Bundesgerichtshof Urteil, 09. Aug. 2016 - 1 StR 121/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:090816U1STR121.16.0
bei uns veröffentlicht am09.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 121/16
vom
9. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
ECLI:DE:BGH:2016:090816U1STR121.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – , Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 9. Oktober 2015 wird mit der Maßgabe verworfen, dass unter Aufhebung des Ausspruchs über einen Vollstreckungsabschlag in Höhe von acht Monaten von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe weitere zwei Monate der Strafe als vollstreckt gelten.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte war im ersten Rechtsgang wegen Untreue in 567 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Davon hatte das Landgericht sechs Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Dieses Urteil hatte der Senat auf die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 23. Februar 2012 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2
Die nunmehr zuständige Strafkammer hat den Angeklagten wegen der vorgenannten Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und davon (insgesamt) acht Monate als vollstreckt erklärt.
3
Die auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

I.

4
Das Landgericht ist von folgenden Feststellungen und Wertungen ausgegangen :
5
1. Nach den für die jetzt zuständige Strafkammer bindenden, im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch folgte der Angeklagte seinem Vater im Jahr 1993 als Geschäftsführer der G. GmbH nach. Bei dieser Gesellschaft handelte es sich um die Komplementär -GmbH der als Familiengesellschaft geführten L. GmbH & Co. KG. Zwischen 2002 und 2005 entzog der Angeklagte auf unterschiedliche Weise jeweils pflichtwidrig durch 567 Einzelhandlungen dem Vermögen der Kommanditgesellschaft rund 5,4 Mio. Euro. Einen Teil dieses Betrages, den er u.a. für teils hochspekulative Wertpapiergeschäfte aber auch für die Teilnahme an Glücksspielen eingesetzt hatte, führte er später an das Gesellschaftsvermögen zurück.
6
Der Senat hob das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf, weil die zuständige Strafkammer unberücksichtigt gelassen hatte, dass nach der Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs bei § 266 StGB zu Lasten des Gesamthandsvermögens einer Kommanditgesellschaft ein Vermögensnachteil lediglich in dem Umfang eintreten soll, in dem auch die Vermögen der Gesellschafter betroffen sind. Hinsichtlich der Untreue des Angeklagten war dies nicht bezüglich der gesamten Entnahmen, sondern lediglich insoweit der Fall, als es sich um die Vermögen derjenigen Kommanditisten handelte, die nicht in einer von § 247 StGB privilegierten Beziehung zum Angeklagten standen. Dies betraf lediglich Kommanditanteile im Gesamtumfang von 48 %.
7
2. Nach den ergänzenden Feststellungen der jetzt zuständigen Strafkammer schlossen die an der L. GmbH & Co. KG beteiligten Kommanditisten unter Mitwirkung des Angeklagten im Oktober 2011 eine notarielle Rahmenvereinbarung zur Neuordnung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse mit dem Ziel, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicher- und den Familienfrieden innerhalb der Familie Le. wiederherzustellen. Aufgrund dieser Vereinbarung schieden u.a. der Angeklagte und seine Kinder, aber auch seine Mutter, als Gesellschafter aus. Die Kommanditgesellschaft verzichtete auf etwaige Ansprüche gegen den Angeklagten aufgrund seiner als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH begangenen Pflichtverletzungen. Er verzichtete seinerseits auf ein ihm übertragenes Wohnrecht an einem näher bezeichneten Grundstück. Den Wert dieses Rechts hat das Landgericht mit sachverständiger Beratung auf 560.000 Euro geschätzt.
8
3. Für die Strafzumessung hat das Landgericht lediglich einen strafrechtlich bedeutsamen Nachteil im Umfang von 48 % der dem Gesellschaftsvermögen entzogenen Beträge, mithin rund 2,6 Mio. Euro, zugrunde gelegt. Es ist im Hinblick auf das verwirklichte, über § 266 Abs. 2 StGB anwendbare Regelbeispiel aus § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB grundsätzlich von dem durch § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 eröffneten Strafrahmen ausgegangen. Lediglich bei den 26 Taten mit einem – unter Berücksichtigung der vorstehend angesprochenen „48 %-Grenze“ – unter 100 Euro liegenden Vermögensnachteil ist es nicht von der Regelwirkung ausgegangen. Eine Verschiebung der damit jeweils eröffneten Strafrahmen über § 46a Nr. 2, § 49 Abs. 1 StGB ist von der Strafkammer nicht vorgenommen worden.
9
4. Seiner Entscheidung über die Kompensation für eine eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat das Landgericht eine insgesamt eingetretene Verzögerung von drei Jahren und zehn Monaten zugrunde gelegt. Davon entfallen zwei Jahre und drei Monate auf das Verfahren vor dem Urteil des Landgerichts im ersten Rechtsgang. Dafür waren bereits sechs Monate der dort verhängten Strafe in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Urteil für vollstreckt erklärt worden. Die nach diesem Urteil eingetretene Verzögerung hat das Landgericht unter näherer Darlegung mit einem Jahr und sieben Monaten bemessen. Unter Berücksichtigung der Dauer des gesamten Verfahrens sowie der damit für den Angeklagten verbundenen Belastungen ist es davon ausgegangen , dass allein eine Berücksichtigung der Gesamtverzögerung bei der Strafzumessung im engeren Sinne zur Kompensation nicht genügt und hat insgesamt acht Monate der nunmehr verhängten Freiheitsstrafe für vollstreckt erklärt.

II.

