Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 129/11
vom
20. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Volksverhetzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. September 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 8. November 2010 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Freispruch wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, während einer Kundgebung des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der NPD durch Ausrufe während des Aufzuges sowie durch eine Rede in einer Weise, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt zu haben (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 StGB in der Fassung des Verbrechensbekämpfungsgesetzes vom 28. Oktober 1994, BGBl. I S. 3186).
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1. Die Strafkammer hat dazu Folgendes festgestellt: http://www.ausländerstopp.nrw.de/ - 4 -
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Am 25. Oktober 2008 fand in Bochum der von dem Landesverband Nordrhein-Westfalen der NPD angemeldete Aufzug statt. Das zuvor auf dessen Homepage bekannt gegebene Motto lautete: „Deutsche wehrt Euch – Gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität!“ Der unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestrafte Angeklagte, der seit ca. 1979 politisch im „rechten Spektrum“ aktiv ist und demBundesvorstand der NPD angehört, war als Gastredner eingeladen. Das Thema der Veranstaltung war ihm bekannt. Nicht festgestellt werden konnte, dass er in die Vorbereitung und Gestaltung der Veranstaltung eingebunden war.
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Gegen 13.00 Uhr versammelten sich ca. 250 Teilnehmer einschließlich des Angeklagten. Auf einem mitgeführten Lkw waren eine Lautsprecheranlage sowie ein Transparent mit der Aufschrift „www.ausländerstopp.nrw.de“ ange- bracht. Während des Umzugs skandierte der Angeklagte über die Lautspre- cheranlage wiederholt: „Hoch die nationale Solidarität!“. Weiterhin äußerte er: „Ist der Ali kriminell, in die Heimat, aber schnell!“ sowie „Multikulti ist kein Him- melsgesetz. Multikulti und Masseneinwanderung sind nicht vom deutschen Volk gewollt, …“. Daneben führte er sinngemäß unter anderem aus, die Deutschen hätten ein Recht darauf, sich gegen eine seines Erachtens fehlgeleitete Politik, die den Interessen der „Nochmehrheitsbevölkerung“ widerspreche, zu wenden. Während des Aufzugs kam es zu Protesten von Gegendemonstranten.
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Gegen 14.00 Uhr erreichte der Aufzug den Kundgebungsplatz, wo sich zahlreiche Gegendemonstranten aufhielten. Dort hielt der Angeklagte gegen 15.00 Uhr im Anschluss an zwei andere Personen eine Rede. Hierbei stand er auf der Ladefläche des Lkw und nutzte die Lautsprecheranlage. Am Rednerpult war vom Veranstalter ein Plakat angebracht worden, welches drei Personen zeigte, die Kapuzen über den Kopf gezogen hatten und Sonnenbrillen trugen. http://www.ausländerstopp.nrw.de/ - 5 - Eine der abgebildeten Personen hielt einen Schlagstock in der Hand. Das Bild war überschrieben mit „Deutsche wehrt euch!“ Unter dem Bild stand „Gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität!“ Unten auf dem Plakat stand: „www.ausländerstopp.nrw.de“. Während der Rede des Angeklagten zeigten einige Teilnehmer Transparente mit den Aufschriften: „Gegen Islamisierung, Überfremdung und Ausländerkriminalität“ und „kriminelle Ausländer raus“.
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Der Angeklagte hielt die Rede frei und sprach wegen des durch die Gegendemonstration verursachten Lärms zwar laut; von der Vortragsweise her waren aber keine Auffälligkeiten erkennbar. In Redepausen erfolgten Beifallskundgebungen , die jedoch im Vergleich zu den Reaktionen auf die weiteren Reden deutlich gemäßigter und moderater ausfielen. Während der Rede kam es nicht zu Zurufen mit ausländerfeindlichen Inhalten aus der Gruppe der Zuhörer.
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Zu Beginn seiner Rede verwies der Angeklagte darauf, dass sie als „nationale Opposition“ wieder Flagge gezeigt und die Medien gezwungen hätten zu berichten, dass es auch etwas anderes als den „multikulti Wahnsinn“ der etablierten „Einheitsparteien“ gebe. Sie hätten die Medien gezwungen, sich eindeu- tig klar hinzustellen, ob sie auf der Seite des Volkes stünden oder auf der Seite der „multikulturellen, multikriminellen Massenpsychose“, der sie „unser Volk“ aussetzten. Der gegen die Deutschen schlagende „multikulti Wahnsinn“ sei auch heute wieder darin erkennbar geworden, dass sie ein Transparent mit der Aufschrift: „Multikulti ist Völkermord“ nicht hätten zeigen dürfen. Dieses sei Un- terdrückung der freien Meinungsäußerung. Der Angeklagte erinnerte dabei an den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten, der genau dies gesagt habe. Nach dessen Meinung sei „Multikulti“ Völkermord zum Nachteil des türkischen Volkes. Sodann äußerte der Angeklagte wörtlich: „Wir haben als Deutsche das Recht in die Öffentlichkeit zu gehen, Öffentlichkeit herzustellen, um damit zu dokumentieren, dass wir als Deutsche nicht bereit sind, widerspruchslos zur Minderheit im eigenen Lande zu werden.“
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Ferner führte der Angeklagte aus, die „Einheitspolitiker, diese Multikultifanatiker“ , gingen mit großem Aufwand, mit Pressekampagnen und mit der ganzen Macht der etablierten Parteien gegen sie vor. Sie würden jedoch das Spiel dieser Politiker als ein von oben aufgepfropftes, von oben aufgesetztes Spektakel entlarven, das meilenweit an den Interessen und an der Wirklichkeit des eigenen Volkes vorbeigehe; er behauptete, die schweigende Mehrheit der Deutschen denke inzwischen, „Multikulti“ sei gescheitert und zerstöre die ge- wachsenen Strukturen des Volkes.
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Im Folgenden kritisierte der Angeklagte die für den Polizeieinsatz vor Ort sowie die für die akustischen Störungen während der Veranstaltung Verantwortlichen und führte davon abgrenzend in Bezug auf die Teilnehmer aus, sie dagegen seien Deutsche. Sie hätten und würden es nicht vergessen, was das ewige Recht „unseres Volkes“ sei, das Recht, sein Überleben zu sichern sowie es das Recht eines jeden anderen Volkes auf dieser Welt sei, und so sähen sie sich eins mit den nationalistischen Befreiungsbewegungen, mit nationalen, sozialen Bewegungen überall in der Welt. Nach seinen Ausführungen stünden „überall … die Völker auf gegen den amerikanischen ‚one World’-Traum und deren multikriminellen, internationalistischen Börsengaunern, die die Welt lang- sam aber sicher der internationalen Hochfinanz zum Fraße vorwerfen … und auch das letzte Volk in Unfreiheit führen wollen“.
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Sodann führte der Angeklagte weiter zur weltwirtschaftlichen Situation aus, das „liberal-kapitalistische ‚Anti-Menschentum’“ gehe einem großen Exo- dus entgegen. Ein aufgepumptes Finanzsystem der internationalen Börsenspekulanten habe dafür gesorgt, das jetzt der Crash komme. Dieser habe gezeigt, dass all’ das, wofür diese Politiker, wofür diese „Börsengauner“ stünden, zu- sammenbreche. Es sei eine falsche Welt mit falschen Werten.
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Daneben griff der Angeklagte das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ auf und führte dazu aus, dass sie gerade erlebten, wie die „Links Partei“ versuche, mit sozialen Themen als „Bauernfänger“ die Menschen wieder einmal „für dumm zu verkaufen“. Die „Links Partei, die … für Multikulti, für Masseneinwanderung und somit auch für die Zerstörung des Sozialsystems unseres Volkes“ stehe, habe gefordert, eine sozial gerechte Globalisierung zu erkämpfen. Dies funktioniere aber nicht, weil sie als „nationale Kämpfer“ wüssten, dass sozial nur national gehe. Soziale Errungenschaften seien von den Franzosen, Engländern und Deutschen in Jahrhunderte langem Ringen erkämpft worden und nicht von ir- gendwelchen inhomogenen „Multikultimassen“. Soziale Gerechtigkeit sei Aus- druck einer Lebensform, ein kultureller Bestandteil eines Volkes und könne nur von einem gewachsenen Volk erkämpft werden. Ferner meinte er, dass sie in Deutschland in der Zukunft mit massiven Einbrüchen des Sozialsystems zu kämpfen hätten und es mit einer massiven Verelendung in Teilen des Volkes zu tun bekämen. Alles das, was jetzt noch „in Flitter und Glanz und Schein“ zu funktionieren scheine, werde langsam aber sicher zusammenbrechen.
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Der Angeklagte kündigte an, „Parallelgesellschaften“ würden dazu über- gehen, sich ihr Recht zu nehmen, wenn sie es denn nicht mehr bekämen; Auswüchse wie in den Vororten von Paris oder London würden auch Deutschland erreichen. Ganze Stadtteile in Berlin seien inzwischen von der Polizei für nicht mehr handhabbar erklärt worden. Die Polizei habe offen erklärt, dass man der Banden mit dem „multikulturellen Abgrund“ dort nicht mehr Herr werden könne.
Wörtlich äußerte er: „Mafiastrukturen aus dem Ausland haben sich in unsere Gesellschaft hineingefressen. Es fängt ganz klein an in den Ortsämtern, bei den Sozialämtern, wo die Leute unter Druck gesetzt werden, wenn sie vielleicht einer Großfamilie nicht mehr das Geld zugestehen, welches diese Großfamilie beansprucht. Ganz klein fangen die Mafiastrukturen an, aber sie fressen sich seit Jahrzehnten in die Gesellschaft hinein, bis hoch in höchste politische Ämter. Wir müssen davon ausgehen, dass dieses System langsam aber sicher am Ende ist und krepiert.“
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Abschließend führte er aus, dass sie die letzte Chance für „unser Volk“ seien. Sie, die „noch Deutsche sein wollten in Deutschland“, würden schon bald von den Deutschen in diesem Lande die Unterstützung erfahren in der Masse, für die sie seit Jahren auf die Straße gingen, denn der Untergang der „multikulturellen Gesellschaft“ sei vorprogrammiert. Dabei forderte er die Teilnehmer auf, ohne zu zögern und ohne Angst auch zukünftig gemeinschaftlich auf die Straße zu gehen, weil sie es nur als eine Einheit der Deutschen, als eine „Kampfgemeinschaft aller nationalen Kräfte“ schaffen würden, Veränderungen in diesem Lande herbeizuführen. Zugleich sprach er indirekt von innerparteili- chen Schwierigkeiten, die „ihr großes Werk einer Gesamtbewegung“ zu zerre- den oder zu zerstören drohten, und endete mit den Worten: „Es ist unsere Aufgabe als nationale, soziale Bewegung zusammenzustehen, nur gemeinsam werden wir den Sieg erringen.“
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2. Das Landgericht meint, nach den getroffenen Feststellungen sei der objektive Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 StGB aF nicht erfüllt. Die auf der Grundlage der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze vorzunehmende Würdigung der Äußerungen des An- geklagten führe auch unter Berücksichtigung der festgestellten Begleitumstände nicht allein zu einer die Strafbarkeit begründenden Auslegung (UA 10).

II.


