Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2016 - 3 StR 331/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:011216U3STR331.16.0
bei uns veröffentlicht am01.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 331/16
vom
1. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:011216U3STR331.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Gericke, Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft und, soweit es diesen Angeklagten betrifft, auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 14. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
2
- den Angeklagten K. unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 37 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und einem Monat,
3
- den Angeklagten H. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat,
4
- den Angeklagten S. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafe aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten,
5
- die Angeklagte B. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
6
Zudem hat die Strafkammer die Unterbringung der Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt angeordnet, sichergestellte Betäubungsmittel und Substanzen sowie zwei Kraftfahrzeuge des Angeklagten K. eingezogen und betreffend die Angeklagten K. und S. Verfallsanordnungen getroffen.
7
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten aller Angeklagten und zu Gunsten der Angeklagten K. und B. eingelegten, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Der Angeklagte K. erhebt eine Verfahrensbeanstandung sowie die näher ausgeführte Sachrüge.
8
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt - teilweise auch zu Gunsten der Angeklagten K. , S. und B. (§ 301 StPO) - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind; soweit der Angeklagte K. freigesprochen worden ist, hat die Staatsanwaltschaft dies von ihrem Revisionsangriff, der ausdrücklich nur die Verurteilungen der Angeklagten umfasst, ausgenommen. Die Revision des Angeklagten K. hat ebenfalls Erfolg, soweit er verurteilt worden ist.
9
A. Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen getroffen:
10
Der vielfach vorbestrafte Angeklagte K. lernte nach seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung im Jahr 2011 in einem Tagesaufenthalt für Wohnungslose in A. die Mitangeklagten kennen; die Angeklagte B. wurde seine Lebensgefährtin. In der Zeit von Juli 2013 bis November 2013 verkaufte er an nicht mehr genau bestimmbaren Tagen in 37 Fällen an die erst 16 Jahre alte O. jeweils zwei Gramm Marihuana zum Preis von 10 € pro Gramm; das Landgericht hat nicht feststellen können, dass der Angeklagte das Alter seiner Abnehmerin kannte (Fälle fünf bis 41 der Urteilsgründe). Vom Vorwurf , im gleichen Zeitraum 13 weitere Verkäufe an O. getätigt zu haben, hat das Landgericht den Angeklagten K. freigesprochen, weil es sich von einer höheren Tatfrequenz nicht hat überzeugen können.
11
Ab Ende des Jahres 2013 bis April des Jahres 2015 verfügte der Angeklagte K. über erhebliche Geldsummen unklarer Herkunft und erwarb davon - obwohl er nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte - unter anderem mehrere Kraftfahrzeuge. Spätestens Anfang des Jahres 2015 beschloss er, durch den Handel mit Marihuana in A. und Umgebung seinen Lebensstandard zu verbessern. Als Fahrer gewann er den Angeklagten H. , der ihn zu seinen Lieferanten fuhr, bei den eigentlichen Betäubungsmittelgeschäften indes nicht zugegen war. Um die angekauften Betäubungsmittel nicht allein vermarkten zu müssen, vereinbarte der Angeklagte K. mit dem Angeklagten S. , dass dieser wöchentlich 50 Gramm Marihuana aus seinem Bestand abnehme. Dazu befüllte der Angeklagte K. ein Betäubungsmittelversteck , auf das der Angeklagte S. zugreifen konnte. S. hatte pro Gramm 7,50 € zu zahlen, konsumierte 25 Gramm selbst und verkaufte den Rest weiter, um seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Angeklagten K. erfüllen zu können. Der Angeklagten B. , die kokainabhängig war, schenkte der Angeklagte K. aus den von ihm erworbenen Betäubungsmittelmengen 50 bis 100 Gramm Marihuana im Monat, das sie bei einem Betäubungsmittelhändler in Kokain umtauschte. Um ihrerseits ihren Lebensgefährten bei seinen Absatzgeschäften zu unterstützen, nahm die Angeklagte B. Bestellungen von ihr bekannten Betäubungsmittelkonsumenten entgegen und leitete sie an den Angeklagten K. weiter, der diese Personen belieferte.
12
Im Einzelnen kam es am 27. Februar und am 19. März 2015 unter Mitwirkung des Angeklagten H. als Fahrer zu zwei Beschaffungsfahrten des Angeklagten K. , bei denen er jeweils 500 Gramm Marihuana erwarb. In beiden Fällen entnahm der Angeklagte S. dem beschriebenen Drogenversteck jeweils ca. 50 Gramm "pro Woche"; darüber hinaus gab der Angeklagte K. der Angeklagten B. jeweils 50 bis 100 Gramm "pro Monat", die sie in Kokain umtauschte (Fälle eins und zwei der Urteilsgründe). Am 17. April 2015 erwarb der Angeklagte K. an seiner Wohnanschrift 250 Gramm Marihuana guter Qualität; die Abnehmer hatten bereits länger gewartet und erschienen kurze Zeit nachdem der Angeklagte K. mitgeteilt hatte, dass er wieder Betäubungsmittel vorrätig habe. Wenige Tage später fuhr der Angeklagte H. den Angeklagten K. nach E. , wo dieser einen Teil der Lieferung vom 17. April 2015 veräußerte. Der Angeklagte S. entnahm wiederum dem Betäubungsmittelversteck "ca. 50 Gramm pro Woche" (Fall drei der Urteilsgründe). Am 28. April 2015 fuhren die Angeklagten K. und H. erneut nach W. und K. erwarb von seinem bevorzugten Drogenhändler 500 Gramm Marihuana. Der Angeklagte S. hatte wiederum zugesagt, 50 Gramm pro Woche abzunehmen; die Angeklagte B. hatte schon am Vorabend der Tat Abnehmer für die neue Drogenlieferung gefunden. Zu einem Absatz dieser Betäubungsmittel kam es nicht mehr, weil die Angeklagten K. und H. auf der Rückfahrt aus W. von Einsatzkräften der Polizei angehalten und festgenommen wurden (Fall vier der Urteilsgründe). Am nächsten Tag wurde die Wohnung des Angeklagten S. durchsucht, in der sich neben fast 1.400 € Bargeld und mehr als 36 Gramm Marihuana auch andere Betäubungsmittel (Haschisch und Amphetamin) sowie Feinwaagen und Verpackungsmaterial zum Portionieren von Betäubungsmitteln befanden (Fall 42 der Urteilsgründe). Bereits am 11. März 2015 waren bei einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeklagten S. fast 800 € Bargeld, eine Schreckschusspistole, ein Baseballschläger, über 130 Gramm Marihuana, mehr als 25 Gramm Haschisch und über 80 Ecstasy-Tabletten gefunden und sichergestellt worden (Fall 43 der Urteilsgründe ).
13
B. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat nur mit der Sachrüge Erfolg.
14
I. Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Verfahrensrügen versagen hingegen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen. Die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft gibt darüber hinaus Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
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1. Die "Rüge der Verletzung von § 257c Abs. 1 bis 3, (Abs. 4) StPO (wegen unwirksamer bzw. gescheiterter Verständigung)" ist jedenfalls unbegründet, soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe sich durch die Abfassung des Verständigungsvorschlags und die anschließenden Erörterungen im Hinblick auf den Schuldspruch "vorfestgelegt"; deshalb hätten die Verfahrensbeteiligten - unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft, die dann allerdings entgegen RiStBV Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 nicht auf die Einhaltung des Rechts hingewirkt hätte - sich in rechtswidriger Weise über den Schuldspruch verständigt.
16
Zu einer nach § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO unzulässigen Verfahrensabsprache ist es nicht gekommen. Zu Recht hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass das Landgericht, das bereits an zwölf Tagen verhandelt und Beweise erhoben hatte, mit Blick auf die nach § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO unberührt bleibende Aufklärungspflicht und das Gebot der umfassenden Wahrheitsermittlung (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 2 StR 495/08, NStZ-RR 2009, 147) den Angeklagten keine geständigen Einlassungen abverlangen durfte, die einen Sachverhalt beinhalteten, den das Gericht als widerlegt oder jedenfalls nicht als beweisbar ansah. So verhielt es sich hier hinsichtlich des Angeklagten S. , den die Strafkammer nach vorläufiger Würdigung der erhobenen Beweise nicht als Mitglied einer aus den vier Angeklagten bestehenden Bande ansah.
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Ohnehin könnte diese Rüge nur den Schuldspruch gegen den Angeklagten S. betreffen; dass auch der Schuldspruch gegen die anderen Angeklagten im Wege einer rechtswidrigen Absprache festgelegt oder durch eine solche auch nur beeinflusst worden sei, lässt sich dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft nicht entnehmen. Im Gegenteil hat das Landgericht seinem Verständigungsvorschlag geständige Einlassungen der Angeklagten K. , H. und B. "im Sinne der Anklageschrift", die den Vorwurf der bandenmäßigen Begehung enthielt, zugrunde gelegt.
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2. Mit der Stoßrichtung, die Strafkammer habe verkannt, dass sich die Staatsanwaltschaft "in zulässiger Weise (…) durch Widerruf von der Verständi- gung gelöst" habe, hat die Rüge einer Verletzung von § 257c Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 StPO ebenfalls keinen Erfolg. Insoweit gilt:
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a) Nach Zustandekommen einer Verständigung durch Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft zu dem Vorschlag des Gerichts (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO) kann die Staatsanwaltschaft diese nachträglich nicht wieder einseitig zu Fall bringen, auch dann nicht, wenn sie die Voraussetzungen von § 257c Abs. 4 Satz 1 oder 2 StPO als gegeben ansieht (BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 278 mwN; El-Ghazi, JR 2012, 406, 409; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 257c Rn. 25; zweifelnd KK-Moldenhauer/Wenske, StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 34). Aus der von der Staatsanwaltschaft zitierten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 1422/15, NStZ 2016, 422) ergibt sich nichts anderes. In der zitierten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht zwar ausgeführt, dem gesetzlichen Regelungskonzept der Verständigung sei die Annahme des Erfordernisses eines Rechtsbindungswillens in dem Sinne, dass sich die Beteiligten unwiderruflich und endgültig zu einer Handlung oder Entscheidung verpflichten müssten, jedenfalls fremd (BVerfG aaO, S. 424). Dabei hat es sich indes nur mit der Frage befasst, ob auch solche Prozesshandlungen , die ihrerseits wieder rückgängig gemacht werden können, wie etwa die Erklärung der Staatsanwaltschaft, Anträge auf Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO zu stellen, oder der Verzicht auf oder die Rücknahme von bereits gestellten Beweisanträgen Gegenstand einer Verfahrensabsprache im Sinne von § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO sein können, und dies bejaht (BVerfG aaO, S. 423 f.). Eine Aussage dazu, dass die Staatsanwaltschaft - wie hier - etwa durch den Widerruf ihrer Zustimmung zu der Verständigung deren Wir- kungen zu Fall bringen bzw. das Gericht dazu zwingen kann, von der Absprache Abstand zu nehmen, lässt sich der Entscheidung hingegen nicht entnehmen.
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Vielmehr hat auch das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass das Gesetz in § 257c Abs. 4 StPO (nur) für das Gericht grundsätzlich eine ausdrückliche Bindungswirkung vorsieht (BVerfG aaO, S. 424). Die durch eine zustande gekommene Verständigung eingetretene Bindungswirkung entfällt weder durch den "Widerruf" der Staatsanwaltschaft noch kraft Gesetzes, vielmehr bedarf es dazu einer Entscheidung durch das Tatgericht, wenn und soweit es die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 oder 2 StPO bejaht (BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 278 f. mwN).
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Danach trat durch den "Widerruf" der Staatsanwaltschaft bzw. durch ihre Erklärung am letzten Tag der Hauptverhandlung, dass der Verständigungsvorschlag betreffend die Angeklagten K. , H. und B. "hinfällig" sei, für sich genommen keine Rechtswirkung ein, die ein Festhalten des Gerichts an der Verständigung ausschloss oder in sonstiger Weise aus sich heraus zu einer Verfahrensfehlerhaftigkeit der Absprache führte.
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b) Ungeachtet dessen konnte die Staatsanwaltschaft - wie geschehen - ihre Auffassung zu Gehör bringen, die von den Angeklagten abgegebenen Einlassungen hätten nicht dem bei dem Verständigungsvorschlag prognostizierten Prozessverhalten entsprochen. Die Prüfung und Entscheidung darüber, ob deshalb die Bindungswirkung der Verständigung zu entfallen hatte, oblag indes allein dem Landgericht (vgl. BGH aaO), das jedoch zu der Annahme gelangt war, das Einlassungsverhalten der Angeklagten entspräche seiner Prognose im Zeitpunkt des Verständigungsvorschlags, weil es sich jeweils um eine "noch - geständige Einlassung im Sinne der Verständigung" gehandelt habe.
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Ein Entfallen der Bindungswirkung der Verfahrensabsprache setzt zudem weiter voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage bzw. wegen des Abweichens des Angeklagten von dem erwarteten Prozessverhalten zu der Überzeugung gelangt, dass die in Aussicht gestellte Strafoberoder Strafuntergrenze (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Eine Lösung von der Verständigung kann deshalb nur gerechtfertigt sein, wenn das später gezeigte tatsächliche Prozessverhalten des Angeklagten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2013 - 1 StR 633/12, NStZ 2013, 417, 419). Bei der Prüfung dieser Frage kommt dem Tatgericht - wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung - ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist, etwa weil die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernt, dass sie als unvertretbar erschiene (BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273, 279 f.). Umstände von solchem Gewicht zeigt die Revision - wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat - nicht auf, sie sind auch sonst nicht ersichtlich; insbesondere genügt eine bloße abweichende rechtliche Einstufung der Tatbeiträge eines Angeklagten insoweit nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 1 StR 421/12, NStZ-RR 2013, 184). Nichts anderes stellt aber die Annahme der Strafkammer dar, die Angeklagten hätten die ihnen nachgewiesenen Betäubungsmitteldelikte nicht bandenmäßig begangen.
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3. Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 260 Abs. 3 StPO verstoßen, weil es das Verfahren in den Fällen fünf bis 41 der Urteilsgründe nicht eingestellt habe, bedarf keiner Entscheidung. Ein Verfahrenshindernis wegen der von der Staatsanwaltschaft - entgegen der zustande gekommenen Verständigung - unterlassenen Anträge auf Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO käme insoweit nach der Rechtsprechung des Senats, die zu einer Verständigung vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung ergangen ist, allenfalls in Betracht , wenn die Strafkammer bei Ausnutzung der rechtlichen Gestaltungsspielräume insbesondere im Rahmen der Strafzumessung zu keinem Ergebnis gelangt wäre, das das Verfahren insgesamt noch als fair erscheinen ließe (BGH, Urteil vom 12. März 2008 - 3 StR 433/07, BGHSt 52, 165, 173 f.). Ob dies hier der Fall war, kann offen bleiben, weil die Verurteilung auch in diesen Fällen bereits auf die Sachrüge insgesamt der Aufhebung unterliegt (dazu unten, II.2.a)).
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II. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind.
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1. Dies gilt zunächst, soweit die Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten der Angeklagten eingelegt worden ist.
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a) Die Beweiswürdigung "zur Frage des Vorliegens einer Bandenstruktur" in den Fällen eins bis vier der Urteilsgründe, in denen alle vier Angeklagten verurteilt worden sind, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat hierzu ausgeführt, die Einlassung der Angeklagten, dass es eine Bandenabrede oder eine "auch nur stillschweigende bandenmäßige Zusammenarbeit" nicht gegeben habe, sei nicht zu widerlegen.
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Die Beweiswürdigung ist allerdings Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Allein ihm obliegt es, sich ein Urteil über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten zu bilden. Dabei brauchen seine Schlussfolgerungen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Das Revisionsgericht hat sich auf die Prüfung zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung der Schuld der Angeklagten überhöhte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 11 mwN). Nach diesen Maßstäben revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler ergeben sich hier aus Folgendem:
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Als ein wesentliches Argument ihrer Begründung hat die Strafkammer den Umstand angesehen, dass der Angeklagte S. letztlich selbständig und auf eigenes wirtschaftliches Risiko seine Interessen als Betäubungsmittelhändler verfolgt und das dazu benötigte Marihuana lediglich von dem Angeklagten K. erworben habe; insofern liege nur ein eingespieltes Bezugsund Absatzsystem im Rahmen einer dauernden Geschäftsbeziehung vor, das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein bandenmäßiges Zusammenwirken darstelle. Diese Annahme basiert auf den Einlassungen der Angeklagten K. und S. , die übereinstimmend die Vereinbarung zur Abnahme von wöchentlich 50 Gramm Marihuana zum Preis von 7,50 € pro Gramm und die Entnahme der Betäubungsmittel aus dem gemeinsamen Drogenversteck geschildert haben. Jedenfalls soweit das Landgericht die Einlassung des Angeklagten S. als glaubhaft angesehen hat, erweist sich seine Beweiswürdigung indes als lückenhaft und widersprüchlich:
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Die Strafkammer hat nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte S. - seine Einlassung als richtig unterstellt, er habe von den erhaltenen 50 Gramm Marihuana stets die Hälfte selbst konsumiert und den Rest verkauft, um seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Angeklagten K. erfüllen zu können - nach den Feststellungen die von ihm veräußerten Betäubungsmittel für das Doppelte des von ihm bezahlten Einkaufspreises von 7,50 € pro Gramm, mithin für 15 € pro Gramm hätte absetzen müssen, um wenigstens kostendeckend zu arbeiten. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Verkäufen des Angeklagten K. betrug der im Straßenverkauf erzielte Grammpreis - wenn auch zeitlich früher - indes lediglich 10 € pro Gramm Marihuana ; unter Zugrundelegung dieses Verkaufspreises hätte der Angeklagte S. - worauf die Staatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat - einen wöchentlichen Verlust von 125 € - monatlich 500 € - erwirtschaftet, den er nach seinen festgestellten wirtschaftlichen Verhältnissen - er war lediglich "auf 450 € Basis" geringfügig beschäftigt - nicht anderweitig hätte ausgleichen können. Mit der Einlassung des Angeklagten S. , er habe wöchentlich 50 Gramm Marihuana abgenommen und umgesetzt, ist im Übrigen auch nicht in Einklang zu bringen, dass anlässlich der Durchsuchung seiner Wohnung am 11. März 2015 mehr als 130 Gramm Marihuana, die aus den Beständen des Angeklagten K. stammen sollten, bei ihm gefunden und sichergestellt wurden. Zu den festgestellten An- und Verkaufspreisen steht zudem in Widerspruch, dass der über nur geringe legale Einkünfte verfügende Angeklagte S. bei beiden Durchsuchungen im März und April 2015 größere Mengen Bargeld in "szenetypischer Stückelung" sowie weitere - angeblich von einem anderen Lieferanten stammende - Betäubungsmittel in Besitz hatte. All diese von der Strafkammer nicht beachteten Umstände sprachen gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten S. und für eine weitergehende, schwerer wiegende Tatbeteiligung. Da sich das Landgericht damit nicht auseinandergesetzt hat, entbehrt seine Würdigung der Einlassung als glaubhaft mithin einer tragfähigen Grundlage.
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Da die Strafkammer indes zur Frage der bandenmäßigen Begehung die von ihr als glaubhaft angesehenen Einlassungen für nicht widerlegbar gehalten hat, schlägt die rechtsfehlerhafte Würdigung der Einlassung des Angeklagten S. auf diese Bewertung durch, die somit insgesamt nicht tragfähig begründet ist. Der Senat kann auch mit Blick auf die Einlassungen der drei Mitangeklagten nicht ausschließen, dass das Landgericht - hätte es den Rechtsfehler vermieden und die genannten Umstände in seine Würdigung der Einlassung des Angeklagten S. einbezogen - zu einer anderen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassungen und damit zur Frage der bandenmäßigen Begehung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Sache muss deshalb in den Fällen eins bis vier der Urteilsgründe betreffend alle Angeklagten umfassend neu verhandelt und entschieden werden.
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b) Im Fall 43 der Urteilsgründe hat die Verurteilung des Angeklagten S. schon deshalb keinen Bestand, weil sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, welche Wirkstoffgehalte die sichergestellten Betäubungsmittel (Haschisch und Ecstasy-Tabletten) jeweils hatten und ob insoweit gegebenenfalls der Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten wurde. Hinzu kommt, dass das Landgericht das sichergestellte Marihuana für den Schuldspruch insgesamt unberücksichtigt gelassen hat, weil der Angeklagte S. insoweit nicht (erneut) bestraft werden könne: Die Betäubungsmittel stammten aus den Beschaffungsfahrten des Angeklagten K. , so dass eine Bewertungseinheit vorliege; wegen dieser Taten sei der Angeklagte S. bereits wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt.
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Abgesehen davon, dass die Annahme einer Bewertungseinheit betreffend die Entnahmen des Angeklagten S. aus dem Betäubungsmittelversteck so, wie von der Strafkammer vorgenommen, ohnehin rechtlichen Bedenken begegnet (siehe dazu unten, B.II.2.d)), war von den entnommenen Betäubungsmitteln jeweils die Hälfte zum Eigenbedarf bestimmt, so dass insoweit eine Bewertungseinheit des Handeltreibens nicht in Betracht kommt. Mit Blick auf die Menge des sichergestellten Marihuanas von 132,8 Gramm könnten demnach 66,4 Gramm für den Eigenbedarf bestimmt gewesen sein; bei dem in den übrigen Fällen angenommen Wirkstoffgehalt (12,9 % THC) kann der Senat deshalb nicht ausschließen, dass der Angeklagte S. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu verurteilen gewesen wäre.
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c) Auch die Verurteilung des Angeklagten S. im Fall 42 der Urteilsgründe war aufzuheben, weil sich der im Fall 43 genannte Rechtsfehler insoweit fortsetzt. Selbst wenn sich dies hier gegebenenfalls nur auf den Strafausspruch auswirken sollte, hat der Senat die Verurteilung in diesem Fall insgesamt aufgehoben , um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
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2. Die Sachrüge der Staatsanwaltschaft greift in mehrfacher Hinsicht auch zu Gunsten der Angeklagten K. , S. und B. durch. Im Einzelnen:
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a) Die Verurteilung des Angeklagten K. in den Fällen fünf bis 41 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich die Beweiswürdigung zu diesen Fällen ebenfalls als lückenhaft und widersprüchlich erweist: Der Angeklagte K. hat zu diesen Fällen ebenso geschwiegen wie die Abnehmerin der Betäubungsmittel, die zur Tatzeit minderjährige Zeugin O. . Ihre Überzeugung von der Begehung von 37 Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durch Verkauf von jeweils zwei Gramm Marihuana hat die Strafkammer aus den Angaben des Zeugen We. , des damaligen Freundes der Zeugin O. , gewonnen, sie habe im Zeitraum von Juli bis November 2013 alle drei bis vier Tage ein, manchmal auch zwei Gramm Marihuana bei dem Angeklagten K. erworben. Dabei hat das Landgericht außer Acht gelassen, dass der Angeklagte K. sich wäh- rend dieses fünf Monate dauernden Tatzeitraums bis zum 25. September 2013 zwei Monate in anderer Sache in Strafhaft befand. Angesichts des Umstands, dass die Strafkammer die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Zeugen insbesondere mit Blick darauf überprüft hat, dass dieser ein Zeuge "aus der Betäubungsmittelszene" sei, kann der Senat nicht ausschließen, dass sie - wenn ihr diese Unstimmigkeit aufgefallen wäre - sich insgesamt nicht von der Täterschaft des Angeklagten hätte überzeugen können und nicht nur eine geringere Anzahl von Taten angenommen hätte. Zudem lässt sich der Beweiswürdigung auch nicht entnehmen, wie das Landgericht angesichts der wiedergegebenen Zeugenaussage zu der Feststellung gelangt ist, der Angeklagte habe in jedem der genannten Fälle jeweils zwei Gramm an die Zeugin O. verkauft.
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b) Der Schuldspruch gegen den Angeklagten K. in den Fällen eins bis vier der Urteilsgründe war auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil er nicht tateinheitlich zu dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln und in den Fällen eins und zwei der Urteilsgründe zugleich auch noch wegen Abgabe von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist: Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen hatte der Angeklagte K. in allen Fällen von vornherein vor, eine Teilmenge von 50 bis 100 Gramm des erworben Marihuanas an seine Lebensgefährtin , die Angeklagte B. , unentgeltlich weiterzugeben. Auf diese Teilmenge bezog sich sein Vorsatz zum Handeltreiben nicht; er hatte insoweit auch keine Gewinnerzielungsabsicht. Dementsprechend wäre jedenfalls im Rahmen der Strafzumessung von einer geringeren Handelsmenge auszugehen gewesen, was sich zu Gunsten des Angeklagten hätte auswirken können (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2016 - 3 StR 329/16, juris Rn. 9). Insoweit gilt:
38
Ist nur ein Teil der vom Angeklagten erworbenen Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf, ein anderer zum Eigenverbrauch bestimmt, so richtet sich die rechtliche Einordnung nach den jeweiligen Einzelmengen; nicht anders ist vorzugehen, wenn der Täter - wie hier - die Betäubungsmittel nicht persönlich konsumieren, sondern einer ihm nahe stehenden Person unentgeltlich überlassen will. Liegt die Handelsmenge über dem Grenzwert zur nicht geringen Menge und die restliche Eigenverbrauchsmenge darunter - dies gilt hier unter der nach den Feststellungen möglichen Prämisse, dass der Angeklagte K. der Angeklagten B. nur jeweils bis zu 58 Gramm Marihuana überließ, weil andernfalls bei der festgestellten Wirkstoffkonzentration auch die für die Angeklagte B. bestimmte Menge über dem Grenzwert zur nicht geringen Menge gelegen hätte -, so ist in diesen Fällen Tateinheit zwischen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit Erwerb von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gegeben (BGH, Beschluss vom 21. April 2005 - 3 StR 112/05, NStZ 2006, 173, 174). In den Fällen eins und zwei der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte K. das zum Zweck der Abgabe erworbene Marihuana nach den bisherigen Feststellungen auch tatsächlich an die Angeklagte B. weitergab, wäre tateinheitlich zu dem Erwerb das Delikt der Abgabe von Betäubungsmitteln hinzugetreten (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1114).
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c) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen hält der Schuldspruch gegen den Angeklagten S. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Zwischen dem Verkäufer und dem Erwerber von Betäubungsmitteln besteht grundsätzlich weder Mittäterschaft noch ist Beihilfe gegeben. Beide stehen sich als Geschäftspartner gegenüber und verfolgen gegenteilige Interessen; ihr Zusammenwirken ist allein durch die Art der Deliktsverwirklichung notwendig vorgegeben (BGH NJW 2002, 3486, mwN). So liegt der Fall auch hier. Der Beitrag des Angeklagten S. zu den Rauschgiftgeschäften des Angeklagten K. ging nicht über das zur eigenen Deliktsverwirklichung Notwendige hinaus. Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus der Zusage, dem Angeklagten K. 'pro Woche um die 50 g Marihuana aus dessen Bestand' abzunehmen, wodurch dieser eine gewisse Planungssicherheit erlangte."
40
Dem schließt sich der Senat an.
41
d) Darüber hinaus hat das Landgericht zu Unrecht angenommen, der Angeklagte S. habe hinsichtlich des von ihm erworbenen Marihuanas in vier Fällen jeweils mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben. Die Strafkammer ist zu dieser Annahme gelangt, weil sie in unzulässiger Weise die Gesamtmenge der über den Zeitraum von acht Wochen (pro Woche 25 Gramm) insgesamt zu Verkaufszwecken entnommenen Drogen zusammengerechnet hat. Richtigerweise hätte aber geprüft werden müssen, ob in den Fällen eins bis drei der Urteilsgründe einzelne wöchentliche Entnahmen des Angeklagten S. , die jeweils für sich nur eine unter dem Grenzwert zur nicht geringen Menge liegende Betäubungsmittelmenge betrafen, gegebenenfalls mit Blick darauf, dass sie aus einem einheitlichen Verkaufsvorrat stammten , hätten zusammengerechnet werden dürfen (vgl. dazu Weber, BtMG, 4. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 588 ff. mwN). Sodann hätte nur in den Fällen, in denen die dann zulässigerweise zu addierenden Mengen den Grenzwert überschritten, ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgeurteilt werden können.
42
e) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen war die Verurteilung der Angeklagten B. wegen Beihilfe zu dem Handeltreiben des Angeklagten K. mit Betäubungsmitteln in vier Fällen nicht zu beanstanden. Dies galt entgegen dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft auch im Fall vier der Urteilsgründe. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt, die "Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (BGH NStZ-RR 2015, 343, 344, mwN). Diese Voraussetzungen sind auch im Fall 4 der Urteilsgründe erfüllt, da die Angeklagte , wie sie dem Angeklagten K. am Vorabend der Beschaffungsfahrt mitteilte, bereits Abnehmer für das Rauschgift gefunden hatte."
43
Dem schließt sich der Senat an.
44
Allerdings konnte die tateinheitliche Verurteilung der AngeklagtenB. wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen aus mehreren Gründen keinen Bestand haben:
45
aa) Im Fall vier der Urteilsgründe wurde der Angeklagte K. mit den Betäubungsmitteln festgenommen, bevor er der Angeklagten B. etwas davon geben konnte; sie konnte deshalb folgerichtig auch keine Betäubungsmittel abgeben. Im Fall drei der Urteilsgründe erwarb der Angeklagte K. zwar 250 Gramm Marihuana; dass er auch in diesem Fall eine Teilmenge davon an die Angeklagte B. abgab, hat das Landgericht hingegen nicht ausdrücklich festgestellt.
46
bb) Als rechtsfehlerhaft erweist sich weiter die Annahme, die Angeklagte B. hätte beim Eintausch der Drogen jeweils eine nicht geringe Menge abgegeben. Angesichts der Feststellungen, der Angeklagte K. habe ihr aus den von ihm beschafften Betäubungsmitteln jeweils 50 bis 100 Gramm geschenkt , die sie zum Eintausch gegen Kokain habe verwenden können, wäre nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu Gunsten der Angeklagten B. davon auszugehen, dass er ihr jeweils nur 50 Gramm überließ. Da eine Zusammenrechnung dieser Mengen hier schon deshalb nicht in Betracht kam, weil die Betäubungsmittel jeweils aus einer anderen Beschaffungsfahrt des Angeklagten K. stammten, lag jeweils nur eine nicht den Grenzwert zur nicht geringen Menge überschreitende Betäubungsmittelmenge vor, die die Angeklagte B. jeweils abgeben konnte. Darüber hinaus hätte sie auch das Delikt des Erwerbs von Betäubungsmitteln verwirklicht; auch die schenkweise Erlangung von Betäubungsmitteln stellt einen rechtsgeschäftlichen Erwerb im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG dar (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 10 Rn. 7).
47
cc) In den Fällen eins und zwei der Urteilsgründe standen die Taten des Erwerbs bzw. der Abgabe zu der ebenfalls gegebenen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht in Tateinheit. Zwar stammte das Marihuana aus der jeweils durch den Angeklagten K. beschafften Betäubungsmittelmenge; die Überlassung an die Angeklagte B. - mithin ihr Erwerb - war indes in keiner Weise mit ihren Beihilfehandlungen verknüpft, insbesondere keine Entlohnung dafür. Erst Recht kein Zusammenhang bestand mit der zeitlich späteren Abgabe durch die Angeklagte B. an ihre Betäubungsmittelhändler in den Niederlanden.
48
C. Die Revision des Angeklagten K. hat mit der Verfahrensrüge aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg; diese ist nicht zulässig erhoben.
49
Auf die Sachrüge führt auch die Revision des Angeklagten zur Aufhebung des Urteils soweit es ihn betrifft, weil sich die Beweiswürdigung der Strafkammer in den Fällen eins bis 41 der Urteilsgründe aus den oben genannten Gründen als rechtsfehlerhaft erweist und die Feststellungen damit insgesamt einer tragfähigen Grundlage entbehren. Im Übrigen beschwerte ihn auch die rechtliche Würdigung der Strafkammer in den Fällen eins bis vier der Urteilsgründe (s. oben, B.II.2.b)).
50
D. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
51
I. Nach Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache ist das neue Tatgericht an die Verständigung und die darin genannten Strafrahmen nicht gebunden; die Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO gilt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 16/11736, S. 13; 16/12310, S. 15) nur für das (Tat-)Gericht, das die Verständigung vereinbart hat (BGH, Urteile vom 28. Februar 2013 - 4 StR 537/12, NStZ-RR 2013, 373; vom 26. Januar 2011 - 2 StR 446/10, JR 2012, 35, 36; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 257c Rn. 57; MüKoStPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 148; KK-Wenske/Moldenhauer, StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 37; Altvater, StraFo 2014, 221, 222; Schneider, NZWiSt 2015, 1, 2; Schlothauer/Weider, StV 2009, 600, 605; jeweils mwN).
52
II. Nicht abschließend geklärt ist bislang allerdings die Frage, ob in diesen Fällen die im ersten Rechtsgang mit Blick auf die Verständigung abgege- benen Geständnisse verwertet werden dürfen, etwa durch Vernehmung der Tatrichter, die die Verständigung getroffen hatten.
53
1. In einem Fall, in dem nur der Angeklagte Revision eingelegt hatte, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein Beweisverwertungsverbot gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nicht anzunehmen sei, weil die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vorlägen. Denn bei Einhaltung der auch vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung akzeptierten Strafobergrenze werde diese durch das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO für das weitere Verfahren perpetuiert (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 5 StR 38/10, StV 2010, 470 mit ablehnender Anmerkung Wattenberg, StV 2010, 471, 472 f.; zustimmend hingegen Knauer/Lickleder, NStZ 2012, 366, 377). Ein Verwertungsverbot sehe § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nur in Fällen vor, in denen "die Vertragsgrundlage" entfallen sei, weil sich das Gericht von der Verständigung lösen wolle bzw. wenn diese gescheitert sei, nicht aber schon dann, wenn die Verständigung den Schuldspruch zum Gegenstand gehabt habe und deshalb unzulässig gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - 1 StR 52/11, NJW 2011, 1526, 1527) oder wenn die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO unterblieben sei (BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, StV 2011, 76, 77).
54
2. Für den Fall, dass - wie hier - die Staatsanwaltschaft indes - jedenfalls auch - zu Ungunsten des Angeklagten erfolgreich ein Rechtsmittel eingelegt hat, entspricht es der überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur, ein Verwertungsverbot anzunehmen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - III-4 RVs 60/10, StV 2011, 80, 81 mit zustimmender Anmerkung Kuhn, StV 2012, 10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. März 2014 - 3 (6) Ss 642/13, NStZ 2014, 294, 295 mit zustimmender Anmerkung Moldenhauer, NStZ 2014, 493; MüKoStPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 177 f.; Altvater, StraFo 2014, 221, 222; weitergehend - stets ein Verwertungsverbot annehmend - LR/Stuckenberg aaO Rn. 68; SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 257c Rn. 48; KMR/v. Heintschel-Heinegg, 56. EL, § 257c Rn. 53; HK-StPO-Temming, 5. Aufl., § 257c Rn. 37; aA möglicherweise BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - 4 StR 537/12, NStZ-RR 2013, 373, das eine Beschränkung der staatsanwaltschaftlichen Revision auf den Strafausspruch nach vorausgegangener Verständigung und Geständnis des Angeklagten für wirksam gehalten hat; offen gelassen von OLG Nürnberg, Beschluss vom 29. Februar 2012 - 1 St OLGSs 292/11, NStZ-RR 2012, 255, 256). Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn das neue Tatgericht über die vom ersten Tatgericht zugesagte Strafrahmenobergrenze hinausgehen wolle (OLG Karlsruhe aaO; Schneider aaO S. 4; Wenske, NStZ 2015, 137, 141 f.; differenzierend El-Ghazi, JR 2012, 406, 413 f.). Auch der Senat neigt der Auffassung zu, dass in diesen Fällen jedenfalls grundsätzlich ein Verwertungsverbot anzunehmen ist.
55
III. Sollte das neue Tatgericht zu gleichartigen Feststellungen gelangen, wird es Folgendes zu beachten haben:
56
1. Lässt sich in den Fällen eins bis vier der Urteilsgründe erneut nicht eindeutig feststellen, wieviel Gramm Marihuana der Angeklagte K. der Angeklagten B. unentgeltlich überließ, wird gegebenenfalls unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes zu entscheiden sein, von welcher Handelsmenge und von welcher Abgabemenge jeweils auszugehen ist. Insoweit dürfte maßgeblich sein, dass grundsätzlich die Annahme einer möglichst geringen Handelsmenge für den Angeklagten K. günstig wäre, andererseits aber ab einer 58 Gramm übersteigenden Abgabemenge gegebenenfalls tateinheitlich zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln das Verbrechen der Abgabe von Be- täubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hinzutreten könnte.
57
2. Sollte das neue Tatgericht in den Fällen fünf bis 41 der Urteilsgründe erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten K. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gelangen, wird es mit Blick auf die Tatfrequenz sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu prüfen haben, ob er insoweit nicht gewerbsmäßig handelte und deshalb ein besonders schwerer Fall nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG anzunehmen ist.
58
3. Betreffend den Angeklagten S. weist der Senat weiter darauf hin, dass auch in der festen Zusage, eine bestimmte Menge von Betäubungsmitteln zum gewinnbringenden Verkauf abzunehmen, ein vollendetes Handeltreiben liegen kann (BGH, Beschluss vom 25. Juli 2006 - 1 StR 297/06, juris Rn. 3). In den Fällen der Entnahme von jeweils 50 Gramm Marihuana aus dem Betäubungsmittelversteck , wird der neue Tatrichter in den Blick zu nehmen haben, dass der Angeklagte S. hinsichtlich der zum Eigenkonsum entnommenen Teilmenge tateinheitlich das Delikt des Erwerbs von Betäubungsmitteln verwirklicht haben könnte, und dass er hinsichtlich der zu Verkaufszwecken entnommenen Teilmenge gewerbsmäßig gehandelt haben könnte (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG).
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Gericke im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker
Tiemann Hoch