10
Die Revision des Angeklagten, die die Nichtanwendung der §§ 63 ff. StGB vom Angriff ausgenommen hat, bleibt in der Sache ohne Erfolg (nachfolgend 1. - 4.). Der Strafausspruch und die Entscheidung über die Kompensation für eine eingetretene Verfahrensverzögerung weisen keine dem Angeklagten im Ergebnis nachteiligen Rechtsfehler auf. Allerdings bedarf es der Klarstellung des durch das hier angefochtene Urteil angeordneten Umfangs des als vollstreckt geltenden Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe (nachfolgend 5.).
11
1. Soweit die Revision geltend macht, es bestünden u.a. aufgrund des langen Zeitablaufs seit Begehung der Taten und des vollständig abgeschlossenen erfolgreichen Resozialisierungsprozesses des Angeklagten keine präventiven Strafzwecke und damit kein Strafbedürfnis mehr, erfasst sie die Bedeu- tung der Kriminalstrafe nicht vollständig. Diese ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie – wenn nicht ausschließlich , so doch auch – auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 13 und Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 198). Die verfassungsrechtliche Legitimität der Verhängung und Vollstreckung von Strafe folgt bereits aus dem Umstand, dass dem jeweiligen Täter die Begehung der Straftat als Fehlverhalten individuell vorgeworfen werden kann (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1997 – 2 BvR 1371/96, BVerfGE 96, 245, 249). Die konkret verhängte Strafe muss dabei von Verfassungs wegen in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfG jeweils aaO, BVerfGE 96, 245, 249 und BVerfGE 133, 168, 198).
12
Angesichts des festgestellten erheblichen Ausmaßes des vom Angeklagten schuldhaft verursachten Unrechts bestehen an der Berechtigung und der Notwendigkeit der Verhängung von Strafe gegen ihn keinerlei Zweifel. Die verhängte Strafe löst sich auch nicht davon, gerechter Schuldausgleich zu sein.
13
2. Die Bestimmung der jeweils herangezogenen Strafrahmen durch das Landgericht ist durchgängig rechtsfehlerfrei.
14
a) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer in sämtlichen verfahrensgegenständlichen Fällen mit einem – untreuestrafrechtlich relevanten – Vermögensnachteil von über 100 Euro vom Strafrahmen gemäß § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB ausgegangen ist. Die Feststellungen tragen ohne wei- teres die Annahme des Regelbeispiels „gewerbsmäßig“ nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB. Auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht an der Regelwirkung festgehalten hat, halten rechtlicher Prüfung stand. Möglicherweise zum Wegfall des erhöhten Strafrahmens führende vertypte Milderungsgründe sind durch das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint worden.
15
aa) Sachverständig beraten hat die Strafkammer bei dem Angeklagten für den Tatzeitraum zwar pathologisches Spielen (ICD-10: F 63.0) angenommen , aber anhand rechtlich zutreffender Maßstäbe die Voraussetzungen des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. § 20 StGB verneint.
16
bb) Auch die Ablehnung der Voraussetzungen eines Täter-OpferAusgleichs gemäß § 46a StGB trotz des Abschlusses der notariellen Rahmenvereinbarung vom 25. Oktober 2011 enthält keine dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler. Das gilt sowohl im Hinblick auf den von der Strafkammer näher erörterten § 46a Nr. 2 StGB als auch auf den hier nicht einschlägigen § 46a Nr. 1 StGB.
17
(1) Das Landgericht hat die Bedeutung dieser Vereinbarung für einen Täter -Opfer-Ausgleich rechtlich zutreffend allein anhand von § 46a Nr. 2 StGB erörtert. Obwohl § 46a StGB nach seinem Wortlaut an sich in beiden Varianten für alle Delikte in Frage kommt, können sich aus den unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen von Nummern 1 und 2 jeweils Beschränkungen im Anwendungsbereich ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 1995 – 5 StR 156/95, NStZ 1995, 492). Dementsprechend versteht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung § 46a Nr. 2 StGB als Regelung über den TäterOpfer -Ausgleich, die an den Ausgleich der durch die Tat entstandenen materiellen Schäden anknüpft (etwa BGH, Urteile vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439 f.; vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33f. und vom 4. Dezember 2014 – 4 StR 213/14, BGHSt 60, 84 ff.). Der Täter-Opfer- Ausgleich nach dieser Vorschrift verlangt auf der Seite der Opfer, dass sie „ganz oder zum überwiegenden Teil“ entschädigtworden sind sowie täterseitig „erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht“. Damit eine er- folgte Schadenswiedergutmachung ihre friedenstiftende Wirkung entfalten kann, muss der Täter einen über eine rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringen. Dafür genügt die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein nicht. Vielmehr muss sein Verhalten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 – 1 StR 634/09, NStZ-RR 2010, 147; BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 – 2 StR 339/08, StV 2009, 405 jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 496/13 Rn. 14). Mit diesen Anforderungen wird den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprochen, einen Täter-Opfer-Ausgleich dann anzunehmen , wenn die vollständige oder wenigstens teilweise Entschädigung des Opfers durch die persönliche Leistung oder den persönlichen Verzicht des Täters die materielle Entschädigung möglich geworden ist (siehe BT-Drucks. 12/6853 S. 22 sowie BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 – 1 StR 634/09, NStZ-RR 2010, 147).
18
(2) Diese Maßstäbe hat das Landgericht ohne Rechtsfehler auf die festgestellten Umstände der notariellen Rahmenvereinbarung angewendet.
19
Der Verzicht des Angeklagten auf ein ihm eingeräumtes Wohnrecht im Wert von 560.000 Euro begründet die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB nicht. Werden wie hier mehrere Opfer durch die Straftat betroffen, muss hinsichtlich jedes Geschädigten jedenfalls eine der beiden Alternativen des § 46a StGB erfüllt sein (BGH, Urteile vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439 f. und vom 5. März 2014 – 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10 mwN). Ein materieller Schadensausgleich gegenüber dem Familienstamm H. (zu dem neben diesem noch M. und La. gehören, UA S. 13) hat nicht stattgefunden. Da der Vermögensnachteil bei Untreuehandlungen zu Lasten des Vermögens von Personenhandelsgesellschaften nach einer originär strafrechtlichen Wertung nur dann untreuestrafrechtlich relevant sein soll, wenn auch die Vermögen der Gesellschafter (hier: der Kommanditisten) berührt sind (siehe nur BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 1 StR 532/12, NJW 2013, 3590, 3593 mwN; dazu Ch. Brand NJW 2013, 3594 f. und ausführlich Karsten Schmidt JZ 2014, 878 ff.), bedurfte es für die Anwendung von § 46a Nr. 2 StGB der wenigstens teilweisen Wiedergutmachung gegenüber allen geschädigten Gesellschaftern.
20
Anhaltspunkte für das Eingreifen von § 46a Nr. 1 StGB in Bezug auf diese durch die Untreuetaten Verletzten bestehen ungeachtet des mit der Rahmenvereinbarung auch verfolgten Ziels, den Familienfrieden wiederherzustellen , nicht. Zwar sind immaterielle Schäden aufgrund der Begehung von Vermögensdelikten nicht von vornherein ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33, 34 mwN). Wie sich aus der geschlossenen Rahmenvereinbarung ergibt, deren wesentliche Inhalte das angefochtene Urteil mitteilt, stand bei dieser jedoch die materielle Neuordnung der Verhältnisse der L. GmbH & Co. KG im Vordergrund. So ist etwa das Ausscheiden der Mutter des Angeklagten und seiner Kinder aus dem Kreis der Gesellschafter jeweils gegen Abfindungen (teils in Geld/teils in Gestalt von Eigentum an Wohnimmobilien) erfolgt. Die den Angeklagten selbst unmittelbar berührenden Regelungen der Vereinbarung sind vorrangig ebenfalls solche einer materiellen Auseinandersetzung. Seinem Verzicht auf das angesprochene Wohnrecht steht der Verzicht der Gesellschaft auf Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Pflichtwidrigkeiten des Angeklagten als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gegenüber. Die Beseitigung immaterieller Schäden war nicht wesentliches Ziel der Vereinbarung. Gelangt damit auch § 46a Nr. 1 StGB nicht zur Anwendung, fehlt es hinsichtlich eines Teils der Geschädigten, näm- lich den Angehörigen des Familienstamms H. , an den Voraussetzungen beider Alternativen des Täter-Opfer-Ausgleichs.
21
Darüber hinaus sind auch die übrigen Erwägungen der Strafkammer zur Nichtanwendung von § 46a Nr. 2 StGB nicht zu beanstanden. Bei dem – zudem mindestens teilweise entgoltenen – Verzicht der Mutter des Angeklagten handelt es sich nicht um eine persönliche Leistung oder einen persönlichen Verzicht des Angeklagten. Die Einigung zwischen den Beteiligten der notariellen Vereinbarung, die dem Angeklagten 1986 durch Gesellschafterbeschluss zugesagte Altersvorsorge könne nicht mehr eintreten (UA S. 8), kann sich unabhän- gig davon, ob der „Verzicht“ der Gesellschaft oder den Gesellschaftern zu Gute käme, nicht als für § 46a Nr. 2 StGB bedeutsame persönliche Leistung oder persönlicher Verzicht erweisen. Denn zugesagte Ruhegeldansprüche können ohnehin versagt werden, wenn es an der erwarteten Gegenleistung für die versprochenen Ansprüche fehlt. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn der Anspruchsberechtigte unter Missbrauch seiner Stellung im Unternehmen, aus dessen Erträgen diese Ansprüche bestritten werden sollen, fortgesetzt schädigt und dadurch dessen wirtschaftliche Grundlage gefährdet (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1983 – II ZR 71/83, BB 1984, 366, 367 f.). Diese Voraussetzungen lagen nach den bereits im ersten Rechtsgang zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen nahe.
22
(3) Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es eines ausdrücklichen Eingehens auf § 46a Nr. 1 StGB nicht (soweit UA S. 14 oben „§ 46a Ziff. 1 StGB“ genannt wird, handelt es sich um ein Schreibversehen, wie aus dem Ab- stellen auf die persönliche Leistung oder den persönlichen Verzicht ersichtlich ist). Aus den bereits genannten Gründen ging es nicht primär um den Ausgleich durch die Vermögensstraftaten möglicherweise verursachte immaterielle Schäden bei den geschädigten Gesellschaftern.
23
b) Da nach dem Vorstehenden vertypte Milderungsgründe nicht vorliegen , hat das Landgericht für die 26 Taten mit einem unter 100 Euro liegenden untreuestrafrechtlich bedeutsamen Vermögensnachteil der Gesellschafter die Strafen beanstandungsfrei dem nicht gemilderten Strafrahmen des § 266 Abs. 1 StGB entnommen.
24
3. Die Bemessung der Einzelstrafen ist ohne Rechtsfehler erfolgt. Das gilt auch für die Verhängung von Strafen von je einem Monat in drei Fällen unter 30 Euro und von je drei Monaten in 23 Fällen von über 30 aber unter 100 Euro liegenden Vermögensnachteilen. Das Landgericht hat die Unerlässlichkeit kurzer Freiheitsstrafen im Sinne von § 47 StGB in den genannten Fällen mit der systematischen und mit hoher kriminellen Energie verbundenen Vorgehensweise des Angeklagten sowie der Begehung einer Vielzahl von Taten über einen langen Zeitraum hinweg begründet (UA S. 15). Weiterer Ausführungen zu den Voraussetzungen des § 47 StGB bedurfte es vorliegend nicht. Eine eng zusammenhängende umfangreiche Serie von Vermögensdelikten lässt schon für sich die Notwendigkeit einer entsprechenden Einwirkung auf den Täter deutlich zu Tage treten (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2004 – 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554 mwN).
25
Die Strafkammer durfte angesichts der Gesamtserie der von dem Angeklagten verübten Straftaten bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen den vorwerfbar verursachten Gesamtschaden in den Blick nehmen (BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – 1 StR 103/12, NStZ 2012, 637, 639 mwN). Für die „Befürchtung“ der Revision, das Landgericht könne eigentlich von einem oberhalb von 2,6 Mio. Euro liegenden berücksichtigungsfähigen Vermögensnachteil ausgegangen sein, bietet das angefochtene Urteil keinen Anlass. Im Übrigen ergaben die bindenden Feststellungen im ersten Rechtsgang, dass der Angeklagte dem Gesellschaftsvermögen der Kommanditgesellschaft über 5,4 Mio. Euro entzogen hat. Lediglich im Hinblick auf die – der gesellschaftsrechtlichen Rechtsstellung der Kommanditgesellschaft möglicherweise nicht (mehr) vollständig gerecht werdenden – Rechtsprechung der Strafsenate zur Untreue zu Lasten von Personenhandelsgesellschaften (BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 1 StR 532/12, NJW 2013, 3590, 3593 mwN; krit. mit bedenkenswerten Erwä- gungen Karsten Schmidt JZ 2014, 878 ff.) war untreuestrafrechtlich allein von einem die Vermögen nur eines Teils der Kommanditisten betreffenden Vermögensnachteil auszugehen.
26
4. Die Gesamtstrafenbildung weist ersichtlich keine Rechtsfehler auf. Von der oberen Grenze der rechtlich zulässigen Gesamtstrafe ist die konkret verhängte Strafe weit entfernt. Entgegen der Auffassung der Revision bestand daher keinerlei erhöhter Begründungsbedarf an die Bestimmung der Höhe der Gesamtstrafe.
27
5. Die Entscheidung des Landgerichts über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung enthält keine dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler, bedarf aber der aus der Urteilsformel ersichtlichen – in der Sache klarstellenden – Neufassung.
28
a) Die Strafkammer hat zwar übersehen, dass sie lediglich über eine Kompensation für eine nach Urteil im ersten Rechtsgang eingetretene Verfahrensverzögerung zu entscheiden hatte. Denn der Aufhebungsbeschluss des Senats vom 23. Februar 2012 betraf lediglich den Strafausspruch und die zugrunde liegenden Feststellungen. Dazu gehört die Entscheidung über die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung durch die Anordnung , dass ein Teil der Strafe als vollstreckt gilt, nicht (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 3 StR 381/13; siehe auch BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135 und BGH, Beschluss vom 25. November 2015 – 1 StR 79/15, NStZ 2016, 428, 429). Der Senat hat die Kompensationsent- scheidung der im ersten Rechtsgang zuständigen Strafkammer gerade aufrechterhalten. Dementsprechend war im hier angefochtenen Urteil lediglich noch über eine Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nach dem ersten Urteil vom 20. Mai 2011 zu entscheiden.
29
b) Dass das Landgericht eine einheitliche, auf die gesamte Verfahrensdauer bezogene Entscheidung über die Kompensation für Verfahrensverzögerungen getroffenen hat, wirkt sich nicht zu Lasten des Angeklagten aus. Die Strafkammer hat die vor dem Urteil des Landgerichts vom 10. Mai 2011 eingetretene rechtsstaatswidrige Verzögerung in Übereinstimmung mit den Feststellungen dieses Urteils als zwei Jahre und drei Monate umfassend zugrunde gelegt. Die nach diesem Urteil entstandene Verzögerung hat es unter näherer Darlegung der einzelnen Zeiträume mit insgesamt einem Jahr und sieben Monaten bemessen. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, die darauf entfallende Kompensation – über die Berücksichtigung bei der Strafzumessung hinaus – mit rechnerisch zwei Monaten zu bemessen und sich dabei an der Gesamtverfahrensdauer sowie den mit dem Verfahren verbundenen Belastungen für den nicht inhaftierten Angeklagten zu orientieren. Diese sind für den Angeklagten nach dem Eintritt der Rechtskraft des Schuldspruchs durch den Beschluss des Senats vom 23. Februar 2012 nicht mehr in gleicher Weise gegeben wie vor dem Urteil im ersten Rechtsgang (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2016 – 5 StR 186/16 Rn. 3).
30
c) Da der Ausspruch im landgerichtlichen Urteil vom 20. Mai 2011, dass sechs Monate der (dort) verhängten Gesamtstrafe als vollstreckt gelten, bereits in Rechtskraft erwachsen war, konnte das Landgericht im hier angefochtenen Urteil lediglich noch über die zusätzliche Kompensation für die danach eingetretenen Verzögerungen entscheiden. Wie sich aus dem Vergleich der bereits durch die im ersten Rechtsgang zuständigen Strafkammer angeordneten Kompensation (sechs Monate) und der durch den jetzt zuständigen Tatrichter ausgesprochenen Gesamtkompensation (acht Monate) ergibt, ist Letzterer von einem Ausgleich von zwei Monaten für die nach dem Urteil vom 20. Mai 2011 eingetretenen Verzögerungen ausgegangen. Der Anregung des Generalbundesanwalts folgend hat der Senat eine entsprechende Klarstellung des Tenors des angefochtenen Urteils vorgenommen. Aufgrund des insoweit bereits rechtskräftigen Tenors des Urteils vom 20. Mai 2011 gelten sechs Monate als vollstreckt und aufgrund des durch den Senat neugefassten Tenors des Urteils vom 9. Oktober 2015 (weitere) zwei Monate. Graf Cirener Radtke Mosbacher Fischer