16
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
17
Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 StGB aF nicht vorliegen, weil der Angeklagte nicht zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt hat. Die am 22. März 2011 in Kraft getretene Neufassung des § 130 Abs. 1 StGB durch Gesetz vom 16. März 2011 (BGBl. I S. 418) hat diese Tatvariante nicht geändert und ist daher kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.
18
Die in Deutschland lebenden Ausländer kommen als hinreichend abgrenzbarer und damit vom Tatbestand der Volksverhetzung geschützter Teil der Bevölkerung in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 1988 – 3 StR 561/87, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 2; Urteil vom 8. August 2006 – 5StR 405/05, BGHR StGB § 130 Abs. 1 Friedensstörung 1; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 368; OLG Brandenburg NJW 2002, 1440; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Mai 2011 – 1 Ss 175/11; LK-Krauß, StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 28, 31; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 130 Rn. 3, 4). Unter Aufstachelung zum Hass ist ein Verhalten zu verstehen, welches auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende, feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil oder die betreffende Gruppe zu erzeugen oder zu verstärken (BGH, Urteile vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 102, vom 12. Dezember 2000 – 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 217, vom 8. August 2006 – 5 StR 405/05, BGHR StGB § 130 Abs. 1 Friedensstörung 1 und vom 3. April 2008 – 3 StR 394/07, BGHR § 130 Nr. 1 Aufstacheln 2).
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1. Die Annahme des Landgerichts, „eine (allein) zur Strafbarkeit führende Auslegung der Äußerungen des Angeklagten (sei) auch unter Berücksichtigung der … festgestellten Begleitumstände nicht möglich (UA 10), bei der vorzuneh- menden Gesamtbetrachtung (sei) kein Fall gegeben, bei dem die Äußerungen des Angeklagten nur so gedeutet werden können, dass er seine Angriffe auch unmittelbar gegen die in Deutschland lebenden Ausländer gerichtet“ habe (UA 11), hält rechtlicher Nachprüfung stand.
20
a) Bei der Deutung des objektiven Sinns der Äußerungen des Angeklagten hat das Landgericht die Anforderungen beachtet, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben :
21
Dieses Grundrecht gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (BVerfGE 93, 266, 289). Jedermann hat insbesondere in der öffentlichen Auseinandersetzung, zumal im politischen Meinungskampf, das Recht, auch in überspitzter und polemischer Form Kritik zu äußern (BVerfG NJW 1992, 2750). Meinungen genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit, Werthaltigkeit oder Richtigkeit ankäme. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden (vgl. BVerfGE 61, 1, 7; 85, 1, 14 f.; 90, 241, 247). Geschützt sind damit grundsätzlich auch – in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG – rechtsextremistische Meinungen (vgl. BVerfGK 7, 221, 227; 8, 159, 163; BVerfG EuGRZ 2008, 769, 772; 2011, 88; NJW 2010, 47, 49).
22
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG eine Schranke in den allgemeinen Gesetzen (vgl. näher BVerfGE 7, 198, 208 f.; BVerfGK 13, 1, 4 f.), zu denen auch § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF gehört.
23
Bei der Subsumtion unter diese Strafvorschrift ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung, dass der Sinn der Meinungsäußerung zutreffend erfasst wird. Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung. Maßgeblich ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums objektiv hat. Dabei ist stets von dem Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und ihren Begleitumständen bestimmt, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; BVerfG NJW 2008, 2907, 2908). Es ist deshalb von Bedeutung, ob sich die Äußerungen an einen in irgendeiner Richtung voreingenommenen Zuhörerkreis richten und ob den Zuhörern die politische Einstellung des Angeklagten bekannt ist. Diese Umstände können Hinweise darauf geben, wie der durchschnittliche Zuhörer die Äußerungen auffassen wird (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 4 StR 283/05, NStZ-RR 2006, 305 mwN). Die Notwendigkeit der Berücksichtigung begleitender Umstände ergibt sich in besonderer Weise dann, wenn die betreffende Formulierung ersichtlich ein Anliegen nur in schlagwortartiger Form zusammenfasst (vgl. BVerfGK 13, 1, 5; BVerfG NJW 2009, 3503, 3504). Ein solcher Fall liegt typischerweise bei dem Motto einer Versammlung vor, das in der Regel nur den Kern eines Anliegens in knappen Worten zum Ausdruck bringen kann.
24
Ist eine Äußerung mehrdeutig, so haben die Gerichte, wollen sie die zur Anwendung sanktionierender Normen führende Deutung ihrer rechtlichen Würdigung zu Grunde legen, andere Auslegungsvarianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen (vgl. BVerfGE 85, 1, 13 f.; 94, 1, 9; 114, 339, 349). Gründe dieser Art können sich auch aus den Umständen ergeben , unter denen die Äußerung gefallen ist (vgl. BVerfGE 82, 43, 52). Frühere eigene Kundgebungen kommen nur in Betracht, wenn zu ihnen ein eindeutiger Bezug hergestellt wird (vgl. BVerfG aaO S. 52 f.). Denn mit Art. 5 Abs. 1 GG wäre es nicht vereinbar, wenn Meinungsäußerungen mit dem Risiko verbunden wären, dass der Äußernde wegen einer nachfolgenden Deutung durch die Strafgerichte verurteilt wird, die dem objektiven Sinn seiner Äußerung nicht entspricht. Der Einzelne darf vielmehr in der Freiheit seiner Meinungsäußerung nicht aufgrund von Meinungen eingeengt werden, die er zwar hegen oder bei anderer Gelegenheit geäußert haben mag, im konkreten Fall aber nicht kundgegeben hat (BVerfG aaO S. 53).
25
Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen schließen zwar nicht aus, dass die Verurteilung auf ein Auseinanderfallen von sprachlicher Fassung und objektivem Sinn gestützt wird (vgl. BVerfGE 93, 266, 303), wie dies insbesondere auf in der Äußerung verdeckt enthaltene Aussagen zutrifft. Ein solches Verständnis muss aber unvermeidlich über die reine Wortinterpretation hinausgehen und bedarf daher der Heranziehung weiterer, dem Text nicht unmittelbar zu entnehmender Gesichtspunkte und Maßstäbe. Diese müssen mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar sein (vgl. BVerfGE 43, 130, 139; BVerfG NJW 2008, 2907, 2908). Auf eine im Zusammenspiel der offenen Aussagen verdeckt enthaltene zusätzliche Aussage dürfen die Verurteilung zu einer Sanktion oder vergleichbar einschüchternd wirkende Rechtsfolgen daher nur gestützt werden, wenn sich die verdeckte Aussage dem angesprochenen Publikum als unabweisbare Schluss- folgerung aufdrängt (vgl. BVerfG NJW 2008, 1654, 1655; 2010, 2193). Hierfür müssen die Gerichte die Umstände benennen, aus denen sich ein solches am Wortlaut der Äußerung nicht erkennbares abweichendes Verständnis ergibt (BVerfG NJW 2008, 2907, 2908).
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Bei der Abwägung ist von Bedeutung, ob es sich bei den beanstandeten Äußerungen um Werturteile oder Tatsachenbehauptungen handelt. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab; wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. BVerfGE 99, 185, 196). Bei tatsachenhaltigen Werturteilen spielt die Wahrheit der tatsächlichen Bestandteile eine Rolle. Eine mit erwiesen unwahren Annahmen vermengte Meinung ist weniger schutzwürdig als eine auf zutreffende Annahmen gestützte (vgl. BVerfGE 90, 241, 253).
27
b) An diesen Grundsätzen gemessen begegnet die Deutung des Landgerichts , die Erklärungen des Angeklagten ließen sich – ungeachtet einer ausländerfeindlichen Grundeinstellung – als Äußerung einer ablehnenden Haltung gegen eine bestimmte tatsächliche oder mutmaßlich praktizierte Einwanderungspolitik verstehen und könnten nicht nur so gedeutet werden, dass er seine Angriffe auch unmittelbar gegen die in Deutschland lebenden Ausländer gerichtet habe, keinen rechtlichen Bedenken. Nach dem Wortlaut, dem sprachlichen Kontext und den Begleitumständen, in denen die umstrittenen Äußerungen fielen , kam diese nicht dem Tatbestand des § 130 StGB unterfallende Auslegung in Betracht. Dem standen nachvollziehbare, tragfähige Gründe nicht entgegen.
28
aa) Der von der Revision erhobene Einwand, das Landgericht habe entgegen der vielfach verwendeten Formel einer Gesamtbetrachtung eine solche nicht vorgenommen, geht fehl. Die Strafkammer hat vielmehr ausgehend vom Wortlaut und der konkreten Ausdrucks- und Verhaltensweise des Angeklagten auch die sonstigen Begleitumstände in die Auslegung einbezogen. Insoweit hat sie die zu den einzelnen Themenbereichen jeweils geäußerte Kritik aufgegriffen und einer ausführlichen Bewertung unterzogen. Zudem hat sie sowohl dem Motto der Veranstaltung als auch dem Umstand Rechnung getragen, dass der Angeklagte als Mitglied und Funktionsträger der NPD seit vielen Jahren politisch im rechten Parteienspektrum aktiv und überdies bereits mehrfach wegen politischer Straftaten vorbelastet ist. Sie hat alle erheblichen Gesichtspunkte hinreichend zueinander in Beziehung gesetzt.
29
bb) Die gebotene Gesamtbetrachtung der konkreten Äußerungen einschließlich der Begleitumstände nötigt – entgegen der Auffassung der Revision – nichtzur Annahme, dass der Angeklagte sich unmittelbar gegen die hier lebenden Ausländer wenden wollte; jedenfalls drängt sich bei unbefangener Betrachtung diese Angriffsrichtung nicht sofort derartig auf, dass die vom Landgericht gefundene Auslegung fern liegend wäre (vgl. OLG Stuttgart NStZ 2010, 453, 454).
30
(1) In seiner Rede grenzte der Angeklagte zwar das deutsche Volk von anderen Völkern ab, sprach vom deutschen Volk und im Gegensatz dazu von anderen Völkern, Ausländern, Fremden oder „Parallelgesellschaften“ und be- hauptete, das deutsche Volk sei durch „Überfremdung“ bedroht, weil „Parallel- gesellschaften“ sich in Deutschland „breit“ gemacht hätten und die noch mehr- heitlich deutsche Bevölkerung bedrohten. Auch äußerte er, das deutsche Volk habe – wie nationalistische Befreiungsbewegungen in aller Welt – das Recht, das Überleben im eigenen Land zu sichern und müsse nicht widerspruchslos hinnehmen, eine Minderheit im eigenen Land zu werden.
31
Diese Äußerungen des Angeklagten stehen jedoch der Deutung des Landgerichts nicht entgegen. Sie können zwanglos als Beschreibung der Folgen einer seiner Ansicht nach verfehlten Ausländerpolitik sowie als Aufruf verstanden werden, sich für eine andere Politik einzusetzen, zumal sie im Kontext mit der Kritik an politischen und gesellschaftlichen Kräften, namentlich den von ihm als „Einheitspolitiker“ und „Multikultifanatiker“ bezeichneten Entscheidungs- trägern der „etablierten Parteien“ standen. Dafür spricht auch der Aufbau der Rede selbst. Denn der Angeklagte bezeichnete bereits zu Beginn der Rede die Teilnehmer als „nationale Opposition“ und nahm eine Abgrenzung zu den „etab- lierten Einheitsparteien“ vor. Dabei warf er diesen pauschal vor, den Interessen des eigenen Volkes zuwider zu handeln. Anschließend griff er – in überspitzter und polemischer Form – verschiedene Themenkomplexe (Störungen während der Veranstaltung, die Finanzkrise, Globalisierung und soziale Gerechtigkeit einschließlich einer Gefahr für das deutsche Sozialsystem) auf und kritisierte pauschal unterschiedliche Entscheidungsträger. Abschließend forderte er die Teilnehmer auf, durch gemeinsames Handeln Veränderungen herbeizuführen, wobei er insoweit lediglich auf gemeinsame Demonstrationen verwies. Vor diesem Hintergrund liegt jedenfalls nicht fern, dass sich der Angeklagte mit seiner Rede gegen die bisherige Politik wenden wollte und Änderungen in der Ausländerpolitik anstrebte, besonders weil er schon während des Aufzugs behauptete, in Deutschland werde eine fehlgeleitete Politik gegen die Interessen der „Nochmehrheitsbevölkerung“ geführt.
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Gleiches gilt hinsichtlich der vom Angeklagten während des Umzugs gerufenen weiteren Parolen, zumal § 53 AufenthG die Abschiebung rechtskräftig verurteilter Ausländer ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen sogar zwingend vorschreibt, und die Forderung des Angeklagten zwanglos hierauf bezogen werden kann.
33
Soweit die Revision demgegenüber der Rede den Sinn entnimmt, der Angeklagte habe den Begriff „Parallelgesellschaften“ als Synonym für die in Deutschland lebenden Ausländer verwendet und sich nicht auf eine Kritik an der Politik beschränkt, handelt es sich lediglich um eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten. Denn die hierfür von der Revision aufgegriffenen Textpas- sagen (Ausländer hätten sich aktiv „breit“ gemacht und würden die deutsche Bevölkerung zurückdrängen; Ausländer würden das soziale System „unterwan- dern“, wodurch eine massive Verelendung in Teilen der deutschen Bevölkerung drohe; Parallelgesellschaften würden dazu übergehen, sich ihr Recht zu nehmen , wenn sie es denn nicht bekämen; Mafiastrukturen hätten sich in die deut- sche Gesellschaft hineingefressen, es fange ganz klein an in den Ortsämtern…) können – auch unter Beachtung der Wortschöpfung „multikriminell“ und der Pa- rolen: „Sozial geht nur national!“ und „Hoch die nationale Solidarität!“ – eben- falls als überspitzte Beispiele für die Folgen einer seiner Ansicht nach verfehlten Politik gedeutet werden; sie stehen damit der vom Landgericht getroffenen Wertung nicht entgegen. Die Strafkammer hat zu Recht auch den Umstand in seine Würdigung einbezogen, dass der Angeklagte für eine nicht für verfassungswidrig erklärte Partei aufgetreten ist, der das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG zukommt (vgl. BVerfG NJW 1998, 3631).
34
(2) Die vom Landgericht festgestellten Begleitumstände schließen die von ihm gefundene Auslegung nicht aus.
35
Das Plakat mit dem Motto der Veranstaltung „Deutsche wehrt Euch – Gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität!“, das drei ver- mummte Personen zeigte, wobei eine zudem einen Schlagstock in der Hand hielt, lässt – ungeachtet der aggressiven Form – infolge ihrer knappen Ausdrucksweise verschiedene Deutungen zu; das hat das Landgericht zutreffend erkannt. Der im Imperativ verwendete Begriff „wehren“ ist insoweit neutral, als er sich nicht unbedingt auf eine natürliche Person oder konkrete Personengruppe beziehen muss, sich vielmehr auch auf ein politisches System, auf bestehende politische Verhältnisse beziehen kann. Zwar spricht der Angeklagte selbst wiederholt von „Kampf“ bzw. „Kämpfer“ und bezeichnetdie Teilnehmer als „nationale Befreiungsbewegung“. Gleichwohl kann damit unschwer auch der politische Meinungskampf oder ein Kampf mit politischen Mitteln zum Ausdruck gebracht werden. Dafür streiten auch der Hinweis des Angeklagten, „sie hätten das Recht, in die Öffentlichkeit zu gehen, Öffentlichkeit herzustellen“, und sein Aufruf zur Teilnahme an Demonstrationen, einem regelmäßig der politischen Meinungsbildung dienenden Mittel zur Erreichung von Veränderungen.
36
Gleiches gilt in Bezug auf die Begriffe „Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität“ sowie die am Rednerpult angebrachte Internetadresse. Abgesehen davon, dass dem Angeklagten die Gestaltung der Veranstaltung ausweislich der Feststellungen nicht zugerechnet werden kann, handelt es sich um Schlagworte, die auch in der politischen Auseinandersetzung Verwendung finden und daher seinen Äußerungen insgesamt nicht zwingend einen anderen als den vom Landgericht angenommenen Sinn geben.
37
Soweit die Revision unter Hinweis auf das Urteil des 1. Strafsenats vom 15. März 1994 (1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 101) geltend macht, neben dem Plakat sei bei der Auslegung maßgeblich zu beachten, dass dem Angeklagten die politische Grundeinstellung der Zuhörer bekannt gewesen sei, die sich unter dem Motto zusammengefunden und sich in einer feindseligen Haltung gegen in Deutschland lebende Ausländer gewandt hätten, greift auch dieser Einwand nicht durch. Festgestellt werden konnte insoweit lediglich, dass Teilnehmer des Aufzugs schwarz-weiß-rote Fahnen bzw. eine Fahne in den Farben weiß und rot mit der Aufschrift NPD mit sich führten, Zuhörer Transparente zeigten und in Redepausen Beifall bekundeten, der jedoch im Vergleich zu den Reaktionen auf die anderen Reden deutlich gemäßigter und moderater ausfiel (vgl. in diesem Zusammenhang zur Bedeutung von Beifallskundgebungen BGH aaO). Da die Strafkammer zudem festgestellt hat, dass die Vortragsweise keine Auffälligkeiten erkennen ließ und aus der Gruppe der Zuhörer während der Rede – anders als bei den weiteren Reden – keine Zurufe mit ausländerfeindlichem Inhalt erfolgten, ist trotz einer zu unterstellenden ausländerfeindlichen Grundrichtung der Teilnehmer nicht fern liegend, dass diese die Äußerungen in dem vom Landgericht festgestellten Sinn verstanden. Das Landgericht hat neben den offenen Äußerungen weder für die Zuhörer erkennbare verdeckt enthaltene Aussagen noch Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass sich der Angeklagte auf frühere, als Volksverhetzung gewertete eigene Äußerungen bezog.
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2. Zudem kann das Verhalten des Angeklagten auch nicht als Aufstacheln zum Hass angesehen werden. Allerdings hat sich der Angeklagte dahingehend sinngemäß geäußert, Mafiastrukturen aus dem Ausland hätten sich in die deutsche Gesellschaft hineingefressen, bis in höchste politische Ämter, ausländische Großfamilien würden Mitarbeiter der Sozialämter unter Druck setzen, um Geld zu erlangen, das ihnen nicht zustehe, sowie Parallelgesellschaften würden dazu übergehen, sich ihr Recht zu nehmen, wenn sie es nicht mehr bekämen. Weiter hat er ausgeführt, es drohten massive Einbrüche unseres So- zialsystems und eine massive Verelendung in Teilen „unseres Volkes“. Selbst wenn man der Revisionsführerin im Ausgangspunkt darin folgen würde, dass diese Ausführungen und deren Begleitumstände geeignet wären, eine auf Ablehnung , ggf. auch auf Verachtung beruhende Haltung gegen in Deutschland lebende Ausländer herbeizuführen, so sind sie jedoch weder für sich noch in ihrer Gesamtheit objektiv geeignet, eine emotional gesteigerte feindselige Hal- tung gegen diese Personengruppe zu erzeugen oder zu verstärken. Den Äußerungen ist zwar eine ausgeprägte negative Grundrichtung gegenüber ausländischen Mitbürgern zu entnehmen, und sie widersprechen ohne Zweifel der für die freiheitliche demokratische Grundordnung grundlegenden Erwartung einer Toleranz der deutschen Bevölkerung gegenüber Ausländern (vgl. BVerfG NJW 2010, 2193, 2196). Das Strafgesetzbuch stellt aber nicht schon ausländerfeindliche Äußerungen als solche unter Strafe (BVerfG NJW 2001, 2072, 2073). Da der Angeklagte darüber hinaus keine Bereitschaft zu Übergriffen oder Gewalttätigkeiten gegenüber Ausländern erkennen ließ, vielmehr als Mittel zur Herbeiführung von Veränderungen ausschließlich die Möglichkeit zu demonstrieren erwähnte, ist hier die für ein Aufstacheln zum Hass erforderliche besonders intensive Form der Einwirkung (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 – 3 StR 394/07, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Aufstacheln 2; LK-Krauß, aaO, § 130 Rn. 34, 38, 40) auch unter Beachtung des zu berücksichtigenden Kontextes nicht gegeben. Dies bestätigt der Umstand, dass es während der Rede nicht zu Zurufen mit ausländerfeindlichen Inhalten kam.
Ernemann Cierniak Franke
Bender Quentin

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


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(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

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(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffent

Strafgesetzbuch - StGB | § 130 Volksverhetzung


(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,1.gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehör

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Sept. 2011 - 4 StR 129/11 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

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(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 184/00
vom
12. Dezember 2000
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________
Stellt ein Ausländer von ihm verfaßte Ä ußerungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung
im Sinne des § 130 Abs. 1 oder des § 130 Abs. 3 StGB erfüllen (“Auschwitzlüge”
), auf einem ausländischen Server in das Internet, der Internetnutzern in
Deutschland zugänglich ist, so tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg (§ 9
Abs. 1 3. Alternative StGB) im Inland ein, wenn diese Ä ußerungen konkret zur Friedensstörung
im Inland geeignet sind.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 – 1 StR 184/00 – LG Mannheim
wegen Volksverhetzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Dezember
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte und
sowie
Rechtsanwältin
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 10. November 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte in den Fällen II.1 und II.3 der Urteilsgründe der Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener schuldig ist;
b) im Ausspruch über die in den Fällen II.1 und II.3 verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in drei Fällen, in einem Fall (II.2) zudem in weiterer Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision den Schuldspruch in den Internet-Fällen II.1 und II.3 mit der Begründung an, der Angeklagte hätte auch in diesen Fällen wegen Volksverhetzung verurteilt werden müssen. Zudem beanstandet sie die Strafzumessung. Der Angeklagte erhebt eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat insoweit Erfolg, als die Verurteilung auch wegen Volksverhetzung erstrebt wird; die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

A.


I. Der 1944 in Deutschland geborene Angeklagte ist australischer Staatsbürger. Er emigrierte 1954 mit seinen Eltern nach Australien. Nachdem er dort Philosophie, Deutsch und Englisch studiert hatte, kam er 1970/1971 nach Deutschland, wo er als Lehrer an einer Werkschule tätig war. Anschließend studierte er in Deutschland. 1977 begab er sich nach Afrika, 1980 kehrte er nach Australien zurück und war dort als Lehrer tätig.
1996 schloß sich der Angeklagte mit Gleichgesinnten in Australien zum “Adelaide Institute” zusammen, dessen Direktor er ist. Seit 1992 befaßte er sich mit dem Holocaust. Er verfaßte Rundbriefe und Artikel, die er über das Internet
zugänglich machte, in denen er “revisionistische” Thesen vertrat. Darin wurde unter dem Vorwand wissenschaftlicher Forschung die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Ermordung der Juden bestritten und als Erfindung “jüdischer Kreise” dargestellt, die damit finanzielle Forderungen durchsetzen und Deutsche politisch diffamieren wollten.
II. Drei Publikationen des Angeklagten sind Gegenstand der Verurteilung :
1. Internet-Fall II.1: Zwischen April 1997 und März 1999 – der genaue Zeitpunkt ist nicht festgestellt – speicherte der Angeklagte Webseiten auf einem australischen Server, die von der homepage des Adelaide Institutes über dessen Internetadresse abgerufen werden konnten. Diese Seiten enthielten drei englischsprachige Artikel des Angeklagten mit den Überschriften “Über das Adelaide Institut”, “Eindrücke von Auschwitz” und “Mehr Eindrücke von Auschwitz”. Darin heißt es unter anderem: “In der Zwischenzeit haben wir festgestellt, daß die ursprüngliche Zahl von vier Millionen Toten von Auschwitz ... auf höchstens 800.000 gesenkt wurde. Dies allein ist schon eine gute Nachricht, bedeutet es doch, daß ca. 3,2 Millionen Menschen nicht in Auschwitz gestorben sind – ein Grund zum Feiern.” “Wir erklären stolz, daß es bis heute keinen Beweis dafür gibt, daß Millionen von Menschen in Menschengaskammern umgebracht wurden.” “Keine dieser Behauptungen ist je durch irgendwelche Tatsachen oder schriftliche Unterlagen belegt worden, mit Ausnahme der fragwürdigen Zeugenaussagen , welche häufig fiebrigen Gehirnen entsprungen sind, die es auf eine Rente vom deutschen Staat abgesehen haben.” 2. Fall II.2: Im August 1998 verurteilte eine Amtsrichterin Günter Deckert, weil dieser Max Mannheimer, einen Überlebenden von Auschwitz, beleidigt
hatte. Darauf schrieb der Angeklagte aus Australien einen “offenen Brief” an die Richterin und versandte diesen zugleich an zahlreiche weitere Adressaten, auch in Deutschland, unter anderem an die Berliner Zeitschrift “Sleipnir”. Den englischsprachigen Text des Briefes stellte er in die homepage des Adelaide Institutes ein. In dem Brief warf er Mannheimer vor, Lügen über Auschwitz zu erzählen, und er schrieb unter anderem: “Ich habe Auschwitz im April 1997 besucht und bin aufgrund meiner eigenen Nachforschungen jetzt zu der Schlußfolgerung gelangt, daß das Lager in den Kriegsjahren niemals Menschengaskammern in Betrieb hatte.” 3. Internet-Fall II.3: Ende Dezember 1998/Anfang Januar 1999 stellte der Angeklagte eine weitere Webseite in die homepage des Adelaide Institutes ein. Diese Seite enthielt einen englischsprachigen Artikel des Angeklagten mit der Überschrift “Fredrick Töbens Neujahrsgedanken 1999”. Darin heißt es unter anderem: “In diesem ersten Monat des vorletzten Jahres der Jahrtausendwende können wir auf eine fünfjährige Arbeit zurückblicken und mit Sicherheit feststellen: die Deutschen haben niemals europäische Juden in todbringenden Gaskammern im Konzentrationslager Auschwitz oder an anderen Orten vernichtet. Daher können alle Deutschen und Deutschstämmigen ohne den aufgezwungenen Schuldkomplex leben, mit dem sie eine bösartige Denkweise ein halbes Jahrhundert lang versklavt hat.” “Auch wenn die Deutschen jetzt aufatmen können, müssen sie sich doch darauf gefaßt machen, daß sie weiterhin diffamiert werden, da Leute wie Jeremy Jones von den organisierten Juden Australiens sich nicht über Nacht grundlegend ändern. Ihre Auschwitz-Keule war ein gutes Instrument für sie, das sie gegen alle diejenigen geschwungen haben, die mit ihrer politischen Überzeugung nicht einverstanden sind, um sie ‚funktionsfähig zu machen’, wie Jones sich äußerte.”
Das Landgericht konnte bei den Internet-Fällen weder feststellen, daß der Angeklagte von sich aus Online-Anschlußinhaber in Deutschland oder anderswo angewählt hätte, um ihnen die genannten Webseiten zu übermitteln (zu “pushen”), noch daß – außer dem ermittelnden Polizeibeamten – Internetnutzer in Deutschland die homepage des Adelaide Institutes angewählt hatten.
III. Die Publikationen des Angeklagten hat das Landgericht wie folgt rechtlich gewürdigt:
1. In allen drei Fällen hat das Landgericht den Angeklagten wegen Beleidigung (der überlebenden Juden) in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt.
2. In allen drei Fällen habe der Angeklagte das Verfolgungsschicksal der ermordeten und überlebenden Insassen des Konzentrationslagers Auschwitz geleugnet. In den Fällen II.1 und II.3 habe er den Holocaust als erfundenes Druckmittel zur Erlangung politischer Vorteile und im Fall II.3 zusätzlich auch zur Erlangung finanzieller Vorteile bezeichnet.
Durch das von vornherein beabsichtigte öffentliche Zugänglichmachen dieser die Menschenwürde verletzenden Beleidigungen und Verunglimpfungen habe der Angeklagte zugleich auch die Gefahr begründet, daß dadurch der öffentliche Friede gestört würde. Seine ins Internet gestellten Artikel seien geeignet gewesen, das Sicherheitsempfinden und das Vertrauen in die Rechtssicherheit insbesondere der jüdischen Mitbürger empfindlich zu stören.
Das erfülle zwar den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Aber lediglich im Fall II.2 (offener Brief) könne eine Verurteilung auch wegen Volksverhetzung erfolgen. Nur hier läge eine Inlandstat vor, für die deutsches Strafrecht gelte. Für die Internet-Fälle (II.1 und II.3) gelte das deutsche Strafrecht indessen nicht, soweit es die Volksverhetzung betrifft (§ 3 StGB). Insoweit sei kein inländischer Ort der Tat (§ 9 StGB) gegeben, denn gehandelt (§ 9 Abs. 1 1. Alt. StGB) habe der Angeklagte nur in Australien, und einen zum Tatbestand gehörenden Erfolg (§ 9 Abs. 1 3. Alt. StGB) könne es bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt wie der Volksverhetzung nicht geben. Auch sonst (§§ 5 bis 7 StGB) gelte das deutsche Strafrecht nicht.

B.


