Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2019 - 1 StR 604/17

bei uns veröffentlicht am28.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 604/17
vom
28. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:280219U1STR604.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Februar 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Fischer, Dr. Pernice,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
die Angeklagte persönlich – in der Verhandlung –,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung –, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin der Nebenklägerin M. ,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin der Nebenklägerin S. ,
Regierungsrat – in der Verhandlung –, Steueramtmann – in der Verhandlung – als Vertreter des Finanzamts Frankfurt am Main I,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juni 2017 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Angeklagte, soweit sie wegen zweier Fälle der schweren Körperverletzung verurteilt worden ist, der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen schuldig ist. 2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin M. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 4. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
5. Die Nebenklägerin M. hat die Kosten ihrer Revision und die hierdurch der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 6. Die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin M. gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung im vorbezeichneten Urteil wird kostenpflichtig verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in 18 Fällen, Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger in zwei Fällen, davon in einem Fall wegen Versuchs und in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren , Körperverletzung in 35 Fällen, darunter zwei Fälle der schweren Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagte freigesprochen.
2
Die Angeklagte wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen ihre Verurteilung. Mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision zuungunsten der Angeklagten beanstandet die Staatsanwaltschaft den Teilfreispruch von den Vorwürfen der Zuhälterei und des Menschenhandels. Die Nebenklägerin M. erhebt mit ihrer Revision eine Verfahrensrüge und rügt im Übrigen die Verletzung materiellen Rechts; zudem wendet sie sich mit einer Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils. Abgesehen von der Abänderung des Schuldspruchs zugunsten der Angeklagten be- züglich zweier Körperverletzungsdelikte bleiben sämtliche Rechtsmittel ohne Erfolg.

I.


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Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die als Dreijährige mit ihrer Mutter von Polen nach Deutschland gezogene Angeklagte begann bereits im Alter von 17 Jahren, als Prostituierte zu arbeiten. Da sie aufgrund ihrer Herkunft aus sozial und finanziell schwierigen Verhältnissen häufig Erfahrungen mit Ausgrenzung und Gewalt gemacht hatte, nahm sie die Prostitution früh als Möglichkeit wahr, auch ohne Berufsausbildung Geld verdienen und sich mit Geld Anerkennung und eine Lebensgrundlage verschaffen zu können.
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Nach einigen Jahren begann die Angeklagte unter dem Künstlernamen „Sc. “ eine Karriere als „Rapperin“. Ihre Titel handelten vornehmlich und verherrlichend vom Prostituierten- und Zuhältermilieu, schnellem Geld, Luxusgütern und Gewalt. Hierdurch gelangte sie in den einschlägig interessierten Kreisen zumeist jüngerer Fans zu einer gewissen Popularität mit beständigen Einnahmen. Dies nahm die Angeklagte zum Anlass, nicht mehr selbst der Prostitution nachzugehen, sondern neben dem „Musik-Business“ ihre langjähri- gen Erfahrungen als Prostituierte nunmehr dahin zu nutzen, an der Prostitutionsausübung anderer Frauen, zu der sie organisatorische Beiträge leistete, zu partizipieren. Außerdem war sie in der von ihrem Lebensgefährten betriebenen „St. Bar“ in F. in herausgehobener Position tätig.
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2. Die „St. Bar“ entwickelte sich alsbald zu einer Anlaufstelle ihrer jungen weiblichen Fans. Einige von diesen legten es dabei darauf an, in eine Beziehung zu der von ihnen idolisierten Angeklagten zu treten. Manche versuchten dies dadurch zu erreichen, dass sie sich als Stammgäste in der Bar aufhielten. Andere nahmen über soziale Medien Kontakt zu der Angeklagten auf, die mitunter auch Einladungen aussprach. Im Laufe der Zeit entstand so um die Angeklagte eine Clique junger Frauen, die sich unter anderem durch ein einheitliches, vom Auftreten der Angeklagten geprägtes Outfit – lange blonde Haare, Leggings, Taschen und Schuhe von Gucci – auszeichnete und die die Angeklagte ebenso wie deren in Songs und Auftritten dargestellten Lebensstil idolisierte. Zu dieser Clique gehörten zeitweise auch die Nebenklägerinnen M. und S. und die Zeuginnen W. , H. und Wy. .
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Die der Clique angehörenden jungen Frauen konnten in der „St. Bar“ ohne Bezahlung Getränke konsumieren. Auch übernahm die Angeklagte für sie häufig die Bezahlung für Feiern, Mode und Frisuren und ließ manche der jungen Frauen auch in zwei Wohnungen übernachten, über die sie verfügte. Auf diese Weise häuften sich allmählich bei einigen von ihnen hohe Schulden bei der Angeklagten an, deren Rückführung die Angeklagte verlangte. Hierzu bot die Angeklagte jedenfalls der Nebenklägerin M. und der Zeugin H. an, zur Schuldentilgung gemeinsam mit ihr nach einem bestimmten Geschäftsmodell Geld durch Prostitution auf Reisen in anderen Städten zu verdienen. Außerdem zeigte sie ihnen sowie der Nebenklägerin S. und der Zeugin W. Möglichkeiten auf, mit bestimmten Freiern in Kontakt zu kommen. Die Nebenklägerinnen M. und S. wie auch die Zeugin H. waren bereits zuvor und unabhängig von der Angeklagten der Prostitution nachgegangen. Sie waren ohnehin von sich aus zur Fortsetzung der Prostitution bereit gewesen, um Schulden zu tilgen oder darüber hinaus an Geld zu gelangen. Die noch 17 Jahre alte Zeugin W. hatte sich bis dahin noch nicht prostituiert, hatte aber „massiv den Wunsch an die Angeklagte herangetragen“, für sie der Prostitution nachzugehen. Ihr zeigte die Angeklagte zunächst in zwei Fällen die Möglichkeit auf, mittels Prostitution Geld zu verdienen. Später bot die Angeklagte der dann volljährigen Zeugin W. , die keine Schulden bei ihr hatte, gemeinsame Prostitutionsreisen an.
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3. Das von der Angeklagten neben ihrer Musikerkarriere betriebene Geschäftsmodell umfasste die Prostitutionsausübung in Hotels und auch in Kundenwohnungen während regelmäßig wochenweiser Aufenthalte in anderen Städten. Die Angeklagte war dabei dafür zuständig, den äußeren Rahmen der Aufenthalte zu organisieren und vor allem die Freier zu beschaffen, während eine andere Frau die eigentliche Prostituiertentätigkeit ausübte. Die Angeklagte gab keine verbindlich zu erbringenden Sexualleistungen vor. Sie schaltete in einschlägigen Internetportalen für sexuelle Dienstleistungen Anzeigen, die sog. Profile, in denen die Prostituierten mit einer für Freier möglichst ansprechenden Legende ausgestattet wurden. Jedem der Profile war eine bestimmte Mobilfunknummer für die Kontaktaufnahme zugewiesen. Die Angeklagte führte mit ihrem Pkw die notwendigen Fahrten durch, buchte Hotelzimmer für Unterkunft und Prostitutionsausübung und sorgte für die Verpflegung und notwendiges Arbeitszubehör wie Kondome und Gleitcreme. Auch war es ihre Aufgabe, die Anrufe auf den Mobiltelefonen entgegenzunehmen und die Termine zu organisieren. Die Telefonate erledigte die Angeklagte regelmäßig aus ihrem im Hotelbereich parkenden Fahrzeug heraus; gleichzeitig hielt sie sich bereit, die Prostituierten bei Konflikten mit ihren Freiern zu schützen. Hinsichtlich der Geschäftskosten für die Prostitutionsreisen war die Angeklagte mit den Prostituierten jeweils dahin übereingekommen, dass die nach Abzug der Kosten von den mit den Freiern erzielten Umsätzen verbleibenden Nettoerlöse zwischen der jewei- ligen Prostituierten und der Angeklagten hälftig geteilt wurden. Den Zeuginnen W. und H. sowie der Nebenklägerin M. war dieses Geschäftsmodell nach Organisation, Ablauf und Aufgabenverteilung ebenso recht, wie sie die Aufteilung der Erlöse für angemessen hielten.
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Wegen Ungeschicklichkeiten oder vermeintlichen Fehlern dieser drei Frauen schlug die zu spontanen Gewaltausbrüchen und Beschimpfungen neigende Angeklagte insbesondere im Verlauf der Prostitutionsreisen häufig auf diese ein.
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4. Der Nebenklägerin M. , die die Angeklagte auf dem Oktoberfest 2015 in Mü. kennengelernt hatte, vermittelte die Angeklagte zunächstzwei Gelegenheiten, sich zu prostituieren. Den ersten Kontakt stellte sie zu dem als impotent geltenden Freier „I. “ her, den zweiten Kontakt zu einem 83 Jahre alten Mann in einer Art Escortservice mit zwei weiteren Frauen.
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Als die Nebenklägerin Schulden bei der Angeklagten angehäuft hatte, über die sie keinen genauen Überblick hatte, wollte sie diese durch Prostitution abzahlen. Mitte 2016 schlug sie deshalb der Angeklagten vor, nach deren Geschäftsmodell mit dieser gemeinsam auf Prostitutionsreise zu gehen. Bei einer dann entsprechend durchgeführten Prostitutionsreise vom 11. bis 25. August 2016 schlug die Angeklagte immer wieder mit der flachen Hand in Form heftiger Ohrfeigen auf die Nebenklägerin M. ein. Es kam täglich zu mindestens einem ohrfeigenartigen Schlag. Die Schläge dienten dabei nicht dazu, die ohnehin durchgehend zur Prostitution bereite Nebenklägerin M. gefügig zu machen oder zu halten. Vielmehr reagierte die zu Gewaltausbrüchen neigende Angeklagte auf diese Weise spontan ihren Jähzorn ab, der sich während der Prostitutionsreise aufgrund von angeblichen Ungeschicklichkeiten oder vermeintlichen Fehlern der Nebenklägerin ergab.
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5. Die 17-jährige Zeugin W. identifizierte sich insbesondere mit der unkritischen Darstellung von Prostitution und Zuhälterei in den Texten und Auftritten der Angeklagten und hatte daher für sich selbst den Entschluss gefasst, „anschaffen zu gehen“. Die Angeklagte empfahl ihr aber wegen ihres Alters und ihrer Unerfahrenheit zunächst, damit noch zu warten. Als die Zeugin weiterhin darauf drängte, sich zu prostituieren, eröffnete ihr die Angeklagte zwei Gelegenheiten hierzu. Im einen Fall vermittelte sie auch der Zeugin W. den Freier „I. “, bei dem sich die einstündige Begegnung gegen Zahlung von 150 Euro auf den Austausch von Zungenküssen und Berührungen beschränkte. Im zweiten Fall vermittelte ihr die Angeklagte den bereits genannten 83-jährigen Freier, der gewöhnlich immer in Begleitung von drei jungen Prostituierten zunächst in die Spielbank gehen und sich dort eine der Prostituierten zum Oralsex aussuchen wollte. Um ihr den Zugang zur Spielbank und den Kundentermin auch für den Fall einer Zugangskontrolle zu ermöglichen, überließ die Angeklagte der Zeugin W. den Ausweis einer bereits volljährigen Freundin. Aufgrund akuter Herzprobleme des Freiers beschränkte sich der Termin auf gemeinsames Essen und Roulettespielen auf dessen Kosten.
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Nachdem die Zeugin volljährig geworden war, traf sie im August 2016 in Mü. mit der Angeklagten zusammen, um zusammen mit ihr nach deren Geschäftsmodell Geld aus der Prostitution zu verdienen, was wie geplant stattfand. Anfang September 2016 wurde eine weitere Prostitutionsreise durchgeführt.
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Während dieser zweiten Prostitutionsreise versetzte die Angeklagte der Zeugin W. in drei Fällen jeweils mit der flachen Hand ohrfeigenähnliche Schläge. Auch diese Schläge dienten nicht dazu, die Zeugin,die durchgehend zur Prostitution bereit war, gefügig zu machen oder zu halten. Vielmehr reagierte die Angeklagte auch hier nur spontan ihren Jähzorn ab.
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6. Die ebenfalls zur Clique um die Angeklagte gehörende Zeugin H. war bereits als Prostituierte tätig gewesen, als sie die Angeklagte kennenlernte. Sie häufte bei der Angeklagten Schulden an, die diese mit 3.000 Euro bezifferte. Zwar hatte die Zeugin H. „keine rechte Neigung“ mehr, sich weiter wie bisher zu prostituieren. Sie hatte sich aber nie endgültig von der Prostitutionsausübung abgewendet und war weiter grundsätzlich bereit, erforderlichenfalls Geld auch durch Prostitution zu verdienen. Sie kam deshalb im April 2016 mit der Angeklagten überein, gemeinsam mit ihr nach deren Geschäftsmodell auf Prostitutionsreise zu gehen.
16
Im Zeitraum vom 27. April bis 4. Mai 2016 und vom 12. bis 19. Mai 2016 fanden Prostitutionsreisen nach Mü. und Stu. statt, an denen die Zeugin Wy. als weitere Prostituierte teilnahm. Nach diesen Reisen war die Zeugin H. zwar schuldenfrei; da wegen der Aufrechnung mit den Schulden ihr hälftiger Anteil am Nettoerlös aber weitgehend aufgebraucht war, erhielt sie von der Angeklagten nur einen geringen überschießenden Betrag ausgezahlt.
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Im Verlauf der Prostitutionsreisen schlug die Angeklagte – auch hier allein um ihren Jähzorn abzureagieren – die Zeugin H. täglich mindestens einmal mit der flachen Hand in Form von Ohrfeigen. In einem Fall schlug sie aus Verärgerung mit einem hochhackigen Schuh und fügte dadurch der Zeugin H. eine blutende Wunde hinter dem Ohr zu.
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Im Anschluss an die zweite Prostitutionsreise fuhr die Angeklagte die Zeuginnen H. und Wy. zu einem Bordell in K. , wo diese sich weiter prostituieren wollten. Sie hatten dort die Hälfte ihrer Einnahmen an die Bordellbetreiberin abzugeben. Die Angeklagte hingegen war über die Herstellung des Kontakts hinaus weder organisatorisch eingebunden noch an den Einnahmen beteiligt.
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Als im weiteren Verlauf des Jahres 2016 die Zeugin H. erneut Kontakt zur Angeklagten aufgenommen und sich eine Zeit lang in deren Wohnung aufgehalten hatte, trat die wieder einmal spontan jähzornige Angeklagte ihr gegen den Kopf, so dass die Zeugin H. schmerzhaft gegen eine Tischkante prallte.
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7. Die Nebenklägerin S. hatte ebenfalls bereits Erfahrungen mit der Prostitution gemacht, bevor sie Kontakt mit der Angeklagten aufnahm. Sie wohnte dann in einer von der Angeklagten zur Verfügung gestellten Wohnung. Nachdem sie die Kosten für Kaution und Miete nicht bestreiten konnte, kam sie auf die Idee, das benötigte Geld mit Prostitution zu verdienen. Die Angeklagte hielt sie vom Aussehen und der psychischen Belastbarkeit her aber nicht für geeignet, nach ihrem Geschäftsmodell erfolgreich Prostitutionsreisen zu absolvieren. Sie vermittelte ihr allerdings zwei andere Gelegenheiten, bei denen sie sich durch Prostitution Geld verdienen konnte.
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8. Obwohl die Angeklagte im Zeitraum von 2014 bis September 2016 neben Einnahmen aus ihrer Musikertätigkeit die Hälfte der Nettoerlöse aus den Prostitutionsreisen für sich vereinnahmt hatte, verschwieg sie diese gegenüber den Finanzbehörden. In ihrer Einkommensteuererklärung 2014 wie auch der Umsatzsteuerjahreserklärung 2014 gab die Angeklagte die von ihr aus den Prostitutionsreisen vereinnahmten Beträge nicht an. Sie verkürzte hierdurch 3.294 Euro Einkommensteuer und 9.229,94 Euro Umsatzsteuer.
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Für die Monate Januar 2015 bis Januar 2016 sowie April, Mai, August und September 2016 gab die Angeklagte entgegen ihrer steuerlichen Verpflichtung keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab und verschwieg für diese Voranmeldungszeiträume ihre Umsätze aus Musikertätigkeit und Prostitutionsreisen. Hierdurch verkürzte sie monatlich Umsatzsteuerbeträge zwischen 737,65 Euro (Dezember 2015) und 3.054,76 Euro (Mai 2016).
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Gegen die für die Jahre 2015 und 2016 dann ergangenen Umsatzsteuerbescheide , in denen die verkürzten Steuerbeträge berücksichtigt wurden, legte die Angeklagte Einspruch ein. Sie kündigte aber deren Rücknahme an und bezahlte sämtliche für die Jahre 2014 bis 2016 festgesetzten Steuern.

II.


24
Von den Vorwürfen des Menschenhandels gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF zum Nachteil der Nebenklägerin S. und der Zeugin W. , der Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 StGB zum Nachteil der Nebenklägerin M. sowie der Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 StGB und des Menschenhandels gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF zum Nachteil der ZeuginH. (Fälle 27 bis 30 der Anklageschrift) hat das Landgericht die Angeklagte freigesprochen.
25
Nach den Feststellungen des Landgerichts brachte die Angeklagte die Nebenklägerin S. nicht zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder sonst zu sexuellen Handlungen. Die Nebenklägerin war bereits freiwillig zur Ausübung der Prostitution bereit und hatte die Angeklagte schon zuvor darauf angesprochen, sich zum Geldverdienen mit deren Hilfe erneut prostituieren zu wollen.
26
Die Zeugin W. war ebenfalls bereits freiwillig zur Ausübung der Prostitution bereit. Sie hatte für sich selbst den Entschluss gefasst, „anschaffen zu gehen“, undin dem festen Wunsch, mit Hilfe der Angeklagten Prostituierte zu werden, den Kontakt mit dieser aufgenommen.
27
Auch die Nebenklägerin M. war zuvor als Prostituierte tätig. Die mit der Angeklagten durchgeführte und von vornherein nur auf einen kurzen Zeitraum angelegte Prostitutionsreise ging auf den Vorschlag der Nebenklägerin zurück. Sie unterwarf sich freiwillig dem in ihren Augen erfolgreichen und lukrativen Geschäftsmodell der Angeklagten. Die Schläge gegen die Nebenklägerin M. dienten nicht dem Zweck, diese zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution anzuhalten.
28
Nach den Feststellungen hatte sich die Zeugin H. , die sich zuvor prostituiert hatte, nie endgültig von der Prostitutionsausübung abgewandt. Sie war weiter grundsätzlich bereit, erforderlichenfalls Geld durch Prostitution zu verdienen, und war, weil sie keine andere Idee zur Rückzahlung der Schulden hatte, mit der Angeklagten übereingekommen, den nötigen Betrag durch Prostitution auf einer Prostitutionsreise zu verdienen. Sie unterwarf sich für einen kurzen Zeitraum von Prostitutionsreisen freiwillig dem Geschäftsmodell der Angeklagten.

III.


29
1. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten führt lediglich zu einer Abänderung des Schuldspruchs im Hinblick auf eine unrichtige Bezeichnung eines der verwirklichten Straftatbestände. Der Schuldspruch ist da- hingehend abzuändern, dass die Angeklagte in den beiden als „schwere Körperverletzung“ bezeichneten Fällen der Körperverletzung wegen „gefährlicher Körperverletzung“ schuldig ist.
30
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
31
a) Die Feststellungen werden von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen.
32
b) Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass die Hinterziehung von Einkommensteuer 2014 und Umsatzsteuer 2014 tateinheitlich begangen wurde, weil die Angeklagte die Steuererklärungen zum selben Zeitpunkt abgab und in diesen übereinstimmende Unrichtigkeiten zu den Steuergrundlagen enthalten waren, steht dies zwar nicht im Einklang mit der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Konkurrenzen in Fällen der Steuerhinterziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2018 – 1 StR 535/17, NZWiSt 2019, 28, 29 ff.). Der Senat kann aber ausschließen, dass das Landgericht eine andere Gesamtstrafe verhängt hätte, wenn es insoweit von Tatmehrheit (§ 53 StGB) statt von Tateinheit (§ 52 StGB) ausgegangen wäre. Die unrichtige Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses lässt den Verkürzungsumfang und den Unrechtsgehalt der Taten unberührt.
33
Dasselbe gilt, soweit das Landgericht die Angeklagte für die Nichtabgabe von monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in den Jahren 2015 und 2016 jeweils wegen selbständiger Taten der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) verurteilt und nicht geprüft hat, ob sich die Angeklagte auch wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2015 und 2016 schuldig gemacht hat. Da eine Verurteilung insoweit nicht erfolgt ist, ist der Unrechtsgehalt der Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen hierdurch auch nicht als solcher aus Vortaten mitbestraft (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – 1 StR 536/16, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 25).
34
c) Die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

IV.


35
Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft , die wirksam auf den Teilfreispruch von den Tatvorwürfen zum Nachteil der Nebenklägerinnen M. und S. sowie der Zeuginnen W. und H. und den nach Auffassung der Revision damit im Zusammenhang stehenden Schuldspruch wegen Körperverletzungsdelikten beschränkt ist, bleibt ohne Erfolg.
36
1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
37
a) Die Rüge, das Landgericht habe den Beweisantrag der Staatsanwaltschaft vom 13. Juni 2017 auf erneute Vernehmung der Zeugin H. rechtsfehlerhaft zurückgewiesen, hat keinen Erfolg.
38
aa) Mit der Rüge beanstandet die Revision der Staatsanwaltschaft die Einstufung der Zeugin H. als völlig ungeeignetes Beweismittel durch das Landgericht. Sie trägt vor, dass die Zeugin bereits am Vortag im Rahmen der Hauptverhandlung vernommen worden sei, während der Befragung durch den Vorsitzenden aber unvermittelt bekundet habe, nun keine weiteren Angaben mehr machen zu wollen. Sie habe der Angeklagten verziehen und werde es außerhalb der Verhandlung mit ihr klären. Es gehöre sich nicht, eine Freundin anzuschwärzen. Nachdem der Vorsitzende sodann die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 500 Euro angedroht habe, habe sie erklärt, sie würde auch bei 1.000 Euro bei ihrer Aussageverweigerung bleiben. Es sei dann ein Ordnungsgeld von 300 Euro verhängt worden. Einen vor dem Beweisantrag zunächst gestellten Antrag auf erneute Ladung der ZeuginH. habe das Landgericht ebenfalls zurückgewiesen. Als Begründung sei dabei genannt worden, dass die Aufklärungspflicht nicht gebiete, die Zeugin zum wiederholten Mal zu laden, um zu versuchen, sie entgegen ihrem Entschluss, nicht mehr auszusagen , zu einer ergänzenden Aussage zu bewegen. Sie habe sich definitiv nach Androhung und Festsetzung eines Ordnungsgeldes entschieden, nicht weiter auszusagen. Zuvor sei sie bereits durch den Vorsitzenden in einer ca. 45 Minuten dauernden Befragung umfangreich vernommen worden. Zudem habe die Zeugin Wy. als Begleiterin der Angeklagten und der Zeugin H. bei der Reise im April/Mai 2016 zu den Arbeitsbedingungen und der persönlichen Beziehung zwischen der Angeklagten und der Zeugin H. eingehendausgesagt.
39
Die Staatsanwaltschaft vertritt in ihrer Revision die Auffassung, das Landgericht hätte die Zeugin H. bei dieser Sachlage nicht als völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO behandeln dür- fen, ohne vorher gegen sie gemäß § 70 Abs. 2 StPO Beugehaft anzudrohen und erforderlichenfalls auch zu verhängen.
40
bb) Es bestehen bereits Bedenken, ob die Rüge den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt.
41
Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei Verfahrensrügen die auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. November 2010 – 1 StR 544/09, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Anforderungen 1 mwN).
42
Wird in der Revision die Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines bereits angehörten Zeugen geltend gemacht, muss mitgeteilt werden, dass und wozu der Zeuge in der Hauptverhandlung bereits ausgesagt hat. Denn nur dann kann geprüft werden, ob es sich nicht um einen bloßen Antrag auf Wiederholung einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme oder auf Feststellung ihres Inhalts handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 – 4 StR 21/15, NStZ 2015, 540, 541). Die Revision der Staatsanwaltschaft versäumt es hier, darzulegen , wozu die Zeugin H. bereits ausgesagt hat. Sie trägt lediglich vor, die Zeugin sei noch nicht abschließend zu allen Themenkomplexen, zu denen sie im Zusammenhang mit den angeklagten Taten Angaben hätte machen können, gehört worden, und benennt die ihrer Auffassung nach noch aufklärungsbedürftigen Umstände. Sie teilt aber nicht mit, dass die Zeugin H. in ihrer Vernehmung bekundet hatte, sich im Januar 2016 beieiner A. prostituiert zu haben, und legt im Rahmen dieser Rüge auch den von einer Sitzungsstaats- anwältin zur Vernehmung der Zeugin H. verfassten Gedächtnisvermerk (RB S. 59) nicht vor.
43
cc) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
44
Als völlig ungeeignet im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Beweismittel nur dann einzustufen, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, dass sich mit ihm das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt. Die absolute Ungeeignetheit des Beweismittels muss sich dabei aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 – 1 StR 218/09, NStZ 2010, 52 und vom 6. März 2008 – 5 StR 617/07, NStZ 2008, 351, 352, jeweils mwN).
45
Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Ablehnung des Beweisantrages rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich unter sorgfältiger Berücksichtigung der besonderen Umstände die durch Tatsachen belegte Überzeugung verschafft, dass die Zeugin H. nicht mehr zu verwertbaren sachdienlichen Angaben bereit sein werde. Das Landgericht hat deshalb die Zeugin rechtsfehlerfrei als völlig ungeeignetes Beweismittel angesehen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1981 – 3 StR 140/81 (S), juris).
46
In Fällen einer angekündigten Aussageverweigerung muss der Tatrichter alle gebotenen Schritte unternehmen, um sich von der Irrtumsfreiheit, Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit der Weigerung zu überzeugen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 1998 – 2 StR 173/98, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 18). Diesem Erfordernis ist das Landgericht nachgekommen. Zwar liegt hier nicht der Fall vor, dass ein Zeuge bereits bei mehreren Vernehmungsversuchen an verschiedenen Verhandlungstagen die Aussage verweigert hatte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 1998 aaO). Vielmehr hat die Zeugin H. aus der Vernehmung heraus angegeben, nichts weiter auszusagen. Das Landgericht durfte hier aber deshalb von einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung einer weiteren Aussage der Zeugin ausgehen, weil diese in Kenntnis aller Umstände auch unter dem Eindruck eines bereits verhängten Ordnungsgeldes stehend definitiv entschieden hatte, selbst dann nicht weiter auszusagen, wenn noch ein höheres Ordnungsgeld verhängt würde.
47
Das Landgericht war auch nicht gehalten, gemäß § 70 Abs. 2 StPO gegen die Zeugin Beugehaft zu verhängen. Allerdings wird es bei der Prüfung, ob die Weigerung ernsthaft und endgültig ist, für den Tatrichter regelmäßig erforderlich sein, bei bedeutsamen Beweisthemen und gewichtigen Tatvorwürfen zulässige Erzwingungsmaßregeln nicht nur zu verhängen, sondern auch zu vollstrecken (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 1998 aaO). Die Ermessensentscheidung , im vorliegenden Fall keine Beugehaft gegen die Zeugin zu verhängen, ist jedoch rechtsfehlerfrei. Das Landgericht durfte neben der Entschiedenheit der Aussageverweigerung auch den Umständen Gewicht beimessen, dass die Bedeutung der Aussage der Zeugin angesichts der bereits erfolgten Vernehmung durch den Vorsitzenden und die ergänzenden Angaben der Zeugin Wy. gemindert war und zudem die Aussagen der drei weiteren als Geschädigte vernommenen Zeuginnen Rückschlüsse auf die Verhältnisse und Umstände im Fall der Zeugin H. ermöglichten. Mit entsprechender Begründung hatte das Landgericht bereits zuvor den Antrag auf erneute Ladung der Zeugin zurückgewiesen und dabei darauf hingewiesen, dass die Zeugin durch den Vorsitzenden umfangreich vernommen worden sei und die Zeugin Wy. als Begleiterin der Angeklagten und der Zeugin H. bei der Prostitutionsreise im April/Mai 2016 zu den Arbeitsbedingungen und der persönlichen Beziehung zwischen der Angeklagten und der Zeugin H. ausgesagt habe. Damit hat das Landgericht in zulässiger Weise von der Verhängung von Beugehaft abgesehen.
48
b) Die Rüge, die Staatsanwaltschaft sei in ihrem Fragerecht aus § 240 Abs. 2 StPO verletzt worden, weil die Zeugin H. ohne vorherige Anhörung der Staatsanwaltschaft entlassen worden sei, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
49
Die Revision nennt statt konkreter Fragen, zu denen die Zeugin H. noch hätte befragt werden sollen, lediglich Themenkomplexe. Sie legt auch nicht dar, welche Antworten von der Zeugin zu erwarten waren und wie sich diese Antworten auf das Beweisergebnis ausgewirkt hätten. Angesichts der Weigerung der Zeugin, weiter auszusagen, hätte es zudem der Darlegung von Umständen bedurft, aufgrund derer eine Aussagebereitschaft hinsichtlich der durch die Staatsanwaltschaft an sie gerichteten Fragen zu erwarten gewesen wäre.
50
c) Die auf eine Verletzung des § 261 StPO gestützte Rüge, das Landgericht habe es unterlassen, sich im Urteil mit den in der Hauptverhandlung verlesenen Rechnungen der R. GmbH erschöpfend auseinanderzusetzen, istunbegründet.
51
Die Revision macht geltend, bei umfassender Berücksichtigung dieser Rechnungen über die Kosten der Profile der Prostituierten hätte sich ergeben, dass die Angeklagte den Zeuginnen H. und M. höhere Beträge alsge- schehen hätte auskehren müssen, was für die Frage einer finanziellen Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 StGB von Bedeutung sei.
52
Damit zeigt sie indes keinen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung auf. Das Landgericht hat sich mit den Rechnungen der R. GmbH in dem erforderlichen Umfang auseinandergesetzt. Die Rechnungen wurden in die – hier zulässige und gebotene – Schätzung der Einkünfte und Umsätze der Angeklagten aus dem Prostitutionsgewerbe eingestellt. Das Landgericht durfte insoweit bei der von ihm vorgenommenen Schätzung den Angaben des als Zeugen gehörten Finanzbeamten P. , die in den Urteilsgründen näher dargelegt sind, folgen. Hierbei durfte es insbesondere berücksichtigen, dass die Zahl der Freier geschwankt habe und auch je nach Stadt unterschiedlich groß gewesen sei. Diesen Umstand lässt die Revision der Staatsanwaltschaft außer Betracht, die jeweils von zehn Freiern täglich ausgeht und zudem sämtliche für die Zeiträume der Prostitutionsreisen geschalteten Profile ausnahmslos der Zeugin H. bzw. der Nebenklägerin M. zuweist.
53
2. Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg. Der Teilfreispruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
54
a) Die Urteilsgründe genügen den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil.
55
aa) Ein freisprechendes Urteil muss aus sich heraus verständlich sein und so viele Angaben enthalten, dass dem Revisionsgericht eine sachlichrechtliche Prüfung ermöglicht wird. Hierbei muss das Tatgericht, wenn – wie hier – ein Angeklagter aus tatsächlichen Gründen freigesprochen wird, zunächst diejenigen Tatsachen feststellen, die es für erwiesen erachtet, bevor es in der Be- weiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen weiteren Feststellungen nicht getroffen werden konnten. Dabei hat es vor allem diejenigen Gesichtspunkte zu erörtern, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO) und die entweder festgestellt oder nicht festgestellt werden können (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 2005 – 5 StR 461/04, wistra 2005, 311 und vom 16. Juni 2016 – 1 StR 50/16, juris Rn. 9, jeweils mwN).
56
bb) Diese Anforderungen erfüllt das angefochtene Urteil. Es nennt, untergliedert nach den einzelnen Tatvorwürfen, hinsichtlich derer ein Freispruch erfolgte, jeweils den Tatvorwurf, die diesbezüglich getroffenen Feststellungen sowie die Erwägungen, aufgrund derer keine Verurteilung erfolgen konnte. Bezüglich der getroffenen Feststellungen war das Landgericht nicht gehindert, zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Feststellungen, die Grundlage der Verurteilung wegen der Körperverletzungsdelikte waren, Bezug zu nehmen.
57
b) Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
58
Entgegen der Auffassung der Revision der Staatsanwaltschaft ist die Beweiswürdigung weder lückenhaft noch widersprüchlich. Die von der Strafkammer gezogenen Schlussfolgerungen sind möglich, zwingend brauchen sie nicht zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Februar 2016 – 3 StR 436/15, juris Rn. 20). Es ist auch nicht geboten, für jede einzelne Feststellung einen Beleg in den Urteilsgründen zu erbringen; denn dies stellt sich letztlich als überflüssige Beweisdokumentation dar (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2017 – 3 StR 469/17, juris, mwN). Wie bereits bei der Verfahrensrüge betreffend die Rechnungen der R. GmbH dargelegt, ist auch die Beweiswürdi- gung hinsichtlich der bei den Prostitutionsreisen angefallenen Einnahmen und Ausgaben rechtsfehlerfrei.
59
c) Der Teilfreispruch wird von den Feststellungen getragen.
60
aa) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen begründen keine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF.
61
Nach den Feststellungen sind die Nebenklägerin S. sowie die Zeuginnen W. und H. nicht im Sinne von § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution gebracht worden, weil sie zu dieser bereits zuvor unabhängig von der Einwirkung der Angeklagten entschlossen waren. Der Umstand, dass von der Angeklagten hinsichtlich bestehender Schulden Rückforderungsansprüche geltend gemacht wurden, reicht für die Tatbestandsverwirklichung nicht aus. Ein omnimodo facturus könnte selbst dann nicht mehr „vom Täter“ zu einer bestimmten Handlung gebracht werden, wenn er von diesem bedrängt würde (vgl. LK-StGB/Kudlich, 12. Aufl., § 232 Rn. 25). Soweit die Revision geltend macht, die Zeuginnen seien nicht aus freiem Entschluss (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 2 StR 571/06, StraFo 2007, 340) der Prostitution nachgegangen, setzt sie sich in Widerspruch zu den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Die Zeugin H. hatte nach den Feststellungen zwar „keine rechte Neigung“ mehr, sich weiter zu prostituieren , hatte aber nach der Schließung der „St. Bar“ keine andere Idee als die, den Betrag für die Rückzahlung der Schulden bei der Angeklagten durch Prostitution zu verdienen. Die Annahme der Revision, die Angeklagte habe eine finanzielle Abhängigkeit der Zeugin bei gleichzeitiger Rückforderung der Schulden zu einem Zeitpunkt geschaffen, zu dem diese nicht mehr in der „St. Bar“ arbeiten konnte, was für die Fortsetzung der Prostitution zumin- dest mitursächlich gewesen sei, beruht auf urteilsfremden Erwägungen.
62
bb) Die Feststellungen begründen auch keine Strafbarkeit der Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
63
Der Begriff der Ausbeutung verlangt ein planmäßiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten führt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. April 2002 – 4 StR 66/02, NStZ-RR 2002, 232, 233). Solches hat das Landgericht für die Nebenklägerin M. und die Zeugin H. nicht festgestellt.
64
Zwar stellt ein Einvernehmen mit der Prostituierten für sich allein das Merkmal der Ausbeutung nicht in Frage (vgl. BGH aaO). Das Landgericht hat jedoch nicht festgestellt, dass die Angeklagte über die bloße Partizipation am Erlös hinaus ein Herrschafts- oder Abhängigkeitsverhältnis, d.h. eine überlegene Stellung gegenüber abhängigen Prostituierten, ausgenutzt hat. Soweit die Angeklagte für die Zeuginnen M. und H. Kontakte zu dem Freier „I. “, zu dem 83-jährigen Freier und für die Prostitution in K. Kontaktehergestellt hat, konnten die Prostituierten den hierfür erlangten Erlös behalten. Nach den Feststellungen nahm die Angeklagte auch während der Prostitutionsreisen keine überlegene Stellung gegenüber den Zeuginnen M. und H. ein. Die Aufgaben auf den Prostitutionsreisen waren jeweils im Einvernehmen mit den Zeuginnen arbeitsteilig aufgeteilt und nur auf einen kurzen Zeitraum angelegt.
65
Das Landgericht hat – auf der Grundlage einer saldierenden Betrachtung (vgl. dazu Renzikowski in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 181a StGB, Rn. 25) – auch keine spürbare Verschlechterung der Vermögenslage auf Seiten der Zeuginnen M. und H. festgestellt. Vielmehr trat sogar eine Verbesserung der Vermögenslage der Zeuginnen ein, weil diese infolge der Prostitutionsreisen von Schulden befreit wurden, die sie zuvor bei der Angeklagten angesammelt hatten.

V.


66
Die Revision der Nebenklägerin M. hat keinen Erfolg.
67
1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist dahin auszulegen, dass die Nebenklägerin allein beanstandet, die Angeklagte sei rechtsfehlerhaft nicht auch wegen des sie zur Nebenklage berechtigenden Tatvorwurfs der Zuhälterei verurteilt worden.
68
2. Die von der Nebenklägerin erhobene Verfahrensrüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist daher bereits nicht zulässig erhoben.
69
Mit der Verfahrensrüge beanstandet die Nebenklägerin die Verletzung ihrer Rechte als Nebenklägerin und macht einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren geltend. Die Revision rügt, die Nebenklägerin habe trotz beantragter umfassender Akteneinsicht nur partielle Akteneinsicht in die polizeilichen Vernehmungsprotokolle erhalten, zudem seien ihr entgegen §§ 201, 203 StPO weder die Anklageschrift noch der Eröffnungsbeschluss übermittelt worden. Darüber hinaus sei ihr die Einsichtnahme in „wesentliche entscheidungs- erhebliche Mitschnitte“ aus Telefonüberwachungsmaßnahmen über Gespräche zwischen der Angeklagten und ihr verwehrt worden.
70
Dies genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an eine zulässige Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 – 1 StR 544/09, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Anforderungen 1 mwN) nicht. Die Revision trägt die Tatsachen, die die seitens der Vertreterin der Nebenklägerin beantragte Akteneinsicht einschließlich der Überlassung der Anklageschrift und des Eröffnungsbeschlusses betreffen, nur unvollständig vor. Sie teilt den mit Verfügung des Vorsitzenden vom 24. Mai 2017 abgelehnten Antrag der Nebenklägervertreterin auf Gewährung von Akteneinsicht vom 18. Mai 2017 ebenso wenig mit wie deren weiteren Antrag vom 31. Mai 2017 auf Übermittlung der Anklageschrift, Überlassung des Eröffnungsbeschlusses und der Besetzungsmitteilung des Gerichts und einer vollständigen Ablichtung der Protokolle der polizeilichen bzw. richterlichen Vernehmung der Nebenklägerin M. sowie diese betreffende Durchsuchungsberichte. Das Schreiben des Vorsitzenden vom 1. Juni 2017, mit dem diesem Antrag teilweise stattgegeben wurde, teilt die Revision ebenfalls nicht mit; sie gibt auch nicht an, welche Vernehmungsprotokolle mit welchem Inhalt daraufhin übermittelt und ob weitere Aktenbestandteile vom Landgericht zur Verfügung gestellt wurden. Der Mitteilung dieser Tatsachen hätte es schon deshalb bedurft, weil – wie die Angeklagte selbst vorträgt – das Akteneinsichtsgesuch zunächst wegen Geheimschutzinteressen der Angeklagten und von möglicherweise Geschädigten (vgl. § 406e Abs. 2 StPO) zurückgewiesen worden war; der Beschluss des Landgerichts vom 24. Mai 2017 weist hierzu ausdrücklich auf die in den Akten enthaltenen Daten zum steuerlichen Verhalten der Angeklagten sowie zu intimen Daten einer Vielzahl weiterer Personen hin, darunter solcher der Zeuginnen S. , W. , H. und Wy. . Ohne Kenntnis von diesen Tatsachen kann der Senat nicht prüfen, ob die behaupteten Verfahrensfehler vorliegen. Soweit mit der Verfahrensrüge geltend gemacht wird, der Nebenklägerin sei die Einsichtnahme in aufgezeichnete Telefongespräche verwehrt worden, fehlt es für die Zulässigkeit der Beanstandung zudem an der Darlegung des wesentlichen Inhalts dieser Gespräche. Soweit die Revision beanstandet, der Nebenklägerin seien die Anklageschrift und der Eröffnungsbeschluss nicht mitgeteilt worden, fehlt es schließlich an der erforderlichen Mitteilung, dass sowohl die Anklageschrift als auch der Eröffnungsbeschluss in der Hauptverhandlung verlesen wurden.
71
3. Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg. Der Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Zuhälterei betreffend die Nebenklägerin M. austatsächlichen Gründen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
72
Den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil genügen die Urteilsgründe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen rechtfertigen keine Verurteilung der Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei zum Nachteil der Nebenklägerin M. gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zur Revision der Staatsanwaltschaft verwiesen.
73
Entgegen der Auffassung der Revision der Nebenklägerin – insoweit über das Vorbringen der Staatsanwaltschaft hinaus – rechtfertigen die Feststellungen auch keine Verurteilung wegen dirigierender Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB. Der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei setzt in allen Begehungsweisen eine bestimmende Einflussnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloße Unterstützung reicht nicht. Das Verhalten muss vielmehr geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nach- haltig zu beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2002 – 4 StR 66/02, NStZ-RR 2002, 232 mwN).
74
Dies war hier nicht der Fall. Nach den Feststellungen wurden die Prostitutionsreisen einvernehmlich durchgeführt, nachdem die Nebenklägerin M. , der das Geschäftsmodell der Angeklagten bekannt geworden war, dieser vorgeschlagen hatte, gemeinsam auf Prostitutionsreise zu gehen. Die ohrfeigenähnlichen Schläge, die die Angeklagte der Nebenklägerin auf diesen Reisen versetzte, dienten nicht dazu, die Nebenklägerin, die ohnehin durchgehend zur Prostitution bereit war, im Hinblick auf die Prostitution gefügig zu machen oder zu halten. Vielmehr reagierte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die zu Gewaltausbrüchen neigende Angeklagte auf diese Weise lediglich spontan ihren Jähzorn ab. Die Angeklagte hat somit die NebenklägerinM. weder überwacht noch Zeit, Ort, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt noch Maßnahmen getroffen, die die Nebenklägerin davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Soweit die Revision geltend macht, die Nebenklägerin M. habe mangels anderweitiger Erwerbsquellen gar keine andere Möglichkeit gehabt, als die bei der Angeklagten angehäuften Schulden in der festgestellten Weise bei der Angeklagten abzuarbeiten, ergibt sich daraus nichts anderes.

