zeit, um aus zu „verschwinden“. Nachdem sie die Fesselung der Angeklagten A. gelöst hatten, verließen sie die Wohnung.
18
Der Nebenkläger forderte die Angeklagte A. auf, ihn von den Fesseln zu befreien. Dem kam sie nur zögerlich nach, um den Mitangeklagten Zeit für die Flucht zu geben. Da der Nebenkläger die Todesdrohungen ernstnahm, fuhr er zu seinem Bruder nach . A. ließ er in zurück, weil er sie in seiner Gegenwart als gefährdet ansah und sie ihm vorgespiegelt hatte, bei der Mutter des Angeklagten H. Schutz zu suchen.
19
Nur wenige Tage nach der Tat gingen die Angeklagten H. und A. erneut eine Liebesbeziehung ein.
20
2. Das Landgericht hat auf der Grundlage dieser Feststellungen folgende rechtliche Wertungen getroffen:
21
a) Die Angeklagten seien der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung schuldig, wobei die Angeklagten H. , E. und Eh. § 224 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 erfüllt hätten, während die Angeklagte A. § 224 Abs. 1 Nr. 3 und 4 verwirklicht habe. A. sei Mittäterin. Zwar habe sie keinen eigenhändigen Beitrag geleistet. Zum einen sei aber das Gelingen der Tat wesentlich von ihrer Mitwirkung abhängig gewesen. Zum anderen sei ein besonderes eigenes Interesse an der Tat gegeben.
22
b) Tateinheitlich hätten die Angeklagten H. und Eh. eine schwere Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1, 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und 2, Abs. 7 Nr. 1 StGB) und der Angeklagte E. eine Beihilfe hierzu begangen sowie – ebenfallsin Tateinheit – eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen nach § 201a Nr. 1 StGB. Der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB liege hingegen nicht vor, da ein Verwenden einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs „bei der Tat“ nicht habe festgestellt werden können. Das gelte insbesondere für das Küchenmesser. Soweit es bei dem Griff an den Penis des Nebenklägers als Drohmittel verwendet worden sei, liege ein Mittäterexzess vor, wobei jeweils zugunsten der Angeklagten angenommen werden müsse, dass die Tat von einem Mitangeklagten begangen worden sei. Bei der Vergewaltigung mit dem Dildo sei der Messereinsatz bereits beendet gewesen, als der Angeklagte H. den Tatentschluss gefasst habe.
23
c) Eine Strafbarkeit wegen eines Raubdelikts sei zu verneinen. Hinsichtlich des Mobiltelefons und der persönlichen Dokumente des Nebenklägers fehle es an der Aneignungsabsicht, da die Sachen hätten zerstört werden sollen. Die Entwendung des Bargelds sei nicht vom Tatplan umfasst gewesen und stelle sich daher gleichfalls als Mittäterexzess dar. Welcher Angeklagte das Geld weggenommen habe, sei nicht feststellbar gewesen.

II.


24
Die Beschwerdeführer beanstanden das Urteil mit ihren jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen im Einzelnen wie folgt:
25
a) Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrem vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel eine Verurteilung der Angeklagten H. , E. und Eh. wegen besonders schwerer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB. Unter anderem sei der bei der Vergewaltigung eingesetzte Dildo als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB anzusehen. Zudem habe es das Landgericht unterlassen, eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB zu erörtern.
26
b) Der Nebenkläger macht geltend, dass alle Angeklagten wegen Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB und die Angeklagten H. , E. und Eh. zudem wegen besonders schwerer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 und 2a StGB zu verurteilen gewesen wären.
27
c) Die Revision der Angeklagten A. beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts betreffend die ausgeurteilte gefährliche Körperverletzung.

III.


28
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers haben weitgehend Erfolg. Die Jugendkammer hat den Unrechtsgehalt der von ihr festgestellten Tat nicht ausgeschöpft und ist somit ihrer Kognitionspflicht nicht umfassend nachgekommen.
29
1. Das Landgericht hat nicht erörtert, ob sich die Angeklagten der Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben, obwohl dies nach dem festgestellten Tatablauf erforderlich gewesen wäre.
30
a) Es liegt nahe, dass die Angeklagten die erste Alternative des § 239b Abs. 1 StGB verwirklicht haben. Die danach notwendige Bemächtigungslage hatte sich spätestens stabilisiert, als Eh. dem Nebenkläger eine Schreck- schusspistole an den Kopf hielt und mehrfach drohte, ihn „abzuknallen“, wo- raufhin der Nebenkläger in Todesangst geriet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359; Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4StR 239/18, StV 2019, 545, 546). Sie bestand fort, als E. drohte, den Nebenkläger „abzustechen“, und dauerte an, als ein Angeklagter nach der in Aussicht gestellten Penisamputation das Messer an das Geschlechtsteil des Nebenklägers ansetzte.
31
Angesichts des festgestellten Tatplans liegt es auf der Hand, dass der Nebenkläger durch diese qualifizierten Drohungen im Sinne des § 239b Abs. 1 StGB (auch) dazu genötigt werden sollte, die Passwörter für sein Handy sowie seine „Cloud“ preiszugeben und die Durchsuchung der dort gespeicherten Bild- und Videodateien zu dulden. Dieser Nötigungserfolg ist während der Bemächtigungslage eingetreten, womit der erforderliche funktionale Zusammenhang zwischen dem Bemächtigen einerseits und der Nötigung durch qualifizierte Drohung andererseits vorliegt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 1/94, aaO, S. 355).
32
Ob dies auch hinsichtlich der anderen Nötigungsziele (Verlassen H. s, Unterlassen einer Strafanzeige) der Fall war, kann nach den Feststellungen hingegen nicht abschließend beurteilt werden. Ausreichend wäre, dass die Angeklagten während der Zwangslage eine nach ihrer Vorstellung eigenständige bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs erreicht hätten (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05; NStZ 2006, 36, 37). Mit Blick darauf, dass E. und Eh. nach der erzwungenen Einwilligung des Ne- benklägers in eine Penetration davon ausgingen, „ihr Ziel der Verängstigung … nun vollständig“ erreicht zu haben, liegt dies jedenfalls nicht fern (vgl. BGH, Ur- teil vom 14. Januar 1997 – 1 StR 507/96, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1; aber auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 1 StR 532/16, NStZ-RR 2017, 176).
33
Nach den Feststellungen kann auch die Angeklagte A. die erste Alternative des § 239b Abs. 1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht haben. Denn H. hatte den Tatplan mit ihr abgestimmt. Deshalb wusste sie und billigte angesichts ihres eigenen Interesses am Taterfolg, dass der Nebenkläger im Rahmen des Überfalls gefesselt, getreten und geschlagen sowie mit dem Tod bedroht werden würde, um ihn aus und damit auch von ihr fernzuhalten sowie zur Preisgabe seiner Passwörter und Duldung der Durchsuchung seiner Dateien zu zwingen. Ob sie – wie die Jugendkammer dies rechtsfehlerfrei hinsichtlich ihrer Beteiligung an der gefährlichen Körperverletzung angenommen hat – gegebenenfalls als Mittäterin oder lediglich als Gehilfin (vgl. zur Abgrenzung BGH, Beschluss vom 6. August 2019 – 3 StR 189/19) einer Geiselnahme anzusehen wäre, richtet sich nach den allgemeinen Regeln (vgl. etwa SSW-StGB/Schluckebier, 4. Aufl., § 239a Rn. 18 mwN).
34
b) Die Angeklagten H. , E. und Eh. können sich auch nach der zweiten Alternative des § 239b Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem sie die von ihnen geschaffene Bemächtigungslage ausgenutzt haben, um den Nebenkläger durch qualifizierte Drohungen dazu zu nötigen, die anale Penetration selbst, aber auch deren visuelle Dokumentation zu dulden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 453/10, NStZ-RR 2011, 142).
35
2. Die Ablehnung des Qualifikationstatbestands der besonders schweren Vergewaltigung nach § 177 Abs. 8 StGB hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
36
a) Zu Recht beanstanden die Revisionsführer, dass die Jugendkammer das Einführen des Dildos in den Anus des Nebenklägers nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verwendens eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB erörtert hat. Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Alternative liegt vor, wenn ein – auch für sich gesehen ungefährlicher – Gegenstand nach der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Wird ein Dildo – wie hier – gewaltsam in den Anus eingeführt, erscheint dies regelmäßig nicht zweifelhaft (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2018 – 5 StR 179/18).
37
b) Das Landgericht hat zudem die Voraussetzungen des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB hinsichtlich des eingesetzten Küchenmessers mit unzureichender Begründung verneint.
38
aa) Das Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs „bei der Tat“ liegt in zeitlicher Hinsicht vor, wenn es zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat eingesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4 StR 239/18, StV 2019, 545, 546). Ein Verwenden kann auch bei einer (konkludenten) Drohung mit dem gefährlichen Werkzeug vorliegen. Dies kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn der Täter aufgrund der Nähe zum Tatopfer diesem jederzeit ohne weiteres mit dem Tatmittel Verletzungen beibringen kann und das Opfer wegen fortbestehender Angst vor dem gefährlichen Werkzeug den ungewollten Geschlechtsverkehr über sich ergehen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 453/10, NStZ-RR 2011, 142, 143; vom 14. Dezember 2005 – 2 StR 439/05; aber auch Beschluss vom 17. Dezember 1999 – 3 StR 524/99, NStZ 2000, 254; SSW-StGB/Wolters, 4. Aufl., § 177 Rn. 114).
39
bb) Danach hätte die Jugendkammer schon auf der Grundlage ihrer Feststellungen erörtern müssen, ob bei der Vergewaltigung eine fortwirkende (konkludente) Drohung mit dem Küchenmesser vorlag. Zwar wurde es zu einem Zeitpunkt beiseitegelegt, in dem die Angeklagten nach den – allerdings insoweit nicht rechtsfehlerfrei getroffenen (vgl. dazu sogleich cc) – Feststellungen noch nicht zur Vergewaltigung entschlossen waren. E. hatte dem Nebenkläger aber im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vorzeigen des Dildos durch H. unter Vorhalt des Messers gedroht, ihn „abzustechen“ und seinen „Schwanz“ abzuschneiden. Angesichts dessen und der räumlichen Verhältnisse liegt es auch nahe, dass sich das gefährliche Werkzeug bei der Vergewaltigung jederzeit in Reichweite der Angeklagten befand.
40
cc) Davon abgesehen begegnet die Beweiswürdigung der Jugendkammer zum Zeitpunkt des Tatentschlusses für die Vergewaltigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft kann das Mitführen des Gleitgels beim Überfall schwerlich mit der Annahme einer zuvor getroffenen Vereinbarung der Angeklagten in Einklang gebracht werden, dem Nebenkläger mit einer Vergewaltigung lediglich zu drohen. Die Jugendkammer hätte auch den Umstand erörtern müssen, dass – was die Angeklagten E. und Eh. wussten – die Penetration mit einem Dildo dem ursprünglichen Tatplan des Angeklagten H. entsprach und die Mitangeklagten sich ohne größeres Aufheben an der Vergewaltigung beteiligten (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 3 StR 564/09, NStZ-RR 2010, 183). Jedenfalls drängt sich auf, dass zumindest H. den ursprünglichen Tatplan nie ernsthaft aufgegeben hatte und deshalb das Gleitgel mitnahm. Dann aber wäre das gefährliche Werkzeug nach dem Eintritt in das Versuchsstadium zu Drohungen für Leib und Leben des Nebenklägers verwendet worden.
41
dd) Für den Fall, dass in der neuen Hauptverhandlung entsprechende Feststellungen getroffen werden, weist der Senat auf Folgendes hin:
42
Sollte die Penetration von Anfang an dem Tatplan der Angeklagten H. , E. und Eh. entsprochen haben, wäre die – auf der Grundlage der von der Jugendkammer getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfreie – Einstufung des Angeklagten E. als bloßen Gehilfen des Sexualdelikts (vgl. zur Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe BGH, Beschlüsse vom 29. September 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6, 7, und vom 6. August 2019 – 3StR 189/19) neu zu bewerten. Die eigenhändige Verwirklichung eines Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB ist für eine Verurteilung als Mit- täter nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2018 – 5 StR 358/18, NStZ-RR 2019, 76).
43
Sollte H. die Angeklagten E. und Eh. über seine wahren Absichten getäuscht haben, wäre ihm das Verwenden des auf seine Aufforderung hin aus der Küche geholten Messers durch E. über die Regeln der mittelbaren Täterschaft zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 194; BGH, Urteil vom 26. Januar 1982 – 4 StR 631/81; BGHSt 30, 363, 365).
44
c) Es kommt darüber hinaus der Qualifikationstatbestand der schweren körperlichen Misshandlung nach § 177 Abs. 8 Nr. 2a StGB in Betracht. Ausreichend für eine schwere körperliche Misshandlung in diesem Sinne ist es, dass die körperliche Integrität des Geschädigten bei der Tat in einer Weise verletzt wird, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4 StR 239/18, StV 2019, 545, 546). Dies könnte mit Blick auf die mit starken und länger anhaltenden Schmerzen verbundene anale Penetration der Fall sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2018 – 5 StR 179/18).
45
3. Das neu verhandelnde Tatgericht wird über die im angefochtenen Urteil allein angenommene erste Tatvariante des § 177 Abs. 5 StGB die gleichrangig danebenstehenden beiden weiteren Tatvarianten der Vorschrift zu prüfen haben (vgl. zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2018 – 4 StR 311/18, NStZ 2019, 516, 518; vom 12. Januar 2011 – 1 StR 580/10, NStZ 2011, 455, 456; Urteil vom 3. November 1998 – 1 StR 521/98, BGHS 44, 228, 230 f.). Entsprechendes gilt für § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB, da die hergestellte Videoaufnahme die Hilflosigkeit des Nebenklägers zur Schau stellte (vgl. MüKoStGB /Graf, 3. Aufl., § 201a Rn. 110).
46
4. Der Aufhebung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in der Wohnung der Angeklagten A. bedarf es nicht, da diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO); insoweit bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers ohne Erfolg. Die Feststellungen dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

IV.


47
1. Die Revision der Angeklagten A. ist erfolglos. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro reo nicht vor, da sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, dass das Landgericht Zweifel hatte.
48
2. Ein Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten H. , E. und Eh. hat die Überprüfung des Urteils auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers hin nicht ergeben (§ 301 StPO).
Sander Schneider König
Mosbacher Köhler
Vorinstanz:
Hamburg, LG, 13.02.2019 - 7205 Js 93/18 617 KLs 26/18 jug. 2 Ss 59/19

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Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafgesetzbuch - StGB | § 239 Freiheitsberaubung


(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist

Strafgesetzbuch - StGB | § 239b Geiselnahme


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträg

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 239/18 vom 25. Oktober 2018 in der Strafsache gegen wegen schwerer Vergewaltigung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:251018U4STR239.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25.

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Referenzen

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
2.
eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
3.
eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt,
4.
eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
5.
eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nummern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Dies gilt unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,

1.
herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
2.
sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.

(4) Absatz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 4 oder 5, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 86/05
vom
20. September 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Geiselnahme u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. September
2005, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
Bundesanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 15. Oktober 2004 werden mit der Maßgabe verworfen, dass 1. a) der Angeklagte G. im Fall II. 4. der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung sowie im Fall II. 5. der tateinheitlich begangenen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlichen Körperverletzung schuldig ist;
b) der Angeklagte K. der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung und gefährlicher Körperverletzung schuldig ist; 2. der Maßregelausspruch hinsichtlich des Angeklagten G. aufgehoben wird und der Ausspruch entfällt. Die Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Geiselnahme in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Nötigung und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Der Angeklagte K. ist wegen Geiselnahme in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Die Angeklagten wenden sich mit der Sachrüge gegen dieses Urteil, der Angeklagte G. allerdings nur insoweit, als er in den Fällen II. 4. und 5. auch wegen Geiselnahme verurteilt wurde. Die Rechtsmittel der Angeklagten führen zu einer Änderu ng des Schuldspruchs. Von einer Aufhebung des Strafausspruchs hat der Strafsenat abgesehen. Jedoch entfällt der Maßregelausspruch, welcher nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 27. April 2005 (NStZ 2005, 503) nicht mehr den hierdurch festgelegten Voraussetzungen genügt.

I.