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafprozeßordnung - StPO | § 260 Urteil


(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils. (2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, gena

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Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 623/11
vom
21. Juni 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
1. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes
von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
2. a) Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvorschlag
des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich.
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach
§ 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine
dahingehende gerichtliche Entscheidung.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Juli 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Mit Verfahrensbeschwerden wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes und beanstandet im Zusammenhang mit der Verständigung, dass das Landgericht es unterlassen habe, sich im Urteil mit den Gründen für das Festhalten an der Verständigung auseinanderzusetzen, obwohl aufgrund neu in der Hauptverhandlung zutage getretener Umstände Veranlassung bestanden habe, sich nach § 257c Abs. 4 StPO von der Verständigung zu lösen. Die Sachrüge ist mit Angriffen gegen den Strafausspruch näher ausgeführt.
2
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin im Erdgeschoss des vom Angeklagten allein bewohnten Hauses zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, in dessen Verlauf der Angeklagte unvermittelt begann, ihn erregende und für die Nebenklägerin schmerzhafte Handlungen, unter anderem Schläge mit der flachen Hand gegen die Brust der Nebenklägerin, vorzunehmen, worauf die Nebenklägerin vergeblich versuchte, den Angeklagten wegzudrücken. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin, die eine entsprechende Aufforderung zuvor abgelehnt hatte, in das im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer geschoben hatte, führte er den Geschlechtsverkehr mit der auf dem Bett liegenden Nebenklägerin unter denselben Begleitumständen weiter. Als die Nebenklägerin ihn bei ihrer fortdauernden Gegenwehr mit ihren Fingernägeln am Hals verletzte, schlug der Angeklagte , der zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass die Fortführung des Geschlechtsverkehrs und die Schläge gegen die Brüste gegen den Willen der Nebenklägerin geschahen, ihr mit beiden Händen nacheinander ins Gesicht. Sodann setzte er den Geschlechtsverkehr mit der resignierenden und jede Gegenwehr aufgebenden Nebenklägerin fort und urinierte ihr anschließend auf den Bauch. In der Folgezeit vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Analverkehr unter Einsatz eines Gleitgels und - nach einer Unterbrechung, in der sich der Angeklagte von hinten an die Nebenklägerin anschmiegte und äußerte , er könne auch kuscheln - ein weiteres Mal den vaginalen Geschlechtsverkehr , ehe er der Nebenklägerin erneut auf den Bauch urinierte. Bei Tatbegehung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholgenusses nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.

II.