VI.


75
Die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin M. gegen die Kostenentscheidung im vorbezeichneten Urteil ist zu verwerfen, weil diese Entscheidung der Sach- und Rechtslage entspricht.
76
Das Landgericht hat der Angeklagten lediglich die Hälfte der Auslagen der Nebenklägerin auferlegt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Angeklagte wurde lediglich wegen eines Teils der die Nebenklägerin M. betreffenden Taten verurteilt. Mithin war ihr auch nur ein dem entsprechender Anteil der Kosten aufzuerlegen (§ 472 Abs. 1 Satz 1 StPO).

VII.


77
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO. Auch angesichts des geringfügigen Teilerfolgs der Revision der Angeklagten in Form der Abänderung des Schuldspruchs wegen unrichtiger Bezeichnung zweier Fälle der gefährlichen Körperverletzung als schwere Körperverletzung , ist es nicht unbillig im Sinne des § 473 Abs. 4 StPO, die Angeklagte mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten.
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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafprozeßordnung - StPO | § 203 Eröffnungsbeschluss


Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

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(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes

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(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn

1.
diese Person ausgebeutet werden soll
a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b)
durch eine Beschäftigung,
c)
bei der Ausübung der Bettelei oder
d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,

1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn

1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.

(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn

1.
diese Person ausgebeutet werden soll
a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b)
durch eine Beschäftigung,
c)
bei der Ausübung der Bettelei oder
d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,

1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn

1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.

(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 535/17
vom
22. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2018:220118B1STR535.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 22. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 14. Juni 2017
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass aa) die Angeklagte U. Ko. der Steuerhinterziehung in 13 Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig ist, bb) der Angeklagte W. Ko. der Steuerhinterziehung in 19 Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben hinsichtlich der die Taten B.II.2.a), B.II.2.b), B.III.2.a) und B.IV.1. der Urteilsgründe betreffenden Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel beider Angeklagter, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Ko. wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie die Angeklagte Ko. wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer solchen von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung dieser Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen sowie mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Rechtsmittel haben lediglich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
1. Der Verurteilung beider Angeklagten liegt die Hinterziehung von verschiedenen Unternehmenssteuern zu Gunsten von zwei Gesellschaften sowie diejenige von Einkommensteuer der Angeklagten bezogen auf jeweils mehrere Veranlagungszeiträume zugrunde. Wie das Landgericht festgestellt hat, war der Angeklagte, ein früherer Rechtsanwalt, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und hatte die Eidesstattliche Versicherung abgeben müssen. Nach dem Verlust seiner Rechtsanwaltszulassung war er als freier Berater für Unternehmen in Krisensituationen tätig. Um die dadurch erzielten Einkünfte dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, bediente er sich zweier Gesellschaften, der A. GmbH (nachfolgend: A. ) und der K. C. GmbH (nachfolgend: KC). Alleinige Gesellschafterin der A. war formal die Angeklagte U. Ko. . Die Geschäftsanteile an der KC befanden sich formal in den Händen der gemeinsamen Kinder der Angeklagten. Tatsächlich hielten die Gesellschafter beider Gesellschaften die Anteile lediglich treuhänderisch für den Angeklagten, der jeweils auch faktischer Geschäftsführer war. Er sorgte auf durch das Landgericht näher festgestellte Weise dafür, dass die durch seine Beratertätigkeit unter Einbindung der Gesellschaften erzielten Einkünfte dem Lebensunterhalt der Familie zur Verfügung standen.
3
Das Landgericht hat die entsprechende Verwendung der über die Gesellschaften generierten Einkünfte jeweils als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet. Auf diesen Ausschüttungen beruhen die Verurteilungen wegen Steuerhinterziehungen ganz überwiegend.
4
2. Im Einzelnen gründen sich die Schuldsprüche auf die Hinterziehung von Körperschaftsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) und Gewerbesteuer zu Gunsten der A. in den Veranlagungszeiträumen 2007 bis 2012 sowie zugunsten der KC für die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014, bezüglich der letztgenannten Zeiträume zudem derjenigen von Umsatzsteuer ebenfalls zum Vorteil der KC. Die Verurteilungen wegen Einkommensteuerhinterziehung betreffen für beide Angeklagten die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2012 sowie allein für den Angeklagten die Jahre 2013 und 2014. Insgesamt sind Unternehmenssteuern in Höhe von mehr als 400.000 Euro verkürzt und eine weitere Verkürzung von knapp 190.000 Euro angestrebt worden. Die Angeklagten haben zudem gut 141.000 Euro Einkommensteuer verkürzt sowie dies in Bezug auf weitere 290.000 Euro beabsichtigt. Zudem hat der Angeklagte für die Zeiträume 2013 und 2014 gut 120.000 Euro Einkommensteuer hinterzogen.

II.

5
Die Revisionen der Angeklagten führen lediglich zu den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Schuldspruchänderungen, die zugleich Teilaufhebungen der Strafaussprüche bedingen. Im Übrigen enthält das Urteil keine den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler.
6
1. Die durch beide Angeklagten identisch erhobenen und ausgeführten Verfahrensbeanstandungen dringen nicht durch; sie genügen mit einer Ausnahme bereits nicht den sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden gesetzlichen Anforderungen.
7
a) Die Beanstandung, es werde „im Wege der Verfahrensrüge (geltend gemacht), dass die Kammer von Urkunden, insbesondere einem umfangreichen Betriebsprüfungsbericht, bei der Urteilsfindung Gebrauch gemacht hat (…), die nicht in der Verhandlung verlesen wurden, sondern im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführt werden sollten“, ist unter keiner der näher ausgeführten damit verbundenen Angriffsrichtungen zulässig erhoben.
8
aa) Die Revisionen haben dazu u.a. vorgetragen, das angeordnete Selbstleseverfahren habe insgesamt 1972 Seiten umfasst und diesbezüglich Zweifel daran angemeldet, dass den Schöffen ausreichend Zeit für die Lektüre zur Verfügung stand. Damit wird eindeutig insoweit die Art und Weise der Durchführung des Selbstleseverfahrens beanstandet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. November 2017 – 1 StR 554/16, NStZ 2018, 230 mwN). Wie sich bereits aus den Revisionsbegründungen selbst ergibt, ist in der Hauptverhandlung gegen die entsprechende Anordnung des Vorsitzenden keine gerichtliche Entscheidung gemäß § 238 Abs. 2 StPO beantragt worden (siehe nur RB Rechtsanwalt Dr. M. S. 8). Das wäre aber erforderlich gewesen, um die Art und Weise der Durchführung des Selbstleseverfahrens noch mit der Revision beanstanden zu können (BGH aaO sowie BGH, Beschluss vom 14. September 2010 – 1 StR 422/10, NStZ 2011, 300, 301).
9
bb) Soweit die Angeklagten hinsichtlich der Durchführung und des Abschlusses des Selbstleseverfahrens beanstanden, zwei „wichtige Schriftstücke“ , die Gegenstand der Selbstlesung waren, seien tatsächlich nicht „gelesen“ worden, ist das jeweilige Revisionsvorbringen entgegen den aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO resultierenden Anforderungen in sich widersprüchlich (zur Widerspruchsfreiheit des Revisionsvortrags BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 – 1 StR 607/07, NStZ 2008, 353; Cirener/Herb NStZ-RR 2018, 97). Die Begründungen der auf einen näher bezeichneten Haftungsbescheid eines Finanzamtes, einen Betriebsprüfungsbericht sowie einen Aktenvermerk eines Steuerfahnders bezogenen Rügen zeigen selbst auf, dass das angefochtene Urteil sich mit den vorgenannten Schriftstücken inhaltlich befasst. Das setzt notwendigerweise eine vorherige Kenntnisnahme von diesen Schriftstücken und damit deren Lesen seitens der beteiligten Richter voraus.
10
cc) Als verfahrensfehlerhafte Durchführung und Umsetzung des Selbstleseverfahrens kann zudem von vornherein nicht beanstandet werden, dass das Landgericht Zahlungen der betroffenen Gesellschaften an den Angeklagten – anders als vom Lohnsteueraußenprüfer und im Haftungsbescheid zugrunde gelegt – nicht als Lohn, sondern als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet hat.
11
b) Der an das Vorgenannte anknüpfenden Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO wegen unterbliebener Anhörung des Betriebsprüfers Koc. zu den Gründen, die ihn zur Einordnung als Lohn und nicht als verdeckte Gewinnausschüttung veranlasst haben, mangelt es an einer konkreten Beweisbehauptung. Sie ist deshalb unzulässig.
12
2. Den Rechtsmittelbegründungen lässt sich im Hinblick auf die Angriffsrichtung noch hinreichend eindeutig entnehmen, eine Verletzung von § 261 StPO (Inbegriffsrüge) darin sehen zu wollen, dass das Landgericht die bereits angesprochenen Geldflüsse nicht als Lohnzahlungen an den Angeklagten, sondern als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt hat. Diese Beanstandungen haben in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Inhalt der fraglichen, im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden dem Urteil zutreffend zugrunde gelegt. An die in den fraglichen Urkunden ausgedrückte steuerliche Bewertung der maßgeblichen tatsächlichen Vorgänge durch die Finanzbehörden bzw. deren Bedienstete war es aber gerade nicht gebunden. Vielmehr obliegt es dem zuständigen Strafgericht im Rahmen seiner Vorfragenkompetenz (§ 262 Abs. 1 StPO), eigenständig die steuerrechtliche Beurteilung eines steuerstrafrechtlich bedeutsamen Lebenssachverhalts vorzunehmen (zur Vorfragenkompetenz in Steuerstrafsachen etwa Harms/Heine, in Festschrift für Spindler, 2011, 429, 431). Steuerbescheiden kommt grundsätzlich keine konstitutive Wirkung für die Entstehung eines staatlichen Steueranspruchs und dessen Höhe im einzelnen Fall zu (vgl. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 21 Rn. 114 mwN).
13
Soweit die Revisionen zudem einen Verstoß gegen § 261 StPO in einer vermeintlich unterbliebenen Berücksichtigung des Vermerks der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom 9. August 2016 sehen wollen, hat der Generalbundesanwalt zutreffend die Erfolglosigkeit dieser Rüge aufgezeigt. Dass das Landgericht aus dem fraglichen Vermerk nicht die von den Rechtsmittelführern als richtig erachteten Schlüsse gezogen hat, belegt weder das Zugrundelegen eines unzutreffenden Urkundeninhalts noch eine unterbliebene Kenntnisnahme des fraglichen Vermerks seitens des Tatgerichts.
14
3. Den getroffenen Feststellungen zu den Schuld- und Strafaussprüchen gegen beide Angeklagten liegt eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrunde.
15
4. Dagegen hält die konkurrenzrechtliche Einordnung der Taten durch das Landgericht bezüglich beider Angeklagter lediglich teilweise rechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht hat mehrfach ohne rechtlich tragfähigen Grund hinsichtlich verschiedener Steuerarten und vor allem bezüglich verschiedener Veranlagungszeiträume Tateinheit angenommen.
16
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt im Hinblick auf die Konkurrenz das Folgende:
17
(1) Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) ist grundsätzlich als selbstständige Tat i.S.v. § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann (dennoch) Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch die dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfallen und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (etwa BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 276/04, NJW 2005, 374, 375; Beschlüsse vom 21. März 1985 – 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163, 165 f.; vom 23. Juli 2014 – 1 StR 207/14, wistra 2014, 443 f. und vom 24. Mai 2017 – 1 StR 418/16, NZWiSt 2017, 473 mit Anmerkung Rolletschke; siehe zudem ders./Steinhart NZWiSt 2015, 71 ff. mwN).
18
Dabei wird das Zusammenfallen der Abgabe von mehreren Steuererklärungen (regelmäßig für unterschiedliche Steuerarten und verschiedene Veran- lagungszeiträume) in einem „äußeren Vorgang“ und übereinstimmende unrich- tige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen in den betroffenen Erklärungen ersichtlich als kumulativ erforderliche Voraussetzungen der tateinheitlichen Verwirklichung der Steuerhinterziehung verstanden. Übereinstimmende unrichtige Angaben im Sinne der vorstehend dargestellten Rechtsprechung sollen beispielsweise im Verhältnis von Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung sowie im Verhältnis von Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 418/16, NZWiSt 2017, 473 mwN).
19
(2) Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist im Grundsatz im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten i.S.v. § 53 StGB auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluss, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen. Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (siehe nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 276/04, NJW 2005, 374, 375 mwN).
20
b) Bereits bei Anlegung dieser Maßstäbe bestehen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen tateinheitlicher Begehung der Steuerhinterziehung in den Fällen B.II.2.a), B.II.2.b), B.III.2.a) und B.IV.1. der Urteilsgründe. Ob die vom Landgericht herangezogenen Erwägungen zum Vorliegen übereinstimmender unrichtiger Angaben über die Besteuerungsgrundlagen (UA S. 65) diese Voraussetzung tateinheitlicher Begehung zu tragen vermögen, bedarf jedoch keiner Vertiefung. Denn der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Tateinheit bei der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO insoweit nicht mehr fest, als bei mehreren Steuererklärungen deren Abgabe durch „eine körperliche Handlung“ gleichzeitig erfolgt. Das bloße zeitlicheZusammenfallen der Abgabe von mehreren Steuererklärungen, die rechtlich nicht miteinander verknüpft sind, in einem äußeren Akt kann Tateinheit i.S.v. § 52 StGB nicht begründen.
21
aa) Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiellrechtlich Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Tateinheit in diesem Sinne ist gegeben, wenn die tatbestandlichen, mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzenden Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind (BGH, Beschluss vom 21. März 1985 – 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163, 165 mit Bezugnahme u.a. auf RG, Urteil vom 28. April 1899 – Rep. 1158/99, RGSt 32, 137, 138 f.; BGH, Beschluss vom 11. November 1976 – 4 StR 266/76, BGHSt 27, 66, 67). Dagegen begründen eine einheitliche Zielsetzung des Täters, ein übereinstimmender Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks Tateinheit ebenso wenig (BGH, Beschluss vom 21. März 1985 – 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163, 165 mwN) wie das bloße Zusammenfallen von zwei Tatbeständen, bei denen der Täter den einen Tatbestand lediglich gelegentlich der anderen Tat verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 210/10, juris Rn. 16).
22
bb) Eine für die Begründung von Tateinheit erforderliche Teilidentität der Ausführungshandlungen ist bei Abgabe mehrerer Steuererklärungen für verschiedene Steuerarten und verschiedene Veranlagungszeiträume durch einen äußeren Akt, etwa des Versendens per Post in einem Brief, hinsichtlich der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich nicht gegeben. Die Tathandlung besteht in diesen Fällen darin, dass der Täter gegenüber Finanz- oder anderen Behörden steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Die steuerliche Erheblichkeit wird angesichts des notwendig steuerrechtsakzessorischen Charakters der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) durch die jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Bestimmungen geprägt (vgl. nur Klein/Jäger, AO, 13. Aufl., § 370 Rn. 5). Regelmäßig aber auch für die hier verfahrensgegenständlichen Steuerarten beziehen sich die steuerlich erheblichen Tatsachen allein auf einen bestimmten Veranlagungszeitraum und auf eine Steuerart, soweit nicht – wie etwa beim Solidaritätszuschlag bezüglich der Einkommen- oder Körperschaftsteuer – eine Erklärung und Festsetzung zusammen mit den vorgenannten Hauptsteuern erfolgt (Rolletschke/Steinhart NZWiSt 2015, 71). Dem äußeren Vorgang des Versenden bzw. der sonstigen Übermittlung der Erklärung und deren Eingang bei der Behörde kommt für die tatbestandliche Handlung als solche keine Bedeutung zu. Es mangelt daher an einer Teilidentität der Ausführungshandlungen selbst bei Übermittlung mehrerer Erklärungen durch einen einheitlichen äußeren Akt. Das Geschehen erschöpft sich insoweit in einem bloßen zeitlichen Zusammenfallen , das nicht anders als die Tatbegehung gelegentlich der Ausführung einer anderen Tat die Voraussetzungen des § 52 StGB nicht begründet.
23
cc) Der bisherigen Rechtsprechung ist zudem nicht zu Unrecht vorgeworfen worden, zufällig anmutende Ergebnisse hervorzubringen (etwa Rolletschke/ Steinhart NZWiSt 2015, 71). So wäre materiell-rechtlich bei Versendung von drei verschiedenen Steuererklärungen über unterschiedliche Steuerarten und Veranlagungszeiträume in einem Briefumschlag unter den sonstigen Voraussetzungen (übereinstimmende unrichtige Angaben über Besteuerungsgrundlagen ) von Tateinheit auszugehen, bei Übermittlung in jeweils einem gesonder- ten Brief dagegen an sich von Tatmehrheit. Für die Steuerhinterziehung als auf Steuerarten und Veranlagungszeiträume bezogenes Erklärungsdelikt ist die einheitliche oder getrennte Versendung aber ohne jede Bedeutung. Wäre prozessual nicht mehr aufklärbar, ob die verschiedenen Erklärungen getrennt übersandt worden sind, steht aber ihr taggleicher Eingang bei der Behörde fest, müsste nach der Entscheidungsregel in dubio pro reo beurteilt werden, ob die Annahme einer Tat oder mehrerer Taten die für den Angeklagten günstigere Sachverhaltsvariante wäre. Für derartige Zweifelsfragen bleibt kein Raum, wenn bei mehreren Steuererklärungen über mehrere Steuerarten und unterschiedliche Veranlagungszeiträume grundsätzlich von Tatmehrheit auszugehen ist.
24
dd) Der Senat gibt die bisherige Rechtsprechung zur Tateinheit bei der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO daher insoweit auf, als eine Tat i.S.v. von § 52 StGB bei mehreren Steuererklärungen über verschiedene Steuerarten und unterschiedliche Veranlagungszeiträume (und verschiedene Steuerpflichtige) angenommen worden ist, wenn die Abgabe der Erklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt. In diesen Konstellationen liegen vielmehr im Grundsatz mehrere Taten (§ 53 StGB) vor. Diese Änderung kann der Senat ohne eine vorherige Anfrage bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs vornehmen, weil er für Steuerstrafsachen ausschließlich zuständig ist und es sich allein um die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse zwischen mehreren Steuerhinterziehungen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt.
25
c) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergeben sich nach Maßgabe des Vorgenannten für die Fälle B.II.2.a), B.II.2.b), B.III.2.a) – insoweit lediglich den Angeklagten W. Ko. betreffend – und B.IV.1. der Urteilsgründe folgende Schuldsprüche für die Angeklagten :
26
aa) Im Fall B.II.2.a) haben sich beide Angeklagten ungeachtet des gleichzeitigen Eingangs der auf die Veranlagungszeiträume 2007 und 2008 bezogenen, am selben Tag bei dem Finanzamt eingegangenen Unternehmenssteuererklärungen wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig gemacht. Es handelt sich um die Hinterziehung von Körperschaftsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag, weil aufgrund derselben Erklärung festzusetzen) sowie um diejenige von Gewerbesteuer jeweils für die genannten Zeiträume.
27
bb) Im Fall B.II.2.b) liegen wiederum trotz des Eingangs aller Erklärungen über Unternehmenssteuern am selben Tag jeweils sechs vollendete Steuerhinterziehungen (jeweils Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für die Veranlagungszeiträume 2010 – 2012) und zwei versuchte Steuerhinterziehungen (bezüglich des Veranlagungszeitraums 2009) vor.
28
cc) Der Angeklagte W. Ko. hat zudem für die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014 jeweils sowohl Körperschaft- als auch Gewerbesteuer zugunsten der KC hinterzogen. Damit hat er im Fall B.III.2.a) insgesamt vier Steuerhinterziehungen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht.
29
dd) Betreffend ihre Einkommensteuer (Fall B.IV.1.) haben sich die Angeklagten bezüglich der Veranlagungszeiträume 2008, 2009 und 2012 jeweils wegen vollendeter Steuerhinterziehungen und bezüglich der Veranlagungszeiträume 2010 und 2011 wegen versuchten Steuerhinterziehungen strafbar gemacht.
30
ee) Unter Berücksichtigung der rechtsfehlerfreien Schuldsprüche in den Fällen B.III.2.b) und B.IV.2. ändert der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den den Angeklagten W. Ko. betreffenden Schuldspruch dahingehend ab, dass dieser wegen Steuerhinterziehung in 19 Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig ist sowie den die Angeklagte U. Ko. betreffenden Schuldspruch dahingehend, dass diese der Steuerhinterziehung in 13 Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung ebenfalls in vier Fällen schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil die Angeklagten sich gegen die Vorwürfe nicht erfolgreicher als geschehen hätten verteidigen können.
31
5. Die Schuldspruchänderungen bedingen die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen in den Fällen B.II.2.a), B.II.2.b), B.III.2.a) – insoweit lediglich W. Ko. betreffend – und B.IV.1. der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafe hinsichtlich beider Angeklagter.
32
Die übrigen Einzelstrafen sind nicht zu beanstanden. Insbesondere die Berechnung des für die Strafzumessung relevanten Hinterziehungsumfangs enthält keine Rechtsfehler.

III.

33
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es im Fall B.IV.1. der Urteilsgründe hinsichtlich der Einkommensteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) beider Angeklagter für den Veranlagungszeitraum 2008 keine Notwendigkeit für eine Reduktion des sich unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG a.F.; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 1 StR 464/17, NStZ 2018, 345 f.) steuerrechtlich ergebenden Hinterziehungsbetrags für die Strafzumessung gibt. Da der Gesetzgeber mit der für den hier fraglichen Veranlagungszeitraum maßgeblichen Absenkung des Körperschaftsteuersatzes bei der Gesellschaft einerseits sowie der Berücksichtigung lediglich des hälftigen Zuflusses verdeckter Gewinnausschüttungen bei dem Gesellschafter andererseits ohnehin eine Angleichung der Belastung an andere Einkunftsarten angestrebt hat (BGH aaO) und vorliegend das Landgericht bereits bei den Besteuerungsgrundlagen von den Angeklagten günstigen Annahmen ausgegangen ist, ergibt sich kein Bedarf einer Absenkung des sich steuerrechtlich ergebenden Hinterziehungsumfangs für die Strafzumessung.
34
Bezüglich der Veranlagungszeiträume ab 2009 vermag der Senat angesichts der nochmals geänderten Steuerrechtslage (vgl. dazu Madauß, NZWiSt 2013, 207, 210 f.) schon grundsätzlich keine Notwendigkeit einer solchen Reduktion bei der Strafzumessung zu erkennen. Wird – wie vorliegend – eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht der Kapitalertragssteuer unterworfen (vgl. § 32d Abs. 1 Satz 1, § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG), sind die Zuflüsse als Einkommen des Gesellschafters zu werten und mit dem Steuersatz von 25% zu besteuern (siehe Voßkuhl/Klemke, DB 2012, 2248, 2250 mwN). Eine mit verfassungsrechtlichen oder strafrechtlichen Grundprinzipien unvereinbare Doppelbelastung ist bei einer an dem sich auf dieser Grundlage festgestellten Hinterziehungsumfang ausgerichteten Strafzumessung nicht gegeben.
Jäger Cirener Radtke Bär Hohoff BESCHLUSS 1 StR 535/17 vom 19. Dezember 2018 in der Strafsache gegen

wegen Steuerhinterziehung hier: Berichtigung

ECLI:DE:BGH:2018:191218B1STR535.17.0
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2018 beschlossen:
Der Beschluss des Senats vom 22. Januar 2018 wird dahin berichtigt, dass der Angeklagte W. Ko. der Steuerhinterziehung in 21 Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig ist. Die Berichtigung ist zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Januar 1999 – 1 StR 577/98, NStZ-RR 2000,39), da ein offensichtlicher Fehler bei der Zählung der rechtskräftigen Schuldsprüche in den Fällen B.III.2.b.) und B.IV.2. (Randnummer 30 des Senatsbeschlusses ) vorliegt. In beiden Fällen wurde der Angeklagte durch das Landgericht rechtskräftig jeweils nicht nur wegen einer Tat, sondern wegen zwei in Tatmehrheit stehender Taten der Steuerhinterziehung verurteilt. Damit ist der Angeklagte wegen 21 und nicht wegen 19 vollendeten Steuerhinterziehungen verurteilt. RiBVerfG Prof. Dr. Radtke ist aufgrund seines Wechsels an das Bundesverfassungsgericht gehindert, an der Berichtigung des Senatsbeschlusses mitzuwirken. Die Berichtigung ist daher von den verbleibenden vier Richtern vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2018 – 1 StR 201/18 m.w.N.).
Jäger Cirener Bär Hohoff

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 536/16
vom
13. Juli 2017
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
Unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen als mitbestrafte Vortaten einer Steuerhinterziehung
durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 - 1 StR 536/16 - LG Hamburg
in der Strafsache
gegen
1.
ECLI:DE:BGH:2017:130717U1STR536.16.0

2.

alias: alias:

wegen zu 1.: leichtfertiger Geldwäsche zu 2.: Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der am 7. Juni 2017 begonnenen Hauptverhandlung in der Sitzung vom 13. Juli 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Staatsanwalt – in der Verhandlung vom 7. Juni 2017 –, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung vom 8. Juni 2017 – und Staatsanwalt – in der Sitzung vom 13. Juli 2017 – als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung vom 7. Juni 2017 – als Verteidigerin der Angeklagten Y. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 7. Juni 2017 – als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Justizangestellte – in der Verhandlung vom 7. Juni 2017 –, Justizobersekretärin – in der Verhandlung vom 8. Juni 2017 – und Justizangestellte – in der Sitzung vom 13. Juli 2017 – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Januar 2016 betreffend den Angeklagten S. wird verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die hieraus dem Angeklagten S. entstandenen notwendigen Auslagen. 2. Die Revision der Angeklagten Y. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil, soweit es die Angeklagte Y. betrifft, in den Aussprüchen über die Höhe der verhängten Tagessätze und die gewährten Zahlungserleichterungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Steuerhinterziehung in 21 Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, sowie wegen versuchter Steuerhinterziehung in sechs Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es den Angeklagten S. freigesprochen. Die Angeklagte Y. hat das Landgericht wegen leichtfertiger Geldwäsche in 28 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Es hat ihr gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten von je 50 Euro zu zahlen. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten Se. hat das Landgericht wegen 49 Steuerstraftaten und zahlreicher Urkundenfälschungen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verhängt.
2
Die Angeklagte Y. beanstandet mit ihrer Revision allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Mit zu Ungunsten dieser Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung der Angeklagten Y. wegen vorsätzlicher Geldwäsche. Zu Ungunsten des Angeklagten S. beanstandet die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten und ebenfalls vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision den Teilfreispruch sowie, soweit der Angeklagte verurteilt wurde, den Strafausspruch.
3
Die Staatsanwaltschaft hat mit der die Angeklagte Y. betreffenden Revision lediglich zur Tagessatzhöhe Erfolg; die übrigen Rechtsmittel sind insgesamt unbegründet.

I.


4
1. Gegenstände des angefochtenen Urteils sind die Beteiligung der Angeklagten und des nicht revidierenden Mitangeklagten Se. an insgesamt vier Umsatzsteuerhinterziehungssystemen im Tatzeitraum von September 2012 bis November 2014 sowie damit zusammenhängende Geldwäschestraftaten der Angeklagten Y. .
5
2. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
a) Nachdem der Mitangeklagte Se. im Jahr 2011 nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen Steuerstraftaten in die Türkei abgeschoben worden war, reiste er im Januar 2012 als angeblicher bulgarischer Staatsangehöriger unter einem Alias-Namen und mit gefälschten Ausweispapieren wieder nach Deutschland ein, um mit Umsatzsteuerhinterziehungen, die denen seiner Vor- verurteilung gleichgelagert waren, erhebliche Geldmengen zu erlangen. Er trat an den Angeklagten S. heran und erläuterte diesem, dass er wegen Steuerstraftaten verurteilt worden sei, bei denen aber letztlich keiner anderen Person ein Schaden zugefügt worden sei. Se. erklärte dem Angeklagten S. weiter, dass er über ein Modell verfüge, bei dem wiederum keine dritten Personen geschädigt würden, sondern man Geld vom Staat bekäme für Geschäfte, die man tätige. Zugunsten des geschäftlich unerfahrenen Angeklagten S. nahm das Landgericht an, dass ihm der Mitangeklagte Se. zu diesem Zeitpunkt „das Modell“ noch nicht in seinen Details erläutert hatte. Dem Angeklagten S. war allerdings klar, dass es bei diesem Modell letztlich um eine Form der Steuerhinterziehung ging (UA S. 42).
7
Zunächst bat der Mitangeklagte Se. den Angeklagten S. , ihm Bekannte aus seinem Umfeld „zu bringen“, die Firmen gründen sollten, damit er sein „Geschäftsmodell“ umsetzen könne. Nach einer Weile ließ er auch für den An- geklagten S. einen bulgarischen Pass mit einem Alias-Namen erstellen. Erst etwa sechs Wochen vor der am 10. April 2013 erfolgten Gründung der Firma I. GmbH erläuterte Se. dem Angeklagten S. das System der Steuerhinterziehungen in allen Details. Ab diesem Zeitpunkt war S. bewusst, dass alle Rechnungen gefälscht waren und in Wirklichkeit gar keine Geschäfte stattfanden. Ihm war dann klar, dass das System dem Zweck diente, auf der Grundlage von Scheinrechnungen unberechtigt Steuergelder zu erlangen, um den beiden Angeklagten hierdurch eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Der Angeklagte S. trat dem gemeinsamen Tatplan entsprechend unter seinen Alias-Personalien in zwei der vier Tatkomplexe als Geschäftsführer nach außen auf.

8
In keinem der Fälle fanden tatsächliche Geschäfte statt. Die Hinterziehungssysteme basierten jeweils auf der Verwendung von Scheinrechnungen , wobei sämtliche Eingangs- und Ausgangsrechnungen sowie Kontoauszüge gefälscht waren. Das System der Umsatzsteuerhinterziehung funktionierte dergestalt, dass der Mitangeklagte Se. und der Angeklagte S. auf der Basis einer Scheinvertragslage gegenüber den Finanzbehörden der Wahrheit zuwider vorgaben, dass Waren steuerfrei in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union geliefert worden seien. Zugleich begehrten sie den Vorsteuerabzug aus den Scheinrechnungen über den fingierten inländischen Wareneinkauf. Die mit den Taten insgesamt anvisierte Steuerverkürzung betrug 1.336.501,85 Euro. Ausgezahlt wurden jedoch lediglich 997.463,20 Euro.
9
b) Den Angeklagten S. betreffen nur die Tatkomplexe II (St. UG, Umsatzsteuerjahreserklärungen 2012 und 2013 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis September 2014) und III (I. GmbH, Umsatzsteuervoranmeldungen Juni 2013 bis September 2014) mit einer insgesamt angestrebten Steuerverkürzung von 892.122,26 Euro und einer tatsächlich erfolgten Steuervergütung von 638.877,93 Euro. In einigen Fällen ließen der Mitangeklagte Se. und der Angeklagte S. den Finanzbehörden durch gutgläubige Steuerberater vollständig gefälschte Rechnungen vorlegen, um die unberechtigten Steueransprüche (scheinbar) nachzuweisen.
10
Das Landgericht hat die Einreichung unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärungen und -voranmeldungen, die ausnahmslos auf ungerechtfertigte Steuererstattungen abzielten, jeweils als Steuerhinterziehung gewertet (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 18 UStG i.V.m. § 168 AO). Die Fälle, in denen die Finanzbehörden der Auszahlung nicht mehr zustimmten, hat das Landgericht im Hinblick auf § 168 Satz 2 AO als versuchte Steuerhinterziehung abgeurteilt.
11
c) Vom Vorwurf der Urkundenfälschung im Abschnitt VII der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten S. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ihm lag zur Last, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Se. den Finanzbehörden in drei Fällen (September und Dezember 2012 sowie Januar 2013) jeweils zum Beleg von Vorsteuererstattungsansprüchen durch gutgläubige Steuerberater vollständig gefälschte Rechnungen vorgelegt zu haben. Zwar stehe fest, dass die gefälschten Rechnungen vom Angeklagten S. in Absprache mit dem Mitangeklagten Se. über die Steuerberater bei den Finanzbehörden eingereicht worden seien. Der Angeklagte S. habe aber nicht gewusst, dass es sich um gefälschte Rechnungen gehandelt habe (UA S. 132).
12
d) Die Angeklagte Y. hatte den Mitangeklagten Se. bereits im Jahr 1998 im Alter von 18 Jahren kennengelernt und war mit ihm eine Beziehung eingegangen. Spätestens anlässlich von Durchsuchungen im August 2010 erfuhr sie, dass die Finanzierung ihres bisherigen Lebenszuschnitts durch den Angeklagten Se. aus Steuerstraftaten resultierte. Ihr war bewusst, dass Se. umfangreiche Steuerhinterziehungen begangen hatte. Ihre Vorstellung war, dass es sich um einen Hinterziehungsbetrag von etwa 700.000 Euro handelte und Se. gefälschte Rechnungen verwendet hatte. Ihr wurde in dieser Zeit klar, dass das Geld von Se. , von dem auch sie profitiert hatte, nicht aus einer erfolgreichen legalen Geschäftstätigkeit gestammt hatte. Als Se. nach der Strafhaft im Januar 2012 mit gefälschten bulgarischen Ausweispapieren nach Deutschland zurückkam, bat er die Angeklagte, niemandem von dieser neuen Identität zu erzählen. Sie erkannte, dass der Mitangeklagte Se. zu die- ser Zeit über keine Geldmittel verfügte und ließ ihn daher in ihrer Wohnung unterkommen (UA S. 72). In der Folgezeit verschaffte sich Se. ausschließlich durch die Begehung von Steuerstraftaten Geldmittel.
13
Beginnend ab März 2013 nahm die Angeklagte verschiedene Geldbeträge und sonstige Schenkungen des Mitangeklagten Se. entgegen, obwohl es sich für sie aufdrängte, dass diese Gelder aus gewerbsmäßig begangenen Steuerstraftaten stammten. Nur aufgrund von grober Unachtsamkeit hatte sie jeweils keine positive Kenntnis von der deliktischen Herkunft der Gelder und Geschenke. Die Angeklagte hinterfragte deren Herkunft nicht und begnügte sich mit der Information, dass Se. nun mit einer Firma im Bereich der Unternehmensberatung tätig sei. Im Zeitraum von März 2013 bis Mitte November 2014 nahm sie in insgesamt 28 Fällen Geld- und Sachschenkungen entgegen, die jeweils aus Geldbeträgen stammten, die Se. durch gewerbsmäßig begangene Steuerstraftaten erlangt hatte. Die Geldschenkungen verwendete die Angeklagte für Kautions- und Mietzahlungen sowie für die Tilgung ihrer Altschulden. Der Gesamtwert der Schenkungen, die das Landgericht nicht aufaddiert hat, betrug mehr als 53.000 Euro.
14
Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Angeklagte an den Steuerstraftaten der Mitangeklagten Se. und S. mitgewirkt hatte (UA S. 88 ff.). Es konnte sich ebenfalls nicht davon überzeugen, dass die Angeklagte hinsichtlich der Herkunft der von ihr als Schenkung angenommenen Gegenstände aus Katalogtaten gewerbsmäßig begangener Steuerdelikte vorsätzlich gehandelt hatte. Das Landgericht hat deshalb die Handlungen der Angeklagten jeweils als leichtfertige Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 5 StGB gewertet.

II.


15
Revision der Angeklagten Y.
16
Das Rechtsmittel der Angeklagten Y. ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
17
1. Der Schuldspruch wegen leichtfertiger Geldwäsche in 28 Fällen gemäß § 261 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 und 2, § 53 StGB wird von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen.
18
a) Die Geldbeträge und sonstigen Gegenstände, welche die Angeklagte als Schenkungen entgegennahm, rührten aus gewerbsmäßig vom Mitangeklagten Se. begangenen Taten der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) als Katalogtaten der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b StGB) her. Eine Beteiligung der Angeklagten an den Vortaten (vgl. § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB) hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint (UA S. 88 ff.).
19
b) Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen , dass die Angeklagte leichtfertig im Sinne des § 261 Abs. 5 StGB handelte (UA S. 101 ff.).
20
Leichtfertigkeit in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn sich die Herkunft des Gegenstands aus einer Katalogtat nach der Sachlage geradezu aufdrängt und der Täter gleichwohl handelt, weil er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder großer Unachtsamkeit außer Acht lässt (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158 und vom 24. Juni 2008 – 5 StR 89/08, wistra 2008, 424 mwN).
21
Das Landgericht hat sich hier auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtschau der vorhandenen Beweismittel rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der Angeklagten die deliktische Herkunft der Geschenke und des von ihr entgegengenommenen Bargelds nur aufgrund grober Unachtsamkeit verborgen geblieben war. Es durfte sich dabei insbesondere darauf stützen, dass die Angeklagte Kenntnis von der Vorstrafe des Mitangeklagten Se. wegen Steuerstraftaten hatte und wusste, dass er bereits im Januar 2012 unter Alias-Namen und gefälschten Ausweispapieren aufgetreten war und weder über Geld noch Einnahmequellen verfügte. Auch durfte das Landgericht berücksichtigen, dass der Angeklagten bekannt war, dass der Mitangeklagte Se. ab Spätsommer 2012 auf einmal wieder über Geld verfügte und ihr im März/April 2013 sogar erhebliche Geldbeträge zur Tilgung von Altschulden zur Verfügung stellen konnte, obwohl er im geschäftlichen Verkehr nur unter Alias-Namen in Erscheinung trat und nach seinen vorherigen Steuerstraftaten über keine Einnahmequelle mehr verfügt hatte. Zudem war das Landgericht nicht gehindert, in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, dass die Angeklagte keine Details dazu angeben konnte, aufgrund welcher geschäftlicher Tätigkeiten der Angeklagte plötzlich wieder über erhebliche Geldbeträge verfügte, obwohl sie sich eingelassen hatte, der Mitangeklagte Se. sei nun im Bereich der „Finanz- und Unternehmensberatung“ tätig, wobei es sich um ein „kontinuierliches langsames Wachstum gehandelt habe“ (UA S. 104). Schließlich durfte das Landgericht auch berücksichtigen, dass die Angeklagte trotz ihrer vorherigen einschneidenden Erfahrungen mit dem Mitangeklagten Se. gerade keine Nachfragen zur Herkunft des Geldes stellte (UA S. 105).
22
2. Auch der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Durch die Festsetzung der Tagessatzhöhe auf 10 Euro ist die Angeklagte jedenfalls nicht beschwert.