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bei uns veröffentlicht am 10.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 532/12 vom 10. Juli 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Untreue Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 27. Juni 2013, in der Sitzung am 10. Juli 2013, an

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12

bei uns veröffentlicht am 22.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 103/12 vom 22. Mai 2012 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________ AO § 370 Abs. 1 und 3, § 373 Abs. 1; StGB § 46 1. Auch bei einer gewerbsmä

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2015 - 1 StR 79/15

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 79/15 vom 25. November 2015 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja _____________________________ StPO § 257c MRK Art. 6 Abs. 1 Die Höhe der Kompensation für eine hinsichtlich Art, Ausma

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Dez. 2014 - 4 StR 213/14

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Bundesgerichtshof Urteil, 05. März 2014 - 2 StR 496/13

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2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 09. Aug. 2016 - 1 StR 121/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2019 - 5 StR 274/19

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2018 - 1 StR 88/18

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(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Ist durch einen Diebstahl oder eine Unterschlagung ein Angehöriger, der Vormund oder der Betreuer verletzt oder lebt der Verletzte mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft, so wird die Tat nur auf Antrag verfolgt.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

A. 

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre strafgerichtliche Verurteilung im Anschluss an eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten. Mittelbar richten sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. zudem gegen die Vorschrift des § 257c StPO, die durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) - im Folgenden: Verständigungsgesetz - in die Strafprozessordnung eingefügt wurde und seither die rechtliche Grundlage für die Verständigung bildet. 

I. 

1. Die Praxis urteilsbezogener Verständigungen hat sich - feststellbar jedenfalls seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts - als Instrument zur Bewältigung von Strafverfahren herausgebildet, ohne dass es dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage gegeben hätte. Es handelt sich hierbei um Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidigung und dem Angeklagten, nach denen das Gericht dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine bestimmte Strafe oder jedenfalls eine Strafobergrenze zusagt. Solche Verständigungen wurden häufig außerhalb der Hauptverhandlung getroffen. Bei Abgabe des Geständnisses wurde sodann in der Regel auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet, so dass die Verständigung zu einer wesentlichen Verfahrensabkürzung führte. In den meisten Fällen wurde gegen ein Urteil, das auf einer solchen Verständigung beruhte, kein Rechtsmittel eingelegt, oftmals wurde sogar ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet (vgl. zur Entwicklung der Verständigungspraxis Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, Einl. Rn. 119 ff.). 

2. Eine wesentliche Ursache für die hohe praktische Bedeutung von Verständigungen wird in der stetig wachsenden Arbeitsbelastung der Strafjustiz gesehen, die bereits an die Grenze der Überlastung heranreiche (vgl. eingehend Krey/Windgätter, in: Festschrift für Hans Achenbach, 2011, S. 233 ff.). Neben der zunehmenden Komplexität der Fallgestaltungen infolge des wirtschaftlichen und technischen Fortschritts sowie der Globalisierung, die auch in neuen Formen grenzüberschreitender Kriminalität in Erscheinung tritt, trägt der Bundesgesetzgeber durch eine immer stärkere strafrechtliche Durchdringung vieler Lebensbereiche zu dieser Entwicklung bei. Die Regelungsdichte des materiellen Strafrechts ist in den vergangenen Jahrzehnten beständig gestiegen; dies gilt besonders für das Wirtschafts- und das Nebenstrafrecht (vgl. etwa Braun, AnwBl 2000, S. 222 <225>; Theile, MSchrKrim 2010, S. 147 <149 f.>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 249). Gleichzeitig bringt die zunehmende Differenzierung und Komplizierung des Strafprozessrechts immer höhere Anforderungen mit sich. So ist etwa die Rechtsprechung zu den Beweisverwertungsverboten für die tatrichterliche Praxis mittlerweile kaum noch überschaubar (vgl. Gössel, in: Festschrift für Reinhard Böttcher, 2007, S. 79 <80>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 242 ff.). Zudem bieten extensiv einsetzbare Verfahrensrechte der Verteidigung zahlreiche Möglichkeiten, den Fortgang des Verfahrens zu erschweren; vor allem Ablehnungsgesuche und Beweisanträge sowie das Fragerecht können zu diesem Zweck missbraucht werden (vgl. Gössel, a.a.O., S. 81; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 238 ff.). Unterdessen sehen sich die Tatgerichte durch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen einem immer stärkeren Druck ausgesetzt, die Verfahrensdauer trotz aller prozessualen Schwierigkeiten zu verkürzen. Dass die Bewertung richterlicher Arbeit und die Festsetzung der Arbeitspensen nicht unwesentlich nach quantitativen Gesichtspunkten erfolgt, schafft zusätzliche Anreize für eine möglichst rasche Verfahrenserledigung auch unter Inkaufnahme inhaltlicher Defizite. Der steigenden Belastung der Strafjustiz haben die Länder nicht durch eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung Rechnung getragen; vielmehr ist auch die Justiz immer wieder von Sparmaßnahmen betroffen (vgl. Krey/Windgätter, a.a.O., S. 235). 
 