4
Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
5
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gemäß § 338 Nr. 6 StPO den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verlesung des Anklagesatzes und macht geltend, § 171b GVG lasse eine Beschränkung der Öffentlichkeit während der Anklageverlesung nicht zu.
6
a) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Da die Beanstandung des Verfahrens die prinzipielle Reichweite der Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG zum Gegenstand hat, sind die Einzelheiten der im Zusammenhang mit der Ausschließungsentscheidung der Strafkammer angefallenen Unterlagen, deren Vortrag der Generalbundesanwalt und dieVerteidigung vermissen, für die Entscheidung über die Verfahrensrüge ohne Bedeutung.
7
b) Die Regelung des § 171b Abs. 3 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der erhobenen Rüge nicht entgegen. Gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen ist die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die in § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - 1 StR 786/88, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 1; Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 268/06, StV 2007, 514; vgl. auch den Entwurf der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren, BT-Drucks. 10/5305 S. 23 f.). Damit ist es dem Revisionsgericht verwehrt, die Begründung einer nach § 171b GVG ergangenen Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Wickern in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG, Rn. 25). Die Rüge der Staatsanwaltschaft zielt indessen nicht auf die Tragfähigkeit der von der Strafkammer für ihre Ausschließungsanordnung angeführten Gründe, sondern stellt die generelle Befugnis für den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes in Frage. Diese Beanstandung wird von § 171b Abs. 3 GVG nicht ausgeschlossen.
8
c) Die Rüge ist unbegründet. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
9
Die Vorschrift des § 171b GVG knüpft an den Begriff der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in § 169 Satz 1 GVG an und lässt beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit für sämtliche Abschnitte der Hauptverhandlung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5; Wickern aaO, Rn. 21). Die Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG reicht nicht weniger weit als bei den Ausschlusstatbeständen des § 171a GVG und § 172 GVG, für welche ausdrücklich normiert ist, dass die Öffentlichkeit für die (Haupt-)Verhandlung oder einen Teil davon ausgeschlossen werden kann. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 171b GVG. Durch die Schaffung des § 171b GVG sollte der bis dahin in § 172 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 9. Mai 1975 geregelte Schutz des persönlichen Lebensbereichs eines Prozessbeteiligten oder Zeugen durch eine Änderung des Abwägungsmaßstabs zugunsten des Persönlichkeitsschutzes verbessert, der Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich aus dem Zusammenhang der übrigen Ausschlussgründe gelöst und plakativ an die Spitze gestellt werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/5305 S. 23). Dafür, dass bei dem neu in das Gerichtsverfassungsgesetz aufgenommenen § 171b GVG - anders als bei § 172 GVG - bestimmte Verfahrensabschnitte der Hauptverhandlung von der Ausschließungsbefugnis ausgenommen sein sollten, bietet die Entstehungsgeschichte keinen Anhalt. Das Gesetz enthält in § 173 GVG lediglich für die Urteilsverkündung eine besondere Regelung, wonach die Verlesung der Urteilsformel stets öffentlich zu erfolgen hat und der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Eröffnung der Urteilsgründe einen besonderen Beschluss des Gerichts nach §§ 171b, 172 GVG erfordert. Die eine Gegenausnahme zu den Ausschließungstatbeständen der §§ 171a, 171b und 172 GVG beinhaltende Bestimmung des § 173 GVG ist entgegen der Ansicht der Revision einer ausdehnenden, ihren Anwendungsbereich auf andere Verfahrensvorgänge erstreckenden Auslegung nicht zugänglich.
10
Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) und umfasst nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO die Verlesung des Anklagesatzes. Die Verlesung ist ein Teil der Verhandlung, für den bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden darf (vgl. für § 172 GVG RG, Urteil vom 13. Mai 1927 - 1. D 392/1927; Wickern aaO, § 172 GVG, Rn. 39). Auch bei der Verlesung des Anklagesatzes können Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten , Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG zu rechtfertigen vermögen, weil deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, ohne dass das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus dem Umstand, dass der Inhalt des Anklagesatzes auf einer vorläufigen Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch die Staats- anwaltschaft beruht, noch aus der verfahrensrechtlichen Funktion des Anklagesatzes zur Umgrenzung und Konkretisierung des Verfahrensgegenstandes.
11
2. Im Zusammenhang mit der Verständigung nach § 257c StPO macht die Revision einen Verstoß gegen die §§ 257c, 261, 267 StPO geltend. Sie beanstandet , das Landgericht habe trotz des von der Staatsanwaltschaft erklärten Widerrufs der Zustimmung zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag in den Urteilsgründen nicht ausgeführt, ob und aus welchen Gründen es an der Verständigung habe festhalten wollen. Die in der Hauptverhandlung neu zutage getretenen Umstände - die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin und das erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nach Intervention der Staatsanwaltschaft erfolgte Eingeständnis des erzwungenen Analverkehrs durch den Angeklagten - hätten der Strafkammer Anlass geben müssen, den der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmen zu verlassen.
12
Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
13
a) Nach der Konzeption des § 257c StPO kommt eine Verständigung über das Ergebnis des Verfahrens durch einen Vorschlag des Gerichts und die Zustimmungserklärungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zustande. Das Gericht gibt nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO den Inhalt einer möglichen Verständigung bekannt und macht dabei regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648; Beschluss vom 16. März 2011 - 1 StR 60/11, StV 2012, 134, 135). Für die in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO als Vorschlag bezeichnete Bekanntgabe hat das Gericht das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten, bei dem es sich in aller Regel um ein Geständnis handeln wird (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO), genau zu bezeichnen und unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310 S. 14; Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren , § 257c Rn. 56). Die Verständigung kommt gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande, wenn der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag zustimmen. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft ist als gestaltende Prozesserklärung (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., Einleitung, Rn. 95, 102, 116) unanfechtbar und unwiderruflich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 28; Altvater, Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 26; Meyer-Goßner aaO, § 257c, Rn. 25). Die Staatsanwaltschaft hat auch dann von sich aus keine Möglichkeit, die getroffene Verständigung mit der daraus resultierenden Bindungswirkung für das Gericht nachträglich zu Fall zu bringen, wenn sie die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO für ein Entfallen der Bindungswirkung als gegeben ansieht (vgl. Niemöller aaO, Rn. 39, 111; Altvater aaO; Eschelbach in Graf, StPO, § 257c, Rn. 30; Velten in SK-StPO, 4. Aufl., § 257c, Rn. 25; Ambos/Ziehn in Radtke/Hohmann, StPO, § 257c, Rn. 35).
14
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht tritt ungeachtet des insoweit unklaren Wortlauts des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO nicht kraft Gesetzes von selbst ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung. Die Prüfung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende Ahndung auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der getroffenen Verständigung möglich ist, liegt im Verantwortungsbereich des Gerichts. Um ein materiell-rechtlich richtiges und gerechtes Urteil zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 14), räumt § 257c Abs. 4 StPO dem Gericht die Befugnis ein, sich unter den in § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO geregelten Voraussetzungen aus der Bindung durch die Verständigung zu lösen. Das Abweichen von der Verständigung ist das Gegenstück zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag und stellt sich der Sache nach als Widerruf der zum Bestandteil der Verständigung gewordenen Strafrahmenzusage dar. Dies macht eine entsprechende Entscheidung des Gerichts erforderlich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 113; BT-Drucks. 16/12310 S. 15; a.A. Altvater aaO, S. 24). Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung folgt zudem aus der Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, die das Entfallen der Bindung an die Verständigung unter anderem davon abhängig macht, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Für die danach erforderliche Überzeugungsbildung bedarf es zwingend einer gerichtlichen Entscheidung. Die Entscheidung über das Abweichen von der Verständigung ist nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO unverzüglich mitzuteilen, um dem Angeklagten und den weiteren Verfahrensbeteiligten - insbesondere mit Blick auf das mit dem Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO verknüpfte Verwertungsverbot für ein im Zuge der Verständigung abgelegtes Geständnis des Angeklagten - die Möglichkeit zu geben, ihr Prozessverhalten auf die neue Verfahrenslage einzurichten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15).
15
c) Ein Abweichen von der Verständigung setzt unter anderem voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tatoder schuldangemessen ist. Dies ist in § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ausdrücklich geregelt, gilt in gleicher Weise aber auch für die Fälle des § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO. Gegenstand der in § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO angesprochenen Prognose ist die strafzumessungsrechtliche Bewertung, die das Gericht bei seiner Zusage der Strafrahmengrenzen unter antizipierender Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Verständigungsvorschlags erwarteten Prozessverhaltens des Angeklagten vorgenommen hat. Von einem nicht der Prognose entsprechenden Verhalten des Angeklagten, das ein Abweichen von der Verständigung zu rechtfertigen vermag, kann daher nur dann die Rede sein, wenn das von der Erwartung abweichende tatsächliche Prozessverhalten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.
16
Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und schuldangemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht - wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung - ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen oder des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen Verständigung abzuweichen. Da die Anforderungen des materiellen Strafrechts im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO nicht disponibel sind (vgl. nur BT-Drucks. 16/12310 S. 7 ff., 13 f.), wäre ein auf der Grundlage der Verständigung ergehendes Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft. Ob in einem Festhalten an der Verständigung bei nach Maßgabe von § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unvertretbar gewordener Strafrahmenzusage zugleich ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO läge, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht den ihm im Rahmen des § 257c Abs. 4 StPO zukommenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt keine nach § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu in die strafzumessungsrechtliche Bewertung einzubeziehenden Umstände auf, die geeignet sind, die Vertretbarkeit der von der Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellten Strafober - und Strafuntergrenze in Frage zu stellen. Dies gilt sowohl für den Umstand, dass der Angeklagte den gewaltsam erzwungenen Analverkehr erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt hat, als auch für die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin.
17
d) Ausführungen in den Urteilsgründen zum Festhalten an oder Abweichen von der Verständigung sind entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich. Während in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ursprünglich die Feststellung in den Urteilsgründen vorgesehen war, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde liegt (vgl. Referentenentwurf S. 6 f. bei Niemöller aaO, Anhang 4), verlangt die Gesetz gewordene Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll auch für die Urteilsgründe Transparenz herstellen (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15). Die Darstellung des Inhalts der Verständigung ist dabei nicht geboten. Insoweit findet die notwendige Dokumentation gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO in der Sitzungsniederschrift statt, welche die Grundlage einer vom Revisionsgericht auf Verfahrensrüge hin gegebenenfalls vorzunehmenden Prüfung des Verfahrens nach § 257c StPO bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 5 Offenlegung 1; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09, NStZ 2010, 348). Für das Abrücken von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO verbleibt es mangels einer anderen gesetzlichen Regelung bei dem Grundsatz, dass Verfahrensvorgänge im Urteil nicht zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613; vom 8. Mai 2007 - 1 StR 202/07, NStZ-RR 2007, 244; a.A. für § 257c Abs. 4 Meyer-Goßner aaO, § 267, Rn. 23a; Velten aaO, § 257c, Rn. 41). Die Mitteilung nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO über die Entscheidung zum Abgehen von der Verständigung und deren Gründe ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen und nimmt an dessen Beweiskraft teil.

III.


18
Die Sachrüge bleibt - auch unter Berücksichtigung des § 301 StPO - ebenfalls ohne Erfolg. Die Strafzumessung und die Bewährungsentscheidung im angefochtenen Urteil halten einer rechtlichen Prüfung stand.
19
1. Die Annahme einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler, gestützt auf die durch die Bekundungen der Nebenklägerin partiell bestätigten Angaben des Angeklagten, den Umfang des Alkoholkonsums des Angeklagten festgestellt und auf dieser Grundlage sachverständig beraten eine maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 2,9 Promille ermittelt. Ausgehend von dieser in den Blutkreislauf aufgenommenen Alkoholmenge, die zutreffend als gewichtiges Beweisanzeichen für eine die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigende Alkoholintoxikation gewertet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 37; vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99, NStZ 2000, 136; Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 69 ff.), hat es eine Gesamtwürdigung der sonstigen Begleitumstände unter Einbeziehung des Verhaltens des Angeklagten und dessen nicht gegebener Alkoholgewöhnung vorgenommen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens aufgrund der Alkoholisierung nicht ausgeschlossen werden kann. Dies lässt weder eine unzutreffende Anwendung des Zweifelssatzes noch anderweitige Rechtsfehler erkennen.
20
2. Die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung kann vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden; eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die Strafkammer hat die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Die dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB doppelt geminderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommene Strafe ist zwar milde, sie liegt aber nicht außerhalb des dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsrahmens.
21
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56, Rn. 11, 25 m.w.N.) hat das Landgericht nicht überschritten. Es hat alle wesentlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erwogen und sich für die Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, sein Geständnis und den gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich gestützt. Vor dem Hintergrund dieser von der Strafkammer angeführten gewichtigen Milderungsgründe liegt auch in dem Fehlen von Ausführungen im Urteil zur Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ausnahmsweise die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB), kein Rechtsfehler. Denn einer ausdrücklichen Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB bedarf es nur dann, wenn aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 623/11
vom
21. Juni 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
1. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes
von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
2. a) Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvorschlag
des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich.
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach
§ 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine
dahingehende gerichtliche Entscheidung.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Juli 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Mit Verfahrensbeschwerden wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes und beanstandet im Zusammenhang mit der Verständigung, dass das Landgericht es unterlassen habe, sich im Urteil mit den Gründen für das Festhalten an der Verständigung auseinanderzusetzen, obwohl aufgrund neu in der Hauptverhandlung zutage getretener Umstände Veranlassung bestanden habe, sich nach § 257c Abs. 4 StPO von der Verständigung zu lösen. Die Sachrüge ist mit Angriffen gegen den Strafausspruch näher ausgeführt.
2
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin im Erdgeschoss des vom Angeklagten allein bewohnten Hauses zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, in dessen Verlauf der Angeklagte unvermittelt begann, ihn erregende und für die Nebenklägerin schmerzhafte Handlungen, unter anderem Schläge mit der flachen Hand gegen die Brust der Nebenklägerin, vorzunehmen, worauf die Nebenklägerin vergeblich versuchte, den Angeklagten wegzudrücken. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin, die eine entsprechende Aufforderung zuvor abgelehnt hatte, in das im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer geschoben hatte, führte er den Geschlechtsverkehr mit der auf dem Bett liegenden Nebenklägerin unter denselben Begleitumständen weiter. Als die Nebenklägerin ihn bei ihrer fortdauernden Gegenwehr mit ihren Fingernägeln am Hals verletzte, schlug der Angeklagte , der zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass die Fortführung des Geschlechtsverkehrs und die Schläge gegen die Brüste gegen den Willen der Nebenklägerin geschahen, ihr mit beiden Händen nacheinander ins Gesicht. Sodann setzte er den Geschlechtsverkehr mit der resignierenden und jede Gegenwehr aufgebenden Nebenklägerin fort und urinierte ihr anschließend auf den Bauch. In der Folgezeit vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Analverkehr unter Einsatz eines Gleitgels und - nach einer Unterbrechung, in der sich der Angeklagte von hinten an die Nebenklägerin anschmiegte und äußerte , er könne auch kuscheln - ein weiteres Mal den vaginalen Geschlechtsverkehr , ehe er der Nebenklägerin erneut auf den Bauch urinierte. Bei Tatbegehung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholgenusses nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.

II.


4
Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
5
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gemäß § 338 Nr. 6 StPO den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verlesung des Anklagesatzes und macht geltend, § 171b GVG lasse eine Beschränkung der Öffentlichkeit während der Anklageverlesung nicht zu.
6
a) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Da die Beanstandung des Verfahrens die prinzipielle Reichweite der Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG zum Gegenstand hat, sind die Einzelheiten der im Zusammenhang mit der Ausschließungsentscheidung der Strafkammer angefallenen Unterlagen, deren Vortrag der Generalbundesanwalt und dieVerteidigung vermissen, für die Entscheidung über die Verfahrensrüge ohne Bedeutung.
7
b) Die Regelung des § 171b Abs. 3 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der erhobenen Rüge nicht entgegen. Gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen ist die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die in § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - 1 StR 786/88, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 1; Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 268/06, StV 2007, 514; vgl. auch den Entwurf der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren, BT-Drucks. 10/5305 S. 23 f.). Damit ist es dem Revisionsgericht verwehrt, die Begründung einer nach § 171b GVG ergangenen Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Wickern in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG, Rn. 25). Die Rüge der Staatsanwaltschaft zielt indessen nicht auf die Tragfähigkeit der von der Strafkammer für ihre Ausschließungsanordnung angeführten Gründe, sondern stellt die generelle Befugnis für den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes in Frage. Diese Beanstandung wird von § 171b Abs. 3 GVG nicht ausgeschlossen.
8
c) Die Rüge ist unbegründet. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
9
Die Vorschrift des § 171b GVG knüpft an den Begriff der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in § 169 Satz 1 GVG an und lässt beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit für sämtliche Abschnitte der Hauptverhandlung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5; Wickern aaO, Rn. 21). Die Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG reicht nicht weniger weit als bei den Ausschlusstatbeständen des § 171a GVG und § 172 GVG, für welche ausdrücklich normiert ist, dass die Öffentlichkeit für die (Haupt-)Verhandlung oder einen Teil davon ausgeschlossen werden kann. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 171b GVG. Durch die Schaffung des § 171b GVG sollte der bis dahin in § 172 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 9. Mai 1975 geregelte Schutz des persönlichen Lebensbereichs eines Prozessbeteiligten oder Zeugen durch eine Änderung des Abwägungsmaßstabs zugunsten des Persönlichkeitsschutzes verbessert, der Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich aus dem Zusammenhang der übrigen Ausschlussgründe gelöst und plakativ an die Spitze gestellt werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/5305 S. 23). Dafür, dass bei dem neu in das Gerichtsverfassungsgesetz aufgenommenen § 171b GVG - anders als bei § 172 GVG - bestimmte Verfahrensabschnitte der Hauptverhandlung von der Ausschließungsbefugnis ausgenommen sein sollten, bietet die Entstehungsgeschichte keinen Anhalt. Das Gesetz enthält in § 173 GVG lediglich für die Urteilsverkündung eine besondere Regelung, wonach die Verlesung der Urteilsformel stets öffentlich zu erfolgen hat und der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Eröffnung der Urteilsgründe einen besonderen Beschluss des Gerichts nach §§ 171b, 172 GVG erfordert. Die eine Gegenausnahme zu den Ausschließungstatbeständen der §§ 171a, 171b und 172 GVG beinhaltende Bestimmung des § 173 GVG ist entgegen der Ansicht der Revision einer ausdehnenden, ihren Anwendungsbereich auf andere Verfahrensvorgänge erstreckenden Auslegung nicht zugänglich.
10
Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) und umfasst nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO die Verlesung des Anklagesatzes. Die Verlesung ist ein Teil der Verhandlung, für den bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden darf (vgl. für § 172 GVG RG, Urteil vom 13. Mai 1927 - 1. D 392/1927; Wickern aaO, § 172 GVG, Rn. 39). Auch bei der Verlesung des Anklagesatzes können Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten , Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG zu rechtfertigen vermögen, weil deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, ohne dass das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus dem Umstand, dass der Inhalt des Anklagesatzes auf einer vorläufigen Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch die Staats- anwaltschaft beruht, noch aus der verfahrensrechtlichen Funktion des Anklagesatzes zur Umgrenzung und Konkretisierung des Verfahrensgegenstandes.
11
2. Im Zusammenhang mit der Verständigung nach § 257c StPO macht die Revision einen Verstoß gegen die §§ 257c, 261, 267 StPO geltend. Sie beanstandet , das Landgericht habe trotz des von der Staatsanwaltschaft erklärten Widerrufs der Zustimmung zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag in den Urteilsgründen nicht ausgeführt, ob und aus welchen Gründen es an der Verständigung habe festhalten wollen. Die in der Hauptverhandlung neu zutage getretenen Umstände - die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin und das erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nach Intervention der Staatsanwaltschaft erfolgte Eingeständnis des erzwungenen Analverkehrs durch den Angeklagten - hätten der Strafkammer Anlass geben müssen, den der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmen zu verlassen.
12
Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
13
a) Nach der Konzeption des § 257c StPO kommt eine Verständigung über das Ergebnis des Verfahrens durch einen Vorschlag des Gerichts und die Zustimmungserklärungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zustande. Das Gericht gibt nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO den Inhalt einer möglichen Verständigung bekannt und macht dabei regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648; Beschluss vom 16. März 2011 - 1 StR 60/11, StV 2012, 134, 135). Für die in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO als Vorschlag bezeichnete Bekanntgabe hat das Gericht das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten, bei dem es sich in aller Regel um ein Geständnis handeln wird (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO), genau zu bezeichnen und unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310 S. 14; Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren , § 257c Rn. 56). Die Verständigung kommt gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande, wenn der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag zustimmen. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft ist als gestaltende Prozesserklärung (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., Einleitung, Rn. 95, 102, 116) unanfechtbar und unwiderruflich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 28; Altvater, Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 26; Meyer-Goßner aaO, § 257c, Rn. 25). Die Staatsanwaltschaft hat auch dann von sich aus keine Möglichkeit, die getroffene Verständigung mit der daraus resultierenden Bindungswirkung für das Gericht nachträglich zu Fall zu bringen, wenn sie die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO für ein Entfallen der Bindungswirkung als gegeben ansieht (vgl. Niemöller aaO, Rn. 39, 111; Altvater aaO; Eschelbach in Graf, StPO, § 257c, Rn. 30; Velten in SK-StPO, 4. Aufl., § 257c, Rn. 25; Ambos/Ziehn in Radtke/Hohmann, StPO, § 257c, Rn. 35).
14
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht tritt ungeachtet des insoweit unklaren Wortlauts des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO nicht kraft Gesetzes von selbst ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung. Die Prüfung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende Ahndung auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der getroffenen Verständigung möglich ist, liegt im Verantwortungsbereich des Gerichts. Um ein materiell-rechtlich richtiges und gerechtes Urteil zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 14), räumt § 257c Abs. 4 StPO dem Gericht die Befugnis ein, sich unter den in § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO geregelten Voraussetzungen aus der Bindung durch die Verständigung zu lösen. Das Abweichen von der Verständigung ist das Gegenstück zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag und stellt sich der Sache nach als Widerruf der zum Bestandteil der Verständigung gewordenen Strafrahmenzusage dar. Dies macht eine entsprechende Entscheidung des Gerichts erforderlich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 113; BT-Drucks. 16/12310 S. 15; a.A. Altvater aaO, S. 24). Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung folgt zudem aus der Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, die das Entfallen der Bindung an die Verständigung unter anderem davon abhängig macht, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Für die danach erforderliche Überzeugungsbildung bedarf es zwingend einer gerichtlichen Entscheidung. Die Entscheidung über das Abweichen von der Verständigung ist nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO unverzüglich mitzuteilen, um dem Angeklagten und den weiteren Verfahrensbeteiligten - insbesondere mit Blick auf das mit dem Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO verknüpfte Verwertungsverbot für ein im Zuge der Verständigung abgelegtes Geständnis des Angeklagten - die Möglichkeit zu geben, ihr Prozessverhalten auf die neue Verfahrenslage einzurichten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15).
15
c) Ein Abweichen von der Verständigung setzt unter anderem voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tatoder schuldangemessen ist. Dies ist in § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ausdrücklich geregelt, gilt in gleicher Weise aber auch für die Fälle des § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO. Gegenstand der in § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO angesprochenen Prognose ist die strafzumessungsrechtliche Bewertung, die das Gericht bei seiner Zusage der Strafrahmengrenzen unter antizipierender Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Verständigungsvorschlags erwarteten Prozessverhaltens des Angeklagten vorgenommen hat. Von einem nicht der Prognose entsprechenden Verhalten des Angeklagten, das ein Abweichen von der Verständigung zu rechtfertigen vermag, kann daher nur dann die Rede sein, wenn das von der Erwartung abweichende tatsächliche Prozessverhalten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.
16
Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und schuldangemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht - wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung - ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen oder des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen Verständigung abzuweichen. Da die Anforderungen des materiellen Strafrechts im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO nicht disponibel sind (vgl. nur BT-Drucks. 16/12310 S. 7 ff., 13 f.), wäre ein auf der Grundlage der Verständigung ergehendes Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft. Ob in einem Festhalten an der Verständigung bei nach Maßgabe von § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unvertretbar gewordener Strafrahmenzusage zugleich ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO läge, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht den ihm im Rahmen des § 257c Abs. 4 StPO zukommenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt keine nach § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu in die strafzumessungsrechtliche Bewertung einzubeziehenden Umstände auf, die geeignet sind, die Vertretbarkeit der von der Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellten Strafober - und Strafuntergrenze in Frage zu stellen. Dies gilt sowohl für den Umstand, dass der Angeklagte den gewaltsam erzwungenen Analverkehr erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt hat, als auch für die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin.
17
d) Ausführungen in den Urteilsgründen zum Festhalten an oder Abweichen von der Verständigung sind entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich. Während in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ursprünglich die Feststellung in den Urteilsgründen vorgesehen war, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde liegt (vgl. Referentenentwurf S. 6 f. bei Niemöller aaO, Anhang 4), verlangt die Gesetz gewordene Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll auch für die Urteilsgründe Transparenz herstellen (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15). Die Darstellung des Inhalts der Verständigung ist dabei nicht geboten. Insoweit findet die notwendige Dokumentation gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO in der Sitzungsniederschrift statt, welche die Grundlage einer vom Revisionsgericht auf Verfahrensrüge hin gegebenenfalls vorzunehmenden Prüfung des Verfahrens nach § 257c StPO bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 5 Offenlegung 1; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09, NStZ 2010, 348). Für das Abrücken von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO verbleibt es mangels einer anderen gesetzlichen Regelung bei dem Grundsatz, dass Verfahrensvorgänge im Urteil nicht zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613; vom 8. Mai 2007 - 1 StR 202/07, NStZ-RR 2007, 244; a.A. für § 257c Abs. 4 Meyer-Goßner aaO, § 267, Rn. 23a; Velten aaO, § 257c, Rn. 41). Die Mitteilung nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO über die Entscheidung zum Abgehen von der Verständigung und deren Gründe ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen und nimmt an dessen Beweiskraft teil.