Presserechtliche Verjährung ist auch bei dem Fall II.1 schon deshalb nicht eingetreten, weil kein Presseinhaltsdelikt vorliegt, denn es geht nicht um die körperliche Verbreitung eines an ein Druckwerk gegenständlich gebundenen strafbaren Inhalts (vgl. BGH NStZ 1996, 492).
C. Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
I. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
1. Rechtsanwalt B. , der Wahlverteidiger des Angeklagten v or dem Landgericht, war am 25. März 1999 wegen Volksverhetzung verurteilt worden, weil er in einem anderen Strafverfahren gegen den dortigen Angeklagten Dek-
kert einen Beweisantrag gestellt hatte, mit dem er den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung unter der Herrschaft des Nationalsozialismus verharmlost hatte. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat der Bundesgerichtshof in der Revisionshauptverhandlung vom 6. April 2000 verworfen (BGHSt 46, 36).
2. Unter Hinweis auf das gegen ihn anhängige Revisionsverfahren hatte der Verteidiger deshalb am 3. November 1999 – noch vor Beginn der zweitägigen Hauptverhandlung am 8. November 1999 – sein Wahlmandat niedergelegt und darum gebeten, ihn auch nicht als Verteidiger zu bestellen, weil er sich nicht in der Lage sehe, eine effiziente Verteidigung zu führen. Gleichwohl bestellte der Vorsitzende der Strafkammer am 4. November 1999 Rechtsanwalt B. als Verteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO mit der Begründung, dieser sei nicht gehindert, an der ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens durch sachdienliche Verteidigung des Angeklagten mitzuwirken.
Am ersten Hauptverhandlungstag gab RechtsanwaltB. nach Feststellung der Personalien des Angeklagten eine Erklärung ab, in der er konkret darlegte, daß er zu einer substantiierten Verteidigung nicht in der Lage sei. In der jetzigen Lage gäbe es für ihn – aus Angst vor weiterer Strafverfolgung – nur die Möglichkeit, die Hauptverhandlung zu verlassen oder schweigend zu verbleiben. Er werde jedoch die Hauptverhandlung, solange er beigeordnet sei, nicht verlassen. Die Verantwortung, ob der Angeklagte sachdienlich verteidigt sei, liege daher beim Vorsitzenden. Am zweiten Hauptverhandlungstag stellte der Angeklagte den Antrag auf Zurücknahme der Bestellung von Rechtsanwalt B. und auf Beiordnung eines namentlich benannten anderen Verteidigers. Der vorgeschlagene Verteidiger lehnte jedoch die Verteidigung wegen Ar-
beitsüberlastung ab. Die Bestellung von Rechtsanwalt B. nahm der Vorsitzende nicht zurück. Rechtsanwalt B. s ei nicht gehindert, den Angeklagten im Rahmen der Gesetze zu verteidigen. Das Vertrauensverhältnis sei ersichtlich nicht gestört. Im übrigen sei dem Angeklagten die persönliche Situation seines Verteidigers bekannt gewesen; gleichwohl habe er keinen anderen Verteidiger beauftragt. Im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot komme eine Zurücknahme der Bestellung nicht in Betracht.
Rechtsanwalt B. stellte in der Hauptverhandlung keine Beweisanträge; nach dem Schluß der Beweisaufnahme machte er keine Ausführungen und stellte auch keinen Antrag.
3. Rechtsanwalt B. legte für den Angeklagten Revision ein. Nachdem der Bundesgerichtshof in dem Verfahren gegen Rechtsanwalt B. den Termin für die Revisionshauptverhandlung bestimmt hatte, wies Rechtsanwalt B. das Landgericht darauf hin, daß mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zu rechnen sei, und beantragte erneut die Bestellung eines anderen Verteidigers. Der Vorsitzende der Strafkammer lehnte den Antrag ab. In der von ihm verfaßten Revisionsbegründungsschrift erhob Rechtsanwalt B. lediglich die allgemeine Sachrüge. Er machte unter Hinweis auf die oben geschilderten Vorgänge geltend, er sei gehindert , die Sachrüge näher auszuführen, und beantragte die Bestellung eines anderen Verteidigers zur weiteren Revisionsbegründung, insbesondere zu der Frage, ob der Angeklagte vor dem Landgericht ordnungsgemäß verteidigt war. Diesen Antrag ließ der Vorsitzende der Strafkammer unbeschieden. Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat mit Verfügung vom 25. Juli 2000 die Bestellung von Rechtsanwalt B. zurückgenommen und dem Angeklagten einen
anderen Verteidiger bestellt, der die Verfahrensrüge erhoben und insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten hat.
II. Mit dieser Verfahrensrüge wird der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend gemacht. RechtsanwaltB. sei aus Furcht vor eigener Bestrafung daran gehindert gewesen, den Angeklagten sachgerecht und effektiv zu verteidigen. Er sei zwar körperlich anwesend gewesen, in der Hauptverhandlung jedoch untätig geblieben, insbesondere habe er keinen Schlußvortrag gehalten (§ 145 Abs. 1 StPO).
III. Der Senat kann offen lassen, ob der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben ist (vgl. BGHSt 39, 310, 313; BGH NStZ 1992, 503), denn sowohl in den Entscheidungen des Vorsitzenden der Strafkammer über die Auswahl und Bestellung als auch über die Nichtzurücknahme der Bestellung liegt ein Verfahrensverstoß, auf dem das Urteil beruhen kann.
1. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß die Verfügung des Vorsitzenden, durch die ein Verteidiger bestellt wird, als Vorentscheidung gemäß § 336 StPO unmittelbar der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, weil das Urteil auf ihr beruhen kann. Die Statthaftigkeit einer solchen Rüge hängt nicht davon ab, daß der Angeklagte zuvor eine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt hat. Dies gilt in gleicher Weise für eine Entscheidung des Vorsitzenden, mit der die Zurücknahme der Bestellung abgelehnt worden ist (BGHSt 39, 310, 311; BGH NStZ 1992, 292; NStZ 1995, 296 jew. m.w.N.; vgl. auch BGH StV 1995, 641; NStZ 1997, 401; StV 1997, 565).
2. Die Entscheidungen des Vorsitzenden verletzten § 140 und § 141 StPO und damit das Recht des Angeklagten auf wirksame Verteidigung (vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c MRK). Sie verstießen zudem gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BGHSt 39, 310, 312). Es lag ein wichtiger Grund vor, Rechtsanwalt B. nicht zu bestellen und dessen Bestellung zurückzunehmen.
Als wichtiger Grund für die Bestellung oder die Zurücknahme der Bestellung kommt jeder Umstand in Frage, der den Zweck der Verteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet. Die Fürsorgepflicht gegenüber dem Angeklagten wird es dem Vorsitzenden regelmäßig verbieten , einen Verteidiger zu bestellen, der die Verteidigung wegen eines Interessenkonflikts möglicherweise nicht mit vollem Einsatz führen kann (BVerfG – Kammer – NJW 1998, 444).
Bei Rechtsanwalt B. lag ein solcher Interessenkonflikt offensichtlich vor. Er konnte den Angeklagten im Hinblick auf sein eigenes Strafverfahren nicht unbefangen verteidigen. Da die Maßstäbe für die Grenzen eines zulässigen Verteidigerverhaltens in Fällen der vorliegenden Art (§ 130 Abs. 5 StGB) höchstrichterlich noch nicht geklärt waren, konnte er keine effektive Verteidigung führen, denn er mußte besorgen, sich selbst strafbar zu machen.
IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß im Fall II.2 zu prüfen sein wird, ob neben dem Leugnungstatbestand (§ 130 Abs. 3 StGB) auch eine qualifizierte Auschwitzlüge (§ 130 Abs. 1 StGB) vorliegt.
D. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge überwiegend Erfolg; auch für die in den Internet-Fällen II.1 und II.3 tateinheitlich begangene Volksverhetzung gilt das deutsche Strafrecht.
I. Die Ä ußerungen in den Internet-Fällen II.1 und II.3 haben einen volksverhetzenden Inhalt, und zwar sowohl nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB als auch nach § 130 Abs. 3 StGB.
1. In beiden Internet-Fällen liegt die sog. qualifizierte Auschwitzlüge (BGH NStZ 1994, 140; BGHSt 40, 97) vor, die den Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Beschimpfungs-Alternative) und des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Aufstachelungs-Alternative) erfüllt.

a) Mit offenkundig unwahren Tatsachenbehauptungen (BVerfGE 90, 241; BGH NStZ 1994, 140; 1995, 340) wird nicht nur das Schicksal der Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus als Lügengeschichte dargestellt, sondern diese Behauptung wird auch mit dem Motiv der angeblichen Knebelung und Ausbeutung Deutschlands zugunsten der Juden verbunden. Im Fall II.1 wird die Qualifizierung insbesondere deutlich durch die Formulierung: “... häufig fiebrigen Gehirnen entsprungen sind, die es auf eine Rente vom deutschen Staat abgesehen haben.”. Im Fall II.3 insbesondere durch die Formulierungen “Schuldkomplex”, “versklavt” und “Auschwitz-Keule”.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht deshalb angenommen, daß der Ä ußerungstatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, zumindest in der Form des
Beschimpfens (vgl. von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 22), gegeben ist. Es liegt eine besonders verletzende Form der Mißachtung vor. Im Fall II.1 insbesondere durch die Formulierung “ein Grund zum Feiern” und im Fall II.3 insbesondere durch die Formulierung “mit dem sie eine bösartige Denkungsweise ein halbes Jahrhundert lang versklavt hat”. Da die Behauptungen darauf ausgingen , feindliche Gefühle gegen die Juden im allgemeinen und gegen die in Deutschland lebenden Juden zu erwecken und zu schüren, liegt auch ein Angriff gegen die Menschenwürde vor (BGH NStZ 1981, 258; vgl. auch BGHSt 40, 97, 100; von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 12, 18; Lenckner in Schönke /Schröder, StGB 25. Aufl. § 130 Rdn. 7).

c) Nach den Feststellungen liegt aber auch – was dem Angeklagten bereits in der Anklage vorgeworfen wurde – eine Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. dazu BGHSt 31, 226, 231; 40, 97, 100; BGH NStZ 1981, 258; 1994, 140; von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 18; Lenckner aaO § 130 Rdn. 5a; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 130 Rdn. 4; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 130 Rdn. 5, 20b). Die Feststellungen belegen (vgl. UA S. 21), daß die Ä ußerungen dazu bestimmt waren, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung und Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen die in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen (vgl. BGHSt 40, 97, 102).
2. Zugleich wird – was gleichfalls angeklagt ist – eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220a Abs. 1 StGB bezeichneten Art geleugnet und verharmlost (§ 130 Abs. 3 StGB). Die vom Angeklagten persönlich verfaßten Internetseiten waren für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Kreis von Personen unmittelbar wahrnehmbar und damit öffentlich (Lackner/Kühl aaO § 80a Rdn. 2). Der Leug-
nungstatbestand des § 130 Abs. 3 StGB steht in Tateinheit zum Ä ußerungstatbestand des § 130 Abs. 1 StGB (von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 50).
3. Soweit daneben der Schriftenverbreitungstatbestand des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b StGB erfüllt sein sollte, wird er von § 130 Abs. 1 StGB verdrängt , wenn sich – wie hier – die Ä ußerung gegen Teile der (inländischen) Bevölkerung richtet (Lenckner aaO § 130 Rdn. 27; für Tateinheit auch insoweit wohl von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 50).
4. Die Voraussetzungen der Tatbestandsausschlußklausel des § 130 Abs. 5 StGB i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB (vgl. dazu BGHSt 46, 36) liegen nicht vor. Die Ä ußerungen dienen nicht der Wissenschaft, Forschung oder Lehre (BVerfG – Kammer – Beschluß vom 30. November 1988 – 1 BvR 900/88 –; BVerwG NVwZ 1988, 933); sie sind auch nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt (BVerfGE 90, 241; BVerfG – Kammer – Beschluß vom 6. September 2000 – 1 BvR 1056/95 –).
5. Die Eignung zur Friedensstörung ist gemeinsames Tatbestandsmerkmal von § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB, die zusätzlich zu der Ä ußerung hinzutreten muß.

a) Mit der Eignungsformel wird die Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB zu einem abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt (vgl. Senat in BGHSt 39, 371 zum Freisetzen ionisierender Strahlen nach § 311 Abs. 1 StGB und in NJW 1999, 2129 zur Straftat nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG); teilweise wird diese Deliktsform auch als “potentielles Gefährdungsdelikt” bezeichnet (BGH NJW 1994, 2161; vgl. auch Sieber NJW 1999, 2065, 2067 m.w.N.). Da-
bei ist die Deliktsbezeichnung von untergeordneter Bedeutung; solche Gefährdungsdelikte sind jedenfalls eine Untergruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte (Senat NJW 1999, 2129).

b) Für die Eignung zur Friedensstörung ist deshalb zwar der Eintritt einer konkreten G e f a h r nicht erforderlich (so aber Rudolphi in SK-StGB 6. Aufl. § 130 Rdn. 10; Roxin Strafrecht AT Bd. 1 3. Aufl. § 11 Rdn. 28; Schmidhäuser, Strafrecht BT 2. Aufl. S. 147; Gallas in der Festschrift für Heinitz S. 181). Vom Tatrichter verlangt wird aber die Prüfung, ob die jeweilige Handlung bei genereller Betrachtung gefahrengeeignet ist (vgl. BGH NJW 1999, 2129 zu § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG).
Notwendig ist allerdings eine konkrete E i g n u n g zur Friedensstörung; sie darf nicht nur abstrakt bestehen und muß – wenn auch aufgrund generalisierender Betrachtung – konkret festgestellt sein (HansOLG Hamburg MDR 1981, 71; OLG Koblenz MDR 1977, 334; OLG Köln NJW 1981, 1280; von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 4; Tröndle/Fischer aaO § 130 Rdn. 2; Lenckner aaO § 130 Rdn. 11; Lackner/Kühl aaO § 130 Rdn. 19 i.V.m § 126 Rdn. 4; Streng in der Festschrift für Lackner S. 140 ). Deshalb bleibt der Gegenbeweis der nicht gegebenen Eignung zur Friedensstörung im Einzelfall möglich.

c) Dieses Verständnis von der Eignung zur Friedensstörung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu vergleichbaren Eignungsdelikten wie dem Freisetzen ionisierender Strahlen nach § 311 Abs. 1 StGB (BGHSt 39, 371; NJW 1994, 2161) oder der Straftat nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG (BGH NJW 1999, 2129). Ä hnliches gilt für den unerlaubten Um-
gang mit gefährlichen Abfällen nach § 326 Abs. 1 Nr. 4 StGB (vgl. BGHSt 39, 381, 385; BGH NStZ 1994, 436; 1997, 189).

d) Für die Eignung zur Friedensstörung genügt es danach, daß berechtigte – mithin konkrete – Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern (BGHSt 29, 26; BGH NStZ 2000, 530, zur Veröffentlichung in BGHSt 46, 36 bestimmt, BGH NStZ 1981, 258).
6. Die Taten waren geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

a) Eine solche Eignung wird durch die bisherigen Feststellungen belegt. Im Hinblick auf die Informationsmöglichkeiten des Internets, also aufgrund konkreter Umstände, mußte damit gerechnet werden – und darauf kam es dem Angeklagten nach den bisherigen Feststellungen auch an –, daß die Publikationen einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt werden.

b) Der Angeklagte verfolgte das Ziel, revisionistische Thesen zu verbreiten (UA S. 3, 4) und er wollte auch, daß jedermann weltweit und damit auch in Deutschland die Artikel lesen konnte (UA S. 18; die mißverständlichen Ausführungen auf UA S. 43 widersprechen dem nicht). Er wollte damit auch aktiv in die Meinungsbildung bei der Verbreitung der Thesen in Kreisen deutscher “Revisionisten” eingreifen, wie der “offene Brief” mit seinem Verteilerkreis im Fall II.2 zeigt.

c) Es ist offenkundig, daß jedem Internet-Nutzer in Deutschland die Publikationen des Angeklagten ohne weiteres zugänglich waren. Die Publikatio-
nen konnten zudem von deutschen Nutzern im Inland weiter verbreitet werden. Daß gerade deutsche Internet-Nutzer – unbeschadet der Abfassung in englischer Sprache – zum Adressatenkreis der Publikationen gehörten und gehören sollten, ergibt sich insbesondere auch aus ihrem Inhalt, der einen nahezu ausschließlichen Bezug zu Deutschland hat (etwa: “untersuchen wir die Behauptung , daß die Deutschen systematisch sechs Millionen Juden umgebracht haben” ; “Die Jagdsaison auf die Deutschen ist eröffnet”; “Daher können alle Deutschen und Deutschstämmigen ohne den aufgezwungenen Schuldkomplex leben”; “Die Deutschen können wieder stolz sein”).

d) Das Landgericht hat daher zu Recht angenommen, daß der Angeklagte eine Gefahrenquelle schuf, die geeignet war, das gedeihliche Miteinander zwischen Juden und anderen Bevölkerungsgruppen empfindlich zu stören und die Juden in ihrem Sicherheitsgefühl und in ihrem Vertrauen auf Rechtssicherheit zu beeinträchtigen (UA S. 21).
II. Das deutsche Strafrecht gilt für das abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikt der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB auch in den Internet-Fällen. Seine Anwendbarkeit ergibt sich aus § 3 StGB in Verbindung mit § 9 StGB. Denn hier liegt eine Inlandstat (§ 3 StGB) vor, weil der zum Tatbestand gehörende Erfolg in der Bundesrepublik eingetreten ist (§ 9 Abs. 1 3. Alt. StGB).
1. Die Auslegung des Merkmals “zum Tatbestand gehörender Erfolg” muß sich an der ratio legis des § 9 StGB ausrichten. Nach dem Grundgedanken der Vorschrift soll deutsches Strafrecht – auch bei Vornahme der Tathandlung im Ausland – Anwendung finden, sofern es im Inland zu der Schädi-
gung von Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist (BGHSt 42, 235, 242; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 9 Rdn. 24). Daraus folgt, daß das Merkmal “zum Tatbestand gehörender Erfolg” im Sinne des § 9 StGB nicht ausgehend von der Begriffsbildung der allgemeinen Tatbestandslehre ermittelt werden kann.
2. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit kann der Gesetzgeber durch verschiedene Ausgestaltungen eines Gefährdungsdelikts vornehmen. Er kann konkrete Gefährdungsdelikte schaffen (wie § 315c StGB), oder aber abstraktkonkrete (wie § 130 Abs. 1 und Abs. 3, § 311 Abs. 1 StGB, § 34 AWG) und rein abstrakte Gefährdungstatbestände (wie § 316 StGB). Wie der Gesetzgeber den Deliktscharakter bestimmt, hängt häufig vom Rang des Rechtsguts und der spezifischen Gefährdungslage ab.
Daß konkrete Gefährdungsdelikte – als Untergruppe der Erfolgsdelikte – dort, wo es zur konkreten Gefahr gekommen ist, einen Erfolgsort haben, ist weitgehend unbestritten (vgl. nur Gribbohm aaO § 9 Rdn. 20 und Hilgendorf NJW 1997, 1873, 1875 m.w.N.). Abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte stehen zwischen konkreten und rein abstrakten Gefährdungsdelikten. Sie sind unter dem hier relevanten rechtlichen Gesichtspunkt des Erfolgsorts mit konkreten Gefährdungsdelikten vergleichbar, weil der Gesetzgeber auch hier eine zu vermeidende Gefährdung – den Erfolg – im Tatbestand der Norm ausdrücklich bezeichnet. Ob bei rein abstrakten Gefährdungsdelikten ein Erfolgsort jedenfalls dann anzunehmen wäre, wenn die Gefahr sich realisiert hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
3. Bei abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten ist ein Erfolg im Sinne des § 9 StGB dort eingetreten, wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im Tatbestand umschriebene Rechtsgut entfalten kann. Bei der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB ist das die konkrete Eignung zur Friedensstörung in der Bundesrepublik Deutschland (Collardin CR 1995, 618: speziell zur Auschwitzlüge, wenn der Täter in Deutschland wirken will; Kuner CR 1996, 453, 455: zu Ä ußerungen im Internet; Beisel/Heinrich JR 1996, 95; Heinrich mit beachtlichen Argumenten in GA 1999, 72; ähnlich Martin ZRP 1992, 19: zu grenzüberschreitenden Umweltdelikten).

a) Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers bei Schaffung des Volksverhetzungstatbestandes im Jahre 1960 (vgl. dazu Streng aaO). Schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen wollte er dem Ingangsetzen einer historisch als gefährlich nachgewiesenen Eigendynamik entgegenwirken und schon den Anfängen wehren (Streng aaO S. 508: “Klimaschutz”).
Mit der Einfügung des Leugnungstatbestandes des § 130 Abs. 3 StGB im Jahre 1994 betonte der Gesetzgeber nochmals die Intention, “eine Vergiftung des politischen Klimas durch die Verharmlosung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zu verhindern” (Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks. 12/8588 S. 8; vgl. auch Bundesministerin der Justiz bei der 1. Beratung des Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes – BTDrucks. 12/7421 – am 18. Mai 1994, Plenarprotokoll der 227. Sitzung des Deutschen Bundestages, S. 19671).
Der Gesetzgeber wollte somit den strafrechtlichen Schutz vorverlagern; schon die “Vergiftung des politischen Klimas” sollte unterbunden werden. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit war – wie das Abstellen auf das “politische Klima” zeigt – auch davon bestimmt, daß eine konkrete Gefährdung oder gar eine individuelle Rechtsgutverletzung nur sehr selten unmittelbar auf eine einzelne Ä ußerung zurückgeführt werden könne (vgl. Streng aaO S. 512, der zusätzlich darauf hinweist, daß die Menschenwürde anderer nur angegriffen, nicht aber verletzt werden muß).

b) Auch sonst wird der Begriff des Erfolgsorts nicht im Sinne der allgemeinen Tatbestandslehre verstanden.
So hat der Bundesgerichtshof bei abstrakten Gefährdungsdelikten einen “zum Tatbestand gehörenden Erfolg” im Sinne des § 78a Satz 2 StGB (Verjährungsbeginn ) durchaus für möglich gehalten: “Bei diesen Delikten [§ 326 Abs. 1 StGB, abstraktes Gefährdungsdelikt] tritt mit der Begehung zugleich der Erfolg der Tat ein, der in der eingetretenen Gefährdung, nicht in einer aus der Gefährdung möglicherweise später erwachsenden Verletzung besteht” (BGHSt 36, 255, 257; siehe auch Jähnke in LK 11. Aufl. § 78a Rdn. 11).
Auch kann ein abstraktes Gefährdungsdelikt durch Unterlassen begangen werden. Dabei setzt § 13 StGB gleichfalls einen Erfolg voraus, “der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört” (vgl. BGH NStZ 1997, 545: Tatbestandsverwirklichung des § 326 Abs. 1 StGB durch Unterlassung, die lediglich nicht fahrlässig war; BGHSt 38, 325, 338: die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB waren durch Unterlassen erfüllt, dieser Tatbestand wurde allerdings von § 324 StGB verdrängt). Das entspricht auch der
überwiegenden Auffassung in der Literatur (Tröndle/Fischer aaO § 13 Rdn. 2; Lackner/Kühl aaO § 13 Rdn. 6; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 13 Rdn. 3; aA Jescheck in LK 11. Aufl. § 13 Rdn. 2, 15).