3. Das Bundesverfassungsgericht prüfte 1987 in einer Kammerentscheidung (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 f.) die Zulässigkeit von Verständigungen im Strafprozess unter den Gesichtspunkten eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und des Schuldprinzips. Diese Grundsätze verböten nicht, außerhalb der Hauptverhandlung eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Verhandlung herbeizuführen, der schon das Strafrecht Grenzen setze. Sie schlössen es aber aus, die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in einer Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen solle, ins Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht und der Staatsanwaltschaft sei es deshalb untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen. Das Gericht dürfe sich also beispielsweise nicht mit einem Geständnis des Angeklagten begnügen, das dieser gegen die Zusage oder das In-Aussicht-Stellen einer Strafmilderung abgelegt habe, obwohl es sich beim gegebenen Verfahrensstand mit Blick auf das Ziel der Wahrheitserforschung und der schuldangemessenen, gerechten Ahndung der Tat zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Das Gericht müsse es sich auch versagen, den Angeklagten auf eine in Betracht kommende geständnisbedingte Strafmilderung hinzuweisen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Darüber hinaus sei die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Angeklagten vor beachtenswerter Beeinträchtigung geschützt, was seinen Ausdruck auch in der Bestimmung des § 136a StPO finde. Der Angeklagte dürfe infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen oder durch Täuschung zu einem Geständnis gedrängt werden. Das schließe jedoch eine Belehrung oder einen konkreten Hinweis auf die Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses nicht aus, wenn dies im Stand der Hauptverhandlung eine sachliche Grundlage finde. Nach diesen Maßstäben gelangte die Kammer im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die Verständigung bei der im damaligen Ausgangsverfahren gegebenen besonderen Sachverhaltsgestaltung - der anwaltlich verteidigte Angeklagte hatte von sich aus eine Verständigung angeregt, als die Beweisaufnahme bereits vor ihrem Abschluss stand - keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. 

4. Nachdem der Bundesgerichtshof gegenüber Verständigungen (in dessen früherer Terminologie: „Absprachen“) außerhalb der Hauptverhandlung anfänglich eine ablehnende Haltung eingenommen hatte (vgl. etwa BGHSt 37, 298 <304 f.>; BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 1993 - 1 StR 662/93 -, NJW 1994, S. 1293 f., und vom 25. Oktober 1995 - 2 StR 529/95 -, wistra 1996, S. 68; BGHSt 42, 46 <48>), wurden Verständigungen innerhalb der Hauptverhandlung zunächst durch den 4. Strafsenat und sodann durch den Großen Senat für Strafsachen grundsätzlich gebilligt. 

a) In seiner Leitentscheidung vom 28. August 1997 (BGHSt 43, 195 ff.) erklärte der 4. Strafsenat - trotz ausdrücklicher Anerkennung der Vergleichsfeindlichkeit des Strafverfahrens und des Verbots einer Disposition über den staatlichen Strafanspruch - in der Hauptverhandlung getroffene Verständigungen für grundsätzlich zulässig und sprach zudem aus, dass sie - sofern nach den von ihm aufgestellten Vorgaben zustande gekommen - für das Gericht verbindlich seien. Unter folgenden Voraussetzungen könne eine Verständigung getroffen werden: Der Schuldspruch dürfe nicht Gegenstand der Verständigung sein. Ein verständigungsbasiertes Geständnis müsse auf seine Glaubhaftigkeit überprüft werden; sich hierzu aufdrängende Beweiserhebungen dürften nicht unterbleiben. Die freie Willensentschließung des Angeklagten müsse gewahrt bleiben; insbesondere dürfe er nicht durch Drohung mit einer höheren Strafe oder durch Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils zu einem Geständnis gedrängt werden. Die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts sei unzulässig. Die Verständigung selbst müsse in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgen; Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung seien aber möglich. In die Verständigung seien alle Verfahrensbeteiligten einzubeziehen. Das Ergebnis der Verständigung sei im Protokoll niederzulegen. Eine bestimmte Strafe dürfe das Gericht nicht zusagen; unbedenklich sei aber die Zusage einer Strafobergrenze. Von dieser dürfe nur abgewichen werden, wenn sich neue schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten ergäben; auf eine beabsichtigte Abweichung sei in der Hauptverhandlung hinzuweisen. Der Strafausspruch dürfe den Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen. 
 
b) Der Große Senat für Strafsachen hielt in seinem Beschluss vom 3. März 2005 (BGHSt 50, 40 ff.) an den vom 4. Strafsenat aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verständigungen fest und präzisierte diese dahingehend, dass die Differenz zwischen der verständigungsgemäßen und der bei einem „streitigen Verfahren“ zu erwartenden Sanktion nicht unangemessen groß sein („Sanktionsschere“) und das Gericht nicht nur wegen neuer Erkenntnisse von seiner Zusage abweichen dürfe, sondern - nach entsprechendem Hinweis - auch dann, wenn schon bei der Verständigung vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen worden seien. Der nach einer Verständigung erklärte Rechtsmittelverzicht sei grundsätzlich unwirksam; die Unwirksamkeit entfalle jedoch, wenn der Rechtsmittelberechtigte darüber belehrt worden sei, dass er ungeachtet der Verständigung in seiner Entscheidung frei sei, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Die grundsätzliche Billigung der Verständigung begründete der Große Strafsenat mit der Notwendigkeit, trotz knapper Ressourcen die Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz zu gewährleisten, und mit Hinweisen auf den Beschleunigungsgrundsatz, die Prozessökonomie sowie den Zeugen- und Opferschutz. Allerdings sei die Strafprozessordnung in ihrer geltenden Form am Leitbild der materiellen Wahrheit orientiert, die vom Gericht in der Hauptverhandlung von Amts wegen zu ermitteln und der Disposition der Verfahrensbeteiligten weitgehend entzogen sei. Die Praxis der Verständigungen sei daher kaum ohne Bruch in das gegenwärtige System einzupassen. Aus diesem Grund appellierte der Große Senat für Strafsachen an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und, bejahendenfalls, die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Verständigungen im Strafprozess gesetzlich zu regeln. 

5. Dieser Forderung nach einer gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber mit dem Verständigungsgesetz Rechnung getragen. Das darin enthaltene Regelungskonzept geht ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 8) in seinem Grundansatz davon aus, dass für die Verständigung im Strafverfahren keine neue - dem deutschen Strafprozess bislang unbekannte - Form einer konsensualen Verfahrenserledigung eingeführt werden sollte, die die Rolle des Gerichts, insbesondere seine Verpflichtung zur Ermittlung der materiellen Wahrheit, zurückdrängen würde. Die Grundsätze des Strafverfahrens sollten vielmehr weiterhin Geltung behalten, namentlich, dass eine Verständigung unter Beachtung aller maßgeblichen Verfahrensregeln einschließlich der Überzeugung des Gerichts vom festgestellten Sachverhalt und der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses stattfinden müsse, die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs, nicht zuletzt auch die Transparenz der Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gewahrt sein müssten, und dass insbesondere der Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen werden dürfe. 

Die zentrale Bestimmung des gesetzgeberischen Regelungskonzepts in § 257c StPO hat folgenden Wortlaut:

§ 257c
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. 
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein. 
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen. 
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen. 

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren. 

Die Vorschrift erlaubt dem Gericht ausdrücklich eine Verständigung über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nach den darin genannten Maßgaben; sie stellt außerdem klar, dass die Pflicht des Gerichts zur Sachverhaltsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) unberührt bleibt. Hierdurch soll in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs die Beachtung der rechtsstaatlichen Anforderungen an das Strafverfahren gewährleistet und insbesondere die Schuldangemessenheit der Strafe sichergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9). 

Außerdem wurden Vorschriften eingeführt, die es der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren sowie dem Gericht vor und nach Eröffnung des Hauptverfahrens sowie in der Hauptverhandlung ausdrücklich erlauben, „den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern“ (§§ 160b, 202a, 212, 257b StPO). Der wesentliche Inhalt einer solchen Erörterung ist jeweils aktenkundig zu machen; der Inhalt einer in der Hauptverhandlung durchgeführten Erörterung ist in das Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 1 Satz 2 StPO). 

§ 160b
Die Staatsanwaltschaft kann den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 202a
Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 212
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gilt § 202a entsprechend. 

§ 257b
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. 

§ 273
(1) […] In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden. […] 
Flankiert werden diese Regelungen durch weitere neue Vorschriften, die die Transparenz der Verständigung und die Möglichkeit einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gewährleisten sollen. Nach § 243 Abs. 4 StPO ist in der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob - und falls ja mit welchem Inhalt - außerhalb der Hauptverhandlung Erörterungen des Verfahrensstandes zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten stattgefunden haben, in denen die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO thematisiert wurde:

§ 243
[…] (4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, muss dies in den schriftlichen Urteilsgründen angegeben werden (§ 267 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 2 StPO). 

Die in § 273 StPO enthaltenen Vorschriften über die Protokollierung der Hauptverhandlung wurden wie folgt erweitert:

§ 273
[…] (1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO). In diesem Fall ist der Angeklagte darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen (§ 35a Satz 3 StPO). 

6. Das Regelungskonzept des Gesetzgebers ist teils auf Zustimmung (vgl. etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 ff.) gestoßen, teils aber auch auf scharfe Kritik (vgl. etwa Meyer-Goßner, ZRP 2009, S. 107 ff.; Bittmann, wistra 2009, S. 414 ff.; Fezer, NStZ 2010, S. 177 ff.). Nach verbreiteter Ansicht entsprechen die gesetzlichen Vorschriften über die Verständigung nicht den Bedürfnissen der Praxis. So werden die Protokollierungs- und Belehrungspflichten sowie der generelle Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts als Erschwerung der richterlichen Tätigkeit und damit als Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage empfunden; der mit der Verständigung angestrebte Entlastungseffekt werde dadurch jedenfalls teilweise wieder zunichte gemacht (vgl. Polomski, DRiZ 2011, S. 315 f.). Ferner wird die Auffassung vertreten, § 257c StPO regele nur die „förmliche“ Verständigung, weshalb für „informelle“ Absprachen oder „Gentlemen‘s Agreements“ außerhalb der Hauptverhandlung weder die gesetzlichen Protokollierungs- und Belehrungspflichten noch der Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts gälten (vgl. Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, a.a.O., S. 416 Fn. 25). 