III.


18
Die Sachrüge bleibt - auch unter Berücksichtigung des § 301 StPO - ebenfalls ohne Erfolg. Die Strafzumessung und die Bewährungsentscheidung im angefochtenen Urteil halten einer rechtlichen Prüfung stand.
19
1. Die Annahme einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler, gestützt auf die durch die Bekundungen der Nebenklägerin partiell bestätigten Angaben des Angeklagten, den Umfang des Alkoholkonsums des Angeklagten festgestellt und auf dieser Grundlage sachverständig beraten eine maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 2,9 Promille ermittelt. Ausgehend von dieser in den Blutkreislauf aufgenommenen Alkoholmenge, die zutreffend als gewichtiges Beweisanzeichen für eine die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigende Alkoholintoxikation gewertet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 37; vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99, NStZ 2000, 136; Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 69 ff.), hat es eine Gesamtwürdigung der sonstigen Begleitumstände unter Einbeziehung des Verhaltens des Angeklagten und dessen nicht gegebener Alkoholgewöhnung vorgenommen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens aufgrund der Alkoholisierung nicht ausgeschlossen werden kann. Dies lässt weder eine unzutreffende Anwendung des Zweifelssatzes noch anderweitige Rechtsfehler erkennen.
20
2. Die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung kann vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden; eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die Strafkammer hat die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Die dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB doppelt geminderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommene Strafe ist zwar milde, sie liegt aber nicht außerhalb des dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsrahmens.
21
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56, Rn. 11, 25 m.w.N.) hat das Landgericht nicht überschritten. Es hat alle wesentlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erwogen und sich für die Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, sein Geständnis und den gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich gestützt. Vor dem Hintergrund dieser von der Strafkammer angeführten gewichtigen Milderungsgründe liegt auch in dem Fehlen von Ausführungen im Urteil zur Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ausnahmsweise die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB), kein Rechtsfehler. Denn einer ausdrücklichen Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB bedarf es nur dann, wenn aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 633/12
vom
21. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 14. Mai 2012 im Strafausspruch dahin geändert, dass die Einzelstrafe im Fall II.1.c. der Urteilsgründe auf sechs Monate herabgesetzt wird. II. Die weitergehende Revision wird verworfen. III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen, Steuerhinterziehung in drei Fällen sowie wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Daneben hat es angeordnet, dass drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge nur den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
1. Der Angeklagte war von 1993 bis Oktober 1998 Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst und der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bezog er Versorgungsbezüge nach Maßgabe des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Daneben war der Angeklagte als Rechtsanwalt tätig.
4
Ab 13. Oktober 1999 bis Juli 2002 war der Angeklagte Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg. Vom 1. August 2002 bis 31. Juli 2004 bezog er Übergangsgeld nach Maßgabe des Brandenburgischen Ministergesetzes (BbgMinG).
5
Ab Februar 2003 erzielte der Angeklagte als anwaltlicher Berater verschiedener Unternehmen sowie aus einer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Betriebseinnahmen beliefen sich im Jahr 2003 auf 69.103,40 €, im Jahr 2004 auf 38.370,68 €, im Jahr 2005 auf 105.378,44 € und im Jahr 2006 auf 124.451,55 €. Die Betriebsausgaben hat das Landgericht in Anlehnung an die Angaben des Angeklagten in seinen Einkommensteuererklärungen geschätzt.
6
Im Zeitraum August 2003 bis März 2004 bezog der Angeklagte zudem monatlich Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer einer Verlagsgesellschaft mbH in Höhe von 5.000 €. Die angefallenen „Betriebsausgaben“ hat das Landgericht entsprechend den Einkünften aus selbständiger Arbeit geschätzt.
7
Dem Angeklagten war bekannt, dass dieses Erwerbseinkommen auf die Versorgungsbezüge und das Übergangsgeld anzurechnen war. Er wusste auch, dass er den Bezug und die Änderung von Erwerbseinkommen gegenüber den Versorgungsträgern des Bundes und des Landes Brandenburg anzuzeigen hatte. Dieser Verpflichtung kam er jedoch nicht ordnungsgemäß nach. Dabei beabsichtigte er, sich durch die ungekürzte Auszahlung der Versorgungsbezüge und des Übergangsgeldes eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.
8
Dabei ging der Angeklagte wie folgt vor: Mit Schreiben vom 28. August 2003 teilte er dem als Zahlstelle fungierenden Bundesamt für Finanzen mit, dass er seit Juli 2003 als Berater und Aufsichtsratsmitglied sowie als Geschäftsführer tätig sei. Angaben zur Höhe der von ihm erzielten Einkünfte enthielt das Schreiben nicht. Die Versorgungsbezüge und das Übergangsgeld wurden daher zunächst ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen ausgezahlt. Erst mit Schreiben vom 19. April 2004 legte der Angeklagte dem Bundesamt für Finanzen eine Aufstellung über seine monatlichen Einkünfte im Zeitraum Juli 2003 bis März 2004 vor.
9
Um weitere Überzahlungen zu vermeiden, kürzte die Oberfinanzdirektion Nürnberg als zuständige Behörde des Bundes die Versorgungsbezüge des Angeklagten mit Wirkung vom 1. Juli 2004. Um eine Anrechnung zu verhindern, teilte der Angeklagte der Oberfinanzdirektion Nürnberg mit E-Mail vom 21. Mai 2004 wahrheitswidrig mit, er verfüge seit April 2004 über kein anrechenbares Einkommen mehr. Tatsächlich erzielte der Angeklagte auch im Zeitraum April 2004 bis Dezember 2006 weiterhin Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
10
Bei der Berechnung der überzahlten Versorgungsbezüge und des überzahlten Übergangsgeldes hat das Landgericht die Anrechnung des Erwerbseinkommens jeweils im Monat des Zuflusses der Betriebseinnahmen auf den Konten des Angeklagten vorgenommen. Der Schaden zum Nachteil des Bundes beläuft sich auf insgesamt 113.261,32 € (Fälle II.1.a., II.1.c. und II.1.d.), der Schaden zum Nachteil des Landes Brandenburg auf insgesamt 9.034,69 € (Fälle II.1.b. und II.1.e.).
11
2. Der Angeklagte kam zudem in den Jahren 2003 bis 2005 seiner Verpflichtung als Unternehmer zur Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen nicht innerhalb der Abgabefrist nach.
12
Für das Jahr 2004 reichte der Angeklagte am 27. März 2006 eine Umsatzsteuerjahreserklärung erst ein, nachdem das zuständige Finanzamt am 21. Februar 2006 einen Schätzungsbescheid mit erheblicher Zahllast erlassen hatte. In dieser gab er die von ihm erzielten Umsätze nicht in voller Höhe an. Die aufgrund des geänderten Umsatzsteuerbescheids geschuldeten Umsatzsteuerbeträge entrichtete der Angeklagte. Nachdem seinem Steuerberater im April 2006 Kontrollmitteilungen über nicht in der eingereichten Erklärung enthaltene Umsätze bekannt gegeben worden waren, reichte der Angeklagte am 7. Juni 2006 eine geänderte Umsatzsteuerjahreserklärung ein. Die Umsatzsteuerhinterziehung war zu diesem Zeitpunkt bereits entdeckt, womit der Angeklagte aufgrund der Umstände - insbesondere der Bekanntgabe der Kontrollmitteilungen an seinen Steuerberater - zumindest rechnen musste. Nachdem ihm die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden war, reichte der Angeklagte am 26. Oktober 2007 und 2. Januar 2008 erneut geänderte Umsatzsteuerjahreserklärungen ein. Für die Jahre 2003 und 2005 wurden Umsatzsteuerjahreserklärungen erstmals nach Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens abgegeben. Wie das Landgericht näher darlegt, wurde dadurch Umsatzsteuer im Jahr 2003 in Höhe von 10.618,64 €, im Jahr 2004 in Höhe von 3.890,09 € und im Jahr 2005 in Höhe von 14.359,04 € verkürzt (Fälle II.2.a. bis II.2.c.).
13
3. Weiterhin beantragte der Angeklagte mit Schriftsatz vom 31. Mai 2005 beim Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verlagsgesellschaft mbH. Der Antragsgegnerin sollte untersagt werden zu behaupten, der Angeklagte habe sein Gehalt als ehemaliger Geschäftsführer der Antragsgegnerin bis einschließlich März 2004 brutto gleich netto ausgezahlt erhalten. Zur Glaubhaftmachung legte der Angeklagte eine eigene eidesstattli- che Versicherung mit folgendem Wortlaut vor: „Ich hatte als Geschäftsführer der Verlagsgesellschaft mbH einen normalen Geschäftsführeranstellungs- vertrag mit einem Gehalt von 5.000 € brutto. Ich erhielt mein Gehalt nicht netto gleich brutto. Lediglich in den ersten beiden Monaten wurde mir mein Gehalt brutto ausgezahlt. Die entsprechenden Abgaben habe ich in diesen Monaten selbst geleistet. Von August 2003 bis März 2004 erhielt ich nur das Nettogehalt. Das an mich ausgezahlte Gehalt betrug zuletzt 2.244,99 € netto monatlich.“ Tatsächlich war dem Angeklagten für die Monate August bis November 2003 das Geschäftsführergehalt brutto mit jeweils 5.000 € ausgezahlt worden. Die darauf entfallenden Steuerbeträge wurden vom Angeklagten nicht abgeführt.

II.


14
1. Die Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung von § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO sowie des Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht wird, ist bereits unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt.
15
Der Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
16
Am ersten Hauptverhandlungstag am 20. März 2012 kam zwischen dem Landgericht und den Verfahrensbeteiligten eine Verständigung i.S.v. § 257c StPO zustande. Danach sollte gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheits- strafe verhängt werden, die ein Jahr und sechs Monate nicht übersteigt und neun Monate nicht unterschreitet. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe sollte zur Bewährung ausgesetzt werden. Bewährungsauflagen in Form von Geldzahlungen sollten nicht in Betracht kommen. Voraussetzung dafür sollte ein tragfähiges Geständnis des Angeklagten hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Taten sein.
17
Noch am selben Tag gab der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. S. namens und in Vollmacht des Angeklagten eine Erklärung zur Sache ab. Danach habe der Angeklagte aufgrund seiner Lebenssituation die mit seinen beruflichen Tätigkeiten zusammenhängenden Einnahmen nicht mehr vollständig überblickt. Es sei daher möglich, dass unzutreffende Angaben gegenüber den Versorgungsträgern gemacht wurden. Der Angeklagte habe in Kauf genommen , dass seine Angaben einen Irrtum mit daraus resultierender Überzahlung bei den Adressaten auslösen könnten. Am vierten Hauptverhandlungstag am 26. April 2012 gab der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. S. eine weitere Erklärung für den Angeklagten ab, mit der der Sachverhalt der Anklageschrift als zutreffend anerkannt wurde.
18
Am fünften Hauptverhandlungstag am 14. Mai 2012 verurteilte das Landgericht den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zu der Bemessung der Gesamtstrafe führt das Landgericht in den Urteilsgründen aus, die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe an der unteren vereinbarten Grenze sei nicht angezeigt gewesen. Die Kammer habe sich bei der Verabredung des Strafrahmens von der Erwartung tragen lassen, der Angeklagte, der um die Verständigung ersucht hatte, werde zu Beginn der Hauptverhandlung ein Beweiserhebungen im Wesentlichen entbehrlich machendes Geständnis ablegen. Die Einlassung des Angeklagten habe aber nur als „rudimentäres Teilgeständnis“ gewertet werden können, das die Anforderungen der getroffe- nen Absprache nicht erfüllte. Erst als die Beweisaufnahme annähernd abgeschlossen gewesen sei, habe der Angeklagte die Anklagevorwürfe mit knappen Worten eingeräumt, ohne zusätzliche Angaben zu machen oder Fragen der Kammer zu beantworten. Diesem späten Geständnis sei nicht mehr die strafmildernde Wirkung zugekommen, die ein solches zu Beginn der Hauptverhandlung gehabt hätte.
19
Die Revision macht geltend, entweder habe das Landgericht entgegen seiner Verpflichtung aus § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO nicht darauf hingewiesen, dass es sich im Hinblick auf die als lediglich „rudimentäres Teilgeständnis“ ge- wertete Einlassung des Angeklagten am ersten Hauptverhandlungstag, das die „Anforderungen der getroffenen Absprache nicht erfüllte“, nicht mehr an die Verständigung gebunden fühlte. Oder aber das Landgericht habe zwar an der Verständigung festgehalten, jedoch unter Verletzung des Rechts des Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK, Art. 20 Abs. 3 GG) entgegen § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO nicht mitgeteilt, dass aufgrund des Prozessverhaltens des Angeklagten eine Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe an der unteren Grenze des Strafrahmens nicht mehr in Betracht gekommen sei.
20
Es kann dahinstehen, ob es aufgrund des alternativ gestalteten Vorbringens bereits an der erforderlichen klaren Bezeichnung der Angriffsrichtung der Revision fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11 mwN). Jedenfalls erweist sich das Revisionsvorbringen in wesentlichen Punkten als unvollständig.
21
Aus der dem Revisionsführer bekannten und ohne Widerspruch gebliebenen dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden der Strafkammer ergibt sich, dass dem Angeklagten bereits an dem auf seine Einlassung folgenden zweiten Hauptverhandlungstag mitgeteilt wurde, dass die Kammer nach Beratung die vom Angeklagten abgegebene Erklärung als ein „rudimentäres Teilgeständnis“ ansehe, das die Anforderungen der getroffenen Absprache nicht erfülle. Zudem war dem Verteidiger Rechtsanwalt Dr. S. wiederholt telefonisch mitgeteilt worden, dass die Kammer dem Angeklagten die Möglichkeit der Nachbesserung seines Geständnisses einräume und sich bis auf weiteres an die getroffene Vereinbarung gebunden sehe.
22
Diese für die Beurteilung der Verfahrensrüge wesentlichen Umstände hätte der Revisionsführer mitteilen müssen.
23
2. Die Verfahrensrüge wäre zudem auch unbegründet. Zwar entsprach das Prozessverhalten des Angeklagten zunächst nicht dem Verhalten, das der Prognose des Landgerichts zugrunde gelegt worden ist. Allein dadurch entfiel die Bindung des Landgerichts an die Verständigung mit der Folge der Hinweispflicht gemäß § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO jedoch nicht. Ein Wegfall der Bindung setzt darüber hinaus voraus, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt, der in Aussicht gestellte Strafrahmen sei nicht mehr tat- oder schuldangemessen. Dies liegt ausweislich der Urteilsgründe und der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden fern.
24
Die Kammer war auch weder gemäß § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO noch im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens dazu verpflichtet, den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass wegen seines späten Geständnisses die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe an der unteren Grenze des vereinbarten Strafrahmens nicht in Betracht kam.
25
Die Angabe eines Strafrahmens durch das Gericht führt nicht dazu, dass nur die Strafuntergrenze als Strafe festgesetzt werden darf. Der Angeklagte kann nur darauf vertrauen, dass die Strafe innerhalb des angegebenen Strafrahmens liegt. Er muss daher auch damit rechnen, dass die Strafe die Strafrahmenobergrenze erreicht (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 1 StR 345/10, BGHR StPO § 257c Abs. 3 Satz 2 Strafrahmen 1). Das Landgericht hat sich auch nicht in einer Weise unklar oder irreführend verhalten, welche den Angeklagten über Bedeutung und Folgen seines eigenen Prozessverhaltens im Unklaren ließ oder ihn zu letztlich nachteiligem Verhalten veranlasste. Die Kammer hat vielmehr den Angeklagten bereits an dem auf die Einlassung folgenden zweiten Hauptverhandlungstag darauf hingewiesen, dass das abgegebene Geständnis die Anforderungen der getroffenen Verständigung nicht erfülle, und dem Angeklagten damit die Möglichkeit gegeben, sein Verteidigungsverhalten anzupassen.

III.