III.


23
Revision der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagte Y.
24
Die zu Ungunsten der Angeklagten Y. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat nur zur Tagessatzhöhe Erfolg. Soweit die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten Y. wegen vorsätzlicher Geldwäsche erstrebt , ist das Rechtsmittel unbegründet.
25
1. Im Rahmen der Abgrenzung der Leichtfertigkeit vom bedingten Vorsatz hat das Landgericht zutreffende Maßstäbe zugrunde gelegt. Es hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Leichtfertigkeit eine gravierende Form bewusster oder unbewusster Fahrlässigkeit ist, wobei individuelle Fähigkeiten und Kenntnisse des Täters zu berücksichtigen sind (UA S. 101 mit Hinweis auf BT-Drucks. 12/989 S. 28). Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hält es leichtfertiges Verhalten dann für gegeben, wenn sich die Herkunft des Gegenstandes aus einer Katalogtat des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB nach der Sachlage geradezu aufdrängt und der Täter dennoch handelt, weil er dies aus grober Unachtsamkeit oder Gleichgültigkeit außer Acht lässt (UA S. 101).
26
2. Auf dieser Grundlage ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei.
27
a) Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lü- ckenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 22. November 2016 – 1 StR 329/16, NStZ-RR 2017, 47; vom 21. April 2016 – 1 StR 629/15, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 43; vom 11. Februar 2016 – 3 StR 436/15 und vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148, jeweils mwN).
28
b) Rechtsfehler enthält die Beweiswürdigung auch zur subjektiven Tatseite nicht.
29
Insbesondere hat das Landgericht nicht verkannt, dass vorsätzliche Geldwäsche sowohl in den Tatbestandsvarianten des § 261 Abs. 1 StGB als auch denen des § 261 Abs. 2 StGB hinsichtlich der Herkunft des Gegenstandes lediglich bedingten Tatvorsatz erfordert (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. August 2012 – 2 StR 42/12, wistra 2013, 19; LK-StGB/Schmidt/Krause, 12. Aufl., § 261 Rn. 21; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 261 Rn. 40). Aus der Erwägung des Landgerichts, die Beweiswürdigung habe nicht ergeben, dass die An- geklagte „über den Vorwurf der Leichtfertigkeithinaus positive Kenntnis davon hatte, dass die Gelder aus gewerbsmäßig begangenen Steuerstraftaten“ des Se. stammten (UA S. 112), ergibt sich nichts Gegenteiliges. Vielmehr hat das Landgericht mit dieser Erwägung lediglich ausgeschlossen, dass bei der Angeklagten hinsichtlich der Herkunft der von ihr erlangten und aus Katalogtaten herrührenden Vermögenswerte direkter Tatvorsatz vorlag.
30
Insgesamt ist das Landgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagten die deliktische Herkunft der Geschenke und des ihr übergebenen Bargelds nur aufgrund grober Unachtsamkeit verborgen geblieben ist (UA S. 101). Hierbei hat das Landgericht zugleich zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht vom Vorliegen des auch beim bedingten Tatvorsatz erforderlichen voluntativen Elements des Vorsatzes überzeugen konnte. Gerade weil hier der Angeklagten die deliktische Herkunft aufgrund grober Unachtsamkeit verborgen geblieben ist, hat sie eine solche Möglichkeit auch nicht billigend in Kauf genommen.
31
c) Die Rüge, die Beweiswürdigung zum Tatvorsatz sei deshalb lückenhaft , weil die Angeklagte irrig ein Herrühren der ihr vom Mitangeklagten Se. aus einer anderen Katalogtat der Geldwäsche als gewerbsmäßig begangener Steuerhinterziehung (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b StGB) angenommen und schon deshalb mit Vorsatz gehandelt haben könnte (vgl. dazu BeckOK StGB/Ruhmannseder, Stand: 1. Mai 2017, § 261 Rn. 56 mwN), dringt nicht durch. Zwar weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, dass auch gewerbsmäßig begangene Taten der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) als Katalogtaten der Geldwäsche in Betracht kommen (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a StGB) und dass mittelbare Vorteile für die Annahme gewerbsmäßigen Handelns ausreichen können, wenn die Taten dazu dienen sollen, durch andere vom Täter oder Dritten beabsichtigte Straftaten Gewinne zu erzielen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 – 4 StR 190/15, NStZ 2016, 28 und vom 1. Juni 2015 – 4 StR 21/15, NStZ 2015, 540, jeweils mwN). Ein Erörterungsmangel des Landgerichts liegt insoweit gleichwohl nicht vor, weil das Landgericht das Wissen der Angeklagten Y. , dass der Mitangeklagte Se. nunmehr geschäftlich unter einer bulgarischen Identität und mit gefälschten Papieren auftreten wollte, sein Verhalten auf Verdeckung und Täuschung ausgelegt war und dies nicht den Ein- druck erwecken konnte, er sei im Begriff sich ein „legales Leben“ aufzubauen, im Rahmen der Beweiswürdigung zum subjektiven Tatbestand eingehend gewürdigt hat (UA S. 103). Es ist nicht zu besorgen, das Landgericht könnte diese Umstände im Hinblick auf weitere daneben in Betracht kommende Katalogtaten aus dem Blick verloren haben.
32
d) Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite ist auch nicht deshalb lückenhaft, weil das Landgericht nicht erörtert hat, ob die Angeklagte im Hinblick auf die erhaltenen Schenkungen bewusst Anzeigepflichten gegenüber den Finanzbehörden aus § 30 Abs. 1 ErbStG verletzt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 – 1 StR 405/14 Rn. 40, BGHSt 60, 188). Zwar könnte insoweit steuerunehrliches Verhalten der Angeklagten Rückschlüsse darauf zulassen, ob die Angeklagte von einer inkriminierten Herkunft der Vermögenswerte , die sie vom Mitangeklagten Se. erhalten hat, ausgegangen ist. Für einen bewussten Verstoß der Angeklagten gegen eigene steuerliche Erklärungspflichten bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Das Landgericht musste sich daher auch nicht gedrängt sehen, diese Möglichkeit im Rahmen der Beweiswürdigung zu erörtern. Eine diesbezügliche Aufklärungsrüge hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.
33
3. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen leichtfertiger Geldwäsche in 28 Fällen (s.o. unter II. 1.); vorsätzliches Handeln belegen sie nicht.
34
4. Mit Ausnahme der Festsetzung der Tagessatzhöhe auf nur 10 Euro weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf.
35
a) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt sich unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (§ 40 Abs. 2 Satz 1 StGB). Dabei ist grundsätzlich vom Nettoeinkommen auszugehen, das der Täter an einem Tag hat oder haben könnte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB). Jedoch erschöpft sich die Bestimmung der Tagessatzhöhe nicht in einem mechanischen Rechenakt, sondern es handelt sich um einen wertenden Akt richterlicher Strafzumessung, der dem Tatrichter Ermessensspielräume hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Faktoren belässt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2017 – 1 StR 147/17 Rn. 7 mwN). Dabei ist das Einkommen ein rein strafrecht- licher Begriff, welcher die Einkünfte aus allen Einkunftsarten umfasst. Erfasst werden nicht nur Einnahmen in Form von Geldleistungen; auch Unterhalts- und Sachbezüge oder sonstige Naturalleistungen sind zu berücksichtigen (BGH aaO mwN).
36
Von den anzurechnenden Einnahmen abzuziehen sind damit zusammenhängende Ausgaben, wie etwa Werbungskosten und Betriebsausgaben sowie Sozialversicherungsbeiträge. Außergewöhnliche Belastungen sind in der Regel ebenfalls zu berücksichtigen, Unterhaltsverpflichtungen nur in angemessenem Umfang (BGH aaO Rn. 9 mwN).
37
b) Dem Tatrichter steht gemäß § 40 Abs. 3 StGB hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen für die Tagessatzhöhe eine Schätzungsbefugnis zu, sofern entweder der Angeklagte keine oder unrichtige Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht, deren Ermittlung zu einer unangemessenen Verzögerung des Verfahrens führen würde oder der erforderliche Aufwand nicht im Verhältnis zur Höhe der Geldstrafe stehen würde (vgl. BGH aaO Rn. 10).
38
c) Die nach pflichtgemäßem Ermessen vorgenommene Wertung des Tatrichters bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe ist vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters ausreichend festgestellt und in rechtsfehlerfreier Weise berücksichtigt sind. Sofern der Tatrichter Bemessungsgrundlagen schätzt (§ 40 Abs. 3 StGB), müssen allerdings die Urteilsgründe die konkreten tatsächlichen Grundlagen der Schätzung ausreichend darlegen, um eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2003 – 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657, 658 mwN).

39
d) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die vom Landgericht vorgenommene Schätzung der Tagessatzhöhe keinen Bestand haben.
40
Bereits die Annahme des Landgerichts, der Angeklagten stünde monatlich ein Betrag von 675 Euro zur Verfügung, ist anhand der in den Urteilsgründen angegebenen Schätzungsgrundlagen nicht nachvollziehbar. Selbst wenn man aber diesen Betrag als monatliches Nettoeinkommen der Angeklagten ansetzen würde, ergäbe sich ein deutlich höherer Tagessatz als die vom Landgericht festgesetzten 10 Euro.
41
Zwar durfte das Landgericht bei der hohen Tagessatzanzahl von 180 Tagessätzen eine Senkung des Tagessatzes vornehmen, um der progressiven Steigerung des Strafübels entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1976 – 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325, 331; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 40 Rn. 24 mwN). Eine Verringerung der Tagessatzhöhe auf weniger als die Hälfte des sich ausgehend vom Nettoeinkommen ergebenden Tagessatzes hätte jedoch einer besonderen Begründung bedurft, an der es hier fehlt. Bei besonders einkommensschwachen Personen darf eine nicht in der Höhe gegenüber dem Nettoeinkommensprinzip korrigierte Geldstrafe nicht dazu führen, dem Täter das zum Leben unerlässliche Minimum an Einkommen zu entziehen (vgl. MüKoStGB /Radtke, 3. Aufl., § 40 Rn. 85). So verhält es sich hier indes nicht, weil das Landgericht der Angeklagten nach § 42 StGB Zahlungserleichterungen in Form einer Ratenzahlung mit niedrigen Raten eingeräumt hat.
42
e) Mit Aufhebung des Ausspruchs über die Tagessatzhöhe verlieren auch die der Angeklagten eingeräumten Zahlungserleichterungen ihre Grundlage und sind ebenfalls aufzuheben.

IV.


43
Revision der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten S.
44
Die den Angeklagten S. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
45
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Teilfreispruch und, soweit der Angeklagte S. verurteilt wurde, den gesamten Strafausspruch beschränkt. Eine weitere Beschränkung des Anfechtungsumfangs hinsichtlich der Einzelstrafen liegt nicht vor, weil der Angeklagte S. nur in den von der Staatsanwaltschaft zur Beschränkung des Rechtsmittels benannten Fällen 9, 10, 10.1 und 11 bis 35 der Urteilsgründe verurteilt wurde.
46
2. Der Teilfreispruch hat Bestand.
47
a) Eine Verletzung der Kognitionspflicht hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 2012 und 2013 im Tatkomplex II betreffend die St. UG liegt nicht vor. Zwar hat das Landgericht diese Umsatzsteuervoranmeldungen neben den Umsatzsteuerjahreserklärungen nicht ausdrücklich in den Blick genommen. Deren Unrechtsgehalt wäre jedoch durch die abgeurteilten Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2012 und 2013 mitbestraft und würde deshalb keine eigenständige Verurteilung mehr rechtfertigen.
48
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung ebenso wie das pflichtwidrige Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung zunächst lediglich zu einer Steuerhinterziehung „auf Zeit“; erst die Abgabe einer unrichti- gen Umsatzsteuerjahreserklärung oder die pflichtwidrige Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung bewirkt die endgültige Steuerverkürzung, d.h. die Verkürzung „auf Dauer“ (vgl. Urteil vom 17. März2009 – 1 StR 627/08 Rn. 33, BGHSt 53, 221, 228 mwN). Dabei kommt nach dieser Rechtsprechung der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) im Verhältnis zu den vorangegangenen unzutreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen in demselben Kalenderjahr (§ 18 Abs. 1 UStG) in steuerstrafrechtlicher Hinsicht ein selbständiger Unrechtsgehalt zu. Zwar beziehen sich die Voranmeldungen und die Jahreserklärung auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen des jeweiligen Jahres. Beiden Arten von Steuererklärungen kommt nach dieser Rechtsprechung jedoch ein eigenständiger Erklärungswert zu, der auch durch die Zusammenfassung in der Jahreserklärung nicht deckungsgleich wird. Bei der Verkürzung von Umsatzsteuern durch Voranmeldungen einerseits und durch die entsprechende unrichtige Jahreserklärung desselben Kalenderjahres andererseits handele es sich deshalb um materiellrechtlich selbständige Taten im Sinne des § 53 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 – 5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 362; Urteile vom 12. Januar 2005 – 5 StR 271/04, wistra 2005, 145, 146 und vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08 Rn. 28, BGHSt 53, 221, 226; jeweils mwN).
49
Dies gilt nach dieser Rechtsprechung selbst dann, wenn sich die Hinterziehungsbeträge aus den Umsatzsteuervoranmeldungen einerseits und der Umsatzsteuerjahreserklärung andererseits im Ergebnis decken. Begründet wird dies damit, dass sich die Voranmeldungen und die Jahreserklärung auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen des jeweiligen Jahres beziehen. Die unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärung schaffe auch neues Erfolgsunrecht, indem sie eine eigenständige Gefährdung für das Umsatzsteueraufkommen herbeiführe. Sie sei daher auch nicht mitbestrafte Nachtat, wenn der Täter sich bereits wegen Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen strafbar gemacht habe (vgl. BGH aaO Rn. 29, BGHSt 53, 221, 227). Dem Umstand, dass die umsatzsteuerlichen Pflichten zur Abgabe für das jeweilige Kalenderjahr eng verzahnt seien und im Ergebnis der Durchsetzung desselben Steueranspruchs dienten, sei bei gleichzeitiger Aburteilung im Rahmen der Gesamtstrafenbildung Rechnung zu tragen. Im Hinblick auf die Teilidentität im Unrechtsgehalt zwischen unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen und der dasselbe Jahr betreffenden Jahreserklärung werde aber das Tatgericht im Regelfall – schon aus Gründen der Vereinfachung – in Verfahren dieser Art gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Verfolgung entweder auf die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung oder die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen beschränken können (vgl. BGH aaO Rn. 32, BGHSt 53, 221, 228 mwN).
50
bb) Seine bisherige Rechtsprechung entwickelt der Senat weiter und präzisiert sie dahingehend, dass das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortat ist.
51
(1) Eine mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn im Verlauf eines deliktischen Geschehens verschiedene Angriffsobjekte beeinträchtigt werden, die konkrete Sachverhaltsgestaltung aber ergibt, dass das Schwergewicht des Unrechts nur unter dem Gesichtspunkt des nachfolgenden Delikts zu behandeln ist (vgl. MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl., Vor § 52 Rn. 59). Dies ist insbesondere bei Durchgangsdelikten gegeben, deren Unrechtsgehalt deshalb nicht über den der „Haupttat“ hinausgeht, weil er sich darin erschöpft, einen intensi- veren Angriff auf dasselbe Rechtsgut vorzubereiten (vgl. SternbergLieben /Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 127; LK- StGB/Rissing-van Saan, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 150; von HeintschelHeinegg aaO).
52
(2) So verhält es sich auch hier. Die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung ist regelmäßiges Durchgangsstadium, um mit einer unrichtigen Jahreserklärung eine Steuerverkürzung auf Dauer zu erreichen. Denn nach den Erfahrungen aus den Revisionsverfahren des Senats machen Täter, die auf Dauer Umsatzsteuern hinterziehen wollen, regelmäßig bereits in den Umsatzsteuervoranmeldungen unrichtige Angaben und wiederholen diese dann in der Jahreserklärung, um keinen Steuerforderungen der Finanzverwaltung ausgesetzt zu sein. In der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung liegt damit auch das Schwergewicht des Unrechts. Dem steht nicht entgegen, dass es möglich ist, zunächst in den Umsatzsteuervoranmeldungen zutreffende und erst in der Jahreserklärung unrichtige Angaben zu machen, um Steuern zu hinterziehen. Da somit der Unrechtsgehalt unrichtiger Voranmeldungen durch die Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung mitbestraft ist, wenn die unrichtigen Angaben aus den Voranmeldungen darin wieder enthalten sind, bedarf es der in früheren Entscheidungen, die nicht von Gesetzeskonkurrenz ausgehen, angeregten Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO (s.o.) nicht.
53
cc) Im Hinblick auf die Besonderheiten des Umsatzsteuerrechts handelt es sich bei einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung im Verhältnis zu unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen desselben Kalenderjahres nicht um eine mitbestrafte Nachtat.
54
Dem steht nicht entgegen, dass einige Umstände für die Annahme einer mitbestraften Nachtat sprechen könnten (vgl. Grommes, NZWiSt 2017, 201, 202). So dient etwa dem Täter die Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung häufig nur noch der „Sicherung“ des finanziellen Vorteils, den er bereits auf- grund unrichtiger Voranmeldungen für sich oder einen anderen erzielt hat, und nicht mehr der Vertiefung des bereits entstandenen Unrechts (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 – 5 StR 271/04, wistra 2005, 145). Auch handelt es sich bei einer Umsatzsteuervoranmeldung um eine eigenständige Steueranmeldung (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO) und nicht lediglich um die Abwicklung einer Vorauszahlung im Hinblick auf die Umsatzsteuerjahreserklärung (vgl. Raudszus in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, 150. Lfg., 2010, § 18 Abs. 1-4 Rn. 94). Die steuerlichen Verfahren betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen einerseits und die Umsatzsteuerjahreserklärung andererseits sind steuerrechtlich selbständig und können sich zeitlich überschneiden (vgl. Leonard in Bunjes, UStG, 16. Aufl., § 18 Rn. 23). Dabei löst die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer die Vorauszahlungsfestsetzungen für die zukünftige sachlichrechtliche Behandlung des Steueranspruchs ab, ohne die Steuerfestsetzung für die Voranmeldungszeiträume aufzuheben oder zu ändern und ohne Aussagen über ihre materielle Richtigkeit zu treffen. Auch wird die Fälligkeit rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen durch die Fälligkeit eines sich eventuell aus der Jahreserklärung ergebenden Unterschiedsbetrages zu Gunsten des Finanzamts nicht berührt (§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG, vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08 Rn. 26, BGHSt 53, 221, 225 f. sowie Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand April 2015, § 18 Rn. 73 und Grommes aaO). Auf der anderen Seite ist ein sich gegebenenfalls aus einer Umsatzsteuervoranmeldung ergebender Überschuss nach Zustimmung des Finanzamts (§ 168 Satz 2 AO) als Erstattungsbetrag ohne besonderen Antrag auszuzahlen; er ist nicht auf die Jahreserklärung vorzutragen (vgl. BGH aaO).
55
Gleichwohl wird der Unrechtsgehalt einer unrichtigen Jahreserklärung von demjenigen vorangehender unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen (auch in der Summe) nicht vollständig erfasst. Denn bei der Umsatzsteuer han- delt es sich um eine Jahressteuer für das Kalenderjahr, die aufgrund der Umsatzsteuerjahreserklärung erstmalig festgesetzt wird und deren endgültige Verkürzung damit erst aufgrund der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung eintreten kann, auch wenn das für die Erhebung der Umsatzsteuer erforderliche Leistungsgebot gemäß § 18 Abs. 4 UStG auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem Vorauszahlungssoll und der für das Kalenderjahr festgesetzten Steuer beschränkt ist (vgl. Raudszus aaO Rn. 76). Selbst wenn durch unrichtige Voranmeldungen bereits der Nominalbetrag der Steuer verkürzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221), bewirken diese zunächst nur eine Steuerverkürzung „auf Zeit“ (s.o., vgl. BGH aaO Rn. 33, BGHSt 53, 221, 228; Jäger in Klein, AO, 13. Aufl., § 370 Rn. 387).
56
Der Unrechtsschwerpunkt in solchen Konstellationen liegt auch nicht etwa deshalb bei den unrichtigen Voranmeldungen, weil bereits aufgrund dieser die Verkürzung bzw. unrechtmäßige Vergütung von Steuern bewirkt wird und der Steuerhinterzieher somit den von ihm erstrebten wirtschaftlichen Vorteil bereits aufgrund der Voranmeldungen erlangt (so aber Grommes, NZWiSt 2017, 201, 202). Zwar sind bei der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung nach falschen Voranmeldungen Ähnlichkeiten zu der beim Sicherungsbetrug bestehenden Situation gegeben, bei dem ein bereits erlangter Vorteil durch eine weitere Tat dauerhaft gesichert wird. Auch stünde die bloße zusammenfassende Sicherung der durch mehrere Taten erlangten Vorteile der Annahme einer bloßen Sicherungstat nicht entgegen (vgl. Grommes aaO S. 202/203). Der Unrechtsschwerpunkt liegt gleichwohl deswegen bei der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung, weil erst durch sie die Umsatzsteuer als Jahressteuer zusammenfassend festgesetzt wird. Dem steht nicht entgegen, dass es sich beim Voranmeldungsverfahren um ein selbständiges Anmeldever- fahren handelt, dessen Rechtswirkungen über die Jahreserklärung hinaus bestehen bleiben.
57
Für das konkurrenzrechtliche Verhältnis von unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen und unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres ergeben sich auch keine Unterschiede in Abhängigkeit davon, ob der Täter aufgrund falscher Angaben in den Voranmeldungen zunächst nur Liquidität erreichen wollte oder ob er von Anfang an auf Dauer Steuern verkürzen wollte. Bleibt der Hinterziehungsumfang durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung hinter demjenigen unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen zurück, kann darin eine strafbefreiende Teilselbstanzeige liegen (vgl. § 371 Abs. 2a Satz 1 und 4 AO).
58
b) Soweit das Landgericht den Angeklagten S. vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen hat (Abschnitt VII der Urteilsgründe, UA S. 130 ff.), hält die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.
59
aa) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 – 1 StR 595/15, NStZ 2017, 167; vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, wistra 2016, 78; vom 1. Juli 2008 – 1 StR 654/07 und vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, wistra 2008, 398; jeweils mwN).
60
bb) Solche Rechtsfehler liegen hier nicht vor. Auch zur subjektiven Tatseite ist die Beweiswürdigung nicht lückenhaft.
61
Der AngeklagteS. hatte sich eingelassen, er habe bei Einreichung der Rechnungen jeweils keine Kenntnis davon gehabt, dass diese gefälscht gewesen seien. Insbesondere habe er zu diesen Zeitpunkten nicht gewusst, dass das System auf gefälschten Rechnungen basiert habe. Er sei vielmehr bei der Einreichung der Rechnungen jeweils noch von einer „normalen Steuerhinterziehung“ ausgegangen. Erst etwa sechs Wochen vor der Gründung der Firma I. GmbH habe ihm der Mitangeklagte Se. das gesamte „System der Umsatzsteuerhinterziehung“ umfassend beschrieben (UA S. 84).
62
Das Landgericht hat diese Einlassung nicht mit der erforderlichen Sicherheit für widerlegbar gehalten und ist zugunsten des Angeklagten S. davon ausgegangen, dass er bei Einreichung dieser Rechnungen keine Kenntnis davon gehabt hatte, dass es sich um gefälschte Rechnungen handelte (UA S. 132). Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich mit allen wesentlichen Umständen auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 – 3 StR500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Insbesondere hat es in den Blick genommen, dass der Angeklagte von einer „normalen Steuerhinterziehung“ ausging, bei der Einnahmen nicht oder nicht vollständig versteuert werden. Zwar traten sowohl der Mitangeklagte Se. als auch der Angeklagte S. unter Alias-Personalien auf und verwendeten gefälschte Ausweise. Hieraus musste das Landgericht jedoch nicht zwingend schließen, der Angeklagte S. sei auch von der Verwendung gefälschter Rechnungen bei der Begehung der Steuerstraftaten ausgegangen. Ob das Revisionsgericht diesen Umstand anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte, ist revisionsrechtlich ohne Bedeutung. Schließlich besorgt der Senat auch nicht, das Landgericht könnte verkannt haben, dass für die Begehung von Urkundsdelikten bedingter Tatvorsatz ausreichend ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 1999 – 3 StR 68/99, NStZ 1999, 619, 620; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 267 Rn. 41; jeweils mwN).
63
3. Der Strafausspruch hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
64
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11 Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15 Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteile vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11 Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15 Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107).
65
b) Rechtsfehler sind auch insoweit nicht gegeben.
66
Soweit beanstandet wird, das Landgericht habe sowohl bei der Zumessung der Einzelstrafen als auch bei der Gesamtstrafenbildung der Strafzumes- sung lediglich die „tatsächlich ausgezahlten Beträge“ zugrunde gelegt (UA S. 118), wird für die vorliegende Fallkonstellation ein Rechtsfehler nicht aufgezeigt. Zwar sind im Rahmen der Strafzumessung nicht lediglich die zu Unrecht als Steuervergütungen ausgezahlten Beträge zu berücksichtigen, wenn der Hinterziehungsumfang der Taten diese Beträge übersteigt, weil zugleich die Umsatzsteuer aus Ausgangsrechnungen verkürzt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, wistra 2013, 67). Sind aber alle Umsätze – also sowohl die Eingangs- als auch die Ausgangsumsätze – fingiert, darf der Tatrichter in der Strafzumessung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Steuerfiskus hierdurch im Ergebnis nur in der Höhe der Differenz der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge und der Umsatzsteuer auf die ebenfalls vorgetäuschten Ausgangsumsätze, mithin im Umfang der Erstattungsbeträge (vgl. § 370 Abs. 4 Satz 2 AO), geschädigt ist. So verhält es sich auch hier. Dem steht nicht entgegen, dass auch die in den unrichtigen Ausgangsrechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geschuldet wird. Anderes kann dann gelten, wenn die unrichtigen Ausgangs- rechnungen den Scheinrechnungsempfängern zum unberechtigten Vorsteuerabzug dienen sollen. Dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte.
67
Die Strafzumessung hält auch im Übrigen rechtlicher Nachprüfung stand. Der Senat besorgt nicht, das Landgericht könnte die vom AngeklagtenS. aus den Taten erlangten wirtschaftlichen Vorteile (UA S. 43, 82) im Rahmen der Strafzumessung aus dem Blick verloren haben. Den Umstand, dass sich die Taten über einen Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahren erstreckten, hat das Landgericht im Rahmen der Gesamtstrafenbildung ausreichend berücksichtigt (UA S. 125). Trotz der hier vorliegenden systematischen Hinterziehung von Umsatzsteuer unter Einschaltung mehrerer Gesellschaften mit erheblichen Hinterziehungsbeträgen , die das Landgericht beim Mitangeklagten Se. mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten geahndet hat, löst sich – insbesondere angesichts der vom Landgericht aufgezeigten Besonderheiten des Falles, der Person und Lage des nicht vorbestraften Angeklagten S. , seiner Rolle im Tatgeschehen sowie seines Verhaltens im Ermittlungsverfahren (UA S. 121 f.) – auch die Höhe der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.

V.


68
Die Entscheidungen über die Kosten der erfolglosen Revisionen beruhen auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Raum Graf Jäger
RinBGH Dr. Hohoff ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Radtke Raum

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so werden dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.

(2) Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus.

(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.

(4) Sind die Maßregeln erschöpft, so können sie in demselben oder in einem anderen Verfahren, das dieselbe Tat zum Gegenstand hat, nicht wiederholt werden.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 544/09
vom
2. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 und 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und W. gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008 wird das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe eingestellt. Im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und W. werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen , dass
a) schuldig sind aa) der Angeklagte B. der Steuerhinterziehung in dreizehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung , bb) der Angeklagte W. der Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung und
b) der Angeklagte W. in den Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von ei- nem Jahr verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe entfällt. 3. Die Angeklagten B. und W. haben die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. 4. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte F. der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen dahin abgeändert, dass der Angeklagte F. aa) betreffend die Fälle F 3 und F 4 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe entfällt; bb) in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wird,
c) im Gesamtstrafausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
5. Die weitergehende Revision des Angeklagten F. wird als unbegründet verworfen. 6. Über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten F. ist zugleich mit der Entscheidung über die Gesamtstrafe zu befinden.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten, den Angeklagten W. wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten F. wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge und zahlreiche Verfahrensrügen gestützten Revisionen. Diese haben den aus dem Tenor ersichtlichen, geringfügigen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet.

A.

3
I. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
Die Angeklagten B. und W. waren gemeinsam im Bereich des Direktvertriebs tätig und erzielten dort erhebliche Gewinne. Sie gründeten eine Reihe von letztlich nur formalrechtlich existierenden Firmen, die sie zentral - auch über eine Holdinggesellschaft - steuerten und beherrschten. Spätestens im Jahr 1999 kamen die Angeklagten B. und W. - nach Beratung durch den Angeklagten F. und unter dessen Mitwirkung - überein, dieses Firmenkonglomerat zur Steuerhinterziehung zu nutzen. Sie vereinbarten, die erzielten Gewinne durch Nichtabgabe von Steuererklärungen und vor allem durch die Geltendmachung von Scheinrechnungen systematisch der Besteuerung zu entziehen. In Ausführung dieses Plans veranlassten die Angeklagten B. und W. jeweils die Auszahlung der in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Beträge und machten diese Beträge, die sie nach Abzug einer von den Rechnungsausstellern einbehaltenen Provision jeweils „schwarz und in bar“ zurückerhielten , bei den auszahlenden Firmen in voller Höhe als Betriebsausgaben steuermindernd geltend. Ihre sich hieraus ergebenden Einnahmen verschwiegen die Angeklagten in ihren Einkommensteuererklärungen ebenso wie weitere Einnahmen.
5
II. Das Landgericht hat die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen jeweils als „verdeckte Gewinnausschüttung“ gewertet. Auf der Ebene der Gesellschaften hat es deshalb eine gewinnmindernde Berücksichtigung verneint und auf dieser Basis die durch die unrichtigen Steuererklärungen hinterzogenen Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuern ermittelt. Die Strafverfolgung war dabei auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen den Angeklagten schon aus ihrer formalrechtlichen Stellung heraus die Abgabe zutreffender Steuererklärungen oblag. Hinsichtlich der Einkommensteuerhinterziehung hat das Landgericht bei den Angeklagten B. und W. die aufgrund von Scheinrechnungen abgeflossenen Beträge als in voller Höhe der Einkommen- steuer unterliegend angesehen und hieraus die Höhe der verkürzten Steuern bzw. erstrebten Steuerverkürzungen berechnet.

B.

6
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
7
I. Die Taten sind nicht verjährt. Auch in dem allein den Angeklagten B. betreffenden Fall B 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2000) ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten.
8
Im Fall der unterlassenen Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung beginnt die Verfolgungsverjährung mit Ablauf der Erklärungsfrist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 344/08, wistra 2009, 189 mwN). Die hier somit am 31. Mai 2001 begonnene Verjährung wurde vor Verjährungseintritt durch den Durchsuchungsbeschluss vom 12. April 2006 unterbrochen. Der in einem sehr frühen Verfahrensstadium ergangene Beschluss nennt die Veranlagungszeiträume (1999 bis 2005), die Steuerarten (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer , Gewerbesteuer und Einkommensteuer) und die jeweils gleichartige Tatbegehung (Kapitaltransfer zum Zwecke der Steuerhinterziehung mit oder ohne Verwendung unrichtiger Belege). Der Durchsuchungsbeschluss, der auch die von der Durchsuchung - und damit vom Tatverdacht - betroffenen Firmen angab, war daher geeignet, die von der Verjährungsunterbrechung betroffenen Taten von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen, auf die sich die Verfolgung nicht bezog, zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 214 f.; BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 - 3 StR 94/00, NStZ 2001, 191). Der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden erstreckte sich von Anfang an auf sämtliche später abgeurteilte Taten.
Eine Beschränkung des Verfolgungswillens auf einzelne Taten, welche Auswirkungen auf die Reichweite der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Durchsuchungsbeschlusses haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2008 - 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205; Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 4 StR 279/07, NStZ 2008, 214; Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213), ist nicht gegeben.
9
II. Der Grundsatz der Spezialität steht der strafrechtlichen Verfolgung des in Spanien festgenommenen und von dort ausgelieferten Angeklagten W. nicht entgegen.
10
1. Die Revision des Angeklagten W. macht in diesem Zusammenhang Folgendes geltend: Der der Auslieferung zugrunde liegende Haftbefehl des Amtsgerichts Wetzlar vom 27. April 2006 sei zu unbestimmt; er sei erst nach Auslieferung des Angeklagten W. neu gefasst und konkretisiert worden. Die abgeurteilten Taten würden von der auf dem ebenso zu unbestimmten Europäischen Haftbefehl gründenden Auslieferungsbewilligung nicht erfasst. Weder der Angeklagte noch die spanischen Auslieferungsbehörden hätten auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Eine nachträgliche Genehmigung zur Verfolgung der abgeurteilten Taten sei ebenfalls nicht erfolgt.
11
2. Der Spezialitätsgrundsatz ist nicht verletzt. Die abgeurteilten Taten sind von dem im Europäischen Haftbefehl bezeichneten Lebenssachverhalt umfasst. Es bedarf deshalb hier keiner Erörterung, ob aus § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG, der Art. 27 Abs. 3 Buchst. c des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1 ff.) wortgleich umsetzt, folgt, dass sich aus einer Verletzung des Spezialitätsgrund- satzes kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis ergibt (so EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, NStZ 2010, 35 mit Anm. Heine). Der Angeklagte W. wurde wegen keiner von der Auslieferungsbewilligung nicht erfassten „anderen“ verurteilt.
12
a) Der dem Spezialitätsgrundsatz zugrunde liegende Tatbegriff umfasst den gesamten mitgeteilten Lebenssachverhalt, innerhalb dessen der Verfolgte einen oder mehrere Straftatbestände erfüllt haben soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 1977 - 4 ARs 8/77, BGHSt 27, 168, 172 mwN; Vogler in Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 11 IRG Rn. 14). Im Rahmen dieses historischen Vorgangs sind die Gerichte des ersuchenden Staates nicht gehindert, die Tat abweichend rechtlich oder tatsächlich zu würdigen, soweit insofern ebenfalls Auslieferungsfähigkeit besteht (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 22/03, NStZ 2003, 684; Urteil vom 11. Januar 2000 - 1 StR 505/99, NStZ-RR 2000, 333; Urteil vom 6. März 1985 - 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318; Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 177/86, NStZ 1986, 557; Schomburg/Hackner in Schomburg/Lagodny, IRG, 4. Aufl. § 72 Rn. 20; Vogler aaO § 11 Rn.15 f.).
13
b) Eine Änderung in der Rechtsauffassung berührt die Hoheitsinteressen des um Auslieferung ersuchten Staates regelmäßig nicht. Dementsprechend steht der - vor allem dem Schutz dieser Interessen dienende - Spezialitätsgrundsatz etwa einer Verurteilung wegen Einzeltaten anstelle einer im Auslieferungsersuchen angenommenen fortgesetzten Handlung nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1995 - 1 StR 18/95, NStZ 1995, 608). Das Gleiche gilt, wenn das Strafgesetz später geändert wird (hier etwa durch Aufhebung des Verbrechenstatbestandes des § 370a AO), ebenso, wenn der den Haftbefehl erlassende Richter anstatt von Tatmehrheit rechtsfehlerhaft von einer Verknüpfung der Taten im Sinne einer Handlungseinheit ausgegangen ist, sofern die dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen dem Auslieferungsersuchen zu entnehmen sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 1989 - 1 StR 296/89, NStZ 1989, 526).
14
c) Der Begriff der „anderen Tat“ im Sinne des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG knüpft allein an die Beschreibung der Straftat in der Auslieferungsbewilligung, diese wiederum an den Europäischen Haftbefehl an. Eine „andere Tat“ liegt nicht vor, wenn sich die Angaben im Europäischen Haftbefehl und diejenigen im späteren Urteil hinreichend entsprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, aaO; BGH, Beschluss vom 24. September 2010 - 1 StR 373/10). Dies ist hier der Fall.
15
Der Umstand, dass der dem Auslieferungsersuchen und der Auslieferungsbewilligung zugrunde liegende Haftbefehl im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens - verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend - eine dem jeweiligen Ermittlungsstand angepasste Konkretisierung erfahren hat, lässt hier die Identität der Tat unberührt. Die Strafverfolgung wurde dadurch nicht auf andere Taten gerichtet. Sämtliche abgeurteilten Taten sind nach Art des Delikts (Steuerhinterziehung), den betroffenen Steuerarten, den jeweiligen Veranlagungszeiträumen und der Begehungsweise identisch mit den im Europäischen Haftbefehl umrissenen Teilakten des dort beschriebenen Lebenssachverhalts.
16
d) Auch der Umstand, dass einzelne nach deutschem Recht als selbständige Taten zu wertende Teilakte des im Auslieferungsersuchen geschilderten Gesamtgeschehens sich auf Verkürzungsbeträge beziehen, deren Höhe - isoliert betrachtet - nach spanischem Recht für eine Ahndung als Steuerhinterziehung nicht ausreichen könnte (vgl. Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuchs [Gesetz Nr. 10/1995 vom 23. November 1995 - BOE Nr. 281 vom 24. November 1995, S. 33987 ff.]), begründet keinen Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz.
17
Unabhängig von der Höhe der jeweiligen Steuerverkürzung handelt es sich bei den Delikten der Art nach um Steuerhinterziehungsdelikte im Sinne der Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuches. Zwar gehören Fiskaldelikte zu den Straftaten, bei denen in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI nicht auf das Erfordernis der gegenseitigen Strafbarkeit verzichtet wurde. Hieraus ergibt sich allerdings gemäß Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 des Spanischen Gesetzes Nr. 3/2003 vom 14. März 2003 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren (BOE Nr. 65 vom 17. März 2003, S. 10244 ff.) nur ein fakultatives Auslieferungshindernis.
18
Von der Möglichkeit, die Auslieferung abzulehnen, hat Spanien vorliegend keinen Gebrauch gemacht. Mit der Bewilligung der Auslieferung auf der Grundlage des dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Europäischen Haftbefehls und des dort geschilderten Lebenssachverhalts haben die spanischen Behörden zum Ausdruck gebracht, dass die Auslieferung für die Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung unabhängig von der Höhe der im Rahmen einzelner Teilakte des Geschehens hinterzogenen Steuer bewilligt wird. Dem im Europäischen Haftbefehl geschilderten Lebenssachverhalt war für alle am Verfahren Beteiligten klar zu entnehmen, dass einzelne Steuerhinterziehungshandlungen mit Steuerverkürzungen in noch nicht genau bekannter Höhe zu Grunde liegen.

C.