II. 

1. a) Der Beschwerdeführer zu I. wurde als einer von vier Angeklagten durch das Landgericht München II mit Urteil vom 9. März 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 259 tatmehrheitlichen Fällen in Tateinheit mit vier Fällen der Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Unmittelbar nach Anklageverlesung und Belehrung der Angeklagten war die Hauptverhandlung für ein Rechtsgespräch unterbrochen worden. Anschließend gaben die Verteidiger für ihre Mandanten jeweils eine Erklärung ab, und die Angeklagten erklärten sich zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Vorsitzende schlug die Erteilung eines Hinweises vor, wonach das Gericht in voller Besetzung das Verfahren gemäß § 257b StPO mit den Verteidigern und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ausführlich erörtert habe. Unter Berücksichtigung der vorläufigen rechtlichen Bewer- tung, der Vorstrafen und eines angekündigten Geständnisses der Angeklagten rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu I. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Jahren und die drei Mitangeklagten zu Gesamtfreiheitsstrafen von nicht mehr als fünf Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren und vier Jahren verurteilt würden. Für den Fall einer Verurteilung in dieser Größenordnung habe die Staatsanwaltschaft angekündigt, ein dort noch anhängiges Ermittlungsverfahren zu einem weiteren Tatkomplex im Wesentlichen nach § 154 Abs. 1 StPOeinzustellen. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Die Angeklagten, die Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten sich mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden. Im Anschluss machten die Angeklagten jeweils Angaben zur Sache, wobei der Beschwerdeführer zu I. auch Fragen beantwortete. Sämtliche polizeilichen Zeugenvernehmungsprotokolle wurden gemäß § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 1 Satz 1 StPO im Selbstleseverfahren eingeführt und die entsprechenden Zeugen abgeladen. In der Folge vernahm die Kammer noch mehrere Polizeibeamte und Behördenmitarbeiter als Zeugen. Unterlagen wurden teils in Augenschein genommen oder verlesen, teils im Selbstleseverfahren eingeführt. 

b) Mit seiner Revision beanstandete der Beschwerdeführer zu I. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhob die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. In Bezug auf den Belehrungsfehler verwies der Bundesgerichtshof auf eine frühere Entscheidung (Beschluss vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10 -), in der er die Rüge eines Verstoßes gegen § 257c Abs. 5 StPO mit der Erwägung zurückgewiesen hatte, das Urteil beruhe nicht auf dem Fehler, weil die Strafkammer die im Rahmen der Verständigung angekündigte Strafobergrenze eingehalten habe. 

2. a) Die Beschwerdeführer zu II. wurden durch das Landgericht München II mit Urteil vom 27. April 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges in 27 tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (Beschwerdeführer zu II. 1)) und drei Jahren und vier Monaten (Beschwerdeführer zu II. 2)) verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Zu Beginn der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Beschwerdeführers zu II. 2) ein Rechtsgespräch angeregt, für das die Verhandlung unterbrochen wurde. In der Pause führten die Verteidiger, das Gericht und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Verständigungsgespräche. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung stellte das Gericht fest, das Verfahren gemäß § 257b StPO mit allen Verfahrensbeteiligten ausführlich erörtert zu haben. Die Kammer habe darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage und vorbehaltlich des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der Beweisaufnahme ein Schuldspruch wegen 27 Fällen des Betruges in besonders schwerem Fall jeweils in Tateinheit mit dem vorsätzlichen gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts in Betracht komme. Unter Berücksichtigung dieser Bewertung sowie eines angekündigten Geständnisses rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu II. 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und sechs Monaten verurteilt werde und der Beschwerdeführer zu II. 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und vier Monaten. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Dem Vorschlag stimmten die Beschwerdeführer zu II., ihre Verteidiger und die Staatsanwaltschaft ausdrücklich zu. Auf die Einvernahme von Zeugen - mit Ausnahme des ermittelnden Polizeibeamten - wurde allseits verzichtet. Die Verteidiger gaben Erklärungen zur Sache ab, die sich die Beschwerdeführer zu II. jeweils zu eigen machten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf diesen Erklärungen und auf den Angaben des ermittelnden Polizeibeamten sowie den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Ergebnissen einer von der Polizei in Form von Fragebögen durchgeführten schriftlichen Zeugenbefragung. 

b) Mit ihrer Revision beanstandeten die Beschwerdeführer zu II. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhoben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 2. November 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Zu dem Belehrungsmangel führte er aus, dass eine der von § 257c Abs. 4 StPO erfassten Fallgestaltungen, über deren Rechtsfolgen vorab zu belehren sei, nicht vorliege. Die verhängten Strafen überstiegen auch nicht die vom Gericht jeweils zugesicherte Höhe. Konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, so dass letztlich ein für sie günstigeres Urteil nicht auszuschließen wäre, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 

3. a) Der Beschwerdeführer zu III. wurde als einer von zwei Angeklagten durch das Landgericht Berlin mit Urteil vom 15. März 2011 wegen zweier Fälle des schweren Raubes und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Der Vorsitzende hatte die Angeklagten nach Verlesung der Anklageschrift darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Raubtaten im Wesentlichen drei Möglichkeiten gebe. Die erste sei ein Freispruch, die zweite eine Verurteilung wegen eines oder zweier Fälle des schweren Raubes mit jeweils einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren nach streitiger Beweisaufnahme. In der zweitgenannten Konstellation - so die Urteilsgründe - „verspüre“ die Kammer angesichts dessen, dass es sich um Taten handele, die die Angeklagten als Polizeibeamte im Dienst begangen hätten, „wenig Neigung“ zur Annahme von minder schweren Fällen. Die dritte Möglichkeit schließlich sei hinsichtlich der Konsequenzen ein Mittelweg: Falls die Angeklagten sich zu Geständnissen, die eine Beweisaufnahme überflüssig machen, entschlössen, könne dieser Umstand bei der Gesamtabwägung, ob minder schwere Fälle vorliegen, eine entscheidende Rolle spielen und letztlich den Ausschlag zugunsten der Angeklagten geben. In diesem Fall seien Gesamtfreiheitsstrafen zu erwarten, deren Vollstreckung die Kammer zur Bewährung aussetzen könne. Während einer 85-minütigen Verhandlungspause hatten die Angeklagten Gelegenheit, über den Vorschlag des Gerichts nachzudenken und ihn mit ihren Verteidigern zu beraten. Der Vorsitzende mahnte derweil zur Eile. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu III. warnte ihn sein Verteidiger zudem vor der Möglichkeit einer „Saalverhaftung“, wenn er der vorgeschlagenen Verständigung nicht nähertrete. Nach der Verhandlungspause erklärten die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu dem Vorschlag des Gerichts, was entsprechend zu Protokoll genommen wurde. Nach allgemeiner und besonderer Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO legten die Angeklagten Geständnisse in Form einer schlichten Bestätigung des Anklagesatzes ab. Anschließend erklärten die Verteidiger jeweils, dass Fragen zur Sache nicht beantwortet würden. Auf die Vernehmung von Zeugen wurde allseits verzichtet. Nach den Plädoyers und dem letzten Wort der Angeklagten zog sich die Kammer zur Beratung zurück, trat sodann aber noch einmal in die Beweisaufnahme ein, um die Angeklagten zu fragen, ob sie bei den Taten ihre Dienstwaffen bei sich geführt hätten und ob diese geladen gewesen seien, was die Angeklagten bejahten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf den Erklärungen der Angeklagten und entsprechen weitgehend dem Anklagesatz. 

b) Mit seiner Revision machte der Beschwerdeführer zu III. im Wege der Verfahrensrüge Verstöße gegen § 244 Abs. 2 StPO und gegen § 136a StPO geltend und erhob daneben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPOals unbegründet und bemerkte lediglich ergänzend, dass er der Revision jenseits der vom Generalbundesanwalt zutreffend als unzulässig bewerteten Verfahrensrügen eine noch zulässig erhobene Beanstandung der Anwendung von § 257c StPO entnehme. Diese greife in der Sache aber nicht durch. Das Landgericht habe den Angeklagten vor Augen halten dürfen, dass im Verurteilungsfall nur unter der Voraussetzung eines Geständnisses der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (minder schwerer Fall) eröffnet sein könne. Eine Drohung mit einer willkürlich bemessenen „Sanktionsschere“ liege deshalb nicht vor. Zu allen darüber hinausgehenden Behauptungen unzulässigen Drucks fehle es schon an ausreichendem Revisionsvortrag. Abgesehen davon sei insoweit ersichtlich nichts erwiesen. 

III. 

