Bundesgerichtshof Urteil, 19. Okt. 2017 - 3 StR 158/17

bei uns veröffentlicht am19.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 158/17
vom
19. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:191017U3STR158.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 5. Januar 2017 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Dem Rechtsmittel bleibt der Erfolg versagt.

I.

2
Das Landgericht hat - soweit für die Revision relevant - folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte und seine Lebensgefährtin C. waren saisonal als Erntehelfer auf einem Obsthof in V. beschäftigt. Am 14. Juni 2016 hatten sie dort gemeinsam einen Wohncontainer bezogen, in dem der Angeklagte die C. in der darauffolgenden Woche wiederholt misshandelte. Er fügte ihr eine Vielzahl von Hämatomen am gesamten Körper sowie eine Fraktur des linken Unterarms zu, die ihr die Erntetätigkeit unmöglich machte. Ab dem 19. Juni 2016 um 11:30 Uhr erschienen beide nicht mehr zur Arbeit, sondern hielten sich alleine in dem Wohncontainer auf. Auslöser für sämtliche Tätlichkeiten war stets die rasende Eifersucht des Angeklagten, der "von Kollegen gehört" hatte, seine Lebensgefährtin habe sich "mit anderen Männern unterhalten".
4
Am 21. Juni 2016 gegen 22 Uhr misshandelte der Angeklagte die C. , als sie in ihrem Bett lag, erneut. Er schlug sie mehrfach; jedenfalls ein kräftiger Schlag oder Stoß traf den linksseitigen Kehlkopf, wodurch die linke innere Kopfschlagader stark komprimiert wurde. Darüber hinaus versetzte er ihr mit einem Messer fünf Stiche in den Bauch, von denen drei die Bauchwand durchsetzten, sowie einen weiteren Stich in den linken Oberschenkel.
5
Nachdem C. ins Krankenhaus verbracht und notfallmedizinisch versorgt worden war, erlitt sie dort als Folge des vom Angeklagten ausgeführten Schlages oder Stoßes gegen die linke Halsseite 15 bis 48 Stunden nach dem schädigenden Ereignis einen Hirninfarkt: Auf Grund der Kompression der linken inneren Kopfschlagader bildete sich ein Thrombus an der Gefäßwand aus. An derselben Stelle war zum Zeitpunkt der stumpfen bzw. quetschenden Gewalteinwirkung noch der Rest eines alten Thrombus vorhanden, der nach einer ebenfalls durch Gewalteinwirkung verursachten Gefäßinnenhautschädigung zwei bis acht Monate zuvor entstanden war. Die bereits großteils abgebaute alte Thrombusfläche brach wieder auf, so dass sich erneut Blut und Blutbestandteile in Form eines frischen Gerinnsels anlagerten, dessen Größe zunahm , bis es zum Verschluss des gesamten Gefäßes kam.
6
C. verstarb am 25. Juni 2016 an einer zentralen Lähmung als Folge des Hirninfarkts. Die Messerstiche waren demgegenüber zwar poten- tiell lebensgefährlich, aber weder akut lebensbedrohlich noch konkret todesbegünstigend.
7
Während des gesamten einheitlichen, einige Minuten dauernden Tatgeschehens am 21. Juni 2016 hielt es der Angeklagte für möglich, dass seine Lebensgefährtin durch die Schläge oder infolge der Stichverletzungen versterben könnte. Auf Grund seiner rasenden Eifersucht und Wut war ihm dies jedoch gleichgültig; die von ihm als möglich erkannte Todesfolge nahm er billigend in Kauf.

II.

8
Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
9
1. Die Beweiswürdigung begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken; das gilt auch hinsichtlich des subjektiven Tatbestands des Totschlags.
10
a) Die Überzeugung davon, dass der Angeklagte bei der Anwendung stumpfer Gewalt auf den Hals den Tod seines Opfers für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, hat das Landgericht im Wesentlichen wie folgt gewonnen:
11
aa) Im Ausgangspunkt hat das Schwurgericht angenommen, dass der Angeklagte, als er der C. die Bauchstiche versetzte und gegen den Hals schlug oder stieß, einen einheitlichen (Tötungs-)Vorsatz hatte. Diese Annahme hat es darauf gestützt, dass sämtliche Misshandlungen am Tatabend (einschließlich des Beinstichs und der [weiteren] Schläge) ein zusammenhängendes ("einheitliches"), nur einige Minuten dauerndes Tatgeschehen darstell- ten. Daneben hat es darauf abgestellt, dass sich der Angeklagte auch danach, noch während des Einsatzes der Sanitäter, "völlig passiv" verhalten und nicht auf die Stichverletzungen aufmerksam gemacht habe, die infolgedessen eine ganz beträchtliche Zeit unentdeckt geblieben seien.
12
Von einem zusammenhängenden Tatgeschehen hat sich das Schwurgericht "in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte" überzeugt. Hintergrund dieser Überzeugungsbildung sind die über die Vernehmungspersonen eingeführten Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren sowie das mündlich erstattete Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. H. gewesen. Das Schwurgericht ist dem Angeklagten insoweit gefolgt, als er sich dahin eingelassen hatte, die Tätlichkeiten am 21. Juni 2016 hätten um 22 Uhr - bei einem dokumentierten Notruf um 22:58 Uhr - begonnen. Der Sachverständige, dessen Ausführungen es sich zu Eigen gemacht hat, hat die stumpfe bzw. quetschende Gewalteinwirkung auf den Hals auf Grund einer feingeweblichen Untersuchung zur Wundalterbestimmung als "tatzeitrelevant" bewertet; hiermit steht dem Gutachten zufolge in Einklang, dass der Thrombus bei der am 22. Juni 2016 gegen 2 Uhr durchgeführten Computertomographie noch nicht erkennbar gewesen sei. Auch hat der Sachverständige bekundet, dass bei der ersten, im Krankenhaus durchgeführten Untersuchung der Geschädigten , noch zu deren Lebzeiten, "frische" Blutergüsse festgestellt worden seien, was belege, dass sie "am 21.06.2016, gegen 22:00 Uhr, mehrfach geschlagen" worden sei. Schließlich hat er - in anderem Zusammenhang - die medizinische Versorgung der Stichverletzungen am Folgetag als "rasch" bezeichnet.
13
bb) Das Schwurgericht hat auf der Grundlage dieses einheitlichen Tatvorsatzes sowohl der Lebensgefährlichkeit der Stiche in den Bauch als auch der des heftigen Schlages oder Stoßes gegen die linke Halsseite, was dem An- geklagten jeweils bewusst gewesen sei, Indizwirkung für den Tötungsvorsatz beigemessen.
14
(1) Zum Ausmaß dieser Traumata hat sich der rechtsmedizinische Sachverständige geäußert; dem hat sich das Landgericht mit Blick auf die besondere Gefährlichkeit der Tathandlungen angeschlossen:
15
Drei der Bauchstiche seien in die Bauchhöhle eingedrungen, wodurch es zu potentiell lebensbedrohlichen Verletzungen des Dünndarms sowie dessen Aufhängebandes gekommen sei. Der Schlag oder Stoß sei, ebenfalls nachgewiesen durch feingewebliche Untersuchung, als "massive" Gewalt zu qualifizieren , die geeignet gewesen sei, auch ohne Vorschädigung die Ausbildung eines Blutgerinnsels mit der Folge eines tödlich endenden Hirninfarkts zu bewirken.
16
(2) Dass sich der Angeklagte dieser besonderen Gefährlichkeit bewusst war, hat das Landgericht wie folgt begründet:
17
Zum einen habe es kein - gegen ein zielgerichtetes Vorgehen durch den Angeklagten sprechendes - Kampfgeschehen gegeben. C. habe sich nicht gewehrt. Wegen der Armfraktur sei sie hierzu nicht in der Lage gewesen ; Abwehrverletzungen habe der rechtsmedizinische Sachverständige auch nicht feststellen können. Hieraus und aus den "relativ ordentlichen räumlichen Verhältnissen" im Wohncontainer ergebe sich, dass die Geschädigte - dem Angeklagten "schutzlos ausgeliefert" - "in ihrem Bett liegend geschlagen und gestochen" worden sei (dort wurde sie nach der Tat vorgefunden).
18
Zum anderen sei allgemein bekannt, dass sich in der Bauchhöhle lebenswichtige Organe befänden und Gewalteinwirkungen auf den Hals, insbesondere wegen der dort gelegenen Arterien, zum Tod führen könnten. Besondere Umstände, die einen Anhalt dafür böten, dass gerade der Angeklagte kei- ne Kenntnis von diesen Umständen hatte, lägen nicht vor. Diesbezüglich befassen sich die Urteilsgründe mit seinen kognitiven Fähigkeiten sowie mit seinem psychischen Zustand und der fehlenden Beeinflussung durch Alkohol oder Drogen im Tatzeitpunkt.
19
cc) Des Weiteren hat das Schwurgericht - "vorsatzkritisch" - geprüft, inwieweit Umstände vorliegen, welche die Indizwirkung der Handlungsgefährlichkeit entkräften könnten. Es hat sich mit den vorausgegangenen Gewalttaten des Angeklagten gegenüber C. ohne tödliche Folgen, seinen unzureichenden Rettungsbemühungen "taktischer Natur" und der fehlenden Aussicht befasst, dass die Tat unentdeckt bleiben könnte. Keines dieser möglichen gegenläufigen Beweisanzeichen hat es aus im Einzelnen dargelegten Gründen für durchgreifend erachtet.
20
Was namentlich die vorausgegangenen Gewalttaten betrifft, so ist das Schwurgericht davon ausgegangen, dass, was die vielfachen, auch bereits älteren Verletzungen zeigten, der Angeklagte die Geschädigte "über einen längeren Zeitraum von mehreren Wochen, vermutlich sogar mehreren Monaten immer wieder körperlich misshandelt" habe, ohne dass sie daran verstorben wäre. Aus zwei Gründen spreche dies jedoch nicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz : Der Messereinsatz habe den körperlichen Übergriffen eine "neue, noch deutlicher gegen das Leben gerichtete Qualität" verliehen. Die vielen, auch älteren Verletzungen wiesen auf eine rohe, unbarmherzige Gesinnung des Angeklagten hin.
21
dd) Schließlich hat das Schwurgericht in dem - vom Angeklagten im Ermittlungsverfahren eingeräumten - Tatmotiv der Eifersucht einen für den bedingten Tötungsvorsatz sprechenden Gesichtspunkt gesehen. Gerade der völlig außer Verhältnis stehende Anlass dafür, dass sich die Eifersucht "entlud", der darin bestand, dass sich C. mit anderen Männern unterhalten hatte , offenbare die niedrige Hemmschwelle.
22
b) Diese Beweiswürdigung zum subjektiven Tatbestand desTotschlags hält der sachlichrechtlichen Überprüfung stand (zum revisionsrechtlichen Maßstab s. BGH, Urteile vom 23. Januar 2014 - 3 StR 373/13, juris Rn. 6; vom 3. Juni 2015 - 5 StR 55/15, NStZ-RR 2015, 255; vom 13. Juli 2016 - 1 StR 94/16, juris Rn. 9; vom 1. Dezember 2016 - 3 StR 331/16, juris Rn. 28).
23
Das Landgericht hat die von ihm getroffenen Feststellungen tragfähig begründet. Es hat aus den in der Hauptverhandlung zu den äußeren Tatumständen und dem Tatmotiv gewonnenen Beweisergebnissen - unter Beachtung der einschlägigen rechtlichen Vorgaben - nachvollziehbare Schlüsse auf den Tatvorsatz gezogen. Diese Schlussfolgerungen auf hinreichender Beweisgrundlage sind möglich; zwingend brauchen sie nicht zu sein. Näher einzugehen ist lediglich auf das Folgende:
24
aa) Gegen die vom Schwurgericht "in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte" gewonnene Überzeugung, dass es sich bei sämtlichen vom Angeklagten ausgeführten Gewalthandlungen am Tatabend um ein zusammenhängendes , nur einige Minuten dauerndes Tatgeschehen handelte, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 23. Januar 2014 - 3 StR 373/13, aaO, Rn. 7; vom 3. Juni 2015 - 5 StR 55/15, aaO, S. 255 f.).
25
Solche Anhaltspunkte hat weder das Schwurgericht ausdrücklich festgestellt , noch sind sie aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ersichtlich ; im Gegenteil: Bereits auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, von deren Richtigkeit es hat ausgehen dürfen, stand ihm ein Zeitfenster von höchstens einer Stunde für sämtliche verfahrensgegenständliche Tätlichkeiten zur Verfügung. Ebenso deuten die Bekundungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen auf die zeitnahe ("tatzeitrelevante") Verursachung der Stichverletzungen, der Gefäßkompression mit Einblutungen in das angrenzende Gewebe sowie einiger "frischer" Hämatome hin.
26
bb) Darin, dass das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz nicht explizit auf die den alten Thrombus verursachende Gewalteinwirkung zwei bis acht Monate vor der gegenständlichen Tat eingegangen ist, liegt keine die Aufhebung des Urteils bedingende Lücke.
27
Zwar kommt in Betracht, dass der Angeklagte auch die hierfür ursächliche Gewalttat in gleicher oder ähnlicher Weise wie die zum Tod führende begangen hatte, ohne dass dies aus seiner Sicht erkennbar schwerwiegende Folgen für das Opfer hatte. Daher war zu berücksichtigen, inwieweit eine solche - in diesem Zusammenhang zu unterstellende - Vorerfahrung Einfluss auf die Vorstellung des Angeklagten zur Tatzeit hatte. Jedoch lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass das Schwurgericht eine gewaltsame Verur-sachung des alten Blutgerinnsels nicht unberücksichtigt gelassen hat. Denn es hat in die Würdigung mit eingestellt, dass der Angeklagte - belegt durch die vielen, auch älteren Verletzungen - bereits vor der gegenständlichen Tat über einen längeren Zeitraum hinweg gegenüber der Geschädigten gewalttätig war, was sie "bislang überlebt" hatte. Wenngleich die Urteilsgründe sich nicht ausdrücklich dazu verhalten, inwieweit sich gerade die traumatische Verursachung des alten Thrombus auf das Vorstellungsbild des Angeklagten zur Tatzeit ausgewirkt haben könnte, hat das Schwurgericht dieses Geschehen ersichtlich als eine der vielen der gegenständlichen Tat vorausgegangenen Gewalthandlungen in seine Würdigung miteinbezogen. Die entsprechenden Ausführungen, die - ohne Diffe- renzierung im Einzelnen - mehrere einschlägige Vorerfahrungen zusammen behandeln, begegnen hier umso weniger Bedenken, als Näheres zu der für den alten Thrombus kausalen Gewalteinwirkung nicht bekannt war.
28
Hinzu kommt das Ausmaß der von der Geschädigten erlittenen Verletzungen. Bei rechtsmedizinischen Untersuchungen wurde - neben dem durch Trauma bewirkten alten Thrombus - hierzu Folgendes festgestellt: Der gesamte Körper einschließlich des Kopfes der C. war mit Blutergüssen unterschiedlichen Alters "übersät". Außerdem war ihr Unterarm gebrochen. Darüber hinaus zeigten sich diffuse Einblutungen in die rechts- und in die linksseitige Kopfschwarte, woraus das Landgericht mit dem rechtsmedizinischen Sachverständigen geschlossen hat, es sei Gewalt auch auf das Schädeldach ausgeübt worden. Schließlich waren beidseitig vollständig konsolidierte Rippenserienfrakturen vorhanden.
29
Auf dieser Grundlage stellt die Erwägung des Schwurgerichts, die rohe unbarmherzige Gesinnung, die aus der Vielzahl der vorausgegangenen Verletzungen hervorgehe, spreche für den bedingten Tötungsvorsatz, ebenso eine mögliche Schlussfolgerung dar wie die Überlegung, der Messereinsatz habe den körperlichen Übergriffen eine "neue, noch deutlicher gegen das Leben gerichtete Qualität" verliehen. Demensprechend ist das Landgericht auf der Grundlage der Feststellungen zu Vorschädigungen nachvollziehbar zu der Wertung gelangt, dass die Geschädigte vor der hiesigen Tat "ein regelrechtes Martyrium" durchlebt hatte (zur Indizwirkung hemmungslos-systematischer Misshandlungen s. auch BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 - 1 StR 410/05, NJW 2006, 386).
30
Nach alledem leidet das Urteil nicht an einem seinen Bestand gefährdenden Erörterungsmangel.
31
2. Die rechtliche Beurteilung der zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen dahin, dass sich der bedingte Vorsatz des Angeklagten auf den Tod der C. infolge Hirninfarkts drei Tage nach der Tathandlung bezog, erweist sich als zutreffend. Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei nicht festgestellt, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt davon ausgegangen sei oder habe ausgehen müssen, dass die Gewalteinwirkung auf die linke Halsseite des Opfers zu Blutanlagerungen an einem bereits vorhandenen Thrombus führte , was einen Verschluss der linken inneren Kopfschlagader zur Folge hatte, verfängt nicht.
32
Der Vorsatz des Angeklagten umfasste auch den festgestellten Todeseintritt. Bei dem kräftigen Schlag oder Stoß gegen die linke Halsseite handelte er in dem Bewusstsein, dass C. infolge dieser Gewalteinwirkung - ebenso wie durch weitere von ihm zur Tatzeit ausgeübte Misshandlungen - versterben könnte.
33
Der Tötungsvorsatz setzt keine Kenntnis von Einzelheiten der todesursächlichen physischen Prozesse voraus. Dem Täter wird es regelmäßig unmöglich sein, diese exakt vorauszusehen. Hierfür wäre medizinisches Fachwissen erforderlich, über das er nicht zu verfügen braucht. Deshalb musste das Landgericht keine Feststellungen zu einer Vorstellung des Angeklagten treffen, wie der als möglich erkannte Tod der Geschädigten konkret eintreten werde.
34
Eine vorsatzrelevante Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf (hierzu BGH, Urteil vom 30. August 2000 - 2 StR 204/00, NStZ 2001, 29, 30; Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34) kommt daher vorliegend nicht in Betracht. Das gilt umso mehr,als nach den - auf den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen beruhenden - Feststellungen auch ohne Vorschädigung in Gestalt eines großteils abge- bauten Thrombus das Risiko bestanden hätte, dass die stumpfe Gewalteinwirkung auf den Hals auf Grund ihrer Intensität die Ausbildung eines Blutgerinnsels mit der Folge eines tödlich endenden Hirninfarkts bewirkt.
Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch

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6
Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkoder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat. Rechtsfehlerhaft ist auch, wenn der Tatrichter es versäumt, sich im Urteil mit anderen naheliegenden Möglichkeiten auseinanderzusetzen, und dadurch über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2013 - 3 StR 503/12, juris Rn. 10 mwN). Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft, denn sie lässt besorgen , dass das Landgericht seiner Beurteilung eine Fallgestaltung zugrunde gelegt hat, für die keine Anhaltspunkte erkennbar sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5StR 55/15
vom
3. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juni 2015,
an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay,
Richter Dr. Feilcke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin C. ,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 19. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von den Vorwürfen freigesprochen, eine versuchte schwere Brandstiftung in Tateinheit mit Brandstiftung und mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz sowie eine schwere Brandstiftung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz begangen zu haben, und ihm Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zugesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht mehr an.

I.


2
1. Zu den in der Anklage erhobenen Vorwürfen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
In den frühen Morgenstunden des 11. Juni 2011 gegen 3:20 Uhr kam es zunächst auf dem Gelände des Zustellstützpunkts der Deutschen Post in Spremberg zu einem Brand von Lieferfahrzeugen, der mittels offener Flamme bei zwei Fahrzeugen gelegt worden war. Insgesamt sieben Fahrzeuge, die auf zwei sich gegenüberliegenden Hofseiten jeweils nebeneinander stehend abgestellt waren, brannten aus. Ein Teil der Fahrzeuge stand vor der Wand eines zur Tatzeit von mehreren Menschen bewohnten Wohnhauses, deren Isolierung großflächig abbrannte. Außerdem wurden durch die Hitzeeinwirkung ein weiteres Kraftfahrzeug, ein überdachter Fahrradständer sowie drei Fahrräder der Deutschen Post beschädigt. Ihr Gesamtschaden belief sich auf ca. 35.000 Euro. An dem Wohnhaus entstand ein Schaden von ca. 27.000 Euro.
4
Der unbestrafte, zur Tatzeit 21 Jahre alte Angeklagte war Mitglied des Jugendclubs „P. e.V.“, der als Vereinsräumlichkeit ein Hinterhaus auf ei- nem Grundstück an einer Nachbarstraße des Postgeländes nutzt. Dorthin hatte sich der Angeklagte in der Nacht zwischen 1:00 Uhr und 2:00 Uhr begeben, nachdem er sich abends gegen 22:00 Uhr per SMS vergeblich mit einer Be- kannten zu einer „Aktion“ mit Treffpunkt beim Jugendclub zu verabreden ver- sucht hatte, zu der er ihre Nachfrage auf dem Kurznachrichtenweg nicht beantworten wollte. Noch zuvor hatte der Angeklagte, der ein vorübergehend vom Dienst suspendiertes Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war, abends gegen 20:00 Uhr bei einem Treffen der Freiwilligen Feuerwehren aus der Region vorbeigeschaut , die an diesem Tag in Spremberg ihren alljährlichen Pokal- Wettkampf austrugen. Wo sich der Angeklagte im weiteren Verlauf der Tatnacht aufhielt, blieb ungeklärt.
5
Kurz nach Ausbruch des Brandes wurde in einer nahe dem Postgelände gelegenen Gasse ein schwarzer Stoffbeutel mit Glasscherben und einem De- ckel gefunden, in dessen Innenseite als Zeichen die Zahl „3“ oder der Buchstabe „M“ eingeritzt war. In dem Stoffbeutel, von demstarker Benzingeruch ausging und an dem Kraftstoffreste nachgewiesen wurden, befanden sich schwarzes Gewebeklebeband und ein Stofffetzen, der eine vom Angeklagten herrührende DNA-Spur aufwies. Weitere DNA-Mischspuren an Deckel und Klebeband stammten nicht von ihm. Schwarzes Klebeband der Art, wie es im Stoffbeutel aufgefunden wurde, befand sich auf einer Klebebandrolle in den Räumen des Jugendclubs. Kurz nach dem Löschen des Brandes wurde bemerkt, dass eines der Post-Fahrräder auf dem Hofgelände nicht wie üblich im Fahrradständer abgestellt war, sondern an der Innenseite einer über zwei Meter hohen Mauer stand, die das Gelände von einer angrenzenden Straße trennt; das Zugangstor zum Hof war zur Tatzeit verschlossen. Auf dem Sattel des Fahrrades, das erst am 16. Juni 2011 sichergestellt wurde, befand sich der Schuhabdruck eines Stiefels des Angeklagten.
6
Wenige Minuten nach der Brandlegung auf dem Postgelände brannte in Spremberg in einer Kleingartenanlage eine bungalowartige Laube, in der die Eheleute G. nächtigten. Der Zeuge G. hatte sich bereits planmäßig gegen 3:20 Uhr wegen eines frühen Arbeitstermins wecken lassen, als er plötzlich rollende Geräusche vom Laubendach her hörte. Als er nach draußen trat, sah er an der Rückseite der Laube Flammen aufsteigen. Trotz seiner Löschversuche brannte die Laube aus. Durch den Brand entstand ein Sachschaden von über 10.000 Euro. Nach Beendigung der Löscharbeiten wurde bei der Spurensuche unmittelbar neben der Laube eine offene, mit schwarzem Klebeband versehene Glasflasche gefunden, auf die mit blauer Farbe der Buch- stabe „F“ geschrieben war.In der Flasche befand sich noch Flüssigkeit, in der mit Löschwasser vermischt Reste von Benzin nachgewiesen wurden. Ca. 10 bis 20 Meter von der Laube entfernt lagen an einer Böschung neben einem an der Kleingartenanlage entlang führenden Fahrradweg unter anderem drei Schraubdeckel mit schwarzem Klebeband, in deren Innenseiten die Zahlen „1“, „4“ und „5“ eingeritzt waren,eine Glasflasche mit einem Stofffetzen, auf die mit blauer Farbe die Zahl „5“ geschrieben war, und ein weißer Stoffbeutel. An zwei Schraubdeckeln und an dem Stoffbeutel befanden sich DNA-Spuren, die von dem Angeklagten herrührten; an dem weiteren Schraubdeckel befand sich eine nicht von dem Angeklagten stammende DNA-Spur. Das schwarze Klebeband war von der gleichen Art wie jenes auf der Klebebandrolle in den Räumen des Jugendclubs, bei der es sich um Massenware handelte.
7
Am Morgen nach den Bränden lief eine Hundeführerin mit einem Fährtenhund, dem als Geruchsspur der in der Gasse nahe dem Postgelände aufgefundene schwarze Stoffbeutel vorgehalten worden war, von dessen Fundort über den durch die Kleingartenanlage führenden Fahrradweg an der abgebrannten Laube vorbei bis zu den Räumlichkeiten des Jugendclubs. Bei der anschließenden Durchsuchung wurden dort ein Plastikkanister mit Benzin, eine leere Glasflasche mit einem Deckel, in dessen Innenseite der Buchstabe „R“ eingeritzt war, und die Rolle mit schwarzem Klebeband sichergestellt.
8
2. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten, der sich zu den Tatvorwürfen in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, nicht überzeugen können. Hinsichtlich des Brandes der Gartenlaube ist das Landgericht im Anschluss an das Gutachten eines Sachverständigen zu der Überzeu- gung gelangt, dass zwar die genaue Brandursache, die von den Ermittlungsbehörden nicht ermittelt worden sei, nicht mehr festzustellen sei, ein von der Anklage angenommener Wurf eines „Molotow-Cocktails“ auf das Laubendach den Brand aber nicht verursacht haben könne. Vielmehr habe sich der Brand vom Innenraum des Daches nach außen hin ausgebreitet.
9
Für eine Täterschaft des Angeklagten bei dem Brand auf dem Postgelände sprächen zwar einige Indizien wie der Schuhabdruck des Angeklagten auf dem Sattel des Zustellfahrrades, der ihn unmittelbar mit dem Tatort in Verbindung bringe, und seine DNA am Stofffetzen im Beutel in unmittelbarer Tatortnähe , in dem sich Utensilien befunden hätten, die zur Herstellung eines Brandsatzes geeignet und wohl auch bestimmt gewesen seien. Diese und die weiteren Indizien reichten jedoch auch in der Gesamtschau nicht aus, um den Angeklagten der Brandstiftung zu überführen.