Das Landgericht hat seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde gelegt: 1. Im April verkaufte der Angeklagte G. dem Zeugen S. einmal drei Gramm Haschisch zum Preis von 20 Euro (Tat II. 1.) und ein weiteres Mal anS. und Y. zuvor von ihm selbst für 50 Euro erworbene 15 Gramm Haschisch zu einem Preis von 65 Euro (Tat II. 2.). Zugleich bot er diesen vier Kokainplomben zum Kauf an. Für die erste Tat hat die Strafkammer eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu fünf Euro, für die Tat II. 2. eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt. 2. In der Folge wurde der Angeklagte von einer unbekannt gebliebenen Person bedrängt, ihr Drogen zu verkaufen. Weil er davon ausging, dass diese ihr Wissen von S. vermittelt erhalten habe, wollte er S. einen Denkzettel verpassen. Er verbrachte darauf mit seinem Pkw den Zeugen S. an einen einsam gelegenen Ort, bedrohte ihn und zwang ihn dazu, bis auf Schuhe und Boxershorts alle Kleidungsstücke auszuziehen; sodann fuhr er weg, so
dassS. unbekleidet zum nächsten Ort laufen musste, wo er erst bei Dunkelheit ankam. Hierfür hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ausgesprochen (Tat II. 3.). 3. (Fall II. 4.): Der Angeklagte G. hatte erfahren, dass der Zeuge S. anderen Personen von der vorgenannten Tat II. 3. erzählt hatte. Da der Geschädigte nach seiner Meinung offenbar seine damit verbundene "erste Warnung" nicht verstanden hatte, beschloss er, ihn nochmals in ein entlegenes Waldstück zu verbringen und dieses Mal seine Drohungen nachhaltig zu verstärken. Zu diesem Zweck sprach er den Zeugen S. an und bat ihn freundlich und unter Verdeckung seiner wahren Absichten, in sein Fahrzeug einzusteigen, um mit ihm nochmals über den vergangenen Vorfall zu reden. S. ließ sich täuschen, stieg in das Fahrzeug ein, worauf G. sofort losfuhr, sodass S. das fahrende Fahrzeug nicht mehr verlassen konnte. G. fuhr sodann in ein abgelegenes Waldgebiet, welches nur über Forstwege erreicht werden kann. Dort angekommen ließ er S. aussteigen und zog eine Schreckschusspistole, welche auf den Zeugen S. den Eindruck einer scharfen Waffe machte. Er wies sein Opfer darauf hin, dass er "keinen Spaß mache" undS. offenbar immer noch nicht gelernt habe, "das Maul zu halten". Um ihn künftig zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern, richtete G. in der Folge mehrfach die Waffe gegen S. und drohte, ihn zu erschießen. Um seine Drohungen durchzusetzen und damit S. ihn in Zukunft weder bei der Polizei noch bei anderen Personen "verpfeifen" werde , schoss G. neben S. in den Boden, sodass das durch die Druckwelle aufgewirbelte Laub den Eindruck einer scharfen Waffe verstärkte und S. nunmehr ernsthaft davon ausging, dass der Angeklagte ihn töten wolle , um ihn zum Schweigen zu bringen. In der Folge schoss der Angeklagte auch an der weisungsgemäß ausgestreckten Hand und am Oberschenkel von
S. nur knapp vorbei. Er forderte schließlich den am ganzen Leib zitternden ZeugenS. auf, ihm seine Jacke auszuhändigen - dem kam S. nach - und außerdem in Zukunft den Mund zu halten, da er sonst ernst machen und ihn töten werde. Danach ließ er S. allein im Waldstück, vier Kilometer von der nächsten Verkehrsstraße entfernt, zurück. 4. (Fall II. 5.): Einige Wochen später erhielt G. eine polizeiliche Ladung zu einer Beschuldigtenvernehmung, weshalb er davon ausging, dass S. nunmehr Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden gemacht habe. Daraufhin beschlossen G. und der Mitangeklagte K. , S. gemeinsam abzustrafen. Sie waren sich dabei einig, dass einfache Drohungen nicht mehr ausreichen würden und man S. notfalls dauerhaft verletzen müsse, damit dieser endlich lerne, dass man andere Menschen nicht verrät. Sie verabredeten, ihn beim nächsten Aufeinandertreffen freundlich anzusprechen und ihn zum Einsteigen in den Pkw zu bewegen; danach wollte man ihn in ein einsames Waldstück verbringen, ihn dort gemeinsam zusammenschlagen und zuletzt das Wort "Verräter" mit einem Messer quer über die Brust einschneiden. Gleichzeitig sollte er aufgefordert werden, seine bei der Polizei gemachten Angaben zurückzuziehen und zukünftig den Mund zu halten. Diesem Plan entsprechend überredeten sie S. , als sie ihn dann wenige Tage später trafen, in den Pkw des G. einzusteigen, angeblich um mit ihm zu reden. Da sie zu zweit und zudem ihm körperlich überlegen waren, kam dieser ihrem freundlich geäußerten Verlangen nach. Als sie zu seiner Überraschung dann losfuhren, wollte er zwar aussteigen, was ihm aber nicht mehr möglich war. Im Wald angekommen, mussteS. seine Oberbekleidung ausziehen. Danach schrieen K. und G. ihn mehrfach an, dass er seinen Verrat eingestehen sollte, woraufS. jedoch nur antwortete, dass er niemanden verraten habe. Daraufhin schlug G. mit den Fäusten auf S. ein, wobei K.
ihn anfeuerte. Gleichzeitig heizte K. die Atmosphäre dadurch weiter auf, dass er sagte,S. sei ein Verräter und müsse bestraft werden. G. versetzte S. zunächst einen Faustschlag ins Gesicht und, nachdem er zu Boden gegangen war, mehrere Tritte in den Bauch, die Wade und gegen den Kopf. Nach einem weiteren Schlag des G. ergriff K. den S. an beiden Armen und hielt ihn fest. Daraufhin schnitt G. einem mit Klappmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm den Buchstaben "V" mit einer Schenkellänge von etwa 10 cm etwa 5 mm tief in die Brust des Opfers. Als sich zu diesem Zeitpunkt unerwartet ein von einem Forstarbeiter gesteuerter Radlager näherte und die Angeklagten fürchteten, entdeckt zu werden, forderten sie S. nochmals auf, in Zukunft seinen Mund zu halten. Sie nahmen ihn daraufhin im Pkw eine Strecke mit und ließen ihn an einem Ortsrand frei, wobei sie nochmals von ihm verlangten, er solle seine Angaben bei der Polizei zurückziehen. Der Zeuge S. wurde in der Folge aufgrund der Schwere der Verletzungen ins Krankenhaus gebracht, wobei die ihm zugefügte Schnittwunde mit über 30 Stichen genäht werden musste und auch einige Monate später noch eine deutlich erkennbare ca. 10 cm große V-förmige Narbe mit ca. 1 cm hohen dunkelrot gefärbten Narbenwulsten zu sehen war. Ob die Narbe operativ entfernt werden kann, steht noch nicht fest. Das Landgericht hat in beiden Tatkomplexen das jeweilige Verbringen in den Wald mit den dortigen Handlungen als Geiselnahme, im zweiten Tatkomplex in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet. Der AngeklagteG. verfolgt mit seiner Revision den Wegfall der Verurteilung wegen zweier Fälle der Geiselnahme und ist der Auffassung, es handele sich im Fall II. 4. nur um einen Fall der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung sowie im Fall II. 5. um einen Fall der Freiheitsbe-
raubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und gefährlicher Körperverletzung.

II.

Die vom Landgericht zu den Fällen II. 4. und 5. getroffenen Feststellungen reichen nicht hin, jeweils darauf eine Verurteilung wegen eines Verbrechens der Geiselnahme nach § 239b StGB zu stützen. 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es erforderlich, dass zwischen der Entführung eines Opfers und einer beabsichtigten Nötigung ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart besteht, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Entführung nötigen will (vgl. BGHSt 40, 350, 355, 359) und die abgenötigte Handlung auch während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGHR StGB § 239b Entführen 4). Denn der Zweck dieser Strafvorschrift, die schon wegen ihrer hohen Mindeststrafe der einschränkenden Auslegung bedarf, besteht gerade darin, das SichBemächtigen oder die Entführung des Opfers deshalb besonders unter Strafe zu stellen, weil der Täter seine Drohung während der Dauer der Zwangslage jederzeit realisieren kann (BGH, Beschluß vom 14. Mai 1996 - 4 StR 174/96). Allerdings liegt eine vollendete Nötigung bereits dann vor, wenn der Täter mehrere Verhaltensweisen des Opfers erstrebt, aber nur eine davon realisiert wird (BGH bei Dallinger MDR 1972, 386 f.), wobei auch das Erreichen eines Teilerfolges des Täters, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, für eine Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) ausreichend sein kann. Ebenso kann eine beliebige Handlung, Duldung oder Unterlassung einen Nötigungserfolg im Sinne des § 239b StGB darstellen (BGH, Beschl. vom 2. Okto-
ber 1996 - 3 StR 378/96). Jedenfalls solche Handlungen des Opfers, die eine nach der Vorstellung des Täters eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellen, führen zur Vollendung der mit der qualifizierten Drohung erstrebten Nötigung (BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1). 2. Im Fall II. 4. wollte der Angeklagte G. den Zeugen S. einschüchtern und ihn dadurch künftig zum Schweigen bringen, insbesondere sollte er ihn weder bei der Polizei noch bei anderen Personen "verpfeifen". Damit waren seine Ziele auf ein Unterlassen in der Zukunft gerichtet, auf einen Zeitraum, zu dem der Zeuge aus der Gewalt des Angeklagten entlassen war. Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nicht, dass der Angeklagte davon ausgegangen ist, dass er bereits während der Bemächtigungssituation , insbesondere durch seinen Waffeneinsatz, erreichen wollte und konnte, dass der Zeuge S. sich zu diesem Zeitpunkt endgültig zu einem Schweigen verpflichtet und noch vor seiner Zurücklassung im Wald eine derartige Erklärung abgegeben hat. Damit erfüllt das Verhalten des Angeklagten nur die Tatbestände der Freiheitsberaubung und der (schon im Hinblick auf die erzwungene Herausgabe der Jacke vollendeten) Nötigung. 3. Auch im Fall II. 5. ergibt sich aus den Feststellungen der Strafkammer nicht, dass der Zeuge S. auf die Drohungen und Aufforderungen der Angeklagten G. und K. , "seinen Mund zu halten" und seine angeblichen Angaben bei der Polizei zurück zu ziehen, eine entsprechende zusagende oder sonst zustimmende Erklärung noch während der andauernden Bemächtigungslage abgegeben hat; daher fehlt es am erforderlichen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Sich-Bemächtigen einerseits und der beabsichtigten Nötigung durch qualifizierte Drohung andererseits (vgl. hierzu BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1).
Darauf, dass das Landgerichts nicht feststellen konnte, dass die dem Zeugen S. zugefügte schwere Entstellung infolge der V-förmigen roten und wülstigen Narbe eine dauerhafte Entstellung (§ 239b Abs. 1 iVm. § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) sei, kommt es daher nicht an. Das Verhalten der beiden Angeklagten stellt danach keine Geiselnahme dar, sondern erfüllt die Tatbestände der tateinheitlich und gemeinschaftlich begangenen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlichen Körperverletzung. 4. Da weitere Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 239b StGB nicht zu erwarten sind, ändert der Senat die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.

III.


Die von der Strafkammer gegen den Angeklagten G. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren kann bestehen bleiben, ebenso die gegen den Angeklagten K. verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren. Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht, weil die verhängte Rechtsfolge - auch nach Änderung des Schuldspruchs - im Sinne des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO angemessen ist (vgl. hierzu BGH, Urt. vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04; Beschl. vom 8. Dezember 2004 - 1 StR 483/04). Ebenso war es entgegen des hilfsweise gestellten Antrags des Generalbundesanwalts nicht angemessen, die gegen den Angeklagten in den Fällen II. 4. und 5. festgesetzten Einzelstrafen und die von der Strafkammer gebildete Gesamtfreiheitsstrafe herabzusetzen. Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Fest-
Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04). Dies war vorliegend auch möglich, weil alle für eine Strafzumessung erforderlichen Feststellungen vom Landgericht getroffen worden sind und es daher keiner weiteren Feststellungen mehr bedurfte. 1. Angeklagter G. : Die Strafkammer hat für die Tat II. 4. eine Einzelstrafe von drei Jahren und für die Tat II. 5. eine Einzelstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe verhängt und daraus zusammen mit den Einzelstrafen der Taten II. 1. - 3. (30 Tagessätze, sechs Monate, ein Jahr) die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren gebildet. Als Folge der vom Senat vorgenommenen Schuldspruchänderung entfällt bei den Taten II. 4. und 5. jeweils der Tatbestand der Geiselnahme, an dessen Stelle der Angeklagte der Freiheitsberaubung und Nötigung, zusätzlich im Fall II. 5. auch der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist. Der Senat hat die Gesamtfreiheitsstrafe in Anwendung von § 354 Abs. 1a StPO bestehen lassen.
Hier erweist sich die vom Landgericht festgesetzte Einsatzstrafe von vier Jahren für die Tat II. 5. als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO. Als Sanktion für eine schwerwiegende Tat, eine die wahren Absichten der Angeklagten verdeckende Vorgehensweise mit erheblichen körperlichen Folgen für das hilflose Opfer mit Schlägen, Tritten und dem gefährlichen Messereinsatz, zumal mit Blick auf die Intensität der Beteiligung des Angeklagten G. und seine in den Taten II. 3. bis 5. sich jeweils steigernde gewalttätige Einwirkung auf das Opfer, erscheint die festgesetzte Strafe, auch unter Berücksichtigung sämtlicher zu seinen Gunsten zu bedenkenden und vom Landgericht tatsächlich bedachten Umstände, uneingeschränkt als im Sinne des § 354 Abs. 1a
StPO schuldangemessen (vgl. BGH, Urt. vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04) und keinesfalls als zu hoch. Die von der Strafkammer zugrunde gelegten Maßstäbe lassen sich auf den geänderten Schuldspruch ohne weiteres übertragen, zumal der vom Landgericht nach § 239b Abs. 2 iVm. § 239a Abs. 4 StGB gemilderte Strafrahmen des § 239b StGB etwa dem Strafrahmen des § 224 StGB entspricht, wobei die Mindeststrafe des § 224 StGB mit sechs Monaten höher ist. Die von der Strafkammer festgesetzte Einzelstrafe von drei Jahren für die Tat II. 4. erscheint trotz der Schuldspruchänderung gleichfalls angemessen, weil der Angeklagte ohne einen tatsächlich gegebenen Anlass und mit gespielter Freundlichkeit das ahnungslose und unterlegene Opfer in eine für dieses schutzlose Lage verbrachte und mit den von diesem für echt gehaltenen Schüssen aus der Schreckschusspistole, wie von ihm beabsichtigt, in Todesangst versetzte und den am ganzen Leib zitternden Zeugen, nachdem er ihm auch noch die Jacke weggenommen hatte, vier Kilometer von der nächsten Verkehrsstraße entfernt allein im Waldstück zurückließ. Nach alledem ist auch die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe mit dem besonders straffen Strafzusammenzug angemessen. Hierbei ist zu sehen, dass der Angeklagte bei seinen Taten gegenüber S. allein davon getrieben war, dass er ungestört seinen Betäubungsmittelgeschäften nachgehen konnte. Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass - unabhängig von möglichen verbleibenden Entstellungen - durch das Einstechen des V-förmigen Mals die Wunde umfassend ärztlich versorgt und mit 30 Stichen genäht werden musste. 2. Angeklagter K. : Auch die vom Landgericht gegen den Angeklagten K. verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren hat der Senat gemäß § 354
Abs. 1a StPO bestehen lassen. Insoweit ist entscheidend, dass der Angeklagte K. überhaupt keinen Anlass hatte, gegen den Zeugen S. vorzugehen. Er hat sich von Anfang an bei der Tatausführung beteiligt und letztlich den Mitangeklagten G. sogar aufgefordert, mit dem Messer die Buchstaben in den Oberkörper des Opfers einzustechen.

IV.

Zugunsten des Angeklagten G. war der Maßregelausspruch aufzuheben ; denn nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 27. April 2005 (NStZ 2005, 503) setzt die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs voraus, dass die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen. Den Feststellungen des Landgerichts ist derartiges nicht zu entnehmen; insbesondere gab es offensichtlich nicht die Gefahr, dass der Zeuge S. sich seiner Freiheitsberaubung während der Fahrt in dem Pkw des G. körperlich widersetzt , wodurch bei einem möglichen Gerangel dann zumindest eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs hätte entstehen können.
Im Übrigen haben sich keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
Wahl Schluckebier Kolz Hebenstreit Graf

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 532/16
vom
27. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:270117B1STR532.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2017 nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 18. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt worden ist (Tat 5. der Urteilsgründe ), hiervon ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben,
b) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung , Vergewaltigung, Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung sowie Bedrohung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung von Verfah- rensrecht und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, ist aber im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte und die Geschädigte K. begannen in der Silvesternacht 2015/2016 eine Liebesbeziehung. Nachdem es zwischen ihnen zahlreiche Male zum Geschlechtsverkehr gekommen war, wollte die Geschädigte in den frühen Morgenstunden des 3. Januar 2016 wegen Schmerzen keinen weiteren Vaginalverkehr mehr. Dies wollte der Angeklagte nicht hinnehmen , beleidigte die Geschädigte und beschloss seinen diesbezüglichen Willen mit Gewalt durchzusetzen. Er legte sich auf die Geschädigte, hielt ihre Arme fest und drückte ihre Beine auseinander, um sodann den ungeschützten Vaginalverkehr mit ihr zu vollziehen. Sowohl den entgegenstehenden Willen als auch ihre ersichtlichen Schmerzen ignorierend, äußerte er, er wisse, dass es wehtue, aber er müsse sie „so rannehmen“. Anschließend setzte er sich mit seinen Beinen auf ihre Oberarme und würgte sie mit beiden Händen. Er forderte von ihr die Durchführung des Oralverkehrs. Auf ihre Bitten aufzuhören, ließ er von ihr ab.
4
2. Nach dem Geschehen umwarb der Angeklagte die Geschädigte und gelobte inständig, sich zu bessern. Die Geschädigte ging hierauf ein und beide setzten die Beziehung fort. Der Angeklagte reagierte zunehmend eifersüchtig auf Kontakte der Geschädigten zu anderen Männern. Als sie am 13. Januar 2016 einen Anruf erhielt, riss der Angeklagte ihr das Telefon aus der Hand. Er stieß sie auf die Couch, warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf sie und zog sie aus. Die Geschädigte wehrte sich durch Tritte dagegen, konnte aber gegen die körperliche Übermacht des Angeklagten nichts ausrichten. Er ergriff ihre Arme, drückte mit seinen Beinen ihre Beine auseinander und führte sein Glied in ihre Scheide ein. Sie bat ihn, damit aufzuhören. Da ihn ihr Flehen störte , ergriff er ein neben der Couch liegendes Küchenmesser und drückte es ihr an den Hals. Er sagte zu ihr, sie wolle „das“ doch auch, sie liebe ihn und wolle mit ihm zwei Kinder, deren Namen er nannte. Er drückte ihr die Klingenspitze gegen die Wange und drohte, er werde ihr „Gesicht kaputt schneiden“, damit sie nur noch bei ihm bleibe.
5
3. Am Abend dieses Tages geriet der Angeklagte mit der Geschädigten wegen des Geschehens zu 2. in Streit. Sie erklärte ihm, ein solches Verhalten nicht mehr hinnehmen zu wollen. Er holte daraufhin ein Tapeziermesser und hielt es der Geschädigten vor das Gesicht. Hierbei schrie er, er werde sie umbringen und sodann sich selbst töten. Sodann versetzte er ihr fünf Schläge mit seinem Ledergürtel.
6
4. In den folgenden Tagen bemühte sich der Angeklagte intensiv um die Geschädigte und gelobte Besserung. Er bat sie flehentlich, ihn nicht allein zu lassen. Als die Geschädigte mit ihren Freundinnen am 23. Januar 2016 einen Ausflug nach Würzburg unternehmen wollte, drängte er sich mit in das Fahrzeug. Da er Angst hatte, dass sich die Geschädigte mit anderen Männern treffen werde, war er verärgert, als die Geschädigte ihm in Würzburg entkommen war. Auf der Rückfahrt saß er neben der Geschädigten auf dem Rücksitz und flüsterte ihr zu, er habe ein Messer dabei, damit werde er ihr Gesicht aufschlitzen. An einem Halt zerrte er sie aus dem Auto, hielt ihr das Messer an den Hals und vor ihr Gesicht, um seine Ankündigung zu unterstreichen. Er beschimpfte sie, ließ aber schließlich von ihr ab, als die Freundinnen drohten, die Polizei zu rufen und ein Passant dazwischentrat.
7
5. In den folgenden Tagen söhnte sich die Geschädigte mit dem Angeklagten aus und setzte die Beziehung mit ihm gegen den Rat ihrer Eltern fort. Darüber war ihre Mutter sehr verärgert und verwies sie der von der Geschädigten bewohnten Wohnung. Daraufhin beschloss die Geschädigte vorübergehend bei dem Angeklagten zu übernachten. Zwei Tage später erzählte sie ihm von ihrem Plan, zu ihrer Freundin nach Frankfurt zu ziehen und sich sodann dort eine eigene Wohnung zu suchen. Der Angeklagte befürchtete, seinen Einfluss auf die Geschädigte zu verlieren und verbot ihr den Umzug. Die Geschädigte schloss sich aus Angst vor Übergriffen im Bad ein. Der Angeklagte verließ kurz die Wohnung, schloss bei seiner Rückkehr von ihr unbemerkt die Wohnungstür von innen ab und nahm den Schlüssel an sich, um die vollständige Herrschaft über die Geschädigte zu erlangen. Deswegen hatte er nunmehr auch eine Pistole bei sich. Er wollte ihr damit drohen, damit sie unter dem Eindruck der Drohung , ihren Plan nach Frankfurt zu ziehen, aufgibt. Auf seine Aufforderung öffnete sie die Badezimmertür, er richtete die Waffe auf sie und sagte, er bringe sie jetzt um. Er drückte ihr die Pistole an verschiedene Stellen des Kopfes, um seine Macht über sie auszukosten. Er gab mit der Pistole zweimal einen Schuss ab. Als die Geschädigte fliehen wollte, bemerkte sie die verschlossene Wohnungstür. Der Angeklagte schrie, er werde sie nicht gehen lassen. Als die Geschädigte überlegte, ob sie aus dem Fenster springen sollte, zog er sie vom Fenster weg, hielt ihr die Pistole vor das Gesicht und schrie: „Friedhof oder Frankfurt?“. Erwusste, dass ihm die Geschädigte hilflos ausgeliefert war und wollte dies nutzen, damit sie von ihren Umzugsplänen Abstand nimmt. Er rief eine Bekannte von ihm an, um diese um die Vermittlung einer Wohnung zu bitten. Sodann brachte er die Geschädigte durch die vorgehaltene Pistole dazu, dieser Bekannten gegenüber am Telefon zu bestätigen, mit dem Angeklagten zusammen sein und eine gemeinsame Wohnung mit ihm haben zu wollen. Anschließend zog er sie in das Schlafzimmer, stieß sie auf das Bett und versetzte ihr mit seiner beringten Faust einen Schlag in das Gesicht. Als die Geschädigte schrie, ließ er von ihr ab und öffnete nach etwa 45 Minuten die Wohnungstür.