c) Soweit von einer verbreiteten Meinung die Auffassung vertreten wird, abstrakte Gefährdungsdelikte könnten keinen Erfolgsort im Sinne des § 9 StGB haben (OLG München StV 1991, 504: zur Hehlerei als schlichtem Tätigkeitsdelikt; KG NJW 1999, 3500; Gribbohm aaO § 9 Rdn. 20; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 9 Rdn. 6; Lackner/Kühl aaO § 9 Rdn. 2; Jakobs Strafrecht AT 2. Aufl. S. 117; Horn/Hoyer JZ 1987, 965, 966; Tiedemann/Kindhäuser NStZ 1988, 337, 346; Cornils JZ 1999, 394: speziell zur Volksverhetzung im Internet), wird nicht immer hinreichend zwischen rein abstrakten und abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten differenziert. Aber auch dort, wo die Auffassung vertreten wird, daß abstrakt-konkrete bzw. potentielle Gefährdungsdelikte – als Unterfall der abstrakten Gefährdungsdelikte – keinen Erfolgsort hätten (Hilgendorf NJW 1997, 1873; Satzger NStZ 1998, 112), vermag das nicht zu überzeugen.
Die Verneinung eines Erfolgsorts bei abstrakten Gefährdungsdelikten wird zumeist nicht näher begründet, stützt sich aber ersichtlich auf den geänderten Wortlaut des § 9 StGB. Durch das 2. StrRG vom 4. Juli 1969 (BGBl I S. 717), in Kraft getreten am 1. Januar 1975 (BGBl I 1973 S. 909), wurde der Erfolgsort nicht mehr nur mit dem “Erfolg”, sondern mit dem “zum Tatbestand gehörenden Erfolg” umschrieben. Da eine konkrete Gefahr oder gar eine Gefahrverwirklichung gerade nicht zum Tatbestand eines abstrakten Gefährdungsdelikts gehöre, könne auch der Ort der Gefährdung nicht Tatort sein.
Allerdings war das Ziel der Gesetzesänderung nicht, eine Begrenzung des § 9 Abs. 1 3. Alt. StGB auf Erfolgsdelikte vorzunehmen, wie Sieber (NJW 1999, 2065, 2069) überzeugend dargelegt hat. Das Merkmal “zum Tatbestand gehörender Erfolg” sollte lediglich klarstellen, daß der Eintritt des Erfolges in enger Beziehung zum Straftatbestand zu sehen ist (Kielwein in: Niederschriften über die Sitzung der Großen Strafrechtskommission IV, AT, 38. bis 52. Sitzung, 1958, S. 20).
Mit der Aufnahme der (konkreten) Eignung zur Friedensstörung in den Tatbestand des § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB hat der Gesetzgeber indes die enge Beziehung des Eintritts des Erfolges zum Straftatbestand umschrieben und damit den zum Tatbestand gehörenden Erfolg selbst bestimmt.

d) Auch die vermittelnden Meinungen von Oehler (Internationales Strafrecht 2. Aufl. Rdn. 257), Jescheck (Lehrbuch des Strafrechts AT 4. Aufl. S. 160; nicht eindeutig Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT 5. Aufl. S. 178) und Sieber (NJW 1999, 2065), die bei der hier vorliegenden Fallgestaltung zu einer Verneinung des Erfolgsorts führen würden, vermögen an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern.
4. Für die Anwendung des deutschen Strafrechts bei der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB in Fällen der vorliegenden Art liegt auch ein völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt vor. Denn die Tat betrifft ein gewichtiges inländisches Rechtsgut, das zudem objektiv einen besonderen Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufweist (vgl. Jescheck/Weigend aaO S. 179; Hilgendorf NJW 1997, 1873, 1876; Derksen
NJW 1997, 1878, 1880; Martin ZRP 1992, 19, 22). Auch soll die Verletzung dieses Rechtsguts gerade von dieser Strafvorschrift unterbunden werden.
Das Ä ußerungsdelikt nach § 130 Abs. 1 StGB schützt Teile der inländischen Bevölkerung schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen und will – wegen der besonderen Geschichte Deutschlands – dem Ingangsetzen einer historisch als gefährlich nachgewiesenen Eigendynamik entgegenwirken. Der Leugnungstatbestand des § 130 Abs. 3 StGB hat aufgrund der Einzigartigkeit der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Verbrechen einen besonderen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland (vgl. von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 45; Lackner/Kühl aaO § 130 Rdn. 8a; Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union betreffend die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom 15. Juli 1996, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 24. Juli 1996, Nr. L 185/5).
5. Es kann offen bleiben, ob der Angeklagte auch im Inland gehandelt haben könnte (§ 9 Abs. 1 1. Alt. StGB), wenn ein inländischer Internet-Nutzer die Seiten auf dem australischen Server aufgerufen und damit die Dateien nach Deutschland “heruntergeladen” hätte. Der Senat hätte allerdings Bedenken , eine auch bis ins Inland wirkende Handlung darin zu sehen, daß der Angeklagte sich eines ihm zuzurechnenden Werkzeugs (der Rechner einschließlich der Proxy-Server, Datenleitungen und der Übertragungssoftware des Internets ) zur – physikalischen – “Beförderung” der Dateien ins Inland bedient hätte. Eine Übertragung des im Zusammenhang mit der Versendung eines Briefes (vgl. dazu Gribbohm aaO § 9 Rdn. 39) entwickelten Handlungsbegriffes (zu
Rundfunk- und Fernsehübertragungen siehe auch KG NJW 1999, 3500) auf die Datenübertragung des Internets liegt eher fern.
III. Das deutsche Strafrecht gilt auch für die Erfolgsdelikte der Beleidigung (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 185 Rdn. 15; Roxin aaO § 10 Rdn. 102; Hilgendorf NJW 1997, 1783, 1876) und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 189 Rdn. 2) in den Internet-Fällen. Die Ehrverletzung (zu den Grenzen der Meinungsfreiheit vgl. BVerfG – Kammer – Beschluß vom 6. September 2000 – 1 BvR 1056/95 –) trat jedenfalls mit der Kenntniserlangung des ermittelnden Polizeibeamten ein (vgl. BGHSt 9, 17; Tröndle/Fischer aaO § 185 Rdn. 15; Lenckner aaO § 185 Rdn. 5, 16). Hierbei handelte es sich nicht etwa um vertrauliche Ä ußerungen, von denen sich der Staat Kenntnis verschafft hat (vgl. BVerfGE 90, 255).
IV. Die somit entsprechend § 354 Abs. 1 StPO vorzunehmende Ä nderung des Schuldspruchs in den Fällen II.1 und II.3 führt zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Da der Schuldspruch im Fall II.2 von der Revision der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen wird, war die in diesem Fall verhängte Einsatzstrafe nicht aufzuheben, denn insoweit enthält die Strafzumessung keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.
Schäfer Nack Boetticher Hebenstreit Schaal
5 StR 405/05

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 8. August 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Volksverhetzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August
2006, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt U.
als Verteidiger für den Angeklagten O. ,
Rechtsanwalt N.
alsVerteidigerfürdenAngek lagten M. ,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Dezember 2004 werden verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Volksverhetzung – nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und b vierte Variante StGB – verurteilt, den Angeklagten O. zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 10 €, den Angeklagten M. zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 10 €. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen jeweils eine Schuldspruchänderung, nämlich eine Verurteilung der Angeklagten nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB, und eine Aufhebung der Strafaussprüche. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Die Angeklagten O. und M. bildeten zusammen mit dem früheren Mitangeklagten Horst Mahler das sogenannte „Deutsche http://www.w./ [Link] http://www.h/ [Link] http://www.d/ - 4 - Kolleg“, das sie als ein „Denkorgan des Deutschen Reiches“ bezeichneten. Als „Deutsches Kolleg“ veröffentlichten sie im Internet einen – von ihnen unterzeichneten – Text mit dem Titel „Deutsches Kolleg. Ausrufung des Aufstandes der Anständigen“. Dieser Text wurde vom früheren Mitangeklagten Mahler in das Internet eingestellt und war für jedermann ab dem 15. Oktober 2000 zumindest unter folgenden Internetadressen abruf- und lesbar: www.w. , www.h. , www.d. . Der Text beruhte auf einer Idee des Angeklagten O. . Die veröffentlichte Endfassung des Textes wurde vom früheren Mitangeklagten Mahler und dem Angeklagten O. gemeinsam verfasst. Nach einem Streit darüber, ob von einem „Fortbestand des Deutschen Reiches“ oder von einer „Wiedereinsetzung des Deutschen Reiches“ auszugehen sei, wurde im letzten Teil des Textes ein „100-TageProgramm“ für eine künftige „Notstandsregierung“ formuliert, in dem sich u. a. folgende Programmpunkte finden: „… A. … 1. Beendigung der Ausländerbeschäftigung. 2. Ausschluss ausländischer Arbeitnehmer aus der Arbeitslosenversicherung. 3. Pflicht zur Meldung aller von Ausländern besetzten Arbeitsplätze beim Arbeitsamt als freie Arbeitsplätze, die an volksdeutsche Bewerber vergeben werden müssen, die das Arbeitsamt als geeignet bezeichnet. 4. Einstellungsverbot für ausländische und volksfremde Arbeitskräfte am deutschen Arbeitsmarkt, und zwar auch für Arbeitsplätze, die ausländisches Eigentum sind.
5. Beschäftigungsverbot für ausländische und volksfremde Arbeitskräfte am deutschen Arbeitsmarkt ein Jahr nach Erlass des Einstellungsverbotes.
B. … 1. Hohe Geld- und Arbeitsstrafen für unerlaubten Aufenthalt. … 3. Ausweisung aller arbeitslos gewordenen Ausländer. 4. Ausweisung aller zum Straf- oder Sozialfall gewordenen Ausländer. … 10. Freiräumung aller Asylantenunterkünfte und Ausweisung der Asylbewerber. … E. … 6. Verbot von Ausländerorganisationen in Deutschland, … … J. … 10. Entlastung der deutschen Volksschule von Hilfs- und Fremdschülern, um sie der deutschen Kultur zurückzugeben. …“

I.


4
Die Revisionen der Angeklagten versagen. Das Urteil enthält keinen sachlichrechtlichen Fehler zu ihrem Nachteil.
5
1. Zu Recht hat das Landgericht darin, dass die Angeklagten den genannten Text in das Internet stellten, eine gemeinschaftlich begangene Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und b StGB gefunden.
6
a) Der in das Internet eingestellte Text steht nach § 11 Abs. 3 StGB den Schriften im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB gleich (vgl. BGHSt 46, 212, 216; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 11 Rdn. 36, 36 a).
7
Mit der Einstellung in das Internet wurde der Text im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 lit. a StGB verbreitet und im Sinne von lit. b der genannten Vorschrift öffentlich zugänglich gemacht.
8
b) Der veröffentlichte Text stachelt durch die Summierung der oben genannten Postulate zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, nämlich gegen die in Deutschland lebenden Ausländer, partiell darunter insbesondere die Asylbewerber, auf. Der Aufruf geht zunächst dahin, alle Ausländer von jeder bestehenden oder künftigen Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis in Deutschland und parallel von der Arbeitslosenversicherung auszuschließen und sie alsdann – zum „Sozialfall“ geworden – auszuweisen. Die Schulen sollen von „Fremdschülern“ entlastet werden. Mit der Forderung einer „Freiräumung aller Asylunterkünfte und Ausweisung der Asylbewerber“ wird die umfassende Missachtung des Asylrechts reklamiert. Mit alledem wird die Gesamtheit der in Deutschland lebenden Ausländer – wie das Landgericht es zutreffend bewertet hat – als bloße „Vertreibungsmasse“, die „loszuwerden“ es gelte, gekennzeichnet. Eine solche Stigmatisierung stachelt zum Hass gegen den betroffenen Bevölkerungsteil auf (vgl. von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 25 m. N. der Rspr.).
9
Dem stehen die Einwendungen der Revisionen der Angeklagten nicht durchgreifend entgegen: Dass die veröffentlichte Schrift nur „politische Utopie“ sei, „deren Umsetzung völlig außerhalb der derzeitigen politischen Realität“ liege, schließt die genannte Tatbestandsmäßigkeit nicht aus. Gleiches gilt für das Argument der Beschwerdeführer, dass „etwa 90 % der Programmpunkte“ sich nicht auf Ausländer, sondern auf zahlreiche andere Bevölkerungsgruppen beziehen. Auch angesichts alldessen kommt den die Ausländer betreffenden Programmpunkten ein eigener Erklärungswert zu.
10
c) Nicht etwa stehen der vorbezeichneten Tatbestandsmäßigkeit verfassungsrechtliche Gesichtspunkte entgegen. Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) findet seine Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), zu denen auch § 130 StGB gehört. Hier ergibt sich keine Besonderheit daraus, dass die allgemeinen Gesetze im Lichte der Grundrechte auszulegen sind.
11
d) Vom Vorsatz der Angeklagten hat das Landgericht sich rechtsfehlerfrei überzeugt. Für einen etwaigen Verbotsirrtum gibt es keinen hinreichenden Anhalt.
12
2. Die Überzeugung von der Mittäterschaft des Angeklagten M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei gewonnen. Es hat hierbei auf die Mitgliedschaft des Angeklagten M. im „Deutschen Kolleg“, seine Eigenschaft als „Mitunterzeichner des veröffentlichten Textes“ und auf die – nicht unterzeichnete – Durchschrift eines in seiner Wohnung gefundenen Schreibens vom 30. Mai 2001 an einen K. abgestellt. In dem letztgenannten Schreiben heißt es: „’Der Aufstand der Anständigen’ enthält nicht unsere Reichsordnung, sondern das 100-Tage-Programm. Dieses ’straffe’ Regiment … oder meinetwegen diese Diktatur brauchen wir, um den Augiasstall auszumisten. Wenn Dir das zu scharf ist, kannst Du ja derweil eine 100-tägige Auslandsreise machen. Schmeißen wir die Ausländer eben alleine raus.“ Der aus alledem gezogene Schluss des Landgerichts auf die Mittäterschaft des Angeklagten M. war – was genügt – möglich, darüber hinaus sogar naheliegend. Soweit die hiergegen erhobenen Einwendungen der Revision des Angeklagten M. urteilsfremden Charakter haben, sind sie ohnehin unbeachtlich.

II.


13
Auch die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben erfolglos. Eine Eignung der Tat zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne des § 130 Abs. 1 StGB ergibt sich aus den Feststellungen nicht.
14
Anerkannt ist, dass zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals eine bereits eingetretene Störung des öffentlichen Friedens nicht erforderlich ist. Es genügt vielmehr, dass berechtigte – mithin konkrete – Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern, sei es auch nur bei der Bevölkerungsgruppe, gegen die er sich richtet (BGHSt 16, 49, 56; 29, 26; 46, 212, 218 f.; BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005 – 4 StR 283/05; von Bubnoff aaO Rdn. 13 bis 15 m.w.N.). Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens verschiedentlich schon darin gefunden, dass die Publikation nach den konkreten Umständen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden kann (BGHSt 29, 26, 27; 46, 212, 219; BGH, Urt. v. 14. Januar 1981 – 3 StR 440/80, insoweit in NStZ 1981, 258 nicht abgedruckt). Es kann dahingestellt bleiben, ob dem uneingeschränkt zu folgen ist. Bedenken ergeben sich namentlich unter dem Gesichtspunkt, dass angesichts der inflationären Einstellung fast jeder Nachricht in das Internet deren Abrufbarkeit für jedermann besteht, so dass dem Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens – auf die Wahrnehmbarkeitsbreite der Nachricht reduziert – nahezu jede eigene Bedeutung genommen würde. Jedenfalls treten hier besondere Umstände hinzu:
15
Zum einen liegt eine Besonderheit darin, dass mit der veröffentlichten Schrift nicht Postulate aufgestellt werden, die in allernächster Zeit realisiert werden sollten. Vielmehr wird ein „100-Tage-Programm“ für die ersten Monate einer „Notstandsregierung“ eines wiederentstandenen „Deutschen Reiches“ entworfen. Eine solche absurde Fantasie, von der Verteidigung euphemistisch als „politische Utopie“ bezeichnet, vermag – wenngleich im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelnd – den öffentlichen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu stören.
16
Zum anderen ist auszuschließen, dass die veröffentlichte Schrift – angesichts ihres Inhalts und seiner Verfasser, unter denen sich der mit seinem Lebenslauf allgemein bekannt gewordene Horst Mahler befindet – vom aufgeschlossenen Teil der Öffentlichkeit in der Weise ernst genommen werden könnte, dass hieraus etwa eine Störung des öffentlichen Friedens zu resultieren vermöchte.
17
Auch sonst enthält das angefochtene Urteil keinen sachlichrechtlichen Fehler zum Vorteil der Angeklagten.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Jäger