II.


10
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, denn die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 261 StPO) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
11
a) Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts ; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anfor- derungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401; vom 20. Mai 2009 – 2 StR 576/08, NStZ 2009, 630; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, insoweit in NStZ 2012, 648 nicht abgedruckt; vom 20. Juni 2012 – 5 StR 536/11, NJW 2012, 2453, 2454, und vom 29. April 2015 – 5 StR 79/15).
12
b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht.
13
aa) Das Landgericht hat der vom Angeklagten herrührenden Schuhabdruckspur auf dem Sattel des Zustellfahrrades, das naheliegend als Steighilfe zur Überwindung der Mauer diente, den Beweiswert als Indiz, das den Angeklagten unmittelbar mit dem Tatort in Verbindung bringt, rechtsfehlerhaft aufgrund lediglich theoretischer Erklärungsansätze abgesprochen. Es durfte mangels in diese Richtung zielender objektiver Anhaltspunkte zugunsten des – in der Hauptverhandlung schweigenden – Angeklagten als alternative Erklärung für die Verursachung des Abdrucks nicht unterstellen, er könne nachträglich aus Neugierde auf das Postgelände gegangen sein und sich auf den Sattel gestellt haben, um sich den Tatort näher anzuschauen.
14
Diese hypothetische Möglichkeit lag nach den Gesamtumständen zudem äußerst fern: Das an der Mauer lehnende Fahrrad war bereits kurz nach dem Löschen des Brandes bemerkt worden (UA S. 9), und noch am Tattag war der Angeklagte mittags vorläufig festgenommen und als Beschuldigter vernommen worden. Wenn die Strafkammer meint, der Angeklagte habe auch im weiteren Zeitverlauf Gelegenheit gehabt, die Spuren auf dem Fahrrad zu hinterlassen, „weil der mögliche Tatort spätestens nach dem Pfingstwochenende nicht mehr abgesperrt war“ (UA S. 20), berücksichtigt es nicht, dass der Angeklagte in die- ser Zeit gar keinen Anlass mehr gehabt hatte, von dem Fahrrad aus den Brandort anzuschauen; denn die Inaugenscheinnahme wäre nach Öffnung des Geländes für die Allgemeinheit aus der Nähe und wesentlich einfacher als durch Erklettern eines Fahrradsattels möglich gewesen. Dass sich auf dem Sattel des Fahrrades Spuren befänden, war der Polizei im Übrigen schon am Pfingstmontag, dem 13. Juni 2011, von einer Sicherheitsmitarbeiterin der Deutschen Post mitgeteilt worden (UA S. 11), also noch bevor das Postgelände im Rahmen der Aufnahme des Dienstbetriebes wieder der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Schließlich hätte ein Besteigen des Fahrrades an dem festgestellten vom Brandgeschehen abgelegenen Standort zwar einen Blick über die Mauer auf den auch vom Landgericht für möglich gehaltenen Fluchtweg (UA S. 21) zugelassen, jedoch keine nähere Betrachtung des rückseitig gelegenen Tatorts ermöglicht.
15
bb) Mit dem den Angeklagten erheblich belastenden Indiz seiner DNASpuren auf dem Stofffetzen, der mitsamt der weiteren im Stoffbeutel in unmittelbarer Nähe des ersten Tatorts gefundenen Utensilien zur Herstellung eines Brandsatzes geeignet war (UA S. 19), hat sich das Landgericht lediglich isoliert auseinandergesetzt, indem es die Wertung traf, dass diese Spuren „allein nicht den Beweis der Täterschaft des Angeklagten“ erbrächten (UA S. 22).Abgese- hen davon, dass auch insoweit wiederum konkrete Anhaltspunkte für die Annahme des Landgerichts fehlen, ein Alternativtäter könne im Jugendclub den Stofffetzen mit der DNA des Angeklagten an sich genommen und verwandt ha- ben, hätte schon hier auch der Umstand Berücksichtigung finden müssen, dass allein der Angeklagte in der Tatnacht in den ebenfalls in Tatortnähe befindlichen Räumen des Jugendclubs von deren Vermieter gesehen worden ist.
16
cc) Dies hat das Landgericht ebenfalls bei seiner eher formelhaft vorgenommenen Gesamtabwägung unbeachtet gelassen und auch im Übrigen die Vielzahl der vorhandenen Beweisanzeichen nicht erkennbar zueinander in Beziehung gesetzt. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Blick dafür verloren hat, dass Indizien, auch wenn sie einzeln betrachtet nicht zum Nachweis der Täterschaft ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln können (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Mai 1999 – 3 StR 110/99, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 20, und vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12), und dass es hierdurch zugleich überspannte Anforderungen an die tatgerichtliche Überzeugungsbildung gestellt hat.
17
dd) Überdies enthält die Beweiswürdigung Lücken.
18
(1) Zunächst fehlt es an einer, bei der hier gegebenen Beweislage unerlässlichen , näheren und in sich geschlossenen Darlegung der Einlassung des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren. Seine diesbezüglichen polizeilichen Angaben sind in den Urteilsgründen lediglich so bruchstückhaft und verstreut mitgeteilt worden, dass keine revisionsgerichtliche Überprüfung erfolgen kann (vgl. BGH, Urteile vom 3. August 2011 – 2 StR167/11, NStZ 2012, 227, 228, und vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11). Das Landgericht selbst hat die Einlassung als in Teilen „merkwürdig“ bewertet (UA S. 27), wobei offen bleibt, worauf diese Wertung fußt. Auch insoweit hat das Landgericht im Übrigen mit der Spekulation, der Angeklagte habe sich „viel- leicht zunächst in der Rolle des Tatverdächtigen“ gefallen oder „tatsächlich Kenntnis von den ‚wahren‘ Tätern“ gehabt und diese decken wollen, erneut nicht beachtet, dass Unterstellungen zugunsten eines Angeklagten nur dann rechtsfehlerfrei sind, wenn hierfür reale Anknüpfungspunkte bestanden.
19
(2) Zutreffend beanstandet die Revision zudem, dass die Darlegungen unzureichend sind, mit denen das sachverständig beratene Landgericht seine Annahme begründet hat, der Brand der Laube habe sich – bei ungeklärter Brandursache – vom Innenraum des Daches ausgehend nach außen ausge- breitet und eine Brandverursachung durch den Wurf eines „Molotow-Cocktails“ sei demgemäß ausgeschlossen (UA S. 13, 15). Insbesondere hat sich das Landgericht im Zusammenhang mit seiner Beweiswürdigung zur Brandentstehung und den hierzu mitgeteilten Erwägungen des Sachverständigen nicht näher mit der Spurenlage befasst, die eine Inbrandsetzung von außen nahelegt. So wurde unmittelbar neben der abgebrannten Laube unter einem Fenster eine Glasflasche mit einem Benzinrest sichergestellt, deren Fund sich mit dem vom Zeugen G. vernommenen rollenden Geräusch vom Dach her unschwer in Einklang bringen lässt. Zudem wurde wenige Meter von der Laube entfernt eine weitere Glasflasche mit Stofffetzen gefunden, die ebenso wie die am Brandort sichergestellte eine Markierung in blauer Farbe aufwies. Unberücksichtigt geblieben ist weiter der Umstand, dass der Zeuge G. nach dem Verlassen der Laube an der Rückseite des Bungalows Flammen aufsteigen sah, während nach den Feststellungen der Brand im Dach(innen)bereich ausgebrochen sein soll.
20
Die Urteilsgründe lassen darüber hinaus nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, inwieweit und aus welchen Gründen der gerichtliche Sachverständige in seinem mündlich erstatteten Gutachten von seinem vorläu- figen schriftlichen Gutachten abgewichen und offenbar zu einer geänderten Einschätzung des Brandverlaufs gelangt ist (vgl. zu den Darlegungsanforderungen bei Widerspruch zwischen vorbereitendem schriftlichen und mündlichen Sachverständigengutachten BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 – 4 StR 120/04, NStZ 2005, 161 mwN; s. auch BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 StR328/11). Den Urteilsgründen ist lediglich zu entnehmen, dass es eine Divergenz zwischen den schriftlichen und den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen gab, der in der Hauptverhandlung von einer Brandentwicklung vom Inneren des Daches nach außen hin ausgegangen ist. Aufgrund welcher konkreten Erkenntnisse sich eine abweichende frühere Beurteilung des Sachverständigen als unrichtig erwiesen haben sollte, teilen die Urteilsgründe nicht mit, die nur auf weitere nicht näher beschriebene Lichtbilder und eine erneute Befragung des zuvor schon vernommenen Zeugen G. hinweisen. Damit ist eine revisionsgerichtliche Überprüfung, ob das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten, das eine Inbrandsetzung der Gartenlaube ausgeschlossen hat, zutreffend zu einem anderen Ergebnis als das vorbereitende Gutachten gelangt ist, nicht möglich.
21
2. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.
22
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass gegen eine Verwertbarkeit der Einlassung des Angeklagten in seiner haftrichterlichen Beschuldigtenvernehmung vom 12. Juni 2011 (UA S. 28), deren Nicht- verwertung die Revision mit einer Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) beanstandet hat, nach bisherigem Stand keine durchgreifenden Bedenken ersichtlich sind.

III.


23
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Haftentschädigung ist damit gegenstandslos.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke
9
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 Rn. 5 [in NStZ-RR 2014, 349 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Der Beur- teilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfeh- ler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15 Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 569/15 Rn. 26; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN). Die Überzeugung des Tatgerichts muss in den Feststellungen und der diesen zugrunde liegenden Beweiswürdigung allerdings eine ausreichende objektive Grundlage finden (BGH, Urteil vom 19. April 2016 – 5 StR 594/15 Rn. 6; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). Es ist im Fall einer Verurteilung des Angeklagten grundsätzlich verpflichtet, die für den Schuldspruch wesentlichen Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 20. März 2002 – 5 StR 448/01 und vom 25. Februar 2015 – 4 St4 StR 39/15 Rn. 2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]).
28
Die Beweiswürdigung ist allerdings Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Allein ihm obliegt es, sich ein Urteil über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten zu bilden. Dabei brauchen seine Schlussfolgerungen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Das Revisionsgericht hat sich auf die Prüfung zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung der Schuld der Angeklagten überhöhte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 11 mwN). Nach diesen Maßstäben revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler ergeben sich hier aus Folgendem:
6
Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkoder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat. Rechtsfehlerhaft ist auch, wenn der Tatrichter es versäumt, sich im Urteil mit anderen naheliegenden Möglichkeiten auseinanderzusetzen, und dadurch über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2013 - 3 StR 503/12, juris Rn. 10 mwN). Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft, denn sie lässt besorgen , dass das Landgericht seiner Beurteilung eine Fallgestaltung zugrunde gelegt hat, für die keine Anhaltspunkte erkennbar sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5StR 55/15
vom
3. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juni 2015,
an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay,
Richter Dr. Feilcke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin C. ,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 19. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von den Vorwürfen freigesprochen, eine versuchte schwere Brandstiftung in Tateinheit mit Brandstiftung und mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz sowie eine schwere Brandstiftung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz begangen zu haben, und ihm Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zugesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht mehr an.

I.