II.


8
1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gründen der Erfolg versagt.
9
2. Während der Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung (Tat 2.), Vergewaltigung (Tat 1.) und Bedrohung in zwei Fällen (Taten 3. und 4.) keinen Rechtsfehler aufzeigt, kann die Verurteilung wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung (Tat 5.) keinen Bestand haben.
10
Zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte der Geschädigten bemächtigt und sie mit dem Tode bedroht hatte. Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass der Angeklagte sich der Geschädigten bemächtigt hatte, um die von ihm geschaffene Lage zu einer Nötigung auszunutzen. Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Nötigung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang in der Weise bestehen , dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 1 StR 444/14, StV 2015, 765 mwN; Beschluss vom 12. September 2013 – 2 StR 236/13, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 2). Soweit der Angeklagte also die Absicht verfolgte, die Zeugin durch die Bemächtigungssituation und die qualifizierte Drohung dazu zu bestimmen, erst nach Beendigung der Zwangslage ihre Umzugspläne aufzugeben, wäre der Tatbestand nicht erfüllt.
11
Ob der erforderliche funktionale Zusammenhang angenommen werden könnte, weil der Angeklagte nach seiner Vorstellung mit dem während der Bemächtigungslage erzwungenen Telefonat der Geschädigten einen Teilerfolg erreichen wollte, der mit Blick auf das erstrebte Endziel vorbereitend wirken sollte (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 – 1 StR 444/14, StV 2015, 765 und vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36), lässt sich dem Urteil nicht hinreichend sicher entnehmen. Es fehlt an tragfähigen Feststellungen dazu, ob das telefonische Bekenntnis zu Plänen für eine gemeinsame Wohnung nach der Vorstellung des Angeklagten eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Endzwecks darstellen sollte (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 und vom 14. Januar 1997 – 1 StR 507/96, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1; Beschluss vom 2. Oktober 1996 – 3 StR 378/96, BGHR StGB § 239b Entführen 4). Das Landgericht stellt – tragfähig belegt durch die Äußerung „Friedhof oder Frankfurt“ – mehrfach darauf ab,dass der Angeklagte von der Geschädigten die Aufgabe der Umzugspläne, mithin ein auf die Zukunft bezogenes Unterlassen erreichen wollte. Hierzu passt auch, dass es die Voraussetzungen des § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB, mithin einen Verzicht auf die erstrebte Leistung angenommen hat. Ob der Angeklagte in dem Bekenntnis der Geschädigten gegenüber seiner Bekannten, nämlich mit dem Angeklagten zu- sammen sein und eine gemeinsame Wohnung mit ihm haben zu wollen, eine eigenständig bedeutsame Vorstufe mit einer gesteigerten Verbindlichkeit für dieses Ziel gesehen hat, hat das Landgericht weder erwogen noch lässt es sich aus dem Gesamtzusammenhang entnehmen. Dagegen spricht bereits die Annahme der Voraussetzungen des § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB. Allein durch die – zudem beweiswürdigend nicht unterlegte – Feststellung, der Angeklagte habe dies getan, um „sicher zu erreichen, dass K. ihre Umzugspläne aufgibt“, wirddies nicht tragfähig belegt. Denn es versteht sich nicht von selbst, dass der Angeklagte davon ausging, durch die Bekräftigung der Pläne für eine gemeinsame Wohnung gegenüber seiner Bekannten, würde sich die Geschädigte verlässlich gebunden fühlen.
12
Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs hinsichtlich Tat 5. der Urteilsgründe; erfasst wird auch die – konkurrenzrechtlich ohnehin im Hinblick auf den Einsatz der Todesdrohungen zur Erreichung des Endzieles bedenkliche (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322) – tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung. Der Aufhebung von Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bedurfte es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen sind.
13
3. Der gesamte Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
14
a) Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ mit deutlichen Borderline-Zügen leide, die den Schweregrad des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfülle. Die Störung zeige sich in der Neigung zu impulsivem Handeln ohne die Folgen des Handelns in den Blick zu nehmen und Verlassensängsten. Insbesondere bei affektiven Einbrüchen komme es zu einer defizitären Impulskontrolle. Zudem liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Trotz des Vorliegens des Eingangsmerkmals sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den Taten nicht beeinträchtigt gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen , dass sich der Tatzeitraum über einen Monat hingezogen habe und der Angeklagte während dieses Zeitraums zu einem geregelten Alltagsleben in der Lage gewesen sei. Unbeeinflusst von akuten Erregungsmomenten habe ausreichend Zeit zur Reflexion bestanden; schließlich sei es ihm auch immer wieder gelungen, sich in diesem Zeitraum gegenüber der Geschädigten fürsorglich zu zeigen und keine Gewalt auszuüben.
15
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
aa) Indem das Landgericht – dem Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen , musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 – 4 StR 498/14, NStZ-RR 2015, 137 und vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; Beschluss vom 21. Oktober 1998 – 3 StR 416/98, NStZ-RR 1999, 136 mwN). Denn für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist es maßgebend , ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f. mwN).
17
Angesichts dessen, dass die Einschränkungen durch die Persönlichkeitsstörung einerseits schwer genug sein sollen, um zur Annahme eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu führen, kommt der – hiermit zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis stehenden – Erwägung, der Angeklagte sei zu einem geregelten Alltagsleben in der Lage gewesen, keine relevante Aussagekraft zu.
18
bb) Zudem lassen die mehrmaligen Bezugnahmen auf den Zeitraum eines Monats besorgen, dass das Landgericht für die Frage, ob die festgestellte schwere andere seelische Abartigkeit zu einer relevanten Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit geführt hat, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung verfehlt hat. Maßgebend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist die Begehung der Tat (§ 20 StGB), bei aktivem Tun mithin die Zeit, zu welcher der Täter gehandelt hat(§ 8 Satz 1 StGB; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2015 – 4StR 196/15, NStZ-RR 2015, 275). Danach war hier auf die jeweilige Tathandlung , die nicht mehr als eine Stunde betragen hat, abzustellen und nicht auf den gesamten Zeitraum, in dem der Angeklagte verschiedene Delikte begangen hat. Ob der Angeklagte in den Zeiträumen zwischen den Taten zu fürsorglichem Handeln und Unrechtsreflektion in der Lage war, kommt daher keine maßgebliche Bedeutung zu.
19
cc) Eine Erörterung, ob sich die Symptome der den Grad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreichenden Persönlichkeitsstörung, nämlich eine defizitäre Impulskontrolle bei affektiven Einbrüchen und Verlassensängsten , bei den jeweiligen Tatbegehungen ausgewirkt haben könnten, lässt sich dem Urteil hingegen nicht entnehmen. Hierzu hätte aber insbesondere deswegen Anlass bestanden, da diese Taten ausweislich der Feststellungen durch impulsives Verhalten und Verlassensängste beeinflusst waren.
20
c) Der Rechtsfehler lässt den verbleibenden Schuldspruch unberührt, der Senat kann ausschließen, dass die Schuldfähigkeit bei Begehung der Taten vollständig aufgehoben war. Er führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugrunde liegenden Feststellungen. Die Sache bedarf auch insoweit – naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung.
Raum Graf Jäger Cirener Fischer

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 189/19
vom
6. August 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes mit Todesfolge
ECLI:DE:BGH:2019:060819B3STR189.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 21. Dezember 2018 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes mit Todesfolge zu der Freiheitstrafe von elf Jahren verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat keinen Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
3
Zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangenen Raubes mit Todesfolge und nicht nur wegen Beihilfe zu einer solchen Tat verurteilt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, gilt insoweit:
4
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. April 2019 - 5 StR 685/18, juris Rn. 26; Beschlüsse vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, juris Rn. 5; vom 15. März 2016 - 4 StR 7/16, NStZ-RR 2016, 140; vom 23. März 2017 - 1 StR 451/16, NStZ 2018, 544, 545 f.; vom 11. Juli 2017 - 2 StR 220/17, NStZ 2018, 144, 145 jeweils mwN).
5
Die Frage, ob sich bei mehreren Tatbeteiligten das Handeln eines von ihnen als Mittäterschaft im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB darstellt, ist vom Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängen müssen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16, NStZ 2017, 296, 297; vom 8. Juni 2017 - 1 StR 188/17, juris Rn. 3; vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; vom 27. November 2018 - 5 StR 604/18, NStZ-RR 2019, 73; vom 26. März 2019 - 4 StR 381/18, NStZ-RR 2019, 203, 204 jeweils mwN).
6
Entgegen einer in jüngerer Zeit in der Literatur geäußerten Auffassung (vgl. Schlösser, NStZ 2018, 651) ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats, in der ausgeführt worden ist, unter dem Blickwinkel der Tatherrschaft sei Voraussetzung der (Mit-)Täterschaft, dass der Täter durch seinen Beitrag Einfluss auf die Tatausführung nehmen könne (BGH, Beschlüsse vom 28. November 2017 - 3 StR 266/17, NStZ 2018, 650; vom 19. April 2018 - 3 StR 638/17, NStZ-RR 2018, 271, 272) nichts anderes: Nach den genannten Maßgaben handelt es sich bei der insoweit angesprochenen Tatherrschaft lediglich um eines der Kriterien, welche bei der wertenden Gesamtbetrachtung in den Blick zu nehmen sind. Deshalb scheidet indes nicht immer dann, wenn dieses schwach oder gar nicht ausgeprägt ist, Mittäterschaft aus; vielmehr können Defizite in diesem Bereich - wie es im Wesen einer Gesamtbetrachtung liegt - ausgeglichen werden, wenn andere der in die Prüfung einzustellenden Kriterien stärker ausgeprägt sind. Mit der zitierten Rechtsprechung sollten demnach lediglich die Voraussetzungen der Mittäterschaft für den Fall formuliert werden, dass dem Kriterium der Tatherrschaft im Rahmen der Gesamtwürdigung maßgebliche Bedeutung zukommen sollte (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 StR 236/17, NJW 2019, 1818, 1825; Beschluss vom 20. Februar 2019 - AK 4/19, juris Rn. 23).
7
Nach alledem erweist sich die Annahme von Mittäterschaft vorliegend als rechtsfehlerfrei. Der Angeklagte war an der Tatplanung und der Anwerbung und Unterrichtung der Mittäter, die die tatbestandlichen Handlungen ausführen sollten , beteiligt. Die Tatbeute sollte nach Auszahlung der gesondert Verfolgten zwischen ihm und seiner ebenfalls tatbeteiligten Lebensgefährtin hälftig geteilt werden. Schließlich hat der Angeklagte die gesondert Verfolgten zum Tatort gefahren und sich dort absprachegemäß zum Abtransport der Beute bereitgehalten. Dass er selbst die Wohnung des Getöteten nicht betrat und sich nicht eigenhändig an den vom Tatplan gedeckten Gewalttätigkeiten beteiligte, steht der Annahme einer mittäterschaftlichen Beteiligung nicht entgegen. Vielmehr leistete er nicht nur gewichtige Tatbeiträge, sondern nahm auf das Tatgeschehen selbst - wenn auch im Schwerpunkt im Vorfeld und bei der Planung der Tat - Einfluss.
Schäfer Spaniol Wimmer
Tiemann Berg

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 179/18
vom
10. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:101018U5STR179.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Mosbacher als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin N. als Verteidigerin des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt D. L. als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt F. als Verteidiger der Angeklagten M. G. ,
Rechtsanwalt M. L. als Verteidiger des Angeklagten B. G. ,
Rechtsanwältin P. als Vertreterin des Nebenklägers,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18. Oktober 2017 werden verworfen.
Die Angeklagten M. und B. G. sowie W. tragen die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels ; bei dem Angeklagten H. wird davon abgesehen, ihm die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.
Die Angeklagten tragen die durch ihre Rechtsmittel dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von drei Jahren (M. G. ), drei Jahren und sechs Monaten (B. G. ) und zwei Jahren und neun Monaten (W. ) sowie zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten (H. ) verurteilt. Die mit einer Verfahrensrüge der Angeklagten M. G. und Sachrügen geführten Revisionen der Angeklagten wenden sich gegen die Verurteilungen , während die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen das Fehlen einzelner Qualifikationsmerkmale innerhalb der Schuldsprüche bemängelt und höhere Strafen erstrebt. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben überwiegend Erfolg; diejenigen der Angeklagten sind unbegründet.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der geistig behinderte Nebenkläger bei der Angeklagten M. G. seit 23. Dezember 2016 zu Gast. Beide hatten sich über eine Kontaktplattform im Internet kennengelernt und wollten ihr Interesse an einer weitergehenden Beziehung erproben. In der Wohnung der Angeklagten waren zudem ihre fünf Kinder, darunter der Angeklagte B. G. . Aufgrund der Unerfahrenheit und Scheu des Nebenklägers kam es nicht zu der von M. G. erwünschten erotischen Annäherung. Nachdem die ersten Tage noch weitgehend problemlos verlaufen waren, fiel der Nebenkläger seit 30. Dezember 2016 den Angeklagten G zunehmend zur Last. Zudem hielt sich seit diesem Zeitpunkt noch eine Vielzahl weiterer Personen in der Wohnung auf, um dort gemeinsam Silvester zu feiern, darunter auch die Angeklagten W. und H. .
3
Am 30. Dezember 2016 begannen erhebliche Übergriffe auf den diesen hilflos ausgesetzten Nebenkläger. Zunächst urinierte der neunjährige Sohn der Angeklagten M. G. auf den Nebenkläger, ohne dass jemand Anstoß daran nahm. Der mittellose Nebenkläger äußerte daraufhin den Wunsch, nach Hause zu fahren, konnte diesen jedoch nicht umsetzen. Versuche , seinen Betreuer zwecks Überweisung des Fahrgeldes zu kontaktieren, misslangen. Am Folgetag bewarf der Angeklagte B. G. den Nebenkläger in der Wohnung mit gezündeten Knallkörpern und ohrfeigte ihn vor den anderen. Die Angeklagten H. und B. G. boten dem Nebenkläger eine mit Schwarzpulver gefüllte Zigarette an, die dieser anzündete. Die Zigarette explodierte. Spätestens danach war allen Angeklagten klar, dass der geistig behinderte, unreif und furchtsam auftretende Nebenkläger mangels Selbstbehauptungswillens auch weitergehenden Angriffen keinen nennenswerten Widerstand entgegenbringen würde.
4
Am Abend des Neujahrtages 2017 entschlossen sich die Angeklagten gegen 21 Uhr, diese Schwäche auszunutzen und den heterosexuellen Nebenkläger im Wohnzimmer vor den Augen anderer durch homosexuellen Oral- und Analverkehr zu „entjungfern“, wenn nötig, unter Einsatz von Gewalt. Ihnen war dabei klar, dass dies alles gegen den erkennbaren Willen des Nebenklägers geschah und dieser nur bei Ausübung massiven Drucks in gewünschter Weise mitwirken würde. In Umsetzung der Abrede forderte B. G. den Nebenkläger barsch auf, sich auszuziehen, was dieser bis auf die Unterhose tat. Auf die Weigerung, auch diese auszuziehen, boxte B. G. den Nebenkläger mit der Faust in den Genitalbereich. Anschließend brachten die drei männlichen Angeklagten den Nebenkläger gewaltsam zu Boden. Während W. und H. die Arme festhielten, hielt B. G. ein brennendes Feuerzeug an den seitlichen Bund der Unterhose, um diesen anzubrennen. Die Flamme wirkte auf die Haut im Lendenbereich ein und verursachte erhebliche Schmerzen beim Nebenkläger. Dies war auch beabsichtigt, um jeden Widerstand zu brechen und den Nebenkläger gefügig zu machen. Durch das gewaltsame Entblößen erlitt dieser neben Brandverletzungen Kratzer , eine Hautabschürfung und mehrere Prellmarken.
5
Anschließend setzte sich der Nebenkläger auf Anweisung von B. G. auf einen Sessel. Dessen Verlangen, bis zum Samenerguss zu onanieren, kam der Nebenkläger erfolglos nach. Nach dem Willen der Angeklagten musste der weiterhin sichtlich eingeschüchterte Nebenkläger nunmehr den Oralverkehr am Angeklagten H. vollziehen und das zunächst ausgespuckte Ejakulat schlucken. Nun beschlossen die Angeklagten, die starke Behaarung des Nebenklägers an Oberkörper und Schambereich großflächig abzubrennen. Hierzu schüttete der Angeklagte B. G. Desinfektionsmittel auf Brust-, Bauch- und Schambereich des Nebenklägers und zündete dieses anschließend mit dem Feuerzeug an. Durch die Flammenhitze erlitt der Nebenkläger empfindliche Schmerzen an den betroffenen Hautpartien und protestierte lautstark.
6
Da die Angeklagten eine anale Penetration planten, setzte B. G. die Prozedur ungerührt fort. Seiner Aufforderung, den mittlerweile apathisch wirkenden Nebenkläger ins Gesicht und auf den Kopf zu schlagen, kamen die zwei anwesenden Jugendlichen K. und V. G. nach. Nachdem die Afterregion des Nebenklägers mittels Trocken- und Nassrasierer von noch vorhandener Behaarung befreit worden war, musste sich der Nebenkläger in „Hündchenstellung“ beugen und den Angeklagten sein ent- blößtes Hinterteil präsentieren. Der Angeklagte H. näherte sich mit entblößtem und erigiertem Glied dem Nebenkläger. Ob es dabei zum Vollzug des Analverkehrs oder nur zu dessen Vortäuschen kam, konnte nicht geklärt werden. Nachdem der Angeklagte H. vom Nebenkläger abgelassen hatte, holte die Angeklagte M. G. einen Dildo und stieß diesen überraschend und kräftig in den After des Nebenklägers, so dass er steckenblieb. Der Nebenkläger erlitt hierdurch heftige Schmerzen sowie eine Hautunterblutung am Aftereingang und schrie vor Schmerz. Es gelang ihm, den Dildo zu entfernen und wegzuschleudern. Der Angeklagte B. G. nahm den Dildo wieder auf und führte ihn anschließend erneut in den After des Nebenklägers ein, was diesem wiederum Schmerzen bereitete. M. G. setzte derweil die Enthaarung mittels Desinfektionsmittel und Feuerzeug fort. Erst als der Nebenkläger sein Schreien intensivierte, lenkte M. G. ein und forderte B. G. auf, von ihrem Opfer abzulassen, damit die Tat nicht durch dessen Geschrei entdeckt würde. Anschließend ließen alle Angeklagten gegen 24 Uhr von ihren stundenlangen Übergriffen auf den Nebenkläger ab. Dieser hat die Folgen der Tat bislang noch nicht vollständig psychisch verarbeitet und wird therapeutisch betreut.
7
2. Das Landgericht hat das Handeln der Angeklagten als gemeinschaftliche besonders schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1, 6 und 8 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB gewertet. Den Einsatz des Feuerzeugs hat das Landgericht als Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB angesehen, nicht hingegen den Einsatz des Dildos, da zu dessen näherer Beschaffenheit keine Feststellungen getroffen werden konnten. Den Strafrahmen für die Freiheitsstrafen hat das Landgericht § 177 Abs. 9 StGB (minder schwe- rer Fall) entnommen und jeweils eine Sperrwirkung des Strafrahmens des § 177 Abs. 6 StGB bejaht, beim Angeklagten B. G. unter Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB. Die Verhängung von Jugendstrafe gegen den zur Tat 19 Jahre alten H. hat die Jugendkammer auf die Schwere der Schuld gestützt und die konkrete Strafe unter Betonung des Erziehungsgedankens nach einer hypothetischen Strafrahmenbetrachtung – entsprechend derjenigen bei den erwachsenen Angeklagten – gefunden.