19
Die von den Angeklagten erhobenen, teilweise inhaltsgleichen, teilweise sich überschneidenden Verfahrensrügen decken keine den Bestand des Urteils gefährdenden Rechtsfehler auf. Sie bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig sind, sind sie jedenfalls unbegründet. Ergänzend bemerkt der Senat:
20
I. Bei der Erhebung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel enthaltenden Tatsachen vollständig, zutreffend, schriftlich (in die Begründungsschrift eingefügte Kopien, die nicht hinreichend lesbar sind, genügen dem nicht, vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, NJW 1985, 443) und insgesamt innerhalb der sich aus § 345 Abs. 1 StPO ergebenden Revisionsbegründungsfrist anzubringen.
21
Insbesondere dann, wenn sich der Verfahrensgang - wie hier - durch eine kaum zu überblickende Anzahl von Anträgen der Verteidigung auszeichnet, die sich auf umfangreiche Anlagen beziehen, sich teilweise wiederholen und zum Teil auf andere Anträge oder Beschlüsse Bezug nehmen, kann die Revision nicht von ihrer sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Pflicht entbunden werden, die (und nur die) auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005, NJW 2005, 1999, 2001; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 38 mwN).
22
Neuer Tatsachenvortrag nach Fristablauf im Rahmen von Gegenerklärungen (§ 349 Abs. 3 StPO) kann die Unzulässigkeit innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht zulässig erhobener Verfahrensbeanstandungen nicht mehr nachträglich beseitigen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 1 StR 530/09, wistra 2010, 312; BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 3 StR 431/08, NStZ 2009, 168; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 66).
23
1. Die für den Angeklagten W. mit Schriftsätzen vom 4. Juni 2009 erhobenen Verfahrensrügen sind schon deshalb unzulässig, weil zu diesem Zeitpunkt für diesen Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Die Frist des § 345 Abs. 1 StPO beginnt für jeden Angeklagten gesondert in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an ihn bzw. seine Verteidiger (Hanack in LR-StPO, 25. Aufl. § 345 Rn. 4; Wiedner in BeckOK-StPO, § 345 Rn. 5). Wird das Urteil mehreren Empfangsberechtigten zugestellt, beginnt die Frist grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 - 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221). Dies ist hier bezüglich des Angeklagten W. für den 28. April 2009 nachgewiesen. Die Revisionsbegründungsfrist wurde für den Angeklagten W. weder dadurch erneut in Gang gesetzt, dass seinen Verteidigern das Urteil vorsorglich (mit ausdrücklichem Hinweis auf einen allein den Angeklagten B. betreffenden, möglichen Zustellungsmangel) zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zugestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2006 - 4 StR 286/06, NStZ 2007, 53; Beschluss vom 17. März 2004 - 2 StR 44/04, NStZ-RR 2005, 261; Urteil vom 27. Oktober 1977 - 4 StR 326/77, NJW 1978, 60), noch dadurch, dass eine erste wirksame Zustellung des Urteils an den Ver- teidiger des Angeklagten B. möglicherweise erst für den 4. Mai 2009 belegt ist.
24
2. Für die Rüge, ein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO abgelehnt worden, folgt aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge (ebenso wie bei Ablehnung eines Beweisantrags wegen Prozessverschleppungsabsicht, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Juni 1986 - 3 StR 10/86, NStZ 1986, 519, 520) auch sein eigenes prozessuales Verhalten wiedergeben muss, soweit es nach dem Inhalt des beanstandeten Beschlusses für die Entscheidung mitbestimmend war. Dem steht nicht entgegen, dass hiermit - wie auch sonst - verlangt wird, dass mit dem Revisionsvorbringen auch solche Umstände vorgetragen werden müssen, die der erhobenen Rüge den Boden entziehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - 1 StR 484/08, BGHSt 52, 355, 357; weitere Nachweise bei Cirener, NStZ-RR 2010, 97, 100).
25
Diesen Anforderungen genügt der Revisionsvortrag der Angeklagten B. und W. zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 26a StPO nicht. Die Beschwerdeführer haben - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - nicht mitgeteilt, dass den Befangenheitsanträgen vorausgehend fortlaufende, teilweise inhaltsgleiche und ganze Geschäftsverteilungspläne enthaltende Rügen und Anträge dazu geführt haben, dass mit der Verlesung der Anklage erst im Laufe des 7. Hauptverhandlungstages begonnen werden konnte, während die Verteidigung gleichzeitig mit einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründete Anträge auf Aufhebung der Haftbefehle gestellt hat.
26
3. Bei dem Vortrag der für die revisionsgerichtliche Überprüfung bedeutsamen Verfahrenstatsachen darf sich die Revision nicht auf die Mitteilung sol- cher Tatsachen oder Dokumente beschränken, die Gegenstand der Hauptverhandlung waren bzw. die dem Verteidiger zugestellt wurden. Das Begründungserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umfasst - soweit zur Beurteilung des Revisionsvorbringens erforderlich - alle dem Beschwerdeführer zugänglichen Tatsachen. Hierzu gehört jedenfalls der gesamte Akteninhalt, in den Einsicht zu nehmen die Vorschrift des § 147 StPO dem Verteidiger gestattet. Werden zur Revisionsrechtfertigung herangezogene Tatsachen entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzutreffend dargestellt, ist eine darauf gestützte Verfahrensrüge ebenfalls unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 - 2 StR 203/05, NStZ 2006, 55, 56).
27
a) Die Revision des Angeklagten B. rügt, § 261 StPO sei dadurch verletzt worden, dass zur Feststellung von Zahlungsflüssen bestimmte Kontoauszüge nicht verlesen worden seien. Sie teilt jedoch nicht mit, dass Kontoverdichtungen und diesen zugrunde liegende Buchungstexte (mithin „Kontounterlagen“ im Sinne der Urteilsgründe) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. Die Rüge ist daher unzulässig.
28
Die Aufklärungsrüge des Angeklagten B. , mit der er die unzureichende Aufklärung gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse geltend macht (§ 244 Abs. 2 StPO), enthält eine falsche Tatsachenbehauptung und ist schon deswegen unzulässig. Entgegen der Revisionsrechtfertigung, die sich insbesondere darauf stützt, ein Handelsregisterauszug der S. AG sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden, wurde ein solcher Handelsregisterauszug am 11. Verhandlungstag verlesen (Protokollband Bl. 59 ff.).
29
Auf beides hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung hingewiesen.
30
b) Die von den Angeklagten B. und W. erhobene Rüge einer „Verletzung der §§ 244 Abs. 2, 244 Abs. 3 und 244 Abs. 5 StPO“, mit der sie beanstanden, das Landgericht habe die Einvernahme dreier Auslandszeugen zu dem Rechnungen der Schweizer Firma S. betreffenden Sachverhalt zu Unrecht abgelehnt, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
31
aa) Die Verfahrensrüge ist bereits nicht zulässig erhoben.
32
Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: Am 64. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung unter anderem unter Bezugnahme auf eine von ihr wörtlich mitstenographierte Zeugenaussage vom 21. Verhandlungstag, Verantwortliche der Firma S. zu einem auf insgesamt acht Seiten näher beschriebenen Beweisthema zu vernehmen. Ohne auf den späten Zeitpunkt der Beweisantragstellung einzugehen (was im Rahmen einer Entscheidung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO möglich gewesen wäre, vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, NJW 2005, 300, 304), lehnte es die Strafkammer mit Beschluss vom selben Tag ab, die benannten Auslandszeugen zu vernehmen, da deren Einvernahme unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses keinen Erkenntnisgewinn brächte. Es könne im Rahmen einer Bewertung der zu erwartenden Aussagen nicht außer Betracht bleiben, dass Verantwortliche der Firma S. den Versuch unternommen hätten, sich durch ihren Rechtsbeistand, den Schweizer Rechtsanwalt Dr. P. , verdeckt Erkenntnisse aus dem Gang der Hauptverhandlung zu verschaffen. Dr. P. sei von der Verteidigung als technischer Experte für Datensicherungsfragen vorgestellt worden, seine Berufsstellung als Rechtsanwalt und seine vertragliche Beziehung zur Firma S. , die sich aus einer Werbeaussage ergebe, sei dabei indes verheimlicht worden.
33
Die Revision rügt, aus den von der Strafkammer herangezogenen Umständen könne nicht darauf geschlossen werden, Rechtsanwalt Dr. P. solle die Interessen der Firma S. wahren. Sie unterlässt es indes entgegen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, das in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft genannte, in den Akten befindliche Schreiben der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug mitzuteilen, aus dem sich explizit ergibt, dass Rechtsanwalt Dr. P. der Rechtsbeistand der Firma S. ist.
34
bb) Auch einen sachlichrechtlichen Mangel in der Beweiswürdigung deckt die erhobene Verfahrensbeanstandung nicht auf. Der von der Strafkammer gezogene Schluss, dass Rechtsanwalt Dr. P. die Interessen der Firma S. wahrnahm, ist nicht zu beanstanden. Er ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Die Strafkammer hat auch nicht ein Verhalten der Angeklagten oder ihrer Verteidiger bewertet, sondern Schlüsse aus einem aktenkundig gemachten Verhalten Dritter auf die Glaubwürdigkeit und das Geschäftsgebaren von Zeugen gezogen. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die Rolle Dr. P. s als Interessenvertreter der S. durfte daher sowohl bei der Entscheidung über den Beweisantrag als auch im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogen werden.
35
II. Die Verfahrensrügen, mit denen die Gerichtsbesetzung als fehlerhaft beanstandet wird (§ 338 Nr. 1, 2, 3 und 5 StPO), greifen nicht durch. Sie wären jedenfalls unbegründet. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
36
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und W. rügen die Besetzung der Strafkammer mit dem zunächst als Ergänzungsrichter berufenen RiLG L. (§ 338 Nr. 1 StPO).
37
a) Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde: Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts für das Jahr 2007 sah vor, dass im Falle des § 192 Abs. 2 GVG zur Teilnahme an der Hauptverhandlung als Ergänzungsrichter RiLG Dr. B. , VRiLG S. und VPräsLG R. in dieser Reihenfolge berufen sind, bei Verhinderung des an sich berufenen Richters der Nächstberufene an seine Stelle tritt und gleiches gilt, wenn ein Richter im Geschäftsjahr bereits einmal herangezogen wurde.
38
Der Vorsitzende hatte zunächst die Zuziehung (nur) eines Ergänzungsrichters angeordnet. Nachdem RiLG Dr. B. gegen den im Zusammenhang mit der Terminierung dieses Verfahrens stehenden Widerruf seiner Urlaubsbewilligung Widerspruch eingelegt und eine beisitzende Richterin ihre Schwangerschaft angezeigt hatte, ordnete der Vorsitzende die Zuziehung eines weiteren Ergänzungsrichters an. Zu dem für den 25. Oktober 2007 anberaumten Hauptverhandlungstermin meldete sich RiLG Dr. B. kurz vor Terminsbeginn telefonisch dienstunfähig erkrankt; der weitere Ergänzungsrichter, VRiLG S. , erschien. Nach Aufruf der Sache, Feststellung des soeben Gesagten, Anhörung der Verfahrensbeteiligten und Beratung hierzu wurde das Verfahren durch Gerichtsbeschluss ausgesetzt und neuer Termin für den 8. November 2007 bestimmt. Am selben Tag ordnete der Vorsitzende die Zuziehung von drei Ergänzungsrichtern an. Dies veranlasste das Präsidium des Landgerichts, am 29. Oktober 2007 den Geschäftsverteilungsplan dahingehend zu ändern, dass zum weiteren Ergänzungsrichter RiLG L. bestimmt wurde, in der Reihenfolge nach den bereits namentlich bestimmten. Hierüber wurden die Verteidiger der Angeklagten unterrichtet. Die Besetzung des Gerichts wurde dahingehend bekannt gegeben, dass an der Hauptverhandlung nunmehr RiLG Dr. B. , VPräsLG R. und RiLG L. als Ergänzungsrichter mitwirkten. Am 8. November 2007 teilte der Vorsitzende nach Aufruf der Sache mit, dass sich RiLG Dr. B. erneut kurz vor dem Termin telefonisch dienstunfähig erkrankt gemeldet habe. In der Besetzung mit zwei Ergänzungsrichtern, VPräsLG R. und RiLG L. , nahm das Gericht sodann einen maschinenschriftlich vorberei- teten Antrag der Verteidigung auf amtsärztliche Untersuchung von RiLG Dr. B. sowie die Rüge, das Gericht sei hinsichtlich der Zahl der Ergänzungsrichter unvollständig besetzt, entgegen, bevor der Vorsitzende schriftlich (zu Protokoll) die Anordnung auf Zuziehung eines dritten Ergänzungsrichters aufhob. Es folgten Befangenheitsanträge und Besetzungsrügen. Die Dienstunfähigkeit von RiLG Dr. B. wurde noch am 8. November 2007 amtsärztlich festgestellt. Am dritten Hauptverhandlungstag schied eine Beisitzerin aus, an ihre Stelle rückte VPräsLG R. , der am darauf folgenden Hauptverhandlungstag krankheitsbedingt ebenfalls ausscheiden musste. Der an seine Stelle tretende RiLG L. wirkte sodann am Verfahren bis zur Urteilsverkündung mit.
39
Die Revision ist der Auffassung, der Geschäftsverteilungsplan enthalte schon hinsichtlich der Ergänzungsrichterregelung keine abstrakt-generelle Regelung , im Übrigen sei dessen nachtägliche Änderung unzulässig. Sie führe - wie auch die anderen aus Sicht der Revision willkürlichen Entscheidungen zur Gerichtsbesetzung (Bestimmung der Anzahl der Ergänzungsrichter, Aussetzung , unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der einzelnen Ergänzungsrichter ) - zu einer nicht mehr nach allgemeinen Kriterien vorhersehbaren, sondern nur auf den Einzelfall bezogenen Zuweisung von RiLG L. .
40
b) Die Besetzungsrüge wäre jedenfalls unbegründet. Die sich aus der plötzlichen Verhinderung mehrerer Richter ergebende Situation hat die vom Landgericht getroffenen Entscheidungen über die Gerichtsbesetzung erforderlich gemacht; sie sind sachlich gerechtfertigt und rechtsfehlerfrei.
41
Eine Besetzungsrüge gemäß § 338 Nr. 1 StPO könnte ohnehin nur dann Erfolg haben, wenn der in Rede stehenden Besetzung eine - hier nicht gegebene - willkürliche Verletzung der einschlägigen Bestimmungen zu Grunde liegen würde (vgl. BVerfGE 23, 288, 320). Von Willkür kann aber nur die Rede sein, wenn sich die Entscheidung über die Gerichtsbesetzung so weit von dem die Bestimmungen über die Besetzung des Gerichts beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Schon eine nur vertretbare Beantwortung einer Zweifelsfrage zur zutreffenden Gerichtsbesetzung verstößt aber weder gegen den sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anspruch auf Mitwirkung des gesetzlichen Richters, noch wird dadurch eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts i.S.v. § 338 Nr. 1 StPO herbeigeführt (vgl. BVerfGE 29, 45, 48; BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476, 477 mwN).
42
aa) Über die Erforderlichkeit der Zuziehung von Ergänzungsrichtern und deren Anzahl entscheidet gemäß § 192 Abs. 2 GVG der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988, BGHSt 35, 366, 368; Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 7; Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 192 GVG Rn. 4a), wobei er sich an einer ihm bekannt werdenden - nicht notwendigerweise konstanten - Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ergänzungsfalls orientieren wird. Neben dem Umfang des Verfahrens und dessen zu erwartender Dauer können auch in der Person eines Beteiligten liegende Umstände eine solche Wahrscheinlichkeit begründen; diese hat der Vorsitzende in den Blick zu nehmen. Tritt ein weiterer solcher Umstand hinzu (hier z.B. die Schwangerschaft einer Richterin oder die Erkrankung des RiLG Dr. B. mit zunächst unbekannter Ursache) oder entfällt ein solcher, ist es zulässig und sachgerecht, die Anzahl der erforderlichen Ergänzungsrichter anzupassen. Hieraus leitet sich auch das Recht des Vorsitzenden ab, die Anordnung auf Zuziehung eines Ergänzungsrichters jederzeit zu widerrufen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 9).
43
Gemessen hieran ist auch die Entscheidung, den für den 25. Oktober 2007 angesetzten Termin nach Bekanntwerden der Krankmeldung des Ergänzungsrichters RiLG Dr. B. nicht bereits vor Aufruf der Sache abzusetzen, rechtsfehlerfrei. Sie beinhaltet die schlüssige und auch in dieser Form zulässige Abänderung der Anordnung über die Zahl der hinzuzuziehenden Ergänzungsrichter. Angesichts der Unklarheiten bezüglich der Erkrankung des RiLG Dr. B. war es auch nicht objektiv willkürlich, was allein die Annahme einer fehlerhaften Gerichtsbesetzung (§ 338 Nr. 1 StPO) stützen könnte, zunächst (was hier ebenfalls formlos möglich war, vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 - 2 StR 250/88, NJW 1989, 1681; BGH, Urteil vom 24. Juli 1990 - 5 StR 221/89, NJW 1991, 51) vom Vorliegen eines Ergänzungsfalls auszugehen , dies aber - mit Blick auf den gesetzlichen Richter - wie geschehen sodann zur Erörterung zu stellen und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot und die mit einem Verfahren mit mehreren Verteidigern verbundenen Schwierigkeiten einer Terminsfindung war dies sachgerecht.
44
Ebenso wenig vermag die - nach Ausbleiben eines immerhin möglichen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 222b Rn. 3; Gmel in KK-StPO, 6. Aufl., § 222b Rn. 3; Ritscher in BeckOK-StPO, § 222b Rn. 7) Verzichts auf den Besetzungseinwand getroffene - Entscheidung, das Verfahren mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen auszusetzen, die Revisionsrüge, das Gericht sei im dann neu anberaumten Termin fehlerhaft besetzt gewesen, zu begründen. Es ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens bereits nicht ersichtlich , dass der Vorsitzende hier willkürlich gehandelt haben könnte, etwa um bewusst auf die (nachfolgende) Gerichtsbesetzung Einfluss zu nehmen. Überdies war die Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, ebenfalls sachgerecht.
45
In der Annahme, das Gericht sei mit VRiLG S. am 25. Oktober 2007 fehlerhaft besetzt, konnte an diesem Tag keine andere Entscheidung getroffen werden, als diejenige, das Verfahren auszusetzen. Auch eine erneute Aufstockung der Zahl der Ergänzungsrichter in laufender Verhandlung (was wegen der unklaren Erkrankungslage des RiLG Dr. B. angezeigt war) wäre nach bereits erfolgtem Aufruf der Sache mit Blick auf § 226 StPO nicht mehr in Betracht gekommen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 5).
46
Die Aussetzung des am 25. Oktober 2007 begonnenen Verfahrens mit einem Neubeginn innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 StPO begegnete - auch im Lichte des Anspruchs der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) - selbst dann keinen durchgreifenden Bedenken, wenn man annähme, die Strafkammer sei mit VRiLG S. als einzigem Ergänzungsrichter am 25. Oktober 2007 objektiv richtig besetzt gewesen. Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei (BGH, Urteil vom 9. August 2007 - 3 StR 96/07, NStZ 2008, 113).
47
Das Entscheidungsermessen entfiel hier auch nicht dadurch, dass ein neuer Hauptverhandlungstermin innerhalb der Frist des § 229 Abs. 2 StPO bestimmt werden konnte. Vielmehr entsprach es dem Gebot der Beschleunigung, zumal in Haftsachen, eine neue Hauptverhandlung möglichst bald anzusetzen, nachdem sich die Hauptverhandlung am 25. Oktober 2007 für die Strafkammer als nicht zweifelsfrei in dieser Form durchführbar erwiesen hatte. Für die Frage, ob eine Aussetzung zulässig ist, kann nicht allein die Dauer bis zum nächstmöglichen Termin maßgeblich sein (vgl. zu diesem Gesichtspunkt aber Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 228 Rn. 2). Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit den Regelungen in § 217 Abs. 2, § 246 Abs. 2, § 265 Abs. 3 und Abs. 4 StPO, die für Situationen eine Aussetzung vorschreiben oder zulassen, in denen das Gericht unter Beachtung des Beschleunigungsgebots nicht gehindert ist, innerhalb der sich aus § 229 Abs. 2 StPO ergebenden Unterbrechungsfrist neu zu terminieren. Auch sonst wird die Annahme eines richterlichen Ermessens für die Entscheidung zwischen Unterbrechung und Aussetzung der Vielfalt denkbarer Geschehensabläufe, die eine nachträgliche Umterminierung bedingen können, besser gerecht als eine starre Zeitgrenze, ohne dass dadurch schützenswerte Interessen der Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt wären.
48
bb) Mit Aufruf der Sache am 25. Oktober 2007 begann die Hauptverhandlung , § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dies hatte zur Folge, dass der an dieser Hauptverhandlung teilnehmende VRiLG S. - unabhängig davon, ob seine Mitwirkung fehlerhaft war oder nicht - im Geschäftsjahr 2007 im Gegensatz zu RiLG Dr. B. bereits einmal als Ergänzungsrichter herangezogen worden war und daher nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht neuerlich als Ergänzungsrichter herangezogen werden konnte.
49
cc) Vor diesem Hintergrund ist auch die nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans nicht zu beanstanden. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Limburg für das Jahr 2007 enthält eine hinreichend abstrakte Regelung zur Frage, welcher Richter im nicht vorhersehbaren Fall der Notwendigkeit eines Ergänzungsrichters heranzuziehen ist. Der Umstand, dass - anders als im Vorjahr - mehr als drei Ergänzungsrichter erforderlich sein würden, war nicht absehbar. Durch die - ermessensfehlerfreie - Anordnung der Hinzuziehung eines weiteren, nicht bereits durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2007 „verbrauchten“ Ergänzungsrichters war eine unvorhersehbare Regelungslücke im Geschäftsverteilungsplan entstanden, die das Präsidium des Landgerichts in entsprechender Anwendung des § 21e GVG zu schließen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1981 - 3 StR 88/81, NStZ 1981, 489).
50
dd) Hinsichtlich der dienstunfähig gewordenen Beisitzerin und des erkrankten VPräsLG R. lag jeweils ein Verhinderungsfall vor, bei dem ein Ergänzungsrichter für den verhinderten Richter einzutreten hatte (vgl. § 192 Abs. 2 GVG). Aber auch hinsichtlich des erstberufenen Ergänzungsrichters, RiLG Dr. B. , lag am 8. November 2007 ein Verhinderungsfall vor, da dieser Richter an diesem Tag - amtsärztlich attestiert - bereits erneut erkrankt und absehbar längerfristig unfähig war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Hiervon durfte der Vorsitzende angesichts der Besonderheiten des Falles jedenfalls ausgehen. Damit trat an die Stelle von RiLG Dr. B. der nächstberufene Ergänzungsrichter , an dessen Stelle wiederum der in der Reihe nachfolgende. Die Mitwirkung von RiLG L. an Hauptverhandlung und Urteil erweist sich nach alledem als zutreffend, keinesfalls aber als willkürlich.
51
2. Neben dieser Besetzungsrüge haben die Revisionen aller Angeklagten eine dienstliche Stellungnahme von RiLG L. zu einem mit dem Anstaltsseelsorger des Angeklagten W. auf dessen Wunsch geführten Gespräch zum Anlass genommen, anzunehmen, RiLG L. sei gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen. Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 2 StPO) ist ebenfalls unbegründet.
52
Das Wissen, das ein Richter während des Laufs eines anhängigen Verfahrens dienstlich erlangt und durch eine dienstliche Erklärung in die Hauptverhandlung einbringt, macht den Richter nicht zum Zeugen. Eine Vernehmung als Zeuge wäre ein unzulässiges Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO; es entzöge dem Angeklagten den gesetzlichen Richter (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - 3 StR 89/93, NJW 1993, 2758).
53
3. Die Besetzungsrüge des Angeklagten W. , der Vorsitzende sei gemäß § 22 Nr. 1 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen (§ 338 Nr. 2 StPO), ist bereits nicht zulässig erhoben, weil sie den Inhalt der hierzu abgegebenen dienstlichen Erklärungen nicht vorträgt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie wäre auch unbegründet:
54
Der Vorsitzende hat gemäß § 183 GVG die Äußerung eines Verteidigers, es sei dem Angeklagten unzumutbar, sich mit den Richtern in einem Raum aufzuhalten , zu Protokoll genommen. Diese Äußerung wurde Gegenstand einer Strafanzeige durch den Landgerichtspräsidenten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war der Vorsitzende damit nicht als Verletzter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen. Straftat im Sinne des § 22 Nr. 1 StPO kann nur eine solche sein, die Prozessgegenstand des anhängigen Verfahrens ist. Andernfalls läge es in der Hand eines jeden Angeklagten, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 2 BvR 1639/94, NJW 1996, 2022).
55
4. Die behauptete Überlassung von Teilen der Anklageschrift an die Schöffen könnte für sich allein eine Besorgnis der Befangenheit weder gegenüber den Berufsrichtern noch gegenüber den Schöffen begründen (vgl. EGMR, Urteil vom 12. Juni 2008 - 26771/03, NJW 2009, 2871; zur Zulässigkeit der Überlassung von Aktenteilen an Schöffen vgl. auch BGH, Urteil vom 26. März 1997 - 3 StR 421/96, BGHSt 43, 36). Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) des Angeklagten B. kann schon deswegen nicht erfolgreich sein.
56
5. Die auf § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen der Angeklagten B. und W. , mit denen sie geltend machen, Befangenheitsgesuche seien zu Unrecht gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen und Art. 101 GG dadurch verletzt worden, bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
57
a) Den Rügen liegt u.a. Folgendes zugrunde: Die Verteidigung des Angeklagten F. hatte am 3. Verhandlungstag gegen eine Protokollführerin ein Ablehnungsgesuch angebracht, weil diese dem Vorsitzenden über Vorkommnisse in einer Sitzungspause (Übergabe von Unterlagen an einen der Angeklagten ) berichtet hatte. Es wurde ebenso wie ein Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin zurückgewiesen. Dies und die Mitteilung des Vorsitzenden, hinsichtlich einer Beisitzerin den Ergänzungsfall annehmen zu wollen, nahm die Verteidigung des Angeklagten B. zum Anlass, die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen abzulehnen. Die Verteidigung des Angeklagten W. lehnte ebenfalls mit einem in der Hauptverhandlung angebrachten und zwei weiteren während laufender Hauptverhandlung auf der Geschäftsstelle eingereichten - mit vorangehenden überwiegend wortgleichen - Anträgen die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
58
Die Strafkammer verwarf die Befangenheitsgesuche mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Eine Gesamtschau des bisherigen Verfahrensgangs offenbare ein zwischen den Verteidigern abgesprochenes Verteidigungsverhalten, das darin bestehe, Anträge in möglichst umständlicher und zeitaufwändiger Weise einzubringen, die hierdurch entstehenden Verzögerungen sodann aber zur Begründung für weitere Haftaufhebungsanträge zu verwenden. Auch werde erkennbar, dass Entscheidungen des Gerichts über Verfahrensanträge umgehend zum Anlass für weitere Ablehnungsanträge unter Wiederholung bereits verbeschiedener Rügen genommen worden seien. Die Strafkammer weist darauf hin, die Verteidigung des Angeklagten W. habe am 1. Verhandlungstag zwei Besetzungsrügen angebracht , bei denen sie jeweils - mit dem Bemerken, dies sei prozessual zwingend - den gesamten Geschäftsverteilungsplan einschließlich der Zuständigkeitsverteilung sämtlicher Zivilkammern und aller Änderungsbeschlüsse verlesen habe. Am 2. Verhandlungstag habe die Verteidigung des Angeklagten B. begonnen, einen ihr schriftlich vorliegenden Befangenheitsantrag zu Protokoll zu diktieren, einschließlich eines dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden Beschlusses aus dem Ermittlungsverfahren mit den darin enthaltenen Zahlenkolonnen. Nach einem am Nachmittag des 2. Verhandlungstages vom Vorsitzenden gegebenen Hinweis darauf, dass ein Recht auf Protokollierung der Antragsbegründung nicht bestehe, habe der Verteidiger des Angeklagten B. erwidert, dass er diese Ansicht zur Kenntnis nehme, seinen Antrag gleichwohl weiter zu Protokoll diktieren werde. Das Landgericht nennt im Ablehnungsbeschluss weitere Anträge, unter anderem einen Befangenheitsantrag gegen die Protokollführerin, in welchem diese des Denunziantentums und der Abgabe unwahrer Erklärungen bezichtigt werde, einen Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin , in dem diese erneut der bewussten Spitzeltätigkeit bezichtigt werde. Gegen die Kammermitglieder werde der diffamierende Vorwurf erhoben, die angebliche Bespitzelungstätigkeit der Protokollführerin entspreche einem Wunsch der Strafkammer. Die mit dem Vorwurf der Verkündung eines nicht beratenen Kammerbeschlusses vorgetragene Wertung, das gerügte Verhalten des Vorsitzenden lasse vermuten, dass dieser auch die Beurteilung der Schuldfrage nicht vom Ergebnis der Beweisaufnahme abhängig mache, diene allein einer Bloßstellung; ein Verteidiger des Angeklagten B. habe selbst bekundet, eine Tischberatung habe zu dem in Rede stehenden Beschluss stattgefunden. Die weiteren Einwände gegen die Unbefangenheit der Richter seien - zum Teil wortgleich - bereits Gegenstand früherer Anträge gewesen, die die Strafkam- mer bereits beschieden habe. Der darin enthaltene Hinweis, die Mitglieder des Präsidiums hätten bei wahrheitsgemäßen Angaben bekennen müssen, die Ergänzungsrichter unter bewusster Missachtung der verfassungsrechtlichen Erfordernisse bestellt zu haben, diene ebenfalls allein der Diffamierung.
59
Auch ein weiteres Befangenheitsgesuch des Angeklagten B. verwarf die Strafkammer am 1. Juli 2008 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Die Verteidigung hatte gegen die an einem Beschluss zur Zurückweisung eines gegen einen Sachverständigen gerichteten Befangenheitsantrags mitwirkenden Richter ein Befangenheitsgesuch angebracht und sodann gegen die hierüber entscheidenden Richter neuerlich mit einem Ablehnungsantrag reagiert. Nachdem auf Antrag der Verteidigung mitgeteilt wurde, welche Richter hierüber entscheiden würden, wurde gegen diese ein Befangenheitsantrag gestellt , der nunmehr Gegenstand einer Revisionsrüge ist.
60
In dem diesen Antrag zurückweisenden Beschluss führt die Strafkammer aus, die Verteidiger hätten durch das bisherige Prozessverhalten gezeigt, dass sie bestrebt seien, die Hauptverhandlung dauerhaft auf eine Auseinandersetzung um vermeintliche Voreingenommenheit zu beschränken, eine zügige Beweisaufnahme zu verhindern, hierdurch zusätzliche Arbeitskraft der Richter zu binden und die dadurch entstandenen Verzögerungen dann als Argument in einer eingereichten Haftbeschwerde zu verwenden. So erweise sich die sukzessive Kettenablehnung der für das jeweils neu abgelehnte Kammermitglied nachrückenden Richters in der Zusammenschau des - im Einzelnen dargelegten - Prozessverlaufs, dass es der Verteidigung nur um die Verhinderung einer Beweisaufnahme zum Themenkomplex „S. “ gehe.
61
b) Die Rügen wären jedenfalls unbegründet. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt nicht vor. Die Grenzen, innerhalb derer abgelehnte Richter selbst über die gegen sie angebrachten Ablehnungsgesuche entscheiden können (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2005, 3410; NJW 2006, 3129; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06), wurden nicht überschritten.
62
aa) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über ein gegen ihn angebrachtes Befangenheitsgesuch entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG, NJW 2005, 3410). Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 129/07, wistra 2008, 267; BGH, Beschluss vom 10. April 2008 - 4 StR 443/07, NStZ 2008, 523, 524). Allerdings ist es zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht regelmäßig erforderlich , dass die Richter das eigene Verhalten im Rahmen des Prozessgeschehens schildern. Allein hierdurch werden sie aber nicht zu Richtern in eigener Sache (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446; Beschluss vom 13. Februar 2008 - 3 StR 509/07, NStZ 2008, 473).
63
bb) Gemessen hieran ist die Verwerfung der geschilderten Ablehnungsgesuche als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht zu beanstanden.
64
Die abgelehnten Richter haben nicht ihr eigenes Verhalten bewertet. Vielmehr hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der den Befangenheitsge- suchen zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht und der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke rechtsfehlerfrei gewonnen aus den Befangenheitsgesuchen selbst (deren Inhalt, Art und Weise der Anbringung der Gesuche und Wortwahl) und der jeweiligen Verfahrenssituation. Auch der Umstand, dass die abgelehnten Richter im Rahmen der Entscheidung vom 1. Juli 2008 auf vorangehende Beschlüsse Bezug nehmen, mit denen sie bereits eine Prozessverschleppungsabsicht in anderem Zusammenhang festgestellt hatten, macht sie nicht zu Richtern in eigener Sache (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446).
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Die Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO waren gegeben, wie bereits die von der Strafkammer in den Ablehnungsbeschlüssen geschilderten Umstände belegen. Auch die revisionsgerichtliche Prüfung nach Beschwerdegrundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 3 StR 446/04, wistra 2005, 464 ergibt, dass ein klarer Fall missbräuchlich angebrachter Ablehnungsgesuche vorliegt. Schon in der hier sogar mehrfachen Wiederholung gleichlautender Anträge kann eine Absicht zur Verfahrensobstruktion erkennbar werden. Der von der Strafkammer aus dem Umstand, dass für verschiedene Angeklagte gestellte Anträge sowohl vom Erscheinungsbild als auch vom Inhalt identisch waren, gezogene Schluss auf ein zwischen den Verteidigern abgestimmtes Verhalten, liegt dabei überaus nahe. Die Stellung langer Anträge zu Protokoll und die Anwürfe gegen die Mitglieder der Strafkammer, die ersichtlich zur Wahrung der Verteidigungsinteressen nicht erforderlich waren, deuten ebenfalls auf die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke oder die Absicht zur bloßen Verschleppung des Verfahrens hin. Jedenfalls in der Gesamtschau lässt dieses Prozessverhalten keinen vernünftigen Zweifel zu, dass es der Verteidigung (auch) mit den abgelehnten Befangenheitsanträgen nicht um die Wahrnehmung legitimer Verteidigungsaufgaben - den Angeklagten vor einem materiellen Fehlurteil oder auch nur einem prozessordnungswidrigen Urteil zu schüt- zen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 3 StR 445/04, NStZ 2005, 341) - ging, sondern um die Verhinderung eines geordneten Verfahrensfortgangs und -abschlusses in angemessener Zeit durch die zielgerichtete und massive Beeinträchtigung von Verfahrensherrschaft und Arbeitsfähigkeit des Strafgerichts (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 5 StR 129/05, NJW 2005, 2466).
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Das Revisionsvorbringen vermag diesen Befund nicht zu entkräften. Soweit die Revision des Angeklagten B. vorträgt, es gehöre zu den Kernaufgaben der Verteidigung, durch Ablehnungsanträge zu versuchen, eine Haftverschonung für den Mandanten zu erzwingen, offenbart dies ein Fehlverständnis des Strafprozesses im allgemeinen und des Ablehnungsverfahrens nach §§ 24 ff. StPO im besonderen. Solches Vorbringen ist nicht geeignet, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu widerlegen. Der Auftrag der Verteidigung liegt - bei allem anerkennenswerten Engagement für den Mandanten - nicht ausschließlich im Interesse eines Angeklagten, sondern auch in einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege (BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 106). Der Verteidiger, von dem das Gesetz besondere Sachkunde verlangt (§§ 138, 139, 142 Abs. 2 StPO, § 392 AO), ist der Beistand, nicht der Vertreter des Beschuldigten, an dessen Weisungen er auch nicht gebunden ist (BGH, Urteil vom 7. November 1991 - 4 StR 252/91, NStZ 1992, 140).
67
c) Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO nicht stets den Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO begründen, vielmehr führt ein solcher Verstoß nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161). Beides ist hier nicht der Fall.
68
d) Die weiteren von den Revisionen beanstandeten Beschlüsse der Strafkammer, mit denen Befangenheitsgesuche gegen Berufsrichter und Schöffen sowie gegen einen Sachverständigen gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verworfen wurden, halten gemessen an den aufgezeigten Grundsätzen ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
69
III. Auch die gegen die Behandlung der zahllosen Beweisanträge durch die Strafkammer gerichteten Verfahrensrügen, wie etwa die Beanstandung, die Strafkammer habe zwei auf die Einvernahme von rund 2.000 und 5.401 Zeugen gerichtete Beweisanträge rechtsfehlerhaft als bedeutungslos abgelehnt, bleiben aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ohne Erfolg. Sie wären jedenfalls unbegründet.
70
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof schon früh die Zurückweisung eines hinsichtlich des Umfangs der begehrten Beweisaufnahme ähnlichen (Hilfs-)Beweisantrags eben wegen dieses Umfangs mit folgender Begründung gebilligt hat: „Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags der Verteidigung, „sämtliche Inserenten“ - etwa 7.000 - als Zeugen zu verhören, verletzt die §§ 244, 245 StPO [aF] schon deshalb nicht, weil er … auf Unmögliches gerichtet ist“ (BGH, Urteil vom 4. Januar 1954 - 1 StR 476/53). In vergleichbarem Sinn hat das OVG Münster (DÖV 1981, 384 mwN) unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass sich auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ablehnung von Beweisanträgen nach § 244 StPO richte, einen auf die Vernehmung von 20.000 Zeugen gerichteten Antrag zurückgewiesen: Die Durchführung der Beweisaufnahme sei unzumutbar, die Grenzen der Zumutbarkeit „eindeutig überschritten“ (vgl. auch Niemöller, Zum exzessiven Gebrauch des Beweisantragsrechts, JR 2010, 332, 338).

D.

71
Hinsichtlich des Angeklagten F. führt die sachrechtliche Nachprüfung zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und in dessen Folge zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Darüber hinaus hat die Rüge der Verletzung materiellen Rechts keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten F. aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO).
72
I. Der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten F. ist auf die Sachrüge dahin zu ändern, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist.
73
1. Die den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe zugrunde liegenden Taten (Versuch der Hinterziehung von Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer der B. GmbH für das Jahr 2004), die das Landgericht als tatmehrheitlich verwirklicht angesehen hat, stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt: "Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. … Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthal- ten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.). Dies ist für die Taten F 3 und F 4 festgestellt, weil die unrichtigen Steuererklärungen am 06.03.2006 bei einem Finanzamt abgegeben wurden, sie Steuern derselben Gesellschaft für den Veranlagungszeitraum 2004 betrafen und übereinstimmend unrichtige Angaben enthielten."
74
Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern, ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
75
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Körperschaft - bzw. Gewerbesteuer der D. Systeme GmbH für das Jahr 2004) tragen die Urteilsfeststellungen die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht. Der Senat ändert daher den Schuldspruch in diesen Fällen jeweils auf versuchte Steuerhinterziehung ab.
76
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe alle äußeren und inneren Tatsachen so vollständig angeben, dass darin die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands erkannt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4). Bei der Blankettstrafnorm des § 370 AO, die erst zusammen mit den sie ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften die maßgebliche Strafvorschrift bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2007 - 5 StR 549/06, NStZ 2007, 595), muss sich deshalb aus den Feststellungen ergeben, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1997 - 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374, 375; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 584/00, NStZ-RR 2001, 307). Diesen Anforderungen wird das Urteil in den Fällen F 7 und F 8 nicht gerecht.
77
b) Das Landgericht hat in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe festgestellt , dass der Angeklagte F. betreffend den Veranlagungszeitraum 2004 für die D. Systeme GmbH, deren Geschäftsführer er war, keine Körperschaftsteuer - und Gewerbesteuererklärungen abgegeben hat. Diese Feststellungen allein tragen jedoch die Annahme einer vollendeten Körperschaftund Gewerbesteuerhinterziehung zugunsten der D. Systeme GmbH nicht. Denn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen ist - sofern, wie hier, kein Schätzungsbescheid ergangen ist - für die Vollendung der Tat i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO derjenige Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung eingereicht worden wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 500/98, NStZ-RR 1999, 218). Dies ist dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO mwN; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 92).
78
Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, welches Finanzamt für die D. Systeme GmbH zuständig war und wann die Veranlagungsarbeiten für den jeweiligen Veranlagungszeitraum dort tatsächlich abgeschlossen waren. Legt man für den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren zugrunde, ist davon auszugehen , dass die Veranlagungsarbeiten hier bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens in der ersten Jahreshälfte 2006 (erste Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse datieren vom 12. April 2006) noch nicht abgeschlossen waren. Dies liegt auch deshalb nahe, weil das Landgericht in den Fällen F 11 und F 12 der Urteilsgründe solches für denselben Veranlagungszeitraum und dieselben Steuerarten bei der Schwestergesellschaft D. Service GmbH festgestellt (und dementsprechend auf versuchte Steuerhinterziehung erkannt) hat.
79
c) Der Senat schließt aus, dass betreffend die Fälle F 7 und F 8 der Urteilsgründe für die D. Systeme GmbH noch Feststellungen getroffen werden können, die einen allgemeinen Veranlagungsabschluss beim zuständigen Finanzamt vor Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung an den Angeklagten F. belegen könnten. Der Schuldspruch ist daher in diesen Fällen auf versuchte Steuerhinterziehung abzuändern. Es ist ausgeschlossen, dass sich der Angeklagte F. gegen den geänderten Tatvorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können.
80
II. Infolge der Schuldspruchänderung hält beim Angeklagten F. auch der Strafausspruch teilweise rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
81
1. Für die tateinheitlich verwirklichten Taten in den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe setzt der Senat die vom Landgericht für jede der beiden Taten verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten als neue Einzelstrafe fest (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Es kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Taten eine mildere Strafe als diese verhängt hätte. Die weitere Einzelfreiheitsstrafe entfällt.
82
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe kann der Strafausspruch von jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe keinen Bestand haben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von einer vollendeten Tat ausgegangen ist. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend setzt der Senat in diesen Fällen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils die niedrigste mögliche Freiheitsstrafe von einem Monat fest. Angesichts der Höhe der erstrebten Steuerverkürzung (rund 86.000 Euro im Fall F 7, rund 78.500 Euro im Fall F 8) und im Hinblick auf die übrigen Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender Einstufung der Tat als versuchte Steuerhinterziehung noch eine Geldstrafe verhängt hätte (§ 47 StGB).
83
3. Angesichts des Wegfalls einer Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten und der Herabsetzung zweier Einzelfreiheitsstrafen von neun Monaten auf einen Monat kann bei dem Angeklagten F. der Gesamtstrafausspruch keinen Bestand haben. Es ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der Änderungen bei den Einzelstrafen eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, auch wenn dies im Hinblick auf die Erwägungen des Landgerichts zur Gesamtstrafenbildung eher fern liegt.
84
Der Senat hebt deshalb beim Angeklagten F. die Gesamtfreiheitsstrafe mit der Maßgabe (§ 354 Abs. 1b StPO) auf, dass die nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2008 - 1 StR 336/08; Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 369/03). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht.