2
1. Zu den in der Anklage erhobenen Vorwürfen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
In den frühen Morgenstunden des 11. Juni 2011 gegen 3:20 Uhr kam es zunächst auf dem Gelände des Zustellstützpunkts der Deutschen Post in Spremberg zu einem Brand von Lieferfahrzeugen, der mittels offener Flamme bei zwei Fahrzeugen gelegt worden war. Insgesamt sieben Fahrzeuge, die auf zwei sich gegenüberliegenden Hofseiten jeweils nebeneinander stehend abgestellt waren, brannten aus. Ein Teil der Fahrzeuge stand vor der Wand eines zur Tatzeit von mehreren Menschen bewohnten Wohnhauses, deren Isolierung großflächig abbrannte. Außerdem wurden durch die Hitzeeinwirkung ein weiteres Kraftfahrzeug, ein überdachter Fahrradständer sowie drei Fahrräder der Deutschen Post beschädigt. Ihr Gesamtschaden belief sich auf ca. 35.000 Euro. An dem Wohnhaus entstand ein Schaden von ca. 27.000 Euro.
4
Der unbestrafte, zur Tatzeit 21 Jahre alte Angeklagte war Mitglied des Jugendclubs „P. e.V.“, der als Vereinsräumlichkeit ein Hinterhaus auf ei- nem Grundstück an einer Nachbarstraße des Postgeländes nutzt. Dorthin hatte sich der Angeklagte in der Nacht zwischen 1:00 Uhr und 2:00 Uhr begeben, nachdem er sich abends gegen 22:00 Uhr per SMS vergeblich mit einer Be- kannten zu einer „Aktion“ mit Treffpunkt beim Jugendclub zu verabreden ver- sucht hatte, zu der er ihre Nachfrage auf dem Kurznachrichtenweg nicht beantworten wollte. Noch zuvor hatte der Angeklagte, der ein vorübergehend vom Dienst suspendiertes Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war, abends gegen 20:00 Uhr bei einem Treffen der Freiwilligen Feuerwehren aus der Region vorbeigeschaut , die an diesem Tag in Spremberg ihren alljährlichen Pokal- Wettkampf austrugen. Wo sich der Angeklagte im weiteren Verlauf der Tatnacht aufhielt, blieb ungeklärt.
5
Kurz nach Ausbruch des Brandes wurde in einer nahe dem Postgelände gelegenen Gasse ein schwarzer Stoffbeutel mit Glasscherben und einem De- ckel gefunden, in dessen Innenseite als Zeichen die Zahl „3“ oder der Buchstabe „M“ eingeritzt war. In dem Stoffbeutel, von demstarker Benzingeruch ausging und an dem Kraftstoffreste nachgewiesen wurden, befanden sich schwarzes Gewebeklebeband und ein Stofffetzen, der eine vom Angeklagten herrührende DNA-Spur aufwies. Weitere DNA-Mischspuren an Deckel und Klebeband stammten nicht von ihm. Schwarzes Klebeband der Art, wie es im Stoffbeutel aufgefunden wurde, befand sich auf einer Klebebandrolle in den Räumen des Jugendclubs. Kurz nach dem Löschen des Brandes wurde bemerkt, dass eines der Post-Fahrräder auf dem Hofgelände nicht wie üblich im Fahrradständer abgestellt war, sondern an der Innenseite einer über zwei Meter hohen Mauer stand, die das Gelände von einer angrenzenden Straße trennt; das Zugangstor zum Hof war zur Tatzeit verschlossen. Auf dem Sattel des Fahrrades, das erst am 16. Juni 2011 sichergestellt wurde, befand sich der Schuhabdruck eines Stiefels des Angeklagten.
6
Wenige Minuten nach der Brandlegung auf dem Postgelände brannte in Spremberg in einer Kleingartenanlage eine bungalowartige Laube, in der die Eheleute G. nächtigten. Der Zeuge G. hatte sich bereits planmäßig gegen 3:20 Uhr wegen eines frühen Arbeitstermins wecken lassen, als er plötzlich rollende Geräusche vom Laubendach her hörte. Als er nach draußen trat, sah er an der Rückseite der Laube Flammen aufsteigen. Trotz seiner Löschversuche brannte die Laube aus. Durch den Brand entstand ein Sachschaden von über 10.000 Euro. Nach Beendigung der Löscharbeiten wurde bei der Spurensuche unmittelbar neben der Laube eine offene, mit schwarzem Klebeband versehene Glasflasche gefunden, auf die mit blauer Farbe der Buch- stabe „F“ geschrieben war.In der Flasche befand sich noch Flüssigkeit, in der mit Löschwasser vermischt Reste von Benzin nachgewiesen wurden. Ca. 10 bis 20 Meter von der Laube entfernt lagen an einer Böschung neben einem an der Kleingartenanlage entlang führenden Fahrradweg unter anderem drei Schraubdeckel mit schwarzem Klebeband, in deren Innenseiten die Zahlen „1“, „4“ und „5“ eingeritzt waren,eine Glasflasche mit einem Stofffetzen, auf die mit blauer Farbe die Zahl „5“ geschrieben war, und ein weißer Stoffbeutel. An zwei Schraubdeckeln und an dem Stoffbeutel befanden sich DNA-Spuren, die von dem Angeklagten herrührten; an dem weiteren Schraubdeckel befand sich eine nicht von dem Angeklagten stammende DNA-Spur. Das schwarze Klebeband war von der gleichen Art wie jenes auf der Klebebandrolle in den Räumen des Jugendclubs, bei der es sich um Massenware handelte.
7
Am Morgen nach den Bränden lief eine Hundeführerin mit einem Fährtenhund, dem als Geruchsspur der in der Gasse nahe dem Postgelände aufgefundene schwarze Stoffbeutel vorgehalten worden war, von dessen Fundort über den durch die Kleingartenanlage führenden Fahrradweg an der abgebrannten Laube vorbei bis zu den Räumlichkeiten des Jugendclubs. Bei der anschließenden Durchsuchung wurden dort ein Plastikkanister mit Benzin, eine leere Glasflasche mit einem Deckel, in dessen Innenseite der Buchstabe „R“ eingeritzt war, und die Rolle mit schwarzem Klebeband sichergestellt.
8
2. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten, der sich zu den Tatvorwürfen in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, nicht überzeugen können. Hinsichtlich des Brandes der Gartenlaube ist das Landgericht im Anschluss an das Gutachten eines Sachverständigen zu der Überzeu- gung gelangt, dass zwar die genaue Brandursache, die von den Ermittlungsbehörden nicht ermittelt worden sei, nicht mehr festzustellen sei, ein von der Anklage angenommener Wurf eines „Molotow-Cocktails“ auf das Laubendach den Brand aber nicht verursacht haben könne. Vielmehr habe sich der Brand vom Innenraum des Daches nach außen hin ausgebreitet.
9
Für eine Täterschaft des Angeklagten bei dem Brand auf dem Postgelände sprächen zwar einige Indizien wie der Schuhabdruck des Angeklagten auf dem Sattel des Zustellfahrrades, der ihn unmittelbar mit dem Tatort in Verbindung bringe, und seine DNA am Stofffetzen im Beutel in unmittelbarer Tatortnähe , in dem sich Utensilien befunden hätten, die zur Herstellung eines Brandsatzes geeignet und wohl auch bestimmt gewesen seien. Diese und die weiteren Indizien reichten jedoch auch in der Gesamtschau nicht aus, um den Angeklagten der Brandstiftung zu überführen.

II.


10
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, denn die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 261 StPO) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
11
a) Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts ; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anfor- derungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401; vom 20. Mai 2009 – 2 StR 576/08, NStZ 2009, 630; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, insoweit in NStZ 2012, 648 nicht abgedruckt; vom 20. Juni 2012 – 5 StR 536/11, NJW 2012, 2453, 2454, und vom 29. April 2015 – 5 StR 79/15).
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b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht.
13
aa) Das Landgericht hat der vom Angeklagten herrührenden Schuhabdruckspur auf dem Sattel des Zustellfahrrades, das naheliegend als Steighilfe zur Überwindung der Mauer diente, den Beweiswert als Indiz, das den Angeklagten unmittelbar mit dem Tatort in Verbindung bringt, rechtsfehlerhaft aufgrund lediglich theoretischer Erklärungsansätze abgesprochen. Es durfte mangels in diese Richtung zielender objektiver Anhaltspunkte zugunsten des – in der Hauptverhandlung schweigenden – Angeklagten als alternative Erklärung für die Verursachung des Abdrucks nicht unterstellen, er könne nachträglich aus Neugierde auf das Postgelände gegangen sein und sich auf den Sattel gestellt haben, um sich den Tatort näher anzuschauen.
14
Diese hypothetische Möglichkeit lag nach den Gesamtumständen zudem äußerst fern: Das an der Mauer lehnende Fahrrad war bereits kurz nach dem Löschen des Brandes bemerkt worden (UA S. 9), und noch am Tattag war der Angeklagte mittags vorläufig festgenommen und als Beschuldigter vernommen worden. Wenn die Strafkammer meint, der Angeklagte habe auch im weiteren Zeitverlauf Gelegenheit gehabt, die Spuren auf dem Fahrrad zu hinterlassen, „weil der mögliche Tatort spätestens nach dem Pfingstwochenende nicht mehr abgesperrt war“ (UA S. 20), berücksichtigt es nicht, dass der Angeklagte in die- ser Zeit gar keinen Anlass mehr gehabt hatte, von dem Fahrrad aus den Brandort anzuschauen; denn die Inaugenscheinnahme wäre nach Öffnung des Geländes für die Allgemeinheit aus der Nähe und wesentlich einfacher als durch Erklettern eines Fahrradsattels möglich gewesen. Dass sich auf dem Sattel des Fahrrades Spuren befänden, war der Polizei im Übrigen schon am Pfingstmontag, dem 13. Juni 2011, von einer Sicherheitsmitarbeiterin der Deutschen Post mitgeteilt worden (UA S. 11), also noch bevor das Postgelände im Rahmen der Aufnahme des Dienstbetriebes wieder der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Schließlich hätte ein Besteigen des Fahrrades an dem festgestellten vom Brandgeschehen abgelegenen Standort zwar einen Blick über die Mauer auf den auch vom Landgericht für möglich gehaltenen Fluchtweg (UA S. 21) zugelassen, jedoch keine nähere Betrachtung des rückseitig gelegenen Tatorts ermöglicht.
15
bb) Mit dem den Angeklagten erheblich belastenden Indiz seiner DNASpuren auf dem Stofffetzen, der mitsamt der weiteren im Stoffbeutel in unmittelbarer Nähe des ersten Tatorts gefundenen Utensilien zur Herstellung eines Brandsatzes geeignet war (UA S. 19), hat sich das Landgericht lediglich isoliert auseinandergesetzt, indem es die Wertung traf, dass diese Spuren „allein nicht den Beweis der Täterschaft des Angeklagten“ erbrächten (UA S. 22).Abgese- hen davon, dass auch insoweit wiederum konkrete Anhaltspunkte für die Annahme des Landgerichts fehlen, ein Alternativtäter könne im Jugendclub den Stofffetzen mit der DNA des Angeklagten an sich genommen und verwandt ha- ben, hätte schon hier auch der Umstand Berücksichtigung finden müssen, dass allein der Angeklagte in der Tatnacht in den ebenfalls in Tatortnähe befindlichen Räumen des Jugendclubs von deren Vermieter gesehen worden ist.
16
cc) Dies hat das Landgericht ebenfalls bei seiner eher formelhaft vorgenommenen Gesamtabwägung unbeachtet gelassen und auch im Übrigen die Vielzahl der vorhandenen Beweisanzeichen nicht erkennbar zueinander in Beziehung gesetzt. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Blick dafür verloren hat, dass Indizien, auch wenn sie einzeln betrachtet nicht zum Nachweis der Täterschaft ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln können (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Mai 1999 – 3 StR 110/99, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 20, und vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12), und dass es hierdurch zugleich überspannte Anforderungen an die tatgerichtliche Überzeugungsbildung gestellt hat.
17
dd) Überdies enthält die Beweiswürdigung Lücken.
18
(1) Zunächst fehlt es an einer, bei der hier gegebenen Beweislage unerlässlichen , näheren und in sich geschlossenen Darlegung der Einlassung des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren. Seine diesbezüglichen polizeilichen Angaben sind in den Urteilsgründen lediglich so bruchstückhaft und verstreut mitgeteilt worden, dass keine revisionsgerichtliche Überprüfung erfolgen kann (vgl. BGH, Urteile vom 3. August 2011 – 2 StR167/11, NStZ 2012, 227, 228, und vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11). Das Landgericht selbst hat die Einlassung als in Teilen „merkwürdig“ bewertet (UA S. 27), wobei offen bleibt, worauf diese Wertung fußt. Auch insoweit hat das Landgericht im Übrigen mit der Spekulation, der Angeklagte habe sich „viel- leicht zunächst in der Rolle des Tatverdächtigen“ gefallen oder „tatsächlich Kenntnis von den ‚wahren‘ Tätern“ gehabt und diese decken wollen, erneut nicht beachtet, dass Unterstellungen zugunsten eines Angeklagten nur dann rechtsfehlerfrei sind, wenn hierfür reale Anknüpfungspunkte bestanden.
19
(2) Zutreffend beanstandet die Revision zudem, dass die Darlegungen unzureichend sind, mit denen das sachverständig beratene Landgericht seine Annahme begründet hat, der Brand der Laube habe sich – bei ungeklärter Brandursache – vom Innenraum des Daches ausgehend nach außen ausge- breitet und eine Brandverursachung durch den Wurf eines „Molotow-Cocktails“ sei demgemäß ausgeschlossen (UA S. 13, 15). Insbesondere hat sich das Landgericht im Zusammenhang mit seiner Beweiswürdigung zur Brandentstehung und den hierzu mitgeteilten Erwägungen des Sachverständigen nicht näher mit der Spurenlage befasst, die eine Inbrandsetzung von außen nahelegt. So wurde unmittelbar neben der abgebrannten Laube unter einem Fenster eine Glasflasche mit einem Benzinrest sichergestellt, deren Fund sich mit dem vom Zeugen G. vernommenen rollenden Geräusch vom Dach her unschwer in Einklang bringen lässt. Zudem wurde wenige Meter von der Laube entfernt eine weitere Glasflasche mit Stofffetzen gefunden, die ebenso wie die am Brandort sichergestellte eine Markierung in blauer Farbe aufwies. Unberücksichtigt geblieben ist weiter der Umstand, dass der Zeuge G. nach dem Verlassen der Laube an der Rückseite des Bungalows Flammen aufsteigen sah, während nach den Feststellungen der Brand im Dach(innen)bereich ausgebrochen sein soll.
20
Die Urteilsgründe lassen darüber hinaus nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, inwieweit und aus welchen Gründen der gerichtliche Sachverständige in seinem mündlich erstatteten Gutachten von seinem vorläu- figen schriftlichen Gutachten abgewichen und offenbar zu einer geänderten Einschätzung des Brandverlaufs gelangt ist (vgl. zu den Darlegungsanforderungen bei Widerspruch zwischen vorbereitendem schriftlichen und mündlichen Sachverständigengutachten BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 – 4 StR 120/04, NStZ 2005, 161 mwN; s. auch BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 StR328/11). Den Urteilsgründen ist lediglich zu entnehmen, dass es eine Divergenz zwischen den schriftlichen und den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen gab, der in der Hauptverhandlung von einer Brandentwicklung vom Inneren des Daches nach außen hin ausgegangen ist. Aufgrund welcher konkreten Erkenntnisse sich eine abweichende frühere Beurteilung des Sachverständigen als unrichtig erwiesen haben sollte, teilen die Urteilsgründe nicht mit, die nur auf weitere nicht näher beschriebene Lichtbilder und eine erneute Befragung des zuvor schon vernommenen Zeugen G. hinweisen. Damit ist eine revisionsgerichtliche Überprüfung, ob das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten, das eine Inbrandsetzung der Gartenlaube ausgeschlossen hat, zutreffend zu einem anderen Ergebnis als das vorbereitende Gutachten gelangt ist, nicht möglich.
21
2. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.
22
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass gegen eine Verwertbarkeit der Einlassung des Angeklagten in seiner haftrichterlichen Beschuldigtenvernehmung vom 12. Juni 2011 (UA S. 28), deren Nicht- verwertung die Revision mit einer Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) beanstandet hat, nach bisherigem Stand keine durchgreifenden Bedenken ersichtlich sind.