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 394/07
vom
3. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. Februar 2008 in der Sitzung am 3. April 2008, an denen teilgenommen haben
:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 21. Februar 2008 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor in der Verhandlung vom 21. Februar 2008,
Justizangestellte in der Sitzung vom 3. April 2008
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 7. März 2007 in den Fällen II. 3., 4., 6., 7. und 8. der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte , der seit seinem 14. Lebensjahr in politisch rechtsgerichteten Organisationen und Parteien aktiv und seit dem Jahre 1998 Mitglied des Bundesvorstands der NPD ist, im Jahre 1993 mit dem Handel von CDs unter dem Namen "P. Liste" selbstständig. Seit dem Jahre 1996 bestritt er seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit dieser Tätigkeit. Im Januar 1998 brachte er sein Unternehmen in die der NPD nahestehende "D. Verlags Gesellschaft mbH" ein. Dort war er zunächst als Produktionsleiter angestellt und für alle Artikel verantwortlich, die der Verlag vertrieb; seit dem Jahre 2004 ist er einer von zwei Geschäftsführern. Der Angeklagte hatte bei der Auswahl der CDs freie Hand und trug die Verantwortung für die rechtliche Seite der Produktionen. Dabei war ihm klar, dass sich die von dem Verlag unter seiner Leitung vertriebenen Liedtexte teilweise am Rande der Legalität bewegten. Anlässlich einer Durchsuchung der Räumlichkeiten der "D. Verlags Gesellschaft mbH" im März 2003 wurden insgesamt 250 verschiedene CDs sichergestellt; ihr Inhalt wurde in der Folgezeit überprüft.
2
Hinsichtlich acht dieser CDs hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Sie hat dem Angeklagten vorgeworfen, er habe sich der Volksverhetzung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Gewaltdarstellung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen sowie des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen schuldig gemacht.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Es hat dies damit begründet, dass teilweise schon die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands der jeweils in Betracht kommenden Strafvorschriften nicht gegeben seien ; teilweise hat es angenommen, der Angeklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt bzw. sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden.
4
Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt - mit Ausnahme des Falles II. 5. der Urteilsgründe - vertretene Rechtsmittel hat einen Teilerfolg.
5
II. Die Revision ist nicht begründet, soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten in den Fällen II. 1., 2. und 5. der Urteilsgründe wendet.
6
1. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat das Landgericht ohne Rechtsfehler den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) verneint; denn der Text des Liedes "Geh uns aus dem Weg" auf der CD "Eiserne Jugend" der Gruppe "Foierstoss" wendet sich nicht gegen ein Angriffsobjekt im Sinne der genannten Vorschrift.
7
Die Norm setzt voraus, dass sich der Inhalt einer Schrift, der nach § 11 Abs. 3 StGB CDs gleich stehen, gegen einen Teil der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe richtet. Unter einem - im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden - Teil der Bevölkerung ist eine von der übrigen Bevölkerung auf Grund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale politischer, nationaler, ethnischer, rassischer, religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher, beruflicher oder sonstiger Art unterscheidbare Gruppe von Personen zu verstehen, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit und somit individuell nicht mehr unterscheidbar sind (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 130 Rdn. 4). Dass es sich bei den mit den Bezeichnungen "Linke und Antifa-Brut" sowie "Rote Flut" angesprochenen Personenkreisen nicht um abgrenzbare Bevölkerungsgruppen in diesem Sinne handelt , hat das Landgericht mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Interpretation des Liedtextes dargelegt.
8
a) Die Auslegung des Inhalts einer Schrift im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat sich wegen des Charakters der Vorschrift als Verbreitungsdelikt an seinem objektiven Sinngehalt, Zweck und Erklärungswert zu orientieren, wie sie von einem verständigen, unvoreingenommenen Durchschnittsleser oder -hörer aufgefasst werden. Ob die Schrift die inhaltlichen Anforderungen des objektiven Tatbestands erfüllt, muss sich demnach in erster Linie aus ihr selbst ergeben. Umstände, die in der Schrift selbst keinen Niederschlag gefunden haben, bleiben grundsätzlich außer Betracht. Insbesondere subjektive Zielsetzungen, Mo- tive, Absichten, Vorstellungen oder Neigungen des Täters müssen zumindest "zwischen den Zeilen" erkennbar sein (vgl. Miebach/Schäfer in MünchKomm StGB § 130 Rdn. 57). Lässt eine Äußerung mehrere Deutungen zu, von denen nur eine strafbar ist, so darf die zur Bestrafung führende Interpretation nur zugrunde gelegt werden, wenn die anderen Deutungsmöglichkeiten, insbesondere solche, die mit der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar wären, mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können (vgl. BVerfG NJW 1994, 2943).
9
b) Bei einer diesen Maßstäben entsprechenden Auslegung des Inhalts der CD ergibt sich, dass kein ausreichend eingrenzbarer Bevölkerungsteil angegriffen wird.
10
Zwar kann grundsätzlich auch eine politische Gruppierung taugliches Ziel eines Angriffs im Sinne des § 130 Abs. 2 StGB sein (vgl. von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 9). Bei nicht näher spezifizierten Sammelbegriffen wie "Rote" oder "Linke" ist der bezeichnete Personenkreis jedoch so groß und unüberschaubar und umfasst derart zahlreiche, sich teilweise deutlich unterscheidende politische Richtungen und Einstellungen, dass seine Abgrenzung auf Grund bestimmter Merkmale von der Gesamtbevölkerung nicht möglich ist (vgl. BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 1).
11
Ähnliches gilt im Ergebnis für die Bezeichnung "Antifa-Brut". Der Begriff "Antifa" bezeichnet nach allgemeinem Verständnis je nach Zusammenhang linke , linksradikale und/oder autonome Gruppierungen oder Organisationen, die sich das Ziel gesetzt haben, Nationalismus oder Rassismus zu bekämpfen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein auch nur annähernd homogenes Gebilde. Vielmehr ist die Ablehnung von Faschismus, Rassismus und Nationalismus häufig nur der kleinste gemeinsame Nenner, der zwischen den unter- schiedlichen Gruppierungen konsensfähig ist. Treffen sich indes ansonsten politisch -ideologisch ganz unterschiedlich geprägte Personengruppen lediglich in einem gemeinsamen Ziel, so reicht allein dies grundsätzlich nicht aus, um sie als abgrenzbaren Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130 Abs. 1 und 2 StGB ansehen zu können; denn die Personenmehrheit ist in diesen Fällen nicht in einem Maße durch gemeinsame individuelle Merkmale geprägt, das sie nach außen als Einheit erscheinen lässt und eine hinreichend sichere Unterscheidung von der übrigen Bevölkerung ermöglicht.
12
Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis; denn auch dem Kontext, etwa dem Inhalt der übrigen Lieder der CD, sind bei sachgerechter Interpretation keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die zu einer hinreichenden Eingrenzbarkeit des angegriffenen Personenkreises führen könnten.
13
2. Auch im Fall II. 2. der Urteilsgründe ist der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) in Tateinheit mit Gewaltdarstellung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB) bezüglich der Texte der Lieder auf der CD "Spirit of 88/White Power Skinheads" der Band "Spreegeschwader" im Ergebnis nicht zu beanstanden.
14
a) Hinsichtlich des Liedes "Ignoranten" liegen - entgegen der Ansicht des Landgerichts, das zur Begründung des Freispruchs auf einen Tatbestandsbzw. unvermeidbaren Verbotsirrtum des Angeklagten abgestellt hat - bereits die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands der Norm nicht vor; denn es fehlt an der in allen Alternativen der Vorschrift vorausgesetzten besonderen Intensität des Angriffs.
15
aa) Mit dem Text des genannten Liedes wird zunächst nicht zum Hass gegen einen Teil der Bevölkerung oder eine im Gesetz näher bezeichnete Gruppe von Personen aufgestachelt. Hierunter ist ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende, feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil oder die betreffende Gruppe zu erzeugen oder zu verstärken (vgl. BGHSt 40, 97, 102; 46, 212, 217). Der Liedtext enthält zwar abfällige Äußerungen über Türken, Albaner und Russen, denen vor allem die Beherrschung der Schulen und die Begehung bestimmter Arten von Straftaten vorgeworfen wird. Wenn auch Hetze, die sich gegen Ausländer richtet, bei entsprechendem Gewicht regelmäßig tatbestandsrelevant sein kann (vgl. Miebach /Schäfer, aaO § 130 Rdn. 32), so ist hier jedoch die erforderliche besonders intensive Form der Einwirkung (vgl. BGHSt 21, 371, 372) auch unter Beachtung des zu berücksichtigenden Kontextes nicht gegeben.
16
bb) Daneben wird auch nicht zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen die genannten Angriffsobjekte aufgefordert. Dies setzt ein über das bloße Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches oder konkludentes Einwirken auf andere mit dem Ziel voraus, in ihnen den Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die den elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 130 Rdn. 5 b; von Bubnoff, aaO § 130 Rdn. 19). Hierunter fallen etwa Gewalttätigkeiten im Sinne des § 125 StGB, Freiheitsberaubungen, gewaltsame Vertreibungen, Pogrome, die Veranstaltung von Hetzjagden gegen Ausländer und sonstige im Widerspruch zu elementaren Geboten der Menschlichkeit stehende Behandlungen aller Art (vgl. Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 35). Ein derartiger Appellcharakter ist dem Text des genannten Liedes nicht zu entnehmen.
17
cc) Schließlich wird auch nicht die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen , dass eines der genannten Angriffsobjekte beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wird. Beschimpfen ist eine nach Inhalt oder Form besonders verletzende Äußerung der Missachtung (vgl. BGHSt 46, 212, 216). Unter Verächtlichmachen ist jede auch bloß wertende Äußerung zu verstehen , durch die jemand als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig hingestellt wird (vgl. BGHSt 3, 346, 348). Verleumden erfordert das wider besseres Wissen aufgestellte oder verbreitete Behaupten einer Tatsache, die geeignet ist, die betroffene Gruppe in ihrer Geltung und in ihrem Ansehen herabzuwürdigen (vgl. Fischer, aaO § 130 Rdn. 11). Ein Angriff gegen die Menschenwürde anderer, der sich durch eine dieser Handlungen ergeben muss, setzt voraus, dass sich die feindselige Handlung nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte wie etwa die Ehre richtet, sondern den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten wird (vgl. BVerfG NJW 2001, 61, 63). Ein noch weiter gehender Angriff etwa auf das biologische Lebensrecht an sich ist nicht erforderlich (vgl. BayObLG NStZ 1994, 588, 589). Auch insoweit kommen grundsätzlich entsprechend intensive ausländerfeindliche Parolen in Betracht (vgl. die Beispiele bei Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 44 m. w. N.).
18
Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen, die durch ein gesteigertes Maß an Gehässigkeit und Rohheit gekennzeichnet sein müssen, und durch die die Angehörigen des betreffenden Bevölkerungsteils oder der betreffenden Gruppe in ihren grundlegenden Lebensrechten als gleichwertige Persönlichkeiten in der Gemeinschaft verletzt werden und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet wird (vgl. BGHSt 36, 83, 90), liegen hier indes nicht vor. Der Gehalt des Textes zielt vielmehr in erster Linie auf das Anprangern eines von den Interpreten postulierten Unverständnisses gegenüber dem vermeintlich legitimen Anliegen ausländerfeindlicher Bevölkerungskreise und eine - wenn auch durchaus massive - Kundgabe der Missbilligung bestimmter behaupteter Zustände.
19
b) Bezüglich des Liedes "Mörder in der Nacht" hat das Landgericht die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von § 131 StGB ohne Rechtsfehler verneint, da dem Text keine eindeutig gewaltverherrlichende Aussage zu entnehmen ist.
20
3. Der Freispruch des Angeklagten im Fall II. 5. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§ 166 Abs. 1 und 2 StGB) ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
21
Das Landgericht hat den objektiven Tatbestand des § 166 StGB rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, es fehle an einer ausreichenden Tathandlung , weil dem Angeklagten nicht nachzuweisen gewesen sei, dass er die CD "Der Untermensch" der Gruppe "Camulos" - deren Texte in mehreren Liedern allerdings die inhaltlichen Voraussetzungen des § 166 StGB erfüllen - tatsächlich verbreitet, das heißt, sie ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht (vgl. BGH NJW 1999, 1979, 1980 zu § 184 StGB m. w. N.) habe. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass im Lager des Verlags eine CD aufbewahrt wurde. Das bloße Vorrätighalten einer Schrift ist gemäß § 166 StGB indes ebenso wenig mit Strafe bedroht wie der Versuch des Verbreitens (§ 166 Abs. 1 und 2, § 23 Abs. 2, § 12 Abs. 1 und 2 StGB).
22
Soweit das Landgericht im Übrigen in Bezug auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Volksverhetzung den Vorsatz des Angeklagten nicht festzustellen vermocht hat, begegnet dies aus den vom Generalbundesanwalt in seiner An- tragsschrift zutreffend dargelegten Gründen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
III. Demgegenüber hält das Urteil sachlichrechtlicher Prüfung in den Fällen II. 3., 4., 6., 7. und 8. der Urteilsgründe nicht stand.
24
1. Bei dem Freispruch des Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) im Zusammenhang mit dem Text des Liedes "Rote raus" auf der CD "Herz des Reiches" der Gruppe "Panzerfaust" hat das Landgericht weder den objektiven noch den subjektiven Tatbestand der Vorschrift mit einer rechtlich tragfähigen Begründung ausgeschlossen.
25
a) Entgegen der Meinung der Strafkammer wird mit dem in dem Lied verwendeten Ausdruck "Kommunisten" ein Teil der Bevölkerung im Sinne des Tatbestandes der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 und 2 StGB bezeichnet. Im Gegensatz zu der "Antifa"-Bewegung, in der weltanschaulich unterschiedlich geprägte Gruppierungen lediglich durch ein gemeinsames Ziel vereint sind, verbindet Kommunisten - bei durchaus unterschiedlicher Ausrichtung in Einzelfragen - eine gemeinsame weltanschauliche, politisch-ideologische Grundüberzeugung. Diese gibt der Personenmehrheit ein insgesamt gemeinschaftliches Gepräge, das sie - trotz im Randbereich vorhandener Berührungspunkte und Überschneidungen mit sonstigen, insbesondere politisch linksgerichteten Gruppierungen - in ausreichender Weise von der übrigen Bevölkerung unterscheidbar macht.
26
b) Der Text des Liedes enthält einen Angriff gegen die Menschenwürde anderer, der darin liegt, dass die Kommunisten als Teil der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht werden. In ihm heißt es auszugsweise: "Blöder als die Polizei erlaubt/ Dreckiger als das dreckigste Schwein/ Du stinkst mehr als ein Hundehaufen/ Dein Gehirn ist erbsenklein/ Du bist ein Kommunist und deine Ideen gehören auf den Mist/ Nie wieder werdet ihr unser Volk zerspalten/ Unser Heimat vergewaltigen". Der Refrain lautet: "Rote raus, Rote raus, Rote raus/ Das ist unsre Heimat, hier sind wir zu haus/ Rote raus, Rote raus, Rote raus/ Ihr lächerlichen Kasper, wir lachen euch bloß aus". Bei sachgerechter Auslegung werden hierdurch in eindeutiger Weise Kommunisten nicht nur in einzelnen Persönlichkeitsrechten wie ihrer Ehre getroffen, sondern darüber hinausgehend in besonders gehässiger und roher Weise sozial abgewertet und im Kern ihrer Persönlichkeit verletzt.
27
c) Soweit das Landgericht ausgeführt hat, eine Strafbarkeit des Angeklagten scheide daneben jedenfalls aus subjektiven Gründen aus, da ihm "als Laien" kein Vorsatz nachgewiesen werden könne, wenn selbst die Strafkammer den Text für rechtlich noch vertretbar erachte, hat es die Voraussetzungen vorsätzlichen Handelns verkannt.
28
aa) Das Landgericht hätte, wollte es den Vorsatz des Angeklagten verneinen , aufgrund der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen darlegen müssen, was der Angeklagte im Einzelnen nicht in sein Wissen und Wollen aufgenommen hat. Da im Rahmen des § 130 StGB bedingter Vorsatz ausreicht, kommt es darauf an, ob der Täter das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt (vgl. Fischer, aaO § 15 Rdn. 9 ff.).
29
bb) Dem Landgericht oblag es deshalb, unter Anlegung dieser Maßstäbe zu prüfen, ob der Angeklagte zumindest bedingt vorsätzlich davon ausging, dass in dem betreffenden Lied Kommunisten als Teil der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht werden. Hierfür reichte allein der Hinweis darauf nicht aus, dass die Strafkammer selbst die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Norm verneint hat. Vielmehr musste sie die maßgebende Vorstellung des Täters zum Zeitpunkt der Begehung der Tat feststellen und würdigen. Dabei war darauf Bedacht zu nehmen, dass der Vorsatz auf der Wissensseite als intellektuelles Element erfordert, dass der Täter sich zurzeit der Handlung des Vorliegens aller Umstände des äußeren Tatbestands bewusst ist.
30
Namentlich bei normativ geprägten Tatbestandsmerkmalen braucht der Täter im Übrigen nicht die aus den Gesetzesbegriffen folgende rechtliche Wertung nachzuvollziehen; insofern genügt die Parallelwertung in der Laiensphäre, die voraussetzt, dass der Täter die Tatsachen kennt, die dem normativen Begriff zugrunde liegen, und auf der Grundlage dieses Wissens den sozialen Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals richtig begreift (vgl. Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 15 Rdn. 9, 14).
31
2. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe hat das Landgericht zum Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) festgestellt, dass der Angeklagte in den Räumen der "D. Verlags Gesellschaft mbH" zu Verkaufszwecken die CD "Stimme des Volkes 26.03.1999" lagerte. Diese enthielt die Aufnahme einer aus Liedern und Textbeiträgen bestehenden Sendung von "Radio Germania", einem politisch rechtsgerichteten Sender. In zwei Liedern wird unter Anknüpfung an den Sprachgebrauch des Dritten Reiches die Parole der Hitlerjugend "Blut und Ehre" gebraucht. Dem Angeklagten war im Jahre 1999 in einem Gespräch von dem Verantwortlichen des Senders mitgeteilt worden, dass alle Sendungen anwaltlich begutachtet und für unbedenklich gehalten worden seien. Daneben wird von dem Sprecher zu Beginn der Sendung darauf hingewiesen, dass die Sendung "wie immer auch dieses Mal von unseren Rechtsanwälten als strafrecht- lich nicht relevant und ohne Verstöße gegen die Jugendschutzordnung gewertet worden" sei.
32
a) Die Strafkammer hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt ist; denn der Angeklagte hielt mit der beschriebenen CD einen Gegenstand zum Zwecke der Verbreitung vorrätig, der ein Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation im Sinne von § 86 a Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB enthielt.
33
b) Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht darauf abgestellt , dem Angeklagten könne nicht nachgewiesen werden, er habe gewusst, dass die Verwendung des Begriffspaares "Blut und Ehre" zweifelsfrei auf die Parole der Hitlerjugend hinweise; es fehle somit an der subjektiven Tatseite. Gehe man stattdessen von einem Verbotsirrtum aus, sei dieser unvermeidbar gewesen. Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
34
aa) Zwar können Fehlvorstellungen oder -bewertungen über normative Tatbestandsmerkmale je nach dem Stand der (Un-)Kenntnis des Täters zu einem den Vorsatz und damit die Strafbarkeit ausschließenden Tatbestandsirrtum (§§ 15, 16 StGB) oder zu einem vermeidbaren oder unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) führen, wobei die sachgerechte Einordnung derartiger Irrtümer unter Rückgriff auf wertende Kriterien und differenzierte Betrachtungen vorzunehmen ist (vgl. BGH NStZ 2006, 214, 217). Insoweit kann das Vertrauen des Täters in juristische Auskünfte sowohl im Rahmen des Tatbestandsvorsatzes Bedeutung erlangen als auch sich im Bereich der Schuld auf die Strafbarkeit auswirken (vgl. Kirch-Heim/Samson, wistra 2008, 81). Durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen wird indes weder tragfähig belegt, dass der An- geklagte ohne Vorsatz handelte, noch dass ihm bei Begehung der Tat die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun.
35
bb) Weder die pauschale Auskunft des für den Radiosender Verantwortlichen über eine anwaltliche Begutachtung noch der ebenso substanzlose Hinweis des Sprechers zu Beginn der Sendung enthält einen irgendwie näher fassbaren konkreten Hinweis auf eine Strafnorm oder gar ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal. Die Feststellungen lassen deshalb nicht erkennen, wieso der Angeklagte allein aufgrund dieser Auskünfte nicht zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes wusste und wollte, dass in den betreffenden Liedern mit der Losung "Blut und Ehre" die Parole der Hitlerjugend wiedergegeben wurde. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte aufgrund seines politischen Werdegangs und seiner über viele Jahre ausgeübten beruflichen Tätigkeit mit dem Vokabular politisch rechtsgerichteter Kreise in hohem Maße vertraut war.
36
cc) Auch ein Verbotsirrtum des Angeklagten ist nicht ausreichend belegt. Wenn der Täter einen in seiner Bedeutung zutreffend erkannten Umstand rechtlich unrichtig subsumiert, kann seine Fehlvorstellung zwar als sog. Subsumtionsirrtum im Rahmen der Schuld Bedeutung gewinnen (vgl. Lackner/Kühl, aaO § 15 Rdn. 14). Hierzu lassen die Urteilsgründe jedoch jegliche näheren Ausführungen vermissen. Der - rechtsfehlerhaften - Annahme eines Tatbestandsirrtums wird vielmehr ohne nähere Begründung diejenige eines Verbotsirrtums "nachgeschoben". Da der Täter bereits dann ausreichende Unrechtseinsicht hat, wenn er bei Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt (vgl. BGHSt 4, 1, 4; 27, 196, 202; BGH NStZ 1996, 236, 237; 338), hier dem Angeklagten aber bewusst war, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte, liegt es zumindest nicht nahe, dass er aufgrund der pauschalen Hinweise über das Unrecht seines Tuns irrte.
37
dd) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht weiter angenommen, ein etwaiger Verbotsirrtum sei unvermeidbar gewesen; hierfür bilden die getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
38
Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat (vgl. BGHSt 21, 18, 20). Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist (vgl. Vogel in LK 12. Aufl. § 17 Rdn. 78, 85). Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bietet (vgl. BGHSt 40, 257, 264).
39
Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu berücksichtigen (vgl. Fischer, aaO § 17 Rdn. 8).
40
Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag somit nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan (vgl. BGHR StGB § 17 Vermeidbarkeit 3). Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht erkennbar ist oder er nicht mehr als eine Hoffnung haben kann, das ihm bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein. Daher darf der Täter sich auf die Auffassung eines Rechtsanwalts etwa nicht allein deswegen verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig ist (vgl. BGH, Beschl. vom 12. Juni 1985 - 3 StR 82/85). Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte Gefälligkeitsgutachten scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus (vgl. Fischer, aaO § 17 Rdn. 9 a). Auskünfte , die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine "Feigenblattfunktion" (vgl. Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 17 Rdn. 18) erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten (vgl. BGH NStZ 2000, 307, 309). Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (vgl. Kirch-Heim/Samson, aaO 81, 85).
41
Vor diesem Hintergrund genügen die getroffenen Feststellungen nicht ansatzweise, um die Unvermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums zu belegen. Dem Angeklagten oblag bereits aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als der für das Verlagsprogramm verantwortlichen Person eine besondere Erkundigungs- und Prüfungspflicht, an die strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGHSt 37, 55, 66). Dies gilt erst recht im Hinblick auf die sonstigen besonderen Umstände des vorliegenden Falles. So war dem selbst mit den einschlägigen Rechtsfragen vertrauten Angeklagten bewusst, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte und die Gefahr der Erfüllung von Straftatbeständen aufgrund des Inhalts der von der "D. Verlags Gesellschaft mbH" angebotenen und vertriebenen CDs nahe lag.
42
Der Angeklagte durfte sich somit allein auf die pauschale mündliche Auskunft eines Dritten über eine anwaltliche Begutachtung ebenso wenig verlassen wie auf die Aussage des Sprechers zu Beginn der Sendung. Beide Hinweise boten keinerlei Gewähr für eine hinreichende inhaltliche Verlässlichkeit; denn sie ließen weder einen Schluss auf den Umfang noch auf die Sorgfältigkeit der rechtlichen Überprüfung zu. Die Auskunft hätte sich zudem inhaltlich darauf richten müssen, dass das beabsichtigte Handeln kein Unrecht ist (vgl. Vogel, aaO § 17 Rdn. 19). Hinsichtlich der Aussage durch den Verantwortlichen des Senders verhalten sich die Urteilsgründe indes noch nicht einmal dazu, ob sich die anwaltliche Begutachtung auf alle oder nur auf einzelne nach dem Strafgesetzbuch in Betracht kommenden Strafvorschriften bezog und auch etwa die einschlägigen Normen des Jugendschutzgesetzes (vgl. §§ 15, 27 JuSchG) umfasste.
43
3. Der Freispruch des Angeklagten im Fall II. 6. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) bezüglich des Liedes "Stinkendes Leben" auf der CD "Das rechte Wort" der Gruppe "Patriot 19/8 & Sleipnir" kann ebenfalls keinen Bestand haben.
44
a) Die in dem Lied angesprochene Gruppe der "Punker" stellt einen Teil der Bevölkerung im Sinne der genannten Vorschrift dar (vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben, aaO § 130 Rdn. 4; Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 25). Punker sind aufgrund einer etwa in ihrem Lebensstil und äußeren Erscheinungsbild zu Tage tretenden weltanschaulichen Überzeugung, die trotz unterschiedlicher Präferenzen im Einzelnen nach außen genügende Gemeinsamkeiten erkennen lässt, als Personenmehrheit von der übrigen Bevölkerung in ausreichendem Maße abgrenzbar.
45
b) Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird in dem genannten Lied die Menschenwürde der Punker dadurch angegriffen, dass sie beschimpft und böswillig verächtlich gemacht werden. Mit dem Text der Kehrreime "Du bist ein Punk, du bist so krank/ bist so abnorm und nie in Form/ benimmst dich wie das letzte Schwein/ Gefällt es dir, Abschaum zu sein?" und "Die Zeit ist reif für Deutschlands Segen/ Die Zukunft liegt in unserer Hand/ Wir werden sie von den Straßen fegen/ Und frei und sauber sei das Land" sowie weiteren ähnlichen Passagen wird die Missachtung von Punkern in besonders gravierender Form zum Ausdruck gebracht; diese werden im Kern ihrer Persönlichkeit getroffen und verletzt. Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang gemeint hat, nur eine Beeinträchtigung der Ehre feststellen zu können, und zur Begründung ausgeführt hat, die Bezeichnung "Schwein" sei im heutigen Sprachgebrauch üblich und werde teilweise auch in populären Liedern wie "Männer sind Schweine" der Gruppe "Die Ärzte" gebraucht, hat sie in besonderer Weise die sich bei verständiger Würdigung aufdrängende Bedeutung des hier relevanten Textes verkannt. In diesem geht es im Gegensatz zu dem von der Strafkammer als Vergleich bemühten Lied nicht um eine satirische Überspitzung bestimmter menschlicher Verhaltensweisen und Eigenschaften; vielmehr wird in eindeutiger Weise das Recht von Punkern auf Anerkennung als Persönlichkeiten in der Gemeinschaft besonders gehässig und roh verletzt und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet.
46
c) Mit dem Inhalt des letzten Kehrreims wird daneben auch zu Gewaltund Willkürmaßnahmen gegen Punker aufgefordert, da zumindest konkludent auf andere mit dem Ziel eingewirkt wird, in ihnen den Entschluss zu Gewalttätigkeiten und ähnlichen Handlungen hervorzurufen. Diesem appellativen Charakter des Textes steht nicht entgegen, dass vordergründig die Formulierung "Wir werden sie von der Straße fegen" benutzt wird. Bei sachgerechter Bewertung ergibt sich, dass die Zielrichtung der Aussage nicht dahin geht, eigene Handlungen oder Absichten der Interpreten darzustellen; vielmehr ist die eigentliche Intention erkennbar darauf gerichtet, andere zu animieren, Gewalt- oder Willkürmaßnahmen zu verüben bzw. sich solchen anzuschließen.
47
d) Soweit die Strafkammer daneben unter Hinweis auf eine Unbedenklichkeitserklärung des Rechtsanwalts N. , deren näherer Inhalt in den Feststellungen nicht mitgeteilt wird, den Vorsatz des Angeklagten verneint hat, hält dies aus den dargelegten Gründen rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Schluss des Landgerichts von dieser nicht näher spezifizierten Auskunft darauf, dass der Angeklagte sich in einer Fehlvorstellung über bestimmte Merkmale des gesetzlichen Tatbestands befand, entbehrt auch hier einer tragfähigen Grundlage.
48
e) Aus denselben Gründen ist die den Ausführungen über einen Tatbestandsirrtum ohne weitere Begründung folgende Annahme eines Verbotsirrtums rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat auch in diesem Fall nicht dargelegt, über welches normative Tatbestandsmerkmal sich der Angeklagte in einer Weise im Irrtum befunden haben soll, die seine Unrechtseinsicht ausschloss.
49
f) Schließlich reichen die Ausführungen des Landgerichts nicht aus, um die Unvermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums zu begründen. Allein das Vertrauen in eine inhaltlich nicht näher konkretisierte anwaltliche Auskunft kann bei sachgerechter Bewertung der sonstigen Umstände des vorliegenden Falles bei Anwendung der dargelegten Maßstäbe nicht zu der Annahme führen, der Angeklagte habe seine eventuelle Fehlvorstellung nicht durch die genügende Anspannung seines Gewissens vermeiden können.
50
4. Der Freispruch im Fall II. 7. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) im Zusammenhang mit dem Text des Liedes "Bunthaarige Schweine" auf der CD "Totgesagte leben länger" der Gruppe "Doitsche Patrioten" begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
51
a) Der Text des Liedes richtet sich wie im Fall zuvor bei verständiger Auslegung gegen Punker und damit gegen einen genügend abgrenzbaren Teil der Bevölkerung. Dem steht nicht entgegen, dass die Punker hier nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sind; denn eine derartige namentliche Benennung ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn sich aus dem Inhalt der Schrift ausreichend deutlich ergibt, welcher bestimmte Bevölkerungsteil Ziel des Angriffs ist. Dies ist hier der Fall. In dem Text des Liedes werden mehrere typische Äußerlichkeiten und Verhaltensweisen genannt, die Punkern zuzuordnen sind und deren Erscheinungsbild bestimmen. Dies lässt den zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass hier die betreffende Personenmehrheit als Angriffsobjekt umschrieben ist.
52
b) Mit Formulierungen wie "Hallo du kleines Arschgesicht/ Ich find dich einfach widerlich/ Wie oft willst du denn noch erwachen/ Bestell dir lieber gleich nen Sarg", "Bunthaarige Schweine/ Dreckig eklig und verkeimt/ Ziehst du hier nicht gleich Leine/ Nutz ich die Gunst der Zeit" oder "Vielleicht hast du es nicht ganz geschnallt/ Verpiss dich bevor es knallt" wird sowohl die Menschenwürde der Punker dadurch angegriffen, dass sie böswillig verächtlich gemacht werden, als auch zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie aufgefordert.
53
c) Soweit die Strafkammer den Vorsatz des Angeklagten verneint hat, weil er gewusst habe, dass zu der CD ein Gutachten der Rechtsanwältin P. existiere, das zu dem Ergebnis gekommen sei, die Texte seien strafrechtlich unbedenklich, hält dies aus den bereits ausgeführten Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auch in diesem Fall wird der Inhalt des Gutachtens in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt; danach kannte der Angeklagte nur dessen pauschales Ergebnis. Somit wird die Folgerung der Strafkammer, er habe sich über einzelne Tatbestandsmerkmale im Irrtum befunden, von den Feststellungen nicht getragen.
54
d) Entsprechendes gilt für die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums. Dessen Voraussetzungen sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Auch insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Darüber hinaus wäre hier in die rechtliche Bewertung die Kenntnis des Angeklagten davon einzubeziehen gewesen, dass in zumindest einem früheren Fall (Fall II. 2. der Urteilsgründe ) trotz eines Gutachtens von Rechtsanwältin P. , welches zu dem Ergebnis gekommen war, die auf der CD befindlichen und von ihr geprüften Texte seien erlaubt, die CD im Nachhinein bezüglich dreier Lieder durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert wurde, was zu einer Neuauflage führte, in der die beanstandeten Lieder durch andere ersetzt wurden. Der Angeklagte hatte somit begründeten Anlass, an der Verlässlichkeit der Auskunft zu zweifeln und durfte auch aus diesem Grunde nicht ohne Weiteres auf das pauschale Ergebnis der entsprechenden Begutachtung vertrauen.
55
5. Soweit die Strafkammer im Fall II. 8. der Urteilsgründe den Angeklagten vom Vorwurf des Verbreitens von Propagandamaterial verfassungswidriger Organisationen (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB) freigesprochen hat, hält das Urteil revisionsrechtlicher Prüfung schließlich ebenfalls nicht stand.
56
a) Das Landgericht hat zunächst den objektiven Tatbestand der Vorschrift mit rechtsfehlerfreien Erwägungen bejaht. Dabei hat es zutreffend ausgeführt , den Texten der Lieder "Doitschland" und "Unter dem Krakenkreuz" sei bei einer Auslegung aus verständiger Sicht zu entnehmen, dass der Ausdruck "Krakenkreuz" als Synonym für "Hakenkreuz" gebraucht und damit eindeutig an nationalsozialistische Zielsetzungen angeknüpft werde.
57
b) Das Landgericht hat jedoch die - bereits als solche nicht nahe liegende - Einlassung des Angeklagten, der angegeben hat, er habe die CD als "reine Spaß-CD" bewertet, mit der ein besonderer Typ Skinheads satirisch habe dargestellt werden sollen, für nicht widerlegt angesehen und deshalb den Vorsatz des Angeklagten verneint. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite geht von einem unzutreffenden Verständnis der Liedtexte aus und erweist sich als lücken- und damit sachlichrechtlich fehlerhaft.
58
aa) Die Interpretation des Textes der einzelnen Lieder durch das Landgericht begegnet durchgreifenden Bedenken, soweit es verschiedene Passagen als geeignet angesehen hat, Zweifel aufkommen zu lassen, ob mit den Liedtexten politische Ziele verfolgt werden sollten. Hierfür hat es etwa die Textstelle "Doitschland ich lieb dich so/ das ist keine Banane und keine Schokolade/ ich vermisse meine Heimat und das finde ich sehr schade" benannt. Insoweit hätte sich die Strafkammer jedenfalls mit der nahe liegenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die Begriffe "Banane" und "Schokolade" in der rechtsextremen Szene als Synonyme für Menschen mit dunkler Hautfarbe und südländischer Herkunft gebraucht werden. In diesem Zusammenhang wäre zu würdigen gewesen, dass der Angeklagte mit der politisch rechtsgerichteten Terminologie in besonderer Weise vertraut war, was nahe legt, dass ihm der Gehalt der dargestellten Textpassage in Form einer rassistischen Ausrichtung der Texte ohne Weiteres klar war.
59
bb) Das Landgericht hat sich daneben nicht erkennbar damit auseinandergesetzt , dass - für den Angeklagten nach den Umständen ebenfalls augen- fällig - durch das Propagieren des "Marschierens unter dem Krakenkreuz" zur Machtübernahme als Entsprechung zum Marschieren der vormaligen NSDAP unter dem Hakenkreuz mit dem Ziel der Machtergreifung in besonderer Weise an die nationalsozialistische Terminologie und Ideologie angeknüpft wird. Den Urteilsgründen ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Angeklagte den objektiven Bedeutungsgehalt dieser eindeutigen Passage nicht erkannte und damit nicht einverstanden war. Becker Miebach von Lienen Hubert Schäfer