E.

85
Die Revisionen der Angeklagten B. und W. haben mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Hiervon bleiben die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen allerdings unberührt. Im Übrigen ergibt die sachrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten B. und W. (§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 StPO). Der Erörterung bedarf Folgendes:
86
I. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein.
87
In diesen Fällen bestehen teilweise durchgreifende Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuern. Der Senat sieht angesichts der Komplexität des Verfahrens aus Gründen der Verfahrensökonomie und zur Beschleunigung des Verfahrens davon ab, die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Die in diesen Fällen noch zu erwartenden Einzelstrafen fielen gegenüber den übrigen Einzelstrafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO).
88
Die Teileinstellung zieht die entsprechende Änderung des Schuldspruchs nach sich.
89
II. In den allein den Angeklagten W. betreffenden Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Gewerbe- bzw. Umsatzsteuer der P. GbR für das Jahr 2001) hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Taten unrichtig beurteilt. Die Straftatbestände wurden aus den bei dem Angeklagten F. zu den Fällen F 3 und F 4 (vgl. oben D.I.1.) genannten Gründen in Tateinheit, nicht - wie vom Landgericht angenommen - tatmehrheitlich verwirklicht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab und setzt für die tateinheitlich begangene Tat eine einheitliche - vom Landgericht bisher für die Fälle W 1 und W 2 jeweils als schuldangemessen angesehene - Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe fest. Er schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender Annahme von Tateinheit eine mildere Strafe als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO), zumal das Landgericht allein für den Fall W 2 - isoliert betrachtet rechtsfehlerfrei - eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für schuldangemessen erachtet hat. Die zweite Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr entfällt.
90
Ein Teilfreispruch hinsichtlich der Verurteilung im Fall W 1 (Gewerbesteuerhinterziehung bei der P. GbR für das Jahr 2001) kommt nicht in Betracht, weil der Senat sicher ausschließen kann, dass es insoweit insgesamt an einer Tatbestandsverwirklichung fehlen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
91
Zwar ist den Urteilsgründen der Inhalt der in diesem Fall abgegeben Steuererklärung und des daraufhin ergangenen Steuerbescheides nicht zu entnehmen. Daher kann der Senat die festgesetzte mit der gesetzlich geschuldeten Steuer nicht vergleichen und den vom Landgericht angenommenen Schuldumfang nicht nachprüfen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 1). Es steht jedoch sicher fest, dass die Angeklagten in diesem Fall entweder Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt haben. Denn den Urteilsgründen einschließlich der Berechnungsdarstellung ist zu entnehmen, dass aufgrund unrichtiger Angaben in der Steuererklärung dem Gewerbesteuerbescheid ein zu niedriger Gewerbeertrag zugrunde gelegte wurde.
92
Die Urteilsgründe zu Fall W 1 sind insofern widersprüchlich, als das Landgericht einerseits von einem zu hoch festgesetzten „vortragsfähigen Verlust“ , andererseits von einer verkürzten Gewerbesteuer in Höhe von rund 140.000 DM ausgeht. Dabei handelt es sich um zwei sich gegenseitig ausschließende Sachverhaltsvarianten. In beiden Varianten, von denen eine sicher vorliegt, wäre jedoch gleichermaßen ein Taterfolg i.S.d. § 370 Abs. 1 AO eingetreten.
93
1. Es liegt nahe, dass das Landgericht zwar von einer Steuerverkürzung ausgegangen ist, diese aber zu hoch angesetzt hat, weil es einen im Urteil aber nicht näher dargelegten „Verlustvortrag“ mit Blick auf das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) außer Ansatz gelassen hat. Die Anwendung des Kompensationsverbots wäre rechtsfehlerhaft. Denn mit „anderen Gründen“ i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO sind nur solche Tatsachen gemeint, auf die sich der Täter nicht bereits im Besteuerungsverfahren berufen hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 1987 - 3 StR 373/86, NJW 1987, 1273; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 130). Steuervorteile, die dem Täter schon aufgrund seiner Angaben zustanden, dürfen ihm im Steuerstrafverfahren nicht vorenthalten werden (BGH, Urteil vom 31. Januar 1978 - 5 StR 458/77; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 177. Aufl., EL 153 § 370 AO Rn. 46). Eine Steuerverkürzung wäre trotz dieses Rechtsfehlers gegeben.
94
2. Sollten sich demgegenüber die unrichtigen Angaben der Angeklagten so ausgewirkt haben, dass ein zu hoher vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden ist, läge hierin die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils i.S.d. § 370 Abs. 1 AO. Denn eine Besserstellung des Steuerpflichtigen wird nicht erst durch die tatsächliche Durchführung des Verlustabzugs, sondern bereits durch die Feststellung des (vortragsfähigen) Verlusts bewirkt (vgl. Patzelt, Ungerechtfertigte Steuervorteile und Verlustabzug im Steuerstrafrecht, 1990). Die Feststellung eines Verlustvortrags erfolgt durch gesonderten Grundlagenbescheid (hier gemäß § 10a GewStG; vgl. dazu BFH, Urteil vom 9. Juni 1999 - I R 92/98, BB 1999, 1803), der gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den jeweils nächsten Steuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet (vgl. zum Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG: BFH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII R 2/02, BStBl. II 2004, 551). Insofern erlangt der Steuerpflichtige einen Vorteil spezifisch steuerlicher Art, der auf dem Tätigwerden der Finanzbehörde beruht und der eine hinreichend konkrete Gefähr- dung des Steueranspruchs begründet, die für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106f.; FG München, Urteil vom 23. Februar 2010 - 13 K 1694/07).
95
III. Im Übrigen hält die Verurteilung der Angeklagten B. und W. wegen Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuern rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere weist die Wertung des Landgerichts, dass die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen den bei der Berechnung der geschuldeten Körperschaft- und Gewerbesteuern zugrunde zu legenden Gewinn der jeweiligen Rechnungsadressaten in der jeweils festgestellten Höhe nicht mindern konnten, keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
96
1. Bei den in der Rechtsform der GmbH geführten Unternehmen hat das Landgericht die auf Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet, die den Gewinn nicht schmälern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; zum Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310; Urteil vom 24. Mai 2007 - 5 StR 72/07, DStRE 2008, 169, 170 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Denn die Geldabflüsse aus der jeweiligen Unternehmenssphäre hatten ihren Grund allein in dem Verhältnis zwischen den in den Rechnungen aufgeführten Firmen und den Angeklagten B. und W. als deren Gesellschaftern. Ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte Scheinrechnungen nicht als Aufwand in der Buchhaltung berücksichtigt und für vorgenommene Zahlungen zumindest Rückzahlungsansprüche verbucht.
97
Soweit in sehr geringem Umfang tatsächlich Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht wurden, diente dies - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - allein der Verschleierung der Steuerhinterziehung. Die zugrunde liegenden Vereinbarungen sind somit als Scheingeschäfte steuerlich unbeachtlich (§ 41 Abs. 2 AO), die erbrachten Zahlungen insgesamt nicht betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Der Umstand, dass die Strafkammer diese Lieferungen und Leistungen gleichwohl gewinnmindernd in Ansatz gebracht hat, beschwert die Angeklagten nicht.
98
2. Soweit das Landgericht auch im Zusammenhang mit der P. GbR den Begriff „verdeckte Gewinnausschüttung“ verwendet, versteht es diesen Begriff erkennbar untechnisch in dem Sinne, dass die Angeklagten B. und W. beabsichtigten, mittels an die P. GbR gerichteten Scheinrechnungen deren Gewinn zu mindern. Dies ist rechtsfehlerfrei, denn auch bei der P. GbR hatten die Zahlungen nach den Feststellungen des Landgerichts keine betriebliche Veranlassung, sondern dienten allein dem Vermögenszufluss bei den Angeklagten B. und W. . Derart ausschließlich privat veranlasste Zahlungen, denen keine erkennbaren Leistungen an den Betrieb gegenüberstehen, können als Entnahme den Gewinn einer GbR nicht mindern, unabhängig davon, ob der Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG) ermittelt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Oktober 1993 - VIII B 122/92, BFH/NV 1994, 173).
99
IV. Das Urteil hat auch insoweit Bestand, als das Landgericht die Angeklagten B. und W. wegen vollendeter und versuchter Taten der Einkommensteuerhinterziehung verurteilt hat.
100
1. Allerdings galt im Tatzeitraum bei Gewinnausschüttungen das Anrechnungsverfahren für Körperschaftsteuerguthaben (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF). Das Landgericht hätte deshalb beachten müssen, dass bei Verurteilung einer Person nach verdeckter Gewinnausschüttung sowohl wegen Körperschaftsteuerhinterziehung zugunsten der ausschüttenden Kapitalgesellschaft als auch - als Empfänger der Ausschüttung - wegen Einkommensteuerhinterziehung die verkürzte Einkommensteuer im Hinblick auf die verdeckte Gewinnausschüttung (fiktiv) nach dem Anrechnungsverfahren zu berechnen war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - 5 StR 435/06, wistra 2007, 68). Der Umstand, dass das Landgericht hier bei dem Angeklagten B. im Fall B 12 der Urteilsgründe (Einkommensteuerhinterziehung betreffend das Jahr 1999) das Anrechnungsverfahren außer Betracht gelassen hat, beschwert den Angeklagten im Ergebnis jedoch nicht. Eine gleichzeitige Aburteilung der Verkürzung der Körperschaftsteuer für die von der M. GmbH im Jahr 1999 verdeckt ausgeschütteten Gewinne (Fall B 1 der Urteilsgründe) liegt im Hinblick auf die vom Senat insoweit vorgenommene Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht mehr vor.
101
2. Auch das Vorbringen der Revision, das Landgericht habe bei der Bestimmung der von den Angeklagten B. und W. verkürzten Einkommensteuer zu Unrecht nicht auf den Zufluss der Einnahmen bei den Angeklagten abgestellt, deckt keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
102
a) Soweit es sich bei den steuerpflichtigen Einkünften um Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 EStG) handelt, kommt es auch dann allein auf den tatsächlichen Gewinn zum Ablauf des Wirtschaftsjahres an, wenn die Einnahmen im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erzielt wurden. So ver- hält es sich hier bezüglich der P. GbR. Die Höhe der Entnahmen der Gesellschafter ist dabei ohne Bedeutung.
103
b) Demgegenüber führt die verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft erst dann auf der Ebene des Gesellschafters zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn ein Zufluss beim Gesellschafter im Sinne von § 11 EStG gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109 mwN).
104
Ein Zufluss beim Gesellschafter kann dabei auch dann vorliegen, wenn er selbst (noch) keine Zahlung erhalten hat. Denn für die Annahme eines Vermögenszuflusses genügt es, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Sofern die Zuwendung allein auf dem Näheverhältnis des Empfängers zum Gesellschafter beruht, ist die Zuwendung so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter selbst den Vorteil erhalten und diesen (als steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung) an die nahe stehende Person weitergegeben (BFH, Urteil vom 22. Februar 2005, VIII R 24/03; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 20 Rn. 75 mwN).
105
„Nahe stehend“ sind nicht nur Angehörige i.S.v. § 15 AO; eine Beziehung , die auf die außerbetriebliche Zuwendung schließen lässt, kann auch gesellschaftsrechtlicher , schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art sein (BFH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - I R 139/94, NJW 1997, 2198; Weber-Grellet aaO mwN), wie etwa eine wechselseitige, auf jahrelange geschäftliche Zusammenarbeit zurückgehende Beziehung (vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1963 - I 325/61 S, NJW 1964, 517).
106
„Nahe stehend“ kann daher auch ein Mitgesellschafter sein, sodass der Zufluss bei dem einen Gesellschafter dem jeweils anderen zugerechnet werden kann. Nahe stehende Person war hier auch der anderweitig Verfolgte G. , der die Erstellung von Scheinrechnungen durch von ihm beherrschte Firmen veranlasst und für die Rückzahlung ausbezahlter Beträge an die Angeklagten gesorgt hatte. Die Angeklagten B. und W. waren seit Jahren mit G. freundschaftlich verbunden. Sie hatten ihn im Tatzeitraum auch bei dessen betrügerischen Machenschaften mit der Einziehung von durch Missbrauch von Einzugsermächtigungen erlangten Geldbeträgen unterstützt, dabei Gelder auf Konten der B. GmbH vereinnahmt und an G. ausgekehrt.
107
c) Eine Besonderheit besteht in den Fällen ohne bestehendes Näheverhältnis zu den unmittelbaren Geldempfängern, in denen die Angeklagten B. und W. die verdeckt ausgeschütteten Gewinne deshalb nicht in voller Höhe erhalten konnten, weil die Geldempfänger vor der Weitergabe der Beträge an die Angeklagten eine „Provision“ als Gegenleistung für die Ausstellung von Scheinrechnungen einbehielten. Den Angeklagten ist diese Provision allerdings als „sonstiger Bezug“ i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen. Ein Zufluss ist beim Gesellschafter auch dann gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft an einen Dritten zahlt und damit eine Verpflichtung des Gesellschafters erfüllt (BFH, Urteil vom 24. Januar 1989 - VIII R 74/84, BStBl II 1989, 419, 420). Dies ist für die Befreiung des Gesellschafters von privaten Verpflichtungen im Zusammenhang mit ausschließlich privat veranlassten Handwerkskosten anerkannt (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109). Für die Zahlung der ebenfalls ausschließlich privat veranlassten „Kosten“ für Dienste im Zusammenhang mit der Erstellung von Scheinrechnungen und Geldtransfers kann nichts anderes gelten. Damit besteht hier der den Angeklagten zugeflossene Vermögensvorteil darin, dass der jeweilige Zahlungsempfänger mit der Provisionszahlung an die Aussteller der Scheinrechnungen belastet wurde, die von den Angeklagten zu tragen war.
108
Es kann hier offen bleiben, ob die von den Rechnungsausstellern oder anderen in den Vermögensrückfluss an die Angeklagten eingebundenen Personen in diesen Fällen einbehaltenen „Provisionen“ bei der Berechnung der Einkommensteuer der Angeklagten als Werbungskosten (§ 9 EStG) hätten in Ansatz gebracht werden müssen oder ob ein solcher Abzug deshalb zu versagen wäre, weil die Aufwendungen der Angeklagten für das Erstellen der Scheinrechnungen und den Geldtransfer nicht der Einkunftserzielung, sondern ausschließlich deren Verschleierung und damit Zwecken der privaten Lebensführung dienten. Denn der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe , dass das Landgericht diejenigen von den Gesellschaften ausgezahlten Beträge, die nicht an die Angeklagten zurückgeflossen sind, aus dem für die Strafzumessung relevanten Schuldumfang ausgenommen hat. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer den im Urteil mehrfach dargestellten und erörterten Provisionseinbehalt der Rechnungsaussteller bei der Strafzumessung nicht mehr im Blick hatte.
109
d) Der Umstand, dass das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zum Zeitpunkt des Rückflusses der Geldbeträge an die Angeklagten B. und W. getroffen hat, gefährdet den Bestand des Urteils nicht.
110
Derartiger Feststellungen hätte es nur in den Fällen bedurft, in denen die Auszahlung an die Firma S. - also an eine nicht nahe stehende Person - vorgenommen worden ist. In diesen Fällen erfolgten aber nach den Urteilsfeststellungen sämtliche Zahlungen auf spätestens am 30. August des jeweiligen Jahres ausgestellte Rechnungen. Das Landgericht durfte deshalb von einem Zahlungseingang im Kalenderjahr der Rechnungsausstellung ausgehen. Für die Annahme, einzelne Zahlungen könnten erst im jeweiligen Folgejahr erfolgt sein, fehlt jeder Anhaltspunkt.
111
3. Allerdings hat das Landgericht in dem den Angeklagten B. betreffenden Fall B 17 und gleichermaßen in dem den Angeklagten W. betreffenden Fall W 11 der Urteilsgründe (jeweils Versuch der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2004) die Höhe der erstrebten Verkürzung von Einkommensteuer unzutreffend berechnet. Hierdurch sind die Angeklagten B. und W. jedoch nicht beschwert. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei fehlerfreier Verkürzungsberechnung in diesen Fällen mildere Einzelstrafen verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO).
112
a) Nach den Urteilsfeststellungen waren die Angeklagten B. und W. zu gleichen Teilen Gesellschafter der Firma T. S.L., einer Kapitalgesellschaft spanischen Rechts mit Sitz in Cala Llonga/Ibiza, deren Anteile sie im Jahr 2004 mit notariellem Vertrag veräußert hatten. Gleichwohl verschwiegen sie den hieraus erzielten Erlös gegenüber den deutschen Finanzbehörden.
113
b) Die steuerliche Behandlung des Veräußerungserlöses durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; das Landgericht hat zu Unrecht den vollständigen Veräußerungserlös als Veräußerungsgewinn angesehen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: „Richtigerweise gehört dieser Veräußerungsgewinn eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft … zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 17 EStG. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns findet gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG das so genannte Halbeinkünfteverfahren Anwendung, so dass vorliegend lediglich von einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 61.500,- € auszugehen ist (Hälfte Veräußerungspreis von 62.500 abzüglich hälftige Veräußerungskosten und die Hälfte der Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 1.000,- €).“
114
Die Veräußerungserlöse stellen für die in Deutschland ansässigen Angeklagten B. und W. ausländische Einkünfte (§ 34d Nr. 4b EStG) dar. Nach Art. 13 Abs. 3 des insoweit maßgeblichen (§ 34c Abs. 6 EStG) Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Spanien) vom 14. März 1968 (BStBl I 1968, 544) werden die Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens (zu dem auch Anteile an Kapitalgesellschaften zählen), wenn sie - wie hier - nicht das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte darstellen, nur in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Veräußerer ansässig ist.
115
Die Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft wird im deutschen Steuerrecht in § 17 EStG erfasst (BFH, Urteil vom 22. Februar 1989 - I R 11/85, BFHE 156, 170 = BStBl II 1989, 794 mwN). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG sind „Anteile“ i.S.d. § 17 EStG u.a. Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ähnliche Beteiligungen. Zu letzteren zählen insbesondere Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften (BFH, Urteil vom 24. Oktober 1984 - I R 228/81). Die in Rede stehende Sociedad Limitada spanischen Rechts ist typgleich mit einer deutschen GmbH, Anteile an ihr verkörpern Gesellschafterrechte, wie sie nach deutschem Recht mit GmbH-Anteilen verbunden sind (vgl. Reckhorn-Hengemühle, Die neue Spanische GmbH, 1993). Deshalb sind sie als „ähnliche Beteiligungen“ i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 1996 - VIII R 15/94, BFHE 180, 146 = BStBl II 1996, 312, 313 mwN). Gründe, die einer Anwendung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG entgegenstehen könnten , sind nicht ersichtlich.
116
Durch den Ansatz des niedrigeren Gewinns vermindert sich die vom Angeklagten B. geschuldete Einkommensteuer auf 385.116 Euro (statt 412.790 Euro), beim Angeklagten W. reduziert sich der Betrag hinterzogener Einkommensteuer - bei der gebotenen Anwendung der Grundtabelle - auf 201.027 Euro (statt 219.856 Euro).
117
c) Zwar ist die Höhe der Steuerverkürzung bestimmender Strafzumessungsgrund (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80). Der Senat kann hier aber ausschließen, dass das Landgericht mildere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn es den Veräußerungsgewinn zutreffend berechnet hätte.
118
Das Landgericht hat bei der im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessung außer auf die Professionalität und Zielstrebigkeit der Angeklagten im Wesentlichen auf die erhebliche Überschreitung der Schwelle zur Steuerverkürzung großen Ausmaßes abgestellt. Diese Umstände bestehen auch bei zutreffender Berechnung der Steuerverkürzung fort. Auch ausgehend von der vom Landgericht vorgenommenen Abstufung der Einzelstrafen in Schritten von wenigstens drei Monaten wird im Vergleich mit den übrigen Einzelstrafen deutlich, dass das Landgericht, hätte es die zutreffenden Verkürzungsbeträge erkannt, keine niedrigeren Einzelstrafen als die festgesetzten von zwei Jahren (Fall B 17) bzw. einem Jahr (Fall W 11) Freiheitsstrafe verhängt hätte.
119
V. Der Senat kann auch ausschließen, dass sich der aufgezeigte Wegfall einer Einzelstrafe beim Angeklagten W. und der weitere Wegfall von Einzelgeldstrafen von jeweils 60 bzw. 90 Tagessätzen in den von der Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfassten Fällen bei den Angeklagten B. und W. auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben könnte. Er schließt aus, dass das Landgericht angesichts des Tatbildes und der Größenordnung der Steuerverkürzung niedrigere als die ohnehin bereits milden Gesamtstrafen von sechs Jahren und drei Monaten (B. ) bzw. von fünf Jahren ( W. ) festgesetzt hätte. Die verbleibende Vielzahl von Einzelstrafen und deren Höhe rechtfertigt bereits für sich die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1997 - 1 StR 483/97, NStZ 1998, 311). Überdies hat die Strafkammer bei der Gesamtstrafenbildung ohne Rechtsfehler maßgeblich auf Gesichtspunkte abgestellt, die das Gesamtgeschehen prägen (z.B. den Aufbau einer Unternehmensstruktur, deren Gestaltung nach dem Ziel einer dauerhaften systematischen Bereicherung durch Steuerhinterziehung ausgerichtet ist) und die nicht durch die genaue Anzahl der Einzelfälle gekennzeichnet sind.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR21/15
vom
1. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 1. Juni 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 17. Juli 2014 wird als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen „gewerbsmäßigen Betruges in 18 Fällen, davon in 14 Fällen tateinheitlich mit Urkundenfälschung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und bestimmt , dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Gegen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen sowie materiell-rechtliche Beanstandungen gerichtete Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Die Revisionsbegründungen sämtlicher Verteidiger der Angeklagten sind rechtzeitig bei Gericht eingegangen (§ 345 Abs. 1 StPO).
3
Hat ein Angeklagter mehrere Verteidiger, genügt zwar die Zustellung des Urteils an einen von ihnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 [juris Rn. 7]; BGH, Beschluss vom 12. September 2012 - 2 StR 288/12 jeweils mwN). Wird das Urteil aber mehreren Empfangsberechtigten zugestellt, beginnt die Revisionsbegründungsfrist grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde (BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09 [juris Rn. 23] mwN). Stellt das Gericht das Urteil daher mehreren Verteidigern zu, so läuft die Revisionsbegründungsfrist für jeden dieser Verteidiger ab der letzten Zustellung , sofern diese innerhalb der bereits zuvor in Lauf gesetzten Frist erfolgt ist. Nur wenn die Revisionsbegründungsfrist aufgrund der ersten Zustellung(en) bei einer der weiteren Zustellungen bereits abgelaufen war, wird durch diese keine neue Frist in Gang gesetzt (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2012 - 1 StR 238/12, wistra 2012, 435, 436 mwN).
4
Da hier sämtliche Zustellungen innerhalb der am 7. Oktober 2014 in Lauf gesetzten Revisionsbegründungsfrist erfolgten, sind auch die am 10. November 2014 eingegangenen Begründungen rechtzeitig zu Gericht gelangt.
5
Des von Rechtsanwalt K. mit Schriftsatz vom 30. April 2015 „hilfs- weise“ gestellten Wiedereinsetzungsantrages bedurfte es daher nicht.
6
2. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
7
a) Die Verfahrensrügen, die die nochmalige Vernehmung der Zeugin J. zum Gegenstand haben, greifen - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 14. April 2015 ausgeführt hat - nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat:
8
Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit dieser Rügen. Wird in der Revision die Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines bereits angehörten Zeugen geltend gemacht, muss nämlich mitgeteilt werden, dass und wozu der Zeuge in der Hauptverhandlung bereits ausgesagt hat (BGH, Urteile vom 13. Dezember 2001 - 5 StR 322/01; vom 21. März 2002 - 5 StR 566/01; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12). Denn nur dann kann geprüft werden, ob es sich nicht um einen bloßen Antrag auf Wiederholung einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme oder auf Feststellung ihres Inhalts handelte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2001 - 3 StR 211/01, NStZ-RR 2002, 257, 258 f. - bei Becker; vom 18. Februar 2004 - 2 StR 462/03, NStZ 2004, 630, 631; Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 338/04) und ob der Antrag als Beweisantrag zu verbescheiden war oder als Beweisanregung abgelehnt werden durfte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2000 - 4 StR 647/99, BGHSt 46, 73, 80).
9
Ob hierfür - auch angesichts der Besonderheiten des Falles (vgl. UA S. 35 f.) - der bloße Vortrag ausreicht, die Zeugin sei in ihrer früheren Vernehmung weder zu den nunmehr behaupteten Tatsachen befragt worden noch habe sie sich hierzu geäußert, kann dahinstehen. Die Rügen sind nämlich jedenfalls wegen fehlenden Beruhens (§ 337 Abs. 1 StPO) unbegründet. Denn die Verurteilung im Fall 4 der Urteilsgründe wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil der Bank für die Finanzierung des fingierten Verkaufs des Pkws Mercedes an K. auch gefälschte Kfz-Papiere vorgelegt wurden und der von M. als „Geschäftswagen“ genutzte Pkw bereits kreditfinanziert erworben worden war, anschließend der Einkauf nochmals unter Übergabe (anderer) gefälschter Fahrzeugpapiere betrügerisch finanziert wurde (Fall 2 der Urteilsgründe ) und erst dann die Finanzierung für den fingierten Ankauf durch K.
erfolgte. Es kommt deshalb für die rechtliche Würdigung nicht darauf an, dass die Strafkammer - zusätzlich - eine Täuschung über die wahren finanziellen Verhältnisse des Darlehensnehmers durch Vorlage von Lohnbescheinigungen für K. bejaht hat. Dass die Angeklagte den Betrug durch mehrere unwahre Angaben bewirkt hat, hat die Strafkammer der Angeklagten auch nicht strafschärfend angelastet. Entsprechendes gilt im Fall 5. Dort liegt eine Täuschung bereits darin, dass die Finanzierung dem tatsächlich nicht beabsichtigten Einbau einer Gasanlage dienen sollte.
10
b) Auch im Übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Soweit sich die Revisionsführerin gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung sowie die Annahme von (Mit-)Täterschaft und tatmehrheitlicher Begehung wendet, nimmt der Senat ebenfalls Bezug auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 14. April 2015 und bemerkt ergänzend:
11
aa) Zwar reicht ein mittelbarer Vorteil des Täters zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit nur aus, wenn er ohne Weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über Dritte verspricht (BGH, Beschlüsse vom 13. September 2011 - 3 StR 262/11, StV 2012, 339; vom 26. Februar 2014 - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215 jeweils mwN). Für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit ist aber weder erforderlich, dass der Täter seinen Lebensunterhalt allein oder auch nur überwiegend durch die Begehung von Straftaten bestreiten will (BGH, Urteil vom 9. März 2011 - 2 StR 609/10, BGHR StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Gewerbsmäßig 2), noch dass er tatsächlich auf die betrügerisch erlangten Vermögenswerte zugegriffen hat; denn maßgeblich und ausreichend ist eine dahingehende Absicht (BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - 1 StR 343/11, NStZ-RR 2011, 373). Daher reichen betrügerisch erlangte Betriebseinnahmen für den Arbeitgeber zur Begründung gewerbs- mäßigen Handelns eines Angestellten aus, wenn diese dem Täter mittelbar - etwa über das Gehalt oder Beteiligung an Betriebsgewinnen - zufließen sollen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282, 283 mwN; SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 364).
12
Es kommt daher vorliegend nicht darauf an, ob das Autohaus neben den betrügerischen auch über „legale Einkünfte“ verfügte und ob das Gehalt der Angeklagten tatsächlich bezahlt wurde und - falls ja - ob diese Gelder aus den betrügerischen Geschäften herrührten. Die Absicht der - nach den Feststellungen (trotz UA S. 46 Mitte) - nicht als faktische Geschäftsführerin des Autohauses handelnden - Angeklagten, durch die Taten ihre und ihres Ehemannes Existenz zu sichern, genügt vielmehr. Dies hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt (UA S. 13).
13
Hinsichtlich des Schuldspruchs verweist der Senat darauf, dass das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere oder minder schwere Fälle nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist und die Kennzeichnung des Betrugs als "gewerbsmäßig" daher entbehrlich war (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 - 3 StR 458/12).
14
bb) Auch die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und deren vom Landgericht vorgenommene Kompensation hält im Ergebnis der Überprüfung stand.
15
Zwar hat der Tatrichter Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146). Der sachlich-rechtlich zu fordernde Erörterungsbedarf darf aber mit Rücksicht auf die vielen denkbaren Verfahrensvorgänge, die für die Entscheidung eine Rolle spielen können, nicht überspannt werden. Es reicht deshalb aus, wenn das Revisionsgericht anhand der Ausführungen im Urteil im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung nachvollziehen kann, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK tragen und sich die Kompensationsentscheidung innerhalb des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Bewertungsspielraums hält (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar2014 - 2 StR 308/13).
16
Dem werden die Urteilsausführungen (insbesondere auf UA S. 25) noch gerecht. Eine (zulässige) Verfahrensrüge ist nicht erhoben.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 218/09
vom
27. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Vergewaltigung
zu 2.: sexueller Nötigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2009 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 9. Dezember 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Vergewaltigung der Nebenklägerin Br. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und den an derselben Tat beteiligten Angeklagten C. wegen sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen. Diese haben jeweils mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen und die jeweils erhobene Sachrüge bedarf es danach nicht mehr.
2
1. Nach den Feststellungen wurde die Tat am 7. April 2008 nach 3.15 Uhr in der Wohnung des Angeklagten B. begangen. Diese konnte die Nebenklägerin zwischen 4.00 Uhr und 4.30 Uhr verlassen. Im Haus ihrer Eltern, wo sie wohnte, kam sie erst Stunden später an, da sie den 18 km langen Heimweg zu Fuß zurücklegte. Von dort war sie gegen 2.45 Uhr geflüchtet, da der Angeklagte B. ihr gegen Mitternacht angedroht hatte, vorbeizukommen, ihr das Gesicht zu zerschneiden und sie zu vergewaltigen, „wenn sie nicht mitmache“. Bereits zuvor hatte er sie in den späten Abendstunden des 6. April 2008 mehrfach in Handyanrufen und per SMS aufgefordert, zu ihm zu kommen und an ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen.
3
Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Landgericht aus, an dem primär von der Nebenklägerin, aber auch von deren Mutter genutzten einzigen Computer im Haus habe ein Benutzer um 5.03 Uhr des Tattages Dateien erstellt. Die - am 3. Dezember 2008 als Zeugin gehörte - Mutter habe angegeben, „es sei … recht wahrscheinlich, dass sie … ab 5.03 Uhr den Computer benützt habe. Sie erinnere sich … noch in etwa an die Nacht … auf Montag, den 7. April 2008. Ihr Mann habe nämlich am 7. April 2008 Geburtstag…“.
4
2. Die Revisionen machen einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO geltend. Beide Angeklagten hatten in der Hauptverhandlung jeweils beantragt, den als Lkw-Fahrer tätigen Vater der Nebenklägerin als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu hören, dass er am 7. April 2008 um 5.03 Uhr von seiner Ehefrau, der Mutter der Nebenklägerin, zu seiner Arbeitsstelle gefahren worden sei. Diese übereinstimmenden Beweisanträge hat das Landgericht am 9. Dezember 2008 mit der Begründung abgelehnt, das benannte Beweismittel sei völlig ungeeignet. Denn es widerspreche „der gesicherten Lebenserfahrung, dass der Zeuge im Hinblick auf den langen Zeitablauf und das Fehlen einer früheren Vernehmung noch eine Erinnerung an die präzise zeitliche Einordnung der in sein Wissen gestellten Tatsachen haben könnte“, zumal „im einstelligen Minutenbereich“.
5
a) Mit dieser Begründung durfte das Landgericht die Beweisanträge nicht ablehnen.
6
aa) Als völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Beweismittel nur dann einzustufen, wenn das Gericht ohne jede Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis sagen kann, dass sich mit diesem Beweismittel das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht wird erzielen lassen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 12 und 15). Die absolute Untauglichkeit muss sich aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben. Bei der Annahme, die Erhebung eines Beweises erscheine von vornherein gänzlich nutzlos, ist ein strenger Maßstab anzulegen.
7
Dies gilt vor allem für die Annahme, ein Zeuge sei deswegen ein völlig ungeeignetes Beweismittel, weil er sich wegen des Zeitablaufs voraussichtlich an die Beweistatsache nicht mehr erinnern könne (vgl. BGH NStZ 2004, 508). Insofern kommt es darauf an, ob Umstände vorliegen, die eindeutig dagegen sprechen, er könne im Falle einer Aussage vor Gericht etwas zur Sachaufklärung beitragen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 12 m.w.N.), oder ob der Vorgang, zu dem er aussagen soll, für ihn bedeutsam gewesen ist, sein Interesse geweckt hat und er sich auf Erinnerungshilfen stützen kann (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 23). Ergibt diese Prüfung einen lediglich geminderten, geringen oder zweifelhaften Beweiswert, so darf dieser nicht mit völliger Ungeeignetheit gleichgesetzt werden.
8
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze gibt es für die Annahme des Landgerichts, der benannte Zeuge werde sich an die in sein Wissen gestellte Tatsache nicht mehr erinnern können, keine ausreichende Grundlage. Der Zeitraum vom 7. April 2008 bis 9. Dezember 2008 ist bereits für sich genommen nicht derart lang, dass er eine Erinnerung als von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen würde. Dementsprechend konnte sich die Ehefrau des benannten Zeugen in ihrer Vernehmung am 3. Dezember 2008 „noch in etwa an die Nacht … auf Montag, den 7. April 2008“, erinnern. Dabei hat sie sich auf den Geburtstag ihres Mannes als Erinnerungsbrücke berufen. Angesichts dessen lag es zumindest nicht fern, dass der Zeuge sich an Einzelheiten des Ablaufs seines eigenen Geburtstags, in den er nach den Feststellungen hinein gefeiert hatte, ebenfalls hätte erinnern können, auch wenn er bislang im Rahmen der Ermittlungen hierzu noch nicht vernommen worden war. Zudem kam in Betracht , dass er seine Erinnerung durch eine Einsichtnahme in das am 7. April 2008 in dem von ihm geführten Lkw befindliche Fahrtschreiberschaublatt (Tachoscheibe ) hätte auffrischen können.
9
b) Auf dem aufgezeigten Verfahrensfehler kann das Urteil beruhen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin anders beurteilt hätte, wenn ihr Vater die in sein Wissen gestellten Umstände bekundet hätte.
10
3. Der Senat bemerkt ergänzend: Soweit seitens der Verteidigung in der Hauptverhandlung zudem beantragt worden war, die Handys der Nebenklägerin und eines ihrer Bekannten einschließlich der SIM-Karten kriminaltechnisch auszuwerten , ist der Senat der Auffassung, dass es sich hierbei um Beweisanträge handelt, da eine hinreichend konkrete Beweistatsache behauptet wird. Denn als durch die Auswertung unter Beweis gestelltes Ergebnis wird jeweils angegeben, dass es in einem näher bezeichneten Zeitraum zu keinem telefonischen oder SMS-Kontakt zwischen der Nebenklägerin und den Angeklagten gekommen sei. Damit aber wird trotz der Negativformulierung eine bestimmte Tatsache angegeben, deren Nachweis auf die beantragte Weise prinzipiell hätte erbracht werden können. Aus diesem Grund genügte die Begründung des vom Landgericht gefassten Ablehnungsbeschlusses, die beantragte Auswertung sei „zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich“, nicht den Anforderungen des § 244 Abs. 6 StPO. Selbst wenn damit hätte zum Ausdruck gebracht werden sollen , die Tatsache sei für die Entscheidung im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO ohne Bedeutung, hätte ausgeführt werden müssen, ob die angenommene Irrelevanz auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruht und auf welchen (vgl. BGH NStZ 2000, 267, 268). Daran fehlt es.
Nack Wahl Elf Jäger Sander
5 StR 617/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 6. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. März 2008

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 31. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge einer Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat sich im Wesentlichen aufgrund der Aussage der Nebenklägerin von den folgenden Feststellungen überzeugt:
3
Der Angeklagte und die Nebenklägerin hatten im Herbst 2006 eine intime Beziehung, die jedoch schon nach kurzer Zeit endete, nachdem der Angeklagte zu seiner Lebenspartnerin zurückgekehrt war. Am 17. Dezember 2006 überredete der Angeklagte die Nebenklägerin nachts zu einem Spaziergang. In einem Waldstück umklammerte er sie plötzlich und zog sie an den Haaren, um von ihr sexuelle Handlungen zu erzwingen. Aus Angst vor weiteren Gewaltanwendungen kam die Nebenklägerin den Aufforderungen des Angeklagten nach und führte bei ihm Oralverkehr durch; auch ließ sie sowohl Vaginal- als auch Analverkehr über sich ergehen. Durch den für die Nebenklägerin ungewohnten Analverkehr war es zu blutenden Verletzungen gekommen, so dass die „Unterhose voll Blut“ war. Am Abend des darauffolgenden Tages erstattete die Nebenklägerin Anzeige.
4
2. Zur Untermauerung der Einlassung des Angeklagten, es sei bei dem Spaziergang nur zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen gekommen und Analverkehr habe nicht stattgefunden, hatte die Verteidigung beantragt , ein Sachverständigengutachten zur Untersuchung der am 18. Dezember 2006 sichergestellten Unterhose der Nebenklägerin einzuholen. Es solle bewiesen werden, dass sich an der Unterhose keine Blutspuren befinden, die „eine unfreiwillige und gewaltsame Durchführung des Geschlechtsverkehrs und das Eindringen des Gliedes in den After der Nebenklägerin bestätigen“. Zur Begründung ist angeführt worden, dass die Nebenklägerin angegeben habe, nach der Tat im Afterbereich stärker geblutet zu haben. Eine Auswertung der Spuren habe bisher nicht stattgefunden. Der Gutachter werde feststellen , dass keine „derartigen Spuren, wie von der Nebenklägerin behauptet, an dem Slip vorhanden sind“. Das Landgericht hat den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, das Beweismittel sei ungeeignet, da man anhand von Blutspuren keine Aussage zur Freiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs machen könne.
5
3. Mit dieser Begründung durfte das Landgericht den Beweisantrag nicht ablehnen.
6
Das Landgericht hat den Beweisantrag nicht erschöpfend gewürdigt, indem es dessen Inhalt nur auf die Erweisbarkeit der Freiwilligkeit der sexuellen Handlungen reduziert hat. Denn der Beweisantrag richtete sich nach seinem Inhalt und Sinn ersichtlich auch darauf, dass sich an der Unterhose überhaupt kein Blut befindet. Diese Deutung ergibt sich bereits aus der benannten Beweistatsache, dass die Unterhose keine Blutspuren aufweist, die ein Eindringen des Gliedes in den After belegen, und wird zudem durch die Ausführungen zur Begründung des Beweisantrags gestützt.
7
Zu dieser Beweisfrage – dem Vorliegen von Blutspuren – wird sich ein Sachverständiger voraussichtlich angesichts des zur Verfügung stehenden Beweismittels gutachterlich äußern können. Damit ist das beantragte Beweismittel aber nicht völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 4. Variante StPO. Denn dieser Ablehnungsgrund setzt voraus, dass das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, dass sich mit dem angebotenen Beweismittel das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 13 und 15). Der beantragte Sachverständigenbeweis ist aber geeignet, die unter Beweis gestellte Tatsache, dass sich an der Unterhose entgegen der Aussage der Nebenklägerin kein Blut befindet, zu klären und die weitere Beweistatsache, dass kein Analverkehr stattgefunden hat, mehr oder weniger wahrscheinlich zu machen. Deshalb durfte das Landgericht den Beweisantrag nicht wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels zurückweisen (vgl. hierzu BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 6).
8
Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler. Hätte die Untersuchung der Unterhose ergeben, dass diese keine Blutspuren trägt, wäre die Aussage der Nebenklägerin zu den Folgen des erzwungenen Analverkehrs unter Umständen widerlegt. Dies wäre geeignet, ihre Aussage zur Unfreiwilligkeit der sexuellen Handlungen in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Im Urteil legt das Landgericht seiner Beweiswürdigung das Gegenteil der unter Beweis gestellten Behauptung zugrunde (UA S. 23, 33).
9
Aufgrund der Formulierung des Beweisantrags ist die Annahme eines nachvollziehbaren Missverständnisses des Gerichts über tatsächliche Umstände in dem den Antrag ablehnenden Beschluss nicht gerechtfertigt, wonach vor Erhebung einer Revisionsrüge die Beseitigung eines gerichtlichen Missverständnisses im Wege der Gegenvorstellung im Sinne von BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 30 gefordert gewesen wäre (vgl. BGH, Be- schluss vom 9. Januar 2008 – 5 StR 549/07; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. Vor § 137 Rdn. 1 f.).
10
4. Der Senat merkt Folgendes an:
11
Allein das Gebot der beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen vermag es nicht zu rechtfertigen, dem Angeklagten bei Erkrankung der Pflichtverteidigerin ohne sein Einverständnis einen zweiten, nicht eingearbeiteten Pflichtverteidiger zu bestellen, um so mit einem besonders wichtigen Teil der Beweisaufnahme – der Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen – fortfahren zu können.
12
Das neue Tatgericht wird auch in den Blick zu nehmen haben, ob die besondere Wehrhaftigkeit der Geschädigten als Trägerin des braunen Karate -Gürtels möglicherweise der Plausibilität ihrer Angaben über ihre hilflose Lage entgegensteht.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so werden dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.