1. Die Beschwerdeführer zu I. und zu II. rügen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Selbstbelastungsfreiheit und des fairen Verfahrens sowie dem Schuldprinzip, ferner Verstöße gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG, Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 101 Abs. 1 GG durch das Unterlassen der von § 257c Abs. 5 StPO verlangten Belehrung vor Zustandekommen der Verständigung. Hilfsweise rügen sie die Verfassungswidrigkeit des § 257c StPOwegen Verstoßes insbesondere gegen das Schuldprinzip und das Rechtsstaatsgebot. 

a) Die Möglichkeit einer Beeinflussung des Verfahrensausgangs durch eine Verständigung übe mittelbar Druck auf den Angeklagten aus, ein Geständnis abzulegen. Eine freiverantwortliche, auf autonomer Einschätzung des damit verbundenen Risikos beruhende Entscheidung über die Abgabe eines Geständnisses setze voraus, dass der Angeklagte wisse, dass sich das Gericht über § 257c Abs. 4 StPOwieder von der Verständigung lösen könne. Die Gerichte hätten diese Aufgabe, die der Gesetzgeber der Belehrungspflicht zugewiesen habe, übersehen und § 257c Abs. 5 StPO unter Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG zu einer reinen Ordnungsvorschrift entwertet. Käme nämlich - worauf die Revisionsentscheidung hinauslaufe - ein Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO nur bei einer Abweichung des Gerichts von der Verständigung zum Tragen, so bliebe ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht letztlich in allen Fällen ohne Konsequenz, da bei einer Abweichung von der Verständigung das Geständnis schon wegen § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nicht verwertbar sei. Auch aus tatsächlicher Sicht überzeuge die Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht, da niemand wissen könne, ob bei ordnungsgemäßer Belehrung die Verständigung überhaupt zustande gekommen wäre. 

b) Die Vorschrift des § 257c StPO verstoße gegen das Schuldprinzip und das aus Rechtsstaatsgebot und Gleichheitssatz folgende Legalitätsprinzip, die beide die Ermittlung des wahren Sachverhalts verlangten. Das Bemühen um Gewährleistung einer - trotz der Verständigung - schuldangemessenen Strafe sei mit dem zugleich verfolgten Anliegen einer Verfahrensverkürzung unvereinbar. Dieser innere Widerspruch präge die gesamte Diskussion zu § 257c StPO. Die gesetzliche Regelung sei nicht geeignet, die Realität der Verständigungspraxis zu beeinflussen. Eine wirksame revisionsgerichtliche Kontrolle von Verständigungen sei nicht möglich. Die Verständigung laufe darauf hinaus, der gerichtlichen Entscheidung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zugrundezulegen; dieses sei aber gerade nicht zur Findung der materiellen Wahrheit, sondern lediglich zu einer Verdachtsklärung bestimmt. Die Schöffen, die den Akteninhalt nicht kennten, seien für ihre Überzeugungsbildung auf den Inbegriff der Hauptverhandlung angewiesen. Im Falle eines Scheiterns der Verständigung sei die Neutralität des Richters im weiteren Verlauf des Verfahrens gefährdet. Dass dem unverteidigten Angeklagten faktisch die Möglichkeit einer Verständigung verschlossen bleibe, verstoße gegen den Gleichheitssatz. 

2. Der Beschwerdeführer zu III. rügt eine Verletzung seiner Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG. Der Bundesgerichtshof habe die Anforderungen an die Zulässigkeit von Verfahrensrügen in der Revision überspannt. Ferner verstoße die vom Landgericht angedrohte „Sanktionsschere“ gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Schließlich habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es das Geständnis nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft habe. 

IV. 

1. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Durch die Verständigung werde nicht ermöglicht, dass sich die Verfahrensbeteiligten ohne Ermittlung des wahren Sachverhalts auf ein bestimmtes Ergebnis einigten. § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO stelle vielmehr klar, dass der Amtsermittlungsgrundsatz auch im Falle einer Verständigung unberührt bleibe. Entsprechendes gelte für die Strafzumessung, die sich weiterhin nach § 46 StGB bestimme. Der Angeklagte könne unabhängig vom Vorliegen einer Verständigung frei entscheiden, ob er sich geständig einlassen wolle oder nicht. § 257c StPO lasse daher die Selbstbelastungsfreiheit unberührt. Auch die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege werde durch die gesetzliche Regelung nicht beeinträchtigt. Vielmehr könne eine geständige Einlassung zu einer weniger umfangreichen Beweisaufnahme führen. Auch könnten Verständigungen eine Verbesserung des Opferschutzes bewirken, wenn ein Geständnis die Vernehmung von Opferzeugen in der Hauptverhandlung entbehrlich mache. 

2. Die Bayerische Staatsregierung, die sich zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. geäußert hat, hält diese für unbegründet. Ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren liege nicht vor. Zum einen habe sich das Gericht an die zugesagten Strafobergrenzen gehalten, zum anderen mache die bloß abstrakte Möglichkeit, dass die Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Belehrung von der Verständigung insgesamt Abstand genommen hätten, das Verfahren nicht unfair. § 257c StPO verletze weder das Schuldprinzip noch den Legalitätsgrundsatz. Die nunmehr gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, ein Ermittlungs- oder Strafverfahren durch Einräumung von inneren und äußeren Umständen im Rahmen einer Verständigung abzukürzen, werde der Tatsache gerecht, dass dem Angeklagten aufgrund seiner Subjektqualität auch zugetraut werden müsse, Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Außerdem lasse § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO die Amtsaufklärungspflicht unberührt. 

3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden des 1., 3., 4. und 5. Strafsenats vorgelegt. 

a) Der Vorsitzende des 1. Strafsenats führt aus, eine frühe Einbeziehung des Angeklagten und seines Verteidigers in die Überlegungen zur Strafzumessung bis hin zu einer Verständigung stärke die Stellung des Angeklagten als Subjekt. An der Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung habe sich durch § 257c StPO nichts geändert. Seien die zur Wahrheitsfindung erforderlichen Tatsachen nach Überzeugung des Gerichts durch ein Geständnis umfassend erwiesen, komme einer weiteren Beweisaufnahme keine Bedeutung mehr zu. Sie werde von § 244 Abs. 2 StPO nicht gefordert und sei zur Vermeidung unnötiger Belastung des Angeklagten, der Tatopfer sowie zum effektiven Einsatz der Ressource Recht zu vermeiden. Eine überdurchschnittliche Fehlerquote könne der Senat bei dem Verständigungsverfahren gemäß § 257c StPO nicht konstatieren. Von den im Jahr 2011 beim 1. Strafsenat anhängig gewordenen 650 Revisionsverfahren habe dem Urteil nur in 34 Fällen (ca. 5 %) eine Verständigung zugrunde gelegen. Nur in drei Fällen habe es Anlass zu Kritik gegeben: In zwei Fällen habe eine unzulässige Vereinbarung über den Schuldspruch vorgelegen, im dritten Fall eine unvertretbare Nichtberücksichtigung eines besonders schweren Falles. 

b) Die Vorsitzenden des 3. und 4. Strafsenats verweisen auf Entscheidungen ihrer Senate. Der Vorsitzende des 5. Strafsenats verweist ebenfalls auf Entscheidungen seines Senats und teilt mit, die von seinem Strafsenat bislang entschiedenen Fälle ließen aus seiner Sicht noch keine generelle Beurteilung der Normanwendung durch die Tatgerichte aus der in diesem Bereich ohnehin eingeschränkten Sicht des Revisionsgerichts zu. Der Senat hege bislang keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 257c StPO.
 
4. Der Generalbundesanwalt hält § 257c StPO für grundsätzlich verfassungskonform. Die Norm ersetze nicht die bisherige Struktur des Strafprozesses durch ein adversatorisches Verfahren, sondern füge sich entsprechend dem Willen des Gesetzgebers in das bestehende System ein. Sie verletze weder das Schuldprinzip noch das Recht auf ein faires Verfahren. Die Unschuldsvermutung und die Selbstbelastungsfreiheit blieben ebenso unangetastet wie der Gleichheitssatz. Zwar führe die gesetzliche Zulassung von Verständigungen zu Spannungen mit zahlreichen Verfahrensmaximen des Strafprozesses. In Anbetracht des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers folge hieraus aber nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm. Erheblich für die Verfassungsmäßigkeit der Verständigung spreche, dass sie besonders geeignet sei, den - in seiner Bedeutung im Verhältnis zum Ideal der Wahrheitsfindung zuletzt deutlich aufgewerteten - Zweck der Herstellung von Rechtsfrieden zu erreichen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Verständigung auch auf einer angemessenen Einbeziehung und Interessenwahrung des Opfers beruhe. Eine Legitimation der Verständigung lasse sich teilweise auch aus dem Prinzip der Disponibilität von Rechten ableiten. Die Rechtsordnung gewähre dem Angeklagten in weitem Umfang die Möglichkeit, auf Verfahrensrechte zu verzichten und die Art seines Verteidigungsverhaltens autonom zu bestimmen. Anführen lasse sich für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Verständigungen ferner, dass diese Erledigungsart auf dem durchweg als modern und zeitgemäß empfundenen Gebot eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils aufbaue. 