III.


23
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Haftentschädigung ist damit gegenstandslos.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 410/05
vom
13. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
13. Dezember 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten C. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21. April 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Am 7. Januar 2004 verstarb die dreijährige K. . Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde das Kind vom Angeklagten A. , dem Lebensgefährten der Mutter des Kindes, der Angeklagten C. , mehrere Tage lang körperlich schwer misshandelt. Die Angeklagte schritt dagegen nicht mit der gebotenen Entschiedenheit ein; wirkte teilweise sogar aktiv mit. Am Abend des 4. Januar 2004 versetzte der Angeklagte K. mit solcher Gewalt einen Schlag ins Gesicht, dass sie mit dem Kopf gegen die Zimmerwand prallte, röchelte und bewusstlos zu Boden sank. Bemühungen der Angeklagten, K. wieder zu Bewusstsein zu bringen, blieben erfolglos. Ärztliche Hilfe holten sie nicht herbei. Erst am nächsten Tag verbrach-
ten sie das immer noch ohnmächtige Mädchen gegen 14.00 Uhr in eine Toilette eines Krankenhauses, wo es dann aufgefunden wurde. Trotz ärztlicher Intensivbehandlung war K. jedoch nicht mehr zu retten. Auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe hätte das Kind wahrscheinlich nicht überlebt. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Memmingen hat beide Angeklagte wegen Misshandlung einer Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) - bei der Angeklagten begangen durch Unterlassen (§ 13 StGB) zu Freiheitsstrafen verurteilt , den Angeklagten - wegen erheblicher Verminderung der Steuerungsund damit der Schuldfähigkeit zur Tatzeit ausgehend von dem nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB herabgesetzten Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB - zu der Freiheitsstrafe von zehn Jahren und drei Monaten, die Angeklagte - unter Herabsetzung des Strafrahmens des § 227 Abs. 1 StGB gemäß §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB - zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Außerdem verfügte die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus, bei Anordnung des Vorwegvollzugs von drei Jahren Freiheitsstrafe. Tötungsvorsatz im Zusammenhang mit dem tödlichen Schlag hat die Strafkammer bei beiden Angeklagten verneint. Dies, sowie die fehlende Prüfung einer Strafbarkeit jedenfalls wegen versuchten Mordes durch Unterlassen nach dem Schlag (keine sofortige Herbeiholung ärztlicher Hilfe) beanstandet die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten sowie auf die Sachrüge und einige Formalrügen gestützte Revision und erstrebt die Aufhebung des Urteils. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat schon mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweiswürdigung zur Feststellung fehlenden bedingten Tötungsvorsatzes ist nicht frei von Rechtsfehlern. Auf die Formalrügen kommt es deshalb nicht mehr an.

II.


Im Einzelnen hat die Strafkammer Folgendes festgestellt:
1. Der 1973 in Deutschland geborene, hier aufgewachsene und zur Tatzeit 30-jährige Angeklagte A. konsumierte insbesondere im Alter von 12 bis 15 Jahren exzessiv gewalthaltige Videofilme und Computerspiele. Nach der achten Klasse verließ er die Hauptschule ohne Abschluss. Sein anschließendes Leben war bei kurzfristigen Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen geprägt von Drogen- und Alkoholkonsum, Arbeitslosigkeit, der Begehung von - auch gewalttätigen - Straftaten, dadurch bedingten Haftzeiten sowie von zahlreichen Drogentherapien beziehungsweise Therapieversuchen. Zuletzt wurde er mit Methadon substituiert.
Die zur Tatzeit 24-jährige Angeklagte C. kam im Jahre 1979 in Polen zur Welt. Nach ihrer Schulzeit führte sie ein unstetes Leben in Polen und Deutschland unter Erwerbstätigkeit im Amüsierbereich. Drogen (Marihuana , Ecstasy und Kokain) konsumierte sie zuletzt nicht mehr. Bier, Wein und Schnaps nimmt sie seit ihrem 14. Lebensjahr regelmäßig, manchmal auch im Übermaß, zu sich.
Im Alter von 21 Jahren wurde die Angeklagte von einem anderweitig gebundenen , etwa 15 Jahre älteren Mann - Türsteher, Bodyguard und damals ihr Zuhälter - ungewollt schwanger. Am 6. Dezember 2000 wurde K. , das spätere Tatopfer, in R. geboren. Während der ersten drei Monate betreute die Angeklagte ihre Tochter selbst. Dann überließ sie dies weitgehend anderen Personen, darunter ihrer in L. wohnhaften Mutter. Der Austausch von Zärtlichkeiten zwischen der Angeklagten und K. war die Aus-
nahme. Das Kind wurde von der Angeklagten öfters angeschrieen und beschimpft. Gelegentlich erhielt es Ohrfeigen. Zu weiteren Misshandlungen kam es jedoch nicht.
2. a) Im November 2003 fanden sich die Angeklagten und lebten von da an zusammen, zunächst in der Wohnung der Mutter der Angeklagten. Nach einem Wutanfall des Angeklagten - wobei er mit dem Kopf einen Spiegel zertrümmert hatte - der Wohnung verwiesen, fanden die Angeklagten in der zweiten Dezemberhälfte 2003 Unterschlupf im Einfamilienhaus eines Bekannten des Angeklagten im Stadtteil B. . Zwischen den Angeklagten gab es häufig Streit, wobei der Angeklagte seiner Lebensgefährtin auch Ohrfeigen versetzte. Im Übrigen verbrachten sie die Vormittage meist im Bett und die Nachmittage mit dem Konsum von Alkohol und mit Fernsehen. K. spielte währenddessen oder sollte schlafen. Wegen „Nichtigkeiten“, wie Hinauszögerns des angeordneten Mittagsschlafs, Problemen beim abendlichen Einschlafen, langsamen Essens und ähnlicher typisch kindlicher Verhaltensweisen ärgerte sich der Angeklagte. Er beschloss, K. mittels Strafen zu „erziehen“.
Vom 1. Januar 2004 an unterzog der Angeklagte K. deshalb einer Tortur, die am 4. Januar 2004 mit der Beifügung der zum Tode des Kindes führenden Verletzungen endete. Die Angeklagte, die alles miterlebte, und sich ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihrer Tochter bewusst war, widersetzte sich den Übergriffen des Angeklagten nicht mit der gebotenen - und ihr zumutbaren - Entschiedenheit. Erreichbare Hilfe, z.B. beim Wohnungsgeber oder von anderen Personen, suchte sie nicht. Sie unternahm auch nicht den Versuch, unter Mitnahme der Tochter auszuziehen, etwa zurück zur Mutter. Nur gelegentlich setzte sie zum Widerstand an. In Einzelfällen wirkte sie demgegenüber sogar aktiv an den Misshandlungen ihrer Tochter durch den Angeklagten mit.

Entsprechend der Forderung des Angeklagten, dass das Kind, das er immer wieder als Bastard bezeichnete, weg müsse, hatten die Angeklagten auch erwogen, das Kind vor einem Wohnanwesen oder in einer Kirche auszusetzen oder nach Polen zu verbringen. „Keiner der Angeklagten unternahm jedoch einen Versuch, einen dieser Pläne in die Tat umzusetzen.“ Von einer Tötung des Kindes war aber nie die Rede.

b) Folgende einzelne Vorfälle vermochte die Strafkammer dann festzustellen , wobei ihr eine genaue zeitliche Einordnung nur teilweise möglich war.
Am 1. Januar 2004 bemalte K. in der Wohnung herumliegendes Papier, was missfiel. Zur Strafe brachte der Angeklagte K. in einen unbeheizten Raum, die so genannte "Kalte Kammer". Dort schlug er dem Kind zunächst mit einem Holzstab auf die Finger beider Hände, so dass jene rot anliefen und anschwollen. Dann musste K. , nur mit einem kurzärmligen T-Shirt und mit einer Strumpfhose bekleidet, bei geöffnetem Fenster und bei Minustemperaturen im Außenbereich, einige Stunden in der „Kalten Kammer“ stehen bleiben. Nachdem sich der Angeklagte beruhigt hatte, cremte er K. s geschwollene Hände ein und verband sie.
Zum Ärger des Angeklagten spielte K. am Morgen des 2. Januar 2004 mit der letzten gefüllten Methadonflasche, die dem Angeklagten noch zur Verfügung stand. Er erhitze mit einem Feuerzeug den Plastikverschluss einer leeren Methadonflasche, packte die am Unterkörper entblößte K. am Nacken , drückte sie mit dem Gesicht auf eine Matratze und presste die angeschmorte Spitze des Verschlusses mit Drehungen auf das Gesäß und die Oberschenkel des Mädchens. Dies wiederholte der Angeklagte mehrfach so-
wohl an diesem wie auch am nächsten Tag. Die Angeklagte half hierbei dem Angeklagten jeweils „weisungsgemäß“, das Kind festzuhalten.
Bei anderer Gelegenheit zwang der Angeklagte K. , sich mit dem Bauch auf den Boden zu legen. Dann schlug er mit einem Ledergürtel so auf das entblößte Kind ein, dass es vom Rücken bis zu den Kniekehlen etwa sechs rote Striemen erlitt. Nach diesem Vorfall drohte die Angeklagte dem Angeklagten , ihn zu verlassen. Er entschuldigte sich, cremte das Kind ein und bandagierte es.
Zu einem weiteren Zeitpunkt versetze der Angeklagte dem Kind einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht, sodass das Mädchen mit dem Kopf gegen die Wand prallte.
An einem der Abende holte der Angeklagte K. aus dem ungeheizten Keller - dorthin hatte er sie einige Stunden zuvor verbracht - ins Schlafzimmer, haute ihr das schnurlose Telefon zwei Mal gegen den Kopf, setzte sich mit der Angeklagten auf das Bett und schlug dem vor ihm stehenden Kind mit der Hand so gegen den Hinterkopf, dass es mit dem Gesicht auf der Kommode aufschlug und dann zu Boden fiel. Dies wiederholte er auf ähnliche Art und Weise noch vier Mal, allerdings ohne dass sich das Mädchen erneut an der Kommode stieß. K. erlitt an den Ohren und im Gesicht blutende Verletzungen. Diese cremte der Angeklagte dann zwar ein und ließ den Kopf des Kindes von der Angeklagten in ein Tuch wickeln. Dann verbrachte er K. aber wieder in einen unbeheizten und dunklen Kellerraum und zwang sie, sich - Schuhe trug sie nicht - ohne Abstützen an der Wand auf einem Bein hinzustellen. Die Angeklagte versuchte nun, telefonisch polizeiliche Hilfe herbeizurufen. Dies unterband der Angeklagte, indem er ihr das schnurlose Telefon entriss.

