Bundesgerichtshof Urteil, 03. Aug. 2017 - 4 StR 202/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:030817U4STR202.17.0
bei uns veröffentlicht am03.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 202/17
vom
3. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:030817U4STR202.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. August 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin B. H. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Nebenklägerin B. H. gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. September 2016 wird als unbegründet verworfen.
2. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des vorbezeichneten Urteils wird als unzulässig verworfen.
3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (in gleichartiger Idealkonkurrenz zum Nachteil der Nebenklägerinnen Z. H. und B. H. ) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet; von einem weiteren Tatvorwurf war der Angeklagte freigesprochen worden. Auf die Revision der Nebenklägerin Z. H. hatte der Senat dieses Urteil auf eine Verfahrensrüge hin durch Urteil vom 30. Juli 2015 aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden war. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil der Nebenklägerin Z. H. ) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15. Juli 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und wiederum Maßnahmen nach den §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und der Nebenklägerin Z. H. hat der Senat mit Beschluss vom 14. Juli 2017 verworfen. Die Nebenklägerin B. H. erhebt mit ihrer Revision eine Verfahrensrüge sowie sachlich-rechtliche Beanstandungen. Das vom Generalbundesanwalt hinsichtlich der Verfahrensrüge vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts begaben sich mehrere Mitglieder der Familie H. am Nachmittag des 11. November 2013 zu Fuß auf den Weg zu einer Rechtsanwaltskanzlei, nachdem es bereits am 9. und am 10. November 2013 zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der Familien H. und K. gekommen war, deren Ausgangspunkt ein Ehestreit des Angeklagten mit seiner damals getrennt von ihm lebenden Frau Ze. , geborene H. , war. Beim Vorbeigehen an einem von Mitgliedern der Familie K. geführten Döner-Imbiss kam es erneut zu einer verbalen und dann auch körperlichen Auseinandersetzung zwischen den anwesenden Mitgliedern der Familien H. und K. . Nachdem die Kontrahenten von Passanten getrennt worden waren, setzten Ze. K. , geborene H. , ihre Mutter B. H. und ihre Schwester Z. H. den Weg fort. Der Angeklagte, der von seiner Schwester telefonisch herbeigerufen worden war, erschien mit seinem Fahrzeug und entdeckte die Frauen auf dem Bürgersteig. Er bremste sein Fahrzeug ab, manövrierte es auf den Bürgersteig, beschleunigte wieder und fuhr mit Verletzungsabsicht auf die Nebenklägerin Z. H. zu, über deren Verhalten bei den früheren Auseinandersetzungen er sich geärgert hatte. Er erfasste Z. H. im Bereich der Hüfte mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 10 bis 15 km/h, woraufhin sie zu Boden stürzte. Die Strafkammer konnte weder feststellen, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, noch dass die Nebenklägerin B. H. , die sich in der Hauptverhandlung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, ebenfalls von dem Pkw des Angeklagten erfasst wurde.

II.

