Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 575/09
vom
25. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
der Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 18. August 2009 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
4
a) Entgegen der Ansicht der Revision belegen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes. Danach hatte sich zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen M. , die zuvor eng befreundet gewesen waren, aus vielschichtigen Gründen eine hasserfüllte Abneigung entwickelt. Bevor der Angeklagte den Zeugen aufsuchte und sogleich zweimal mit einem Schraubendreher mit einer etwa sieben Zentimeter langen Spitze auf ihn in Richtung des Brustbereichs einstach, hatte sich der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge entschlossen, "den Streit zwischen ihm und dem Zeugen M. im Kampf einer abschließenden finalen Lösung zuzuführen". Hieraus und aus der Art des schnellen tätlichen Angriffs, der erst durch das Eingreifen weiterer Personen beendet werden konnte, hat das Landgericht geschlossen, dass auch das neben dem Wissenselement selbständig erforderliche Wollenselement des Tötungsvorsatzes beim Angeklagten vorgelegen hat. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision eine eigene, andere Würdigung der Feststellungen vornimmt, kann sie damit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben.
5
b) Dass das Landgericht tateinheitlich mit dem versuchten Totschlag auch eine gefährliche Körperverletzung in den Begehungsformen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB angenommen hat, begegnet - entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift - keinen rechtlichen Bedenken.
6
§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Körperverletzung "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" begangen wird. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden ; einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. vom 29. April 2004 - 4 StR 43/04 = NStZ 2004, 618; Beschl. vom 23. Juli 2004 - 2 StR 101/04 = NStZ 2005, 156, 157; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 224 Rdn. 12 mit zahlreichen Nachweisen). Die Stiche mit dem Schraubendreher, bei dem es sich nach den Urteilsfeststellungen um einen harten, spitzkantigen Gegenstand handelte, waren, wie das Landgericht - den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen folgend - festgestellt hat, generell geeignet , lebensgefährdende Verletzungen hervorzurufen. Darauf, dass der Zeu- ge infolge seiner Abwehr letztlich nur leichtere Verletzungen erlitten hat, kommt es für die Tatbestandsverwirklichung nicht an.
7
c) Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB hat das sachverständig beratene Landgericht mit sorgfältiger Begründung rechtsfehlerfrei verneint. Es hat insbesondere dargelegt, warum es sich nicht vom Vorliegen einer Affekttat überzeugen konnte. Soweit der Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang eine weiter gehende Berücksichtigung der kulturellen Prägung des Angeklagten und des Stellenwerts, der einer Männerfreundschaft im arabischen Raum zukomme, vermisst, kann dem nicht gefolgt werden.
8
d) Soweit das Landgericht einen minder schweren Fall des versuchten Totschlags im Sinne des § 213 1. Alt. StGB verneint hat, ist dies entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts revisionsrechtlich schon deswegen nicht zu beanstanden, weil der Angeklagte durch die vorangegangenen Beleidigungen jedenfalls nicht auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist.
9
e) Letztlich begegnet es auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Landgericht, das einen sonstigen minder schweren Fall nach § 213 2. Alt. StGB angenommen hat, den dadurch eröffneten Strafrahmen nicht nach §§ 46 a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. Zwar hat sich der Angeklagte in einem Brief, den er aus der Untersuchungshaft an den Geschädigten gesandt hat, für die Tat entschuldigt. Für einen Ausgleich mit dem Verletzten im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB ist es aber regelmäßig erforderlich, dass der Täter sich gegenüber dem Opfer zu seiner Schuld bekennt und die Opfer-Position der geschädigten Person respektiert (vgl. BGHSt 48, 134, 141; vgl. auch Fischer aaO § 46 a Rdn. 10 a und b m.w.N.).
10
Nach dem Inhalt des im Urteil wörtlich wiedergegebenen Briefes des Angeklagten kann dieser jedoch nicht als Zeichen der Übernahme von Verantwortung für das Tatgeschehen angesehen werden. Der Angeklagte weist darin die Alleinschuld an der Eskalation dem Opfer zu, das ihm durch sein Verhalten "keinen anderen Weg gelassen" habe. Darauf, dass der Geschädigte in der Hauptverhandlung erklärt hat, dem Angeklagten zu verzeihen, da dieser auch Familie habe, kommt es daher nicht mehr ausschlaggebend an (vgl. BGH, Beschl. vom 25. Juni 2008 - 2 StR 217/08 = StV 2008, 464). Tepperwien Maatz Solin-Stojanović Ernemann Franke