26
Die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils führt auf die Sachrüge lediglich zu einer Herabsetzung der im Fall II.1.c. verhängten Einzelfreiheitsstrafe ; die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe hat dagegen Bestand.
27
1. Die Verurteilung wegen Betruges hält hinsichtlich des Schuldspruches rechtlicher Nachprüfung stand.
28
Die von der Strafkammer vorgenommene Würdigung des Geschehens als Betrug in fünf Fällen ist nicht zu beanstanden. Die pflichtwidrig unterbliebene Anzeige des Bezugs und der voraussichtlichen Höhe der ab Februar 2003 erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit ist als Täuschung durch Unterlas- sen der jeweiligen Entscheidungsträger der Versorgungsträger des Bundes und des Landes Brandenburg zu werten. Gleiches gilt für die ab August 2003 bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die wahrheitswidrige Behauptung des Angeklagten gegenüber der Oberfinanzdirektion Nürnberg, er beziehe ab April 2004 kein anrechenbares Erwerbseinkommen mehr, stellt eine eigenständige Täuschung durch aktives Tun dar.
29
Die vom Angeklagten erzielten Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit unterliegen nach Maßgabe des § 53 Abs. 1 BeamtVG bzw. des § 16 Abs. 2 BbgMinG i.V.m. § 15 Nr. 1 BbgMinG der Anrechnung auf die Versorgungsbezüge und das Übergangsgeld.
30
Gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG ist der Versorgungsberechtigte verpflichtet , der Regelungsbehörde oder der die Versorgungsbezüge zahlenden Kasse u.a. den Bezug und jede Änderung von Einkünften i.S.v. § 53 BeamtVG unverzüglich anzuzeigen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Regelungsbehörde von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erhält, um die einschlägigen Ruhensregelungen zur Anwendung zu bringen. Der Gesetzgeber hat dem Beamten eine besondere Verpflichtung auferlegt, die ihre Rechtfertigung in der beamtenrechtlichen Treuepflicht findet (Hessischer VGH, Urteil vom 18. April 2012 - 1 A 1522/11, NVwZ-RR 2012, 936; Leihkauff in Stegmüller/ Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, 102. Lief., BeamtVG § 62 Rn. 29). Entsprechendes gilt über § 1 Abs. 3 BbgMinG i.V.m. § 53 Landesbeamtengesetz Brandenburg aF auch für nach § 16 Abs. 2 BbgMinG auf das Übergangsgeld anrechenbares Erwerbseinkommen.
31
Die Revision meint, die Anzeigepflicht gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG entstehe erst mit Erlass des jeweiligen Einkommensteuerbescheides. Daher sei die Verpflichtung durch unverzügliche Vorlage erfüllt. Der Senat teilt diese Auffassung nicht: Durch die unverzügliche Anzeige des Bezugs und jeder Änderung von Einkünften sollen Überzahlungen verhindert werden (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 18. April 2012 - 1 A 1522/11, NVwZ-RR 2012, 936; Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, 102. Lief., BeamtVG § 62 Rn. 29, 44). Dies könnte nicht erreicht werden, wenn der Einkommensteuerbescheid abzuwarten wäre. Die Versorgungsbezüge bzw. das Übergangsgeld würden dann nämlich für das gesamte Jahr zunächst ungekürzt ausgezahlt und eine Korrektur würde erst nach Erlass des Einkommensteuerbescheides erfolgen. Daher sind bereits der Beginn sowie jede Änderung des Bezuges von Einkünften i.S.v. §§ 53 bis 56 BeamtVG unter Angabe der voraussichtlichen Höhe der Einkünfte anzuzeigen. So kann aufgrund dieser Angaben zunächst eine vorläufige Ruhensregelung getroffen werden. Die abschließende Entscheidung erfolgt dann nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides (vgl. Schachel in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 53 BeamtVG Rn. 34 ).
32
Dieser Verpflichtung aus § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG ist der Angeklagte mit seinem Schreiben an das Bundesamt für Finanzen vom 28. August 2003 nicht ausreichend nachgekommen. Die Angaben des Versorgungsempfängers müssen so konkret sein, dass die Regelungsbehörde den Sachverhalt prüfen, über die Anwendung der Ruhensregelungen entscheiden und hieran Rechtsfolgen - insbesondere die Kürzung der Versorgungsbezüge - knüpfen kann (vgl. OLG Köln, Urteil vom 11. August 2009 - 83 Ss 54/09, NStZ-RR 2010, 79 zu § 60 Abs. 1 SGB I). Davon ausgehend genügen die Angaben des Angeklagten, er sei seit Juli 2003 als Berater und Aufsichtsratsmitglied sowie als Geschäfts- führer tätig, seiner Anzeigepflicht nicht. Vielmehr ist auch die Höhe der voraussichtlichen anrechenbaren Einkünfte anzuzeigen, da andernfalls eine Anwendung der Ruhensregelungen bzw. eine Anrechnung des Erwerbseinkommens nicht möglich ist (vgl. BAG, Urteil vom 21. Oktober 2003 - 3 AZR 83/03, ZTR 2004, 386; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, BeamtVG § 62 Rn. 16 ).
33
2. Der Strafausspruch erweist sich jedoch im Fall II.1.c. der Urteilsgründe als rechtsfehlerhaft.
34
Zwar ist das Landgericht im Hinblick darauf, dass die Tat auf wiederkehrende Leistungen gerichtet war, rechtsfehlerfrei von einem gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten i.S.v. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen. Jedoch hat es aufgrund einer unzutreffenden Berechnung der überzahlten Versorgungsbezüge einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt.
35
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht bei der Berechnung der überzahlten Versorgungsbezüge von einer umfassenden Anrechnung des Erwerbseinkommens auf die Versorgungsbezüge gemäß § 53 BeamtVG ausgegangen.
36
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Anrechnung des Erwerbseinkommens nicht nach Maßgabe der §§ 53, 53a BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung durchzuführen, wonach eine Anrechnung nur auf den nicht erdienten Teil des Ruhegehalts vorzunehmen ist. Dem Angeklagten war es für die Dauer der Wahrnehmung des Ministeramtes von Oktober 1999 bis Juli 2002 gemäß Art. 95 Landesverfassung Brandenburg, § 3 Abs. 1 BbgMinG untersagt, neben dem Ministeramt einen anderen Beruf auszuüben. Die von dem Angeklagten ab Februar 2003 erzielten Einkünfte aus anwaltlicher Tätigkeit fließen damit - trotz Fortbestehens der Zulassung - nicht mehr aus einer seit dem 31. Dezember 1998 andauernden Tätigkeit i.S.v. § 69c Abs. 4 Satz 1 BeamtVG.
37
b) Das Landgericht hat jedoch bei der Ermittlung des anrechenbaren Erwerbseinkommens rechtsfehlerhaft auch hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Betriebseinnahmen beim Angeklagten abgestellt.
38
Gemäß § 53 Abs. 7 Satz 4 BeamtVG erfolgt die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens grundsätzlich monatsbezogen. Wird das Einkommen nicht in Monatsbeträgen erzielt, ist gemäß Satz 5 das Einkommen des Kalenderjahres gleichmäßig auf zwölf Monate zu verteilen. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die naturgemäß Schwankungen in ihrer monatlichen Höhe aufweisen , werden regelmäßig nicht in Monatsbeträgen erzielt, so dass bei Anwendung der Ruhensregelungen eine Zwölftelung des Jahreseinkommens zu erfolgen hat (vgl. Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, 98. Lief.; § 53 Rn. 216; Schachel in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 53 BeamtVG Rn. 34 ; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, BeamtVG, § 53 Rn. 183 ; für Einkünfte aus Gewerbebetrieb: OVG Saarland, Beschluss vom 16. September 2009 - 1 A 435/08).
39
Die unzutreffende Berechnungsmethode hat sich lediglich im Fall II.1.c. der Urteilsgründe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Dem Angeklagten ist in den Jahren 2003 und 2004 nicht in jedem Monat Erwerbseinkommen zugeflossen , so dass sich durch die Verteilung auf zwölf Monate für einzelne Kalendermonate ein niedrigerer anzurechnender Betrag ergibt.
40
Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Annahme eines zu großen Schadensumfangs bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II.1.c. der Urteilsgründe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Daher hat der Senat die im Fall II.1.c. verhängte Einzelstrafe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf die Mindeststrafe von sechs Monaten herabgesetzt (vgl. § 263 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB).
41
3. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
42
Die Revision meint, die Strafkammer hätte sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte die Umsatzsteuerjahreserklärungen ohne Vorsatz nicht fristgerecht abgegeben habe. Dies liegt jedoch fern und musste daher nicht erörtert werden. Dagegen spricht schon, dass der Angeklagte bereits in den Umsatzsteuervoranmeldungen unzutreffende Angaben gemacht hatte. Eine Aufklärungsrüge zum Beleg des von der Revision für möglich gehaltenen Sachverhalts erhebt die Revision nicht.
43
4. Auch die Verurteilung wegen falscher Versicherung an Eides Statt ist nicht zu beanstanden.
44
Umfang und Grenzen der Wahrheitspflicht bestimmen sich nach dem Verfahrensgegenstand und den Regeln, die für das Verfahren gelten, in dem die eidesstattliche Versicherung abgegeben wird. Bei - wie hier - unverlangt abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen kommt es darauf an, welches Beweisthema sich in dieser stellt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass alles, was der Täter zu dem selbstgesetzten Beweisthema erklärt, auch der Wahrheitspflicht unterliegt. Auszuscheiden sind vielmehr nach dem Schutzzweck der Vorschrift alle Tatsachenbehauptungen, die für das konkrete Verfahren ohne jede mögliche Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1989 - 1 StR 504/89, NStZ 1990, 123, 124; Ruß in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 156 Rn. 17; Lenckner/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 156 Rn. 5).
45
Die Feststellung des Landgerichts, dem Angeklagten sei sein Geschäftsführergehalt für die Monate August bis November 2003 brutto mit jeweils 5.000 € ausgezahlt worden, wobei die darauf entfallenden Steuerbeträge auch nicht vom Angeklagten abgeführt worden seien, steht im Widerspruch zu seiner eidesstattlichen Versicherung, ihm sei das Geschäftsführergehalt lediglich für die ersten beiden Monate brutto ausgezahlt worden, woraufhin er die darauf entfallenden Abgaben selbst abgeführt habe; von August 2003 bis März 2004 habe er nur das Nettogehalt erhalten. Diese falsche Erklärung war auch für das konkrete einstweilige Verfügungsverfahren keineswegs ohne jede Bedeutung. Die eidesstattliche Versicherung hatte zu dem Beweisthema des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin untersagt werden sollte zu behaupten, der Angeklagte habe sein Geschäftsführergehalt bis einschließlich März brutto gleich netto ausgezahlt erhalten, als Mittel der Glaubhaftmachung unmittelbaren Bezug. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die falsche Versicherung an Eides Statt letztlich im Ausgang des Rechtsstreits niedergeschlagen hat oder nicht.

IV.


46
1. Die Strafzumessung ist im Übrigen nicht zu beanstanden. Gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO hat das Tatgericht im Urteil lediglich die bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte mitzuteilen. Es steht nicht zu besorgen, dass die von der Revision aufgeführten Gesichtspunkte - insbesondere soweit im Urteil dazu Feststellungen getroffen sind - von der Kammer bei der Strafzumessung außer Acht gelassen worden sind.
47
2. Die durch das Landgericht vorgenommene Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ist nicht zu beanstanden. Die Kammer hat bereits bei der Strafzumessung die lange Verfahrensdauer strafmildernd bewertet, so dass darüber hinaus nur noch deren konventionswidrige Verursachung auszugleichen war. Dies führt, von hier nicht erkennbaren Fallgestaltungen abgesehen, dazu, dass sich eine Kompensation nur noch auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken hat (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146, 147; BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11, NStZ 2012, 152; Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08).
48
3. Trotz der Herabsetzung der Einzelstrafe im Fall II.1.c. auf sechs Monate hat der Ausspruch über die Gesamtstrafe Bestand. Angesichts der Summe der Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei Festsetzung einer Einzelstrafe von sechs Monaten im Fall II.1.c. auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

V.


49
Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
VRiBGH Nack ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Rothfuß RiBGH Prof. Dr. Jäger ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 623/11
vom
21. Juni 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
1. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes
von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
2. a) Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft zu dem Verständigungsvorschlag
des Gerichts ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich.
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht nach
§ 257c Abs. 4 Satz 1 StPO tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern erfordert eine
dahingehende gerichtliche Entscheidung.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Juli 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Mit Verfahrensbeschwerden wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes und beanstandet im Zusammenhang mit der Verständigung, dass das Landgericht es unterlassen habe, sich im Urteil mit den Gründen für das Festhalten an der Verständigung auseinanderzusetzen, obwohl aufgrund neu in der Hauptverhandlung zutage getretener Umstände Veranlassung bestanden habe, sich nach § 257c Abs. 4 StPO von der Verständigung zu lösen. Die Sachrüge ist mit Angriffen gegen den Strafausspruch näher ausgeführt.
2
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin im Erdgeschoss des vom Angeklagten allein bewohnten Hauses zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, in dessen Verlauf der Angeklagte unvermittelt begann, ihn erregende und für die Nebenklägerin schmerzhafte Handlungen, unter anderem Schläge mit der flachen Hand gegen die Brust der Nebenklägerin, vorzunehmen, worauf die Nebenklägerin vergeblich versuchte, den Angeklagten wegzudrücken. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin, die eine entsprechende Aufforderung zuvor abgelehnt hatte, in das im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer geschoben hatte, führte er den Geschlechtsverkehr mit der auf dem Bett liegenden Nebenklägerin unter denselben Begleitumständen weiter. Als die Nebenklägerin ihn bei ihrer fortdauernden Gegenwehr mit ihren Fingernägeln am Hals verletzte, schlug der Angeklagte , der zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass die Fortführung des Geschlechtsverkehrs und die Schläge gegen die Brüste gegen den Willen der Nebenklägerin geschahen, ihr mit beiden Händen nacheinander ins Gesicht. Sodann setzte er den Geschlechtsverkehr mit der resignierenden und jede Gegenwehr aufgebenden Nebenklägerin fort und urinierte ihr anschließend auf den Bauch. In der Folgezeit vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Analverkehr unter Einsatz eines Gleitgels und - nach einer Unterbrechung, in der sich der Angeklagte von hinten an die Nebenklägerin anschmiegte und äußerte , er könne auch kuscheln - ein weiteres Mal den vaginalen Geschlechtsverkehr , ehe er der Nebenklägerin erneut auf den Bauch urinierte. Bei Tatbegehung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholgenusses nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.

II.


4
Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
5
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gemäß § 338 Nr. 6 StPO den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verlesung des Anklagesatzes und macht geltend, § 171b GVG lasse eine Beschränkung der Öffentlichkeit während der Anklageverlesung nicht zu.
6
a) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Da die Beanstandung des Verfahrens die prinzipielle Reichweite der Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG zum Gegenstand hat, sind die Einzelheiten der im Zusammenhang mit der Ausschließungsentscheidung der Strafkammer angefallenen Unterlagen, deren Vortrag der Generalbundesanwalt und dieVerteidigung vermissen, für die Entscheidung über die Verfahrensrüge ohne Bedeutung.
7
b) Die Regelung des § 171b Abs. 3 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der erhobenen Rüge nicht entgegen. Gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen ist die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die in § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - 1 StR 786/88, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 1; Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 268/06, StV 2007, 514; vgl. auch den Entwurf der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren, BT-Drucks. 10/5305 S. 23 f.). Damit ist es dem Revisionsgericht verwehrt, die Begründung einer nach § 171b GVG ergangenen Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Wickern in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG, Rn. 25). Die Rüge der Staatsanwaltschaft zielt indessen nicht auf die Tragfähigkeit der von der Strafkammer für ihre Ausschließungsanordnung angeführten Gründe, sondern stellt die generelle Befugnis für den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes in Frage. Diese Beanstandung wird von § 171b Abs. 3 GVG nicht ausgeschlossen.
8
c) Die Rüge ist unbegründet. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden.
9
Die Vorschrift des § 171b GVG knüpft an den Begriff der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in § 169 Satz 1 GVG an und lässt beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit für sämtliche Abschnitte der Hauptverhandlung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5; Wickern aaO, Rn. 21). Die Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG reicht nicht weniger weit als bei den Ausschlusstatbeständen des § 171a GVG und § 172 GVG, für welche ausdrücklich normiert ist, dass die Öffentlichkeit für die (Haupt-)Verhandlung oder einen Teil davon ausgeschlossen werden kann. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 171b GVG. Durch die Schaffung des § 171b GVG sollte der bis dahin in § 172 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 9. Mai 1975 geregelte Schutz des persönlichen Lebensbereichs eines Prozessbeteiligten oder Zeugen durch eine Änderung des Abwägungsmaßstabs zugunsten des Persönlichkeitsschutzes verbessert, der Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich aus dem Zusammenhang der übrigen Ausschlussgründe gelöst und plakativ an die Spitze gestellt werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/5305 S. 23). Dafür, dass bei dem neu in das Gerichtsverfassungsgesetz aufgenommenen § 171b GVG - anders als bei § 172 GVG - bestimmte Verfahrensabschnitte der Hauptverhandlung von der Ausschließungsbefugnis ausgenommen sein sollten, bietet die Entstehungsgeschichte keinen Anhalt. Das Gesetz enthält in § 173 GVG lediglich für die Urteilsverkündung eine besondere Regelung, wonach die Verlesung der Urteilsformel stets öffentlich zu erfolgen hat und der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Eröffnung der Urteilsgründe einen besonderen Beschluss des Gerichts nach §§ 171b, 172 GVG erfordert. Die eine Gegenausnahme zu den Ausschließungstatbeständen der §§ 171a, 171b und 172 GVG beinhaltende Bestimmung des § 173 GVG ist entgegen der Ansicht der Revision einer ausdehnenden, ihren Anwendungsbereich auf andere Verfahrensvorgänge erstreckenden Auslegung nicht zugänglich.
10
Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) und umfasst nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO die Verlesung des Anklagesatzes. Die Verlesung ist ein Teil der Verhandlung, für den bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden darf (vgl. für § 172 GVG RG, Urteil vom 13. Mai 1927 - 1. D 392/1927; Wickern aaO, § 172 GVG, Rn. 39). Auch bei der Verlesung des Anklagesatzes können Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten , Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG zu rechtfertigen vermögen, weil deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, ohne dass das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus dem Umstand, dass der Inhalt des Anklagesatzes auf einer vorläufigen Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch die Staats- anwaltschaft beruht, noch aus der verfahrensrechtlichen Funktion des Anklagesatzes zur Umgrenzung und Konkretisierung des Verfahrensgegenstandes.
11
2. Im Zusammenhang mit der Verständigung nach § 257c StPO macht die Revision einen Verstoß gegen die §§ 257c, 261, 267 StPO geltend. Sie beanstandet , das Landgericht habe trotz des von der Staatsanwaltschaft erklärten Widerrufs der Zustimmung zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag in den Urteilsgründen nicht ausgeführt, ob und aus welchen Gründen es an der Verständigung habe festhalten wollen. Die in der Hauptverhandlung neu zutage getretenen Umstände - die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin und das erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nach Intervention der Staatsanwaltschaft erfolgte Eingeständnis des erzwungenen Analverkehrs durch den Angeklagten - hätten der Strafkammer Anlass geben müssen, den der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmen zu verlassen.
12
Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.
13
a) Nach der Konzeption des § 257c StPO kommt eine Verständigung über das Ergebnis des Verfahrens durch einen Vorschlag des Gerichts und die Zustimmungserklärungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zustande. Das Gericht gibt nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO den Inhalt einer möglichen Verständigung bekannt und macht dabei regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648; Beschluss vom 16. März 2011 - 1 StR 60/11, StV 2012, 134, 135). Für die in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO als Vorschlag bezeichnete Bekanntgabe hat das Gericht das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten, bei dem es sich in aller Regel um ein Geständnis handeln wird (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO), genau zu bezeichnen und unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310 S. 14; Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren , § 257c Rn. 56). Die Verständigung kommt gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande, wenn der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag zustimmen. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft ist als gestaltende Prozesserklärung (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., Einleitung, Rn. 95, 102, 116) unanfechtbar und unwiderruflich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 28; Altvater, Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 26; Meyer-Goßner aaO, § 257c, Rn. 25). Die Staatsanwaltschaft hat auch dann von sich aus keine Möglichkeit, die getroffene Verständigung mit der daraus resultierenden Bindungswirkung für das Gericht nachträglich zu Fall zu bringen, wenn sie die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO für ein Entfallen der Bindungswirkung als gegeben ansieht (vgl. Niemöller aaO, Rn. 39, 111; Altvater aaO; Eschelbach in Graf, StPO, § 257c, Rn. 30; Velten in SK-StPO, 4. Aufl., § 257c, Rn. 25; Ambos/Ziehn in Radtke/Hohmann, StPO, § 257c, Rn. 35).
14
b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht tritt ungeachtet des insoweit unklaren Wortlauts des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO nicht kraft Gesetzes von selbst ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung. Die Prüfung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende Ahndung auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der getroffenen Verständigung möglich ist, liegt im Verantwortungsbereich des Gerichts. Um ein materiell-rechtlich richtiges und gerechtes Urteil zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 14), räumt § 257c Abs. 4 StPO dem Gericht die Befugnis ein, sich unter den in § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO geregelten Voraussetzungen aus der Bindung durch die Verständigung zu lösen. Das Abweichen von der Verständigung ist das Gegenstück zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag und stellt sich der Sache nach als Widerruf der zum Bestandteil der Verständigung gewordenen Strafrahmenzusage dar. Dies macht eine entsprechende Entscheidung des Gerichts erforderlich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 113; BT-Drucks. 16/12310 S. 15; a.A. Altvater aaO, S. 24). Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung folgt zudem aus der Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, die das Entfallen der Bindung an die Verständigung unter anderem davon abhängig macht, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Für die danach erforderliche Überzeugungsbildung bedarf es zwingend einer gerichtlichen Entscheidung. Die Entscheidung über das Abweichen von der Verständigung ist nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO unverzüglich mitzuteilen, um dem Angeklagten und den weiteren Verfahrensbeteiligten - insbesondere mit Blick auf das mit dem Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO verknüpfte Verwertungsverbot für ein im Zuge der Verständigung abgelegtes Geständnis des Angeklagten - die Möglichkeit zu geben, ihr Prozessverhalten auf die neue Verfahrenslage einzurichten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15).
15
c) Ein Abweichen von der Verständigung setzt unter anderem voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tatoder schuldangemessen ist. Dies ist in § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ausdrücklich geregelt, gilt in gleicher Weise aber auch für die Fälle des § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO. Gegenstand der in § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO angesprochenen Prognose ist die strafzumessungsrechtliche Bewertung, die das Gericht bei seiner Zusage der Strafrahmengrenzen unter antizipierender Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Verständigungsvorschlags erwarteten Prozessverhaltens des Angeklagten vorgenommen hat. Von einem nicht der Prognose entsprechenden Verhalten des Angeklagten, das ein Abweichen von der Verständigung zu rechtfertigen vermag, kann daher nur dann die Rede sein, wenn das von der Erwartung abweichende tatsächliche Prozessverhalten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.
16
Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und schuldangemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht - wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung - ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen oder des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen Verständigung abzuweichen. Da die Anforderungen des materiellen Strafrechts im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO nicht disponibel sind (vgl. nur BT-Drucks. 16/12310 S. 7 ff., 13 f.), wäre ein auf der Grundlage der Verständigung ergehendes Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft. Ob in einem Festhalten an der Verständigung bei nach Maßgabe von § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unvertretbar gewordener Strafrahmenzusage zugleich ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO läge, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht den ihm im Rahmen des § 257c Abs. 4 StPO zukommenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt keine nach § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu in die strafzumessungsrechtliche Bewertung einzubeziehenden Umstände auf, die geeignet sind, die Vertretbarkeit der von der Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellten Strafober - und Strafuntergrenze in Frage zu stellen. Dies gilt sowohl für den Umstand, dass der Angeklagte den gewaltsam erzwungenen Analverkehr erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt hat, als auch für die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin.
17
d) Ausführungen in den Urteilsgründen zum Festhalten an oder Abweichen von der Verständigung sind entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich. Während in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ursprünglich die Feststellung in den Urteilsgründen vorgesehen war, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde liegt (vgl. Referentenentwurf S. 6 f. bei Niemöller aaO, Anhang 4), verlangt die Gesetz gewordene Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll auch für die Urteilsgründe Transparenz herstellen (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15). Die Darstellung des Inhalts der Verständigung ist dabei nicht geboten. Insoweit findet die notwendige Dokumentation gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO in der Sitzungsniederschrift statt, welche die Grundlage einer vom Revisionsgericht auf Verfahrensrüge hin gegebenenfalls vorzunehmenden Prüfung des Verfahrens nach § 257c StPO bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 5 Offenlegung 1; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09, NStZ 2010, 348). Für das Abrücken von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO verbleibt es mangels einer anderen gesetzlichen Regelung bei dem Grundsatz, dass Verfahrensvorgänge im Urteil nicht zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613; vom 8. Mai 2007 - 1 StR 202/07, NStZ-RR 2007, 244; a.A. für § 257c Abs. 4 Meyer-Goßner aaO, § 267, Rn. 23a; Velten aaO, § 257c, Rn. 41). Die Mitteilung nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO über die Entscheidung zum Abgehen von der Verständigung und deren Gründe ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen und nimmt an dessen Beweiskraft teil.