II.


8
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
9
1. Die von der Angeklagten G. erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung von § 261 StPO durch Nichtausschöpfung verlesener Vernehmungsniederschriften versagt. Der Senat kann anhand des Revisionsvorbringens nicht zuverlässig beurteilen, ob die unmittelbare Verwertung dieser Urkunden vor dem Hintergrund des in § 250 StPO niedergelegten Unmittelbarkeitsprinzips überhaupt zulässig oder etwa die Nichtberücksichtigung dieses Beweisstoffs rechtlich geboten war. Vortrag, aus dem sich eindeutig ergibt, dass die Vernehmungsniederschriften lediglich nach Vernehmung der entsprechenden Zeugen ergänzend oder in ihrer Anwesenheit nach § 253 StPO zur Klärung von Widersprüchen oder Erinnerungslücken verlesen werden durften (näher BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2018 – 3 StR 400/17, NJW 2018, 2809, 2811; vom 19. März 2013 – 3 StR 26/13, NStZ 2013, 479; Mosbacher, NStZ 2014, 1 mwN), enthält die Revision nicht. Ob die Ausführungen in der mitgeteilten Vorsitzendenverfügung vom 15. September 2017 vollständig waren und zutrafen, kann der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen. Darüber hinaus ist das Tatgericht nicht gehalten, jeden erhobenen Beweis im Urteil zu behan- deln, zumal sich seine Relevanz im Laufe der Hauptverhandlung relativiert haben kann (vgl. näher Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 58 mwN).
10
2. Die jeweils erhobenen Sachrügen decken ebenfalls keinen Rechtsfehler auf. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und tragen die Schuldsprüche. Dies gilt namentlich auch, soweit die Jugendkammer den Einsatz des Feuerzeugs als Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs bei der Tat gewürdigt hat (vgl. zum Verbrennen der Haut durch ein Feuerzeug als gefährliche Körperverletzung BGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 – 2 StR 109/93, BGHR StGB § 170d Fürsorgepflichtiger 1; zur Verwendung ei- ner brennenden Zigarette: BGH, Urteile vom 4. September 2001 – 1 StR 232/01, NStZ 2002, 30, und vom 27. September 2001 – 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86). Die Rechtsfolgenaussprüche enthalten ebenfalls keine die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.

III.


11
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben überwiegend Erfolg.
12
1. Sie sind gemäß ihrer Begründung wirksam auf die Strafaussprüche beschränkt, weil die Staatsanwaltschaft lediglich die Nichtannahme weiterer Qualifikationsmerkmale innerhalb des Schuldspruchs und auf dieser Grundlage eine zu milde Bestrafung bemängelt.
13
2. Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Jugendkammer das gewaltsame Einführen des Dildos in den After des Nebenklägers nicht als Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB angesehen hat.
14
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Alternative liegt vor, wenn ein – auchfür sich gesehen ungefährlicher – Gegenstand nach der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (vgl. zum gleichlautenden früheren § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB Hörnle in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 284 ff. mwN). Dies ist regelmäßig bei einem Dildo der Fall, wenn er überraschend und kräftig in den After gestoßen wird und hierdurch ganz erhebliche Schmerzen und eine Hautunterblutung am Aftereingang verursacht. Die Jugendkammer hätte sich deshalb nicht mit der Überlegung begnügen dürfen, die konkrete Beschaffenheit des Dildos sei nicht feststellbar, weshalb der Gegenstand nicht als gefährlich angesehen werden könne. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des 3. Strafsenats (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 278/16) besagt nichts anderes, da sie sich mit dieser Fragestellung (auf die Revision der Angeklagten hin) nicht auseinandersetzt.
15
3. Ebenso rechtsfehlerhaft prüft die Jugendkammer nicht, ob die Qualifikation der schweren körperlichen Misshandlung nach § 177 Abs. 8 Nr. 2a StGB im vorliegenden Fall erfüllt wurde. Für eine schwere körperliche Misshandlung in diesem Sinne genügt jede schwere Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens ; die körperliche Integrität muss in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, beeinträchtigt sein (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 2000 – 3 StR 347/00, NJW 2000, 3655; Beschluss vom 3. Mai 2018 – 3StR 658/17). Auch wenn die insoweit anzustellenden Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen (vgl. BGH aaO), liegt dieses Merkmal ange- sichts der stundenlangen Quälerei des Nebenklägers mit Zufügung „thermischer Hautverletzungen“ und erheblicher Schmerzen durch analePenetration (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 StR 422/14, NStZ 2015, 152) doch überaus nahe und hätte erörtert werden müssen.
16
4. Die Staatsanwaltschaft weist in diesem Zusammenhang zudem zutreffend darauf hin, dass das Landgericht auch hätte prüfen müssen, ob der Verbrechenstatbestand des § 177 Abs. 5 StGB erfüllt worden ist. Denn auch dies hätte im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden können.
17
5. Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruhen die Strafaussprüche, denn das Landgericht ist bei jedem Angeklagten von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Jugendkammer bei allen Angeklagten bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen höhere Strafen verhängt hätte.
18
6. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); insoweit bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. Die Feststellungen dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Bei Annahme der oben genannten Qualifikationsmerkmale wird insbesondere zu prüfen sein, inwieweit diese vom – gegebenenfalls sukzessive erweiterten – gemeinsamen Tatplan erfasst waren und deren Verwirklichung deshalb allen Angeklagten zuzurechnen ist.
Mutzbauer Sander Schneider
König Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 239/18
vom
25. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:251018U4STR239.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2018, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin – in der Verhandlung –, Erster Staatsanwalt – bei der Verkündung – als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 1. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleibt die Adhäsionsentscheidung bestehen.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Zinsausspruchs mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt sowie ein Einhandmesser, eine Eisenkette und Kabelbinder als Tatwerkzeuge eingezogen. Darüber hinaus hat es den Angeklagten u.a. verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2016 zu zahlen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision gegen den Schuldspruch. Sie beanstandet namentlich, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen Geiselnahme (§ 239b StGB) und wegen Vergewaltigung in der Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB verurteilt hat. Während das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, führt die auf die allgemeine Sachrüge und die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten nur zu einem geringfügigen Erfolg.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte überredete die Nebenklägerin, die ihren Lebensunterhalt in der ambulanten Pflege verdiente, für ihn im Wege der Prostitution Geld zu verdienen. Sie begab sich zu diesem Zweck nach H. . Am Dienstag, den 13. Dezember 2016, entschied sie sich in den frühen Morgenstunden, in ihren Heimatort G. zurückzukehren und sich endgültig vom Angeklagten zu trennen. Der Angeklagte war über ihre Eigenmächtigkeit sehr erbost und beschloss, sie zu bestrafen. Er kaufte eine Packung Kabelbinder und eine Metallgliederkette und begab sich gegen 18.10 Uhr zur Wohnung der Nebenklägerin. Die Nebenklägerin, die Arbeitskolleginnen erwartet hatte, ließ ihn auf Klingeln ein. Der Angeklagte schloss hinter sich die Wohnungstür ab und versteckte den Schlüssel. Er begab sich ans Bett der Nebenklägerin und zog sie an den Haaren in eine sitzende Position. Unter Schlägen, Anspucken und Ziehen an den Haaren vollzog er erst Oral-, dann vaginalen Geschlechtsverkehr. Auch legte er ihr zeitweise die Hände fest um den Hals.
4
Der Angeklagte befahl der Nebenklägerin nun, sich in eine Ecke zu stellen. Er zog ihren Kopf an den Haaren nach hinten und hielt ihr ein Einhandmesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimeter an den Hals, wodurch er ihr eine kleine Stichverletzung unterhalb des Kinns beibrachte. Er forderte sie auf zu sagen, dass sie ihm gehöre, sie „seine Nutte“ sei und dass sie nie mehr „ab- hauen“ werde. Die Nebenklägerin entschuldigte sich und äußerte sich wie ge- fordert. Der Angeklagte fesselte ihre Hände mit Kabelbindern. Er schlug ihr so heftig mit der flachen Hand ins Gesicht, dass sie mit dem Kopf gegen die Wand stieß und kurze Zeit bewusstlos wurde. Der Angeklagte entkleidete die bewusstlose Nebenklägerin und fixierte sie mittels Kabelbindern am Heizungsrohr. Er verknotete einen Schal fest über ihrem Mund. Als die Nebenklägerin das Bewusstsein wiedererlangte, schlug er ihr mit der Metallgliederkette zweimal fest auf die rechte Gesäßhälfte, was ihr heftige Schmerzen verursachte. Auch schlug er ihr mit der Faust mehrmals in den Rücken und trat ihr mit dem nackten Fuß gegen den Oberschenkel. Um die Nebenklägerin für die Zukunft gefügig zu machen und sie für ihr gezeigtes Verhalten zu disziplinieren, strich er ihr die Messerklinge mit leichtem Druck langsam über die rechte Gesichtshälfte, den Hals und den Rücken. Er fragte sie, welches ihrer „Tattoos“ ihr nicht gefalle , da er dieses für sie entfernen könne. Die Nebenklägerin fürchtete um ihr Leben. Der Angeklagte verlangte nun, dass die Nebenklägerin sich gegenüber drei seiner Freunde und Bekannten jeweils am Telefon entschuldige und äuße- re, dass sie zum Angeklagten gehöre und „seine Nutte“ sei, was sie aus Angst vor weiteren Übergriffen tat. Auch teilte sie ihm wie gefordert die PIN für ihr Mobiltelefon mit, das der Angeklagte daraufhin kontrollierte. Erbost über Text- und Bildnachrichten an einen fremden Mann schlug er sie erneut mit der Metallgliederkette.
5
Um 20.10 Uhr erinnerte ein Bekannter den Angeklagten telefonisch daran , dass er ihm zugesagt habe, ihn von M. nach Ha. zu bringen. Der Angeklagte strich der Nebenklägerin mit der Metallgliederkette über den Rücken und bot ihr an mitzukommen, wenn sie „brav“ sei. Die Nebenklägerin bestätigte dies. Der Angeklagte entfernte die Kabelbinder und ließ sich nochmals bestätigen, sie werde so etwas nie mehr tun. Anschließend vollzog er mit ihr erneut den Geschlechts- und den Oralverkehr, wobei ihm bewusst war, dass die Nebenklägerin wegen der unmittelbar zuvor erlebten „Züchtigung“ keine Gegenwehr mehr zeigte. Die Nebenklägerin begleitete den Angeklagten dann auf der Fahrt mit seinem Bekannten. Erst nachdem der Angeklagte nach Rückkehr in ihre Wohnung eingeschlafen war, traute sie sich zu flüchten. Gegen 1.30 Uhr traf sie bei der Polizei G. ein.
6
2. Das Landgericht hat die Tat als schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 1 StGB bewertet. Das Vorliegen der Qualifikation nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB hat es verneint, weil es eine Verwendungsabsicht hinsichtlich des Einhandmessers, der Metallgliederkette und der Kabelbinder nicht habe feststellen können. Das Geschehen zwischen den Vergewaltigungen habe allein dem Zweck gedient, die Nebenklägerin für ihr Verhalten zu bestrafen. Wegen des engen räumlich-zeitlichen und situativen Zusammenhangs stünden beide Vergewaltigungen in Tateinheit, desgleichen die gefährliche Körperverletzung durch Schlagen mit der Metallgliederkette und Ritzen mit dem Einhandmesser (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), die Freiheitsberaubung durch Fesselung (§ 239 Abs. 1 StGB) und die Nötigung durch die Veranlassung, sich bei drei Personen zu entschuldigen (§ 240 Abs. 1 StGB). Hingegen habe die Kammer keine Bedrohung nach § 241 StGB festzustellen vermocht; dementsprechend komme eine Geiselnahme nach § 239b StGB nicht in Betracht.

II.


7
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist mehrere Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf. Die Strafkammer hat den Unrechtsgehalt der von ihr festgestellten Taten nicht ausgeschöpft und ist ihrer Kognitionspflicht nicht nachgekommen.
8
1. Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) unzureichend gewürdigt. Es hat seine Ansicht, es liege keine Bedrohung nach § 241 StGB und damit auch keine Geiselnahme nach § 239b StGB vor, nicht begründet. Dies wäre aber angesichts der festgestellten Tatumstände erforderlich gewesen. Das festgestellte Geschehen erfüllte naheliegend die objektiven Merkmale des § 239b Abs. 1 1. oder 2. Alternative StGB. Das Landgericht musste sich daher notwendigerweise näher mit diesem Straftatbestand auseinandersetzen und insbesondere prüfen, ob der Angeklagte (auch) in subjektiver Hinsicht eine der beiden Alternativen dieser Vorschrift erfüllte:
9
a) Der Angeklagte hatte sich der Nebenklägerin bereits durch das Abschließen der Wohnung bemächtigt; die Bemächtigungslage hatte sich stabilisiert (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359), als er der Nebenklägerin das Einhandmesser an den Hals hielt. Es liegt nahe, dass dies konkludent eine Drohung mit dem Tod beinhaltete (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 2 StR 606/13, NStZ 2014, 515). Desgleichen kann das spätere Streichen mit der Messerklinge über ihr Gesicht, den Hals und den Rücken verbunden mit der Frage, welches ihrer „Tattoos“ ihr nicht gefalle, da er dieses für sie entfernen könne, eine konkludente Drohung mit einer schweren Körperverletzung gewesen sein. Die Nebenklägerin fürchtete jedenfalls in dieser Situation um ihr Leben (UA S. 19). Sie musste in dieser Situation drei Bekannte und Freunde des Angeklagten kontaktieren, sich entschuldigen , sagen, dass sie so etwas nie wieder tun werde und dass sie zum Angeklagten gehöre. Ferner gab sie dem Angeklagten auf sein Verlangen die PIN ihres Mobiltelefons preis. Unter diesen Umständen liegt es nicht fern, dass der Angeklagte eine der beiden Alternativen des § 239b Abs. 1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht vollständig verwirklichte.
10
b) Beabsichtigte er bereits im Zeitpunkt der Begründung des physischen Herrschaftsverhältnisses über die Nebenklägerin seine weiter gehenden Ziele mittels konkludenter qualifizierter Drohung zu erreichen, so wären allein schon hierdurch die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 239b Abs. 1 StGB erfüllt. Der Angeklagte hätte dagegen die zweite Alternative des § 239b Abs. 1 StGB verwirklicht, wenn er zwar nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem er sich der Nebenklägerin bemächtigte, diese Absicht hatte, jedoch die von ihm geschaffene Lage aufgrund eines nachträglich gefassten Vorsatzes zu einer solchen Nötigung mittels konkludenter qualifizierter Drohung ausnutzte. Hiermit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.
11
2. a) Das Landgericht hat den Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung (§ 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB) mit unzureichender Begründung verneint.
12
aa) Das Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs „bei der Tat“ liegt in zeitlicher Hinsicht vor, wenn das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat eingesetzt wird (BGH, Urteil vom 4. April 2007 – 2 StR 34/07, BGHSt 51, 276, 278; Beschluss vom 25. Februar 2010 – 5 StR 542/09, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 8). Der Angeklagte setzte das Einhandmesser und die Metallkette ein, nachdem er bereits einmal sexuelle Handlungen vorgenommen hatte und bevor er ein weiteres Mal Oral- und Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin ausübte. Das Landgericht hat alle sexuellen Handlungen aufgrund des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs zutreffend als tateinheitlich begangen gewertet. Dementsprechend verwendete der Angeklagte das Messer und die Metallkette vor der Beendigung der sexuellen Handlungen, also bei der Tat gegen die Nebenklägerin.
13
bb) Die Erfüllung der Qualifikation setzt nicht voraus, dass die Waffe oder das gefährliche Werkzeug gerade als Nötigungsmittel eingesetzt wird, es reicht der Einsatz als Werkzeug bei der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228; Beschluss vom 15. April 2014 – 2 StR 545/13, NJW 2014, 2134, 2135). Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Einsatz des Messers und der Metallkette nicht der Durchführung der sexuellen Handlungen, sondern der Bestrafung der Nebenklägerin gedient hätten, greift diese Erwägung zu kurz. Zum einen hat das Landgericht nicht bedacht, dass der Angeklagte von Anfang an vorhatte, die Nebenklägerin einzuschüchtern und zu bestrafen. Naheliegend dienten auch die sexuellen Handlungen diesem Zweck. Es könnte sich daher bei dem Geschehen in der Wohnung der Nebenklägerin um einen von Anfang an geplanten einheitlichen Vorgang mit Sexualbezug handeln. Zum anderen stand die Nebenklägerin bei den späteren sexuellen Handlungen für den Angeklagten erkennbar (UA S. 23) unter dem Eindruck des „soeben Erlebten“, also auch des Einsatzes von Einhandmesser und Metallkette, und leistete „wegen der unmit- telbar zuvor erlebten Züchtigungen“ keine Gegenwehr. Es liegt nahe, dass der Angeklagte eine solche Nötigungswirkung des Einsatzes von Messer und Metallkette im Hinblick auf die Erduldung weiterer sexueller Handlungen zumindest billigend in Kauf nahm. Der Senat braucht unter diesen Umständen nicht zu entscheiden, ob nach der Neufassung des § 177 StGB durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 nicht jegliche Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Zeitraum zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat auch ohne Nötigungswirkung und sexuellen Bezug ausreicht, die Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 29).
14
b) Nach den Feststellungen kommt zudem das Vorliegen des Qualifikationsmerkmals der schweren körperlichen Misshandlung im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a StGB in Betracht. Ausreichend dafür ist es, dass die körperliche Integrität des Opfers „bei der Tat“ in einer Weise verletzt wird, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 StR 422/14, NStZ 2015, 152, 153); dies könnte jedenfalls im Hinblick auf die der Geschädigten mit der Metallkette zugefügten Schläge der Fall sein.
15
3. Das Landgericht hätte schließlich auch prüfen müssen, ob der Angeklagte die Nebenklägerin mit der bei der Tat ausgeübten Gewalt zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen wollte (§ 232a Abs. 3, Abs. 4 StGB). Die Nebenklägerin sollte „gefügig“ gemacht werden. Es drängt sich auf, dass der Angeklagte ihren weiteren Einsatz als Prostituierte plante, zumal die Nebenkläge- rin ihm mehrfach versichern musste, dass sie „seine Nutte“ sei und sich dafür entschuldigen musste, dass sie aus H. weggelaufen sei, und beteuern, dass sie so etwas nie mehr machen werde.
16
4. Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 97) – zur Aufhebung des Urteils. Eine Schuldspruchänderung kam nicht in Betracht, denn die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um dem Senat eine eigene Entscheidung zu ermöglichen.