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Strafrecht: Zum versuchten Totschlag mit bedingtem Tötungsvorsatz

08.12.2011

§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Körperverletzung "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" begangen wird. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach
Körperverletzung

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Feb. 2010 - 4 StR 575/09 zitiert 5 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 43/04
vom
29. April 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen Landfriedensbruchs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. April
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Sinan Y. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Tamer A. ,
Rechtsanwältin
für den Angeklagten Jasher M. E. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Emrullah A. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Tuncer A. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Mazlum Yi.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
für den Nebenkläger Antar Z. ,
Rechtsanwalt
für den Nebenkläger Abdel H. A. -H.
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. , der Staatsanwalt- schaft sowie der Nebenkläger Antar Z. und Abdel H. A. -H. gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. Juni 2003 werden verworfen.
2. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. die Kosten und Auslagen ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen. Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Die in dem Revisionsverfahren gegen den Angeklagten Jashar M. E. entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte. Die in den Revisonsverfahren gegen die Angeklagten Tamer A. , Emrullah A. und Mazlum Yi. entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und der Nebenkläger Abdel H. A. -H. je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Den Ange-
klagten Sinan Y. hat es unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Vorverur- teilung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten Tamer A. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten Jashar M. E. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren, den Angeklagten Emrullah A. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten Tuncer A. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und den Angeklagten Mazlum Yi. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagten Tamer A. , Tuncer A. und den Angeklagten Mazlum Yi. verhängten Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt.
Die Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. rügen mit ihren Revisionen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, eine Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten Totschlags. Sie beanstandet ferner, daß die Schuldsprüche nicht auch auf den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gestützt worden sind, und wendet sich gegen die Strafzumessung. Die Nebenkläger rügen die Verletzung sachlichen Rechts. Sie erstreben eine Verurteilung des Angeklagten Jashar M. E. , der Nebenkläger Abdel H. A. -H. darüber hinaus auch der Angeklagten Tamer A. , Emrullah A. und Mazlum Yi. , wegen versuchten Totschlags und beanstanden die Strafzumessung.
Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