3
Die Revision der Nebenklägerin B. H. ist unbegründet.
4
1. Die Auffassung der Revision, die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin B. H. sei rechtskräftig festgestellt, trifft aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Mai 2017 nicht zu.
5
2. Die Verfahrensrüge, mit der die Nebenklägerin die Verletzung der Aufklärungspflicht beanstandet, weil das Gericht nicht „die Mitglieder der VII. Strafkammer und die übrigen Beteiligten“ zu der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung im ersten Rechtsgang zeugenschaftlich vernommen hat, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist damit unzulässig. Die Nebenklägerin hatte in der jetzigen Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht gemäß § 52 StPO Gebrauch gemacht, sich jedoch mit der Verwertung ihrer früheren Aussagen einverstanden erklärt.
6
a) Es wird zum einen nicht mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit behauptet, welche Angaben die genannten Zeugen in Bezug auf die Aussage der Nebenklägerin in der ersten Hauptverhandlung gemacht hätten (vgl. BGH, Urteile vom 23. August 1988 – 5 StR 157/88, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1 und vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15, NStZ 2016, 721, 723). Die Revision hat zur Begründung der Rüge lediglich das ge- samte Urteil des ersten Rechtsdurchgangs wörtlich wiedergegeben und diejenigen Urteilspassagen, die die Nebenklägerin betreffen, in Fettdruck gesetzt. Was genau die Zeugen zur Aussage der B. H. bekunden sollten, bleibt danach unklar. Die Revision trägt dazu im Übrigen nur vor: „Die Vernehmung der am Urteil und der Hauptverhandlung Beteiligten hätte es dem Landgericht ermöglicht , zu der Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin B. H. Feststellung zu treffen“ (Revisionsbegründung S. 23). Es fehlt überdies an der Behauptung eines bestimmten Beweisergebnisses, weil lediglich vorgetragen wird, dass „nicht von vornherein auszuschließen“ sei, dass das Gericht nach der Beweiserhebung den Angeklagten auch wegen einer Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin B. H. verurteilt hätte (Revisionsbegründung S. 24).
7
b) Die Rüge ist aber auch deshalb nicht ordnungsgemäß erhoben, weil das Beweismittel nicht hinreichend genau bezeichnet ist. „Die Mitglieder der VII. Großen Strafkammer des Landgerichts Essen“ werden nicht namentlich be- nannt. Soweit das Unterlassen der Vernehmung „der weiteren Beteiligten“ an Hauptverhandlung und Urteil beanstandet wird, ist der Antrag vollends unbestimmt.
8
c) Die Revision legt schließlich auch nicht dar, weshalb sich die Beweiserhebung dem neuen Tatrichter aufdrängte. Angesichts des Umstandes, dass die den verschiedenen Familien angehörigen Zeugen jeweils deutliche Be- bzw. Entlastungstendenzen zeigten – wobei der Ehemann der Nebenklägerin sich nicht an irgendwelche Verletzungen erinnern konnte – und neutrale Zeugen, die den Vorfall gesehen hatten, ein Anfahren der Nebenklägerin B. H. nicht bestätigt haben (UA S. 37), wären Ausführungen hierzu erforderlich gewesen. Hinzu kommt, dass die Berichterstatterin des ersten Rechtsgangs – RiLG M. –, in der Hauptverhandlung als Zeugin gehört wurde. Ob diese Zeu- gin auch zu den Angaben der Nebenklägerin in der früheren Hauptverhandlung befragt wurde, teilt die Revision nicht mit.
9
3. Soweit die Revision mit Einzelerwägungen die Beweiswürdigung angreift (Revisionsbegründung S. 24 ff.), ist eine weitere Verfahrensrüge nicht zulässig erhoben. Ob die Hauptverhandlung zu den von der Revision behaupteten Beweisergebnissen geführt hat, kann ohne eine – unzulässige (vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 261 Rn. 38a mwN) – Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden. Die auf die Sachrüge veranlasste revisionsrechtliche Prüfung der Nichtverurteilung des Angeklagten wegen einer gefährlichen Körperverletzung oder gar eines versuchten Tötungsdelikts zu Lasten der Nebenklägerin B. H. zeigt keinen Rechtsfehler auf.
10
4. Soweit in der Revisionsbegründung ausdrücklich auch die Kostenentscheidung angefochten wird, hat der Senat das Rechtsmittel als - insoweit ausschließlich statthafte - sofortige Beschwerde zu behandeln (§ 464 Abs. 3 StPO). Diese ist wegen Versäumung der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO unzulässig. Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Feilcke