In einer weiteren Nacht brachte der Angeklagte die bereits verletzte und am Auge stark geschwollene K. erneut in den Keller und legte sie bäuchlings auf einem Schrank ab. Von dort zog er sie einige Stunden später an den Beinen fassend wieder herunter und ließ sie in einem Nebenraum im Keller, wiederum auf einem Bein stehend, zurück. Erst am Morgen durfte die Angeklagte das vor Kälte zitternde Kind ins Bett bringen.
Als beim Essen Brotkrümel herunterfielen, schlug der Angeklagte K. mit der flachen Hand gegen den Kopf, brachte das Kind in die kalte Speisekammer und dann in den Keller. Nach einigen Stunden holte er K. - ihre Augen waren zugeschwollen, sie blutete, ihre Haare hatte ihr der Angeklagte teilweise, tonsurartig, ausgerissen - nach oben, indem er sie an der Kleidung am Hals packte und so die Treppe hinauftrug, der auf dem Bett sitzenden Angeklagten vor die Füße warf, wobei das laut schreiende und weinende Kind mit dem Kopf am Nachttisch anschlug. Die Angeklagte sollte das Mädchen waschen , da es eingekotet hatte. Als K. in der Badewanne wegen eines Wasserspritzers ins Gesicht aufschrie, schlug ihr der Angeklagte mit dem Duschkopf auf den Kopf. Anschließend rasierten die Angeklagten dem Mädchen die restlichen Haare vom Kopf. Kurze Zeit später schlug der Angeklagte K. mit der flachen Hand gegen die Brust, so dass sie gegen einen Schrank fiel und zu Boden sank. Der Angeklagte riss sie an den Kleidern hoch und warf sie zuerst aufs Bett. Dann sollte sich K. ins Zimmereck stellen. K. sank jedoch kraftlos zu Boden. Der Angeklagte verweigerte dem Mädchen gleichwohl zunächst den Schlaf, bis sie sich auf ein auf dem Boden zubereitetes Lager legen durfte. Als der Angeklagte bemerkte, dass sie eingenässt hatte, drückte er eine brennende Zigarette an ihrem Knie aus.
Am Nachmittag des 4. Januar 2004 sperrte der Angeklagte K. in den Tankraum im 2. Untergeschoss. Am Abend, nach der Rückkehr der Angeklagten vom Besuch bei einer Nachbarin drückte der Angeklagte den heißen Kopf eines Feuerzeugs auf die nackte Haut des Kindes. Später öffnete er mindestens vier Brandblasen vollends und cremte sie ein.
Als der Angeklagte im weiteren Verlauf des Abends über die Angeklagte in Wut geraten war, reagierte er sich an K. ab. Er schlug sie mit einem Ledergürtel ins Gesicht und auf den Kopf. Danach schlug er das Kind mit der flachen linken Hand „mit einer Wucht von mindestens 80 G“ seitlich gegen das Gesicht, so dass K. mit dem Kopf gegen die Zimmerwand prallte. K. röchelte und sank bewusstlos zu Boden. Der Angeklagte rief aus: „Das wollte ich nicht“.
Den Angeklagten gelang es nicht, K. wieder zu Bewusstsein zu bringen. Sie hofften dennoch, der Zustand des regelmäßig atmenden Kindes werde sich bessern. Sie rechneten nicht mit dessen Ableben. Am Tag darauf entschlossen sich die Angeklagten um 9.00 Uhr, K. in einer stark frequentierten Toilette eines Krankenhauses abzulegen. Erst fünf Stunden später setzten sie dies kurz nach 14.00 Uhr im Stiftungskrankenhauses W. in die Tat um. Um 15.45 Uhr wurde K. gefunden. Trotz sofortiger Intensivbehandlung erlangte sie das Bewusstsein nicht mehr und verstarb am 7. Januar 2004 um 10.40 Uhr. Todesursache war eine zentrale Lähmung aufgrund einer raumgreifenden Blutung unter die harte Hirnhaut, verursacht durch den vom Angeklagten zuletzt geführten Schlag und den Aufprall des Kopfes von K. gegen die Wand. Dieser tödliche Ausgang wäre auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe nicht auszuschließen gewesen.

c) Die Angeklagten hatten sich bereits am 6. Januar 2004, nachdem sie im Rundfunk vom Auffinden des Kindes gehört hatten, auf Drängen des Angeklagten auf die Flucht begeben. Bereits wenige Tage später konnten sie in B. festgenommen werden, nachdem die Angeklagte, die mit einer weiteren Flucht in die Türkei nicht einverstanden war, polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen hatte.
3. - Bedingten - Tötungsvorsatz vermochte die Strafkammer weder bei dem Angeklagten A. noch bei der Angeklagten C. festzustellen.
Der Angeklagte habe sich unwiderlegt dahin eingelassen, dass er mit einem tödlichen Ausgang nicht gerechnet habe. Dass derartige Schläge gegen den Kopf wegen der dadurch ausgelösten Rotationsbewegung „besonders“ (UA S. 37) gefährlich sind und in Folge des Risses der Brückenvene zu einer tödlichen Hirnblutung führen kann, sei auch kein Allgemeinwissen (UA S. 17). Der Angeklagte habe diese Kenntnis bestritten. Bei Schlägen mit der flachen Hand handele es sich auch nicht um „äußerst“ (UA S. 36) gefährliche Gewalthandlungen und sie stünden - wie die Vorverurteilungen erhellten - am unteren Ende der Skala von Gewalttätigkeiten des Angeklagten. Auch habe das Kind - so die Strafkammer weiter - auf frühere gleichartige Schläge „nicht in einer Weise reagiert , dass der Angeklagte es für möglich halten musste, dass derartige Schläge tödlich sein könnten“. Schließlich seien die Überraschung des Angeklagten nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit und die sofort einsetzenden hektischen Rettungsbemühungen „mit einem Wollen des Todes des Kindes nicht vereinbar“.
4. Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte A. im Zustand verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) handelte. Bei ihm lägen, so die sachverständig beratene Strafkammer, massive Persönlichkeitsstörungen (dissozial - ICD 10 F 60.2 - und emotional instabil vom Borderline-Typ ICD 10 F 60.3 -) vor, die hier als schwere andere Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB zu bewerten sind, sowie eine als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 einzuordnende Polytoxikomanie - ICD 10 F 19.2 - mit Abhängigkeiten von Heroin und Benzodiazepinen bei zusätzlichem chronischen Missbrauch von Alkohol vor. Dadurch sei die Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten erheblich vermindert gewesen.

III.


1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht zu der Feststellung gelangte , die Angeklagten hätten nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Zwar ist auch insoweit die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters und revisionsrechtlicher Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich. Wenn bei der Beantwortung der Frage, ob Angeklagte vorsätzlich, bedingt vorsätzlich oder (bewusst) fahrlässig gehandelt haben, allein aus äußeren Umständen auf deren innere Einstellung zur Tat geschlossen werden muss, bedarf es jedoch einer umfassenden Würdigung des insoweit relevanten festgestellten Sachverhalts (vgl. BGH NStZ 2004, 35, 36). Dem genügen die Darlegungen der Strafkammer nicht; sie sind widersprüchlich und lassen eine umfassende Auseinandersetzung mit allen für die Bewertung der subjektiven Tatseite relevanten Umständen sowie der Persönlichkeit der Angeklagten vermissen. Zudem hat die Straf-
kammer zu hohe Anforderungen an die Feststellung des bedingten Vorsatzes gestellt.
Im Ansatz zutreffend geht die Strafkammer zwar zunächst davon aus, dass es bei „äußerst“ gefährlichen Gewalthandlungen grundsätzlich nahe liegt, dass der Täter auch mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei auch zu Tode kommen, wenn dies für sich allein betrachtet aber noch kein zwingender Beweisgrund für die Billigung eines Todeserfolges durch den Täter ist (sog. voluntatives Element des Vorsatzes, vgl. BGH NStZ 2001, 475, 476). Schon die Grundvoraussetzung - äußerst gefährlich - verneint die Strafkammer dann aber, indem sie die vom Angeklagten ausgeübte und von der Angeklagten hingenommene Tathandlung lediglich als „besonders“ gefährlich bewertet. Abgesehen davon, dass allein aus dieser Nuance bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung kaum tragfähige Schlussfolgerungen zum Tötungsvorsatz zuverlässig gezogen werden können, ist die Begründung für diese Herabstufung des Gefährlichkeitsgrads nicht tragfähig.
Die Strafkammer hebt entscheidend darauf ab, der Angeklagte habe „das Kind unwiderlegbar lediglich mit der flachen Hand und nicht etwa mit der Faust oder irgendwelchen Gegenständen gegen den Kopf geschlagen“ (UA S. 36). Damit lässt das Landgericht bei der Bewertung dieses Vorgangs im Hinblick auf die subjektive Tatseite einen entscheidenden Teil des an anderer Stelle festgestellten Sachverhalts außer Acht, nämlich das Aufprallen des Kopfes auf die Wand infolge des wuchtigen Schlages. Mit dieser verkürzten Betrachtung setzt sich die Strafkammer zudem in Widerspruch zu den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. , „denen sich die Kammer anschließt“. Danach „war sowohl ein Faustschlag als auch ein mit Wucht (mindestens 80 G) geführter Schlag mit einer flachen Hand und anschließendem Aufprall des Kopfes ge-
gen einen festen Gegenstand geeignet, die tödliche Blutung mit Abriss einer Brückenvene auszulösen“ (UA S. 33). Die Tathandlung des Angeklagten entsprach also einem Faustschlag und war nicht weniger gefährlich. Das Aufschlagen des Kopfes war auch vorhersehbar. Auch schon früher traktierte der Angeklagte K. mehrfach so, dass deren Kopf gegen einen festen Gegenstand (Wand, Kommode, Nachttisch) prallte.
Die Strafkammer stellt des weiteren zu hohe Anforderungen an den Umfang der Kenntnis über die möglichen Folgen eines Schlages gegen den Kopf, wenn sie meint, „tatsächlich gehört es nicht zum allgemeinen Erfahrungswissen , dass seitliche Schläge gegen den Kopf im Kieferbereich wegen der dadurch ausgelösten Rotationsbewegungen von besonderer Gefährlichkeit sind und zum Riss der Brückenvene mit der Folge einer tödlichen Hirnblutung führen können“ (UA S. 37). Es entspricht gesicherter allgemeiner Kenntnis, dass derartige Schläge gegen den Kopf eines kleinen Kindes mit anschließendem Aufprall gegen einen festen Gegenstand immer äußerst schwerwiegende Folgen bis hin zum Tod haben können. Medizinischen Detailwissens bedarf es dazu nicht. Vor dem Hintergrund des Allgemeinwissens über mögliche Folgen derartiger Misshandlungen ist deshalb auch das Argument der Strafkammer, „trotz mehrfacher gleichartiger Schläge hat das Kind auf alle Schläge mit Ausnahme des letzten (tödlichen) nicht in einer Weise reagiert, dass der Angeklagte es für möglich halten musste, dass derartige Schläge tödlich sein könnten“ (UA S. 36) nicht tragfähig. Vielmehr lag schon bei den entsprechenden früheren Handlungen das Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes nicht fern. Ein Umstand, den die Strafkammer nicht in ihre Erwägungen einbezog. Denn letztlich war es eher ein Zufall, bei welcher dieser Misshandlungen K. zu Tode kam.
Die Strafkammer hat sich zudem bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite zu sehr allein mit dem letzten, dem dann tödlichen Vorfall befasst. Deshalb hat sie zu hohe Anforderungen an die Feststellung des bedingten Tötungsvorsatzes gestellt, worauf auch der Satz hindeutet, die Rettungsbemühungen seien mit dem Wollen des Todes des Kindes nicht vereinbar. Das Landgericht betont zunächst ausdrücklich - was an sich selbstverständlich ist -, der Tötungsvorsatz müsse sich gerade auf die Handlung beziehen, die den tatbestandsmäßigen Erfolg verursacht hat. Das Landgericht verweist dann auf die hohe Hemmschwelle bei Tötungsdelikten, die beim Angeklagten nicht herabgesetzt gewesen sei. Nun belegt zwar - wovon die Strafkammer damit im Ansatz zutreffend ausgeht - die Indizwirkung einer offen zutage tretenden Lebensgefährlichkeit wegen der höheren Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen für sich gesehen noch nicht zwingend Handeln mit bedingtem Tötungsvorsatz. Bedeutung kommt dem aber insbesondere bei einmaligen Spontantaten in einer emotional aufgeladenen, häufig alkoholbedingt enthemmten Atmosphäre zu. Der Angeklagte misshandelte demgegenüber das Kind wiederholt hemmungslos und gleichwohl auf geradezu systematische Art und Weise und bedrohte das Leben des Mädchens in jedem Einzelfall in hohem Maße. Darüber hinaus hätten aus der viertägigen Tortur, auch soweit die teilweise geradezu sadistischen Handlungen für sich gesehen nicht lebensbedrohlich waren , der der Angeklagte A. K. unterwarf - bei Duldung und teilweiser Mitwirkung der Angeklagten C. -, sowie aus der Persönlichkeit der Angeklagten, die bei A. unter anderem durch einen Mangel an Empathie, andauernde Verantwortungslosigkeit, Missachtung sozialer Normen geprägt ist, weitere Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite der Angeklagten gezogen werden können. All dies hätte jedenfalls eingehender Erörterung bedurft.
Das anschließende Erschrecken, wenn sich der nach den Feststellungen ja nicht von vornherein beabsichtigte, aber gleichwohl in Kauf genommene Erfolg realisiert, „das habe ich nicht gewollt“, steht bedingtem Vorsatz nicht entgegen. Vielmehr könnte hier das weitere Verhalten der Angeklagten nach dem Eintritt der Ohnmacht des Kindes trotz der „hektischen“ Rettungsbemühungen, die sich allerdings in eher untauglichen Maßnahmen, wie Beatmungsversuchen und Bespritzen mit Wasser erschöpften, nämlich dem Absehen von der Herbeiholung sofortiger ärztlicher Hilfe und das heimliche Ablegen des Kindes in einer Krankenhaustoilette tags darauf, eher dafür sprechen, dass sich die Angeklagten - insbesondere der Angeklagte A. - von vornherein der möglicherweise tödlichen Folgen der Misshandlungen bewusst war, deren strafrechtlichen Konsequenzen sich die Angeklagten zu entziehen suchten. Auch dies wäre jedenfalls zu erörtern gewesen.
Die bei der Prüfung der subjektiven Tatseite gebotene umfassende Erörterung der für die Tat bedeutsamen Umstände und der Persönlichkeit der Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1999, 507, 508) lassen die Urteilsgründe deshalb nicht ausreichend erkennen. Bei der sich über mehrere Tage erstreckenden brutalen und wiederholt lebensgefährlichen Behandlung liegt das voluntative Element des - zumindest bedingten - Vorsatzes im Grunde auf der Hand. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit haben, die Mordmerkmale, namentlich der Grausamkeit und der sonstigen niedrigen Beweggründe, zu prüfen.
Bezüglich der Angeklagten C. wird zu erörtern sein, ob der Schwerpunkt ihrer Handlungen beim aktiven Tun liegt.