(2) Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus.

(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.

(4) Sind die Maßregeln erschöpft, so können sie in demselben oder in einem anderen Verfahren, das dieselbe Tat zum Gegenstand hat, nicht wiederholt werden.

(1) Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen.

(2) Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger sowie den Schöffen zu gestatten. Die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten ist unzulässig.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

5 StR 461/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. März 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 16. und 17. März 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Ministerialrat
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt M
als Verteidiger für den Angeklagten H K ,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger für die Angeklagte A K ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 17. März 2005 für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 28. November 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten H K vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in elf Fällen sowie die Angeklagte A K vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in fünf Fällen und der Beihilfe zu Steuerhinterziehung in sechs Fällen freigesprochen. Hiergegen wenden sich die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der näher ausgeführten Sachrüge. Die Rechtsmittel haben im Ergebnis Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte H K als geschäftsführender Gesellschafter ein Bauunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Seine Ehefrau, die Angeklagte A K , erledigte in dem Unternehmen im wesentlichen die Büroarbeiten.
In den Jahren 1992 bis 1997 nahm der Angeklagte wegen des Umfangs der von ihm betreuten Bauvorhaben in erheblichem Maße Fremdleistungen in Anspruch. Einen Großteil der Fremdleistungen ließ der Angeklagte dabei durch Schwarzarbeiter verrichten, für die weder Lohnsteuer angemeldet noch Sozialabgaben abgeführt wurden. Zur Verschleierung dieser Schwarzlohngeschäfte verwendete der Angeklagte Abdeckrechnungen zweier angeblicher belgischer Bauunternehmen, die Subunternehmerbauleistungen über insgesamt rund 3,6 Millionen DM auswiesen und die in die Buchhaltung der GmbH eingestellt wurden. Die Herkunft der gefälschten Rechnungen konnte das Landgericht nicht aufklären. Zu diesen Rechnungen korrespondierten jeweils zeitnahe Barabhebungen der Angeklagten A K vom Firmenkonto der GmbH.
Mit der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor, durch diese Barabhebungen verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen und die jeweils in bar abgehobenen Beträge für eigene Zwecke verbraucht zu haben. Hierdurch seien in den Jahren 1992 bis 1997 Körperschaft -, Gewerbe- und Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag in einer Gesamthöhe von rund 3,2 Millionen DM verkürzt worden.
Das Landgericht hat sich zwar davon überzeugt, daß die jeweils eingestellten Rechnungen der belgischen Baufirmen Scheinrechnungen waren. Es meint aber, daß den Rechnungsbeträgen tatsächlich bewirkte Zahlungen an unbekannt gebliebene Dritte gegenübergestanden haben. Jene Dritte hätten im Umfang der Rechnungsbeträge tatsächliche Bauleistungen erbracht und entsprechende Beträge schwarz vereinnahmt. Zu dieser Erkenntnis ist das Tatgericht aufgrund einer von der Steuerfahndung vorgenommenen und an der Richtsatzkartei angelehnten Nachkalkulation gelangt. Ausgehend von dieser Schätzung der Steuerfahndung hat das Landgericht die bar abgehobenen Beträge als andere Betriebsausgaben, nämlich Lohnzahlungen, angesehen , die in gleicher Höhe wie die mit Scheinrechnungen unterlegten, tatsächlich falscherklärten Betriebsausgaben einnahmemindernd zu berück-
sichtigen seien. Im Ergebnis sei daher eine Hinterziehung von Ertragsteuern zu verneinen; die Angeklagten seien daher freizusprechen.
An der Ausurteilung der durch das festgestellte Geschehen verwirklichten Straftaten (Lohnsteuerhinterziehung sowie Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt) sah sich das Landgericht in Ermangelung einer auch diese Taten umfassenden Anklage gehindert.

II.


Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet.
1. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend hervorgehoben hat, kann das angefochtene Urteil schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Begründung der Freisprüche an durchgreifenden Darstellungsmängeln leidet und den Anforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO daher nicht genügt.
Ein freisprechendes Urteil muß aus sich heraus verständlich sein und so viele Angaben enthalten, daß dem Revisionsgericht eine sachlichrechtliche Prüfung ermöglicht wird. Hierbei muß das Tatgericht zunächst diejenigen Tatsachen feststellen, die es für erwiesen erachtet, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen weiteren Feststellungen nicht getroffen werden konnten (vgl. nur BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 4, 5, 7, 8). Dabei hat es vor allem diejenigen Gesichtspunkte zu erörtern, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO) und die entweder festgestellt oder nicht festgestellt werden können. Dazu gehören bei einer angeklagten Steuerstraftat namentlich in erster Linie Erörterungen zum Inhalt der abgegebenen Steuererklärungen und zu den von den Finanzbehörden festgesetzten Steuern.
Diesen Anforderungen werden die Freisprüche nicht gerecht. Mit der Begründung des Landgerichts, eine Verkürzung der Steuern sei im Hinblick auf das Vorhandensein gleichwertiger, aber anderer Betriebsausgaben nicht eingetreten, sind konkrete Feststellungen zum genauen Inhalt der Steuererklärungen und zu den jeweils durch die Finanzbehörde festgesetzten Steuern nicht entbehrlich. Die insoweit getroffenen Feststellungen, daß die „abgeflossenen Beträge in den gemeinsam von den Angeklagten abgegebenen Erklärungen steuerlich insgesamt als Zahlungen auf Fremdleistungen und damit als Betriebsausgaben deklariert“ wurden, ermöglichen keine sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils durch das Revisionsgericht. Namentlich fehlt es hier an näheren Feststellungen dazu, was genau von den Angeklagten „deklariert“ wurde, insbesondere ob die erklärten Betriebsausgaben – etwa unter Vorlage der gefälschten Belege oder auf andere Weise – näher erläutert wurden.
Aufgrund dieses Erörterungsmangels verschließt sich das Landgericht der steuerrechtlich maßgeblichen Frage, ob die zu den „abgeflossenen Beträgen“ gemachten Angaben im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO falsch waren. Jedenfalls in den Fällen, in denen nicht lediglich ein bloß zahlenmäßiger Saldo in den Erklärungsvordrucken ohne nähere Erläuterung oder urkundliche Unterlegung der Betriebsausgaben erklärt wird, liegt ein tatbestandlicher Steuerschaden deshalb nahe, weil die mit Abdeckrechnungen verschleierten Schwarzlohnzahlungen dann einen „anderen Grund“ im Sinne von § 370 Abs. 4 Satz 3 AO darstellen könnten. Jene nicht geltend gemachten Schwarzlohnzahlungen wären dann – allerdings nur hinsichtlich der Körperschaft - und der Gewerbesteuerhinterziehung – wegen des Kompensationsverbotes nicht tatbestandlich, sondern erst auf der Strafzumessungsebene berücksichtigungsfähig.
Die Sache bedarf insoweit weiterer tatrichterlicher Aufklärung. Es kann daher offenbleiben, ob hier bereits die schlichte zahlenmäßige Angabe der saldierten Betriebsausgaben in den Erklärungsvordrucken dann eine falsche
Erklärung im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellen würde, wenn gefälschte Rechnungen lediglich in die Buchhaltung des Steuerpflichtigen eingestellt und daher nur für eine etwaige Überprüfung des Finanzamtes vorgehalten werden. Hierfür könnte sprechen, daß das Einstellen der gefälschten Belege in die Buchhaltung – welches bis zur Abgabe der Steuererklärung fraglos nur eine straflose Vorbereitungshandlung darstellt – mit der Abgabe der Steuererklärung zu einer Verknüpfung der gemäß §§ 140 ff. AO zu führenden Bücher mit dem Zahlenwerk aus den Erklärungsvordrucken führt. Diese innere Verknüpfung könnte den Erklärungsgehalt der Steuererklärung über das bloße Zahlenwerk („Saldo“) hinaus erweitern. Ob die in der Literatur vertretene Auffassung (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. § 370 Rdn. 71 m.w.N.), wonach in den Fällen, in denen der allein erklärte Saldo trotz Berücksichtigung fingierter Betriebsausgaben wegen nicht erklärter aber berücksichtigungsfähiger Betriebsausgaben in gleicher Höhe im Ergebnis eine „richtige“ Erklärung im Sinne des § 370 Abs. 1 AO darstellt, daher zutreffen kann, bedarf hier mithin noch keiner abschließenden Bewertung.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Das angefochtene Urteil enthält auch insoweit einen durchgreifenden Rechtsfehler, als das Landgericht seine Überzeugung, daß die im Zusammenhang mit den Scheinrechnungen entnommenen Geldbeträge vollständig zur Bezahlung von Schwarzlöhnen verwandt wurden, allein auf ein im Urteil nicht näher erläutertes Zahlenwerk einer als Zeugin vernommenen Beamtin der Steuerfahndung gestützt hat. Die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen einschließlich der eigenverantwortlichen Schätzung obliegt aber dem Tatrichter in freier und eigenverantwortlicher richterlicher Überzeugungsbildung. Deswegen sind Verweise auf Betriebsprüfungs- oder Steuerfahndungsberichte ebenso wie die ungeprüfte Übernahme von Aussagen, die Finanzbeamte zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben, unzureichend (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 2001, 22, 23).
Das neue Tatgericht wird daher etwaig in die Hauptverhandlung eingeführte Schätzungen der Finanzbehörden eigenverantwortlich nachzuprüfen und im Urteil darzulegen haben, warum es von der Richtigkeit der Schätzungen auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze überzeugt ist. Hier wird sich das neue Tatgericht insbesondere zu fragen haben, ob eine vollständige Übernahme der Werte aus der Richtsatzkartei, die auf Vergleichszahlen der legalen Wirtschaft beruht, nicht deshalb ausscheidet, weil Schwarzarbeit im Regelfall deutlich geringer entlohnt wird. Bejahendenfalls wäre der bisherigen Annahme des Landgerichts, daß alle durch die Angeklagte A K vorgenommenen Barabhebungen vollständig zur Bezahlung von Schwarzarbeitern verbraucht wurden, die Grundlage entzogen.
Hinsichtlich einer möglichen, allein anhand der Strafakten nicht abschließend überprüfbaren Verjährung der gegenüber der Angeklagten A K erhobenen Vorwürfe, wird auf die Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 11. Januar 2005 verwiesen.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal
9
a) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25; vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZ-RR 2010, 182; vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513 und vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlichen bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13; vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NStZ 2013, 334; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 25; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 – 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4 und vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2).
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a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Diesem obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, was in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall ist, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 199/15, juris Rn. 16 mwN). Daran gemessen unterliegt die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 469/17
vom
16. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. November 2017 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Krefeld vom 12. Januar 2017 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Zwar verhält sich die in den Urteilsgründen dargestellte Beweiswürdigung
nicht explizit zum Vorsatz des Angeklagten. Jedoch lässt sich
dem Gesamtzusammenhang der Gründe mit hinreichender Deutlichkeit
entnehmen, dass dem Angeklagten die die Beschäftigungsverhältnisse
der polnischen und rumänischen (scheinselbständigen) Arbeitnehmer
ECLI:DE:BGH:2017:161117B3STR469.17.0
das von den zwei betroffenen Tierschutzvereinen entrichtete Entgelt. So trat er nach den Feststellungen als erster Vorsitzender beider Vereine auch tatsächlich stets in der Rolle des "Chefs" auf. Er war für deren Buchhaltung und Finanzen zuständig. Vormittags war er, wenn er nicht im Ausland weilte, im Büro der Vereine tätig; nachmittags begab er sich regelmäßig in das Tierheim "vor Ort". Die generelle Kenntnis von der Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer der Vereine hat die Strafkammer - dargelegt im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - beanstandungsfrei aus seiner langjährigen Erfahrung als erster Vorsitzender der Vereine und der Beschäftigung von zahlreichen weiteren Mitarbeitern geschlossen. Die Abfassung der Urteilsgründe gibt Anlass zu dem Hinweis, dass es nicht geboten ist, für jede einzelne Feststellung - sei sie mit Blick auf den Tatvorwurf und dessen Ahndung noch so unerheblich, wie etwa die Tiertransporte aus dem Ausland oder die Verhältnisse hier nicht betroffener Tierschutzvereine - einen Beleg in den Urteilsgründen zu erbringen ; denn dies stellt sich lediglich als überflüssige Beweisdokumentation dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2017 - 3 StR 111/17, juris; vom 4. Oktober 2017 - 3 StR 145/17, juris). Handelt es sich hingegen - wie die Feststellungen zur subjektiven Tatseite - um für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch wesentliche Umstände, so kann auf eine tragfähige Beweiswürdigung regelmäßig nicht verzichtet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2016 - 3 StR 356/16, juris Rn. 7; BeckOK StPO/Peglau, § 267 Rn. 26). Becker Schäfer Gericke Spaniol Berg

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn

1.
diese Person ausgebeutet werden soll
a)
bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b)
durch eine Beschäftigung,
c)
bei der Ausübung der Bettelei oder
d)
bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2.
diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem entsprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3.
dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,

1.
mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2.
entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn

1.
das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2.
der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.

(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 66/02
vom
9. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Zuhälterei u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. April 2002 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 5. Oktober 2001 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Zuhälterei in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verurteilung wegen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 StGB) nicht ausreichend dargetan hat.
1. Tat zum Nachteil W. (Fall II.1 der Urteilsgründe)
Das Landgericht nimmt an, daû der Angeklagte die Geschädigte bei der Ausübung der Prostitution "überwacht" und "Maûnahmen" getroffen hat, die die Geschädigte "davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben" (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 1. und 3. Alt. StGB). Der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) setzt in allen Begehungsweisen eine bestimmende Einfluûnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloûe Unterstützung reicht nicht aus. Das Verhalten muû vielmehr geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (BGH StV 2000, 357, 361; BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2; Senatsbeschluû vom 13. November 2001 - 4 StR 408/01). Daû es sich hier so verhält, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit genügender Sicherheit entnommen werden.

a) Soweit es das “Überwachen” im Sinne der ersten Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB anlangt, teilt das Urteil nicht mit, daû der Angeklagte irgendwelche organisatorischen Maûnahmen getroffen hat, die dazu dienten, die Geschädigte zu kontrollieren und “bei der Prostitutionsausübung” zu beaufsichtigen (zum Begriff des Überwachens Horn in SK-StGB 6. Aufl. 42. Lfg. § 181 a Rdn. 11; Laufhütte in LK-StGB 11. Aufl. § 181 a Rdn. 5; jew. m.Rspr.Nachw.). Zwar heiût es dazu im Rahmen der rechtlichen Würdigung, der Angeklagte sei "regelmäûig vorbeigekommen ..., um zu sehen, ob sie gearbeitet hat" (UA 45). Doch findet dies keine Grundlage in den insoweit getroffenen Feststellungen. Denn danach erhielt er von der Geschädigten zwar je-
weils 100 bis 200 DM ausgehändigt, dies allerdings nur "wenn er vorbeikam" (UA 12, ebenso UA 28; Hervorhebung durch den Senat), ohne daû die Häufigkeit der Besuche festgestellt werden konnte. Damit ist nicht belegt, wie es das Merkmal des Überwachens voraussetzt, daû der Angeklagte kontrollierte, wie und was die Geschädigte verdiente (vgl. BGH NStZ 1982, 379; 1986, 358 f. m.krit.Anm. Nitze; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 181 a Rdn. 6 a).
Im übrigen sind die dazu bisher getroffenen Feststellungen so allgemein gehalten, daû sie auch deshalb dem Senat nicht die Prüfung erlauben, ob das Landgericht – und zwar auch in der gebotenen zusammenfassenden Würdigung der einzelnen Maûnahmen des Angeklagten (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210) – die Voraussetzungen der angewendeten Tatbestandsalternative zu Recht angenommen hat. So erwähnt das Urteil zwar, der Angeklagte habe die Geschädigte ªbei Widerspruch oder Ungehorsam (geschlagen), zunehmend auch ohne besonderen Anlaûº (UA 12). Einzelheiten hierzu teilt das Urteil aber nicht mit. Deshalb bleibt nicht nur offen, welche und gegebenenfalls wie viele Körperverletzungshandlungen dem Schuldspruch in diesem Fall zugrunde liegen. Vielmehr fehlt auch der Nachweis, daû objektiv und auch subjektiv der notwendige Zusammenhang dieser ªMaûnahmenº des Angeklagten gerade mit der Ausübung der Prostitution durch die Geschädigte besteht (Überwachen ªbei der Ausübung der Prostitutionº).

b) Die Feststellungen belegen auch nicht, daû der Angeklagte im Sinne der 3. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB Maûnahmen getroffen hat, die die Geschädigte davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Erfaût werden hiervon Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der
Prostitution zu verbauen (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 181 a Rdn. 10). Insoweit fehlt es an jeglichem Hinweis, daû die Geschädigte überhaupt beabsichtigte, aus der Prostitution auszusteigen. Ob dies schon für sich der Annahme dieser Tatbestandsalternative entgegensteht (verneinend Horn aaO Rdn. 13; Lenckner/Perron aaO; Laufhütte aaO Rdn. 7), bedarf hier keiner Entscheidung. Voraussetzung wäre jedenfalls, daû die Geschädigte sich vom Angeklagten gerade in der Prostitution durch Zwang oder Drohung festgehalten fühlte (vgl. BGH NStZ 1994, 32). Daû die Geschädigte sich von dem Angeklagten trennen wollte, genügt jedenfalls nicht.

c) Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daû das Landgericht nach den bisher getroffenen Feststellungen zu Recht die 2. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht angenommen hat, weil ein Bestimmen "anderer Umstände der Prostitutionsausübung" noch nicht darin zu erblicken ist, daû die Geschädigte dem Angeklagten "die Gelder nicht freiwillig gegeben hat,... sondern nur, weil der Angeklagte sie mit Schlägen und Drohungen unter Druck gesetzt hat" (UA 28). Ob der Angeklagte sich insoweit der Erpressung oder räuberischen Erpressung schuldig gemacht hat, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, es sei denn, daû er Anlaû sieht, das Verfahren insoweit mit Blick auf den Zeitablauf und die ± angesichts der zahlreichen Widersprüche in der Aussage der Geschädigten als der im wesentlichen einzigen unmittelbaren Belastungszeugin ± Schwierigkeit der Beweislage nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen.
2. Tat zum Nachteil B. (Fall II. 2 der Urteilsgründe)
Das Urteil hält rechtlicher Prüfung auch nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten sowohl der ausbeuterischen als auch der dirigistischen Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten B. nach § 181 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB für schuldig befunden hat.

a) Die Voraussetzungen der ausbeuterischen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sind nicht hinreichend dargetan. Der Begriff der Ausbeutung verlangt ein planmäûiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten führt (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 180 a Abs. 2 Nr. 2 Ausbeuten 1 und StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 1 Ausbeuten 3). Die Beantwortung der Frage, ob eine spürbare Verschlechterung der Vermögenslage in diesem Sinne vorliegt, setzt grundsätzlich Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus (vgl. BGH NStZ 1989, 67 f.; Laufhütte in LK aaO Rdn. 3 m.w.N.). Jedenfalls für den Anfang des nach dem Urteil angenommenen Tatzeitraumes belegen die Feststellungen ein Ausbeuten in diesem Sinne nicht. Danach hat der Angeklagte zumindest bis zum Ausscheiden von "Jenny" aus dem von ihr zusammen mit der Geschädigten B. betriebenen Wohnungsbordell im März 2000 aufgrund einer Vereinbarung mit der Geschädigten die Hälfte der Einnahmen von "J. " erhalten sollen und tatsächlich "in der Folgezeit von der Zeugin B. 100,00 - 300,00 DM täglich ausgehändigt" bekommen. Demgegenüber behielt die Geschädigte aber "ihre eigenen Einnahmen, die zwischen 8.000,00 - 10.000,00 DM pro Monat lagen, für sich" (UA 16), wobei nach dem Zweifelsgrundsatz die von dem Angeklagten vereinnahmten Gelder mit dem Mindest- und die der Geschädigten
verbleibenden Einnahmen aus der Prostitution mit dem in Betracht kommenden Höchstbetrag anzusetzen sind. Abgesehen davon, daû das Landgericht nicht klären konnte, wie hoch die Einnahmen von "J. " genau waren (UA 16, 39), genügen diese Angaben nicht, um eine fühlbare Beschneidung des Lebensstandards der Geschädigten, den sie sonst gehabt hätte (vgl. Lenckner/Perron aaO Rdn. 4 m.N.), feststellen zu können. Die Rechtsprechung hat dies angenommen , wenn die Abgaben 50 % der Einnahmen ausmachen (vgl. BGH NStZ 1989, 67 f.; 1999, 350, 351). Daû es sich so verhält, liegt hier jedenfalls nicht so nahe, daû auf eine nähere Erörterung verzichtet werden konnte.
Es belegt die Ausbeutung im Sinne des § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch nicht, daû die Geschädigte ab Mitte November 1999 monatlich 200 DM auf einen Sparkassenkredit des Angeklagten und dessen "Handy-Unkosten von 300,00 - 500,00 DM im Monat" (UA 19) bezahlte und das Landgericht ohne Angabe genauer Beträge feststellt, daû die Geschädigte seit April 2000 "für sämtliche Zahlungsverpflichtungen des Angeklagten" aufkam (UA 21). Bei all diesen Leistungen kann zudem nicht auûer Betracht bleiben, daû es die Geschädigte selbst war, die den Angeklagten an sich zu binden suchte, die ihm deshalb von sich aus die finanzielle Beteiligung anbot und die sich auch zur Übernahme seiner Zahlungsverpflichtungen veranlaût sah, nachdem der Angeklagte im Einvernehmen mit ihr seine eigene Erwerbstätigkit aufgegeben hatte, damit er sich mehr um sie kümmern könne. Das Einvernehmen stellt zwar für sich das Merkmal der Ausbeutung nicht in Frage (Laufhütte aaO Rdn. 4). Wohl aber begründet die besondere Beziehung zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten Zweifel, daû die Geschädigte die finanziellen Leistungen auf der Grundlage eines Abhängigkeitsverhältnisses erbracht hat. Darauf kommt es jedoch an, weil das bloûe Ausgehaltenwerden selbst bei er-
heblichen Leistungen nicht genügt (BGH NStZ 1982, 507; 1983, 220). Soweit die Geschädigte dem Angeklagten schlieûlich Vermögenswerte, insbesondere Fahrzeuge, "schenkte" (UA 20, 21), die sie im Rahmen der Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann von diesem erhalten hatte, steht dies in keinem erkennbaren Zusammenhang mit ihrer Prostitutionsausübung und hat schon deshalb für die Frage der Ausbeutung auûer Betracht zu bleiben.

b) Die Feststellungen belegen aber auch nicht die Annahme dirigierender Zuhälterei nach den vom Landgericht angenommenen Tatbestandsvarianten der Nr. 2 des § 181 a Abs. 1 StGB. Die Feststellungen ergeben allerdings, daû - was die Revision auch nicht in Zweifel zieht - die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten auch "von Gewalt geprägt" war (UA 22). Das Urteil macht aber nicht deutlich, worin das Landgericht eine "Überwachung" der Geschädigten im Sinne diese Vorschrift sieht. Daû er der Geschädigten verbot auszugehen (UA 22), genügt für sich noch nicht, zumal es ihr ersichtlich trotz des ªVerbotsº ohne weiteres möglich war, die Wohnung zu verlassen (vgl. BGH NStZ 1994, 32). Soweit das Landgericht darin zugleich Maûnahmen sieht, die dazu dienen sollten, sie im Sinne der 3. Alternative von der Aufgabe der Prostitution abzuhalten (UA 45), steht dem schon entgegen, daû es gerade nicht feststellen konnte, "daû der Angeklagte konkret versucht hätte, die Zeugin B. an einem Ausstieg aus der Prostitution zu hindernº (UA 44). Deshalb kann auch keine der fünf im einzelnen festgestellten tätlichen Übergriffe als eine solche tatbestandsmäûige Maûnahme angesehen werden, weil dem Angeklagten bei keiner dieser Auseinandersetzungen bekannt war, daû die Geschädigte einen Ausstieg plante (UA 44). Zudem wies der jeweils aktuelle Anlaû für die Tätlichkeiten nach den dazu getroffenen Feststellungen
auch nicht den spezifischen Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution aus.

c) Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Prüfung, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der 2. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB, die noch nicht notwendigerweise deshalb ausscheidet, weil sich die Geschädigte B. nach den bisher getroffenen Feststellungen dem Angeklagten im wesentlichen freiwillig unterworfen hat (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210; Lackner /Kühl StGB 24. Aufl. § 181 a Rdn. 4). Im übrigen wird der neue Tatrichter auch Gelegenheit haben, den Tatzeitraum des vom Schuldspruch erfaûten tatbestandmäûigen Verhaltens genau zu bestimmen und das Konkurrenzverhältnis der jeweils für sich rechtsfehlerfrei festgestellten Körperverletzungshandlungen klarzustellen. Der Angeklagte ist zwar nicht dadurch beschwert, daû das Landgericht ihn nur wegen rechtlich einer Tat der Körperverletzung verurteilt hat. Es bleibt aber offen, ob dem Schuldspruch sämtliche geschilderten Körperverletzungshandlungen zugrundeliegen, was im Schuldspruch kenntlich zumachen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 260 Rdn. 26 m.N.). Im übrigen weist der Senat vorsorglich darauf hin, daû nicht jede Körperverletzung , die gelegentlich einer zuhälterischen Beziehung erfolgt, deshalb in Tateinheit zu § 181 a StGB steht.
3. Schlieûlich hält auch der Maûregelausspruch nach §§ 69, 69 a StGB der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Anordnung der Maûregel damit begründet, der Angeklagte habe "seine Fahrerlaubnis miûbraucht" , indem er sein Fahrzeug genutzt habe, "um die Geschädigten an abgelegene Orte zu verbringen und sie dort körperlich zu miûhandeln" (UA 49). Diese Erwägung trägt die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht. Voraussetzung
ist, daû der Täter die Tat "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat" (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB). Einen solchen Zusammenhang der dem Angeklagten angelasteten Straftaten mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs ergeben die getroffenen Feststellungen nicht. Nach der Rechtsprechung besteht ein solcher Zusammenhang nicht schon dann, wenn der Täter mit seinem Fahrzeug zum Tatort fährt, sofern dadurch nicht die tatbestandliche Handlung selbst gefördert wird (BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 8). Ob hiernach durch die Belassung der Fahrerlaubnis Gefahren für die Allgemeinheit erwachsen würden, denen durch die Entziehung der Fahrerlaubnis zu begegnen ist (vgl. BGHR aaO Entziehung 5), bedarf einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Sollte der neue Tatrichter wiederum die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen, bedürfte auch die Bemessung der Dauer der Sperrfrist nach § 69 a einer eingehenderen Begründung. Maûstab ist allein die voraussichtliche Dauer der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahr-
zeugs, nicht dagegen, ob die Sperrfrist mit Blick auf die Tatschuld "angemessen" (UA 49) ist (st. Rspr.; BGHR StGB § 69 a Abs. 1 Dauer 1 f).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle. Die Anklageschrift ist auch dem Nebenkläger und dem Nebenklagebefugten, der dies beantragt hat, zu übersenden; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(2) Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 544/09
vom
2. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 und 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und W. gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008 wird das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe eingestellt. Im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und W. werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen , dass
a) schuldig sind aa) der Angeklagte B. der Steuerhinterziehung in dreizehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung , bb) der Angeklagte W. der Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung und
b) der Angeklagte W. in den Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von ei- nem Jahr verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe entfällt. 3. Die Angeklagten B. und W. haben die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. 4. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Limburg vom 17. Dezember 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte F. der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen dahin abgeändert, dass der Angeklagte F. aa) betreffend die Fälle F 3 und F 4 der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird; die weitere Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe entfällt; bb) in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wird,
c) im Gesamtstrafausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
5. Die weitergehende Revision des Angeklagten F. wird als unbegründet verworfen. 6. Über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten F. ist zugleich mit der Entscheidung über die Gesamtstrafe zu befinden.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten, den Angeklagten W. wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten F. wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge und zahlreiche Verfahrensrügen gestützten Revisionen. Diese haben den aus dem Tenor ersichtlichen, geringfügigen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet.

A.

3
I. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
Die Angeklagten B. und W. waren gemeinsam im Bereich des Direktvertriebs tätig und erzielten dort erhebliche Gewinne. Sie gründeten eine Reihe von letztlich nur formalrechtlich existierenden Firmen, die sie zentral - auch über eine Holdinggesellschaft - steuerten und beherrschten. Spätestens im Jahr 1999 kamen die Angeklagten B. und W. - nach Beratung durch den Angeklagten F. und unter dessen Mitwirkung - überein, dieses Firmenkonglomerat zur Steuerhinterziehung zu nutzen. Sie vereinbarten, die erzielten Gewinne durch Nichtabgabe von Steuererklärungen und vor allem durch die Geltendmachung von Scheinrechnungen systematisch der Besteuerung zu entziehen. In Ausführung dieses Plans veranlassten die Angeklagten B. und W. jeweils die Auszahlung der in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Beträge und machten diese Beträge, die sie nach Abzug einer von den Rechnungsausstellern einbehaltenen Provision jeweils „schwarz und in bar“ zurückerhielten , bei den auszahlenden Firmen in voller Höhe als Betriebsausgaben steuermindernd geltend. Ihre sich hieraus ergebenden Einnahmen verschwiegen die Angeklagten in ihren Einkommensteuererklärungen ebenso wie weitere Einnahmen.
5
II. Das Landgericht hat die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen jeweils als „verdeckte Gewinnausschüttung“ gewertet. Auf der Ebene der Gesellschaften hat es deshalb eine gewinnmindernde Berücksichtigung verneint und auf dieser Basis die durch die unrichtigen Steuererklärungen hinterzogenen Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuern ermittelt. Die Strafverfolgung war dabei auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen den Angeklagten schon aus ihrer formalrechtlichen Stellung heraus die Abgabe zutreffender Steuererklärungen oblag. Hinsichtlich der Einkommensteuerhinterziehung hat das Landgericht bei den Angeklagten B. und W. die aufgrund von Scheinrechnungen abgeflossenen Beträge als in voller Höhe der Einkommen- steuer unterliegend angesehen und hieraus die Höhe der verkürzten Steuern bzw. erstrebten Steuerverkürzungen berechnet.

B.

6
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
7
I. Die Taten sind nicht verjährt. Auch in dem allein den Angeklagten B. betreffenden Fall B 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2000) ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten.
8
Im Fall der unterlassenen Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung beginnt die Verfolgungsverjährung mit Ablauf der Erklärungsfrist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 344/08, wistra 2009, 189 mwN). Die hier somit am 31. Mai 2001 begonnene Verjährung wurde vor Verjährungseintritt durch den Durchsuchungsbeschluss vom 12. April 2006 unterbrochen. Der in einem sehr frühen Verfahrensstadium ergangene Beschluss nennt die Veranlagungszeiträume (1999 bis 2005), die Steuerarten (Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer , Gewerbesteuer und Einkommensteuer) und die jeweils gleichartige Tatbegehung (Kapitaltransfer zum Zwecke der Steuerhinterziehung mit oder ohne Verwendung unrichtiger Belege). Der Durchsuchungsbeschluss, der auch die von der Durchsuchung - und damit vom Tatverdacht - betroffenen Firmen angab, war daher geeignet, die von der Verjährungsunterbrechung betroffenen Taten von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen, auf die sich die Verfolgung nicht bezog, zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 214 f.; BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 - 3 StR 94/00, NStZ 2001, 191). Der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden erstreckte sich von Anfang an auf sämtliche später abgeurteilte Taten.
Eine Beschränkung des Verfolgungswillens auf einzelne Taten, welche Auswirkungen auf die Reichweite der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Durchsuchungsbeschlusses haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2008 - 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205; Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 4 StR 279/07, NStZ 2008, 214; Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213), ist nicht gegeben.
9
II. Der Grundsatz der Spezialität steht der strafrechtlichen Verfolgung des in Spanien festgenommenen und von dort ausgelieferten Angeklagten W. nicht entgegen.
10
1. Die Revision des Angeklagten W. macht in diesem Zusammenhang Folgendes geltend: Der der Auslieferung zugrunde liegende Haftbefehl des Amtsgerichts Wetzlar vom 27. April 2006 sei zu unbestimmt; er sei erst nach Auslieferung des Angeklagten W. neu gefasst und konkretisiert worden. Die abgeurteilten Taten würden von der auf dem ebenso zu unbestimmten Europäischen Haftbefehl gründenden Auslieferungsbewilligung nicht erfasst. Weder der Angeklagte noch die spanischen Auslieferungsbehörden hätten auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Eine nachträgliche Genehmigung zur Verfolgung der abgeurteilten Taten sei ebenfalls nicht erfolgt.
11
2. Der Spezialitätsgrundsatz ist nicht verletzt. Die abgeurteilten Taten sind von dem im Europäischen Haftbefehl bezeichneten Lebenssachverhalt umfasst. Es bedarf deshalb hier keiner Erörterung, ob aus § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG, der Art. 27 Abs. 3 Buchst. c des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1 ff.) wortgleich umsetzt, folgt, dass sich aus einer Verletzung des Spezialitätsgrund- satzes kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis ergibt (so EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, NStZ 2010, 35 mit Anm. Heine). Der Angeklagte W. wurde wegen keiner von der Auslieferungsbewilligung nicht erfassten „anderen“ verurteilt.
12
a) Der dem Spezialitätsgrundsatz zugrunde liegende Tatbegriff umfasst den gesamten mitgeteilten Lebenssachverhalt, innerhalb dessen der Verfolgte einen oder mehrere Straftatbestände erfüllt haben soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 1977 - 4 ARs 8/77, BGHSt 27, 168, 172 mwN; Vogler in Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 11 IRG Rn. 14). Im Rahmen dieses historischen Vorgangs sind die Gerichte des ersuchenden Staates nicht gehindert, die Tat abweichend rechtlich oder tatsächlich zu würdigen, soweit insofern ebenfalls Auslieferungsfähigkeit besteht (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 22/03, NStZ 2003, 684; Urteil vom 11. Januar 2000 - 1 StR 505/99, NStZ-RR 2000, 333; Urteil vom 6. März 1985 - 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318; Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 177/86, NStZ 1986, 557; Schomburg/Hackner in Schomburg/Lagodny, IRG, 4. Aufl. § 72 Rn. 20; Vogler aaO § 11 Rn.15 f.).
13
b) Eine Änderung in der Rechtsauffassung berührt die Hoheitsinteressen des um Auslieferung ersuchten Staates regelmäßig nicht. Dementsprechend steht der - vor allem dem Schutz dieser Interessen dienende - Spezialitätsgrundsatz etwa einer Verurteilung wegen Einzeltaten anstelle einer im Auslieferungsersuchen angenommenen fortgesetzten Handlung nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1995 - 1 StR 18/95, NStZ 1995, 608). Das Gleiche gilt, wenn das Strafgesetz später geändert wird (hier etwa durch Aufhebung des Verbrechenstatbestandes des § 370a AO), ebenso, wenn der den Haftbefehl erlassende Richter anstatt von Tatmehrheit rechtsfehlerhaft von einer Verknüpfung der Taten im Sinne einer Handlungseinheit ausgegangen ist, sofern die dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen dem Auslieferungsersuchen zu entnehmen sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 1989 - 1 StR 296/89, NStZ 1989, 526).
14
c) Der Begriff der „anderen Tat“ im Sinne des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG knüpft allein an die Beschreibung der Straftat in der Auslieferungsbewilligung, diese wiederum an den Europäischen Haftbefehl an. Eine „andere Tat“ liegt nicht vor, wenn sich die Angaben im Europäischen Haftbefehl und diejenigen im späteren Urteil hinreichend entsprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08, aaO; BGH, Beschluss vom 24. September 2010 - 1 StR 373/10). Dies ist hier der Fall.
15
Der Umstand, dass der dem Auslieferungsersuchen und der Auslieferungsbewilligung zugrunde liegende Haftbefehl im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens - verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend - eine dem jeweiligen Ermittlungsstand angepasste Konkretisierung erfahren hat, lässt hier die Identität der Tat unberührt. Die Strafverfolgung wurde dadurch nicht auf andere Taten gerichtet. Sämtliche abgeurteilten Taten sind nach Art des Delikts (Steuerhinterziehung), den betroffenen Steuerarten, den jeweiligen Veranlagungszeiträumen und der Begehungsweise identisch mit den im Europäischen Haftbefehl umrissenen Teilakten des dort beschriebenen Lebenssachverhalts.
16
d) Auch der Umstand, dass einzelne nach deutschem Recht als selbständige Taten zu wertende Teilakte des im Auslieferungsersuchen geschilderten Gesamtgeschehens sich auf Verkürzungsbeträge beziehen, deren Höhe - isoliert betrachtet - nach spanischem Recht für eine Ahndung als Steuerhinterziehung nicht ausreichen könnte (vgl. Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuchs [Gesetz Nr. 10/1995 vom 23. November 1995 - BOE Nr. 281 vom 24. November 1995, S. 33987 ff.]), begründet keinen Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz.
17
Unabhängig von der Höhe der jeweiligen Steuerverkürzung handelt es sich bei den Delikten der Art nach um Steuerhinterziehungsdelikte im Sinne der Art. 305 ff. des Spanischen Strafgesetzbuches. Zwar gehören Fiskaldelikte zu den Straftaten, bei denen in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI nicht auf das Erfordernis der gegenseitigen Strafbarkeit verzichtet wurde. Hieraus ergibt sich allerdings gemäß Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 des Spanischen Gesetzes Nr. 3/2003 vom 14. März 2003 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren (BOE Nr. 65 vom 17. März 2003, S. 10244 ff.) nur ein fakultatives Auslieferungshindernis.
18
Von der Möglichkeit, die Auslieferung abzulehnen, hat Spanien vorliegend keinen Gebrauch gemacht. Mit der Bewilligung der Auslieferung auf der Grundlage des dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Europäischen Haftbefehls und des dort geschilderten Lebenssachverhalts haben die spanischen Behörden zum Ausdruck gebracht, dass die Auslieferung für die Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung unabhängig von der Höhe der im Rahmen einzelner Teilakte des Geschehens hinterzogenen Steuer bewilligt wird. Dem im Europäischen Haftbefehl geschilderten Lebenssachverhalt war für alle am Verfahren Beteiligten klar zu entnehmen, dass einzelne Steuerhinterziehungshandlungen mit Steuerverkürzungen in noch nicht genau bekannter Höhe zu Grunde liegen.

C.