III.


17
1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
18
2. Zum Adhäsionsausspruch führt die Revision lediglich insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, als der Angeklagte zur Zahlung von Zinsen ab dem Tattag verurteilt wurde.
19
a) Die Urteilsgründe belegen nicht, dass sich der Angeklagte mit seiner Verpflichtung, der Nebenklägerin wegen der Tat eine billige Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) zu zahlen, infolge einer Mahnung in Verzug befand (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder es einer Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB nicht bedurfte, weil der sofortige Eintritt des Verzugs aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt war (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 – 2 StR 190/08, NStZ 2009, 109; Urteil vom 13. Dezember 2007 – IX ZR 116/06, NJW-RR 2008, 918, 919; Palandt/ Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 286 Rn. 25). Die Verzinsung ihrer Schmerzensgeldforderung könnte die Nebenklägerin danach erst ab Rechtshängigkeit ihrer Forderung verlangen (§ 404 Abs. 2 Satz 1 StPO, § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB).
20
Da Feststellungen zu einem früheren Verzugszeitpunkt als dem der Rechtshängigkeit noch getroffen werden können und der neue Tatrichter ohnehin erneut mit der Sache befasst wird, war der Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Zinsausspruchs aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2017 – 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25 mwN).
21
b) Für den Fall, dass der neue Tatrichter einen früheren Verzugseintritt nicht feststellen können sollte, weist der Senat auf Folgendes hin: Der Senat neigt unter Aufgabe seiner im Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 411/15 vertretenen Rechtsauffassung dazu, dass gemäß § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO Prozesszinsen ohne Rücksicht auf § 187 Abs. 1 BGB bereits ab dem Tag geschuldet werden, an dem der Adhäsionsantrag bei Gericht eingeht (so auch BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, StV 2017, 321, 322; Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 69/14, Rn. 2). Dem steht allerdings Rechtsprechung des 5. Strafsenats entgegen (Beschluss vom 19. Juli 2018 – 5 StR 277/18, Rn. 1 mwN).
22
3. Da die Aufhebung und Zurückverweisung des Adhäsionsausspruchs lediglich die Verzinsung als Nebenforderung betrifft, erscheint es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§§ 472, 472a, 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Franke Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 564/09
vom
4. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 4. Februar 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 18. September 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; denn die Beweiswürdigung des Landgerichts enthält eine rechtlich erhebliche Lücke.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau Nuran C. , dem späteren Tatopfer, kam es zum wiederholten Male in der Ehewohnung zu einem Streit. Der Angeklagte zog sich daraufhin in das Schlafzimmer zurück. Der gemeinsame Sohn Akin C. beschloss, mit dem Angeklagten über den Vorfall zu reden, und begab sich zu diesem. Zwischen beiden entwickelte sich eine tätliche Auseinandersetzung, bei der Akin C. dem Angeklagten durch Schläge mit einer Ketchupflasche eine Platzwunde an der Stirn beibrachte. Sodann floh Akin C. in das Kellergeschoss des Hauses. Der Angeklagte holte eine mit acht Patronen geladene Pistole aus dem Schlafzimmerschrank, um seinem Sohn damit Angst einzujagen. Er bemerkte sodann, dass dieser die Wohnung bereits verlassen hatte, und begab sich in das Badezimmer, um seine heftig blutende Wunde zu versorgen. Der schon stark erregte Angeklagte empörte sich beim Anblick seiner Verletzung noch mehr und ärgerte sich nunmehr auch über seine Ehefrau, weil er fälschlicherweise davon ausging, sie habe den Sohn auf ihn gehetzt. Daraufhin steigerte sich das ohnehin bereits vorhandene Hassgefühl gegen seine Ehefrau und er beschloss, sie mit der Pistole zu erschießen. Er verließ das Bad und traf im Wohnungsflur auf seine Ehefrau. Diese wich in das Kinderzimmer zurück. Der Angeklagte folgte ihr und schoss sieben Mal auf sie. Während des Tatgeschehens schrieen der Angeklagte sowie Nuran C. laut, wobei der Angeklagte ausrief "Ich bring Dich um!". Nuran C. wurde von sechs Kugeln getroffen und verstarb trotz einer Notoperation an den Schussverletzungen. Nach der Tat warf der Angeklagte die Pistole auf das Bett im Schlafzimmer und verließ die Wohnung.
4
1. Die Beweiswürdigung, auf der die tatgerichtliche Überzeugung beruht, der Angeklagte habe entgegen seiner Einlassung den Tötungsentschluss bereits im Badezimmer getroffen, hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die Würdigung der erhobenen Beweise obliegt allein dem Tatrichter; sie kann vom Revisionsgericht auf die Sachrüge nur darauf überprüft werden, ob sie Rechtsfehler aufweist (zum Maßstab revisionsrechtlicher Kontrolle vgl. im Einzelnen BGH NJW 2005, 2322, 2326). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist und das Tatgericht sich insbesondere nicht mit nahe liegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt.
6
b) So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat ausgeschlossen, dass der Angeklagte den Vorsatz, seine Ehefrau zu töten, erst dann fasste, nachdem er das Badezimmer verlassen hatte. Zur Begründung hat es lediglich darauf abgestellt , die Einlassung des Angeklagten sei widerlegt, seine Ehefrau habe ihn zu diesem Zeitpunkt mit den Worten "Ich scheiß dir in den Mund! Verrecke!" beleidigt , worauf er "schwarz gesehen" habe. Dies reicht hier nicht aus. Das Landgericht hätte aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles auch die Möglichkeit in seine Würdigung einbeziehen müssen, dass der ohnehin stark verärgerte Angeklagte sich erst zur Tötung seiner Ehefrau entschloss, als er nach Verlassen des Badezimmers im Wohnungsflur auf diese traf, ohne dass sie den Angeklagten beleidigte. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte die Pistole ursprünglich mit sich, um seinem Sohn zu drohen. Objektive Anhaltspunkte dafür , wann er dieses Vorhaben aufgab und den Vorsatz fasste, seine Ehefrau zu erschießen, sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Das Tatgeschehen im engeren Sinne weist - auch nach der Wertung des Landgerichts (s. UA S. 58) - deutliche Merkmale einer Spontantat auf. Unter diesen Umständen liegt die Möglichkeit, dass der Angeklagte auch ohne zusätzliche Provokation durch seine Ehefrau den Tötungsvorsatz erst nach Verlassen des Badezimmers fasste, jedenfalls nicht ferner als diejenige, dass er sich bereits zuvor zu ihrer Tötung entschlossen hatte.
7
2. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Rechtsfehler. Nach der Würdigung des Landgerichts handelte der Angeklagte gerade deshalb heimtückisch und erfüllte damit ein Tatbestandsmerkmal des § 211 StGB, weil er den Tö- tungsvorsatz fasste, während er im Badezimmer verweilte. Nuran C. sei arglos und aufgrund der räumlichen Verhältnisse in der Wohnung auch wehrlos gewesen. Der Angeklagte habe diese Umstände bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt. Als er sich vor der Tat im Badezimmer überlegt habe, seine Ehefrau zu erschießen, sei ihm klar gewesen, dass diese nicht mit einem Angriff gerechnet und, sobald der Angeklagte das Badezimmer verlassen habe, keine Fluchtmöglichkeit mehr haben werde. Ein sonstiges Mordmerkmal ist nicht festgestellt.
Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 3 6 / 1 5
vom
29. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
29. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 12. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 8. und 9. der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und den Vorwegvollzug.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und wegen "besonders schweren" Diebstahls in drei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von neun Monaten Freiheitsstrafe angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts und die Sachbeschwerde gestützten Revision. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Auf die Sachrüge hat das Rechtsmittel den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Urteil hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 8. und 9. der Urteilsgründe wegen - gemeinschaftlich begangenen - "besonders schweren" Diebstahls verurteilt worden ist (zur Tenorierung vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 25).
3
a) Nach den Feststellungen zu Fall II. 8. und 9. der Urteilsgründe stieg der Mitangeklagte D. jeweils allein in einen Baumarkt ein und entwendete Waren im Gesamtwert von rund 4.560 € bzw. etwa 4.260 €. Die jeweilige Beute verbrachte er zum Angeklagten nach Hause. Diesem waren die "Vorhaben des D. im Vorfeld bekannt" und er nahm diese "als gemeinsame Tat in seinen Vorsatz" auf. Die Beute wurde absprachegemäß beim Angeklagten S. gelagert , der in der Folgezeit versuchte, sie über eBay zu verkaufen, was jedoch ohne Erfolg blieb.
4
b) Diese Feststellungen vermögen die vom Landgericht in beiden Fällen angenommene Mittäterschaft des Angeklagten nicht zu belegen.
5
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungsoder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26).
6
c) Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten in den vorbezeichneten Fällen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein die nach den Feststellungen gegebene vorherige Kenntnis des Angeklagten von den Taten des Mitangeklagten D. und sein Wille, diese Taten als gemeinsame anzusehen, kann eine Mittäterschaft nicht begründen (vgl. MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 25 Rn. 17 ff.). Die festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten S. - wie etwa die Zusage, die Beute in seiner Wohnung zu lagern und sie zu verwerten - waren vielmehr nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zunächst in Bezug zu den Tatbeiträgen des Mitangeklagten D. allenfalls Beteiligungshandlungen an dessen Diebstahlstaten, die für sich allein weder auf eine Tatherrschaft noch auf einen Willen hierzu schließen lassen. Die Taten beging der Mitangeklagte D. allein; ihre Ausführung und ihr Erfolg waren nach den Feststellungen in jeder Hinsicht dem Einfluss und dem Willen des Angeklagten entzogen. Das vom Landgericht festgestellte Interesse des Angeklagten am Gelingen der Einbrüche und die Absprache, das Diebesgut in seiner Wohnung zu lagern sowie einen eventuell erzielten Verkaufserlös hälftig aufzuteilen, vermag - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - eine andere Beurteilung sowie die rechtliche Einordnung dieser Tatbeiträge durch das Landgericht nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn man dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe einen Beurteilungsspielraum zubilligen wollte, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Dieser wäre hier jedenfalls überschritten.
7
2. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im vorbezeichneten Umfang führt zum Wegfall der für die Taten unter II. 8. und 9. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen (zweimal acht Monate Freiheitsstrafe) und hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge, die wiederum den Wegfall der Anordnung über den Vorwegvollzug bedingt.
8
3. Der neue Tatrichter wird mit Blick auf die bisherigen Urteilsfeststellungen in den aufgehobenen Fällen auch bei Annahme einer durch den Angeklagten zu den Diebstahlstaten des Mitangeklagten D. jeweils geleisteten Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) eine bandenmäßige Begehung zu prüfen haben (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 - 3 StR 119/12, wistra 2012, 433, 435 mwN).
Becker Pfister Hubert Schäfer Gericke

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 358/18
vom
24. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2018:240918B5STR358.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. September 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. März 2018 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Landgericht hat zu Recht (auch) die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht. Zwar hat nur der nicht revidierende Mitangeklagte den Beischlaf mit der Geschädigten vollzogen, während der Angeklagte diese zur Ermöglichung der Vergewaltigung festhielt. Seit der Neufassung des § 177 StGB durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) genügt es aber, dass der Täter den Beischlaf mit dem Opfer „vollziehen lässt“. Durch diese Erweiterung des Tatbestandes sollten – „zusätzlich“ zu den schon bisher unter Strafe gestellten sexuellen Handlungen des Täters selbst (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 3/99, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Mittäter 1) – der Beischlaf oder ähnliche sexuelle Handlungen erfasst werden, die „das Opfer an einem Dritten … vornimmt“ (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 28). Trotz der sprachlichen Ungenauigkeit folgt daraus, dass anders als nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB aF das Regelbeispiel der Vergewaltigung im Sinne des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nach dem Willen des Gesetzgebers keine eigenhändige Verwirklichung voraussetzt. Es genügt, wenn – wie hier – ein Mittäter den Beischlaf mit dem Opfer vollzieht (vgl. MüKo-StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 Rn. 144; BeckOK-StGB/Ziegler, Stand 1. Januar 2018, § 177 Rn. 48; Burhoff StRR 2017, Heft 4, S. 6, 8; so schon zum früheren Recht NK-Frommel, StGB, 5. Aufl., § 177 Rn. 61, 120; aA – jedoch jeweils ohne erkennbare Auseinandersetzung mit der geänderten Gesetzeslage – Fischer, StGB, 65. Aufl., § 177 Rn. 156, SK-StGB/Wolters/Noltenius, 9. Aufl., § 177 Rn. 96). Der Gesetzgeber hat mit dieser Änderung in der Sache den gemäß § 177 StGB in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 23. November 1973 (BGBl. I S. 1725) geltenden Rechtszustand wiederhergestellt, wonach sich das für eine Vergewaltigung erforderliche tatbestandsmäßige Verhalten auf eine Handlung beschränken konnte (wie etwa hier auf eine Nötigung durch Gewalt), die einem anderen den Beischlaf ermöglicht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1977 – 1 StR 273/77, BGHSt 27, 205, 206).
Sander König RiBGH Dr. Berger ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Sander Mosbacher RiBGH Köhler ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Sander