2. Schließlich begegnen die Darlegungen zur Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten A. Bedenken. Zwar sind die Eingangsmerkmale des § 20 StGB - sachverständig beraten - rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Generalbundesanwalt führt dann aber in seiner Antragsschrift - wie dann auch in der Hauptverhandlung - zutreffend aus: „Das Landgericht hat sich dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N. angeschlossen , nach dessen Ausführungen die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten [deshalb] erheblich im Sinne von § 21 StGB vermindert gewesen sei (UA S. 43 f.). Insoweit hat die Kammer jedoch verkannt, dass die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, eine Rechtsfrage ist (st. Rspr.; BGHSt 49, 45, 53 = NStZ 2004, 437, 438). Diese hat der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Entscheidend sind die Anforderungen, welche die Rechtsordnung an jedermann stellt (BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296, jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Anforderungen sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (Senat, Urteil vom 21. März 2001 - 1 StR 32/01). Dass sich das Landgericht eigenständig und losgelöst vom Sachverständigen mit diesen Anforderungen und der Frage der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB befasst hätte, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.“ Die Rechtsordnung darf erwarten, dass Menschen mit den hier festgestellten Störungen, ihr Verhalten so steuern, dass es nicht zu tagelangen, grausamen , letztlich tödlichen Misshandlungen eines kleinen Kindes kommt, wie hier bislang festgestellt.

IV.


Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (vgl. Kuckein in KK, StPO 5. Aufl. § 354 Rdn. 37).
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 204/00
vom
30. August 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Niemöller,
Detter,
Rothfuß,
Hebenstreit
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10. Juni 1999 mit den Feststellungen - ausgenommen denjenigen zum äußeren Tathergang - aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

1. Das Landgericht hat beide Angeklagten des versuchten Totschlags schuldig gesprochen; die Angeklagte S. hat es zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten W. zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts; sie erstrebt die Verurteilung beider Angeklagten wegen vollendeten Mordes. Das Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg.
2. Das Landgericht hat im wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt : Die beiden Angeklagten, die damals 17-jährige R. S. und ihr seinerzeit 20 Jahre alter Freund Sa. W. , lebten zusammen in einem kleinen Haus, das ihnen R. s Pflegemutter zur Verfügung gestellt hatte; sie selbst bewohnte mit weiteren Pflegekindern, darunter der 15-jährigen J. K. , ein größeres Haus in der Nähe. Zwischen der Angeklagten und J. traten im Laufe der Zeit Spannungen auf. Die Angeklagte nahm es J. insbesondere übel, daß diese der Pflegemutter R. s Schwangerschaft offenbart und sie einmal zu Unrecht verdächtigt hatte, der Pflegemutter 20,00 DM gestohlen zu haben; sie sann daher auf eine Gelegenheit, J. eine "gründliche Abreibung" zu verpassen. Diese Gelegenheit bot sich, als die Pflegemutter ein Sängerfest im Dorf besuchte und J. in deren Haus allein war. Die Angeklagte ging am Abend zu ihr, traf sie an und begann einen Streit. Die beiden Frauen rauften sich in den Haaren. Die Angeklagte schlug dabei J. zu Boden und brachte ihr mit einem Klappmesser insgesamt 16 Stichverletzungen bei. Anfangs stach sie ihr in den Bauch und in den Rücken. Mit weiteren Stichen fügte sie ihr Verletzungen an den Armen, der linken Hand und am Halse zu. Schließlich versetzte sie ihr "in Tötungsabsicht" mehrere wuchtige Messerstiche ins Gesicht, von denen einer das Nasenbein zertrümmerte, ein anderer den Oberkiefer durchtrennte und drei Zähne herausbrach. Beim letzten Stich blieb das Messer so fest im Gesicht stecken, daß die Angeklagte es nicht mehr herausziehen konnte. J. lebte zwar noch, war aber so zugerichtet, daß die Angeklagte sie für tot hielt. Anschließend lief die Angeklagte nach Hause und berichtete ihrem Freund, dem Angeklagten, sie habe J. erstochen. Beide kehrten dar-
aufhin zum Tatort zurück, um die Spuren der Tat zu beseitigen. Während die Angeklagte draußen blieb, drang der Angeklagte in das Haus ein und fand dort J. , die mit blutüberströmtem Kopf regungslos auf dem Rücken lag. Da sie Geräusche von sich gab, die sich wie ein Röcheln anhörten, nahm der Angeklagte zutreffend an, daß sie noch lebe. Er zog ihr das Messer aus dem Gesicht , wusch sich die Hände und suchte nach einem Gegenstand, um die - wie er annahm - bereits Sterbende zu töten. Mit einer beidhändig gehaltenen Wasserflasche schlug er auf ihren Kopf ein, so daß ihr Stirnbein zersplitterte. Das röchelähnliche Geräusch hielt jedoch an - J. war noch nicht tot. Der Angeklagte legte daraufhin eine Jeansjacke über ihr Gesicht, warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie und würgte sie dann. Danach versuchte er, ihren Körper aus dem Zimmer zu schaffen, gab dies jedoch alsbald wieder auf. J. starb "entweder infolge der - möglicherweise den Sterbevorgang verkürzenden - Schläge mit der Wasserflasche oder aber nach diesen" (Schlägen) "infolge der Messerstiche durch Verbluten".

II.

Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Schuldspruch weist Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf; sie betreffen bei der Angeklagten S. die Annahme eines nur versuchten Tötungsverbrechens und die Vorsatzform, außerdem bei beiden Angeklagten die Verneinung von Mordmerkmalen. 1. Was die Verurteilung der Angeklagten S. angeht, so ergibt die rechtliche Prüfung:

a) Zu Unrecht hat die Jugendkammer die Angeklagte nur eines versuchten statt eines vollendeten Tötungsverbrechens schuldig gesprochen. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Zwar sei jeder der "Tatbeiträge" der Angeklagten für sich genommen geeignet gewesen, den Tod des Opfers herbeizuführen - doch habe sich nicht feststellen lassen, "ob der Tod durch Verbluten allein durch die von der Angeklagten S. gesetzten Messerstiche eingetreten ist oder aber die Schläge mit der Wasserflasche den von ihr in Gang gesetzten Kausalverlauf unterbrochen haben". Daher sei nach dem Zweifelssatz zugunsten jedes Angeklagten zu unterstellen, daß sein Tatbeitrag nicht den Tod herbeigeführt habe (UA S. 133). Dem kann nicht gefolgt werden. Die Jugendkammer hat damit den strafrechtlich maßgebenden Ursachenbegriff verkannt. Ursächlich ist jede Bedingung , die den Erfolg herbeigeführt hat; dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben. Anders verhält es sich allerdings , wenn ein späteres Ereignis ihre Wirkung beseitigt und unter Eröffnung einer neuen Kausalreihe den Erfolg allein herbeiführt. Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, daß ein weiteres Verhalten, sei es des Täters, sei es des Opfers, sei es auch Dritter, an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat (st. Rspr. und h.M. im Schrifttum, zusammenfassende Darstellung mit zahlreichen Nachweisen in BGHSt 39, 195, 197 f). Ursächlich bleibt das Täterhandeln selbst dann, wenn ein später handelnder Dritter durch ein auf denselben Erfolg gerichtetes Tun vorsätzlich zu dessen Herbeiführung beiträgt, sofern er nur dabei an das Handeln des Täters anknüpft, dieses also die Bedingung seines eigenen Eingreifens ist. Auch dies entspricht gefestigter
Auffassung in Rechtsprechung (vgl. die Nachweise in BGH aaO) und Schrifttum (Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. vor § 13 Rdn. 11; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. vor § 13 Rdn. 18 a; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. Vorbem. §§ 13 ff Rdn. 77; Rudolphi in SK-StGB vor § 1 Rdn. 49; Jeschek in LK 11. Aufl. vor § 13 Rdn. 58; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT 10. Aufl. § 14 Rdn. 33 ff, 36; Maurach/Zipf, Strafrecht AT Teilband 1, 7. Aufl. § 18 IV Rdn. 61 ff). Demgemäß ist wegen vollendeten Tötungsverbrechens auch zu bestrafen, wer jemanden mit Tötungsvorsatz niedergeschossen und dadurch einen Dritten dazu veranlaßt hat, dem Verletzten den "Gnadenschuß" zu geben (OGHSt 2, 352, 354 f; BGH bei Dallinger MDR 1956, 526; Jähnke in LK 10. Aufl. § 212 Rdn. 3). Soweit der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einer älteren, vereinzelt gebliebenen Entscheidung (BGH NJW 1966, 1823) zu einem Ergebnis gelangt ist, das hiermit in Widerspruch steht (Hertel NJW 1966, 2418; Kion JuS 1967, 499; Jähnke aaO Fußn. 3), kann schon zweifelhaft sein, ob in der Begründung dieses Urteils überhaupt eine abweichende Rechtsauffassung zum Ausdruck gekommen ist; Ausführungen desselben Senats in einer jüngeren Entscheidung (BGH NJW 1989, 2479 f) machen jedenfalls deutlich, daß er eine solche Rechtsauffassung nicht oder zumindest nicht mehr vertritt. Für eine Anfrage nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG besteht daher kein Anlaß. Danach hat die Angeklagte durch die Messerstiche den Tod J. s verursacht. Daran ändert es nichts, daß der später zum Tatort gekommene Angeklagte dem Opfer durch Schläge mit der Wasserflasche weitere Verletzungen zugefügt hat, die gleichfalls geeignet waren, den Tod herbeizuführen. Es kommt nicht darauf an, ob die Messerstiche oder die Schläge mit der Wasserflasche jeweils für sich genommen den Tod des Opfers bewirkt hätten oder
J. erst infolge des Zusammenwirkens der ihr von beiden Angeklagten beigebrachten Verletzungen gestorben ist. Die Angeklagte hat mit den von ihr geführten Messerstichen jedenfalls eine Bedingung für den Tod des Opfers gesetzt; denn ohne diese, ihr von der Angeklagten beigebrachten Verletzungen wäre es nicht dazu gekommen, daß der Angeklagte eingriff und - an das Handeln seiner Freundin anknüpfend - J. mit der Wasserflasche auf den Kopf schlug, um das von der Angeklagten begonnene Tötungswerk zu vollenden. Für die Annahme, der Angeklagte habe mit seinen Schlägen die todesursächliche Wirkung der von seiner Freundin gesetzten Messerstiche beseitigt und stattdessen einen neuen, davon unabhängig zum Tod führenden Kausalverlauf in Gang gesetzt, ist hiernach kein Raum. Die strafrechtliche Haftung der Angeklagten im Sinne eines vollendeten Tötungsverbrechens entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten. Eine solche Abweichung ist zwar zu bejahen, soweit zugunsten der Angeklagten unterstellt werden muß, daß die dem Tatopfer vom Angeklagten W. zugefügten Verletzungen den Eintritt des Todes beschleunigt haben. Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf sind jedoch rechtlich bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (BGHSt 38, 32, 34 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum). So liegt es hier. Der Tod des Opfers ist nicht etwa Folge einer außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Verkettung unglücklicher Umstände, bei der eine Haftung der Angeklagten für den Erfolg ausscheiden würde. Die Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist vielmehr unwesentlich und rechtfertigt auch keine andere Bewertung der Tat.