19
Die von den Angeklagten erhobenen, teilweise inhaltsgleichen, teilweise sich überschneidenden Verfahrensrügen decken keine den Bestand des Urteils gefährdenden Rechtsfehler auf. Sie bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig sind, sind sie jedenfalls unbegründet. Ergänzend bemerkt der Senat:
20
I. Bei der Erhebung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel enthaltenden Tatsachen vollständig, zutreffend, schriftlich (in die Begründungsschrift eingefügte Kopien, die nicht hinreichend lesbar sind, genügen dem nicht, vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, NJW 1985, 443) und insgesamt innerhalb der sich aus § 345 Abs. 1 StPO ergebenden Revisionsbegründungsfrist anzubringen.
21
Insbesondere dann, wenn sich der Verfahrensgang - wie hier - durch eine kaum zu überblickende Anzahl von Anträgen der Verteidigung auszeichnet, die sich auf umfangreiche Anlagen beziehen, sich teilweise wiederholen und zum Teil auf andere Anträge oder Beschlüsse Bezug nehmen, kann die Revision nicht von ihrer sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Pflicht entbunden werden, die (und nur die) auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005, NJW 2005, 1999, 2001; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 38 mwN).
22
Neuer Tatsachenvortrag nach Fristablauf im Rahmen von Gegenerklärungen (§ 349 Abs. 3 StPO) kann die Unzulässigkeit innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht zulässig erhobener Verfahrensbeanstandungen nicht mehr nachträglich beseitigen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 1 StR 530/09, wistra 2010, 312; BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 3 StR 431/08, NStZ 2009, 168; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 66).
23
1. Die für den Angeklagten W. mit Schriftsätzen vom 4. Juni 2009 erhobenen Verfahrensrügen sind schon deshalb unzulässig, weil zu diesem Zeitpunkt für diesen Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Die Frist des § 345 Abs. 1 StPO beginnt für jeden Angeklagten gesondert in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an ihn bzw. seine Verteidiger (Hanack in LR-StPO, 25. Aufl. § 345 Rn. 4; Wiedner in BeckOK-StPO, § 345 Rn. 5). Wird das Urteil mehreren Empfangsberechtigten zugestellt, beginnt die Frist grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 - 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221). Dies ist hier bezüglich des Angeklagten W. für den 28. April 2009 nachgewiesen. Die Revisionsbegründungsfrist wurde für den Angeklagten W. weder dadurch erneut in Gang gesetzt, dass seinen Verteidigern das Urteil vorsorglich (mit ausdrücklichem Hinweis auf einen allein den Angeklagten B. betreffenden, möglichen Zustellungsmangel) zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zugestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2006 - 4 StR 286/06, NStZ 2007, 53; Beschluss vom 17. März 2004 - 2 StR 44/04, NStZ-RR 2005, 261; Urteil vom 27. Oktober 1977 - 4 StR 326/77, NJW 1978, 60), noch dadurch, dass eine erste wirksame Zustellung des Urteils an den Ver- teidiger des Angeklagten B. möglicherweise erst für den 4. Mai 2009 belegt ist.
24
2. Für die Rüge, ein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO abgelehnt worden, folgt aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge (ebenso wie bei Ablehnung eines Beweisantrags wegen Prozessverschleppungsabsicht, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Juni 1986 - 3 StR 10/86, NStZ 1986, 519, 520) auch sein eigenes prozessuales Verhalten wiedergeben muss, soweit es nach dem Inhalt des beanstandeten Beschlusses für die Entscheidung mitbestimmend war. Dem steht nicht entgegen, dass hiermit - wie auch sonst - verlangt wird, dass mit dem Revisionsvorbringen auch solche Umstände vorgetragen werden müssen, die der erhobenen Rüge den Boden entziehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - 1 StR 484/08, BGHSt 52, 355, 357; weitere Nachweise bei Cirener, NStZ-RR 2010, 97, 100).
25
Diesen Anforderungen genügt der Revisionsvortrag der Angeklagten B. und W. zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 26a StPO nicht. Die Beschwerdeführer haben - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - nicht mitgeteilt, dass den Befangenheitsanträgen vorausgehend fortlaufende, teilweise inhaltsgleiche und ganze Geschäftsverteilungspläne enthaltende Rügen und Anträge dazu geführt haben, dass mit der Verlesung der Anklage erst im Laufe des 7. Hauptverhandlungstages begonnen werden konnte, während die Verteidigung gleichzeitig mit einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründete Anträge auf Aufhebung der Haftbefehle gestellt hat.
26
3. Bei dem Vortrag der für die revisionsgerichtliche Überprüfung bedeutsamen Verfahrenstatsachen darf sich die Revision nicht auf die Mitteilung sol- cher Tatsachen oder Dokumente beschränken, die Gegenstand der Hauptverhandlung waren bzw. die dem Verteidiger zugestellt wurden. Das Begründungserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umfasst - soweit zur Beurteilung des Revisionsvorbringens erforderlich - alle dem Beschwerdeführer zugänglichen Tatsachen. Hierzu gehört jedenfalls der gesamte Akteninhalt, in den Einsicht zu nehmen die Vorschrift des § 147 StPO dem Verteidiger gestattet. Werden zur Revisionsrechtfertigung herangezogene Tatsachen entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzutreffend dargestellt, ist eine darauf gestützte Verfahrensrüge ebenfalls unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 - 2 StR 203/05, NStZ 2006, 55, 56).
27
a) Die Revision des Angeklagten B. rügt, § 261 StPO sei dadurch verletzt worden, dass zur Feststellung von Zahlungsflüssen bestimmte Kontoauszüge nicht verlesen worden seien. Sie teilt jedoch nicht mit, dass Kontoverdichtungen und diesen zugrunde liegende Buchungstexte (mithin „Kontounterlagen“ im Sinne der Urteilsgründe) in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. Die Rüge ist daher unzulässig.
28
Die Aufklärungsrüge des Angeklagten B. , mit der er die unzureichende Aufklärung gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse geltend macht (§ 244 Abs. 2 StPO), enthält eine falsche Tatsachenbehauptung und ist schon deswegen unzulässig. Entgegen der Revisionsrechtfertigung, die sich insbesondere darauf stützt, ein Handelsregisterauszug der S. AG sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden, wurde ein solcher Handelsregisterauszug am 11. Verhandlungstag verlesen (Protokollband Bl. 59 ff.).
29
Auf beides hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung hingewiesen.
30
b) Die von den Angeklagten B. und W. erhobene Rüge einer „Verletzung der §§ 244 Abs. 2, 244 Abs. 3 und 244 Abs. 5 StPO“, mit der sie beanstanden, das Landgericht habe die Einvernahme dreier Auslandszeugen zu dem Rechnungen der Schweizer Firma S. betreffenden Sachverhalt zu Unrecht abgelehnt, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
31
aa) Die Verfahrensrüge ist bereits nicht zulässig erhoben.
32
Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde: Am 64. Verhandlungstag beantragte die Verteidigung unter anderem unter Bezugnahme auf eine von ihr wörtlich mitstenographierte Zeugenaussage vom 21. Verhandlungstag, Verantwortliche der Firma S. zu einem auf insgesamt acht Seiten näher beschriebenen Beweisthema zu vernehmen. Ohne auf den späten Zeitpunkt der Beweisantragstellung einzugehen (was im Rahmen einer Entscheidung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO möglich gewesen wäre, vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, NJW 2005, 300, 304), lehnte es die Strafkammer mit Beschluss vom selben Tag ab, die benannten Auslandszeugen zu vernehmen, da deren Einvernahme unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses keinen Erkenntnisgewinn brächte. Es könne im Rahmen einer Bewertung der zu erwartenden Aussagen nicht außer Betracht bleiben, dass Verantwortliche der Firma S. den Versuch unternommen hätten, sich durch ihren Rechtsbeistand, den Schweizer Rechtsanwalt Dr. P. , verdeckt Erkenntnisse aus dem Gang der Hauptverhandlung zu verschaffen. Dr. P. sei von der Verteidigung als technischer Experte für Datensicherungsfragen vorgestellt worden, seine Berufsstellung als Rechtsanwalt und seine vertragliche Beziehung zur Firma S. , die sich aus einer Werbeaussage ergebe, sei dabei indes verheimlicht worden.
33
Die Revision rügt, aus den von der Strafkammer herangezogenen Umständen könne nicht darauf geschlossen werden, Rechtsanwalt Dr. P. solle die Interessen der Firma S. wahren. Sie unterlässt es indes entgegen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, das in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft genannte, in den Akten befindliche Schreiben der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug mitzuteilen, aus dem sich explizit ergibt, dass Rechtsanwalt Dr. P. der Rechtsbeistand der Firma S. ist.
34
bb) Auch einen sachlichrechtlichen Mangel in der Beweiswürdigung deckt die erhobene Verfahrensbeanstandung nicht auf. Der von der Strafkammer gezogene Schluss, dass Rechtsanwalt Dr. P. die Interessen der Firma S. wahrnahm, ist nicht zu beanstanden. Er ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Die Strafkammer hat auch nicht ein Verhalten der Angeklagten oder ihrer Verteidiger bewertet, sondern Schlüsse aus einem aktenkundig gemachten Verhalten Dritter auf die Glaubwürdigkeit und das Geschäftsgebaren von Zeugen gezogen. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die Rolle Dr. P. s als Interessenvertreter der S. durfte daher sowohl bei der Entscheidung über den Beweisantrag als auch im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogen werden.
35
II. Die Verfahrensrügen, mit denen die Gerichtsbesetzung als fehlerhaft beanstandet wird (§ 338 Nr. 1, 2, 3 und 5 StPO), greifen nicht durch. Sie wären jedenfalls unbegründet. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
36
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und W. rügen die Besetzung der Strafkammer mit dem zunächst als Ergänzungsrichter berufenen RiLG L. (§ 338 Nr. 1 StPO).
37
a) Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde: Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts für das Jahr 2007 sah vor, dass im Falle des § 192 Abs. 2 GVG zur Teilnahme an der Hauptverhandlung als Ergänzungsrichter RiLG Dr. B. , VRiLG S. und VPräsLG R. in dieser Reihenfolge berufen sind, bei Verhinderung des an sich berufenen Richters der Nächstberufene an seine Stelle tritt und gleiches gilt, wenn ein Richter im Geschäftsjahr bereits einmal herangezogen wurde.
38
Der Vorsitzende hatte zunächst die Zuziehung (nur) eines Ergänzungsrichters angeordnet. Nachdem RiLG Dr. B. gegen den im Zusammenhang mit der Terminierung dieses Verfahrens stehenden Widerruf seiner Urlaubsbewilligung Widerspruch eingelegt und eine beisitzende Richterin ihre Schwangerschaft angezeigt hatte, ordnete der Vorsitzende die Zuziehung eines weiteren Ergänzungsrichters an. Zu dem für den 25. Oktober 2007 anberaumten Hauptverhandlungstermin meldete sich RiLG Dr. B. kurz vor Terminsbeginn telefonisch dienstunfähig erkrankt; der weitere Ergänzungsrichter, VRiLG S. , erschien. Nach Aufruf der Sache, Feststellung des soeben Gesagten, Anhörung der Verfahrensbeteiligten und Beratung hierzu wurde das Verfahren durch Gerichtsbeschluss ausgesetzt und neuer Termin für den 8. November 2007 bestimmt. Am selben Tag ordnete der Vorsitzende die Zuziehung von drei Ergänzungsrichtern an. Dies veranlasste das Präsidium des Landgerichts, am 29. Oktober 2007 den Geschäftsverteilungsplan dahingehend zu ändern, dass zum weiteren Ergänzungsrichter RiLG L. bestimmt wurde, in der Reihenfolge nach den bereits namentlich bestimmten. Hierüber wurden die Verteidiger der Angeklagten unterrichtet. Die Besetzung des Gerichts wurde dahingehend bekannt gegeben, dass an der Hauptverhandlung nunmehr RiLG Dr. B. , VPräsLG R. und RiLG L. als Ergänzungsrichter mitwirkten. Am 8. November 2007 teilte der Vorsitzende nach Aufruf der Sache mit, dass sich RiLG Dr. B. erneut kurz vor dem Termin telefonisch dienstunfähig erkrankt gemeldet habe. In der Besetzung mit zwei Ergänzungsrichtern, VPräsLG R. und RiLG L. , nahm das Gericht sodann einen maschinenschriftlich vorberei- teten Antrag der Verteidigung auf amtsärztliche Untersuchung von RiLG Dr. B. sowie die Rüge, das Gericht sei hinsichtlich der Zahl der Ergänzungsrichter unvollständig besetzt, entgegen, bevor der Vorsitzende schriftlich (zu Protokoll) die Anordnung auf Zuziehung eines dritten Ergänzungsrichters aufhob. Es folgten Befangenheitsanträge und Besetzungsrügen. Die Dienstunfähigkeit von RiLG Dr. B. wurde noch am 8. November 2007 amtsärztlich festgestellt. Am dritten Hauptverhandlungstag schied eine Beisitzerin aus, an ihre Stelle rückte VPräsLG R. , der am darauf folgenden Hauptverhandlungstag krankheitsbedingt ebenfalls ausscheiden musste. Der an seine Stelle tretende RiLG L. wirkte sodann am Verfahren bis zur Urteilsverkündung mit.
39
Die Revision ist der Auffassung, der Geschäftsverteilungsplan enthalte schon hinsichtlich der Ergänzungsrichterregelung keine abstrakt-generelle Regelung , im Übrigen sei dessen nachtägliche Änderung unzulässig. Sie führe - wie auch die anderen aus Sicht der Revision willkürlichen Entscheidungen zur Gerichtsbesetzung (Bestimmung der Anzahl der Ergänzungsrichter, Aussetzung , unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der einzelnen Ergänzungsrichter ) - zu einer nicht mehr nach allgemeinen Kriterien vorhersehbaren, sondern nur auf den Einzelfall bezogenen Zuweisung von RiLG L. .
40
b) Die Besetzungsrüge wäre jedenfalls unbegründet. Die sich aus der plötzlichen Verhinderung mehrerer Richter ergebende Situation hat die vom Landgericht getroffenen Entscheidungen über die Gerichtsbesetzung erforderlich gemacht; sie sind sachlich gerechtfertigt und rechtsfehlerfrei.
41
Eine Besetzungsrüge gemäß § 338 Nr. 1 StPO könnte ohnehin nur dann Erfolg haben, wenn der in Rede stehenden Besetzung eine - hier nicht gegebene - willkürliche Verletzung der einschlägigen Bestimmungen zu Grunde liegen würde (vgl. BVerfGE 23, 288, 320). Von Willkür kann aber nur die Rede sein, wenn sich die Entscheidung über die Gerichtsbesetzung so weit von dem die Bestimmungen über die Besetzung des Gerichts beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Schon eine nur vertretbare Beantwortung einer Zweifelsfrage zur zutreffenden Gerichtsbesetzung verstößt aber weder gegen den sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Anspruch auf Mitwirkung des gesetzlichen Richters, noch wird dadurch eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts i.S.v. § 338 Nr. 1 StPO herbeigeführt (vgl. BVerfGE 29, 45, 48; BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476, 477 mwN).
42
aa) Über die Erforderlichkeit der Zuziehung von Ergänzungsrichtern und deren Anzahl entscheidet gemäß § 192 Abs. 2 GVG der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988, BGHSt 35, 366, 368; Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 7; Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 192 GVG Rn. 4a), wobei er sich an einer ihm bekannt werdenden - nicht notwendigerweise konstanten - Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ergänzungsfalls orientieren wird. Neben dem Umfang des Verfahrens und dessen zu erwartender Dauer können auch in der Person eines Beteiligten liegende Umstände eine solche Wahrscheinlichkeit begründen; diese hat der Vorsitzende in den Blick zu nehmen. Tritt ein weiterer solcher Umstand hinzu (hier z.B. die Schwangerschaft einer Richterin oder die Erkrankung des RiLG Dr. B. mit zunächst unbekannter Ursache) oder entfällt ein solcher, ist es zulässig und sachgerecht, die Anzahl der erforderlichen Ergänzungsrichter anzupassen. Hieraus leitet sich auch das Recht des Vorsitzenden ab, die Anordnung auf Zuziehung eines Ergänzungsrichters jederzeit zu widerrufen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 9).
43
Gemessen hieran ist auch die Entscheidung, den für den 25. Oktober 2007 angesetzten Termin nach Bekanntwerden der Krankmeldung des Ergänzungsrichters RiLG Dr. B. nicht bereits vor Aufruf der Sache abzusetzen, rechtsfehlerfrei. Sie beinhaltet die schlüssige und auch in dieser Form zulässige Abänderung der Anordnung über die Zahl der hinzuzuziehenden Ergänzungsrichter. Angesichts der Unklarheiten bezüglich der Erkrankung des RiLG Dr. B. war es auch nicht objektiv willkürlich, was allein die Annahme einer fehlerhaften Gerichtsbesetzung (§ 338 Nr. 1 StPO) stützen könnte, zunächst (was hier ebenfalls formlos möglich war, vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 - 2 StR 250/88, NJW 1989, 1681; BGH, Urteil vom 24. Juli 1990 - 5 StR 221/89, NJW 1991, 51) vom Vorliegen eines Ergänzungsfalls auszugehen , dies aber - mit Blick auf den gesetzlichen Richter - wie geschehen sodann zur Erörterung zu stellen und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot und die mit einem Verfahren mit mehreren Verteidigern verbundenen Schwierigkeiten einer Terminsfindung war dies sachgerecht.
44
Ebenso wenig vermag die - nach Ausbleiben eines immerhin möglichen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 222b Rn. 3; Gmel in KK-StPO, 6. Aufl., § 222b Rn. 3; Ritscher in BeckOK-StPO, § 222b Rn. 7) Verzichts auf den Besetzungseinwand getroffene - Entscheidung, das Verfahren mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen auszusetzen, die Revisionsrüge, das Gericht sei im dann neu anberaumten Termin fehlerhaft besetzt gewesen, zu begründen. Es ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens bereits nicht ersichtlich , dass der Vorsitzende hier willkürlich gehandelt haben könnte, etwa um bewusst auf die (nachfolgende) Gerichtsbesetzung Einfluss zu nehmen. Überdies war die Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, ebenfalls sachgerecht.
45
In der Annahme, das Gericht sei mit VRiLG S. am 25. Oktober 2007 fehlerhaft besetzt, konnte an diesem Tag keine andere Entscheidung getroffen werden, als diejenige, das Verfahren auszusetzen. Auch eine erneute Aufstockung der Zahl der Ergänzungsrichter in laufender Verhandlung (was wegen der unklaren Erkrankungslage des RiLG Dr. B. angezeigt war) wäre nach bereits erfolgtem Aufruf der Sache mit Blick auf § 226 StPO nicht mehr in Betracht gekommen (vgl. Wickern in LR-StPO, 25. Aufl., § 192 GVG Rn. 5).
46
Die Aussetzung des am 25. Oktober 2007 begonnenen Verfahrens mit einem Neubeginn innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 StPO begegnete - auch im Lichte des Anspruchs der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) - selbst dann keinen durchgreifenden Bedenken, wenn man annähme, die Strafkammer sei mit VRiLG S. als einzigem Ergänzungsrichter am 25. Oktober 2007 objektiv richtig besetzt gewesen. Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei (BGH, Urteil vom 9. August 2007 - 3 StR 96/07, NStZ 2008, 113).
47
Das Entscheidungsermessen entfiel hier auch nicht dadurch, dass ein neuer Hauptverhandlungstermin innerhalb der Frist des § 229 Abs. 2 StPO bestimmt werden konnte. Vielmehr entsprach es dem Gebot der Beschleunigung, zumal in Haftsachen, eine neue Hauptverhandlung möglichst bald anzusetzen, nachdem sich die Hauptverhandlung am 25. Oktober 2007 für die Strafkammer als nicht zweifelsfrei in dieser Form durchführbar erwiesen hatte. Für die Frage, ob eine Aussetzung zulässig ist, kann nicht allein die Dauer bis zum nächstmöglichen Termin maßgeblich sein (vgl. zu diesem Gesichtspunkt aber Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 228 Rn. 2). Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit den Regelungen in § 217 Abs. 2, § 246 Abs. 2, § 265 Abs. 3 und Abs. 4 StPO, die für Situationen eine Aussetzung vorschreiben oder zulassen, in denen das Gericht unter Beachtung des Beschleunigungsgebots nicht gehindert ist, innerhalb der sich aus § 229 Abs. 2 StPO ergebenden Unterbrechungsfrist neu zu terminieren. Auch sonst wird die Annahme eines richterlichen Ermessens für die Entscheidung zwischen Unterbrechung und Aussetzung der Vielfalt denkbarer Geschehensabläufe, die eine nachträgliche Umterminierung bedingen können, besser gerecht als eine starre Zeitgrenze, ohne dass dadurch schützenswerte Interessen der Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt wären.
48
bb) Mit Aufruf der Sache am 25. Oktober 2007 begann die Hauptverhandlung , § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dies hatte zur Folge, dass der an dieser Hauptverhandlung teilnehmende VRiLG S. - unabhängig davon, ob seine Mitwirkung fehlerhaft war oder nicht - im Geschäftsjahr 2007 im Gegensatz zu RiLG Dr. B. bereits einmal als Ergänzungsrichter herangezogen worden war und daher nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht neuerlich als Ergänzungsrichter herangezogen werden konnte.
49
cc) Vor diesem Hintergrund ist auch die nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans nicht zu beanstanden. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Limburg für das Jahr 2007 enthält eine hinreichend abstrakte Regelung zur Frage, welcher Richter im nicht vorhersehbaren Fall der Notwendigkeit eines Ergänzungsrichters heranzuziehen ist. Der Umstand, dass - anders als im Vorjahr - mehr als drei Ergänzungsrichter erforderlich sein würden, war nicht absehbar. Durch die - ermessensfehlerfreie - Anordnung der Hinzuziehung eines weiteren, nicht bereits durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2007 „verbrauchten“ Ergänzungsrichters war eine unvorhersehbare Regelungslücke im Geschäftsverteilungsplan entstanden, die das Präsidium des Landgerichts in entsprechender Anwendung des § 21e GVG zu schließen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1981 - 3 StR 88/81, NStZ 1981, 489).
50
dd) Hinsichtlich der dienstunfähig gewordenen Beisitzerin und des erkrankten VPräsLG R. lag jeweils ein Verhinderungsfall vor, bei dem ein Ergänzungsrichter für den verhinderten Richter einzutreten hatte (vgl. § 192 Abs. 2 GVG). Aber auch hinsichtlich des erstberufenen Ergänzungsrichters, RiLG Dr. B. , lag am 8. November 2007 ein Verhinderungsfall vor, da dieser Richter an diesem Tag - amtsärztlich attestiert - bereits erneut erkrankt und absehbar längerfristig unfähig war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Hiervon durfte der Vorsitzende angesichts der Besonderheiten des Falles jedenfalls ausgehen. Damit trat an die Stelle von RiLG Dr. B. der nächstberufene Ergänzungsrichter , an dessen Stelle wiederum der in der Reihe nachfolgende. Die Mitwirkung von RiLG L. an Hauptverhandlung und Urteil erweist sich nach alledem als zutreffend, keinesfalls aber als willkürlich.
51
2. Neben dieser Besetzungsrüge haben die Revisionen aller Angeklagten eine dienstliche Stellungnahme von RiLG L. zu einem mit dem Anstaltsseelsorger des Angeklagten W. auf dessen Wunsch geführten Gespräch zum Anlass genommen, anzunehmen, RiLG L. sei gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen. Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 2 StPO) ist ebenfalls unbegründet.
52
Das Wissen, das ein Richter während des Laufs eines anhängigen Verfahrens dienstlich erlangt und durch eine dienstliche Erklärung in die Hauptverhandlung einbringt, macht den Richter nicht zum Zeugen. Eine Vernehmung als Zeuge wäre ein unzulässiges Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO; es entzöge dem Angeklagten den gesetzlichen Richter (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - 3 StR 89/93, NJW 1993, 2758).
53
3. Die Besetzungsrüge des Angeklagten W. , der Vorsitzende sei gemäß § 22 Nr. 1 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen (§ 338 Nr. 2 StPO), ist bereits nicht zulässig erhoben, weil sie den Inhalt der hierzu abgegebenen dienstlichen Erklärungen nicht vorträgt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie wäre auch unbegründet:
54
Der Vorsitzende hat gemäß § 183 GVG die Äußerung eines Verteidigers, es sei dem Angeklagten unzumutbar, sich mit den Richtern in einem Raum aufzuhalten , zu Protokoll genommen. Diese Äußerung wurde Gegenstand einer Strafanzeige durch den Landgerichtspräsidenten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war der Vorsitzende damit nicht als Verletzter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen. Straftat im Sinne des § 22 Nr. 1 StPO kann nur eine solche sein, die Prozessgegenstand des anhängigen Verfahrens ist. Andernfalls läge es in der Hand eines jeden Angeklagten, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 2 BvR 1639/94, NJW 1996, 2022).
55
4. Die behauptete Überlassung von Teilen der Anklageschrift an die Schöffen könnte für sich allein eine Besorgnis der Befangenheit weder gegenüber den Berufsrichtern noch gegenüber den Schöffen begründen (vgl. EGMR, Urteil vom 12. Juni 2008 - 26771/03, NJW 2009, 2871; zur Zulässigkeit der Überlassung von Aktenteilen an Schöffen vgl. auch BGH, Urteil vom 26. März 1997 - 3 StR 421/96, BGHSt 43, 36). Die hierauf gestützte Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) des Angeklagten B. kann schon deswegen nicht erfolgreich sein.
56
5. Die auf § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen der Angeklagten B. und W. , mit denen sie geltend machen, Befangenheitsgesuche seien zu Unrecht gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig verworfen und Art. 101 GG dadurch verletzt worden, bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
57
a) Den Rügen liegt u.a. Folgendes zugrunde: Die Verteidigung des Angeklagten F. hatte am 3. Verhandlungstag gegen eine Protokollführerin ein Ablehnungsgesuch angebracht, weil diese dem Vorsitzenden über Vorkommnisse in einer Sitzungspause (Übergabe von Unterlagen an einen der Angeklagten ) berichtet hatte. Es wurde ebenso wie ein Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin zurückgewiesen. Dies und die Mitteilung des Vorsitzenden, hinsichtlich einer Beisitzerin den Ergänzungsfall annehmen zu wollen, nahm die Verteidigung des Angeklagten B. zum Anlass, die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen abzulehnen. Die Verteidigung des Angeklagten W. lehnte ebenfalls mit einem in der Hauptverhandlung angebrachten und zwei weiteren während laufender Hauptverhandlung auf der Geschäftsstelle eingereichten - mit vorangehenden überwiegend wortgleichen - Anträgen die Mitglieder der Strafkammer einschließlich der Schöffen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
58
Die Strafkammer verwarf die Befangenheitsgesuche mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Eine Gesamtschau des bisherigen Verfahrensgangs offenbare ein zwischen den Verteidigern abgesprochenes Verteidigungsverhalten, das darin bestehe, Anträge in möglichst umständlicher und zeitaufwändiger Weise einzubringen, die hierdurch entstehenden Verzögerungen sodann aber zur Begründung für weitere Haftaufhebungsanträge zu verwenden. Auch werde erkennbar, dass Entscheidungen des Gerichts über Verfahrensanträge umgehend zum Anlass für weitere Ablehnungsanträge unter Wiederholung bereits verbeschiedener Rügen genommen worden seien. Die Strafkammer weist darauf hin, die Verteidigung des Angeklagten W. habe am 1. Verhandlungstag zwei Besetzungsrügen angebracht , bei denen sie jeweils - mit dem Bemerken, dies sei prozessual zwingend - den gesamten Geschäftsverteilungsplan einschließlich der Zuständigkeitsverteilung sämtlicher Zivilkammern und aller Änderungsbeschlüsse verlesen habe. Am 2. Verhandlungstag habe die Verteidigung des Angeklagten B. begonnen, einen ihr schriftlich vorliegenden Befangenheitsantrag zu Protokoll zu diktieren, einschließlich eines dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden Beschlusses aus dem Ermittlungsverfahren mit den darin enthaltenen Zahlenkolonnen. Nach einem am Nachmittag des 2. Verhandlungstages vom Vorsitzenden gegebenen Hinweis darauf, dass ein Recht auf Protokollierung der Antragsbegründung nicht bestehe, habe der Verteidiger des Angeklagten B. erwidert, dass er diese Ansicht zur Kenntnis nehme, seinen Antrag gleichwohl weiter zu Protokoll diktieren werde. Das Landgericht nennt im Ablehnungsbeschluss weitere Anträge, unter anderem einen Befangenheitsantrag gegen die Protokollführerin, in welchem diese des Denunziantentums und der Abgabe unwahrer Erklärungen bezichtigt werde, einen Antrag auf Umsetzung der Protokollführerin , in dem diese erneut der bewussten Spitzeltätigkeit bezichtigt werde. Gegen die Kammermitglieder werde der diffamierende Vorwurf erhoben, die angebliche Bespitzelungstätigkeit der Protokollführerin entspreche einem Wunsch der Strafkammer. Die mit dem Vorwurf der Verkündung eines nicht beratenen Kammerbeschlusses vorgetragene Wertung, das gerügte Verhalten des Vorsitzenden lasse vermuten, dass dieser auch die Beurteilung der Schuldfrage nicht vom Ergebnis der Beweisaufnahme abhängig mache, diene allein einer Bloßstellung; ein Verteidiger des Angeklagten B. habe selbst bekundet, eine Tischberatung habe zu dem in Rede stehenden Beschluss stattgefunden. Die weiteren Einwände gegen die Unbefangenheit der Richter seien - zum Teil wortgleich - bereits Gegenstand früherer Anträge gewesen, die die Strafkam- mer bereits beschieden habe. Der darin enthaltene Hinweis, die Mitglieder des Präsidiums hätten bei wahrheitsgemäßen Angaben bekennen müssen, die Ergänzungsrichter unter bewusster Missachtung der verfassungsrechtlichen Erfordernisse bestellt zu haben, diene ebenfalls allein der Diffamierung.
59
Auch ein weiteres Befangenheitsgesuch des Angeklagten B. verwarf die Strafkammer am 1. Juli 2008 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig. Die Verteidigung hatte gegen die an einem Beschluss zur Zurückweisung eines gegen einen Sachverständigen gerichteten Befangenheitsantrags mitwirkenden Richter ein Befangenheitsgesuch angebracht und sodann gegen die hierüber entscheidenden Richter neuerlich mit einem Ablehnungsantrag reagiert. Nachdem auf Antrag der Verteidigung mitgeteilt wurde, welche Richter hierüber entscheiden würden, wurde gegen diese ein Befangenheitsantrag gestellt , der nunmehr Gegenstand einer Revisionsrüge ist.
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In dem diesen Antrag zurückweisenden Beschluss führt die Strafkammer aus, die Verteidiger hätten durch das bisherige Prozessverhalten gezeigt, dass sie bestrebt seien, die Hauptverhandlung dauerhaft auf eine Auseinandersetzung um vermeintliche Voreingenommenheit zu beschränken, eine zügige Beweisaufnahme zu verhindern, hierdurch zusätzliche Arbeitskraft der Richter zu binden und die dadurch entstandenen Verzögerungen dann als Argument in einer eingereichten Haftbeschwerde zu verwenden. So erweise sich die sukzessive Kettenablehnung der für das jeweils neu abgelehnte Kammermitglied nachrückenden Richters in der Zusammenschau des - im Einzelnen dargelegten - Prozessverlaufs, dass es der Verteidigung nur um die Verhinderung einer Beweisaufnahme zum Themenkomplex „S. “ gehe.
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b) Die Rügen wären jedenfalls unbegründet. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt nicht vor. Die Grenzen, innerhalb derer abgelehnte Richter selbst über die gegen sie angebrachten Ablehnungsgesuche entscheiden können (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2005, 3410; NJW 2006, 3129; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06), wurden nicht überschritten.
62
aa) Die Vorschrift des § 26a StPO gestattet ausnahmsweise, dass ein abgelehnter Richter selbst über ein gegen ihn angebrachtes Befangenheitsgesuch entscheidet. Voraussetzung für diese Ausnahme von dem in § 27 StPO erfassten Regelfall der Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters ist, dass keine Entscheidung in der Sache getroffen wird, vielmehr die Beteiligung des abgelehnten Richters auf eine echte Formalentscheidung oder die Verhinderung des Missbrauchs des Ablehnungsrechts beschränkt bleibt (BVerfG, NJW 2005, 3410). Dies gilt auch für die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 129/07, wistra 2008, 267; BGH, Beschluss vom 10. April 2008 - 4 StR 443/07, NStZ 2008, 523, 524). Allerdings ist es zum Beleg der Prozessverschleppungsabsicht regelmäßig erforderlich , dass die Richter das eigene Verhalten im Rahmen des Prozessgeschehens schildern. Allein hierdurch werden sie aber nicht zu Richtern in eigener Sache (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446; Beschluss vom 13. Februar 2008 - 3 StR 509/07, NStZ 2008, 473).
63
bb) Gemessen hieran ist die Verwerfung der geschilderten Ablehnungsgesuche als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht zu beanstanden.
64
Die abgelehnten Richter haben nicht ihr eigenes Verhalten bewertet. Vielmehr hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der den Befangenheitsge- suchen zugrunde liegenden Verschleppungsabsicht und der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke rechtsfehlerfrei gewonnen aus den Befangenheitsgesuchen selbst (deren Inhalt, Art und Weise der Anbringung der Gesuche und Wortwahl) und der jeweiligen Verfahrenssituation. Auch der Umstand, dass die abgelehnten Richter im Rahmen der Entscheidung vom 1. Juli 2008 auf vorangehende Beschlüsse Bezug nehmen, mit denen sie bereits eine Prozessverschleppungsabsicht in anderem Zusammenhang festgestellt hatten, macht sie nicht zu Richtern in eigener Sache (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 289/09, wistra 2009, 446).
65
Die Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO waren gegeben, wie bereits die von der Strafkammer in den Ablehnungsbeschlüssen geschilderten Umstände belegen. Auch die revisionsgerichtliche Prüfung nach Beschwerdegrundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 3 StR 446/04, wistra 2005, 464 ergibt, dass ein klarer Fall missbräuchlich angebrachter Ablehnungsgesuche vorliegt. Schon in der hier sogar mehrfachen Wiederholung gleichlautender Anträge kann eine Absicht zur Verfahrensobstruktion erkennbar werden. Der von der Strafkammer aus dem Umstand, dass für verschiedene Angeklagte gestellte Anträge sowohl vom Erscheinungsbild als auch vom Inhalt identisch waren, gezogene Schluss auf ein zwischen den Verteidigern abgestimmtes Verhalten, liegt dabei überaus nahe. Die Stellung langer Anträge zu Protokoll und die Anwürfe gegen die Mitglieder der Strafkammer, die ersichtlich zur Wahrung der Verteidigungsinteressen nicht erforderlich waren, deuten ebenfalls auf die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke oder die Absicht zur bloßen Verschleppung des Verfahrens hin. Jedenfalls in der Gesamtschau lässt dieses Prozessverhalten keinen vernünftigen Zweifel zu, dass es der Verteidigung (auch) mit den abgelehnten Befangenheitsanträgen nicht um die Wahrnehmung legitimer Verteidigungsaufgaben - den Angeklagten vor einem materiellen Fehlurteil oder auch nur einem prozessordnungswidrigen Urteil zu schüt- zen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 3 StR 445/04, NStZ 2005, 341) - ging, sondern um die Verhinderung eines geordneten Verfahrensfortgangs und -abschlusses in angemessener Zeit durch die zielgerichtete und massive Beeinträchtigung von Verfahrensherrschaft und Arbeitsfähigkeit des Strafgerichts (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 5 StR 129/05, NJW 2005, 2466).
66
Das Revisionsvorbringen vermag diesen Befund nicht zu entkräften. Soweit die Revision des Angeklagten B. vorträgt, es gehöre zu den Kernaufgaben der Verteidigung, durch Ablehnungsanträge zu versuchen, eine Haftverschonung für den Mandanten zu erzwingen, offenbart dies ein Fehlverständnis des Strafprozesses im allgemeinen und des Ablehnungsverfahrens nach §§ 24 ff. StPO im besonderen. Solches Vorbringen ist nicht geeignet, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu widerlegen. Der Auftrag der Verteidigung liegt - bei allem anerkennenswerten Engagement für den Mandanten - nicht ausschließlich im Interesse eines Angeklagten, sondern auch in einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege (BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 106). Der Verteidiger, von dem das Gesetz besondere Sachkunde verlangt (§§ 138, 139, 142 Abs. 2 StPO, § 392 AO), ist der Beistand, nicht der Vertreter des Beschuldigten, an dessen Weisungen er auch nicht gebunden ist (BGH, Urteil vom 7. November 1991 - 4 StR 252/91, NStZ 1992, 140).
67
c) Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO nicht stets den Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO begründen, vielmehr führt ein solcher Verstoß nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn diese Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411; BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 1730/06; BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161). Beides ist hier nicht der Fall.
68
d) Die weiteren von den Revisionen beanstandeten Beschlüsse der Strafkammer, mit denen Befangenheitsgesuche gegen Berufsrichter und Schöffen sowie gegen einen Sachverständigen gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verworfen wurden, halten gemessen an den aufgezeigten Grundsätzen ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
69
III. Auch die gegen die Behandlung der zahllosen Beweisanträge durch die Strafkammer gerichteten Verfahrensrügen, wie etwa die Beanstandung, die Strafkammer habe zwei auf die Einvernahme von rund 2.000 und 5.401 Zeugen gerichtete Beweisanträge rechtsfehlerhaft als bedeutungslos abgelehnt, bleiben aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ohne Erfolg. Sie wären jedenfalls unbegründet.
70
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof schon früh die Zurückweisung eines hinsichtlich des Umfangs der begehrten Beweisaufnahme ähnlichen (Hilfs-)Beweisantrags eben wegen dieses Umfangs mit folgender Begründung gebilligt hat: „Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags der Verteidigung, „sämtliche Inserenten“ - etwa 7.000 - als Zeugen zu verhören, verletzt die §§ 244, 245 StPO [aF] schon deshalb nicht, weil er … auf Unmögliches gerichtet ist“ (BGH, Urteil vom 4. Januar 1954 - 1 StR 476/53). In vergleichbarem Sinn hat das OVG Münster (DÖV 1981, 384 mwN) unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass sich auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ablehnung von Beweisanträgen nach § 244 StPO richte, einen auf die Vernehmung von 20.000 Zeugen gerichteten Antrag zurückgewiesen: Die Durchführung der Beweisaufnahme sei unzumutbar, die Grenzen der Zumutbarkeit „eindeutig überschritten“ (vgl. auch Niemöller, Zum exzessiven Gebrauch des Beweisantragsrechts, JR 2010, 332, 338).

D.