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(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 223/15
vom
3. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Dezember
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter – in der Verhandlung –,
die Nebenkläger in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Januar 2015 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionskläger zu tragen; im Übrigen wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags zu der einheitlichen Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten , die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge begründet ist. Die Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begange- nen Totschlags und erstreben insoweit eine Verurteilung wegen Mordes. Während die Rechtsmittel der Nebenkläger durchdringen, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen waren der zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte und sein langjähriger, zwei Jahre jüngerer Freund, das spätere TatopferL. M. , am Abend des Tattags mit dem Fahrzeug des Angeklagtenunterwegs. Nachdem sie beim Autohof G. etwas gegessen hatten und sodann inder Umgebung herumgefahren waren, bogen sie von der Landstraße in einen Feldweg ab und hielten dort zunächst an einer Scheune an, um nachzusehen, was sich in der Scheune befand. Anschließend setzten sie ihre Fahrt über die Feldwege fort, bis sie an einer weiteren Scheune erneut anhielten. Beide stiegen aus und gingen zu der Längsseite der Scheune, an der sich ein großes, massives und verschlossenes Tor befand. Möglicherweise versuchte der Angeklagte mit einer mitgebrachten Metallstange ein Brett des Scheunentors beiseitezuschieben , während L. M. sich fortwährend mit seinem Mobiltelefon beschäftigte. Möglich ist auch, dass sich zwischen beiden eine kurze verbale Auseinandersetzung entwickelte, in deren Verlauf der Angeklagte seinem Freund vorhielt, dass es keinen Sinn mache, etwas zu schreiben, da die Mäd- chen ihn sowieso nicht wollten und ihn ständig „verarschten“, worauf L. M. entgegnete, dass der Angeklagte derjenige sei, der überhaupt nichts geregelt und für sein Alter „kein Mädchen an den Start bekomme“. Des Weiteren be- zeichnete L. M. den Angeklagten nicht ausschließbar als „armes Würst- chen“, was den Angeklagten verletzte. Zu darüber hinausgehenden Aggressivi- täten oder gar einer körperlichen Auseinandersetzung kam es aber nicht. L. M. nahm daraufhin sein Klappmesser und begann, sich damit im Bereich eines in dem Scheunentor wenige Zentimeter über dem Erdboden vorhandenen Lochs zu schaffen zu machen. Dabei kniete oder hockte er sich hin und drehte dem Angeklagten den Rücken zu.
3
Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt, L. M. zu töten, wobei ihm bewusst war, dass das Tatopfer in dieser Situation mit keinem Angriff rechnete und einen Angriff von hinten nicht rechtzeitig genug bemerken würde, um sich noch wehren zu können. Der Angeklagte stellte sich hinter L. M. , holte mit der 1,11 m langen und 1.539 g schweren Metallstange aus und schlug dem Opfer in Tötungsabsicht mit voller Wucht von hinten auf den Hinterkopf. Infolge des Schlags kippte L. M. bewusstlos nach links zur Seite, sodass sein Körper mit dem Rücken und sein Kopf mit der rechten Gesichtshälfte auf dem Boden zu liegen kamen, und begann sofort stark im Kopfbereich und aus den Ohren zu bluten. Der Angeklagte schlug mindestens zwei weitere Male mit der Metallstange mit voller Wucht auf den Kopf des auf dem Boden liegenden bewusstlosen L. M. ein, um ihn sicher zu töten. Durch die Schläge auf den Kopf erlitt das Opfer u.a. ein hochgradiges Schädel-Hirn-Trauma mit umfangreichen Schädelbrüchen und Hirnverletzungen, die mit Sicherheit nach einiger Zeit zum Tod des Opfers geführt hätten.
4
In der Annahme, L. M. sei durch die Schläge bereits getötet worden oder werde in kurzer Zeit versterben, begab sich der Angeklagte nach dem letzten Schlag zu seinem Fahrzeug, legte die Metallstange in den Kofferraum und fuhr zur Landstraße zurück. Nachdem er die Metallstange am Rand eines Feldweges in den Straßengraben geworfen hatte, fuhr er wiederum zum Autohof G. , wo er sich kurze Zeit aufhielt. Da der Angeklagte den Verdacht, L. M. erschlagen zu haben, von sich weisen wollte, fasste er spätestens nach dem Verlassen des Autohofs den Entschluss, zurück zur Scheune zu fahren, die Polizei zu informieren und wahrheitswidrig anzugeben, er habe L. M. auf dessen Bitte allein an der Feldscheune absetzen sollen und ihn dann dort tot aufgefunden, als er ihn wieder habe abholen wollen. Als der Angeklagte wieder zu dem unverändert am Boden liegenden Tatopfer kam, stellte er aber fest, dass L. M. wider Erwarten noch nicht verstorben war. Er beschloss nunmehr, ihn endgültig zu töten. Mit einem aus seinem Fahrzeug herbeigeholten Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm schnitt er dem rücklings auf dem Boden liegenden Tatopfer, das wegen der durch die Schläge verursachten Schädelverletzungen zu keiner Abwehrreaktion mehr in der Lage war, mit erheblicher Kraftentfaltung den Hals über eine Länge von 11,5 cm bis zur Wirbelsäule durch, wobei er das Messer mindestens zweimal ansetzen musste. L. M. verstarb schließlich infolge der Halsschnitte an einem zentralen Hirnversagen in Kombination mit Verbluten.
5
In rechtlicher Hinsicht hat die Jugendkammer nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, ohne dies näher auszuführen, die Schläge mit der Metallstange als versuchten heimtückischen Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und die den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Messerschnitte als tatmehrheitlich begangenen Totschlag gewertet.