III.


18
Die Sachrüge bleibt - auch unter Berücksichtigung des § 301 StPO - ebenfalls ohne Erfolg. Die Strafzumessung und die Bewährungsentscheidung im angefochtenen Urteil halten einer rechtlichen Prüfung stand.
19
1. Die Annahme einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler, gestützt auf die durch die Bekundungen der Nebenklägerin partiell bestätigten Angaben des Angeklagten, den Umfang des Alkoholkonsums des Angeklagten festgestellt und auf dieser Grundlage sachverständig beraten eine maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 2,9 Promille ermittelt. Ausgehend von dieser in den Blutkreislauf aufgenommenen Alkoholmenge, die zutreffend als gewichtiges Beweisanzeichen für eine die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigende Alkoholintoxikation gewertet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 37; vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99, NStZ 2000, 136; Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 69 ff.), hat es eine Gesamtwürdigung der sonstigen Begleitumstände unter Einbeziehung des Verhaltens des Angeklagten und dessen nicht gegebener Alkoholgewöhnung vorgenommen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens aufgrund der Alkoholisierung nicht ausgeschlossen werden kann. Dies lässt weder eine unzutreffende Anwendung des Zweifelssatzes noch anderweitige Rechtsfehler erkennen.
20
2. Die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung kann vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden; eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die Strafkammer hat die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Die dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB doppelt geminderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommene Strafe ist zwar milde, sie liegt aber nicht außerhalb des dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsrahmens.
21
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56, Rn. 11, 25 m.w.N.) hat das Landgericht nicht überschritten. Es hat alle wesentlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erwogen und sich für die Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, sein Geständnis und den gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich gestützt. Vor dem Hintergrund dieser von der Strafkammer angeführten gewichtigen Milderungsgründe liegt auch in dem Fehlen von Ausführungen im Urteil zur Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ausnahmsweise die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB), kein Rechtsfehler. Denn einer ausdrücklichen Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB bedarf es nur dann, wenn aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 421/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2012 beschlossen
:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 12. März 2012 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Auch die Verfahrensrüge, das Landgericht habe sich zu Unrecht an eine
Verständigung i.S.v. § 257c StPO gebunden gefühlt, bleibt ohne Erfolg.
1. Dieser Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Am dritten Tag der Hauptverhandlung traf die Strafkammer mit der
Staatsanwaltschaft, der Angeklagten und dem Verteidiger eine Verständigung
im Sinne von § 257c StPO. Die Verständigung umfasste für den Fall eines
frühzeitigen Geständnisses der Angeklagten u.a. die Zusage der Strafkammer,
dass sie bei der zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe eine Strafuntergrenze von
einem Jahr und vier Monaten nicht unterschreiten und eine Strafobergrenze
von einem Jahr und acht Monaten nicht überschreiten werde, wobei sie die
Vollstreckung der zu verhängenden Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen
werde.
An einem späteren Hauptverhandlungstag erteilte die Strafkammer den
rechtlichen Hinweis (§ 265 Abs. 1 StPO), dass in den Fällen der Steuerhinterziehung
anstelle der in der Anklageschrift angenommenen mittäterschaftlich
begangenen Steuerhinterziehung jeweils lediglich Beihilfe zur Steuerhinterziehung
verwirklicht sein könnte. In diesen zehn Fällen verurteilte die Strafkammer
die Angeklagte dann auch nur wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Insgesamt wurde die geständige Angeklagte vom Landgericht wegen
Beihilfe zum Vorenthalten und Verkürzen von Arbeitsentgelt in 50 Fällen (Einzelstrafen
zwischen 30 Tagessätzen Geldstrafe und zehn Monaten Freiheitsstrafe
) und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zehn Fällen (Einzelstrafen
zwischen einem Monat und vier Monaten Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von einem Jahr und vier Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung
verurteilt. Der Verteidiger hatte für diese Taten in seinem Schlussvortrag
die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs
Monaten beantragt. Nach den Urteilsfeststellungen hatte die Angeklagte auf
Anweisung des Mitangeklagten J. für die von diesem geführte
E. Hoch- und Industriebau GmbH gegenüber den Sozialversicherungsträgern
und in Lohnsteueranmeldungen in den Jahren 2005 und 2006 bezüglich
der bei der GmbH beschäftigten Arbeitnehmer geringere als die tatsächlich
bezahlten Löhne angemeldet und dadurch Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile
zur Sozialversicherung sowie Lohnsteuer verkürzt.
2. Die Revision ist der Ansicht, dass wegen der Veränderung des rechtlichen
Gesichtspunkts „Beihilfe statt Mittäterschaft“ in den zehn Fällen der Steuerhinterziehung
die Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß § 257c
Abs. 4 Satz 1 StPO entfallen sei und dass das Landgericht diesen Umstand in
den Urteilsgründen bei der Strafzumessung zum Ausdruck hätte bringen müssen.
3. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob die Verfahrensrüge
schon deshalb den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entspricht
, weil die Revision sich nicht dazu verhält, ob auch die Angeklagte in der
Hauptverhandlung nach dem rechtlichen Hinweis des Gerichts den in der Verständigung
für die Gesamtstrafe vereinbarten Strafrahmen nach wie vor für
schuldangemessen erachtet und die Verständigung weiterhin für bindend angesehen
hat. Hierfür spricht, dass die Verteidigung - was von der Revision
ebenfalls nicht mitgeteilt wird - in ihrem Schlussvortrag eine in der Mitte des
vereinbarten Rahmens liegende Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
sechs Monaten beantragt hat. Die Rüge hat - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls
in der Sache keinen Erfolg.

a) Die abweichende rechtliche Einstufung der Tatbeiträge der Angeklagten
bei den Steuerstraftaten durch das Gericht führte - entgegen der Auffassung
der Revision - nicht zum Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung.
Die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt gemäß § 257c
Abs. 4 Satz 1 StPO erst dann, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame
Umstände übersehen worden sind oder sich ergeben haben und das Gericht
deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen
nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Dabei liegt die Prüfung und
Entscheidung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende Ahndung
auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der getroffenen
Verständigung möglich ist, im Verantwortungsbereich des Gerichts
(vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11, NJW 2012, 3113). In
§ 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ist ausdrücklich geregelt, dass ein Abweichen von
der Verständigung und damit ein Entfallen der Bindung an diese unter anderem
voraussetzt, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu
der Überzeugung gelangt, der in Aussicht gestellte Strafrahmen sei nicht mehr
tat- oder schuldangemessen. Dies war hier ersichtlich nicht der Fall.

b) Das Landgericht durfte die hier für die Gesamtstrafe gemäß § 257c
Abs. 3 Satz 2 StPO in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen nach dem Hinweis
gemäß § 265 Abs. 1 StPO zur rechtlichen Einstufung der Mitwirkung der
Angeklagten an den Steuerhinterziehungsdelikten lediglich als Beihilfe statt als
Mittäterschaft weiterhin als tat- und schuldangemessen ansehen.
aa) Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen
auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und
schuldangemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht wie auch
sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung ein weiter Beurteilungsspielraum
zu, der erst überschritten ist, wenn die zugesagte Strafoberoder
die zugesagte Strafuntergrenze nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen
Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die
Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder
erkannten Umständen so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs
entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das
Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen
Verständigung abzuweichen.
bb) So verhält es sich hier indes nicht.
(1) Der Schuldgehalt einer gewichtigen Beihilfetat kann sogar größer
sein als der einer mittäterschaftlichen Tatbeteiligung, die sich auf weniger gewichtige
Tatbeiträge beschränkt. Das Landgericht durfte deshalb bei der Bewertung
des Schuldgehalts der nunmehr von ihm als Beihilfe eingestuften Tatbeiträge
der Angeklagten der „Intensität der jeweiligen Unterstützungshand-
lung“ (UA S. 49) besondere Bedeutung beimessen.
(2) Gewicht hatte hier auch der Umstand, dass sich die Verständigung
gemäß § 257c StPO nicht auf die für die zehn Steuerdelikte festzusetzenden
Einzelstrafen bezog, sondern lediglich auf die insgesamt zu verhängende Gesamtstrafe.
In die Gesamtstrafenbildung waren jedoch auch die Einzelstrafen
für 50 Fälle der Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
(§ 266a StGB) - darunter dann auch die zweifach verwirkte Einsatzstrafe von
zehn Monaten Freiheitsstrafe - einzubeziehen, die von der veränderten rechtlichen
Einstufung der Tatbeteiligung bei den Steuerdelikten nicht betroffen waren.
4. Einer ausdrücklichen Darlegung, aus welchen Gründen das Tatgericht
die der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmengrenzen für die Gesamtstrafe
auch auf der Grundlage veränderter Bewertung der Tatbeteiligung bei
den Steuerdelikten als Beihilfe statt Mittäterschaft weiterhin für tat- und schuldangemessen
erachtet und deswegen an der Verständigung festgehalten hat,
bedurfte es in den Urteilsgründen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012
- 4 StR 623/11, NJW 2012, 3113).
Maßgeblich ist lediglich, ob sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung
gelöst hat, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dies ist hier bei der moderaten
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, in die auch die
50 Einzelstrafen wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
eingeflossen sind, nicht der Fall.
Nack Wahl Jäger
Sander Radtke

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 433/07
vom
12. März 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
1. Wird bei einer verfahrensbeendenden Absprache unter Beteiligung des Gerichts
rechtswidrig ein Rechtsmittelverzicht vereinbart, so hat dies nicht die Unwirksamkeit
der Absprache im Übrigen zur Folge.
2. Die Ankündigung des Angeklagten, gegen das aufgrund einer Verfahrensabsprache
ergehende Urteil Rechtsmittel einzulegen, ist für sich genommen kein Umstand
, der die Bindung des Gerichts an eine zulässige Verständigung beseitigt. Sie
rechtfertigt es auch nicht, dass sich die Staatsanwaltschaft von ihrer in die Absprache
einbezogenen Zusage löst, zu einer anderen Tat des Angeklagten einen
Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu stellen.
3. Bindet das Gericht die Staatsanwaltschaft durch deren Zusage einer Antragstellung
nach § 154 Abs. 2 StPO in eine Verfahrensabsprache ein, so hat es für den
Fall, dass diese ihr Versprechen sodann unter Verstoß gegen den Grundsatz des
fairen Verfahrens nicht einhält, die Verpflichtung, den Angeklagten, der im Vertrauen
auf die Zusage die ihm vorgeworfenen anderen Taten eingeräumt hat, im
Rahmen der rechtlichen Gestaltungsspielräume von den sich hieraus ergebenden
Folgen so weit freizustellen, dass die getroffenen Absprachen weitestmöglich eingehalten
werden. Nur wenn sich auf diese Weise kein Ergebnis erzielen lässt, das
noch mit dem Gebot fairer Verfahrensführung vereinbar wäre, kommt ein Verfahrenshindernis
für die Verfolgung der Tat in Betracht, zu der der Antrag nach § 154
Abs. 2 StPO angekündigt worden ist.
BGH, Urt. vom 12. März 2008 - 3 StR 433/07 - LG Hildesheim
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. Februar 2008 in der Sitzung am 12. März 2008, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 21. Februar 2008 -
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 21. Mai 2007 im Strafausspruch dahin geändert , dass der Angeklagte zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt wird.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung und über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, wegen schweren Raubes und wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge, das Landgericht habe seine Pflicht verletzt, das Verfahren fair zu gestalten, sowie mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel führt auf die Verfahrensrüge zur Änderung des Strafausspruchs und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur Entscheidung über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung.
2
1. Der Beanstandung liegt folgendes, dem Protokoll der Hauptverhandlung , dem Revisionsvortrag und den dienstlichen Erklärungen übereinstimmend zu entnehmendes Geschehen zugrunde:
3
Gegen den Angeklagten und mehrere Mitangeklagte fand die Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs zweier bewaffneter Raubüberfälle auf Mitarbeiter von Spielhallen im September 2006 statt (Taten 1 und 2). Zugleich waren gegen die Tätergruppe weitere Ermittlungsverfahren anhängig; gegen den Angeklagten war wegen eines Überfalls auf eine Tankstelle am 4. November 2006 (Tat 3) bereits Anklage zum Landgericht erhoben, diese aber noch nicht zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Am zweiten Hauptverhandlungstag teilte der Vorsitzende mit, es hätten "zwischen dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft , den Angeklagten, deren Verteidigern und dem Gericht Gespräche mit dem Ziel einer einvernehmlichen und verfahrensabschließenden Verständigung stattgefunden". Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Angeklagten und deren Verteidiger erklärten daraufhin: "Wir greifen die Anregung des Gerichts auf und sind bereit, für den Fall eines Geständnisses folgende Strafen zu akzeptieren: … der Angeklagte A. eine Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren - ohne Strafaussetzung." Im Anschluss daran erklärte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, dass er in den gegen den Angeklagten und die Mitangeklagten bei der Polizei anhängigen Ermittlungsverfahren , bei den bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren und "in den bei der Jugendkammer bereits angeklagten Verfahren eine - endgültige - Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO veranlassen bzw. eine - endgültige - Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO beantragen wird". Sodann gaben der An- geklagte und die Mitangeklagten über die Verteidiger - der Angeklagte über Rechtsanwalt R. - jeweils eine geständige Einlassung ab. Nachdem das Verfahren am nächsten Verhandlungstag mit sonstigen Beweiserhebungen fortgesetzt worden war, teilte außerhalb der Hauptverhandlung Rechtsanwalt H. als neuer Verteidiger des Angeklagten dem Vorsitzenden der Jugendkammer telefonisch mit, dass sein Mandant nicht mehr bereit sei, eine Jugendstrafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung zu akzeptieren. Hiervon unterrichtete der Vorsitzende den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, der darauf antwortete, er fühle sich nun seinerseits nicht mehr an die getroffene Absprache gebunden, in dem bei der Jugendkammer anhängigen weiteren Verfahren einen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu stellen. Am nächsten Verhandlungstag erklärte Rechtsanwalt R. , der Angeklagte könne nicht verbindlich erklären, dass er ein heute gegen ihn ergehendes Urteil akzeptieren werde. Daraufhin erwiderte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, dass er sich, weil der Angeklagte deutlich gemacht habe, keinen Rechtsmittelverzicht erklären zu wollen, an die getroffene Absprache nicht mehr gebunden fühle, und beantragte die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten. Antragsgemäß trennte die Jugendkammer danach das Verfahren gegen den Angeklagten durch Beschluss ab, weil nunmehr die Verbindung mit dem anhängigen Verfahren wegen eines weiteren Raubüberfalls (Tat 3) in Betracht komme, bezüglich dessen ein Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 2 StPO nicht mehr zu erwarten sei. Am nächsten Verhandlungstag wies die Jugendkammer den Angeklagte darauf hin, dass sie nicht mehr an die Verständigung gebunden sei. Danach wurde bezüglich der weiteren Anklage das Hauptverfahren eröffnet und die Sache zum laufenden Verfahren verbunden. Nach weiterer Beweiserhebung - der Angeklagte ließ sich zum Vorwurf des dritten Raubüberfalls nicht ein - wurde der Angeklagte wegen aller drei Taten zu der Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt.

4
2. Die Revision wendet sich - ungeachtet des in der Revisionsverhandlung ohne Beschränkung gestellten Aufhebungsantrags - nicht dagegen, dass das Landgericht, obwohl es sich nicht mehr an die Verfahrensabsprache gebunden fühlte, das vom Angeklagten auf deren Grundlage abgelegte Geständnis verwertet und ihn hiervon ausgehend wegen der Taten 1 und 2 schuldig gesprochen hat; der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob insoweit ein Verwertungsverbot vorlag. Vielmehr wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass das Landgericht sich nicht von der getroffenen Verfahrensabsprache habe lösen und den Angeklagten daher nur wegen der Taten 1 und 2 zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren habe verurteilten dürfen. Mit dieser Stoßrichtung hat die Verfahrensrüge einen Teilerfolg.
5
3. Der Schuldspruch hält allerdings rechtlicher Überprüfung stand. Die ihn tragenden Feststellungen beruhen zu allen drei Taten auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Auch wurde durch die getroffene Verfahrensabsprache kein Verfahrenshindernis für die Verfolgung der Tat 3 begründet. Jedoch kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Im Einzelnen gilt:
6
a) Es ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass die Jugendkammer mit dem Angeklagten eine Verfahrensabsprache getroffen hat. Trotz fehlender gesetzlicher Regelung ist im Strafverfahren eine Verständigung innerhalb der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gezogenen Grenzen (siehe hierzu BVerfG NStZ 1987, 419; BGHSt 43, 195; BGHSt - GS - 50, 40) grundsätzlich zulässig. Diese Grenzen sind hier jedenfalls nicht in einer Weise überschritten worden, dass den getroffenen Abreden insgesamt die Verbindlichkeit gefehlt hätte mit der Folge, dass der Angeklagte keinen Anspruch auf Einhaltung der ihm erteilten Zusagen gehabt hätte.