71
Hinsichtlich des Angeklagten F. führt die sachrechtliche Nachprüfung zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und in dessen Folge zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Darüber hinaus hat die Rüge der Verletzung materiellen Rechts keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten F. aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO).
72
I. Der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten F. ist auf die Sachrüge dahin zu ändern, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig ist.
73
1. Die den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe zugrunde liegenden Taten (Versuch der Hinterziehung von Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer der B. GmbH für das Jahr 2004), die das Landgericht als tatmehrheitlich verwirklicht angesehen hat, stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt: "Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. … Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthal- ten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.). Dies ist für die Taten F 3 und F 4 festgestellt, weil die unrichtigen Steuererklärungen am 06.03.2006 bei einem Finanzamt abgegeben wurden, sie Steuern derselben Gesellschaft für den Veranlagungszeitraum 2004 betrafen und übereinstimmend unrichtige Angaben enthielten."
74
Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern, ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
75
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Körperschaft - bzw. Gewerbesteuer der D. Systeme GmbH für das Jahr 2004) tragen die Urteilsfeststellungen die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht. Der Senat ändert daher den Schuldspruch in diesen Fällen jeweils auf versuchte Steuerhinterziehung ab.
76
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe alle äußeren und inneren Tatsachen so vollständig angeben, dass darin die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands erkannt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4). Bei der Blankettstrafnorm des § 370 AO, die erst zusammen mit den sie ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften die maßgebliche Strafvorschrift bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2007 - 5 StR 549/06, NStZ 2007, 595), muss sich deshalb aus den Feststellungen ergeben, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1997 - 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374, 375; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 584/00, NStZ-RR 2001, 307). Diesen Anforderungen wird das Urteil in den Fällen F 7 und F 8 nicht gerecht.
77
b) Das Landgericht hat in den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe festgestellt , dass der Angeklagte F. betreffend den Veranlagungszeitraum 2004 für die D. Systeme GmbH, deren Geschäftsführer er war, keine Körperschaftsteuer - und Gewerbesteuererklärungen abgegeben hat. Diese Feststellungen allein tragen jedoch die Annahme einer vollendeten Körperschaftund Gewerbesteuerhinterziehung zugunsten der D. Systeme GmbH nicht. Denn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen ist - sofern, wie hier, kein Schätzungsbescheid ergangen ist - für die Vollendung der Tat i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO derjenige Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung eingereicht worden wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 500/98, NStZ-RR 1999, 218). Dies ist dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO mwN; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 92).
78
Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, welches Finanzamt für die D. Systeme GmbH zuständig war und wann die Veranlagungsarbeiten für den jeweiligen Veranlagungszeitraum dort tatsächlich abgeschlossen waren. Legt man für den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren zugrunde, ist davon auszugehen , dass die Veranlagungsarbeiten hier bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens in der ersten Jahreshälfte 2006 (erste Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse datieren vom 12. April 2006) noch nicht abgeschlossen waren. Dies liegt auch deshalb nahe, weil das Landgericht in den Fällen F 11 und F 12 der Urteilsgründe solches für denselben Veranlagungszeitraum und dieselben Steuerarten bei der Schwestergesellschaft D. Service GmbH festgestellt (und dementsprechend auf versuchte Steuerhinterziehung erkannt) hat.
79
c) Der Senat schließt aus, dass betreffend die Fälle F 7 und F 8 der Urteilsgründe für die D. Systeme GmbH noch Feststellungen getroffen werden können, die einen allgemeinen Veranlagungsabschluss beim zuständigen Finanzamt vor Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung an den Angeklagten F. belegen könnten. Der Schuldspruch ist daher in diesen Fällen auf versuchte Steuerhinterziehung abzuändern. Es ist ausgeschlossen, dass sich der Angeklagte F. gegen den geänderten Tatvorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können.
80
II. Infolge der Schuldspruchänderung hält beim Angeklagten F. auch der Strafausspruch teilweise rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
81
1. Für die tateinheitlich verwirklichten Taten in den Fällen F 3 und F 4 der Urteilsgründe setzt der Senat die vom Landgericht für jede der beiden Taten verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten als neue Einzelstrafe fest (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Es kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Taten eine mildere Strafe als diese verhängt hätte. Die weitere Einzelfreiheitsstrafe entfällt.
82
2. In den Fällen F 7 und F 8 der Urteilsgründe kann der Strafausspruch von jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe keinen Bestand haben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von einer vollendeten Tat ausgegangen ist. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend setzt der Senat in diesen Fällen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils die niedrigste mögliche Freiheitsstrafe von einem Monat fest. Angesichts der Höhe der erstrebten Steuerverkürzung (rund 86.000 Euro im Fall F 7, rund 78.500 Euro im Fall F 8) und im Hinblick auf die übrigen Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender Einstufung der Tat als versuchte Steuerhinterziehung noch eine Geldstrafe verhängt hätte (§ 47 StGB).
83
3. Angesichts des Wegfalls einer Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten und der Herabsetzung zweier Einzelfreiheitsstrafen von neun Monaten auf einen Monat kann bei dem Angeklagten F. der Gesamtstrafausspruch keinen Bestand haben. Es ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der Änderungen bei den Einzelstrafen eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, auch wenn dies im Hinblick auf die Erwägungen des Landgerichts zur Gesamtstrafenbildung eher fern liegt.
84
Der Senat hebt deshalb beim Angeklagten F. die Gesamtfreiheitsstrafe mit der Maßgabe (§ 354 Abs. 1b StPO) auf, dass die nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2008 - 1 StR 336/08; Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 369/03). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht.

E.

85
Die Revisionen der Angeklagten B. und W. haben mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Hiervon bleiben die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen allerdings unberührt. Im Übrigen ergibt die sachrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten B. und W. (§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 StPO). Der Erörterung bedarf Folgendes:
86
I. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren betreffend den Angeklagten B. hinsichtlich der Fälle B 1, B 2, B 3, B 18 und betreffend den Angeklagten W. hinsichtlich des Falles W 12 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein.
87
In diesen Fällen bestehen teilweise durchgreifende Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der Höhe der hinterzogenen Steuern. Der Senat sieht angesichts der Komplexität des Verfahrens aus Gründen der Verfahrensökonomie und zur Beschleunigung des Verfahrens davon ab, die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Die in diesen Fällen noch zu erwartenden Einzelstrafen fielen gegenüber den übrigen Einzelstrafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO).
88
Die Teileinstellung zieht die entsprechende Änderung des Schuldspruchs nach sich.
89
II. In den allein den Angeklagten W. betreffenden Fällen W 1 und W 2 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Gewerbe- bzw. Umsatzsteuer der P. GbR für das Jahr 2001) hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Taten unrichtig beurteilt. Die Straftatbestände wurden aus den bei dem Angeklagten F. zu den Fällen F 3 und F 4 (vgl. oben D.I.1.) genannten Gründen in Tateinheit, nicht - wie vom Landgericht angenommen - tatmehrheitlich verwirklicht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab und setzt für die tateinheitlich begangene Tat eine einheitliche - vom Landgericht bisher für die Fälle W 1 und W 2 jeweils als schuldangemessen angesehene - Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe fest. Er schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender Annahme von Tateinheit eine mildere Strafe als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO), zumal das Landgericht allein für den Fall W 2 - isoliert betrachtet rechtsfehlerfrei - eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für schuldangemessen erachtet hat. Die zweite Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr entfällt.
90
Ein Teilfreispruch hinsichtlich der Verurteilung im Fall W 1 (Gewerbesteuerhinterziehung bei der P. GbR für das Jahr 2001) kommt nicht in Betracht, weil der Senat sicher ausschließen kann, dass es insoweit insgesamt an einer Tatbestandsverwirklichung fehlen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 596/08, NStZ 2009, 347; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546).
91
Zwar ist den Urteilsgründen der Inhalt der in diesem Fall abgegeben Steuererklärung und des daraufhin ergangenen Steuerbescheides nicht zu entnehmen. Daher kann der Senat die festgesetzte mit der gesetzlich geschuldeten Steuer nicht vergleichen und den vom Landgericht angenommenen Schuldumfang nicht nachprüfen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 1). Es steht jedoch sicher fest, dass die Angeklagten in diesem Fall entweder Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt haben. Denn den Urteilsgründen einschließlich der Berechnungsdarstellung ist zu entnehmen, dass aufgrund unrichtiger Angaben in der Steuererklärung dem Gewerbesteuerbescheid ein zu niedriger Gewerbeertrag zugrunde gelegte wurde.
92
Die Urteilsgründe zu Fall W 1 sind insofern widersprüchlich, als das Landgericht einerseits von einem zu hoch festgesetzten „vortragsfähigen Verlust“ , andererseits von einer verkürzten Gewerbesteuer in Höhe von rund 140.000 DM ausgeht. Dabei handelt es sich um zwei sich gegenseitig ausschließende Sachverhaltsvarianten. In beiden Varianten, von denen eine sicher vorliegt, wäre jedoch gleichermaßen ein Taterfolg i.S.d. § 370 Abs. 1 AO eingetreten.
93
1. Es liegt nahe, dass das Landgericht zwar von einer Steuerverkürzung ausgegangen ist, diese aber zu hoch angesetzt hat, weil es einen im Urteil aber nicht näher dargelegten „Verlustvortrag“ mit Blick auf das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) außer Ansatz gelassen hat. Die Anwendung des Kompensationsverbots wäre rechtsfehlerhaft. Denn mit „anderen Gründen“ i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO sind nur solche Tatsachen gemeint, auf die sich der Täter nicht bereits im Besteuerungsverfahren berufen hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 1987 - 3 StR 373/86, NJW 1987, 1273; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rn. 130). Steuervorteile, die dem Täter schon aufgrund seiner Angaben zustanden, dürfen ihm im Steuerstrafverfahren nicht vorenthalten werden (BGH, Urteil vom 31. Januar 1978 - 5 StR 458/77; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 177. Aufl., EL 153 § 370 AO Rn. 46). Eine Steuerverkürzung wäre trotz dieses Rechtsfehlers gegeben.
94
2. Sollten sich demgegenüber die unrichtigen Angaben der Angeklagten so ausgewirkt haben, dass ein zu hoher vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden ist, läge hierin die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils i.S.d. § 370 Abs. 1 AO. Denn eine Besserstellung des Steuerpflichtigen wird nicht erst durch die tatsächliche Durchführung des Verlustabzugs, sondern bereits durch die Feststellung des (vortragsfähigen) Verlusts bewirkt (vgl. Patzelt, Ungerechtfertigte Steuervorteile und Verlustabzug im Steuerstrafrecht, 1990). Die Feststellung eines Verlustvortrags erfolgt durch gesonderten Grundlagenbescheid (hier gemäß § 10a GewStG; vgl. dazu BFH, Urteil vom 9. Juni 1999 - I R 92/98, BB 1999, 1803), der gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für den jeweils nächsten Steuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet (vgl. zum Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG: BFH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII R 2/02, BStBl. II 2004, 551). Insofern erlangt der Steuerpflichtige einen Vorteil spezifisch steuerlicher Art, der auf dem Tätigwerden der Finanzbehörde beruht und der eine hinreichend konkrete Gefähr- dung des Steueranspruchs begründet, die für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 106f.; FG München, Urteil vom 23. Februar 2010 - 13 K 1694/07).
95
III. Im Übrigen hält die Verurteilung der Angeklagten B. und W. wegen Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuern rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere weist die Wertung des Landgerichts, dass die auf die Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen den bei der Berechnung der geschuldeten Körperschaft- und Gewerbesteuern zugrunde zu legenden Gewinn der jeweiligen Rechnungsadressaten in der jeweils festgestellten Höhe nicht mindern konnten, keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
96
1. Bei den in der Rechtsform der GmbH geführten Unternehmen hat das Landgericht die auf Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet, die den Gewinn nicht schmälern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; zum Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310; Urteil vom 24. Mai 2007 - 5 StR 72/07, DStRE 2008, 169, 170 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Denn die Geldabflüsse aus der jeweiligen Unternehmenssphäre hatten ihren Grund allein in dem Verhältnis zwischen den in den Rechnungen aufgeführten Firmen und den Angeklagten B. und W. als deren Gesellschaftern. Ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte Scheinrechnungen nicht als Aufwand in der Buchhaltung berücksichtigt und für vorgenommene Zahlungen zumindest Rückzahlungsansprüche verbucht.
97
Soweit in sehr geringem Umfang tatsächlich Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht wurden, diente dies - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - allein der Verschleierung der Steuerhinterziehung. Die zugrunde liegenden Vereinbarungen sind somit als Scheingeschäfte steuerlich unbeachtlich (§ 41 Abs. 2 AO), die erbrachten Zahlungen insgesamt nicht betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Der Umstand, dass die Strafkammer diese Lieferungen und Leistungen gleichwohl gewinnmindernd in Ansatz gebracht hat, beschwert die Angeklagten nicht.
98
2. Soweit das Landgericht auch im Zusammenhang mit der P. GbR den Begriff „verdeckte Gewinnausschüttung“ verwendet, versteht es diesen Begriff erkennbar untechnisch in dem Sinne, dass die Angeklagten B. und W. beabsichtigten, mittels an die P. GbR gerichteten Scheinrechnungen deren Gewinn zu mindern. Dies ist rechtsfehlerfrei, denn auch bei der P. GbR hatten die Zahlungen nach den Feststellungen des Landgerichts keine betriebliche Veranlassung, sondern dienten allein dem Vermögenszufluss bei den Angeklagten B. und W. . Derart ausschließlich privat veranlasste Zahlungen, denen keine erkennbaren Leistungen an den Betrieb gegenüberstehen, können als Entnahme den Gewinn einer GbR nicht mindern, unabhängig davon, ob der Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG) ermittelt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Oktober 1993 - VIII B 122/92, BFH/NV 1994, 173).
99
IV. Das Urteil hat auch insoweit Bestand, als das Landgericht die Angeklagten B. und W. wegen vollendeter und versuchter Taten der Einkommensteuerhinterziehung verurteilt hat.
100
1. Allerdings galt im Tatzeitraum bei Gewinnausschüttungen das Anrechnungsverfahren für Körperschaftsteuerguthaben (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF). Das Landgericht hätte deshalb beachten müssen, dass bei Verurteilung einer Person nach verdeckter Gewinnausschüttung sowohl wegen Körperschaftsteuerhinterziehung zugunsten der ausschüttenden Kapitalgesellschaft als auch - als Empfänger der Ausschüttung - wegen Einkommensteuerhinterziehung die verkürzte Einkommensteuer im Hinblick auf die verdeckte Gewinnausschüttung (fiktiv) nach dem Anrechnungsverfahren zu berechnen war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2006 - 5 StR 435/06, wistra 2007, 68). Der Umstand, dass das Landgericht hier bei dem Angeklagten B. im Fall B 12 der Urteilsgründe (Einkommensteuerhinterziehung betreffend das Jahr 1999) das Anrechnungsverfahren außer Betracht gelassen hat, beschwert den Angeklagten im Ergebnis jedoch nicht. Eine gleichzeitige Aburteilung der Verkürzung der Körperschaftsteuer für die von der M. GmbH im Jahr 1999 verdeckt ausgeschütteten Gewinne (Fall B 1 der Urteilsgründe) liegt im Hinblick auf die vom Senat insoweit vorgenommene Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht mehr vor.
101
2. Auch das Vorbringen der Revision, das Landgericht habe bei der Bestimmung der von den Angeklagten B. und W. verkürzten Einkommensteuer zu Unrecht nicht auf den Zufluss der Einnahmen bei den Angeklagten abgestellt, deckt keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
102
a) Soweit es sich bei den steuerpflichtigen Einkünften um Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 EStG) handelt, kommt es auch dann allein auf den tatsächlichen Gewinn zum Ablauf des Wirtschaftsjahres an, wenn die Einnahmen im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erzielt wurden. So ver- hält es sich hier bezüglich der P. GbR. Die Höhe der Entnahmen der Gesellschafter ist dabei ohne Bedeutung.
103
b) Demgegenüber führt die verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft erst dann auf der Ebene des Gesellschafters zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn ein Zufluss beim Gesellschafter im Sinne von § 11 EStG gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109 mwN).
104
Ein Zufluss beim Gesellschafter kann dabei auch dann vorliegen, wenn er selbst (noch) keine Zahlung erhalten hat. Denn für die Annahme eines Vermögenszuflusses genügt es, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Sofern die Zuwendung allein auf dem Näheverhältnis des Empfängers zum Gesellschafter beruht, ist die Zuwendung so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter selbst den Vorteil erhalten und diesen (als steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung) an die nahe stehende Person weitergegeben (BFH, Urteil vom 22. Februar 2005, VIII R 24/03; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 20 Rn. 75 mwN).
105
„Nahe stehend“ sind nicht nur Angehörige i.S.v. § 15 AO; eine Beziehung , die auf die außerbetriebliche Zuwendung schließen lässt, kann auch gesellschaftsrechtlicher , schuldrechtlicher oder rein tatsächlicher Art sein (BFH, Urteil vom 18. Dezember 1996 - I R 139/94, NJW 1997, 2198; Weber-Grellet aaO mwN), wie etwa eine wechselseitige, auf jahrelange geschäftliche Zusammenarbeit zurückgehende Beziehung (vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1963 - I 325/61 S, NJW 1964, 517).
106
„Nahe stehend“ kann daher auch ein Mitgesellschafter sein, sodass der Zufluss bei dem einen Gesellschafter dem jeweils anderen zugerechnet werden kann. Nahe stehende Person war hier auch der anderweitig Verfolgte G. , der die Erstellung von Scheinrechnungen durch von ihm beherrschte Firmen veranlasst und für die Rückzahlung ausbezahlter Beträge an die Angeklagten gesorgt hatte. Die Angeklagten B. und W. waren seit Jahren mit G. freundschaftlich verbunden. Sie hatten ihn im Tatzeitraum auch bei dessen betrügerischen Machenschaften mit der Einziehung von durch Missbrauch von Einzugsermächtigungen erlangten Geldbeträgen unterstützt, dabei Gelder auf Konten der B. GmbH vereinnahmt und an G. ausgekehrt.
107
c) Eine Besonderheit besteht in den Fällen ohne bestehendes Näheverhältnis zu den unmittelbaren Geldempfängern, in denen die Angeklagten B. und W. die verdeckt ausgeschütteten Gewinne deshalb nicht in voller Höhe erhalten konnten, weil die Geldempfänger vor der Weitergabe der Beträge an die Angeklagten eine „Provision“ als Gegenleistung für die Ausstellung von Scheinrechnungen einbehielten. Den Angeklagten ist diese Provision allerdings als „sonstiger Bezug“ i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen. Ein Zufluss ist beim Gesellschafter auch dann gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft an einen Dritten zahlt und damit eine Verpflichtung des Gesellschafters erfüllt (BFH, Urteil vom 24. Januar 1989 - VIII R 74/84, BStBl II 1989, 419, 420). Dies ist für die Befreiung des Gesellschafters von privaten Verpflichtungen im Zusammenhang mit ausschließlich privat veranlassten Handwerkskosten anerkannt (BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 277/03, wistra 2004, 109). Für die Zahlung der ebenfalls ausschließlich privat veranlassten „Kosten“ für Dienste im Zusammenhang mit der Erstellung von Scheinrechnungen und Geldtransfers kann nichts anderes gelten. Damit besteht hier der den Angeklagten zugeflossene Vermögensvorteil darin, dass der jeweilige Zahlungsempfänger mit der Provisionszahlung an die Aussteller der Scheinrechnungen belastet wurde, die von den Angeklagten zu tragen war.
108
Es kann hier offen bleiben, ob die von den Rechnungsausstellern oder anderen in den Vermögensrückfluss an die Angeklagten eingebundenen Personen in diesen Fällen einbehaltenen „Provisionen“ bei der Berechnung der Einkommensteuer der Angeklagten als Werbungskosten (§ 9 EStG) hätten in Ansatz gebracht werden müssen oder ob ein solcher Abzug deshalb zu versagen wäre, weil die Aufwendungen der Angeklagten für das Erstellen der Scheinrechnungen und den Geldtransfer nicht der Einkunftserzielung, sondern ausschließlich deren Verschleierung und damit Zwecken der privaten Lebensführung dienten. Denn der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe , dass das Landgericht diejenigen von den Gesellschaften ausgezahlten Beträge, die nicht an die Angeklagten zurückgeflossen sind, aus dem für die Strafzumessung relevanten Schuldumfang ausgenommen hat. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer den im Urteil mehrfach dargestellten und erörterten Provisionseinbehalt der Rechnungsaussteller bei der Strafzumessung nicht mehr im Blick hatte.
109
d) Der Umstand, dass das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zum Zeitpunkt des Rückflusses der Geldbeträge an die Angeklagten B. und W. getroffen hat, gefährdet den Bestand des Urteils nicht.
110
Derartiger Feststellungen hätte es nur in den Fällen bedurft, in denen die Auszahlung an die Firma S. - also an eine nicht nahe stehende Person - vorgenommen worden ist. In diesen Fällen erfolgten aber nach den Urteilsfeststellungen sämtliche Zahlungen auf spätestens am 30. August des jeweiligen Jahres ausgestellte Rechnungen. Das Landgericht durfte deshalb von einem Zahlungseingang im Kalenderjahr der Rechnungsausstellung ausgehen. Für die Annahme, einzelne Zahlungen könnten erst im jeweiligen Folgejahr erfolgt sein, fehlt jeder Anhaltspunkt.
111
3. Allerdings hat das Landgericht in dem den Angeklagten B. betreffenden Fall B 17 und gleichermaßen in dem den Angeklagten W. betreffenden Fall W 11 der Urteilsgründe (jeweils Versuch der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2004) die Höhe der erstrebten Verkürzung von Einkommensteuer unzutreffend berechnet. Hierdurch sind die Angeklagten B. und W. jedoch nicht beschwert. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei fehlerfreier Verkürzungsberechnung in diesen Fällen mildere Einzelstrafen verhängt hätte (§ 354 Abs. 1 StPO).
112
a) Nach den Urteilsfeststellungen waren die Angeklagten B. und W. zu gleichen Teilen Gesellschafter der Firma T. S.L., einer Kapitalgesellschaft spanischen Rechts mit Sitz in Cala Llonga/Ibiza, deren Anteile sie im Jahr 2004 mit notariellem Vertrag veräußert hatten. Gleichwohl verschwiegen sie den hieraus erzielten Erlös gegenüber den deutschen Finanzbehörden.
113
b) Die steuerliche Behandlung des Veräußerungserlöses durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; das Landgericht hat zu Unrecht den vollständigen Veräußerungserlös als Veräußerungsgewinn angesehen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: „Richtigerweise gehört dieser Veräußerungsgewinn eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft … zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 17 EStG. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns findet gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG das so genannte Halbeinkünfteverfahren Anwendung, so dass vorliegend lediglich von einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 61.500,- € auszugehen ist (Hälfte Veräußerungspreis von 62.500 abzüglich hälftige Veräußerungskosten und die Hälfte der Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 1.000,- €).“
114
Die Veräußerungserlöse stellen für die in Deutschland ansässigen Angeklagten B. und W. ausländische Einkünfte (§ 34d Nr. 4b EStG) dar. Nach Art. 13 Abs. 3 des insoweit maßgeblichen (§ 34c Abs. 6 EStG) Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Spanien) vom 14. März 1968 (BStBl I 1968, 544) werden die Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens (zu dem auch Anteile an Kapitalgesellschaften zählen), wenn sie - wie hier - nicht das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte darstellen, nur in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Veräußerer ansässig ist.
115
Die Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft wird im deutschen Steuerrecht in § 17 EStG erfasst (BFH, Urteil vom 22. Februar 1989 - I R 11/85, BFHE 156, 170 = BStBl II 1989, 794 mwN). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG sind „Anteile“ i.S.d. § 17 EStG u.a. Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ähnliche Beteiligungen. Zu letzteren zählen insbesondere Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften (BFH, Urteil vom 24. Oktober 1984 - I R 228/81). Die in Rede stehende Sociedad Limitada spanischen Rechts ist typgleich mit einer deutschen GmbH, Anteile an ihr verkörpern Gesellschafterrechte, wie sie nach deutschem Recht mit GmbH-Anteilen verbunden sind (vgl. Reckhorn-Hengemühle, Die neue Spanische GmbH, 1993). Deshalb sind sie als „ähnliche Beteiligungen“ i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 1996 - VIII R 15/94, BFHE 180, 146 = BStBl II 1996, 312, 313 mwN). Gründe, die einer Anwendung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG entgegenstehen könnten , sind nicht ersichtlich.
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Durch den Ansatz des niedrigeren Gewinns vermindert sich die vom Angeklagten B. geschuldete Einkommensteuer auf 385.116 Euro (statt 412.790 Euro), beim Angeklagten W. reduziert sich der Betrag hinterzogener Einkommensteuer - bei der gebotenen Anwendung der Grundtabelle - auf 201.027 Euro (statt 219.856 Euro).
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c) Zwar ist die Höhe der Steuerverkürzung bestimmender Strafzumessungsgrund (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 80). Der Senat kann hier aber ausschließen, dass das Landgericht mildere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn es den Veräußerungsgewinn zutreffend berechnet hätte.
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Das Landgericht hat bei der im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessung außer auf die Professionalität und Zielstrebigkeit der Angeklagten im Wesentlichen auf die erhebliche Überschreitung der Schwelle zur Steuerverkürzung großen Ausmaßes abgestellt. Diese Umstände bestehen auch bei zutreffender Berechnung der Steuerverkürzung fort. Auch ausgehend von der vom Landgericht vorgenommenen Abstufung der Einzelstrafen in Schritten von wenigstens drei Monaten wird im Vergleich mit den übrigen Einzelstrafen deutlich, dass das Landgericht, hätte es die zutreffenden Verkürzungsbeträge erkannt, keine niedrigeren Einzelstrafen als die festgesetzten von zwei Jahren (Fall B 17) bzw. einem Jahr (Fall W 11) Freiheitsstrafe verhängt hätte.
119
V. Der Senat kann auch ausschließen, dass sich der aufgezeigte Wegfall einer Einzelstrafe beim Angeklagten W. und der weitere Wegfall von Einzelgeldstrafen von jeweils 60 bzw. 90 Tagessätzen in den von der Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfassten Fällen bei den Angeklagten B. und W. auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben könnte. Er schließt aus, dass das Landgericht angesichts des Tatbildes und der Größenordnung der Steuerverkürzung niedrigere als die ohnehin bereits milden Gesamtstrafen von sechs Jahren und drei Monaten (B. ) bzw. von fünf Jahren ( W. ) festgesetzt hätte. Die verbleibende Vielzahl von Einzelstrafen und deren Höhe rechtfertigt bereits für sich die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1997 - 1 StR 483/97, NStZ 1998, 311). Überdies hat die Strafkammer bei der Gesamtstrafenbildung ohne Rechtsfehler maßgeblich auf Gesichtspunkte abgestellt, die das Gesamtgeschehen prägen (z.B. den Aufbau einer Unternehmensstruktur, deren Gestaltung nach dem Ziel einer dauerhaften systematischen Bereicherung durch Steuerhinterziehung ausgerichtet ist) und die nicht durch die genaue Anzahl der Einzelfälle gekennzeichnet sind.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht.

(2) Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, gefährdet erscheint. Sie kann auch versagt werden, wenn durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde, es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft in den in § 395 genannten Fällen den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat.

(3) Der Verletzte, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 2 befugt, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke unter Aufsicht zu besichtigen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden. § 480 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die in § 403 Satz 2 Genannten.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befaßten Gerichts. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2.
seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 66/02
vom
9. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Zuhälterei u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. April 2002 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 5. Oktober 2001 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Zuhälterei in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verurteilung wegen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 StGB) nicht ausreichend dargetan hat.
1. Tat zum Nachteil W. (Fall II.1 der Urteilsgründe)
Das Landgericht nimmt an, daû der Angeklagte die Geschädigte bei der Ausübung der Prostitution "überwacht" und "Maûnahmen" getroffen hat, die die Geschädigte "davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben" (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 1. und 3. Alt. StGB). Der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) setzt in allen Begehungsweisen eine bestimmende Einfluûnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloûe Unterstützung reicht nicht aus. Das Verhalten muû vielmehr geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (BGH StV 2000, 357, 361; BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2; Senatsbeschluû vom 13. November 2001 - 4 StR 408/01). Daû es sich hier so verhält, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit genügender Sicherheit entnommen werden.

a) Soweit es das “Überwachen” im Sinne der ersten Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB anlangt, teilt das Urteil nicht mit, daû der Angeklagte irgendwelche organisatorischen Maûnahmen getroffen hat, die dazu dienten, die Geschädigte zu kontrollieren und “bei der Prostitutionsausübung” zu beaufsichtigen (zum Begriff des Überwachens Horn in SK-StGB 6. Aufl. 42. Lfg. § 181 a Rdn. 11; Laufhütte in LK-StGB 11. Aufl. § 181 a Rdn. 5; jew. m.Rspr.Nachw.). Zwar heiût es dazu im Rahmen der rechtlichen Würdigung, der Angeklagte sei "regelmäûig vorbeigekommen ..., um zu sehen, ob sie gearbeitet hat" (UA 45). Doch findet dies keine Grundlage in den insoweit getroffenen Feststellungen. Denn danach erhielt er von der Geschädigten zwar je-
weils 100 bis 200 DM ausgehändigt, dies allerdings nur "wenn er vorbeikam" (UA 12, ebenso UA 28; Hervorhebung durch den Senat), ohne daû die Häufigkeit der Besuche festgestellt werden konnte. Damit ist nicht belegt, wie es das Merkmal des Überwachens voraussetzt, daû der Angeklagte kontrollierte, wie und was die Geschädigte verdiente (vgl. BGH NStZ 1982, 379; 1986, 358 f. m.krit.Anm. Nitze; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 181 a Rdn. 6 a).
Im übrigen sind die dazu bisher getroffenen Feststellungen so allgemein gehalten, daû sie auch deshalb dem Senat nicht die Prüfung erlauben, ob das Landgericht – und zwar auch in der gebotenen zusammenfassenden Würdigung der einzelnen Maûnahmen des Angeklagten (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210) – die Voraussetzungen der angewendeten Tatbestandsalternative zu Recht angenommen hat. So erwähnt das Urteil zwar, der Angeklagte habe die Geschädigte ªbei Widerspruch oder Ungehorsam (geschlagen), zunehmend auch ohne besonderen Anlaûº (UA 12). Einzelheiten hierzu teilt das Urteil aber nicht mit. Deshalb bleibt nicht nur offen, welche und gegebenenfalls wie viele Körperverletzungshandlungen dem Schuldspruch in diesem Fall zugrunde liegen. Vielmehr fehlt auch der Nachweis, daû objektiv und auch subjektiv der notwendige Zusammenhang dieser ªMaûnahmenº des Angeklagten gerade mit der Ausübung der Prostitution durch die Geschädigte besteht (Überwachen ªbei der Ausübung der Prostitutionº).

b) Die Feststellungen belegen auch nicht, daû der Angeklagte im Sinne der 3. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB Maûnahmen getroffen hat, die die Geschädigte davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Erfaût werden hiervon Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der
Prostitution zu verbauen (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 181 a Rdn. 10). Insoweit fehlt es an jeglichem Hinweis, daû die Geschädigte überhaupt beabsichtigte, aus der Prostitution auszusteigen. Ob dies schon für sich der Annahme dieser Tatbestandsalternative entgegensteht (verneinend Horn aaO Rdn. 13; Lenckner/Perron aaO; Laufhütte aaO Rdn. 7), bedarf hier keiner Entscheidung. Voraussetzung wäre jedenfalls, daû die Geschädigte sich vom Angeklagten gerade in der Prostitution durch Zwang oder Drohung festgehalten fühlte (vgl. BGH NStZ 1994, 32). Daû die Geschädigte sich von dem Angeklagten trennen wollte, genügt jedenfalls nicht.

c) Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daû das Landgericht nach den bisher getroffenen Feststellungen zu Recht die 2. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht angenommen hat, weil ein Bestimmen "anderer Umstände der Prostitutionsausübung" noch nicht darin zu erblicken ist, daû die Geschädigte dem Angeklagten "die Gelder nicht freiwillig gegeben hat,... sondern nur, weil der Angeklagte sie mit Schlägen und Drohungen unter Druck gesetzt hat" (UA 28). Ob der Angeklagte sich insoweit der Erpressung oder räuberischen Erpressung schuldig gemacht hat, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, es sei denn, daû er Anlaû sieht, das Verfahren insoweit mit Blick auf den Zeitablauf und die ± angesichts der zahlreichen Widersprüche in der Aussage der Geschädigten als der im wesentlichen einzigen unmittelbaren Belastungszeugin ± Schwierigkeit der Beweislage nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen.
2. Tat zum Nachteil B. (Fall II. 2 der Urteilsgründe)
Das Urteil hält rechtlicher Prüfung auch nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten sowohl der ausbeuterischen als auch der dirigistischen Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten B. nach § 181 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB für schuldig befunden hat.

a) Die Voraussetzungen der ausbeuterischen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sind nicht hinreichend dargetan. Der Begriff der Ausbeutung verlangt ein planmäûiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten führt (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 180 a Abs. 2 Nr. 2 Ausbeuten 1 und StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 1 Ausbeuten 3). Die Beantwortung der Frage, ob eine spürbare Verschlechterung der Vermögenslage in diesem Sinne vorliegt, setzt grundsätzlich Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Abgaben der Prostituierten voraus (vgl. BGH NStZ 1989, 67 f.; Laufhütte in LK aaO Rdn. 3 m.w.N.). Jedenfalls für den Anfang des nach dem Urteil angenommenen Tatzeitraumes belegen die Feststellungen ein Ausbeuten in diesem Sinne nicht. Danach hat der Angeklagte zumindest bis zum Ausscheiden von "Jenny" aus dem von ihr zusammen mit der Geschädigten B. betriebenen Wohnungsbordell im März 2000 aufgrund einer Vereinbarung mit der Geschädigten die Hälfte der Einnahmen von "J. " erhalten sollen und tatsächlich "in der Folgezeit von der Zeugin B. 100,00 - 300,00 DM täglich ausgehändigt" bekommen. Demgegenüber behielt die Geschädigte aber "ihre eigenen Einnahmen, die zwischen 8.000,00 - 10.000,00 DM pro Monat lagen, für sich" (UA 16), wobei nach dem Zweifelsgrundsatz die von dem Angeklagten vereinnahmten Gelder mit dem Mindest- und die der Geschädigten
verbleibenden Einnahmen aus der Prostitution mit dem in Betracht kommenden Höchstbetrag anzusetzen sind. Abgesehen davon, daû das Landgericht nicht klären konnte, wie hoch die Einnahmen von "J. " genau waren (UA 16, 39), genügen diese Angaben nicht, um eine fühlbare Beschneidung des Lebensstandards der Geschädigten, den sie sonst gehabt hätte (vgl. Lenckner/Perron aaO Rdn. 4 m.N.), feststellen zu können. Die Rechtsprechung hat dies angenommen , wenn die Abgaben 50 % der Einnahmen ausmachen (vgl. BGH NStZ 1989, 67 f.; 1999, 350, 351). Daû es sich so verhält, liegt hier jedenfalls nicht so nahe, daû auf eine nähere Erörterung verzichtet werden konnte.
Es belegt die Ausbeutung im Sinne des § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch nicht, daû die Geschädigte ab Mitte November 1999 monatlich 200 DM auf einen Sparkassenkredit des Angeklagten und dessen "Handy-Unkosten von 300,00 - 500,00 DM im Monat" (UA 19) bezahlte und das Landgericht ohne Angabe genauer Beträge feststellt, daû die Geschädigte seit April 2000 "für sämtliche Zahlungsverpflichtungen des Angeklagten" aufkam (UA 21). Bei all diesen Leistungen kann zudem nicht auûer Betracht bleiben, daû es die Geschädigte selbst war, die den Angeklagten an sich zu binden suchte, die ihm deshalb von sich aus die finanzielle Beteiligung anbot und die sich auch zur Übernahme seiner Zahlungsverpflichtungen veranlaût sah, nachdem der Angeklagte im Einvernehmen mit ihr seine eigene Erwerbstätigkit aufgegeben hatte, damit er sich mehr um sie kümmern könne. Das Einvernehmen stellt zwar für sich das Merkmal der Ausbeutung nicht in Frage (Laufhütte aaO Rdn. 4). Wohl aber begründet die besondere Beziehung zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten Zweifel, daû die Geschädigte die finanziellen Leistungen auf der Grundlage eines Abhängigkeitsverhältnisses erbracht hat. Darauf kommt es jedoch an, weil das bloûe Ausgehaltenwerden selbst bei er-
heblichen Leistungen nicht genügt (BGH NStZ 1982, 507; 1983, 220). Soweit die Geschädigte dem Angeklagten schlieûlich Vermögenswerte, insbesondere Fahrzeuge, "schenkte" (UA 20, 21), die sie im Rahmen der Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann von diesem erhalten hatte, steht dies in keinem erkennbaren Zusammenhang mit ihrer Prostitutionsausübung und hat schon deshalb für die Frage der Ausbeutung auûer Betracht zu bleiben.

b) Die Feststellungen belegen aber auch nicht die Annahme dirigierender Zuhälterei nach den vom Landgericht angenommenen Tatbestandsvarianten der Nr. 2 des § 181 a Abs. 1 StGB. Die Feststellungen ergeben allerdings, daû - was die Revision auch nicht in Zweifel zieht - die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten auch "von Gewalt geprägt" war (UA 22). Das Urteil macht aber nicht deutlich, worin das Landgericht eine "Überwachung" der Geschädigten im Sinne diese Vorschrift sieht. Daû er der Geschädigten verbot auszugehen (UA 22), genügt für sich noch nicht, zumal es ihr ersichtlich trotz des ªVerbotsº ohne weiteres möglich war, die Wohnung zu verlassen (vgl. BGH NStZ 1994, 32). Soweit das Landgericht darin zugleich Maûnahmen sieht, die dazu dienen sollten, sie im Sinne der 3. Alternative von der Aufgabe der Prostitution abzuhalten (UA 45), steht dem schon entgegen, daû es gerade nicht feststellen konnte, "daû der Angeklagte konkret versucht hätte, die Zeugin B. an einem Ausstieg aus der Prostitution zu hindernº (UA 44). Deshalb kann auch keine der fünf im einzelnen festgestellten tätlichen Übergriffe als eine solche tatbestandsmäûige Maûnahme angesehen werden, weil dem Angeklagten bei keiner dieser Auseinandersetzungen bekannt war, daû die Geschädigte einen Ausstieg plante (UA 44). Zudem wies der jeweils aktuelle Anlaû für die Tätlichkeiten nach den dazu getroffenen Feststellungen
auch nicht den spezifischen Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution aus.

c) Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Prüfung, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der 2. Alternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB, die noch nicht notwendigerweise deshalb ausscheidet, weil sich die Geschädigte B. nach den bisher getroffenen Feststellungen dem Angeklagten im wesentlichen freiwillig unterworfen hat (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210; Lackner /Kühl StGB 24. Aufl. § 181 a Rdn. 4). Im übrigen wird der neue Tatrichter auch Gelegenheit haben, den Tatzeitraum des vom Schuldspruch erfaûten tatbestandmäûigen Verhaltens genau zu bestimmen und das Konkurrenzverhältnis der jeweils für sich rechtsfehlerfrei festgestellten Körperverletzungshandlungen klarzustellen. Der Angeklagte ist zwar nicht dadurch beschwert, daû das Landgericht ihn nur wegen rechtlich einer Tat der Körperverletzung verurteilt hat. Es bleibt aber offen, ob dem Schuldspruch sämtliche geschilderten Körperverletzungshandlungen zugrundeliegen, was im Schuldspruch kenntlich zumachen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 260 Rdn. 26 m.N.). Im übrigen weist der Senat vorsorglich darauf hin, daû nicht jede Körperverletzung , die gelegentlich einer zuhälterischen Beziehung erfolgt, deshalb in Tateinheit zu § 181 a StGB steht.
3. Schlieûlich hält auch der Maûregelausspruch nach §§ 69, 69 a StGB der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Anordnung der Maûregel damit begründet, der Angeklagte habe "seine Fahrerlaubnis miûbraucht" , indem er sein Fahrzeug genutzt habe, "um die Geschädigten an abgelegene Orte zu verbringen und sie dort körperlich zu miûhandeln" (UA 49). Diese Erwägung trägt die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht. Voraussetzung
ist, daû der Täter die Tat "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat" (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB). Einen solchen Zusammenhang der dem Angeklagten angelasteten Straftaten mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs ergeben die getroffenen Feststellungen nicht. Nach der Rechtsprechung besteht ein solcher Zusammenhang nicht schon dann, wenn der Täter mit seinem Fahrzeug zum Tatort fährt, sofern dadurch nicht die tatbestandliche Handlung selbst gefördert wird (BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 8). Ob hiernach durch die Belassung der Fahrerlaubnis Gefahren für die Allgemeinheit erwachsen würden, denen durch die Entziehung der Fahrerlaubnis zu begegnen ist (vgl. BGHR aaO Entziehung 5), bedarf einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Sollte der neue Tatrichter wiederum die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen, bedürfte auch die Bemessung der Dauer der Sperrfrist nach § 69 a einer eingehenderen Begründung. Maûstab ist allein die voraussichtliche Dauer der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahr-
zeugs, nicht dagegen, ob die Sperrfrist mit Blick auf die Tatschuld "angemessen" (UA 49) ist (st. Rspr.; BGHR StGB § 69 a Abs. 1 Dauer 1 f).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Die notwendigen Auslagen für einen psychosozialen Prozessbegleiter des Nebenklägers können dem Angeklagten nur bis zu der Höhe auferlegt werden, in der sich im Falle der Beiordnung des psychosozialen Prozessbegleiters die Gerichtsgebühren erhöhen würden. Von der Auferlegung der notwendigen Auslagen kann ganz oder teilweise abgesehen werden, soweit es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(2) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, ein, so kann es die in Absatz 1 genannten notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Angeschuldigten auferlegen, soweit dies aus besonderen Gründen der Billigkeit entspricht. Stellt das Gericht das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig ein, gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen, die einem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsen sind. Gleiches gilt für die notwendigen Auslagen eines Privatklägers, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 377 Abs. 2 die Verfolgung übernommen hat.

(4) § 471 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.