II.


6
1. a) Der Rechtsmittelangriff der Nebenkläger erfasst den gesamten Schuldspruch. Die mit Revisionseinlegung erklärte Beschränkung der Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Totschlags erweist sich als unwirksam.
7
Zwar kann die Anfechtung eines Urteils nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs innerhalb einer prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO regelmäßig auf einzelne materiell-rechtlich selbständige Straftaten beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 318 Rn. 10 mwN). Eine wirksame Teilanfechtung setzt aber nach den allgemein für die Beschränkung von Rechtsmitteln geltenden Grundsätzen im Einzelfall voraus, dass sich die Anfechtung auf einen Beschwerdepunkt bezieht, der nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden kann, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Beschluss vom 15. Mai 2001 – 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die abgeurteilten Angriffshandlungen des Angeklagten mit der Metallstange einerseits und dem Messer andererseits wegen der Mitursächlichkeit beider Handlungsakte für den eingetretenen Todeserfolg materiell-rechtlich nicht gesondert gewürdigt werden können (unten II. 2.).
8
b) Der Revisionsbegründung der Nebenkläger ist trotz verschiedener möglicherweise missverständlicher Ausführungen, die sich mit dem Strafausspruch des angefochtenen Urteils und der Höhe der verhängten Jugendstrafe befassen, noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Nebenkläger eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes erstreben und damit ein zulässiges Rechtsmittelziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgen.
9
2. Die Revisionen der Nebenkläger sind begründet. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Denn auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat sich der Angeklagte eines vollendeten Heimtückemordes schuldig gemacht, weil er bereits durch die Schläge mit der Metallstange eine Ursache für den später unmittelbar durch die Messerschnitte herbeigeführten Tod des Opfers setzte und dieser Ursachenzusammenhang von seinem ursprünglichen Vorsatz umfasst war.
10
a) Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben (BGH, Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00, NStZ 2001, 29, 30). Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 Rn. 21). Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 aaO; vom 30. August2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, StV 1985, 100; vom 18. Juni 1957 – 5 StR 164/57, BGHSt 10, 291, 293 f.; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, bei Dallinger, MDR 1956, 526) oder des Täters selbst handelt (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1993 – 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 198; vom 14. März 1989 – 1 StR 25/89, NJW 1989, 2479 f.; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60, BGHSt 14, 193, 194; vom 23. Oktober 1951 – 1 StR 348/51, bei Dallinger, MDR 1952, 16; RGSt 67, 258 f.), ist dabei ohne Bedeutung.
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Danach waren die mit Tötungsabsicht geführten Schläge mit der Metallstange unbeschadet des Umstands, dass das Tatopfer unmittelbar an den Folgen der späteren Messerschnitte verstarb, für den Tod des Opfers ursächlich. Denn der Einsatz des Messers gegen das bewusstlose, bereits tödlich verletzte Opfer, um es endgültig zu töten, knüpfte an das vorausgegangene Geschehen an und wäre ohne die durch die Schläge mit der Metallstange geschaffene Lage nicht möglich gewesen.
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b) Der Tod des Opfers als Folge der mit der Metallstange geführten Schläge ist dem Angeklagten auch subjektiv als von dem die Ausführung der Schläge tragenden Vorsatz mitumfasst zuzurechnen. Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135; vom 21. April 1955 – 4 StR 552/54, BGHSt 7, 325, 329). Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 1 StR 676/10, BGHSt 56, 162, 166; Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34; Vogel in LK-StPO, 12. Aufl., § 16 Rn. 56 ff. mwN). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten oder eine nicht mehr vom Tötungsvorsatz getragene Verdeckungshandlung des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden (vgl. BGH, Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60 aaO; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, aaO).
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Im vorliegenden Fall ist nach den festgestellten Tatumständen eine lediglich unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf gegeben. Der Umstand, dass der Tod des durch die Schläge mit der Metallstange bereits tödlich verletzten Tatopfers unmittelbar durch die im Zuge der Bemühungen um eine Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung gegen das wider Erwarten noch nicht verstorbene Opfer geführten Messerstiche bewirkt wurde, bewegt sich nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und rechtfertigt keine andere Bewertung der Tat.
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c) Der Angeklagte hat sich durch die mit der Metallstange geführten Schläge gegen das Tatopfer damit eines vollendeten Mordes in der Tatbestandsalternative der heimtückischen Tötung schuldig gemacht. Der durch die Messerschnitte nach Auffassung des Landgerichts gleichfalls verwirklichte Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB tritt, da die Herbeiführung des Todeserfolgs dem Angeklagten strafrechtlich nur einmal angelastet werden kann, konkurrenzrechtlich hinter den Mord zurück (vgl. Rogall, JZ 1993, 1066, 1068).
15
d) Die Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2001 – 5 StR 432/00 – (NStZ 2002, 253) steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen, weil dem Urteil des 5. Strafsenats nicht zu entnehmen ist, ob die dort vorgenommene rechtliche Würdigung auf einer abweichenden Rechtsansicht oder einer einzelfallbezogenen Bewertung festgestellter Tatumstände beruht.
16
e) Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09 Rn. 27) – zur Aufhebung des Urteils. An der vom Generalbundesanwalt beantragten Schuldspruchänderung sieht sich der Senat durch die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO gehindert, da der Angeklagte, dem in der Anklage hinsichtlich der Schläge mit der Metallstange ein versuchter Mord angelastet worden ist, auf die Möglichkeit einer an die Schläge anknüpfenden Verurteilung wegen vollendeten Mordes bislang weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht hingewiesen worden ist.