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 283/05
vom
15. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Dezember
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 17. Februar 2005 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Der Angeklagte macht insbesondere geltend, das Landgericht habe bei Auslegung der der Verurteilung zugrunde liegenden Äußerungen gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes verstoßen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und insoweit vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel gegen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe in einem vermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt. Ferner beanstandet sie die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung.
2
Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


3
1. Gegenstand der Verurteilung ist eine Rede, die der Angeklagte in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands NordrheinWestfalen der NPD anlässlich einer Demonstration am 26. Juni 2004 in Bochum hielt. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
4
Die Stadt Bochum beabsichtigte, die jüdische Gemeinde bei der Neuerrichtung einer Synagoge finanziell zu unterstützen. Zunächst wurden zwei gegen dieses Vorhaben gerichtete, vom Landesverband der NPD unter dem Motto "Stoppt den Synagogenbau - 4 Millionen für das Volk!" geplante Aufzüge mit Kundgebungen behördlich untersagt. Auch ein weiterer Antrag des Landesverbands auf Durchführung einer Demonstration, nunmehr unter dem Motto "Keine Steuergelder für den Synagogenbau. Für Meinungsfreiheit", wurde behördlicherseits nicht genehmigt. Jedoch stellte das Bundesverfassungsgericht am 23. Juni 2004 im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verbotsanordnung wieder her, so dass der Aufzug am 26. Juni 2004 schließlich durchgeführt wurde. Gegen 14.00 Uhr hielt der Angeklagte anlässlich einer Zwischenkundgebung vor etwa 150 Demonstrationsteilnehmern , zahlreichen Gegendemonstranten und den Demonstrationsverlauf beobachtenden Polizeikräften die verfahrensgegenständliche Rede, in der er zunächst auf die Schuldenlast der Stadt Bochum sowie auf die Vorrangigkeit der Finanzierung anderer, städtischer Projekte hinwies und die geplante finanzielle Unterstützung des Synagogenbaus deswegen als Steuergeldverschwendung für eine "ausgewählte Minderheit" bezeichnete. Sodann äußerte er sich wörtlich: " ... Kameradinnen und Kameraden, wie bereits erwähnt, wurde uns im Vorfeld immer wieder antijüdisches Verhalten vorgeworfen. Beschäftigen wir uns doch einmal mit den Juden an sich und nehmen dafür einfach einmal ein paar Fakten zur Hand. Ich habe mich in der Vorbereitung meiner Rede mal etwas mit der jüdischen Religions- und Wertevorstellung auseinandergesetzt und dafür ein wenig ... im babylonischen Talmud geschmökert. Der babylonische Talmud ist zu vergleichen mit der Bibel der Christen, die noch heute als Gesetzbuch für viele Gläubige gilt. So heißt es im Talmud unter Nidda 47b: 'Das drei Jahre und einen Tag alte Mädchen wird durch Begattung verlobt, wenn es aber unter drei Jahren ist, so ist der Beischlaf gerade soviel, als wenn jemand mit dem Finger das Auge berührt. Es beschädigt nicht die Jungfräulichkeit, weil der Stempel wieder zurückwächst.' Das heißt, dass ein Mädchen von drei Jahren und einem Tag also zum Geschlechtsverkehr geeignet ist. ... wenn es das ist, was in einer Synagoge gelehrt wird, dann haben wir unser heutiges Motto viel zu milde ausgedrückt. Wenn so was in einer Synagoge gelehrt wird, denn möchte ich persönlich keine Synagoge noch anderswo haben."
5
An die Gegendemonstranten gewandt fuhr der Angeklagte anschließend wie folgt fort: "Im Weltnetz fand ich gestern einen Antifa-Artikel, in dem uns, damit auch mir unterstellt wurde, etwas gegen Linke, Juden, Homosexuelle, Obdachlose, Zigeuner et cetera zu haben. ... diese Aussage stimmt nicht. Ich habe gar nichts gegen Obdachlose."
6
Er riet den Gegendemonstranten, falls sie in einem "national erwachten Deutschland" nicht leben wollten, Asylantrag bei ihren "Freunden in Israel" zu stellen, da das "deutsche Reich wohl keine Verwendung" für sie haben werde. Seine Rede beendete er mit den Worten: "Nichts für uns, alles für Deutschland! Ein Volk, ein Reich, ein Glaube!"
7
2. Das Landgericht hat den Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB in der Variante des böswilligen Verächtlichmachens als erfüllt angesehen. Der Angeklagte habe in seiner Rede die Menschenwürde der Juden absichtlich angegriffen , indem er sie als unterwertige Individuen dargestellt habe. Seine Äußerungen enthielten zum einen die konkludente Behauptung, die Mitbürger jüdischen Glaubens billigten unter Missachtung strafrechtlicher Schutzgüter den sexuellen Missbrauch Minderjähriger. Zum anderen sei seinen Ausführungen das Werturteil zu entnehmen, dass Juden deshalb unwürdig seien, Gotteshäuser (Synagogen) zu errichten und ihnen dies generell zu untersagen sei.
8
Zu Gunsten des Angeklagten ist das Landgericht vom Vorliegen eines vermeidbaren Verbotsirrtums im Sinne des § 17 StGB ausgegangen. Von der Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer keinen Gebrauch gemacht, sondern diesen Gesichtspunkt lediglich im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten gewertet.

II.