b) Rechtsfehlerhaft ist es ferner, daß die Kammer bei der rechtlichen Bewertung des Handelns der Angeklagten nur bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat; in den Urteilsgründen heißt es dazu, ihr Vorsatz sei "bei Beginn der Stiche in den Kopf zumindest in der Form des dolus eventualis - eines bewußten Inkaufnehmens des Todes - vorhanden" gewesen (UA S. 132). Dies steht in Widerspruch zu der Feststellung, daß die Angeklagte bei den letzten, in das Gesicht geführten Stichen "in Tötungsabsicht", also mit direktem Vorsatz , gehandelt hat (UA S. 32).
c) Darüber hinaus hält auch die Verneinung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Jugendkammer hat hierzu ausgeführt, es habe zwar nahe gelegen, "aus der brutalen Vorgehensweise" der Angeklagten "beim Setzen der Messerstiche ins Gesicht - in ihren Augen eine besondere Demütigung - auf niedrige Beweggründe zu schließen"; hierfür spreche auch "die in der Bezeichnung der Getöteten als Fotze zum Ausdruck kommende Verachtung". Niedrige Beweggründe seien jedoch "bei Würdigung der Gesamtumstände, wie schon in der Beweiswürdigung ausgeführt", nicht sicher feststellbar (UA S. 132). Diese Ausführungen reichen nicht aus, um erkennbar zu machen, ob die tatrichterliche Beurteilung insoweit frei von Rechtsfehlern ist. Das gilt schon deshalb, weil die Kammer keine Feststellungen zum Tötungsmotiv der Angeklagten getroffen hat. Die Sachverhaltsschilderung der Urteilsgründe enthält hierzu nichts. Mitgeteilt wird darin zwar, aus welchem Grund sich die Angeklagte entschloß, J. am Tatabend aufzusuchen (UA S. 30: "... mit ihr einmal unter vier Augen über die 'verpetzte Schwangerschaft' und die Verdächtigung wegen der 20,00 DM zu sprechen", weitergehend zuvor
UA S. 27: "... J. einmal bei sich bietender Gelegenheit ... eine gründliche Abreibung ... zu geben"). Welche Tatantriebe die Angeklagte aber dazu bestimmt haben, den Entschluß zur Tötung zu fassen, ist nicht festgestellt. Die Kammer beruft sich allerdings auf eine "Würdigung der Gesamtumstände" , die sie "schon in der Beweiswürdigung" vorgenommen haben will. Doch geht diese Verweisung ins Leere. Denn im beweiswürdigenden Abschnitt der Urteilsgründe finden sich zwar einzelne Zusatzfeststellungen, denen Bedeutung für den Schluß auf das Tötungsmotiv zukommen kann (UA S. 118: "eine Art Bestrafungsaktion"; UA S. 124: "Bestrafungsaktion"; UA S. 120: "Vergeltungsaktion" ; "Verärgerung und Abneinung"; UA S. 119: "Verdruß", "Ä rger", "Haßgefühle") - diese werden aber weder dort noch an anderer Stelle unter dem Gesichtspunkt des Tötungsmotivs gewürdigt. Daß die Kammer im Rahmen der rechtlichen Wertung die Brutalität der Tötungshandlung und die im Gebrauch eines Schimpfworts zum Ausdruck gebrachte Verachtung des Opfers als mögliche Anhaltspunkte für das Vorliegen niedriger Beweggründe erwogen hat, belegt nicht, daß sie die gebotene Gesamtwürdigung angestellt hätte. Diese muß Vorgeschichte, Anlaß und Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließen (BGHSt 35, 116, 127; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 11, 39), sich mithin auf alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren erstrecken (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 23, 24, 31). In die Würdigung wäre hier vor allem die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Angeklagten und dem späteren Tatopfer einzubeziehen gewesen, ihre sich daraus entwickelnde innere Einstellung zu J. , für die der beweiswürdigende Teil der Urteilsgründe zahlreiche Anhaltspunkte bietet, nicht zuletzt auch die Ä ußerung der Ange-
klagten gegenüber einer Zeugin, "die", nämlich J. , "werde sie mal umbringen" (UA S. 120). Der Erörterung hätte insbesondere bedurft, ob und gegebenenfalls inwieweit die feindseligen Gefühle und Empfindungen, welche die Angeklagte gegenüber J. hegte, als Beweggründe der Tötung wirksam geworden und vor dem Hintergrund der sie auslösenden Anlässe zu werten sind. Eine solche Gesamtwürdigung fehlt. Sie war hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Angeklagte den Tötungsentschluß nach den Feststellungen erst im Laufe der heftigen körperlichen Auseinandersetzung, also spontan gefaßt hat; denn dies braucht der Bejahung niedriger Beweggründe nicht entgegenzustehen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11; BGH, Urt. v. 19. Juli 2000 - 2 StR 96/00; zu den dann gesteigerten Prüfungsanforderungen vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16 und 31; BGH, Urt. v. 11. Januar 2000 - 1 StR 505/99). 2. Die Verurteilung des Angeklagten W. weist ebenfalls Rechtsfehler auf.
a) Die Annahme eines nur versuchten Tötungsverbrechens ist bei ihm allerdings rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Beurteilung seiner Tat hat sich der Rechtsfehler, der die Bewertung der Ursächlichkeit des Handelns der Angeklagten S. betrifft, nicht ausgewirkt. Gleiches gilt für die von der Kammer offenbar vorausgesetzte, aber unrichtige Annahme, der Tod des Opfers könne - alternativ - nur entweder dem einen oder dem anderen Angeklagten als von ihm verursachter Handlungserfolg zurechenbar sein (UA S. 36, 129, 133). Denn die Kammer hat jedenfalls nicht verkannt, daß der Angeklagte den Tod J. s verursacht und mithin ein vollendetes Tötungsverbrechen begangen hätte, wenn durch sein Handeln der Eintritt des - womöglich ohnehin
schon nahenden - Todes nur noch beschleunigt worden wäre (BGHSt 7, 287 f; 21, 59, 61; BGH NStZ 1981, 218 f; 1985, 26 f; BGH StV 1986, 59, 200; BGH StGB vor § 1/Kausalität, Angriffe, mehrere 1; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 212 Rdn. 3). Den Urteilsausführungen ist zu entnehmen, daß sie eine den Todeseintritt beschleunigende Wirkung der vom Angeklagten gegen den Kopf J. s geführten Schläge nicht festzustellen vermochte. Dies kommt in der Tatschilderung des Urteils dadurch zum Ausdruck, daß dort diesen Schlägen nur eine den Sterbevorgang "möglicherweise" verkürzende Wirkung zuerkannt wird (UA S. 36), und gründet sich auf die Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverstänigen, der - wie das Urteil ebenfalls mitteilt - erklärt hatte, durch die Schläge "könne" auch eine deutlich verkürzte Lebenserwartung bewirkt worden sein (UA S. 128 unten). Wenn die Kammer sich hiernach außerstande gesehen hat, eine Beschleunigung des Todeseintritts als Folge der mit der Wasserflasche geführten Schläge festzustellen, so liegt darin auch kein selbständiger, der Beweiswürdigung anhaftender Rechtsfehler. Weder widerspricht das Ergebnis - wie die Revision meint - Erfahrungssätzen, noch weisen die Urteilsausführungen zu diesem Punkt - wie sie ebenfalls rügt - Lükken auf. Die Bezugnahme auf das vorbereitende schriftliche Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen ist im Rahmen der allein erhobenen Sachrüge unzulässig, ganz abgesehen davon, daß der zitierte Abschnitt des Gutachtens für die Deutung, der Sachverständige habe eine Beschleunigung des Todeseintritts als Folge der Schläge für gesichert erachtet, nichts hergibt. Konnte die Kammer aber nicht ausschließen, daß J. auch ohne das Eingreifen des Angeklagten zur selben Zeit gestorben wäre, zu der ihr Tod tatsächlich eintrat, dann mußte sie nach dem Zweifelssatz von dieser Möglichkeit ausgehen und durfte den Angeklagten - wie geschehen - nur wegen eines versuchten Tötungsverbrechens verurteilen.

b) Dagegen ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht rechtsfehlerhaft; das Urteil beruht insoweit auf einem Beweiswürdigungsmangel. Die Kammer hat hierzu im Rahmen der rechtlichen Wertung lediglich ausgeführt, eine Verdeckungsabsicht des Angeklagten habe "bei verständiger Würdigung des Gesamtgeschehens nicht als bestimmender Faktor seines Vorgehens festgestellt werden" können (UA S. 133). Dies entspricht der Sachverhaltsschilderung des Urteils insofern, als Feststellungen zum Tötungsmotiv fehlen. Der Beweggrund, von dem der Angeklagte sich bei seinem Vorgehen leiten ließ, bleibt offen. Soweit festgestellt ist, daß er, nachdem er J. das Messer aus dem Kopf gezogen, sich die Hände gewaschen und das Zimmer wieder betreten hatte, einen Gegenstand suchte, um das vom Opfer herrührende "Geräusch zu beenden und die in seinen Augen sterbende J. zu töten" (UA S. 34), belegt dies allein den Tötungsvorsatz, gibt aber keine Auskunft über das Tötungsmotiv. Das gilt auch für die inhaltsgleiche, im beweiswürdigenden Teil des Urteils enthaltene Feststellung, wonach der Angeklagte lediglich noch versuchte, "dem Ganzen ein Ende zu setzen" (UA S. 131), und ebenso für deren Grundlage, nämlich die Erklärung des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 6. August 1998, er habe J. den Kehlkopf einzudrücken versucht, "weil er es habe beenden wollen" (UA S. 68). Weshalb die Kammer gemeint hat, das Tötungsmotiv des Angeklagten nicht feststellen zu können, ist jedoch nicht erklärt. Eine Begründung hierfür fehlt. Die Frage nach dem Beweggrund bleibt unerörtert. Die Beweiswürdigung ist insofern lückenhaft. Denn es gab erörterungsbedürftige Umstände, die dafür sprechen konnten, daß der Angeklagte das von seiner Freundin begonnene
Tötungswerk fortgeführt hat, um sie vor der Entdeckung ihrer Straftat zu schützen : Einerseits war er selbst J. nicht feindlich gesonnen und hatte dazu auch keinen eigenen, in seiner Person liegenden Grund. Andererseits stand er zu der Angeklagten, mit der er zusammenlebte, in einem engen, auf Liebe gegründeten Verhältnis, das gegenseitige Hilfe in schwierigen Situationen erwarten ließ. Als die Angeklagte ihm nach ihrer Rückkehr vom Hause der Pflegemutter erzählt hatte, sie habe J. erstochen, überlegte er demgemäß, "wie er seiner Freundin in dieser Situation helfen" könne, und ging mit ihr zum Tatort zurück, "um die Tatspuren zu vernichten" (UA S. 33). Diese in der Sachverhaltsschilderung enthaltene Feststellung kehrt im Strafzumessungsteil der Urteilsgründe wieder und ist dort in die Worte gefaßt, der Angeklagte habe "R. v or Entdeckung bewahren und für sich als seine Freundin erhalten" wollen (UA S. 142). Freilich bezieht sich dies auf einen Zeitpunkt, in dem der Angeklagte glaubte, J. s ei bereits tot; doch lag angesichts dieser seiner Motivation die Folgerung nahe, daß derselbe Beweggrund ihn dann auch dazu bestimmt hat, die Tötung des schwerverletzt aufgefundenen Opfers zu vollenden. Diesen Schluß scheint die Kammer im übrigen selbst gezogen zu haben; denn im beweiswürdigenden Abschnitt der Urteilsgründe heißt es, "im zweiten Handlungsteil" habe der Angeklagte "vorrangig eine Hilfsaktion für seine Freundin" durchgeführt (UA S. 118). "Hilfsaktion" für die Angeklagte konnte in diesem Zusammenhang aber nur ein Handeln sein, durch das sie vor der Entdeckung ihrer Tat geschützt werden würde - eine andere Deutung kommt nicht in Betracht. Ein Indiz, das in die nämliche Richtung weist, bot schließlich auch das Einlassungsverhalten des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, das - wie das Urteil in breiter Darstellung der polizeilichen Vernehmungen deutlich macht - über weite Strecken von dem entschiedenen Bemühen geprägt war, die Al-
leinschuld am Tode J. auf sich zu nehmen, um die Überführung und Bestrafung der Angeklagten zu verhindern. Mit diesen Umständen, die für die Bejahrung der Verdeckungsabsicht sprechen konnten, hätte sich die Kammer auseinandersetzen müssen. Daß dies unterblieben ist, begründet einen Beweiswürdigungsmangel und damit einen Rechtsfehler.

III.

1. Das Urteil ist daher mit den Feststellungen aufzuheben. Aufrechterhalten bleiben jedoch die Feststellungen zum äußeren Tathergang, soweit sie die Kammer in den Urteilsgründen von UA S. 30 bis 36 (beginnend mit der Überschrift "Das engere Tatgeschehen" und endend vor der Überschift "Geschehen nach der Tat") dokumentiert hat; das erscheint angebracht, weil nach diesen, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in Verbindung mit der rechtlichen Wertung durch den Senat bereits abschließend geklärt ist, daß die Angeklagte S. eine vollendete Tötung, der Angeklagte W. dagegen nur einen Tötungsversuch zu verantworten hat. Soweit die Staatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten W. wegen vollendeten Tötungsverbrechens erstrebt, hat ihr Rechtsmittel keinen Erfolg. 2. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bei keinem der beiden Angeklagten eine Grundlage in den bisherigen Feststellungen findet; von den akut wirksamen und latent vorhandenen Störfaktoren , die nach Meinung des Sachverständigen und der ihm folgenden Kammer die Schuldfähigkeit der Angeklagten beeinträchtigt haben sollen (bei der Angeklagten S. ein "vorübergehender Impulskontrollverlust", bei
dem Angeklagten W. Unreife, geringe Konfliktverarbeitungsfähigkeit, Streß und Panik), erfüllt keiner eines der in § 20 StGB bezeichneten Eingangsmerkmale. Jähnke Niemöller Detter Rothfuß Hebenstreit