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 239/18
vom
25. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:251018U4STR239.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2018, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin – in der Verhandlung –, Erster Staatsanwalt – bei der Verkündung – als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 1. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleibt die Adhäsionsentscheidung bestehen.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Zinsausspruchs mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt sowie ein Einhandmesser, eine Eisenkette und Kabelbinder als Tatwerkzeuge eingezogen. Darüber hinaus hat es den Angeklagten u.a. verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2016 zu zahlen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision gegen den Schuldspruch. Sie beanstandet namentlich, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen Geiselnahme (§ 239b StGB) und wegen Vergewaltigung in der Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB verurteilt hat. Während das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, führt die auf die allgemeine Sachrüge und die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten nur zu einem geringfügigen Erfolg.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte überredete die Nebenklägerin, die ihren Lebensunterhalt in der ambulanten Pflege verdiente, für ihn im Wege der Prostitution Geld zu verdienen. Sie begab sich zu diesem Zweck nach H. . Am Dienstag, den 13. Dezember 2016, entschied sie sich in den frühen Morgenstunden, in ihren Heimatort G. zurückzukehren und sich endgültig vom Angeklagten zu trennen. Der Angeklagte war über ihre Eigenmächtigkeit sehr erbost und beschloss, sie zu bestrafen. Er kaufte eine Packung Kabelbinder und eine Metallgliederkette und begab sich gegen 18.10 Uhr zur Wohnung der Nebenklägerin. Die Nebenklägerin, die Arbeitskolleginnen erwartet hatte, ließ ihn auf Klingeln ein. Der Angeklagte schloss hinter sich die Wohnungstür ab und versteckte den Schlüssel. Er begab sich ans Bett der Nebenklägerin und zog sie an den Haaren in eine sitzende Position. Unter Schlägen, Anspucken und Ziehen an den Haaren vollzog er erst Oral-, dann vaginalen Geschlechtsverkehr. Auch legte er ihr zeitweise die Hände fest um den Hals.
4
Der Angeklagte befahl der Nebenklägerin nun, sich in eine Ecke zu stellen. Er zog ihren Kopf an den Haaren nach hinten und hielt ihr ein Einhandmesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimeter an den Hals, wodurch er ihr eine kleine Stichverletzung unterhalb des Kinns beibrachte. Er forderte sie auf zu sagen, dass sie ihm gehöre, sie „seine Nutte“ sei und dass sie nie mehr „ab- hauen“ werde. Die Nebenklägerin entschuldigte sich und äußerte sich wie ge- fordert. Der Angeklagte fesselte ihre Hände mit Kabelbindern. Er schlug ihr so heftig mit der flachen Hand ins Gesicht, dass sie mit dem Kopf gegen die Wand stieß und kurze Zeit bewusstlos wurde. Der Angeklagte entkleidete die bewusstlose Nebenklägerin und fixierte sie mittels Kabelbindern am Heizungsrohr. Er verknotete einen Schal fest über ihrem Mund. Als die Nebenklägerin das Bewusstsein wiedererlangte, schlug er ihr mit der Metallgliederkette zweimal fest auf die rechte Gesäßhälfte, was ihr heftige Schmerzen verursachte. Auch schlug er ihr mit der Faust mehrmals in den Rücken und trat ihr mit dem nackten Fuß gegen den Oberschenkel. Um die Nebenklägerin für die Zukunft gefügig zu machen und sie für ihr gezeigtes Verhalten zu disziplinieren, strich er ihr die Messerklinge mit leichtem Druck langsam über die rechte Gesichtshälfte, den Hals und den Rücken. Er fragte sie, welches ihrer „Tattoos“ ihr nicht gefalle , da er dieses für sie entfernen könne. Die Nebenklägerin fürchtete um ihr Leben. Der Angeklagte verlangte nun, dass die Nebenklägerin sich gegenüber drei seiner Freunde und Bekannten jeweils am Telefon entschuldige und äuße- re, dass sie zum Angeklagten gehöre und „seine Nutte“ sei, was sie aus Angst vor weiteren Übergriffen tat. Auch teilte sie ihm wie gefordert die PIN für ihr Mobiltelefon mit, das der Angeklagte daraufhin kontrollierte. Erbost über Text- und Bildnachrichten an einen fremden Mann schlug er sie erneut mit der Metallgliederkette.
5
Um 20.10 Uhr erinnerte ein Bekannter den Angeklagten telefonisch daran , dass er ihm zugesagt habe, ihn von M. nach Ha. zu bringen. Der Angeklagte strich der Nebenklägerin mit der Metallgliederkette über den Rücken und bot ihr an mitzukommen, wenn sie „brav“ sei. Die Nebenklägerin bestätigte dies. Der Angeklagte entfernte die Kabelbinder und ließ sich nochmals bestätigen, sie werde so etwas nie mehr tun. Anschließend vollzog er mit ihr erneut den Geschlechts- und den Oralverkehr, wobei ihm bewusst war, dass die Nebenklägerin wegen der unmittelbar zuvor erlebten „Züchtigung“ keine Gegenwehr mehr zeigte. Die Nebenklägerin begleitete den Angeklagten dann auf der Fahrt mit seinem Bekannten. Erst nachdem der Angeklagte nach Rückkehr in ihre Wohnung eingeschlafen war, traute sie sich zu flüchten. Gegen 1.30 Uhr traf sie bei der Polizei G. ein.
6
2. Das Landgericht hat die Tat als schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 1 StGB bewertet. Das Vorliegen der Qualifikation nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB hat es verneint, weil es eine Verwendungsabsicht hinsichtlich des Einhandmessers, der Metallgliederkette und der Kabelbinder nicht habe feststellen können. Das Geschehen zwischen den Vergewaltigungen habe allein dem Zweck gedient, die Nebenklägerin für ihr Verhalten zu bestrafen. Wegen des engen räumlich-zeitlichen und situativen Zusammenhangs stünden beide Vergewaltigungen in Tateinheit, desgleichen die gefährliche Körperverletzung durch Schlagen mit der Metallgliederkette und Ritzen mit dem Einhandmesser (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), die Freiheitsberaubung durch Fesselung (§ 239 Abs. 1 StGB) und die Nötigung durch die Veranlassung, sich bei drei Personen zu entschuldigen (§ 240 Abs. 1 StGB). Hingegen habe die Kammer keine Bedrohung nach § 241 StGB festzustellen vermocht; dementsprechend komme eine Geiselnahme nach § 239b StGB nicht in Betracht.

II.


7
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist mehrere Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf. Die Strafkammer hat den Unrechtsgehalt der von ihr festgestellten Taten nicht ausgeschöpft und ist ihrer Kognitionspflicht nicht nachgekommen.
8
1. Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) unzureichend gewürdigt. Es hat seine Ansicht, es liege keine Bedrohung nach § 241 StGB und damit auch keine Geiselnahme nach § 239b StGB vor, nicht begründet. Dies wäre aber angesichts der festgestellten Tatumstände erforderlich gewesen. Das festgestellte Geschehen erfüllte naheliegend die objektiven Merkmale des § 239b Abs. 1 1. oder 2. Alternative StGB. Das Landgericht musste sich daher notwendigerweise näher mit diesem Straftatbestand auseinandersetzen und insbesondere prüfen, ob der Angeklagte (auch) in subjektiver Hinsicht eine der beiden Alternativen dieser Vorschrift erfüllte:
9
a) Der Angeklagte hatte sich der Nebenklägerin bereits durch das Abschließen der Wohnung bemächtigt; die Bemächtigungslage hatte sich stabilisiert (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359), als er der Nebenklägerin das Einhandmesser an den Hals hielt. Es liegt nahe, dass dies konkludent eine Drohung mit dem Tod beinhaltete (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 2 StR 606/13, NStZ 2014, 515). Desgleichen kann das spätere Streichen mit der Messerklinge über ihr Gesicht, den Hals und den Rücken verbunden mit der Frage, welches ihrer „Tattoos“ ihr nicht gefalle, da er dieses für sie entfernen könne, eine konkludente Drohung mit einer schweren Körperverletzung gewesen sein. Die Nebenklägerin fürchtete jedenfalls in dieser Situation um ihr Leben (UA S. 19). Sie musste in dieser Situation drei Bekannte und Freunde des Angeklagten kontaktieren, sich entschuldigen , sagen, dass sie so etwas nie wieder tun werde und dass sie zum Angeklagten gehöre. Ferner gab sie dem Angeklagten auf sein Verlangen die PIN ihres Mobiltelefons preis. Unter diesen Umständen liegt es nicht fern, dass der Angeklagte eine der beiden Alternativen des § 239b Abs. 1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht vollständig verwirklichte.
10
b) Beabsichtigte er bereits im Zeitpunkt der Begründung des physischen Herrschaftsverhältnisses über die Nebenklägerin seine weiter gehenden Ziele mittels konkludenter qualifizierter Drohung zu erreichen, so wären allein schon hierdurch die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 239b Abs. 1 StGB erfüllt. Der Angeklagte hätte dagegen die zweite Alternative des § 239b Abs. 1 StGB verwirklicht, wenn er zwar nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem er sich der Nebenklägerin bemächtigte, diese Absicht hatte, jedoch die von ihm geschaffene Lage aufgrund eines nachträglich gefassten Vorsatzes zu einer solchen Nötigung mittels konkludenter qualifizierter Drohung ausnutzte. Hiermit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.
11
2. a) Das Landgericht hat den Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung (§ 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB) mit unzureichender Begründung verneint.
12
aa) Das Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs „bei der Tat“ liegt in zeitlicher Hinsicht vor, wenn das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat eingesetzt wird (BGH, Urteil vom 4. April 2007 – 2 StR 34/07, BGHSt 51, 276, 278; Beschluss vom 25. Februar 2010 – 5 StR 542/09, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 8). Der Angeklagte setzte das Einhandmesser und die Metallkette ein, nachdem er bereits einmal sexuelle Handlungen vorgenommen hatte und bevor er ein weiteres Mal Oral- und Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin ausübte. Das Landgericht hat alle sexuellen Handlungen aufgrund des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs zutreffend als tateinheitlich begangen gewertet. Dementsprechend verwendete der Angeklagte das Messer und die Metallkette vor der Beendigung der sexuellen Handlungen, also bei der Tat gegen die Nebenklägerin.
13
bb) Die Erfüllung der Qualifikation setzt nicht voraus, dass die Waffe oder das gefährliche Werkzeug gerade als Nötigungsmittel eingesetzt wird, es reicht der Einsatz als Werkzeug bei der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228; Beschluss vom 15. April 2014 – 2 StR 545/13, NJW 2014, 2134, 2135). Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Einsatz des Messers und der Metallkette nicht der Durchführung der sexuellen Handlungen, sondern der Bestrafung der Nebenklägerin gedient hätten, greift diese Erwägung zu kurz. Zum einen hat das Landgericht nicht bedacht, dass der Angeklagte von Anfang an vorhatte, die Nebenklägerin einzuschüchtern und zu bestrafen. Naheliegend dienten auch die sexuellen Handlungen diesem Zweck. Es könnte sich daher bei dem Geschehen in der Wohnung der Nebenklägerin um einen von Anfang an geplanten einheitlichen Vorgang mit Sexualbezug handeln. Zum anderen stand die Nebenklägerin bei den späteren sexuellen Handlungen für den Angeklagten erkennbar (UA S. 23) unter dem Eindruck des „soeben Erlebten“, also auch des Einsatzes von Einhandmesser und Metallkette, und leistete „wegen der unmit- telbar zuvor erlebten Züchtigungen“ keine Gegenwehr. Es liegt nahe, dass der Angeklagte eine solche Nötigungswirkung des Einsatzes von Messer und Metallkette im Hinblick auf die Erduldung weiterer sexueller Handlungen zumindest billigend in Kauf nahm. Der Senat braucht unter diesen Umständen nicht zu entscheiden, ob nach der Neufassung des § 177 StGB durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 nicht jegliche Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Zeitraum zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat auch ohne Nötigungswirkung und sexuellen Bezug ausreicht, die Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 29).
14
b) Nach den Feststellungen kommt zudem das Vorliegen des Qualifikationsmerkmals der schweren körperlichen Misshandlung im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a StGB in Betracht. Ausreichend dafür ist es, dass die körperliche Integrität des Opfers „bei der Tat“ in einer Weise verletzt wird, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 StR 422/14, NStZ 2015, 152, 153); dies könnte jedenfalls im Hinblick auf die der Geschädigten mit der Metallkette zugefügten Schläge der Fall sein.
15
3. Das Landgericht hätte schließlich auch prüfen müssen, ob der Angeklagte die Nebenklägerin mit der bei der Tat ausgeübten Gewalt zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen wollte (§ 232a Abs. 3, Abs. 4 StGB). Die Nebenklägerin sollte „gefügig“ gemacht werden. Es drängt sich auf, dass der Angeklagte ihren weiteren Einsatz als Prostituierte plante, zumal die Nebenkläge- rin ihm mehrfach versichern musste, dass sie „seine Nutte“ sei und sich dafür entschuldigen musste, dass sie aus H. weggelaufen sei, und beteuern, dass sie so etwas nie mehr machen werde.
16
4. Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 97) – zur Aufhebung des Urteils. Eine Schuldspruchänderung kam nicht in Betracht, denn die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um dem Senat eine eigene Entscheidung zu ermöglichen.

III.


17
1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
18
2. Zum Adhäsionsausspruch führt die Revision lediglich insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, als der Angeklagte zur Zahlung von Zinsen ab dem Tattag verurteilt wurde.
19
a) Die Urteilsgründe belegen nicht, dass sich der Angeklagte mit seiner Verpflichtung, der Nebenklägerin wegen der Tat eine billige Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) zu zahlen, infolge einer Mahnung in Verzug befand (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder es einer Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB nicht bedurfte, weil der sofortige Eintritt des Verzugs aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt war (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 – 2 StR 190/08, NStZ 2009, 109; Urteil vom 13. Dezember 2007 – IX ZR 116/06, NJW-RR 2008, 918, 919; Palandt/ Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 286 Rn. 25). Die Verzinsung ihrer Schmerzensgeldforderung könnte die Nebenklägerin danach erst ab Rechtshängigkeit ihrer Forderung verlangen (§ 404 Abs. 2 Satz 1 StPO, § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB).
20
Da Feststellungen zu einem früheren Verzugszeitpunkt als dem der Rechtshängigkeit noch getroffen werden können und der neue Tatrichter ohnehin erneut mit der Sache befasst wird, war der Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Zinsausspruchs aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2017 – 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25 mwN).
21
b) Für den Fall, dass der neue Tatrichter einen früheren Verzugseintritt nicht feststellen können sollte, weist der Senat auf Folgendes hin: Der Senat neigt unter Aufgabe seiner im Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 411/15 vertretenen Rechtsauffassung dazu, dass gemäß § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO Prozesszinsen ohne Rücksicht auf § 187 Abs. 1 BGB bereits ab dem Tag geschuldet werden, an dem der Adhäsionsantrag bei Gericht eingeht (so auch BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, StV 2017, 321, 322; Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 69/14, Rn. 2). Dem steht allerdings Rechtsprechung des 5. Strafsenats entgegen (Beschluss vom 19. Juli 2018 – 5 StR 277/18, Rn. 1 mwN).
22
3. Da die Aufhebung und Zurückverweisung des Adhäsionsausspruchs lediglich die Verzinsung als Nebenforderung betrifft, erscheint es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§§ 472, 472a, 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Franke Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 179/18
vom
10. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:101018U5STR179.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Mosbacher als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin N. als Verteidigerin des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt D. L. als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt F. als Verteidiger der Angeklagten M. G. ,
Rechtsanwalt M. L. als Verteidiger des Angeklagten B. G. ,
Rechtsanwältin P. als Vertreterin des Nebenklägers,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18. Oktober 2017 werden verworfen.
Die Angeklagten M. und B. G. sowie W. tragen die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels ; bei dem Angeklagten H. wird davon abgesehen, ihm die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.
Die Angeklagten tragen die durch ihre Rechtsmittel dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von drei Jahren (M. G. ), drei Jahren und sechs Monaten (B. G. ) und zwei Jahren und neun Monaten (W. ) sowie zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten (H. ) verurteilt. Die mit einer Verfahrensrüge der Angeklagten M. G. und Sachrügen geführten Revisionen der Angeklagten wenden sich gegen die Verurteilungen , während die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen das Fehlen einzelner Qualifikationsmerkmale innerhalb der Schuldsprüche bemängelt und höhere Strafen erstrebt. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben überwiegend Erfolg; diejenigen der Angeklagten sind unbegründet.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der geistig behinderte Nebenkläger bei der Angeklagten M. G. seit 23. Dezember 2016 zu Gast. Beide hatten sich über eine Kontaktplattform im Internet kennengelernt und wollten ihr Interesse an einer weitergehenden Beziehung erproben. In der Wohnung der Angeklagten waren zudem ihre fünf Kinder, darunter der Angeklagte B. G. . Aufgrund der Unerfahrenheit und Scheu des Nebenklägers kam es nicht zu der von M. G. erwünschten erotischen Annäherung. Nachdem die ersten Tage noch weitgehend problemlos verlaufen waren, fiel der Nebenkläger seit 30. Dezember 2016 den Angeklagten G zunehmend zur Last. Zudem hielt sich seit diesem Zeitpunkt noch eine Vielzahl weiterer Personen in der Wohnung auf, um dort gemeinsam Silvester zu feiern, darunter auch die Angeklagten W. und H. .
3
Am 30. Dezember 2016 begannen erhebliche Übergriffe auf den diesen hilflos ausgesetzten Nebenkläger. Zunächst urinierte der neunjährige Sohn der Angeklagten M. G. auf den Nebenkläger, ohne dass jemand Anstoß daran nahm. Der mittellose Nebenkläger äußerte daraufhin den Wunsch, nach Hause zu fahren, konnte diesen jedoch nicht umsetzen. Versuche , seinen Betreuer zwecks Überweisung des Fahrgeldes zu kontaktieren, misslangen. Am Folgetag bewarf der Angeklagte B. G. den Nebenkläger in der Wohnung mit gezündeten Knallkörpern und ohrfeigte ihn vor den anderen. Die Angeklagten H. und B. G. boten dem Nebenkläger eine mit Schwarzpulver gefüllte Zigarette an, die dieser anzündete. Die Zigarette explodierte. Spätestens danach war allen Angeklagten klar, dass der geistig behinderte, unreif und furchtsam auftretende Nebenkläger mangels Selbstbehauptungswillens auch weitergehenden Angriffen keinen nennenswerten Widerstand entgegenbringen würde.
4
Am Abend des Neujahrtages 2017 entschlossen sich die Angeklagten gegen 21 Uhr, diese Schwäche auszunutzen und den heterosexuellen Nebenkläger im Wohnzimmer vor den Augen anderer durch homosexuellen Oral- und Analverkehr zu „entjungfern“, wenn nötig, unter Einsatz von Gewalt. Ihnen war dabei klar, dass dies alles gegen den erkennbaren Willen des Nebenklägers geschah und dieser nur bei Ausübung massiven Drucks in gewünschter Weise mitwirken würde. In Umsetzung der Abrede forderte B. G. den Nebenkläger barsch auf, sich auszuziehen, was dieser bis auf die Unterhose tat. Auf die Weigerung, auch diese auszuziehen, boxte B. G. den Nebenkläger mit der Faust in den Genitalbereich. Anschließend brachten die drei männlichen Angeklagten den Nebenkläger gewaltsam zu Boden. Während W. und H. die Arme festhielten, hielt B. G. ein brennendes Feuerzeug an den seitlichen Bund der Unterhose, um diesen anzubrennen. Die Flamme wirkte auf die Haut im Lendenbereich ein und verursachte erhebliche Schmerzen beim Nebenkläger. Dies war auch beabsichtigt, um jeden Widerstand zu brechen und den Nebenkläger gefügig zu machen. Durch das gewaltsame Entblößen erlitt dieser neben Brandverletzungen Kratzer , eine Hautabschürfung und mehrere Prellmarken.
5
Anschließend setzte sich der Nebenkläger auf Anweisung von B. G. auf einen Sessel. Dessen Verlangen, bis zum Samenerguss zu onanieren, kam der Nebenkläger erfolglos nach. Nach dem Willen der Angeklagten musste der weiterhin sichtlich eingeschüchterte Nebenkläger nunmehr den Oralverkehr am Angeklagten H. vollziehen und das zunächst ausgespuckte Ejakulat schlucken. Nun beschlossen die Angeklagten, die starke Behaarung des Nebenklägers an Oberkörper und Schambereich großflächig abzubrennen. Hierzu schüttete der Angeklagte B. G. Desinfektionsmittel auf Brust-, Bauch- und Schambereich des Nebenklägers und zündete dieses anschließend mit dem Feuerzeug an. Durch die Flammenhitze erlitt der Nebenkläger empfindliche Schmerzen an den betroffenen Hautpartien und protestierte lautstark.
6
Da die Angeklagten eine anale Penetration planten, setzte B. G. die Prozedur ungerührt fort. Seiner Aufforderung, den mittlerweile apathisch wirkenden Nebenkläger ins Gesicht und auf den Kopf zu schlagen, kamen die zwei anwesenden Jugendlichen K. und V. G. nach. Nachdem die Afterregion des Nebenklägers mittels Trocken- und Nassrasierer von noch vorhandener Behaarung befreit worden war, musste sich der Nebenkläger in „Hündchenstellung“ beugen und den Angeklagten sein ent- blößtes Hinterteil präsentieren. Der Angeklagte H. näherte sich mit entblößtem und erigiertem Glied dem Nebenkläger. Ob es dabei zum Vollzug des Analverkehrs oder nur zu dessen Vortäuschen kam, konnte nicht geklärt werden. Nachdem der Angeklagte H. vom Nebenkläger abgelassen hatte, holte die Angeklagte M. G. einen Dildo und stieß diesen überraschend und kräftig in den After des Nebenklägers, so dass er steckenblieb. Der Nebenkläger erlitt hierdurch heftige Schmerzen sowie eine Hautunterblutung am Aftereingang und schrie vor Schmerz. Es gelang ihm, den Dildo zu entfernen und wegzuschleudern. Der Angeklagte B. G. nahm den Dildo wieder auf und führte ihn anschließend erneut in den After des Nebenklägers ein, was diesem wiederum Schmerzen bereitete. M. G. setzte derweil die Enthaarung mittels Desinfektionsmittel und Feuerzeug fort. Erst als der Nebenkläger sein Schreien intensivierte, lenkte M. G. ein und forderte B. G. auf, von ihrem Opfer abzulassen, damit die Tat nicht durch dessen Geschrei entdeckt würde. Anschließend ließen alle Angeklagten gegen 24 Uhr von ihren stundenlangen Übergriffen auf den Nebenkläger ab. Dieser hat die Folgen der Tat bislang noch nicht vollständig psychisch verarbeitet und wird therapeutisch betreut.
7
2. Das Landgericht hat das Handeln der Angeklagten als gemeinschaftliche besonders schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1, 6 und 8 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB gewertet. Den Einsatz des Feuerzeugs hat das Landgericht als Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB angesehen, nicht hingegen den Einsatz des Dildos, da zu dessen näherer Beschaffenheit keine Feststellungen getroffen werden konnten. Den Strafrahmen für die Freiheitsstrafen hat das Landgericht § 177 Abs. 9 StGB (minder schwe- rer Fall) entnommen und jeweils eine Sperrwirkung des Strafrahmens des § 177 Abs. 6 StGB bejaht, beim Angeklagten B. G. unter Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB. Die Verhängung von Jugendstrafe gegen den zur Tat 19 Jahre alten H. hat die Jugendkammer auf die Schwere der Schuld gestützt und die konkrete Strafe unter Betonung des Erziehungsgedankens nach einer hypothetischen Strafrahmenbetrachtung – entsprechend derjenigen bei den erwachsenen Angeklagten – gefunden.