Ungeachtet dessen entfalte die gesetzliche Verankerung der Verständigung eine erhebliche Sogwirkung in Richtung auf strukturelle Veränderungen des Strafprozesses. Die Anerkennung und Ausbreitung quasi-vertraglicher Erledigungsformen habe sich in mehreren Stufen mit bislang ungebrochen expansiver Tendenz vollzogen. Rechtsprechung und Gesetzgebung hätten die normative Kraft des Faktischen nur nachholend bestätigen können, wobei gegenläufige, auf eine Kanalisierung der Verständigungspraxis gerichtete Bestrebungen bislang nicht in der Lage gewesen seien, die Dynamik der Entwicklung aufzuhalten. Ein wesentliches Motiv für die gewachsene Zahl von Verständigungen sei die in den vergangenen Jahrzehnten gestiegene Arbeitsbelastung der Justiz, mit der deren sachliche und personelle Ausstattung nicht Schritt gehalten habe. Angesichts dessen beziehe die Verständigung als Gegenmodell zur Durchführung einer aufwendigen streitigen Hauptverhandlung einen wesentlichen Teil ihrer Attraktivität aus der Möglichkeit für alle Beteiligten, das Verfahren drastisch abzukürzen, es möglichst weiterer rechtlicher Kontrolle zu entziehen und so über die Einsparung von Arbeitsaufwand im konkreten Fall die jeweiligen Erledigungsquoten - beim Verteidiger zudem mit positiven ökonomischen Folgen - zu erhöhen. 

Zur Sicherung der Verfassungskonformität sei daher einer weiteren Expansion von Formen der Verständigung im Strafprozess Einhalt zu gebieten. Dieser Erledigungsart könne im strafprozessualen System nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine ergänzende Funktion zukommen. Sie dürfe nicht zum Regelfall des Strafverfahrens werden. Um den mit ihr verbundenen mittelbaren Gefährdungen verfassungsrechtlich geschützter Verfahrensprinzipien auf Dauer entgegenzuwirken, bedürften Anwendungsbereich und Voraussetzungen des § 257c StPO in Fortführung bereits vorhandener Ansätze in der fachgerichtlichen Rechtsprechung einer einschränkenden Auslegung. Ferner seien die im Gesetz angelegten Restriktionspotenziale über die bisherige Rechtsanwendung hinaus weiter auszuschöpfen und weitere flankierende Maßnahmen geboten. 

Vor diesem Hintergrund hält der Generalbundesanwalt die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beruhensprüfung hinsichtlich des Belehrungsmangels sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. erachtet der Generalbundesanwalt dagegen auf der Grundlage der von ihm als notwendig erachteten verfassungskonformen Auslegung des § 257c StPOals nicht aussichtslos. Es fehle bereits an der plausiblen Darlegung der Eignung des Falles für eine Verständigung, auf die die Strafkammer vorschnell ausgewichen sei. Zudem habe das Landgericht das erkennbar auf eine reine Bestätigung der Anklage beschränkte Geständnis keiner weiteren Überprüfung unterzogen. Schließlich gehe die Verständigung auf ein verfassungsrechtlich bedenkliches Aufzeigen von Alternativstrafen zurück. 

5. Der Senat hat ferner Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer eingeholt. 
a) Der Deutsche Richterbund vertritt die Auffassung, das Verständigungsgesetz habe zwar einen erheblichen Gewinn an Rechtssicherheit gebracht; gleichwohl habe sich die gesetzliche Regelung aus Sicht der Praxis nicht uneingeschränkt bewährt. Das Risiko, dass eine Verständigung auch und gerade wegen des erwünschten Beschleunigungseffekts einen Verzicht auf gründliche und umfassende Sachaufklärung zur Folge haben könne, sei unübersehbar. Die Verkürzung der Hauptverhandlung führe außerdem dazu, dass der - in der Praxis in aller Regel von der Polizei erstellte - schriftliche Inhalt der Akten an Bedeutung gewinne. Die Justiz drohe die gebotene Kontrolle über die polizeilichen Ermittlungsergebnisse zu verlieren. Hinzu komme, dass es für alle Verfahrensbeteiligten verführerisch sei, sich die oft notwendige Erfassung, Auswertung und Beurteilung umfangreicher elektronisch gespeicherter Beweismittel durch eine Verständigung zu ersparen unter Inkaufnahme und im Bewusstsein des Umstandes, dadurch nur einen kleinen Teil des Beweisstoffes zur Kenntnis zu nehmen. Nicht von der Hand zu weisen sei die Gefahr, dass gerade bei Verfahren großen Umfangs das zu einem frühen Zeitpunkt aus echter Reue abgegebene Geständnis im Vergleich zu dem im Hinblick auf eine mögliche Verständigung taktisch zurückgehaltenen Geständnis entwertet werde. Damit verbunden sei die bedenkliche Tendenz, „kleine“, häufig unverteidigte Straftäter härter zu bestrafen, während die Justiz in Großverfahren aus Mangel an Mitteln immer nachgiebiger werde. Die in vielen Ländern unzureichende Personalausstattung der Justiz führe in der Kombination mit weiteren ungünstigen Rahmenbedingungen des deutschen Strafprozesses, deren Verbesserung bislang nicht gelungen sei, immer wieder zu Hauptverhandlungen, die der Öffentlichkeit nicht als dem hohen Gerechtigkeitsanspruch der deutschen Justiz entsprechend vermittelt werden könnten. Dadurch leide das Ansehen der Rechtspflege insgesamt. Hinzu komme, dass das Verständigungsverfahren zahlreiche noch offene Probleme aufweise. So würden die Öffentlichkeits- und Protokollierungspflichten teilweise als Belastung empfunden; zugleich würden vielfältige Hinweis- und Fürsorgepflichten des Tatrichters die Handhabung des § 257c StPO erschweren. Auch die umfangreichen Belehrungspflichten des § 257c Abs. 5 StPO hätten sich als wenig praxistauglich erwiesen. Der Ausschluss des Verzichts auf Rechtsmittel stehe im Widerspruch zu der Erwartung der Praxis, mit der ausgehandelten Verständigung eine rasche Rechtskraft des Ergebnisses zu erreichen. Die Verlockung, „es so zu machen wie früher“ und eine unzulässige „informelle“ Absprache außerhalb des § 257c StPO zu treffen, erscheine daher evident. Nicht zu unterschätzen sei zudem die Gefahr, dass sich Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidiger dergestalt an Absprachen gewöhnten, dass die Beendigung des Verfahrens auf diese Weise zum Regelfall werde. Die Warnungen vor einem „schleichend eingeläuteten Systemwechsel“ seien ernst zu nehmen. Dem Zeitgeist folgend versuche der Gesetzgeber, unter dem Deckmantel der Förderung eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils Versäumnisse bei der Ausgestaltung und Praktikabilität des formellen und materiellen Rechts zu kompensieren. Der Gesetzgeber sei jedoch verpflichtet, die prozessualen Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass die Justiz ihrem gesetzlichen Strafverfolgungsauftrag gerecht werden könne, ohne sich auf Verhandlungen mit dem Angeklagten zulasten der materiellen Wahrheit und der Gerechtigkeit einlassen zu müssen. Um dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot Genüge zu tun und die Handlungsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten, kämen etwa eine Neuordnung des Ablehnungsrechts, die Befristung von Beweisanträgen, eine Neufassung des § 265 Abs. 3 StPO, Erleichterungen bei Beweistransfers aus dem Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung (etwa bei der Einführung von Urkunden) und eine Änderung des § 273 Abs. 3 StPO in Betracht. 

b) Der Deutsche Anwaltverein hält die Anwendung des § 257c StPO durch die Gerichte in den Ausgangsverfahren für verfassungswidrig und die Verfassungsbeschwerden daher für begründet. Insbesondere verstoße die Verletzung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO gegen das Recht auf ein faires Verfahren, da bei fehlender Belehrung die Willensfreiheit des Angeklagten im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abschluss der Verständigung nicht gegeben sei. Zudem bestünden an der Verfassungsmäßigkeit des § 257c StPO erhebliche Zweifel. Der Aufklärungsgrundsatz und das Schuldprinzip stünden dem mit § 257c StPO verfolgten Ziel einer Verfahrensverkürzung und -vereinfachung strukturell entgegen. Eine „Bändigung der Verständigung“ sei durch die gesetzliche Regelung nicht geglückt. Dieser Befund werde durch Erfahrungsberichte von Mitgliedern des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins bestätigt. In einem Fall habe etwa der Vorsitzende einer Strafkammer im Gespräch mit dem Verteidiger geäußert, dass das Urteil, das aufgrund der Verständigung zustande kommen sollte, einer revisionsgerichtlichen Überprüfung vermutlich nicht standhalten würde. Dieses Risiko würde er aber eingehen, weil er davon ausgehe, dass sich alle Beteiligten an die Verständigung halten und daher keine Revision eingelegt werde. In einem anderen Fall habe die Kammer für die Abgabe umfassender Geständnisse im Sinne der Anklage eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich in Aussicht gestellt, obwohl sich der Sachverhalt in der Hauptverhandlung anders dargestellt habe. Da für die Angeklagten die Freiheit wichtiger gewesen sei als die Wahrheit, seien entsprechende, die Anklage bestätigende Geständnisse abgegeben worden. Die Gefahr falscher Geständnisse habe durch das Verständigungsgesetz eher zugenommen. Benachteiligt werde der Angeklagte, der schon früh im Ermittlungsverfahren gestanden habe, da er für eine Verständigung nichts mehr anzubieten habe. Die Förmlichkeiten und Beschränkungen des gesetzlich vorgesehenen Verständigungsverfahrens würden in der Praxis überwiegend umgangen. Die Revisionsgerichte ließen die Möglichkeiten zur „Domestizierung“ der Verständigung ungenutzt. 