Die Angeklagten sind Asylbewerber. Sie wohnten Ende Juni 2002 mit weiteren Landsleuten ("Gruppe der Kurden") in der Landeswohnsiedlung in L. , in der neben anderen nichtkurdischen Asylbewerbern die aus Algerien stammenden Abdel H. A. -H. , Antar Z. und Najib B. ("Gruppe der Araber") wohnten. Zwischen beiden Gruppen kam es häufig zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen, die auch zu Polizeieinsätzen führten. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 2002 wurde der Angeklagte Jashar M. E. von algerischen Asylbewerbern angegriffen und verletzt. 30 bis 40 kurdische Asylbewerber, die sich danach auf dem Gelände der Landeswohnsiedlung versammelt hatten, beschlossen, angestachelt von dem Angeklagten Jashar M. E. , sich „wegen der vorgefallenen Auseinandersetzungen an den Arabern zu rächen.“ Sie wollten "den Arabern gehörige Angst einjagen, sie verprügeln und krankenhausreif schlagen.“ Angeführt von dem Angeklagten Jashar M. E. , begaben sich 25 bis 30 Kurden, die sich mit Stöcken und Holzknüppeln bewaffnet hatten, zu dem Wohnblock, in dem arabische Asylbewerber untergebracht waren. Der Angeklagte Emrullah A. führte für alle sichtbar ein Messer mit sich. Ohne Vorwarnung drangen die Angeklagten sowie weitere Kurden in das Zimmer des Antar Z. ein, in dem sich auch Abdel H. A. -H. und Najib B. aufhielten. Der Angeklagte Jashar M. E. zeigte auf Antar Z. und sagte auf arabisch: "Heute bringen wir euch/dich um" bzw. "erledigen wir euch/dich". Danach wurde mit Fäusten und mit Knüppeln massiv auf Antar Z. und Abdel H. A. - H. eingeschlagen. Der Angeklagte Emrullah A. schlug mit einem Stuhlbein einen der Nebenkläger, zielte mit seinem Messer auf das Gesicht von Najib B. und machte dabei eine Bewegung von unten nach oben, „als
wolle er ihn stechen.“ Wer Antar Z. im Verlauf der Auseinandersetzung die Schnittverletzung an der linken Hand zufügte, die zur Durchtrennung einer Sehne führte, konnte nicht geklärt werden. Antar Z. , Abdel H. A. -H. und Najib B. flüchteten schließlich durch das Fenster.
Der Nebenkläger Antar Z. wurde von einer Gruppe von etwa 10 bis 14 Kurden, unter ihnen die Angeklagten Jashar M. E. , Tamer A. und Sinan Y. in einem Gebüsch entdeckt und umzingelt. Jashar M. E. , der Antar Z. aus dem Gebüsch gezogen hatte, und Tamer A. schlugen auf Antar Z. ein. Als dieser auf dem Boden lag, trat Sinan Y. ihn mit den beschuhten Füßen. Von weiteren Kurden wurde Antar Z. mit Stöcken geschlagen.
Neben der Schnittverletzung an der Hand erlitt Antar Z. durch die Schläge und Tritte eine Vielzahl von Verletzungen am gesamten Körper, insbesondere im Bereich des Kopfes, des Halses und des Rumpfes. "Die Gewalt war fast ausschließlich gegen lebenswichtige Körperbereiche gerichtet". Ein massiver Fußtritt, der geeignet war, lebensgefährliche Verletzungen am Kehlkopf hervorzurufen, zeichnete sich am vorderen Hals im Bereich des Kehlkopfs ab.
Der Nebenkläger Abdel H. A. -H. fiel bei seiner Flucht auf den Boden und wurde mit Stöcken geschlagen und mit einem Messer angegriffen. Er erlitt eine Vielzahl von Schürfungen, insbesondere im Bereich der Extremitäten , sowie zwei lebensgefährliche Stichverletzungen im Rücken. Wer Abdel H. A. -H. die Stichverletzungen beibrachte, konnte nicht geklärt werden.

II.


1. Die Revisionen der Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. sind unbegründet.

a) Die Verfahrensrügen sind unzulässig; im übrigen wären sie auch unbegründet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 11. Februar 2004 verwiesen.