II.


8
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
9
1. Die von der Angeklagten G. erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung von § 261 StPO durch Nichtausschöpfung verlesener Vernehmungsniederschriften versagt. Der Senat kann anhand des Revisionsvorbringens nicht zuverlässig beurteilen, ob die unmittelbare Verwertung dieser Urkunden vor dem Hintergrund des in § 250 StPO niedergelegten Unmittelbarkeitsprinzips überhaupt zulässig oder etwa die Nichtberücksichtigung dieses Beweisstoffs rechtlich geboten war. Vortrag, aus dem sich eindeutig ergibt, dass die Vernehmungsniederschriften lediglich nach Vernehmung der entsprechenden Zeugen ergänzend oder in ihrer Anwesenheit nach § 253 StPO zur Klärung von Widersprüchen oder Erinnerungslücken verlesen werden durften (näher BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2018 – 3 StR 400/17, NJW 2018, 2809, 2811; vom 19. März 2013 – 3 StR 26/13, NStZ 2013, 479; Mosbacher, NStZ 2014, 1 mwN), enthält die Revision nicht. Ob die Ausführungen in der mitgeteilten Vorsitzendenverfügung vom 15. September 2017 vollständig waren und zutrafen, kann der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen. Darüber hinaus ist das Tatgericht nicht gehalten, jeden erhobenen Beweis im Urteil zu behan- deln, zumal sich seine Relevanz im Laufe der Hauptverhandlung relativiert haben kann (vgl. näher Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 58 mwN).
10
2. Die jeweils erhobenen Sachrügen decken ebenfalls keinen Rechtsfehler auf. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und tragen die Schuldsprüche. Dies gilt namentlich auch, soweit die Jugendkammer den Einsatz des Feuerzeugs als Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs bei der Tat gewürdigt hat (vgl. zum Verbrennen der Haut durch ein Feuerzeug als gefährliche Körperverletzung BGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 – 2 StR 109/93, BGHR StGB § 170d Fürsorgepflichtiger 1; zur Verwendung ei- ner brennenden Zigarette: BGH, Urteile vom 4. September 2001 – 1 StR 232/01, NStZ 2002, 30, und vom 27. September 2001 – 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86). Die Rechtsfolgenaussprüche enthalten ebenfalls keine die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.

III.


11
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben überwiegend Erfolg.
12
1. Sie sind gemäß ihrer Begründung wirksam auf die Strafaussprüche beschränkt, weil die Staatsanwaltschaft lediglich die Nichtannahme weiterer Qualifikationsmerkmale innerhalb des Schuldspruchs und auf dieser Grundlage eine zu milde Bestrafung bemängelt.
13
2. Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Jugendkammer das gewaltsame Einführen des Dildos in den After des Nebenklägers nicht als Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB angesehen hat.
14
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Alternative liegt vor, wenn ein – auchfür sich gesehen ungefährlicher – Gegenstand nach der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (vgl. zum gleichlautenden früheren § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB Hörnle in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 284 ff. mwN). Dies ist regelmäßig bei einem Dildo der Fall, wenn er überraschend und kräftig in den After gestoßen wird und hierdurch ganz erhebliche Schmerzen und eine Hautunterblutung am Aftereingang verursacht. Die Jugendkammer hätte sich deshalb nicht mit der Überlegung begnügen dürfen, die konkrete Beschaffenheit des Dildos sei nicht feststellbar, weshalb der Gegenstand nicht als gefährlich angesehen werden könne. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des 3. Strafsenats (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 278/16) besagt nichts anderes, da sie sich mit dieser Fragestellung (auf die Revision der Angeklagten hin) nicht auseinandersetzt.
15
3. Ebenso rechtsfehlerhaft prüft die Jugendkammer nicht, ob die Qualifikation der schweren körperlichen Misshandlung nach § 177 Abs. 8 Nr. 2a StGB im vorliegenden Fall erfüllt wurde. Für eine schwere körperliche Misshandlung in diesem Sinne genügt jede schwere Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens ; die körperliche Integrität muss in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, beeinträchtigt sein (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 2000 – 3 StR 347/00, NJW 2000, 3655; Beschluss vom 3. Mai 2018 – 3StR 658/17). Auch wenn die insoweit anzustellenden Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen (vgl. BGH aaO), liegt dieses Merkmal ange- sichts der stundenlangen Quälerei des Nebenklägers mit Zufügung „thermischer Hautverletzungen“ und erheblicher Schmerzen durch analePenetration (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 StR 422/14, NStZ 2015, 152) doch überaus nahe und hätte erörtert werden müssen.
16
4. Die Staatsanwaltschaft weist in diesem Zusammenhang zudem zutreffend darauf hin, dass das Landgericht auch hätte prüfen müssen, ob der Verbrechenstatbestand des § 177 Abs. 5 StGB erfüllt worden ist. Denn auch dies hätte im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden können.
17
5. Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruhen die Strafaussprüche, denn das Landgericht ist bei jedem Angeklagten von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Jugendkammer bei allen Angeklagten bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen höhere Strafen verhängt hätte.
18
6. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); insoweit bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft ohne Erfolg. Die Feststellungen dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Bei Annahme der oben genannten Qualifikationsmerkmale wird insbesondere zu prüfen sein, inwieweit diese vom – gegebenenfalls sukzessive erweiterten – gemeinsamen Tatplan erfasst waren und deren Verwirklichung deshalb allen Angeklagten zuzurechnen ist.
Mutzbauer Sander Schneider
König Mosbacher

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 311/18
vom
10. Oktober 2018
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB setzt keinen Finalzusammenhang
zwischen der Gewaltanwendung und der Vornahme oder Duldung
der sexuellen Handlung voraus. Tatbestandsmäßig sind Gewaltanwendungen
ab Versuchsbeginn der Tat nach § 177 Abs. 1 und 2 StGB bis zu deren
Beendigung.
BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 4 StR 311/18 – LG Dortmund
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Übergriffs mit Gewalt u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:101018B4STR311.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 18. Januar 2018
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte schuldig ist aa) im Fall II. 1. b) bb) der Urteilsgründe des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes (Schlagring); bb) im Fall II. 1. b) cc) der Urteilsgründe des sexuellen Übergriffs mit Gewalt in Tateinheit mit Körperverletzung und Freiheitsberaubung;
b) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) im Strafausspruch zu Fall II. 1. b) cc) der Urteilsgründe ; bb) in den Fällen II. 1. a) und II. 1. b) bb) der Urteilsgründe , soweit eine Festsetzung der Tagessatzhöhe unterblieben ist; cc) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „sexueller Nötigung“ in Tateinheit mit Körperverletzung und Freiheitsberaubung, wegen Bedrohung und wegen eines „Verstoßes gegen das Waffengesetz“ zu einer Gesamtfreiheits- strafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung eines Schlagringes angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Am 8. Dezember 2015 drohte der Angeklagte seiner damaligen Ehefrau an, sie zu töten, nachdem sie ihm ihre Scheidungsabsicht mitgeteilt hatte (Fall II. 1. a) der Urteilsgründe). Wegen dieses Geschehens hat das Landgericht den Angeklagten einer Bedrohung schuldig gesprochen und ihn zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt, jedoch keine Tagessatzhöhe festgesetzt.
3
2. Am 22. Februar 2017 wurde bei einer Wohnungsdurchsuchung ein dem Angeklagten gehörender Schlagring sichergestellt (Fall II. 1. b) bb) der Urteilsgründe). Das Landgericht hat den Angeklagten deshalb wegen eines „Verstoßes gegen das Waffengesetz“ zu einer Geldstrafevon 90 Tagessätzen verurteilt, wiederum ohne die Tagessatzhöhe zu bestimmen.
4
3. Zu Fall II. 1. b) cc) der Urteilsgründe hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
a) Der Angeklagte und die Nebenklägerin unterhielten ab Anfang des Jahres 2017 eine Beziehung, die von beiderseitiger Eifersucht und massiven Streitigkeiten geprägt war. Der Angeklagte übte dabei mehrfach körperliche Gewalt gegen die Nebenklägerin aus.
6
Auch in der Nacht zum 21. Mai 2017 gerieten der Angeklagte und die Nebenklägerin nach dem Genuss von Alkohol und Kokain in Streit. Der Angeklagte warf der Nebenklägerin vor, im Laufe des Abends mit einem anderen Mann „geflirtet“ zu haben. Er verschloss nun die Wohnungseingangstür und nahm den Schlüssel an sich, um eine etwaige Flucht der Nebenklägerin zu verhindern. Anschließend versetzte er ihr Faustschläge ins Gesicht sowie gegen ihren Kopf und Oberkörper. Als sie sich zu entziehen suchte, zog er ihr kräftig an den Haaren und riss dabei mehrere Haarbüschel aus. Außerdem hielt er ihr Mund und Nase so fest zu, dass sie zwischenzeitlich keine Luft mehr bekam.
7
Als die Nebenklägerin infolge des Sauerstoffmangels kurz das Bewusstsein verlor, beschloss der Angeklagte, nun den von ihm erwünschten, von der Nebenklägerin – wie er wusste – aber abgelehnten Analverkehr durchzuführen. Er beabsichtigte, zunächst mit einem Finger und anschließend mit seinem Pe- nis in die Nebenklägerin einzudringen. Er entblößte sein erigiertes Glied und entkleidete den Unterkörper der auf dem Wohnzimmersofa liegenden Nebenklägerin. Als sie wieder zur Besinnung kam, „penetrierte der Angeklagte sie gerade im Analbereich“. Ihm gelang es aufgrund des einsetzenden Widerstandes der Nebenklägerin allerdings nicht, wie beabsichtigt mit dem Finger in sie einzudringen. Trotz seiner körperlichen Überlegenheit gab er die weitere Ausführung seines Vorhabens freiwillig auf und nahm von einem Eindringen Abstand. Als er am frühen Morgen einschlief, gelang es der Nebenklägerin, über ein Fenster und ein außen befindliches Baugerüst zu Nachbarn zu fliehen.
8
b) Das Landgericht hat dieses Geschehen als „sexuelle Nötigung mit Gewalt“ nach § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung gewertet.

II.