9
1. Revision des Angeklagten
10
a) Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Die Würdigung des Landgerichts lässt weder bei der Auslegung der Äußerungen des Angeklagten noch bei der Subsumtion des Geschehens unter die Vorschrift des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB einen Rechtsfehler erkennen.
11
aa) Bei der Deutung des objektiven Sinns der Äußerungen des Angeklagten hat das Landgericht die Anforderungen beachtet, die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes ergeben.
12
Kriterien für die Auslegung sind neben dem Wortlaut und dem sprachlichen Kontext, in welchem die umstrittenen Äußerungen stehen, auch für die Zuhörer erkennbare Begleitumstände, unter denen die Äußerungen fallen. Es ist deshalb von Bedeutung, ob sich die Äußerungen an einen in irgendeiner Richtung voreingenommenen Zuhörerkreis richten und ob den Zuhörern die politische Einstellung des Angeklagten bekannt ist. Diese Umstände können Hinweise darauf geben, wie der durchschnittliche Zuhörer die Äußerungen auffassen wird (vgl. BVerfGE 93, 266, 295 ff.; BVerfG NStZ 2001, 26, 27; BGHSt 40, 97, 101; BGH, Urteil vom 25. Juli 1960 - 3 StR 23/60).
13
An diesen Grundsätzen gemessen begegnet die Deutung des Landgerichts , der Angeklagte habe in seiner Rede zum Ausdruck gebracht, Juden billigten ungeachtet strafrechtlicher Verbote den sexuellen Missbrauch von Kindern und seien deshalb unterwertige Individuen, die nicht würdig seien, Gotteshäuser zu errichten, keinen rechtlichen Bedenken. Nach dem Wortlaut und unter Berücksichtigung des Erklärungszusammenhangs, in welchem die umstrittenen Äußerungen fielen, kam vielmehr eine andere, nicht dem Tatbestand des § 130 StGB unterfallende Auslegung nicht in Betracht (vgl. BVerfGE aaO).
14
Bei Ermittlung des objektiven Sinnzusammenhangs kam dem Umstand, dass sich der Angeklagte als Funktionär der NPD und Mitveranstalter der Demonstration an einen mehrheitlich gleichgesinnten, dem rechtsextremen politischen Spektrum zuzurechnenden Zuhörerkreis wandte, maßgebliche Bedeutung zu. In Anbetracht des Anlasses der Demonstration sowie der öffentlich dis- kutierten, mehrmonatigen rechtlichen Auseinandersetzungen um die Genehmigung der Versammlung war deshalb offenkundig, dass sich der Erwartungshorizont der Zuhörer von vornherein auf offen oder versteckt ausgesprochene antisemitische Angriffe des Angeklagten gegen den jüdischen Bevölkerungsanteil richteten. Zu Recht hat das Landgericht vor diesem Hintergrund die die Rede einleitenden Worte des Angeklagten, "das was ich sagen will, darf ich nicht sagen , das was ich sagen darf, will ich nicht", zum einen als Erklärung, er werde, um einer Strafbarkeit wegen Volksverhetzung zu entgehen, seine Rede zweideutig anlegen, und zum anderen als unmissverständliche Aufforderung an seine Zuhörer, deshalb die Aufmerksamkeit auf "Zwischentöne" und "konkludente Aussagen" zu richten, ausgelegt. Schon in Anbetracht dieser Umstände lag es fern, dass die Zuhörer die Interpretation der - jedenfalls im Kern richtig wiedergegebenen - Stelle aus dem babylonischen Talmud durch den Angeklagten ("Das heißt, dass ein Mädchen von drei Jahren und einem Tag zum Geschlechtsverkehr bereit ist") als bloße sachliche Auseinandersetzung mit der jüdischen Glaubens- und Religionslehre auffassen würden.
15
Aber auch der sprachliche Kontext schließt ein solches Verständnis aus. Der Angeklagte wandte sich in der Einleitung des umstrittenen Redeabschnitts nämlich ausdrücklich den Juden in ihrer Gesamtheit, nicht aber der jüdischen Glaubenslehre zu ("beschäftigen wir uns doch einmal mit den Juden an sich"). Er sprach in diesem Zusammenhang zugleich, mithin mit Blick auf die jüdische Bevölkerung, dem babylonischen Talmud Verbindlichkeit im Sinne eines Gesetzbuches zu. Auch im Übrigen spricht der Inhalt der Rede gegen die Deutungsmöglichkeit , der Angeklagte habe lediglich zum Ausdruck gebracht, die jüdischen Religions- und Wertevorstellungen abzulehnen. Vielmehr bekannte er sich nicht nur offen zu seiner ablehnenden Haltung gegenüber der jüdischen Bevölkerung, sondern brachte darüber hinaus seine Befürwortung nationalsozi- alistischen Gedankenguts auch im Zusammenhang mit der Ausgrenzung der Juden und anderer unter der NS-Herrschaft verfolgter Minderheiten (" ... Linke, Juden, Homosexuelle, Obdachlose, Zigeuner et cetera ... ") aus der Gesellschaft zum Ausdruck. Er stellte damit unverkennbar einen Bezug zu einem im Sinne der NS-Ideologie verstandenen Antisemitismus her.
16
Mit alledem hat sich das Landgericht auseinandergesetzt. Es ist deshalb auf tragfähiger Grundlage zu der Überzeugung gelangt, der umstrittene Redeabschnitt beinhalte objektiv einen Angriff gegen die jüdische Bevölkerung, nämlich zum einen die Aussage, Juden tolerierten auf Grund der für sie verbindlichen Lehren im babylonischen Talmud den sexuellen Kindesmissbrauch, und zum anderen - mit Blick auf den Anlass der Demonstration - die Wertung, dass sie aus diesem Grunde unwürdig seien, Synagogen zu errichten.
17
bb) Die Äußerungen des Angeklagten erfüllen den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB in der Alternative des böswilligen Verächtlichmachens.
18
(1) Durch die Behauptung, Juden billigten ungeachtet strafrechtlicher Verbote wegen anderer, für sie vorrangiger Lehren im Talmud den sexuellen Missbrauch von Kindern, unterstellte der Angeklagte ihnen die kollektive Missachtung der staatlichen Rechtsordnung in einem besonders verwerflichen, von der Öffentlichkeit als verabscheuungswürdig beurteilten Kriminalitätsbereich. Hierdurch stellte er die Gesamtheit der Juden als Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130 StGB (MünchKomm Miebach/Schäfer § 130 Rdn. 25 m.w.N.) als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig dar (vgl. BGHSt 3, 346, 348; 7, 110, 111).
19
Zu Recht hat das Landgericht darüber hinaus in dem Verhalten des Angeklagten einen Angriff gegen die Menschenwürde der Betroffenen gesehen. Ein Angriff auf die Menschenwürde ist, soweit es sich um Äußerungen handelt, die, wie hier, die jüdische Bevölkerung betreffen, stets dann gegeben, wenn sich der Täter mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziert, oder seine Äußerungen damit im Zusammenhang stehen (vgl. BGHSt 40, 97, 100; BVerfG NStZ 2001, 26, 28). So verhält es sich hier. Wer, wie der Angeklagte, vor dem geschichtlichen Hintergrund der nationalsozialistischen Judenverfolgung und der damit einhergehenden systematischen Zerstörung von Synagogen in einer die NS-Ideologie befürwortenden antisemitischen Gesinnung zum Ausdruck bringt, Juden seien nicht würdig, Synagogen zu errichten, trifft diese im Kernbereich ihrer Persönlichkeit.
20
Die Feststellungen belegen schließlich, dass die Tat geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Dieses Merkmal setzt nicht voraus, dass der öffentliche Friede schon gestört worden ist. Es genügt, dass berechtigte Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern, sei es auch nur bei der Bevölkerungsgruppe, gegen die er sich richtet (BGHSt 16, 49, 56). Bei einem Bekenntnis zu antisemitischen Anschauungen unter gleichzeitiger Befürwortung der NS-Ideologie im Rahmen einer öffentlichen Versammlung steht dies außer Frage.
21
(2) Schließlich begegnen auch die Ausführungen des Landgerichts zur inneren Tatseite keinen rechtlichen Bedenken.
22
Zu Recht hat das Landgericht schon aus dem festgestellten Bekenntnis zu einem an der NS-Ideologie orientierten Antisemitismus den Schluss gezogen , der Angeklagte habe mit seiner Rede die Herabwürdigung und Kränkung der Juden im Kernbereich ihrer Persönlichkeit bezweckt, mithin auch in böswilliger , nämlich in feindseliger und verwerflicher Gesinnung gehandelt (vgl. BGH NJW 1964, 1481, 1483 m.w.N.). Darauf, ob die vom Angeklagten vorgenommene Interpretation der Talmudstelle als möglich oder zumindest hinnehmbar angesehen werden kann und ob der Angeklagte dies gegebenenfalls angenommen hat, kommt es deshalb, entgegen der Auffassung der Revision, bei Beurteilung des subjektiven Tatbestandes nicht an.
23
(3) Soweit sich der Angeklagte zur Rechtfertigung auf ein aus § 193 StGB abgeleitetes "Recht auf Gegenschlag" beruft, geht dieser Einwand bereits deshalb fehl, weil in Anbetracht des absoluten Schutzes der Menschenwürde eine Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht stattfindet (BVerfG NStZ 2003, 655 f.; von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 30).
24
2. Revision der Staatsanwaltschaft
25
Der Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg ebenfalls versagt. Der Rechtsfolgenausspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
26
a) Die Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums gemäß § 17 StGB hält rechtlicher Überprüfung noch stand.
27
Das Landgericht ist unter Berücksichtigung der äußeren Umstände der Rede zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass er in Folge eines Subsumtionsirrtums irrig annahm, seine in tatsächlicher Hinsicht zutreffend erkannten Äußerungen seien noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und erfüllten sonach noch nicht die normativen Tatbestandsmerkmale des § 130 StGB.
28
Die dieser rechtlichen Bewertung zu Grunde liegende Würdigung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte.
29
Die vom Generalbundesanwalt aufgeführten Widersprüche, Lücken und Darlegungsmängel weist das angefochtene Urteil nicht auf. Das Landgericht konnte aus dem Wortlaut und den äußeren Umständen der Rede einerseits darauf schließen, der Angeklagte habe unter dem Deckmantel bewusst mehrdeutig angelegter Formulierungen zielgerichtet antisemitische Agitation betrieben und andererseits gerade aus der bei der Wortwahl zu Tage getretenen Sorgfalt zusammen mit der herausfordernden Art seines Vortrags vor den Augen der Polizei folgern, der Angeklagte habe nicht ausschließbar gemeint, wegen der von ihm vorgenommenen Verschleierung seiner Aussagen noch dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes zu unterfallen. Eine solche Wertung ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen jedenfalls möglich und vom Revisionsgericht deshalb hinzunehmen.
30
b) Die Erwägungen der Strafkammer zur Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung lassen Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 394/07
vom
3. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. Februar 2008 in der Sitzung am 3. April 2008, an denen teilgenommen haben
:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 21. Februar 2008 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor in der Verhandlung vom 21. Februar 2008,
Justizangestellte in der Sitzung vom 3. April 2008
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 7. März 2007 in den Fällen II. 3., 4., 6., 7. und 8. der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte , der seit seinem 14. Lebensjahr in politisch rechtsgerichteten Organisationen und Parteien aktiv und seit dem Jahre 1998 Mitglied des Bundesvorstands der NPD ist, im Jahre 1993 mit dem Handel von CDs unter dem Namen "P. Liste" selbstständig. Seit dem Jahre 1996 bestritt er seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit dieser Tätigkeit. Im Januar 1998 brachte er sein Unternehmen in die der NPD nahestehende "D. Verlags Gesellschaft mbH" ein. Dort war er zunächst als Produktionsleiter angestellt und für alle Artikel verantwortlich, die der Verlag vertrieb; seit dem Jahre 2004 ist er einer von zwei Geschäftsführern. Der Angeklagte hatte bei der Auswahl der CDs freie Hand und trug die Verantwortung für die rechtliche Seite der Produktionen. Dabei war ihm klar, dass sich die von dem Verlag unter seiner Leitung vertriebenen Liedtexte teilweise am Rande der Legalität bewegten. Anlässlich einer Durchsuchung der Räumlichkeiten der "D. Verlags Gesellschaft mbH" im März 2003 wurden insgesamt 250 verschiedene CDs sichergestellt; ihr Inhalt wurde in der Folgezeit überprüft.
2
Hinsichtlich acht dieser CDs hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Sie hat dem Angeklagten vorgeworfen, er habe sich der Volksverhetzung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Gewaltdarstellung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen sowie des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen schuldig gemacht.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Es hat dies damit begründet, dass teilweise schon die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands der jeweils in Betracht kommenden Strafvorschriften nicht gegeben seien ; teilweise hat es angenommen, der Angeklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt bzw. sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden.
4
Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt - mit Ausnahme des Falles II. 5. der Urteilsgründe - vertretene Rechtsmittel hat einen Teilerfolg.
5
II. Die Revision ist nicht begründet, soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten in den Fällen II. 1., 2. und 5. der Urteilsgründe wendet.
6
1. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat das Landgericht ohne Rechtsfehler den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) verneint; denn der Text des Liedes "Geh uns aus dem Weg" auf der CD "Eiserne Jugend" der Gruppe "Foierstoss" wendet sich nicht gegen ein Angriffsobjekt im Sinne der genannten Vorschrift.
7
Die Norm setzt voraus, dass sich der Inhalt einer Schrift, der nach § 11 Abs. 3 StGB CDs gleich stehen, gegen einen Teil der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe richtet. Unter einem - im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden - Teil der Bevölkerung ist eine von der übrigen Bevölkerung auf Grund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale politischer, nationaler, ethnischer, rassischer, religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher, beruflicher oder sonstiger Art unterscheidbare Gruppe von Personen zu verstehen, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit und somit individuell nicht mehr unterscheidbar sind (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 130 Rdn. 4). Dass es sich bei den mit den Bezeichnungen "Linke und Antifa-Brut" sowie "Rote Flut" angesprochenen Personenkreisen nicht um abgrenzbare Bevölkerungsgruppen in diesem Sinne handelt , hat das Landgericht mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Interpretation des Liedtextes dargelegt.
8
a) Die Auslegung des Inhalts einer Schrift im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat sich wegen des Charakters der Vorschrift als Verbreitungsdelikt an seinem objektiven Sinngehalt, Zweck und Erklärungswert zu orientieren, wie sie von einem verständigen, unvoreingenommenen Durchschnittsleser oder -hörer aufgefasst werden. Ob die Schrift die inhaltlichen Anforderungen des objektiven Tatbestands erfüllt, muss sich demnach in erster Linie aus ihr selbst ergeben. Umstände, die in der Schrift selbst keinen Niederschlag gefunden haben, bleiben grundsätzlich außer Betracht. Insbesondere subjektive Zielsetzungen, Mo- tive, Absichten, Vorstellungen oder Neigungen des Täters müssen zumindest "zwischen den Zeilen" erkennbar sein (vgl. Miebach/Schäfer in MünchKomm StGB § 130 Rdn. 57). Lässt eine Äußerung mehrere Deutungen zu, von denen nur eine strafbar ist, so darf die zur Bestrafung führende Interpretation nur zugrunde gelegt werden, wenn die anderen Deutungsmöglichkeiten, insbesondere solche, die mit der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar wären, mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können (vgl. BVerfG NJW 1994, 2943).
9
b) Bei einer diesen Maßstäben entsprechenden Auslegung des Inhalts der CD ergibt sich, dass kein ausreichend eingrenzbarer Bevölkerungsteil angegriffen wird.
10
Zwar kann grundsätzlich auch eine politische Gruppierung taugliches Ziel eines Angriffs im Sinne des § 130 Abs. 2 StGB sein (vgl. von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 9). Bei nicht näher spezifizierten Sammelbegriffen wie "Rote" oder "Linke" ist der bezeichnete Personenkreis jedoch so groß und unüberschaubar und umfasst derart zahlreiche, sich teilweise deutlich unterscheidende politische Richtungen und Einstellungen, dass seine Abgrenzung auf Grund bestimmter Merkmale von der Gesamtbevölkerung nicht möglich ist (vgl. BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 1).
11
Ähnliches gilt im Ergebnis für die Bezeichnung "Antifa-Brut". Der Begriff "Antifa" bezeichnet nach allgemeinem Verständnis je nach Zusammenhang linke , linksradikale und/oder autonome Gruppierungen oder Organisationen, die sich das Ziel gesetzt haben, Nationalismus oder Rassismus zu bekämpfen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein auch nur annähernd homogenes Gebilde. Vielmehr ist die Ablehnung von Faschismus, Rassismus und Nationalismus häufig nur der kleinste gemeinsame Nenner, der zwischen den unter- schiedlichen Gruppierungen konsensfähig ist. Treffen sich indes ansonsten politisch -ideologisch ganz unterschiedlich geprägte Personengruppen lediglich in einem gemeinsamen Ziel, so reicht allein dies grundsätzlich nicht aus, um sie als abgrenzbaren Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130 Abs. 1 und 2 StGB ansehen zu können; denn die Personenmehrheit ist in diesen Fällen nicht in einem Maße durch gemeinsame individuelle Merkmale geprägt, das sie nach außen als Einheit erscheinen lässt und eine hinreichend sichere Unterscheidung von der übrigen Bevölkerung ermöglicht.
12
Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis; denn auch dem Kontext, etwa dem Inhalt der übrigen Lieder der CD, sind bei sachgerechter Interpretation keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die zu einer hinreichenden Eingrenzbarkeit des angegriffenen Personenkreises führen könnten.
13
2. Auch im Fall II. 2. der Urteilsgründe ist der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) in Tateinheit mit Gewaltdarstellung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB) bezüglich der Texte der Lieder auf der CD "Spirit of 88/White Power Skinheads" der Band "Spreegeschwader" im Ergebnis nicht zu beanstanden.
14
a) Hinsichtlich des Liedes "Ignoranten" liegen - entgegen der Ansicht des Landgerichts, das zur Begründung des Freispruchs auf einen Tatbestandsbzw. unvermeidbaren Verbotsirrtum des Angeklagten abgestellt hat - bereits die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands der Norm nicht vor; denn es fehlt an der in allen Alternativen der Vorschrift vorausgesetzten besonderen Intensität des Angriffs.
15
aa) Mit dem Text des genannten Liedes wird zunächst nicht zum Hass gegen einen Teil der Bevölkerung oder eine im Gesetz näher bezeichnete Gruppe von Personen aufgestachelt. Hierunter ist ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende, feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil oder die betreffende Gruppe zu erzeugen oder zu verstärken (vgl. BGHSt 40, 97, 102; 46, 212, 217). Der Liedtext enthält zwar abfällige Äußerungen über Türken, Albaner und Russen, denen vor allem die Beherrschung der Schulen und die Begehung bestimmter Arten von Straftaten vorgeworfen wird. Wenn auch Hetze, die sich gegen Ausländer richtet, bei entsprechendem Gewicht regelmäßig tatbestandsrelevant sein kann (vgl. Miebach /Schäfer, aaO § 130 Rdn. 32), so ist hier jedoch die erforderliche besonders intensive Form der Einwirkung (vgl. BGHSt 21, 371, 372) auch unter Beachtung des zu berücksichtigenden Kontextes nicht gegeben.
16
bb) Daneben wird auch nicht zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen die genannten Angriffsobjekte aufgefordert. Dies setzt ein über das bloße Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches oder konkludentes Einwirken auf andere mit dem Ziel voraus, in ihnen den Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die den elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 130 Rdn. 5 b; von Bubnoff, aaO § 130 Rdn. 19). Hierunter fallen etwa Gewalttätigkeiten im Sinne des § 125 StGB, Freiheitsberaubungen, gewaltsame Vertreibungen, Pogrome, die Veranstaltung von Hetzjagden gegen Ausländer und sonstige im Widerspruch zu elementaren Geboten der Menschlichkeit stehende Behandlungen aller Art (vgl. Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 35). Ein derartiger Appellcharakter ist dem Text des genannten Liedes nicht zu entnehmen.
17
cc) Schließlich wird auch nicht die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen , dass eines der genannten Angriffsobjekte beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wird. Beschimpfen ist eine nach Inhalt oder Form besonders verletzende Äußerung der Missachtung (vgl. BGHSt 46, 212, 216). Unter Verächtlichmachen ist jede auch bloß wertende Äußerung zu verstehen , durch die jemand als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig hingestellt wird (vgl. BGHSt 3, 346, 348). Verleumden erfordert das wider besseres Wissen aufgestellte oder verbreitete Behaupten einer Tatsache, die geeignet ist, die betroffene Gruppe in ihrer Geltung und in ihrem Ansehen herabzuwürdigen (vgl. Fischer, aaO § 130 Rdn. 11). Ein Angriff gegen die Menschenwürde anderer, der sich durch eine dieser Handlungen ergeben muss, setzt voraus, dass sich die feindselige Handlung nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte wie etwa die Ehre richtet, sondern den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten wird (vgl. BVerfG NJW 2001, 61, 63). Ein noch weiter gehender Angriff etwa auf das biologische Lebensrecht an sich ist nicht erforderlich (vgl. BayObLG NStZ 1994, 588, 589). Auch insoweit kommen grundsätzlich entsprechend intensive ausländerfeindliche Parolen in Betracht (vgl. die Beispiele bei Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 44 m. w. N.).
18
Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen, die durch ein gesteigertes Maß an Gehässigkeit und Rohheit gekennzeichnet sein müssen, und durch die die Angehörigen des betreffenden Bevölkerungsteils oder der betreffenden Gruppe in ihren grundlegenden Lebensrechten als gleichwertige Persönlichkeiten in der Gemeinschaft verletzt werden und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet wird (vgl. BGHSt 36, 83, 90), liegen hier indes nicht vor. Der Gehalt des Textes zielt vielmehr in erster Linie auf das Anprangern eines von den Interpreten postulierten Unverständnisses gegenüber dem vermeintlich legitimen Anliegen ausländerfeindlicher Bevölkerungskreise und eine - wenn auch durchaus massive - Kundgabe der Missbilligung bestimmter behaupteter Zustände.
19
b) Bezüglich des Liedes "Mörder in der Nacht" hat das Landgericht die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von § 131 StGB ohne Rechtsfehler verneint, da dem Text keine eindeutig gewaltverherrlichende Aussage zu entnehmen ist.
20
3. Der Freispruch des Angeklagten im Fall II. 5. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§ 166 Abs. 1 und 2 StGB) ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
21
Das Landgericht hat den objektiven Tatbestand des § 166 StGB rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, es fehle an einer ausreichenden Tathandlung , weil dem Angeklagten nicht nachzuweisen gewesen sei, dass er die CD "Der Untermensch" der Gruppe "Camulos" - deren Texte in mehreren Liedern allerdings die inhaltlichen Voraussetzungen des § 166 StGB erfüllen - tatsächlich verbreitet, das heißt, sie ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht (vgl. BGH NJW 1999, 1979, 1980 zu § 184 StGB m. w. N.) habe. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass im Lager des Verlags eine CD aufbewahrt wurde. Das bloße Vorrätighalten einer Schrift ist gemäß § 166 StGB indes ebenso wenig mit Strafe bedroht wie der Versuch des Verbreitens (§ 166 Abs. 1 und 2, § 23 Abs. 2, § 12 Abs. 1 und 2 StGB).
22