b) Die Überprüfung des Urteils auf die Sachbeschwerden hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer ergeben.
Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei, auch soweit sie die Mittäterschaft des bei den Gewalttätigkeiten in dem Zimmer des Nebenklägers Antar Z. anwesenden Angeklagten Tuncer A. betrifft. Sie weist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten keine Widersprüche, Lücken oder Verstöße gegen die Denkgesetze auf.
Auch die Schuldsprüche wegen Landfriedensbruchs (§§ 125 Abs. 1 Nr. 1, 125 a StGB) begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten Tuncer A. steht der Annahme des Landgerichts, daß sich die Beschwerdeführer im Sinne dieser Vorschrift als Mittäter an Gewalttätigkeiten beteiligt haben, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise begangen worden sind, nicht entgegen, daß sich die Gewalttätigkeiten allein gegen Abdel H. A. - H. , Antar Z. und Najib B. richteten. Sind die Tathandlungen des
§ 125 Abs. 1 StGB gegen bestimmte Personen gerichtet oder tritt nur an einzelnen Schaden ein, so genügt es, wenn diese als Repräsentanten eines Personenkreises angegriffen werden, weil solche Gewalthandlungen nicht nur das Sicherheitsgefühl der unmittelbar betroffenen, sondern einer Vielzahl von Personen beeinträchtigen und zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen (vgl. BGH NStZ 1993, 538; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 125 Rdn. 9, jew. m. w. N.). So liegt es hier. Zwar war Auslöser der Gewalttätigkeiten letztlich der Überfall mehrerer Araber auf Jashar M. E. . Die "Gruppe der Kurden" wollte sich aber nach dem Tatplan wegen der zwischen Kurden und Arabern „vorgefallenen Auseinandersetzungen an den Arabern" rächen. Die Tatopfer wurden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, als Vertreter ihrer Volksgruppe angegriffen. Durch die aus der unter anderem mit Knüppeln bewaffneten Gruppe von mindestens 30 Kurden begangenen Gewalttätigkeiten wurde demgemäß das Sicherheitsgefühl nicht nur der Tatopfer, sondern einer unbestimmten Vielzahl von Personen „der Volksgruppe der Araber“ beeinträchtigt.
2. Auch die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind unbegründet. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen die Angeklagten begünstigenden oder – was der Senat gemäß § 301 StPO zu prüfen hat – benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Handeln der Angeklagten mit (bedingtem) Tötungsvorsatz verneint hat und mit denen es davon ausgegangen ist, daß die Angeklagten ihrem Tatplan entsprechend, „den Arabern gehörig Angst einzujagen, sie zu verprügeln und krankenhausreif zu
schlagen,“ während des gesamten Tatgeschehens lediglich mit Körperverletzungsvorsatz handelten, lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Annahme, daß die Angeklagten entgegen ihrer Einlassung mit direktem Tötungsvorsatzes handelten, ließe sich, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, nach den zum äußeren Tatgeschehen getroffenen Feststellungen allenfalls damit begründen, daß der Angeklagte Emrullah A. , was auch die anderen Angeklagten wußten, ein Messer mit sich führte und daß der Angeklagte Jashar M. E. beim Eindringen in das Zimmer auf arabisch rief: „Heute bringen wir euch/dich um“ oder „erledigen wir euch/dich.“ Das Landgericht hat eine Tötungsabsicht der Angeklagten unter anderem deshalb verneint, weil der Angeklagte Jashar M. E. selbst – ungeachtet seiner Äußerung - nur mit den Händen zuschlug, die anderen Angeklagten nicht arabisch sprechen und auch die von diesen Angeklagten eigenhändig begangenen Tathandlungen nicht auf eine Tötungsabsicht schließen lassen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Daß einer oder mehrere der an den Gewalttätigkeiten Beteiligten Antar Z. eine Schnittverletzung an der Hand und Abdel H. A. -H. zwei lebensgefährliche Stichverletzungen zufügten, hat das Landgericht zu Recht keinem der Angeklagten als versuchte Tötungshandlung zugerechnet. Zwar legt insbesondere die Schwere der Abdel H. A. -H. zugefügten Stichverletzungen die Annahme nahe, daß der nicht ermittelte Täter , der Abdel H. A. -H. die Stiche in den Rücken versetzte, mit direktem oder zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Nach § 25 Abs. 2 StGB könnten aber den Angeklagten diese Tathandlungen nur dann zugerechnet werden, wenn auch solche von anderen Tatbeteiligten begangenen Handlungen vom gemeinsamen Tatplan umfasst waren oder jedenfalls nachträglich gebilligt worden wären. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft führt
aber weder die Tatsache, daß der Angeklagte Emrullah A. mit einem Messer , andere Mittäter mit Knüppeln bewaffnet waren, noch der Umstand, daß auf die Tatopfer mit beschuhten Füßen eingetreten wurde, zwangsläufig zu der Annahme, daß sich die Angeklagten mit Tötungsabsicht an den Gewalttätigkeiten beteiligt oder daß sie jedenfalls im Verlauf der Auseinandersetzung mit tödlichen Verletzungen der Tatopfer gerechnet und solche gebilligt haben.

b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet allerdings zu Recht, daß das Landgericht die Schuldsprüche wegen gefährlicher Körperverletzung lediglich auf § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB, nicht aber auch auf Nr. 5 dieser Vorschrift (Begehung der Tat mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) gestützt hat. Nach den Feststellungen haben die Angeklagten auch diesen Tatbestand verwirklicht. Nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB braucht die Behandlung das Leben nicht konkret zu gefährden; es genügt, daß die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalles dazu geeignet ist (vgl. BGHSt 2, 160, 163; BGHR § 223a I (a.F.) Lebensgefahr 1; BGH NStZ-RR 1997, 67). Tritte mit dem beschuhten Fuß und Schläge mit Knüppeln gegen den Kopf und den Oberkörper stellen eine das Leben gefährdende Behandlung dar, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können (vgl. BGHSt 2, 160, 162 f.; 19, 352). Die Umstände , aus denen sich die Lebensgefährdung des von den Angeklagten nach den Feststellungen gebilligten Einsatzes jedenfalls der von Tatbeteiligten mitgeführten Knüppel ergibt, waren den Angeklagten bekannt.
Der Senat schließt jedoch aus, daß das Landgericht höhere Strafen verhängt hätte, wenn es nicht übersehen hätte, dass die Angeklagten sich jeweils auch nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 strafbar gemacht haben; denn es hat bei der
Strafzumessung die enorme Gewaltbereitschaft und die durch Tritte und Schläge mit Knüppeln verursachten schweren Verletzungen strafschärfend berücksichtigt und damit im Ergebnis auch dem Schuldgehalt des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB Rechnung getragen.