7
Zunächst hat das Landgericht dem zu beachtenden Formerfordernis genügt , indem es das Ergebnis einer in Vorgesprächen erreichten Annäherung in der öffentlichen Verhandlung mitgeteilt und in die Sitzungsniederschrift aufgenommen hat. Ein Überschreiten der inhaltlichen Grenzen einer zulässigen Verständigung zum Strafausspruch ist nicht ersichtlich. Dass sich die Abrede auf die Verhängung einer Jugendstrafe bezog, macht sie für sich nicht unzulässig (zu den Bedenken vgl. BGH NStZ 2001, 555 mit Anm. Eisenberg NStZ 2001, 556); es ist nicht erkennbar, dass auch die Frage der Anwendung von Jugendoder Erwachsenenstrafrecht und nicht allein die Höhe der höchstens zu verhängenden Strafe Gegenstand der Vereinbarung war. Der Umstand, dass in die Absprache die Zusage der Staatsanwaltschaft einbezogen war, in anderen Verfahren auf unterschiedliche Weise von weiterer Strafverfolgung abzusehen oder entsprechende Anträge zu stellen, steht deren Wirksamkeit nicht entgegen.
8
b) Die Grenzen einer zulässigen Verständigung sind allerdings dann verletzt , wenn das Gericht am Zustandekommen einer Urteilsabsprache mitwirkt, in der auch der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels vereinbart wird. Es darf bei Gesprächen über eine einverständliche Verfahrensbeendigung die Frage eines Rechtsmittelverzichts weder von sich aus ansprechen, noch gar befürworten oder von den Beteiligten verlangen. Es hat Äußerungen zu vermeiden , die objektiv dahin verstanden werden können, dass ihm an einem Rechtsmittelverzicht gelegen oder dass dieser für den Angeklagten vorteilhaft sei (BGHSt - GS - 50, 40, 57); denn für die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts bestehen keine legitimen Interessen (BGHSt - GS - 50, 40, 56; siehe dazu auch den Vorlegungsbeschluss des Senats BGH NJW 2004, 2536).
9
Es liegen hier erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass das Landgericht diese Vorgaben missachtet und einen Verzicht der Rechtsmittelberechtigten auf Einlegung der Revision zum Gegenstand der Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung gemacht hat. Hierfür spricht zum einen schon der Wortlaut der protokollierten Verständigung: Danach hat nicht - wie an sich geboten (vgl. BGHSt 43, 195, 207 und BGHSt - GS - 50, 40, 48) - die Jugendkammer für den Fall einer geständigen Einlassung die Zusage erteilt, eine bestimmte Strafhöhe nicht zu überschreiten; vielmehr haben der Angeklagte, sein Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft versprochen, eine Jugendstrafe von nicht mehr als einem bestimmten Höchstmaß zu "akzeptieren". Auch die Reaktionen des Vorsitzenden und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft auf die Ankündigung, der Angeklagte werde die Frage der Bewährung möglicherweise durch das Rechtsmittelgericht überprüfen lassen, deuten in diese Richtung. Andererseits hat die Revision ein solches rechtswidriges Verhalten der Verfahrensbeteiligten nicht geltend gemacht; es lässt sich auch den vorliegenden dienstlichen Stellungnahmen (zur freibeweislichen Feststellung eines unzulässigen Geschehens vgl. BGHSt 45, 227, 228) nicht mit Sicherheit entnehmen.
10
Der Senat muss diese Frage jedoch nicht näher aufklären. Selbst wenn unter Beteiligung des Gerichts unzulässig ein Rechtsmittelverzicht vereinbart worden sein sollte, hätte dies nicht zur Folge, dass die übrigen Abreden unbeachtlich wären. Zwar wäre das Versprechen des Rechtsmittelverzichts selbst unwirksam und deshalb ohne Bindung für die Rechtsmittelberechtigten; indes würde die Wirksamkeit der Verständigung im Übrigen durch die rechtswidrige Einbeziehung eines Rechtsmittelverzichts hier nicht beeinträchtigt werden. Die Verbindlichkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen wirksamen Urteilsabsprache wird nicht dadurch gefährdet, dass sie mit dem Versprechen eines späteren Rechtsmittelverzichts verbunden ist. Selbst wenn dies unzulässigerweise der Fall gewesen sein sollte, wären die hiermit verbundenen Erwartungen nicht schützenswert (vgl. Rieß in FS für Meyer-Goßner S. 645, 652).
11
c) Demgemäß war das Landgericht im Grundsatz an seine Zusage gebunden , den Angeklagten wegen der Taten 1 und 2 zu einer Jugendstrafe von höchstens zwei Jahren ohne Strafaussetzung zur Bewährung zu verurteilen sowie das Verfahren zu Tat 3 - nach einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft - gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen. Von dieser Bindung konnte es sich nur unter den von der Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen lösen. Danach kommt ein Abweichen von der Zusage nur dann in Betracht , wenn schon bei der Urteilsabsprache vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen wurden (vgl. BGHSt - GS - 50, 40, 50), oder wenn sich in der Hauptverhandlung neue (d. h. dem Gericht bisher unbekannte) schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten ergeben (so die zuvor von BGHSt 43, 195, 210 gezogene, engere Grenze). Dies war hier nicht der Fall.
12
aa) Der Angeklagte hat die ihm vorgeworfenen beiden Überfälle eingeräumt. Es ist nicht ersichtlich, dass er dabei hinter den vom Gericht an ihn gestellten Anforderungen zurückgeblieben wäre. Mit seinem Geständnis hat er seinen Teil der Verständigung erfüllt. Relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte waren von der Kammer weder bei der Absprache übersehen worden noch im Anschluss daran neu zutage getreten. Insbesondere gab die Erklärung des Angeklagten, er könne nicht zusichern, dass er bei einem absprachegemäß ergehenden Urteil auf Rechtsmittel verzichten werde, bzw. er sei mit einer Verurteilung zu einer die Zusage ausschöpfenden Strafe nicht mehr einverstanden, der Jugendkammer keine Berechtigung, von der getroffenen Verfahrensabsprache abzurücken. Darf ein Rechtsmittelverzicht nicht zum Gegen-stand der Ver- ständigung gemacht werden, so kann auch eine Erklärung, ggf. Rechtsmittel einlegen zu wollen, die Bindungswirkung der Absprache nicht beseitigen.
13
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Staatsanwaltschaft aufgrund der Erklärungen des Angeklagten in nicht zu rechtfertigender Weise von ihren Zusagen gelöst hat, die sie in der unter ihrer Beteiligung zustande gekommenen Verfahrensabsprache gegeben hatte.
14
Die Staatsanwaltschaft hatte sich dadurch an der Verfahrensabsprache beteiligt, dass sie für den Fall eines Geständnisses des Angeklagten und dessen Verurteilung im Rahmen der Verständigung (höchstens zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren ohne Strafaussetzung zur Bewährung) die Einstellung weiterer Ermittlungs- und Strafverfahren bzw. die Stellung entsprechender Anträge zugesichert hat (zu den Bedenken gegen eine Beteiligung der Staatsanwaltschaft an einer Verfahrensabsprache vgl. BGHSt 42, 191; 45, 227). Sie hatte damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich der Angeklagte verlassen durfte und dessen Grundlage durch seine Ankündigung, gegen das aufgrund der Verfahrensabsprache ergehende Urteil gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen, nicht entfallen ist; auch der Staatsanwaltschaft ist kein berechtigtes Interesse daran zuzubilligen, ein Urteil einer Überprüfung durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler zu entziehen, dem eine Verfahrensabsprache vorausgegangen ist, in die sie eigene Zusagen eingebracht hat.
15
Indem die Jugendkammer die Erklärungen der Staatsanwaltschaft in die Verfahrensabsprache mit dem Angeklagten aufgenommen hat, hat sie sich die daraus für diesen ergebenden Zusagen zu eigen gemacht und war daher durch das Gebot fairer Verfahrensgestaltung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK; Art. 20 Abs. 3 GG) gehalten, diese in ihrem Zuständigkeitsbereich - soweit rechtlich hierzu in der Lage (siehe dazu unten d)) - umzusetzen, wenn der Angeklagte seinen Teil der Abrede erfüllt, mithin das Geständnis zu den Taten 1 und 2 abgibt. Hätte die Staatsanwaltschaft nach der geständigen Einlassung des Angeklagten in dem Verfahren zu Tat 3 den von ihr versprochenen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO gestellt, wäre das Landgericht somit verpflichtet gewesen, diesem Antrag zu entsprechen.
16
d) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich vor diesem Hintergrund indessen kein Verfahrenshindernis für die Aburteilung der Tat 3.
17
Die Staatsanwaltschaft hat zwar durch ihre Weigerung, nach dem Geständnis des Angeklagten zu den Taten 1 und 2 in dem Verfahren zu Tat 3 den Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu stellen, das durch ihre entsprechende Zusage begründete berechtigte Vertrauen des Angeklagten in nicht zu rechtfertigender Weise verletzt. Das Verhalten der Staatsanwaltschaft hatte zur Folge, dass es an einer gesetzlichen Voraussetzung für eine Verfahrenseinstellung nach dieser Vorschrift fehlte und die Jugendkammer, die den Antrag der Staatsanwaltschaft nicht erzwingen konnte, an einer Erfüllung ihres diesbezüglichen Versprechens schon aus Rechtsgründen gehindert war - unbeschadet dessen, dass sie sich selbst an die Absprache nicht mehr gebunden fühlte. Nach bisheriger Rechtsprechung begründet die nicht gerechtfertigte, die Verfahrensfairness missachtende Weigerung der Staatsanwaltschaft, entsprechend einer erteilten Zusage das Verfahren hinsichtlich einer bestimmten Tat nach Opportunitätsgründen einzustellen, jedoch kein Verfahrenshindernis für deren Ahndung, sondern lediglich einen wesentlichen Strafmilderungsgrund (BGHSt 37, 10). Hieran ist jedenfalls für die hier gegebene besondere Fallkonstellation festzuhalten. Zwar lag der damaligen Entscheidung des Senats die Besonderheit zugrunde, dass der Angeklagte sein strafbares Tun trotz der Zusage der Staatsanwaltschaft fortgesetzt hatte (vgl. BGHSt 37, 10, 14 f.), während hier der Angeklagte keinen die Änderung des Verhaltens der Staatsanwaltschaft rechtfertigenden Anlass gegeben hat. Dies veranlasst indessen keine unterschiedliche Betrachtung. Denn die Verletzung des Grundsatzes fairer Verfahrensführung kann ein Verfahrenshindernis nur dann begründen, wenn keine Möglichkeit besteht, diesen Verstoß durch strafprozessuale Maßnahmen und/oder die Ausschöpfung materiellrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten auf der Rechtsfolgenseite so weit auszugleichen, dass sich das Verfahren insgesamt noch als fair erweist.
18
Für die hier in Rede stehende Fallgestaltung bedeutet dies: Bindet das Gericht die Staatsanwaltschaft in eine Verfahrensabsprache ein, so hat es für den Fall, dass diese ihre Zusagen sodann unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht einhält, etwa - wie hier - eine versprochene Antragstellung nach § 154 Abs. 2 StPO verweigert, die Verpflichtung, den Angeklagten , der im Vertrauen auf die Zusage die ihm vorgeworfenen anderen Taten eingeräumt hat, im Rahmen der rechtlichen Gestaltungsspielräume von den sich hieraus ergebenden Folgen so weit freizustellen, dass die getroffenen Absprachen weitestmöglich eingehalten werden. Nur wenn auf diesem Wege kein Ergebnis erzielbar ist, das das Gesamtverfahren noch als fair erscheinen lässt, kann ein Verfahrenshindernis für die Verfolgung der Tat in Betracht kommen, zu der die Staatsanwaltschaft den Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO unberechtigt verweigert. Dies ist im Hinblick auf die hier gegebenen Besonderheiten nicht der Fall, die es ermöglichen, die Höchststrafenzusage auch dann zu respektieren, wenn in den Schuldspruch die Verurteilung wegen der Tat 3 einbezogen wird.
19
Die erste notwendige Voraussetzung hierfür hat das Landgericht dadurch geschaffen, dass es das Verfahren zu Tat 3 mit dem Verfahren bezüglich der Taten 1 und 2 verbunden hat. Hierdurch wurde die Möglichkeit eröffnet, auf die Tat 3, die der Angeklagte an seinem 21. Geburtstag begangen hat, ebenfalls Jugendstrafrecht anzuwenden (§ 32 Satz 1 JGG). Von dieser Möglichkeit hat die Jugendkammer rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht.
20
Sie hat es indessen rechtsfehlerhaft unterlassen, die weitere notwendige Konsequenz zu ziehen und auf dieser Grundlage ihre weiterhin verbindliche Höchststrafenzusage einzuhalten. Dies war ihr entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts von Gesetzes wegen nicht verwehrt. Sie war bei der Anwendung von Jugendrecht nicht gehindert, auch für die drei abgeurteilten Taten auf eine Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zu erkennen. Dies lag umso näher, als die Jugendstrafe ohnehin ohne die Bindung an die Strafrahmen des Erwachsenenrechts maßgeblich nach erzieherischen Gesichtspunkten zu bemessen war, sowie Staatsanwaltschaft und Gericht offensichtlich (anderenfalls wäre die zugesagte Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO eine Verletzung des Rechts zu Gunsten des Angeklagten gewesen) der Überzeugung waren, die dritte Tat sei von minderer Bedeutung (so die Rechtsgedanken von § 154 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO).
21
e) Nach alledem hat der Schuldspruch, nicht dagegen der Strafausspruch Bestand. Diesen kann der Senat jedoch selbst abändern. Er erkennt entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf eine Jugendstrafe von zwei Jahren - die Strafe, die das Landgericht nach der getroffenen Absprache höchstens hätte verhängen dürfen. Er schließt aus, dass sich an der Grundlage für die Verhängung von Jugendstrafe, die der Tatrichter wegen der Schwere der Schuld für erforderlich gehalten hat, etwas geändert haben könnte. Ebenso ist im Hinblick auf die festgestellte Lebensentwicklung des Angeklagten sowie auf den Umstand , dass nunmehr drei Raubüberfälle zu ahnden sind, auszuschließen, dass ein neuer Tatrichter eine Jugendstrafe von weniger als zwei Jahren unter Beachtung des Erziehungsgedankens als ausreichend für die notwendige Einwirkung ansehen könnte.
22
Der neue Tatrichter hat daher - auch unter Berücksichtigung der Entwicklung , die der Angeklagte in der seit dem angefochtenen Urteil vergangenen Zeit gemacht hat - nur noch darüber zu entscheiden, ob die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Eine Entscheidung hierzu ist dem Senat verwehrt.
Becker Miebach Pfister Hubert Schäfer

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

11
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 3 StR 462/15, juris). Daran gemessen erweist sich die Beweiswürdigung, die der Annahme des Landgerichts zugrunde liegt, dass die Zweckrichtung der AN GP auch die Begehung von Straftaten nach dem Versammlungsgesetz sowie Beleidigungs- und Körperverletzungsdelikten umfasst habe, als lückenhaft.
9
a) Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 1 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe (zum strafzumessungsrechtlichen Bedeutungsgehalt des Handeltreibens und der Höhe der jeweiligen Handelsmenge gegenüber anderen Begehungsvarianten des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. November 1999 - 5 StR 316/99, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 4; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 877 ff.).

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 537/12
vom
28. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Februar
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Bender,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
der Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 2. August 2012 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vierzehn Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Gardelegen vom 5. Juli 2011 und des Amtsgerichts Haldensleben vom 15. Dezember 2012 [richtig: 2011] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dem Verfahren lag eine Verständigung zugrunde. Dem Angeklagten war für den Fall eines Geständnisses eine Gesamtstrafe zwischen drei Jahren und drei Jahren und sechs Monaten zugesichert worden. Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten, auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkten und mit der Sachrüge begründeten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Gesamtstrafenbildung. Das Landgericht habe übersehen, dass die Verurteilung vom 5. Juli 2011 Zäsurwirkung entfaltet habe, so dass zwei Gesamtfreiheitsstrafen hätten gebildet werden müssen. Die Revision hat Erfolg.
2
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt ; die weiter gehende Beschränkung auf den Gesamtstrafenausspruch ist hingegen nicht wirksam.
3
a) Die Feststellungen zum Schuldspruch in den Fällen 1 – 11 der Urteilsgründe stehen einer Beschränkung auf den Strafausspruch nicht entgegen.
4
Nach den Feststellungen unter II. 1. – 11. des angefochtenen Urteils fuhr der Angeklagte von Anfang Januar 2011 bis 27. Mai 2011 und wieder ab Mitte Juli 2011 bis Anfang August 2011 gemeinsam mit gesondert Verfolgten in mindestens elf Fällen nach E. in den N. , kaufte dort pro Fahrt jeweils mindestens 1 kg Marihuana und führte dieses anschließend zum gewinnbringenden Weiterverkauf nach Deutschland ein. Zwar könnte nach diesen Feststellungen unklar sein, wie viele Taten vor dem 5. Juli 2011 und wie viele danach stattfanden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich jedoch entnehmen, dass die Taten zweimal im Monat stattfanden. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Taten 10, 11 und 12 (1 Tat Mai, 2 Taten Juni ) in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurden, erschließt sich hinreichend deutlich, dass der Verurteilung jeweils zwei Taten in den Monaten Januar 2011 bis April 2011, eine Tat im Mai 2011 und zwei Taten von Mitte Juli bis Anfang August 2011 zugrunde liegen.
5
b) Eine Beschränkung der Revision auf die Anfechtung der Gesamtstrafe ist zwar prinzipiell möglich (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2012 – 2 StR 16/12 mwN.), sie ist hier aber nicht wirksam.
6
§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB enthält eigene, über § 46 StGB hinausgehende Bewertungsgrundsätze, so dass die Gesamtstrafenbildung grundsätzlich einen gesonderten Strafzumessungsvorgang erfordert (Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., § 54 Rn. 10 mwN). Innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist die Gesamtstrafenbildung als Beschwerdepunkt von dem nicht angegriffenen Teil des Strafausspruchs hinsichtlich der Einzelstrafen einer getrennten und umfassenden Überprüfung und Beurteilung durch das Revisionsgericht und den neuen Tatrichter jedenfalls dann zugänglich, wenn bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht zur Vermeidung von Wiederholungen (vgl. Rissing-van Saan aaO Rn. 13 mwN) auf die zur Festsetzung der Einzelstrafen niedergelegten Erwägungen Bezug genommen wird (BGH, Urteil vom 8. September 1999 – 3 StR 285/99, NStZ-RR 2000, 13). Eine solche Bezugnahme liegt hier vor, denn die Straf- kammer hat die Gesamtstrafe „unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ verhängt.
7
Hinzu tritt hier noch ein weiterer Gesichtspunkt. Die Strafkammer hat die Einzelstrafen ausdrücklich unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung getroffenen Vereinbarung mit dem Angeklagten über die Höhe der Gesamtstrafe bemessen. Da somit die Verständigung für den gesamten Strafausspruch eine erhebliche Rolle gespielt hat und damit eine Wechselwirkung zwischen den Einzelstrafen und der Gesamtstrafe gegeben ist, ist der gesamte Strafausspruch angegriffen.
8
2. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Aufhebung des Strafausspruchs insgesamt.
9
a) Das Landgericht hat, was es erst bei der Urteilsabfassung erkannt hat (UA 13 f.), den zäsurbildenden Strafbefehl des Amtsgerichts Gardelegen vom 5. Juli 2011 nicht beachtet. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2, § 55 StGB hätte die Strafkammer aus den neun Einzelstrafen für die vor dem 5. Juli 2011 beende- ten Taten unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gardelegen von diesem Tage eine Gesamtfreiheitsstrafe und wegen der fünf restlichen Einzelstrafen für die nach dem 5. Juli 2011 begangenen Taten unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Haldensleben eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe bilden müssen. Dies hätte zwangsläufig zur Verhängung zweier Gesamtfreiheitsstrafen von einmal mindestens einem Jahr und sieben Monaten (Einsatzstrafe ein Jahr sechs Monate) und von mindestens zwei Jahren und vier Monaten (Einsatzstrafe zwei Jahre drei Monate) geführt und für den Angeklagten ein Gesamtstrafübel von zumindest drei Jahren elf Monaten bedeutet. Dieser den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
10
b) Der Fehler bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe führt auch zur Aufhebung der Einzelstrafen. Die Strafkammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafen ausdrücklich auch die Verständigung mit dem Angeklagten berücksichtigt (UA S. 13). Es liegt deshalb nahe, dass sie, wenn sie ihren Fehler bemerkt hätte, niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte, um ein Gesamtstrafübel innerhalb des zugesagten Strafrahmens zu erreichen. Anderenfalls hätte die Strafkammer nach Aufdeckung ihres Irrtums den Angeklagten darauf hinweisen müssen, damit dieser sich im Rahmen der weiteren Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der nicht mehr einhaltbaren Zusage umfassend sachgerecht verteidigen konnte (§ 257 c Abs. 4 und 5 StPO).
11
c) Die Feststellungen sind von dem Fehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende, den rechtskräftigen Feststellungen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
12
3. Eine Bindungswirkung an die im Rahmen der Verständigung zugesagte Strafobergrenze besteht nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht nicht mehr (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2010 – 5 StR 38/10, StV 2010, 470, und vom 1. März 2011 – 1 StR 52/11, StV 2011, 337; HK-StPO-Temming, 5. Aufl., § 257c Rn. 31; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 257c Rn. 25).
Mutzbauer Roggenbuck Bender
Quentin Reiter