III.


17
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
18
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts zu bemerken:
19
Die Verfahrensrüge, mit welcher der Beschwerdeführer ein Verwertungsverbot hinsichtlich der durch Zeugenvernehmung der jeweiligen Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren wegen des Unterbleibens einer Beschuldigtenbelehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie des Fehlens einer auf die Unverwertbarkeit früherer Angaben hinweisenden qualifizierten Beschuldigtenbelehrung geltend macht, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn dem Vortrag der Re- vision ist nicht zu entnehmen, ob die Widersprüche gegen die Verwertung rechtzeitig spätestens bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt im Anschluss an die Vernehmung der Vernehmungspersonen erfolgt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.; Diemer in KK-StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28 mwN). Soweit sich die Revision unter dem Gesichtspunkt einer unterbliebenen qualifizierten Beschuldigtenbelehrung gegen die Verwertung der vom Angeklagten nach Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO gemachten Angaben wendet, wäre die Rüge aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen auch unbegründet, weil die Jugendkammer aufgrund der gebotenen Abwägung im Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702, 703; Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112 Rn. 14 ff.; vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452) rechtsfehlerfrei ein Verwertungsverbot verneint hat.
20
Die Aufklärungsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer erneuten Befragung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. K. beanstandet, erfüllt mangels Vortrags zu dem erwarteten Beweisergebnis (vgl. Meyer-Goßner aaO, § 244 Rn. 81 mwN) nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Schließlich dringen auch die Beweisantragsrügen nicht durch, die sich auf die beantragte Einholung eines weiteren rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Zeitdauer des Auftretens von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich beziehen. Denn der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Ablehnung dieser Beweisanträge beruht. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung zum festgestellten Sachverhalt an keiner Stelle auf die für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten erforderliche Zeitspanne abgestellt. Dies gilt entgegen dem Vorbringen der Revision auch für die Feststellung einer zeitlichen Zäsur zwischen den Schlägen mit der Metallstange und der Ausführung der Messerschnitte, die das Landgericht auf die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gestützt hat, welche die Jugendkammer als durch andere Beweisergebnisse bestätigt gesehen und als glaubhaft bewertet hat. Lediglich für die Frage, ob die rechtsmedizinischen Befunde den Angaben des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung entgegenstehen , hat die Jugendkammer Überlegungen zur erforderlichen Zeitdauer für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten angestellt, die aber für die vom Beschwerdeführer unter Beweis gestellte kürzere Zeitspanne erst recht zutreffen. Auch im Übrigen werden die vom Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung gezogenen Schlussfolgerungen durch das in den Beweisanträgen behauptete raschere Auftreten von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich nicht in Frage gestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.

(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung.

(3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.