c) Die Strafzumessung ist auch im übrigen rechtsfehlerfrei. Insbesondere weist sie entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft keinen die Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 11. Februar 2004.
3. Die Revisionen der Nebenkläger sind unzulässig (§ 400 Abs. 1 StPO), soweit sie sich gegen die Strafzumessung wenden; zu den Schuldsprüchen sind sie aus den oben genannten Gründen unbegründet.

III.


Bei den Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. hat der Senat von der Auferlegung der Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel abgesehen (§ 74 Abs. 2 JGG). Da die gegenläufigen Revisionen des Angeklagten Jashar M. E. und der Nebenkläger ohne Erfolg geblieben sind, findet eine Überbürdung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger auf
den Angeklagten nicht statt (vgl. BGH NStZ 1993, 230). Hinsichtlich des weiteren Kostenausspruchs wird auf die Entscheidungen des BGH vom 10. April 2003 – 4 StR 73/03, vom 10. Juli 2003 - 3 StR 130/03 und vom vom 20. Dezember 1957 - 1 StR 33/57 (BGHSt 11, 189) verwiesen.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 217/08
vom
25. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Juni 2008 gemäß §
349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Entgegen dem Vorbringen der Revision begegnet die Annahme des Landgerichts, ein Fall des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46 a Nr. 1 StGB sei nicht gegeben, im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Zwar ist Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift auch bei Vorliegen eines Gewaltdelikts nicht in jedem Fall ein umfassendes, vorbehaltloses Geständnis des Täters in der Hauptverhandlung. Das Landgericht und ihm folgend der Generalbundesanwalt haben sich insoweit auf das Senatsurteil vom 6. Februar 2008 - 2 StR 561/07 - bezogen, in dem der Senat ausgeführt hat, das Geständnis des Angeklagten sei im dortigen Fall - Vergewaltigung mit schweren psychischen Folgen für das Tatopfer - "unabdingbare Voraussetzung" eines Täter-OpferAusgleichs gewesen. Dies kann aber nicht dahin verallgemeinert werden, ein umfassendes Geständnis sei ausnahmslos erforderlich, um die Anwendung des § 46 a Nr. 1 StGB zu ermöglichen. Ausnahmen sind vielmehr möglich (vgl. Senatsbeschl. vom 20. September 2002 - 2 StR 336/02, NStZ 2003, 19), namentlich nach gelungenem, auf einem kommunikativen Prozess beruhenden Ausgleich mit dem Tatopfer. Voraussetzung bleibt aber auch in diesem Fall, dass der Täter-OpferAusgleich Zeichen der Übernahme von Verantwortung für die Tat sein muss. Das ist im Einzelfall nicht ausgeschlossen, wenn etwa ein in der Hauptverhandlung abgelegtes Geständnis einzelne Tatumstände beschönigt. Es fehlt aber, wenn, wie hier, der Täter die Tat als Notwehrhandlung gegen einen rechtswidrigen Angriff des Tatopfers hinstellt und somit schon die Opfer-Rolle des Geschädigten bestreitet. Eine Übernahme von Verantwortung kann hierin nicht gesehen werden. Darauf, dass der Geschädigte hier nach dem Ehrenkodex der Beteiligten die Sache als "für sich abgeschlossen" betrachtet hat, kommt es daher nicht mehr ausschlaggebend an. Fischer Rothfuß Ri'inBGH Roggenbuck ist wegen Erholungsurlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Appl Schmitt