Soweit das Landgericht im Übrigen in Bezug auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Volksverhetzung den Vorsatz des Angeklagten nicht festzustellen vermocht hat, begegnet dies aus den vom Generalbundesanwalt in seiner An- tragsschrift zutreffend dargelegten Gründen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
III. Demgegenüber hält das Urteil sachlichrechtlicher Prüfung in den Fällen II. 3., 4., 6., 7. und 8. der Urteilsgründe nicht stand.
24
1. Bei dem Freispruch des Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) im Zusammenhang mit dem Text des Liedes "Rote raus" auf der CD "Herz des Reiches" der Gruppe "Panzerfaust" hat das Landgericht weder den objektiven noch den subjektiven Tatbestand der Vorschrift mit einer rechtlich tragfähigen Begründung ausgeschlossen.
25
a) Entgegen der Meinung der Strafkammer wird mit dem in dem Lied verwendeten Ausdruck "Kommunisten" ein Teil der Bevölkerung im Sinne des Tatbestandes der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 und 2 StGB bezeichnet. Im Gegensatz zu der "Antifa"-Bewegung, in der weltanschaulich unterschiedlich geprägte Gruppierungen lediglich durch ein gemeinsames Ziel vereint sind, verbindet Kommunisten - bei durchaus unterschiedlicher Ausrichtung in Einzelfragen - eine gemeinsame weltanschauliche, politisch-ideologische Grundüberzeugung. Diese gibt der Personenmehrheit ein insgesamt gemeinschaftliches Gepräge, das sie - trotz im Randbereich vorhandener Berührungspunkte und Überschneidungen mit sonstigen, insbesondere politisch linksgerichteten Gruppierungen - in ausreichender Weise von der übrigen Bevölkerung unterscheidbar macht.
26
b) Der Text des Liedes enthält einen Angriff gegen die Menschenwürde anderer, der darin liegt, dass die Kommunisten als Teil der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht werden. In ihm heißt es auszugsweise: "Blöder als die Polizei erlaubt/ Dreckiger als das dreckigste Schwein/ Du stinkst mehr als ein Hundehaufen/ Dein Gehirn ist erbsenklein/ Du bist ein Kommunist und deine Ideen gehören auf den Mist/ Nie wieder werdet ihr unser Volk zerspalten/ Unser Heimat vergewaltigen". Der Refrain lautet: "Rote raus, Rote raus, Rote raus/ Das ist unsre Heimat, hier sind wir zu haus/ Rote raus, Rote raus, Rote raus/ Ihr lächerlichen Kasper, wir lachen euch bloß aus". Bei sachgerechter Auslegung werden hierdurch in eindeutiger Weise Kommunisten nicht nur in einzelnen Persönlichkeitsrechten wie ihrer Ehre getroffen, sondern darüber hinausgehend in besonders gehässiger und roher Weise sozial abgewertet und im Kern ihrer Persönlichkeit verletzt.
27
c) Soweit das Landgericht ausgeführt hat, eine Strafbarkeit des Angeklagten scheide daneben jedenfalls aus subjektiven Gründen aus, da ihm "als Laien" kein Vorsatz nachgewiesen werden könne, wenn selbst die Strafkammer den Text für rechtlich noch vertretbar erachte, hat es die Voraussetzungen vorsätzlichen Handelns verkannt.
28
aa) Das Landgericht hätte, wollte es den Vorsatz des Angeklagten verneinen , aufgrund der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen darlegen müssen, was der Angeklagte im Einzelnen nicht in sein Wissen und Wollen aufgenommen hat. Da im Rahmen des § 130 StGB bedingter Vorsatz ausreicht, kommt es darauf an, ob der Täter das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt (vgl. Fischer, aaO § 15 Rdn. 9 ff.).
29
bb) Dem Landgericht oblag es deshalb, unter Anlegung dieser Maßstäbe zu prüfen, ob der Angeklagte zumindest bedingt vorsätzlich davon ausging, dass in dem betreffenden Lied Kommunisten als Teil der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht werden. Hierfür reichte allein der Hinweis darauf nicht aus, dass die Strafkammer selbst die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Norm verneint hat. Vielmehr musste sie die maßgebende Vorstellung des Täters zum Zeitpunkt der Begehung der Tat feststellen und würdigen. Dabei war darauf Bedacht zu nehmen, dass der Vorsatz auf der Wissensseite als intellektuelles Element erfordert, dass der Täter sich zurzeit der Handlung des Vorliegens aller Umstände des äußeren Tatbestands bewusst ist.
30
Namentlich bei normativ geprägten Tatbestandsmerkmalen braucht der Täter im Übrigen nicht die aus den Gesetzesbegriffen folgende rechtliche Wertung nachzuvollziehen; insofern genügt die Parallelwertung in der Laiensphäre, die voraussetzt, dass der Täter die Tatsachen kennt, die dem normativen Begriff zugrunde liegen, und auf der Grundlage dieses Wissens den sozialen Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals richtig begreift (vgl. Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 15 Rdn. 9, 14).
31
2. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe hat das Landgericht zum Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) festgestellt, dass der Angeklagte in den Räumen der "D. Verlags Gesellschaft mbH" zu Verkaufszwecken die CD "Stimme des Volkes 26.03.1999" lagerte. Diese enthielt die Aufnahme einer aus Liedern und Textbeiträgen bestehenden Sendung von "Radio Germania", einem politisch rechtsgerichteten Sender. In zwei Liedern wird unter Anknüpfung an den Sprachgebrauch des Dritten Reiches die Parole der Hitlerjugend "Blut und Ehre" gebraucht. Dem Angeklagten war im Jahre 1999 in einem Gespräch von dem Verantwortlichen des Senders mitgeteilt worden, dass alle Sendungen anwaltlich begutachtet und für unbedenklich gehalten worden seien. Daneben wird von dem Sprecher zu Beginn der Sendung darauf hingewiesen, dass die Sendung "wie immer auch dieses Mal von unseren Rechtsanwälten als strafrecht- lich nicht relevant und ohne Verstöße gegen die Jugendschutzordnung gewertet worden" sei.
32
a) Die Strafkammer hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt ist; denn der Angeklagte hielt mit der beschriebenen CD einen Gegenstand zum Zwecke der Verbreitung vorrätig, der ein Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation im Sinne von § 86 a Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB enthielt.
33
b) Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht darauf abgestellt , dem Angeklagten könne nicht nachgewiesen werden, er habe gewusst, dass die Verwendung des Begriffspaares "Blut und Ehre" zweifelsfrei auf die Parole der Hitlerjugend hinweise; es fehle somit an der subjektiven Tatseite. Gehe man stattdessen von einem Verbotsirrtum aus, sei dieser unvermeidbar gewesen. Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
34
aa) Zwar können Fehlvorstellungen oder -bewertungen über normative Tatbestandsmerkmale je nach dem Stand der (Un-)Kenntnis des Täters zu einem den Vorsatz und damit die Strafbarkeit ausschließenden Tatbestandsirrtum (§§ 15, 16 StGB) oder zu einem vermeidbaren oder unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) führen, wobei die sachgerechte Einordnung derartiger Irrtümer unter Rückgriff auf wertende Kriterien und differenzierte Betrachtungen vorzunehmen ist (vgl. BGH NStZ 2006, 214, 217). Insoweit kann das Vertrauen des Täters in juristische Auskünfte sowohl im Rahmen des Tatbestandsvorsatzes Bedeutung erlangen als auch sich im Bereich der Schuld auf die Strafbarkeit auswirken (vgl. Kirch-Heim/Samson, wistra 2008, 81). Durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen wird indes weder tragfähig belegt, dass der An- geklagte ohne Vorsatz handelte, noch dass ihm bei Begehung der Tat die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun.
35
bb) Weder die pauschale Auskunft des für den Radiosender Verantwortlichen über eine anwaltliche Begutachtung noch der ebenso substanzlose Hinweis des Sprechers zu Beginn der Sendung enthält einen irgendwie näher fassbaren konkreten Hinweis auf eine Strafnorm oder gar ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal. Die Feststellungen lassen deshalb nicht erkennen, wieso der Angeklagte allein aufgrund dieser Auskünfte nicht zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes wusste und wollte, dass in den betreffenden Liedern mit der Losung "Blut und Ehre" die Parole der Hitlerjugend wiedergegeben wurde. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte aufgrund seines politischen Werdegangs und seiner über viele Jahre ausgeübten beruflichen Tätigkeit mit dem Vokabular politisch rechtsgerichteter Kreise in hohem Maße vertraut war.
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cc) Auch ein Verbotsirrtum des Angeklagten ist nicht ausreichend belegt. Wenn der Täter einen in seiner Bedeutung zutreffend erkannten Umstand rechtlich unrichtig subsumiert, kann seine Fehlvorstellung zwar als sog. Subsumtionsirrtum im Rahmen der Schuld Bedeutung gewinnen (vgl. Lackner/Kühl, aaO § 15 Rdn. 14). Hierzu lassen die Urteilsgründe jedoch jegliche näheren Ausführungen vermissen. Der - rechtsfehlerhaften - Annahme eines Tatbestandsirrtums wird vielmehr ohne nähere Begründung diejenige eines Verbotsirrtums "nachgeschoben". Da der Täter bereits dann ausreichende Unrechtseinsicht hat, wenn er bei Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt (vgl. BGHSt 4, 1, 4; 27, 196, 202; BGH NStZ 1996, 236, 237; 338), hier dem Angeklagten aber bewusst war, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte, liegt es zumindest nicht nahe, dass er aufgrund der pauschalen Hinweise über das Unrecht seines Tuns irrte.
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dd) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht weiter angenommen, ein etwaiger Verbotsirrtum sei unvermeidbar gewesen; hierfür bilden die getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
38
Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat (vgl. BGHSt 21, 18, 20). Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist (vgl. Vogel in LK 12. Aufl. § 17 Rdn. 78, 85). Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bietet (vgl. BGHSt 40, 257, 264).
39
Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu berücksichtigen (vgl. Fischer, aaO § 17 Rdn. 8).
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Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag somit nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan (vgl. BGHR StGB § 17 Vermeidbarkeit 3). Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht erkennbar ist oder er nicht mehr als eine Hoffnung haben kann, das ihm bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein. Daher darf der Täter sich auf die Auffassung eines Rechtsanwalts etwa nicht allein deswegen verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig ist (vgl. BGH, Beschl. vom 12. Juni 1985 - 3 StR 82/85). Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte Gefälligkeitsgutachten scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus (vgl. Fischer, aaO § 17 Rdn. 9 a). Auskünfte , die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine "Feigenblattfunktion" (vgl. Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 17 Rdn. 18) erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten (vgl. BGH NStZ 2000, 307, 309). Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (vgl. Kirch-Heim/Samson, aaO 81, 85).
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Vor diesem Hintergrund genügen die getroffenen Feststellungen nicht ansatzweise, um die Unvermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums zu belegen. Dem Angeklagten oblag bereits aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als der für das Verlagsprogramm verantwortlichen Person eine besondere Erkundigungs- und Prüfungspflicht, an die strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGHSt 37, 55, 66). Dies gilt erst recht im Hinblick auf die sonstigen besonderen Umstände des vorliegenden Falles. So war dem selbst mit den einschlägigen Rechtsfragen vertrauten Angeklagten bewusst, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte und die Gefahr der Erfüllung von Straftatbeständen aufgrund des Inhalts der von der "D. Verlags Gesellschaft mbH" angebotenen und vertriebenen CDs nahe lag.
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Der Angeklagte durfte sich somit allein auf die pauschale mündliche Auskunft eines Dritten über eine anwaltliche Begutachtung ebenso wenig verlassen wie auf die Aussage des Sprechers zu Beginn der Sendung. Beide Hinweise boten keinerlei Gewähr für eine hinreichende inhaltliche Verlässlichkeit; denn sie ließen weder einen Schluss auf den Umfang noch auf die Sorgfältigkeit der rechtlichen Überprüfung zu. Die Auskunft hätte sich zudem inhaltlich darauf richten müssen, dass das beabsichtigte Handeln kein Unrecht ist (vgl. Vogel, aaO § 17 Rdn. 19). Hinsichtlich der Aussage durch den Verantwortlichen des Senders verhalten sich die Urteilsgründe indes noch nicht einmal dazu, ob sich die anwaltliche Begutachtung auf alle oder nur auf einzelne nach dem Strafgesetzbuch in Betracht kommenden Strafvorschriften bezog und auch etwa die einschlägigen Normen des Jugendschutzgesetzes (vgl. §§ 15, 27 JuSchG) umfasste.
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3. Der Freispruch des Angeklagten im Fall II. 6. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) bezüglich des Liedes "Stinkendes Leben" auf der CD "Das rechte Wort" der Gruppe "Patriot 19/8 & Sleipnir" kann ebenfalls keinen Bestand haben.
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a) Die in dem Lied angesprochene Gruppe der "Punker" stellt einen Teil der Bevölkerung im Sinne der genannten Vorschrift dar (vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben, aaO § 130 Rdn. 4; Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 25). Punker sind aufgrund einer etwa in ihrem Lebensstil und äußeren Erscheinungsbild zu Tage tretenden weltanschaulichen Überzeugung, die trotz unterschiedlicher Präferenzen im Einzelnen nach außen genügende Gemeinsamkeiten erkennen lässt, als Personenmehrheit von der übrigen Bevölkerung in ausreichendem Maße abgrenzbar.
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b) Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird in dem genannten Lied die Menschenwürde der Punker dadurch angegriffen, dass sie beschimpft und böswillig verächtlich gemacht werden. Mit dem Text der Kehrreime "Du bist ein Punk, du bist so krank/ bist so abnorm und nie in Form/ benimmst dich wie das letzte Schwein/ Gefällt es dir, Abschaum zu sein?" und "Die Zeit ist reif für Deutschlands Segen/ Die Zukunft liegt in unserer Hand/ Wir werden sie von den Straßen fegen/ Und frei und sauber sei das Land" sowie weiteren ähnlichen Passagen wird die Missachtung von Punkern in besonders gravierender Form zum Ausdruck gebracht; diese werden im Kern ihrer Persönlichkeit getroffen und verletzt. Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang gemeint hat, nur eine Beeinträchtigung der Ehre feststellen zu können, und zur Begründung ausgeführt hat, die Bezeichnung "Schwein" sei im heutigen Sprachgebrauch üblich und werde teilweise auch in populären Liedern wie "Männer sind Schweine" der Gruppe "Die Ärzte" gebraucht, hat sie in besonderer Weise die sich bei verständiger Würdigung aufdrängende Bedeutung des hier relevanten Textes verkannt. In diesem geht es im Gegensatz zu dem von der Strafkammer als Vergleich bemühten Lied nicht um eine satirische Überspitzung bestimmter menschlicher Verhaltensweisen und Eigenschaften; vielmehr wird in eindeutiger Weise das Recht von Punkern auf Anerkennung als Persönlichkeiten in der Gemeinschaft besonders gehässig und roh verletzt und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet.
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c) Mit dem Inhalt des letzten Kehrreims wird daneben auch zu Gewaltund Willkürmaßnahmen gegen Punker aufgefordert, da zumindest konkludent auf andere mit dem Ziel eingewirkt wird, in ihnen den Entschluss zu Gewalttätigkeiten und ähnlichen Handlungen hervorzurufen. Diesem appellativen Charakter des Textes steht nicht entgegen, dass vordergründig die Formulierung "Wir werden sie von der Straße fegen" benutzt wird. Bei sachgerechter Bewertung ergibt sich, dass die Zielrichtung der Aussage nicht dahin geht, eigene Handlungen oder Absichten der Interpreten darzustellen; vielmehr ist die eigentliche Intention erkennbar darauf gerichtet, andere zu animieren, Gewalt- oder Willkürmaßnahmen zu verüben bzw. sich solchen anzuschließen.
47
d) Soweit die Strafkammer daneben unter Hinweis auf eine Unbedenklichkeitserklärung des Rechtsanwalts N. , deren näherer Inhalt in den Feststellungen nicht mitgeteilt wird, den Vorsatz des Angeklagten verneint hat, hält dies aus den dargelegten Gründen rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Schluss des Landgerichts von dieser nicht näher spezifizierten Auskunft darauf, dass der Angeklagte sich in einer Fehlvorstellung über bestimmte Merkmale des gesetzlichen Tatbestands befand, entbehrt auch hier einer tragfähigen Grundlage.
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e) Aus denselben Gründen ist die den Ausführungen über einen Tatbestandsirrtum ohne weitere Begründung folgende Annahme eines Verbotsirrtums rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat auch in diesem Fall nicht dargelegt, über welches normative Tatbestandsmerkmal sich der Angeklagte in einer Weise im Irrtum befunden haben soll, die seine Unrechtseinsicht ausschloss.
49
f) Schließlich reichen die Ausführungen des Landgerichts nicht aus, um die Unvermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums zu begründen. Allein das Vertrauen in eine inhaltlich nicht näher konkretisierte anwaltliche Auskunft kann bei sachgerechter Bewertung der sonstigen Umstände des vorliegenden Falles bei Anwendung der dargelegten Maßstäbe nicht zu der Annahme führen, der Angeklagte habe seine eventuelle Fehlvorstellung nicht durch die genügende Anspannung seines Gewissens vermeiden können.
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4. Der Freispruch im Fall II. 7. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) im Zusammenhang mit dem Text des Liedes "Bunthaarige Schweine" auf der CD "Totgesagte leben länger" der Gruppe "Doitsche Patrioten" begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Der Text des Liedes richtet sich wie im Fall zuvor bei verständiger Auslegung gegen Punker und damit gegen einen genügend abgrenzbaren Teil der Bevölkerung. Dem steht nicht entgegen, dass die Punker hier nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sind; denn eine derartige namentliche Benennung ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn sich aus dem Inhalt der Schrift ausreichend deutlich ergibt, welcher bestimmte Bevölkerungsteil Ziel des Angriffs ist. Dies ist hier der Fall. In dem Text des Liedes werden mehrere typische Äußerlichkeiten und Verhaltensweisen genannt, die Punkern zuzuordnen sind und deren Erscheinungsbild bestimmen. Dies lässt den zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass hier die betreffende Personenmehrheit als Angriffsobjekt umschrieben ist.
52
b) Mit Formulierungen wie "Hallo du kleines Arschgesicht/ Ich find dich einfach widerlich/ Wie oft willst du denn noch erwachen/ Bestell dir lieber gleich nen Sarg", "Bunthaarige Schweine/ Dreckig eklig und verkeimt/ Ziehst du hier nicht gleich Leine/ Nutz ich die Gunst der Zeit" oder "Vielleicht hast du es nicht ganz geschnallt/ Verpiss dich bevor es knallt" wird sowohl die Menschenwürde der Punker dadurch angegriffen, dass sie böswillig verächtlich gemacht werden, als auch zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie aufgefordert.
53
c) Soweit die Strafkammer den Vorsatz des Angeklagten verneint hat, weil er gewusst habe, dass zu der CD ein Gutachten der Rechtsanwältin P. existiere, das zu dem Ergebnis gekommen sei, die Texte seien strafrechtlich unbedenklich, hält dies aus den bereits ausgeführten Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auch in diesem Fall wird der Inhalt des Gutachtens in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt; danach kannte der Angeklagte nur dessen pauschales Ergebnis. Somit wird die Folgerung der Strafkammer, er habe sich über einzelne Tatbestandsmerkmale im Irrtum befunden, von den Feststellungen nicht getragen.
54
d) Entsprechendes gilt für die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums. Dessen Voraussetzungen sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Auch insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Darüber hinaus wäre hier in die rechtliche Bewertung die Kenntnis des Angeklagten davon einzubeziehen gewesen, dass in zumindest einem früheren Fall (Fall II. 2. der Urteilsgründe ) trotz eines Gutachtens von Rechtsanwältin P. , welches zu dem Ergebnis gekommen war, die auf der CD befindlichen und von ihr geprüften Texte seien erlaubt, die CD im Nachhinein bezüglich dreier Lieder durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert wurde, was zu einer Neuauflage führte, in der die beanstandeten Lieder durch andere ersetzt wurden. Der Angeklagte hatte somit begründeten Anlass, an der Verlässlichkeit der Auskunft zu zweifeln und durfte auch aus diesem Grunde nicht ohne Weiteres auf das pauschale Ergebnis der entsprechenden Begutachtung vertrauen.
55
5. Soweit die Strafkammer im Fall II. 8. der Urteilsgründe den Angeklagten vom Vorwurf des Verbreitens von Propagandamaterial verfassungswidriger Organisationen (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB) freigesprochen hat, hält das Urteil revisionsrechtlicher Prüfung schließlich ebenfalls nicht stand.
56
a) Das Landgericht hat zunächst den objektiven Tatbestand der Vorschrift mit rechtsfehlerfreien Erwägungen bejaht. Dabei hat es zutreffend ausgeführt , den Texten der Lieder "Doitschland" und "Unter dem Krakenkreuz" sei bei einer Auslegung aus verständiger Sicht zu entnehmen, dass der Ausdruck "Krakenkreuz" als Synonym für "Hakenkreuz" gebraucht und damit eindeutig an nationalsozialistische Zielsetzungen angeknüpft werde.
57
b) Das Landgericht hat jedoch die - bereits als solche nicht nahe liegende - Einlassung des Angeklagten, der angegeben hat, er habe die CD als "reine Spaß-CD" bewertet, mit der ein besonderer Typ Skinheads satirisch habe dargestellt werden sollen, für nicht widerlegt angesehen und deshalb den Vorsatz des Angeklagten verneint. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite geht von einem unzutreffenden Verständnis der Liedtexte aus und erweist sich als lücken- und damit sachlichrechtlich fehlerhaft.
58
aa) Die Interpretation des Textes der einzelnen Lieder durch das Landgericht begegnet durchgreifenden Bedenken, soweit es verschiedene Passagen als geeignet angesehen hat, Zweifel aufkommen zu lassen, ob mit den Liedtexten politische Ziele verfolgt werden sollten. Hierfür hat es etwa die Textstelle "Doitschland ich lieb dich so/ das ist keine Banane und keine Schokolade/ ich vermisse meine Heimat und das finde ich sehr schade" benannt. Insoweit hätte sich die Strafkammer jedenfalls mit der nahe liegenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die Begriffe "Banane" und "Schokolade" in der rechtsextremen Szene als Synonyme für Menschen mit dunkler Hautfarbe und südländischer Herkunft gebraucht werden. In diesem Zusammenhang wäre zu würdigen gewesen, dass der Angeklagte mit der politisch rechtsgerichteten Terminologie in besonderer Weise vertraut war, was nahe legt, dass ihm der Gehalt der dargestellten Textpassage in Form einer rassistischen Ausrichtung der Texte ohne Weiteres klar war.
59
bb) Das Landgericht hat sich daneben nicht erkennbar damit auseinandergesetzt , dass - für den Angeklagten nach den Umständen ebenfalls augen- fällig - durch das Propagieren des "Marschierens unter dem Krakenkreuz" zur Machtübernahme als Entsprechung zum Marschieren der vormaligen NSDAP unter dem Hakenkreuz mit dem Ziel der Machtergreifung in besonderer Weise an die nationalsozialistische Terminologie und Ideologie angeknüpft wird. Den Urteilsgründen ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Angeklagte den objektiven Bedeutungsgehalt dieser eindeutigen Passage nicht erkannte und damit nicht einverstanden war. Becker Miebach von Lienen Hubert Schäfer

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.