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

5 StR 38/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februar 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21. September 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der 21 Jahre alte Angeklagte konsumierte vor seiner Verhaftung am 22. Juli 2009 vier bis fünf Gramm Marihuana am Tag und zusätzlich an Wochenenden gelegentlich Kokain und Ecstasy. Am 28. Mai 2009 besaß der Angeklagte 166 g Cannabiskraut mit 25 g THC-Anteil sowie nahezu 11 g mit einem Wirkstoffanteil in Höhe von 15 % und ferner zwei Schreckschusspistolen nebst geladenen Magazinen. Der Angeklagte verwahrte 90 g Cannabiskraut für den Zeugen Sch. . Aus der größeren, nicht näher festgestellten, gemeinsam mit Sch. gekauften Menge „gab (der Angeklagte) weitere Teilmengen in seinem Wohnzimmer an die Zeuginnen K. und G. gegen Bezahlung ab“ (UA S. 6). Hierzu hat das Landgericht die Aussage der Zeuginnen referiert. Die Zeugin K. habe bekundet, einmal direkt vom Angeklagten erworben und für das Cannabiskraut zehn Euro bezahlt zu haben. Die Zeugin G. habe ausgesagt, sie hätte ungefähr zwei bis drei Monate lang vom Angeklagten sowohl Cannabiskraut als auch Kokain und LSD bekommen und dafür ertrogene Mobiltelefone und einen Laptop übergeben.
4
2. Hierdurch ist der Schuldspruch des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht bewiesen.
5
Das Landgericht hat in seine Feststellungen zu Recht nicht den von der Zeugin G. bekundeten Ankauf von Kokain und LSD einbezogen. Diese Vorgänge waren von der Anklageschrift nicht erfasst.
6
Die Feststellungen belegen das – schlüssig angeklagte – unerlaubte Handeltreiben mit den sichergestellten 177 g Cannabiskraut nicht.
7
Die dem Zeugen Sch. zugeordneten 90 g scheiden aus. Das Landgericht hat nicht beweiswürdigend erwogen, dass insoweit für den Angeklagten ein mittäterschaftliches Handeltreiben gegeben sei. Aber auch für die restlichen 87 g fehlt es an einer beweiswürdigend fundierten Feststellung, dass der Angeklagte diese Menge für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Das „nach einer Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten vollumfängliche Geständnis“ (UA S. 8) des Angeklagten bezieht sich lediglich auf den Erwerb von Cannabiskraut (UA S. 8). Eine ergänzende Bezugnahme auf den Anklagesatz ist dem Hinweis, dass der Angeklagte den Anklagevorwurf eingeräumt habe (UA S. 8), nicht zu entnehmen. Die Voraussetzungen des § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO für eine Ermächtigung zur Bezugnahme liegen nicht vor (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 267 Rdn. 2 und 8).
8
Hinsichtlich der Verkäufe von Cannabiskraut an die Zeuginnen K. und G. hat es das Landgericht unterlassen, die Tatzeiten und die Handelsmengen festzulegen. Zudem hat es die gebotene Eigennützigkeit (vgl. BGHSt – GS – 50, 252, 256) nicht beweiswürdigend belegt. Der Angeklagte hat gewinnbringende Verkäufe nicht eingeräumt. Solche anzunehmen, lag zwar im Blick auf den erheblichen Finanzbedarf des Angeklagten für den eigenen Drogenkonsum nahe. Sie traten indes im Zusammenhang mit dem festgestellten Verdienst des Angeklagten noch nicht in einem solchen Ausmaß zutage, dass jede – notwendigerweise über das Geständnis hinausgehende – beweiswürdigende Erwägung entbehrlich gewesen wäre.
9
3. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung.
10
Dabei wird das – die Anklage freilich nicht erschöpfende – Geständnis des Angeklagten nicht dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO unterliegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Bei Einhaltung der auch vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung akzeptierten Strafobergrenze führt das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu deren Perpetuierung im weiteren Verfahren. Zudem ist bei dem hier zu Lasten des Angeklagten vom Tatgericht unzutreffend bewerteten Geständnis nach Korrektur des Wertungsfehlers durch das Revisionsgericht zugunsten des Angeklagten die „Vertragsgrundlage“ für das Geständnis nicht entfallen (vgl. Meyer-Goßner aaO § 257c Rdn. 28).
11
Schon die weitergehenden, vom Landgericht bisher nicht präzisierten Angaben der Zeuginnen K. und G. könnten die Annahme eines nicht unwesentlichen Rauschgifthandels des Angeklagten nahelegen, aus dem sich indiziell der Anklagevorwurf erhärten könnte (vgl. BGH wistra 2002,

430).


12
Zur gegebenenfalls erforderlichen Bewertung des Verhältnisses der Handels- zur Eigenverbrauchsmenge verweist der Senat auf BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5.
Basdorf Brause Schaal König Bellay

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 52/11
vom
1. März 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
Allein die unzulässige Verständigung über den Schuldspruch führt nicht zu einem
Verbot, das auf Grund der Verständigung abgegebene Geständnis des
Angeklagten zu verwerten.
BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - 1 StR 52/11 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. November 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der Senat merkt an: Der Angeklagte wurde u.a. wegen fünf Fällen des Wohnungseinbruchdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) verurteilt, die er mit weiteren Personen begangen hat. Schweren Bandendiebstahl (§ 244a StGB) hat die Strafkammer nicht erörtert.
In den Urteilsgründen wird gemäß § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO angegeben, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Dem Urteil (insbesondere UA S. 25) ist weiter zu entnehmen, dass die Verständigung sich auch darauf erstreckte, dass die Taten abweichend von der Anklageschrift nicht bandenmäßig begangen worden seien (im Hauptverhandlungsprotokoll heißt es u.a.: "Bei dem Geständnis des Angeklagten P. brauchen keine Merkmale enthalten sein, die für ein bandenmäßiges Vorgehen sprechen").
Der Senat sieht daher Anlass darauf hinzuweisen, dass der Schuldspruch nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf (§ 257c Abs. 2 Satz 3 StPO) und dass auch die Staatsanwaltschaft darauf hinzuwirken hat, dass das Gesetz be- achtet wird (vgl. RiStBV Nr. 127 Abs. 1 Satz 1). Schwerer Bandendiebstahl ist eine Qualifikation und betrifft daher den Schuldspruch. Eine Verständigung darüber , dass keine bandenmäßige Begehung vorliegt, ist in diesem Fall, in dem es nicht nur um eine strafzumessungsrelevante Feststellung geht, unzulässig (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 359/10 Rn.

8).


Gleichwohl ist die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall rechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer hat keine Verfahrensrüge erhoben. Er hat weder eine Verletzung des § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO beanstandet, noch ein Verwertungsverbot gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO geltend gemacht. Auch wenn in den Urteilsgründen, ohne dass dies erforderlich wäre (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10 Rn. 16) Einzelheiten der Verständigung mitgeteilt werden, bedarf es zur Beanstandung der Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 257c StPO der Erhebung einer formgerechten (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Verfahrensrüge (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09). Der Umstand, dass das Revisionsgericht im Rahmen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bei zugleich erhobener umfassender Sachrüge den Urteilsinhalt ergänzend berücksichtigen kann (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 189/99; BGHSt 45, 203, 204 f.), befreit nicht von der Anbringung einer Verfahrensrüge. Da eine solche nicht erhoben ist, ist die Beweiswürdigung schon deshalb nicht auf eine Verletzung des Verwertungsverbots des Geständnisses zu überprüfen.
Hinzu kommt, dass ohnehin kein Verwertungsverbot gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO vorliegt. Bei einer, wenn auch fehlerhaften, Verständigung, besteht ein Verwertungsverbot nach dem Gesetz nur "in diesen Fällen", d.h. in den in
§ 257c Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO aufgeführten Fällen. Gemeint sind Konstellationen , in denen sich das Gericht von der Verständigung lösen will. Wenn die "Vertragsgrundlage" für das Geständnis entfallen ist, erfordert das Gebot der Verfahrensfairness, dass auch dieses keinen Bestand mehr hat. Bindung des Gerichts und Geständnis des Angeklagten stehen in einer Wechselbeziehung, die das Gericht nicht folgenlos einseitig auflösen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Rn. 28 zu § 257c StPO).
Im vorliegenden Fall hat sich das Gericht aber nicht einseitig von der Verständigung gelöst, sondern diese in vollem Umfang eingehalten, weshalb der Revisionsführer auch keine derartige Rüge erhoben hat. Ein Verwertungsverbot - diese Wirkung knüpft das Gesetz allein an das Scheitern der Verständigung (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10 Rn. 7) - besteht daher nicht.
Auch im Übrigen weist die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler auf. Das vom Verteidiger vor dem Tatgericht vorgetragene "schlanke" Geständnis, wozu der Angeklagte erklärte, "dass er die Erklärung seines Verteidigers als seine eigene Einlassung verstanden wissen wolle" (UA S. 25), ist jedenfalls insoweit rechtsfehlerfrei als glaubhaft angesehen worden, als der Angeklagte die Begehung der Taten zugegeben hat. Das Landgericht hat eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt und sich von der Richtigkeit des Geständnisses insoweit überzeugt und dies ohne Rechtsfehler begründet. Dass der Angeklagte nicht wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt wurde, beschwert ihn genauso wenig wie die in Anbetracht der Gesamtumstände milde Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Das Landgericht erwähnt zu dieser Gesamtfreiheitsstrafe in den Urteilsgründen u.a. (UA S. 39), dass "im Rahmen der Verständigung Einigkeit darüber bestand, dass für den Fall, dass der Angeklagte geständig ist, eine
Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren zu verhängen wäre" (im Hauptverhandlungsprotokoll heißt es: "gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe zu verhängen sein wird, die drei Jahre nicht übersteigt"). Eine Mindeststrafe wird nicht genannt. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass bei Mitteilung eines möglichen Verfahrensergebnisses (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO) stets ein Strafrahmen , also Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10 Rn. 6 mwN). Es ist jedoch nicht ersichtlich , wie sich hier ein (etwaiger und auch nicht gerügter) Verfahrensfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben könnte. Insbesondere hat der Senat nicht die Besorgnis, wegen der nicht genannten Strafuntergrenze könne sich die Strafkammer auf eine nicht zulässige "Punktstrafe" festgelegt haben (vgl. Senatsbeschluss aaO).
Die Strafkammer hat im Übrigen sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafe ausführlich und rechtsfehlerfrei begründet. Bedenken, die Strafzumessungserwägungen seien nicht ernst gemeint, sondern sollten lediglich die bereits feststehende Strafe begründen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 359/10 Rn. 10), hat der Senat nicht. Über die Einzelstrafen
wurde sich nicht verständigt und bezüglich der Gesamtstrafe ist nach der Formulierung "nicht mehr als" nicht davon auszugehen, dass sich die Strafkammer auf eine nicht zulässige "Punktstrafe" (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 1 StR 345/10) festgelegt hat.
Nack Rothfuß Elf Jäger Sander

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 226/10
vom
19. August 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
hier: Revision des Angeklagten K.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
19. August 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Osnabrück vom 10. September 2009 - auch soweit es
den Mitangeklagten U. betrifft - mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben,

a) soweit die Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge verurteilt worden sind;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall II. 1. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts "bestückten" der Angeklagte und der Mitangeklagte U. "für den gesondert verfolgten H. bei B. einen Erdbunker mit 100 Gramm Heroin. Dieses Heroin holte der gesondert verfolgte H. dort vereinbarungsgemäß später ab."
3
Diese "Feststellungen" sind untauglich, den Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu belegen. Auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils kann nicht entnommen werden, dass der Angeklagte und U. sich eigennützig um ein eigenes Betäubungsmittelgeschäft bemühten. Dass der Angeklagte seine Taten eingeräumt hat, ist insoweit ebenso wenig von Bedeutung wie der Umstand, dass dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist (was entgegen § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO im Urteil nicht angegeben worden, dem Senat aber durch die Verfahrensrüge eines Mitangeklagten bekannt ist). Allein die Bereitschaft eines Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet das Gericht nicht von der Pflicht zur Aufklärung und Darlegung des Sachverhalts, soweit dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen Gesetzesverletzung erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 5 StR 171/09, StV 2010, 60).
Auch in einem solchen Fall bedarf es eines Mindestmaßes an Sorgfalt bei der Abfassung der Urteilsgründe (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 222/10).
4
Unerheblich ist zuletzt auch, dass die Anklageschrift, die der Senat im Revisionsverfahren von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen hatte, dem Angeklagten bandenmäßiges und gewerbsmäßiges Handeltreiben zur Last legt und dazu weitergehende, den Tatbestand erfüllende Tatsachen vorträgt. Das Revisionsgericht ist nicht berechtigt, die im Urteil fehlenden Feststellungen unter Rückgriff auf die Anklageschrift oder die übrigen Aktenbestandteile zu ergänzen. Das gilt auch, wenn - wie hier - die Feststellungen durch "Einrücken" eines Teils des Anklagesatzes in die Urteilsgründe aufgenommen worden sind. Eine solche Verfahrensweise des "Einrückens" birgt die Gefahr, auf die richterliche Prüfung zu verzichten, ob die den objektiven und subjektiven Tatbestand erfüllenden Tatsachen in der Hauptverhandlung vollständig festgestellt worden sind. Sie gefährdet den Bestand des Urteils jedenfalls dann, wenn dem Anklagesatz nicht alle diese Tatsachen zu entnehmen sind oder wenn die Anklage nicht vollständig "eingerückt" wird.
5
Der mit der Aufhebung des Schuldspruchs verbundene Wegfall der Einzelstrafe führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
6
2. Die Aufhebung wegen dieser Gesetzesverletzung bei der Anwendung des Strafgesetzes ist nach § 357 StPO auf den Mitangeklagten U. , der selbst nicht Revision eingelegt hat, zu erstrecken.
Becker Pfister von Lienen Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 537/12
vom
28. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Februar
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Bender,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
der Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 2. August 2012 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vierzehn Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Gardelegen vom 5. Juli 2011 und des Amtsgerichts Haldensleben vom 15. Dezember 2012 [richtig: 2011] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dem Verfahren lag eine Verständigung zugrunde. Dem Angeklagten war für den Fall eines Geständnisses eine Gesamtstrafe zwischen drei Jahren und drei Jahren und sechs Monaten zugesichert worden. Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten, auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkten und mit der Sachrüge begründeten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Gesamtstrafenbildung. Das Landgericht habe übersehen, dass die Verurteilung vom 5. Juli 2011 Zäsurwirkung entfaltet habe, so dass zwei Gesamtfreiheitsstrafen hätten gebildet werden müssen. Die Revision hat Erfolg.
2
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt ; die weiter gehende Beschränkung auf den Gesamtstrafenausspruch ist hingegen nicht wirksam.
3
a) Die Feststellungen zum Schuldspruch in den Fällen 1 – 11 der Urteilsgründe stehen einer Beschränkung auf den Strafausspruch nicht entgegen.
4
Nach den Feststellungen unter II. 1. – 11. des angefochtenen Urteils fuhr der Angeklagte von Anfang Januar 2011 bis 27. Mai 2011 und wieder ab Mitte Juli 2011 bis Anfang August 2011 gemeinsam mit gesondert Verfolgten in mindestens elf Fällen nach E. in den N. , kaufte dort pro Fahrt jeweils mindestens 1 kg Marihuana und führte dieses anschließend zum gewinnbringenden Weiterverkauf nach Deutschland ein. Zwar könnte nach diesen Feststellungen unklar sein, wie viele Taten vor dem 5. Juli 2011 und wie viele danach stattfanden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich jedoch entnehmen, dass die Taten zweimal im Monat stattfanden. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Taten 10, 11 und 12 (1 Tat Mai, 2 Taten Juni ) in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurden, erschließt sich hinreichend deutlich, dass der Verurteilung jeweils zwei Taten in den Monaten Januar 2011 bis April 2011, eine Tat im Mai 2011 und zwei Taten von Mitte Juli bis Anfang August 2011 zugrunde liegen.
5
b) Eine Beschränkung der Revision auf die Anfechtung der Gesamtstrafe ist zwar prinzipiell möglich (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2012 – 2 StR 16/12 mwN.), sie ist hier aber nicht wirksam.
6
§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB enthält eigene, über § 46 StGB hinausgehende Bewertungsgrundsätze, so dass die Gesamtstrafenbildung grundsätzlich einen gesonderten Strafzumessungsvorgang erfordert (Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., § 54 Rn. 10 mwN). Innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist die Gesamtstrafenbildung als Beschwerdepunkt von dem nicht angegriffenen Teil des Strafausspruchs hinsichtlich der Einzelstrafen einer getrennten und umfassenden Überprüfung und Beurteilung durch das Revisionsgericht und den neuen Tatrichter jedenfalls dann zugänglich, wenn bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht zur Vermeidung von Wiederholungen (vgl. Rissing-van Saan aaO Rn. 13 mwN) auf die zur Festsetzung der Einzelstrafen niedergelegten Erwägungen Bezug genommen wird (BGH, Urteil vom 8. September 1999 – 3 StR 285/99, NStZ-RR 2000, 13). Eine solche Bezugnahme liegt hier vor, denn die Straf- kammer hat die Gesamtstrafe „unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ verhängt.
7
Hinzu tritt hier noch ein weiterer Gesichtspunkt. Die Strafkammer hat die Einzelstrafen ausdrücklich unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung getroffenen Vereinbarung mit dem Angeklagten über die Höhe der Gesamtstrafe bemessen. Da somit die Verständigung für den gesamten Strafausspruch eine erhebliche Rolle gespielt hat und damit eine Wechselwirkung zwischen den Einzelstrafen und der Gesamtstrafe gegeben ist, ist der gesamte Strafausspruch angegriffen.
8
2. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Aufhebung des Strafausspruchs insgesamt.
9
a) Das Landgericht hat, was es erst bei der Urteilsabfassung erkannt hat (UA 13 f.), den zäsurbildenden Strafbefehl des Amtsgerichts Gardelegen vom 5. Juli 2011 nicht beachtet. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2, § 55 StGB hätte die Strafkammer aus den neun Einzelstrafen für die vor dem 5. Juli 2011 beende- ten Taten unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Gardelegen von diesem Tage eine Gesamtfreiheitsstrafe und wegen der fünf restlichen Einzelstrafen für die nach dem 5. Juli 2011 begangenen Taten unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Haldensleben eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe bilden müssen. Dies hätte zwangsläufig zur Verhängung zweier Gesamtfreiheitsstrafen von einmal mindestens einem Jahr und sieben Monaten (Einsatzstrafe ein Jahr sechs Monate) und von mindestens zwei Jahren und vier Monaten (Einsatzstrafe zwei Jahre drei Monate) geführt und für den Angeklagten ein Gesamtstrafübel von zumindest drei Jahren elf Monaten bedeutet. Dieser den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
10
b) Der Fehler bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe führt auch zur Aufhebung der Einzelstrafen. Die Strafkammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafen ausdrücklich auch die Verständigung mit dem Angeklagten berücksichtigt (UA S. 13). Es liegt deshalb nahe, dass sie, wenn sie ihren Fehler bemerkt hätte, niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte, um ein Gesamtstrafübel innerhalb des zugesagten Strafrahmens zu erreichen. Anderenfalls hätte die Strafkammer nach Aufdeckung ihres Irrtums den Angeklagten darauf hinweisen müssen, damit dieser sich im Rahmen der weiteren Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der nicht mehr einhaltbaren Zusage umfassend sachgerecht verteidigen konnte (§ 257 c Abs. 4 und 5 StPO).
11
c) Die Feststellungen sind von dem Fehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende, den rechtskräftigen Feststellungen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
12
3. Eine Bindungswirkung an die im Rahmen der Verständigung zugesagte Strafobergrenze besteht nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht nicht mehr (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2010 – 5 StR 38/10, StV 2010, 470, und vom 1. März 2011 – 1 StR 52/11, StV 2011, 337; HK-StPO-Temming, 5. Aufl., § 257c Rn. 31; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 257c Rn. 25).
Mutzbauer Roggenbuck Bender
Quentin Reiter

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

3
Für die Frage, ob vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anzunehmen ist, kommt es auf den Inhalt der Abrede über den Kauf und nicht auf den Gegenstand der späteren Lieferung an. Die Voraussetzungen vollendeten Handeltreibens liegen demnach vor, wenn der Täter in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer über den Erwerb von Betäubungsmitteln eintritt, erst recht, wenn es - wie im vorliegenden Fall - zum Abschluss einer bindend gewollten Vereinbarung über den Erwerb kommt (BGHSt 50, 252).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.