9
Die Schuldsprüche halten insgesamt rechtlicher Nachprüfung stand.
10
1. Allerdings hat der Senat mit Blick auf den im Fall II. 1. b) bb) der Urteilsgründe ausgeurteilten Verstoß gegen das Waffengesetz den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich neugefasst, da es zur Kennzeichnung des begangenen Unrechts der konkreten rechtlichen Bezeichnung der Tat bedarf (§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO); der bloße Hinweis auf einen Verstoß gegen das Waffengesetz genügt daher regelmäßig nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2018 – 3 StR 115/18, juris Rn. 2; vom 15. März 2011 – 4 StR 40/11, NJW 2011, 1979, 1981; vom 16. Januar 2007 – 4 StR 574/06, NStZ-RR 2007, 149).
11
2. Soweit der Angeklagte im Fall II. 1. b) cc) der Urteilsgründe wegen Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerin verurteilt worden ist, bedarf allein der Schuldspruch nach § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB näherer Erörterung.
12
a) Das Vorliegen eines sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 StGB ist ausreichend festgestellt und belegt.
13
Zwar sind die Feststellungen des Landgerichts zu der von dem Angeklagten an der Nebenklägerin vorgenommenen sexuellen Handlung teilweise missverständlich. Einerseits wird die Handlung des Angeklagten dahingehend beschrieben, dass er die Nebenklägerin im Zeitpunkt ihres Erwachens aus der Bewusstlosigkeit im Analbereich „penetrierte“, was dem Wortsinn nach ein Ein- dringen voraussetzt. Andererseits gelang es dem Angeklagten nach den weiteren Feststellungen gerade nicht, in die Nebenklägerin einzudringen, weshalb er letztlich von dem geplanten Eindringen Abstand nahm.
14
Jedoch lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen , dass diese Unklarheiten lediglich auf einem unpräzisen Gebrauch des Wortes „penetrieren“ beruhen und die Strafkammer davon ausgegangen ist, dass es zu Berührungen des Angeklagten im Analbereich der Nebenklägerin im Vorfeld seines beabsichtigten Eindringens kam.
15
Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass die sexuelle Handlung zumindest auch in dem Zeitraum ausgeübt wurde, als die Nebenklägerin wieder bei Bewusstsein war. Daher kann dahinstehen, ob neben der Verwirklichung des § 177 Abs. 1 StGB mit Blick auf die zeitweise Bewusstlosigkeit der Nebenklägerin auch die Anwendung von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB in Betracht gekommen wäre.
16
b) Die Annahme der Qualifikation nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB – Anwendung von Gewalt – wird ebenfalls von den Feststellungen getragen. Dies gilt zwar weder für die gewaltsame Herbeiführung der Bewusstlosigkeit der Nebenklägerin durch den Angeklagten noch für die davor liegenden Gewalttätigkeiten. Gewalt im Sinne dieser Vorschrift liegt aber mit Blick auf die während des gesamten Tatgeschehens verschlossene Wohnungstür vor.
17
aa) Wie der Tatbestand der Gewaltqualifikation nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB – eingeführt durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung – auszulegen ist, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden worden. Im Schrifttum werden insoweit unterschiedliche Auslegungsansätze vertreten, und zwar insbesondere zu der Frage, ob zwischen der Gewaltanwendung und der sexuellen Handlung nach § 177 Abs. 1 StGB ein Finalzusammenhang bestehen muss.
18
(1) Nach teilweise vertretener Auffassung entspricht § 177 Abs. 5 StGB dem früheren Tatbestand der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB in der Fassung bis zum 9. November 2016 (vgl. MüKo-StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 34 und 101 ff.; SK-StGB/Wolters/Noltenius, 5. Aufl., § 177 Rn. 53); nach dieser Ansicht muss die Gewaltanwendung im Sinne einer Zweck-Mittel-Relation der Duldung oder der Vornahme der sexuellen Handlung dienen (vgl. MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, Rn. 111; SK-StGB/Wolters/ Noltenius, § 177 Rn. 53).
19
(2) Nach der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung setzt die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB keinen Finalzusammenhang voraus (vgl. BeckOK-StGB/Ziegler, 39. Edition, § 177 Rn. 31; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 177 Rn. 13; Hörnle, NStZ 2017, 13, 19; Spillecke, StraFo 2018, 361, 364; in diesem Sinne auch Fischer, StGB, 65. Aufl., der zwischen Fällen von Gewalt als Nötigungsmittel, Rn. 66 ff., und Gewalt ohne Nötigungswirkung, Rn. 74 f., unterscheidet). Hiernach ist es ausreichend , dass der Täter die Gewalt im Tatzeitpunkt (vgl. BeckOK-StGB/Ziegler, aaO) beziehungsweise im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens vor, bei oder nach der sexuellen Handlung (vgl. Hörnle, aaO) anwendet.
20
bb) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Für sie sprechen der Wortlaut der Vorschrift, ihre Entstehungsgeschichte, systematische Erwägungen sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Im Einzelnen:
21
(1) Für die fehlende Erforderlichkeit eines Finalzusammenhangs spricht zunächst der Wortlaut des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB, der lediglich verlangt, dass der Täter „gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet“. Anders als nach der frühe- ren Rechtslage (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF: „Wer eine andere Person mit Gewalt nötigt …“) ist dem Wortlaut nun nicht mehr zu entnehmen, dass die Gewalt als Nötigungsmittel eingesetzt werden muss; vielmehr muss diese nur zu dem sexuellen Übergriff hinzukommen.
22
(2) Dieses sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebende Ergebnis entspricht dem in den Gesetzgebungsmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. Demnach orientiert sich die Qualifikation des § 177 Abs. 5 StGB zwar an der Ausgestaltung des § 177 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung. Anders als nach früherer Rechtslage soll aber gerade nicht mehr erforderlich sein, dass der Täter das Opfer nötigt (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 26). § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB soll vielmehr auch Fälle erfassen, in denen der Täter die Gewalt im Tatzeitpunkt zu anderen als zu Nötigungszwecken einsetzt – beispielsweise zur Steigerung seiner sexuellen Lust (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 27).
23
(3) Auch systematische Erwägungen sprechen dafür, dass ein Finalzusammenhang zwischen sexueller Handlung und Gewalt nicht mehr erforderlich ist. Zum einen setzt bereits der Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB keine Nötigung mehr voraus (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 2 und 22 f.; MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, Rn. 4). Zum anderen zeigt der Vergleich mit § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB, in dessen Rahmen eine Nötigung des Tatopfers und damit ein Finalzusammenhang mit der Duldung oder Vornahme der sexuellen Handlung noch vorausgesetzt sind (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 27; BeckOK-StGB/Ziegler, aaO, § 177 Rn. 29; MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, Rn. 92 ff.), dass der Gesetzgeber innerhalb des § 177 StGB das Erfordernis einer Nötigung differenziert eingesetzt und nur ausnahmsweise als Tatbestandsvoraussetzung vorgesehen hat.
24
Soweit geltend gemacht wird, dass der in der amtlichen Überschrift des § 177 StGB – neben anderen Begriffen – verwendete Begriff der „sexuellen Nötigung“ dafür spreche, dass in § 177 Abs. 5 StGB der frühere Tatbestand der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB aF umgesetzt sei (vgl. MüKoStGB /Renzikowski, aaO, Rn. 35), vermag dies angesichts der eindeutigen Gesetzesbegründung und dem von der früheren Rechtslage abweichenden Wortlaut der Vorschrift nicht zu überzeugen. Zudem liegt mit § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB ein Tatbestand vor, der der amtlichen Überschrift „sexuelle Nötigung“ ent- spricht.
25
(4) Das Erfordernis eines Finalzusammenhangs ergibt sich schließlich auch nicht aus teleologischen Erwägungen. Zwar wird teilweise geltend ge- macht, dass erst das Hinzutreten von Nötigungsunrecht den höheren Strafrahmen des Verbrechenstatbestandes nach § 177 Abs. 5 StGB rechtfertige (vgl. MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, Rn. 34 und 101; SK-StGB/Wolters/Noltenius, aaO, § 177 Rn. 53). Eine erhöhte Strafandrohung begründet sich aber bereits aus dem Umstand, dass der sexuelle Übergriff überhaupt unter zusätzlicher Anwendung von Gewalt erfolgt. Schon hierdurch wiegt der sexuelle Übergriff – unabhängig vom Vorliegen eines Finalzusammenhangs oder von sonstigen Zielsetzungen des Täters – qualitativ schwerer.
26
cc) Daraus, dass ein Finalzusammenhang zwischen sexueller Handlung und Gewalt nicht erforderlich ist, ergibt sich für die tatbestandliche Reichweite von § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB Folgendes:
27
Für die von § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB vorausgesetzte Gewalt „gegenüber dem Opfer“ ist der Zeitpunkt der Tat nach § 177 Abs. 1 und 2 StGB maßgeblich (vgl. auch BT-Drucks. 18/9097, S. 27: „zum Tatzeitpunkt“), da § 177 Abs. 5 StGB eine Qualifikation zu den Grundtatbeständen des § 177 Abs. 1 und 2 StGB darstellt (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 26). Insofern kann § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB, der auf die Opfereigenschaft Bezug nimmt, nicht anders ausgelegt werden als die Vorschrift des § 177 Abs. 8 StGB, die ausdrücklich auf den Tatbegriff zurückgreift („bei der Tat“).
28
Daraus folgt, dass die Gewaltqualifikation ab dem Zeitpunkt des Versuchsbeginns des sexuellen Übergriffs eingreifen kann (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2007 – 2 StR 34/07, NStZ 2007, 468, 469 [zu § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF]; Beschluss vom 11. Oktober 2017 − 4 StR 322/17, NStZ 2018, 148 [zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]), wobei der Versuchsbeginn auch mit der Gewaltanwendung zeitlich zusammenfallen kann, etwa wenn diese zur unmittelbaren Erzwingung einer sexuellen Handlung erfolgt. Des Weiteren sind Gewaltanwendungen bis zum Zeitpunkt der Beendigung des sexuellen Übergriffs tatbestandsrelevant für § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2007 – 2 StR 34/07, aaO).
29
dd) In subjektiver Hinsicht reicht es aus, dass der Vorsatz des Täters auf eine Gewaltanwendung während des sexuellen Übergriffs gerichtet ist, er also bewusst gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet (vgl. BeckOK-StGB/Ziegler, aaO, § 177 Rn. 62). Ein teilweise geforderter „inhaltlich-motivatorischer Zu- sammenhang“ zwischendem sexuellen Übergriff und der Gewalt (vgl.Fischer, aaO, Rn. 118a) ist dem Tatbestand nicht zu entnehmen; ein solches zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal ließe sich zudem schon aufgrund der Vielzahl möglicher Fallgestaltungen und Zwecksetzungen kaum näher konkretisieren.
30
ee) Dies zugrunde gelegt, hat das Landgericht das Eingreifen der Gewaltqualifikation des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB im Ergebnis zutreffend angenommen :
31
(1) Allerdings ergibt sich das Vorliegen des Qualifikationstatbestandes nicht bereits aus der gewaltsamen Herbeiführung der Bewusstlosigkeit durch den Angeklagten. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keinen Vorsatz zur Vornahme einer sexuellen Handlung, sondern fasste diesen nach den Feststellungen erst, als die Nebenklägerin bereits bewusstlos war. Mangels entsprechendem Tatentschluss stellt sich die Gewaltanwendung somit – nach Versuchsgrundsätzen – nicht als unmittelbares Ansetzen zu einem sexuellen Über- griff dar; die Gewaltanwendung erfolgte insoweit nicht „gegenüber“ dem Opfer der Straftat nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB.
32
Dass der Angeklagte sich nachträglich das Ergebnis der von ihm durch die Herbeiführung der Bewusstlosigkeit ausgeübten Gewalt zunutze machte, stellt keine Gewaltanwendung im Sinne des Tatbestandes dar, sondern lediglich ein Ausnutzen der Auswirkungen der bereits vollständig abgeschlossenen Gewaltausübung (vgl. zur alten Rechtslage BGH, Beschluss vom 15. März 1984 – 1 StR 72/84, NJW 1984, 1632; Schönke/Schröder/Eisele, 29. Aufl., § 177 Rn. 6a; SSW-StGB/Wolters, 3. Aufl., § 177 Rn. 29; Laubenthal, Handbuch Sexualstraftaten, Rn. 179; anderer Ansicht LK-StGB/Hörnle, 12. Aufl., § 177 Rn. 69; dies., FS Puppe, 2011, 1143, 1159 ff.; Kratzer-Ceylan, Finalität, Widerstand, „Bescholtenheit“, 2015, S. 356; vgl. zur bloßen Ausnutzung der nicht zurechenbar von einem Dritten ausgeübten Gewalt BGH, Urteil vom 21. Oktober 1976 – 4 StR 435/76, GA 1977, 144; Beschluss vom 2. Oktober 1984 – 4 StR 551/84, NStZ 1985, 70). Dieses bloße Nutzbarmachen einer durch eine bereits abgeschlossene Gewaltanwendung geschaffenen Situation ist schon begrifflich keine „Anwendung“ von Gewalt im Sinne des§ 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB.
33
(2) Die Verwirklichung der Gewaltqualifikation ergibt sich vorliegend aber daraus, dass der Angeklagte den sexuellen Übergriff verübte, während er die Wohnungstür verschlossen hielt und hierdurch die Nebenklägerin weiter an einer Flucht hinderte.
34
Das Einsperren in einem Raum stellt eine Gewaltanwendung im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB dar (vgl. BeckOK-StGB/Ziegler, aaO, § 177 Rn. 94; Lackner/Kühl/Heger, aaO, § 177 Rn. 13; MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, § 177 nF Rn. 106; vgl. zu § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF BGH, Urteil vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42, 43 mwN; Beschluss vom 10. Mai 2011 – 3 StR 78/11, NStZ-RR 2011, 311 f.; einschränkend zur neuen Rechtslage Fischer, aaO, § 177 Rn. 74a). Vorliegend hatte der Angeklagte die Wohnungstür zwar zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, als er noch keine Absicht bezüglich eines sexuellen Übergriffs hatte. Allerdings stellt das Aufrechterhalten einer solchermaßen geschaffenen Lage – im Gegensatz zur bloßen Ausnutzung einer aus anderen Gründen erfolgten und abgeschlossenen Gewaltwirkung – jedenfalls dann eine tatbestandsmäßige Gewaltanwendung dar, wenn ein enger räumlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Einsperren und der sexuellen Handlung besteht (vgl. zum Raubtatbestand bei einem ohne Wegnahmevorsatz gefesselten Opfer BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365 ff.; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 249 Rn. 6b mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Den Urteilsgründen ist auch zu entnehmen, dass der Angeklagte die sexuelle Handlung bewusst gegenüber der in der Wohnung eingeschlossenen Nebenklägerin vornahm, denn er hatte zuvor die Wohnungstür gezielt zur Verhinderung einer Flucht verschlossen und führte den Schlüssel während des gesamten Tatgeschehens mit sich.
35
3. Der Senat fasst lediglich die rechtliche Bezeichnung der Tat im Tenor des angefochtenen Urteils neu, da § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB – wieausgeführt – nicht voraussetzt, dass der Täter die Gewalt zu Nötigungszwecken einsetzt, und vorliegend auch kein Finalzusammenhang festgestellt ist.

III.


36
Der Strafausspruch unterliegt teilweise der Aufhebung.
37
1. Der Einzelstrafausspruch im Fall II. 1. b) cc) der Urteilsgründe – Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten – hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer ist insoweit nach § 52 Abs. 2 StGB zwar zutreffend von dem Strafrahmen des § 177 Abs. 5 StGB – Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr – ausgegangen. Da sie aber die Annahme der Gewaltqualifikation nicht näher begründet hat, ist zu besorgen, dass sie das gewaltsame Herbeiführen der Bewusstlosigkeit als tatbestandsrelevante Gewalthandlung zugrunde gelegt hat und damit von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist. Der tatsächlich maßgebliche Anknüpfungspunkt – die verschlossene Wohnungstür – wiegt jedoch deutlich weniger schwer. Trotz der insgesamt moderat bemessenen Strafe vermag der Senat nicht gänzlich auszuschließen, dass die für diesen Fall verhängte Einzelstrafe hierauf beruht.
38
2. Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1. a) und II. 1. b) bb) der Urteilsgründe zu Geldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen verurteilt worden ist, begegnet zwar die verhängte Anzahl der Tagessätze keinen rechtlichen Bedenken ; das Landgericht hat es aber jeweils rechtsfehlerhaft unterlassen, die Tagessatzhöhe zu bestimmen.
39
Die Festsetzung der Tagessatzhöhe (§ 40 Abs. 2 Satz 1 StGB), die neben der Bemessung der Tagessatzzahl einen selbständigen Strafzumessungsvorgang darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 1976 – 1 StR 319/76, BGHSt 27, 70, 72; Beschluss vom 10. Juni 1986 – 1 StR 445/85, BGHSt 34, 90, 92), ist auch dann erforderlich, wenn – wie hier – die Einzelgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB in eine Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2018 – 2 StR 211/18, juris Rn. 5; vom 8. April 2014 – 1 StR 126/14, NStZ-RR 2014, 208, 209). Unterbleibt eine solche Festsetzung, so zwingt dieser sachlich-rechtliche Fehler das Revisionsgericht in der Regel zur Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht zur Festsetzung der Tagessatzhöhe (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2018 – 2 StR 211/18; vom 10. Juni 1986 – 1 StR 445/85, aaO). Da vorliegend der Strafausspruch auch im Übrigen teilweise der Aufhebung unterliegt, macht der Senat nicht von der Möglichkeit Gebrauch, in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Tagessatzhöhe selbst festzusetzen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 8. April 2014 – 1 StR 126/14, NStZ-RR 2014, 208, 209 mwN).
40
3. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 1. b) cc) der Urteilsgründe entzieht zugleich dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 580/10
vom
12. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Landshut vom 22. Juni 2010 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend merkt der Senat an:
Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte
in allen Fällen sowohl § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB als auch § 177 Abs. 1
Nr. 3 StGB verwirklicht hat. Diese Tatvarianten stehen gleichrangig nebeneinander
(vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2002 - 2 StR 153/02,
NStZ-RR 2003, 42, 44; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1999 - 1 StR 216/99, NStZ
1999, 505; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 - 2 StR 248/99, BGHSt 45, 253,
259; BGH, Urteil vom 3. November 1998 - 1 StR 521/98, BGHSt 44, 228). Soweit
der Senat (Beschluss vom 8. September 1989 - 1 StR 439/98, NStZ 1999,
30) § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch als "neuen Auffangtatbestand" bezeichnet
hat, war dies aus den dortigen Beschlussgründen ersichtlich nicht im Sinne der
Subsidiarität gemeint, sondern dahingehend, dass diese Begehungsalternative
eigenständig neben die bisherigen Tatmittel tritt und weitere Fälle erfassen soll.
Denn der Senat hat in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Formulierung
nur zum Ausdruck gebracht, dass im dortigen Einzelfall der Tatrichter das Verhalten
des Angeklagten unter Umständen auch als Ausnutzung der Drohwirkung
früherer Gewaltanwendung und der Fortwirkung früherer Drohungen hätte
werten können. Weiter hat der Senat zuvor klargestellt, dass durch die Aufnahme
der 3. Begehungsalternative (unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage)
neben der Anwendung von Gewalt und der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr
für Leib oder Leben in den Tatbestand der Vergewaltigung durch das 33.
StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl. I 1607) eine Erweiterung der Strafbarkeit eingetreten
ist. Der Senat hat deshalb betont, dass Strafbarkeitslücken geschlossen
werden sollten, die nach früherem Recht auftreten konnten. Die Einführung
dieser 3. Alternative des § 177 Abs. 1 StGB dient - wie auch die Gesetzesmaterialien
belegen (BT-Drucks. 13/7324, S. 6 und BT-Drucks. 13/4543, S. 2) - eindeutig
der Schließung von als untragbar empfundenen Strafbarkeitslücken, wobei
die vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Fälle kein "Weniger" gegenüber
den beiden anderen Begehungsalternativen darstellen, sondern es sollten eigenständige
weitere Fallkonstellationen erfasst werden wie z.B. auch die früher
unter § 237 StGB aF fallenden Entführungsfälle (BT-Drucks. 13/324, S. 6 f.).
Der Verwirklichung auch dieser Alternative kommt daher grundsätzlich ein eigener
Unrechtsgehalt zu. Der Senat teilt insoweit die (BGH, Beschluss vom
10. Dezember 2008 - 2 StR 517/08, NStZ 2009, 207 f.) geäußerten Bedenken
nicht.
Im vorliegenden konkreten Einzelfall war das Opfer unabhängig von der
Drohung, bei Weigerung werde seine Mutter umgebracht, durch seine schutzlose
Lage gezwungen, die sexuellen Handlungen des Angeklagten zu erdulden.
Denn seine Schutz- und Verteidigungsmöglichkeiten waren in einem solchen
Maße verringert, dass es dem ungehemmten Einfluss des Täters preisgegeben
war. Hier bewirkten sowohl äußere Gegebenheiten als auch in der Person des
Opfers liegende Umstände die verminderten Schutz- und Verteidigungsmög-
lichkeiten. Für die Feststellung, das Tatopfer habe sich in einer schutzlosen Lage
befunden, kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller tatbestandsspezifischen
Umstände an, die ergeben müssen, dass das Tatopfer Einwirkungen des
Täters weder mit Aussicht auf Erfolg körperlichen Widerstand entgegensetzen,
noch sich ihnen durch Flucht entziehen noch auf die Hilfe dritter Personen hoffen
könnte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2006 - 2 StR 345/05, BGHSt 50,
359, 362).
Eine solche Gesamtwürdigung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen
und dabei insbesondere bedacht, dass der Angeklagte zum einen
die Taten bewusst an Orten ausgeführt hat, an denen hilfsbereite Personen für
das Opfer nicht erreichbar waren, und zum anderen bewusst die schwere Körperbehinderung
des Opfers ausgenutzt hat. Dieses leidet an einer spastischen
Lähmung beider Beine und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Darüber hinaus
kann es eine Hand nicht bewegen. Die junge Frau konnte sich aufgrund ihrer
Behinderung weder entfernen noch ernsthaft wehren. Aus der Beschlussempfehlung
und dem Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum 33.
StrÄndG ergibt sich, dass die 1997 neu geschaffene Begehungsvariante auch
darauf abzielte, den Schutz geistig und körperlich behinderter Menschen, deren
Widerstandsfähigkeit eingeschränkt ist, vor erzwungenen sexuellen Übergriffen
zu verbessern (BT-Drucks. 13/7663, S. 4 und 5). Dass der verbesserte Schutz
von Kindern und Behinderten als schwächste und hilfsbedürftigste Mitglieder
der Gesellschaft weiterhin ausdrückliches gesetzgeberisches Ziel ist, zeigt auch
das Sexualdelikteänderungsgesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I 3007),
durch welches die Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB und des § 179 Abs. 5
StGB angehoben und § 179 Abs. 3 StGB neu eingeführt wurde. Gerade in den
Fällen der vorliegenden Art, in denen das Opfer zu alt ist, um von § 176a StGB
geschützt zu werden, würde bei Nichtvorliegen einer weiteren Alternative des
§ 177 Abs. 1 StGB eine zu restriktive Auslegung der 3. Begehungsalternative
des § 177 Abs. 1 StGB zu ungerechtfertigten Ergebnissen führen. Denn der
dann allenfalls gegebene § 240 Abs. 4 Nr. 1 StGB mit seiner deutlich niedrigeren
Strafandrohung würde den Unrechtsgehalt der Tat gerade gegenüber den
zu schützenden Behinderten nicht in der gebotenen und vom Gesetzgeber gewollten
Weise erfassen.
Der Verwirklichung jeweils der weiteren Alternative des § 177 Abs. 1
(Nr. 2 und Nr. 3) StGB, deren entsprechend erforderliche subjektive Tatseite
vom Landgericht ebenfalls ohne Rechtsfehler festgestellt wurde, kommt daher
schulderhöhende Wirkung zu.
Nack Wahl Rothfuß
Elf Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
2.
eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
3.
eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt,
4.
eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
5.
eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nummern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Dies gilt unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,

1.
herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
2.
sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.

(4) Absatz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 4 oder 5, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.