c) Die Bundesrechtsanwaltskammer hält § 257c StPO für verfassungsgemäß. Die Vorschrift stehe im Spannungsverhältnis zwischen den Verpflichtungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts und zur Bestimmung der schuldangemessenen Strafe als Elementen des Schuldprinzips, dem Grundsatz des fairen Verfahrens und dem Gebot wirksamer Strafrechtspflege. Die gesetzliche Regelung sei ausgerichtet auf einen praktisch konkordanten Ausgleich zwischen diesen Grundsätzen. Sie schaffe im Vergleich zur früheren Rechtslage ein beträchtliches Maß an Rechtssicherheit. Tragende Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens seien nicht verletzt. Dies gelte insbesondere für den Amtsermittlungsgrundsatz, die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit und das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung. Das generell mit der Verurteilung auf der Grundlage eines Geständnisses verbundene Risiko eines Fehlurteils werde durch die gesetzlichen Verständigungsregelungen nicht signifikant erhöht. Dass der Bundesgerichtshof dazu neige, bei Verstößen gegen die formellen Voraussetzungen einer Verständigung, namentlich die Dokumentations-, Mitteilungs- und Belehrungspflichten, ein Beruhen des Urteils auszuschließen, sei der vom Gesetzgeber angestrebten Transparenz des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens allerdings nicht förderlich. Die Eindämmung „informeller“ Absprachen werde dadurch erschwert. Im Ergebnis sei ein struktureller Mangel des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren derzeit nicht erkennbar. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die unterbliebene Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO habe das Verfahren nicht insgesamt unfair gemacht, da das Gericht letztlich von der Verständigung nicht abgewichen sei. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. hält die Bundesrechtsanwaltskammer dagegen für begründet. Insbesondere habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es sich mit einem Formalgeständnis begnügt habe. Zudem sei dem Geständnis ein Aufzeigen von Alternativstrafen vorausgegangen. Dies stelle einen Verstoß gegen das Schuldprinzip dar. 

V. 

Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Altenhain, Universitätsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, mit der Durchführung einer repräsentativen empirischen Untersuchung zur Praxis der Verständigung im Strafverfahren beauftragt. Zu diesem Zweck hat der Sachverständige im Zeitraum zwischen dem 17. April und 24. August 2012 insgesamt 190 mit Strafsachen befasste Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen befragt, von denen 117 als Strafrichter oder Vorsitzende eines Schöffengerichts und 73 als Vorsitzende einer Strafkammer tätig waren. Als Kontrollgruppe wurden daneben 68 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie 76 Fachanwältinnen und Fachanwälte für Strafrecht befragt. 

Nach Einschätzung der befragten Richter wurden im Kalenderjahr 2011 17,9 % der Strafverfahren an Amtsgerichten und 23 % der Strafverfahren an Landgerichten durch Absprachen erledigt. Auf die Frage, in wieviel Prozent der Fälle nach ihrer Einschätzung in der gerichtlichen Praxis die gesetzlichen Vorschriften zur Verständigung verletzt würde, gaben etwas mehr als die Hälfte der Richter an, dass dies in mehr als der Hälfte aller Verfahren mit Absprachen der Fall sein dürfte. So gaben 58,9 % der befragten Richter an, mehr als die Hälfte ihrer Absprachen „informell“, also ohne Anwendung des § 257c StPOdurchgeführt zu haben, 26,7 % gaben an, immer so vorgegangen zu sein. 33 % der befragten Richter gaben an, außerhalb der Hauptverhandlung Absprachen geführt zu haben, ohne dass dies in der Hauptverhandlung offengelegt wurde, während 41,8 % der Staatsanwälte und 74,7 % der Verteidiger angaben, dies schon erlebt zu haben. Die Offenlegungspflicht wird von einem nicht unbeachtlichen Teil der Richter als überflüssiger Formalismus empfunden. Die Regelung zum sogenannten Negativattest (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO) bleibt in der Praxis oft unbeachtet. 54,4 % der befragten Richter gaben an, eine nicht erfolgte Verständigung für im Protokoll nicht erwähnenswert zu halten. 46,7 % der befragten Richter weisen entgegen § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO nicht in den Urteilsgründen auf eine dem Urteil vorausgegangene Verständigung hin. Sehr häufiger Inhalt von Absprachen ist die Einstellung beziehungsweise Beschränkung des Verfahrens nach §§ 154, 154a StPO; in diesem Zusammenhang wird auch die Einstellung anderer, nicht in die Anklage einbezogener Verfahren im Rahmen sogenannter „Gesamtlösungen“ immer wieder thematisiert. (Im Rahmen einer von G. Schöch durchgeführten anonymisierten empirischen Erhebung zur Absprachepraxis in München sind sogar „Familienlösungen“ bekanntgeworden, bei denen etwa der Mann eine höhere Freiheitsstrafe erhält und im Gegenzug die Frau eine Bewährungsstrafe, um zu Hause die Kinder versorgen zu können, oder die zukünftigen Strafen von Familienangehörigen in anderen Verfahren gleich mit abgesprochen werden [vgl. G. Schöch, Urteilsabsprachen in der Strafrechtspraxis, 2007, S. 147]). Teilweise werden ausweislich der Studie von Prof. Dr. Altenhain durch § 257c Abs. 2 StPO ausdrücklich ausgeschlossene Inhalte wie etwa der Schuldspruch in die Absprache aufgenommen. Während 61,7 % der Richter angaben, die Glaubhaftigkeit von im Anschluss an eine Absprache abgelegten Geständnissen immer zu überprüfen, räumten 38,3 % der Richter ein, die Glaubhaftigkeit des Geständnisses nicht immer, sondern nur häufig, manchmal, selten oder nie zu überprüfen. 35,3 % der befragten Richter haben nach eigenem Bekunden dem Angeklagten oder seinem Verteidiger in Verständigungsgesprächen neben der Strafobergrenze beziehungsweise dem bestimmten Strafmaß für den Fall einer Kooperation schon einmal eine zweite Strafe für den Fall einer „streitigen“ Hauptverhandlung genannt, 16 % gaben an, typischerweise so vorzugehen. Die Einlegung eines Rechtsmittels nach einer Absprache ist sehr selten. Nach Auskunft von 27,4 % der Richter wurde sogar bei Verständigungen gemäß § 257c StPO - entgegen § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO - ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet. Von den Richtern gaben 14,7 % an, dass bei ihnen nach einer Absprache „immer“ auf Rechtsmittel verzichtet werde; bei 56,6 % geschah dies „häufig“ (Staatsanwälte: 5,6 % bzw. 64,8 %; Verteidiger: 5,6 % bzw. 76,1 %). Nicht weniger als 16,4 % der Richter und 30,9 % der Staatsanwälte erklärten, sich im Rahmen einer Absprache schon auf eine ihrer Ansicht nach zu milde Strafe eingelassen zu haben.

Demgegenüber haben sich von den Verteidigern 30,3 % nach eigener Auskunft schon auf eine ihrer Ansicht nach zu hohe Strafe im Wege der Absprache eingelassen. Der „Strafrabatt“ im Anschluss an ein absprachegemäß abgelegtes Geständnis liegt nach Angaben der Befragten zumeist zwischen 25 % und 33,3 % der wahrscheinlich zu erwartenden Strafe nach „streitiger“ Verhandlung. 

VI. 

Mit Beschlüssen vom 22. Mai 2012 und vom 21. Juni 2012 hat die 1. Kammer des Zweiten Senats auf Antrag der sich zu dieser Zeit in Strafhaft befindenden Beschwerdeführer zu I. und II. die Vollstreckung aus den angegriffenen Urteilen des Landgerichts München II bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden, längstens für sechs Monate, einstweilen ausgesetzt. Mit Beschlüssen vom 22. Oktober 2012 und vom 5. Dezember 2012 hat der Senat auf Antrag der Beschwerdeführer zu I. und II. die einstweiligen Anordnungen wiederholt. 

VII. 

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat Prof. Dr. Altenhain zu dessen im Auftrag des Senats angefertigter empirischer Studie über die Praxis der Verständigung im Strafverfahren gehört, zu den Erfahrungen und Einschätzungen bei den Tat- und Revisionsgerichten den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, Generalbundesanwalt Range, Vorsitzenden Richter am Landgericht Marburg Dr. Paul, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hildesheim Pohl, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hamburg Dr. Tully und Vorsitzenden Richter am Landgericht Freiburg im Breisgau i.R. Royen. Prof. Dr. Frisch, Direktor der Abteilung 1 des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, hat sich zum Schuldprinzip und dessen Bedeutung für die Legitimation staatlichen Strafens im Rechtsstaat und die Erfüllung der freiheitssichernden Funktion des Strafrechts sowie zur Vereinbarkeit der Verständigungspraxis und des § 257c StPO mit dem Schuldprinzip geäußert. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer sowie Vertreter der Bundesregierung, des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer haben ihren schriftlichen Vortrag ergänzt und vertieft. Zur Verfassungsmäßigkeit von Verständigungen im Strafprozess hat ferner ein Vertreter der Neuen Richtervereinigung Stellung genommen. 

B. 

Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit sie sich gegen die angegriffenen Entscheidungen richten; im Übrigen haben sie keinen Erfolg. 

I. 

1. Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz (BVerfGE 123, 267 <413>), der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht. Der Schuldgrundsatz hat Verfassungsrang; er ist in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert (vgl. BVerfGE 45, 187 <259 f.>; 86, 288 <313>; 95, 96 <140>; 120, 224 <253 f.>; 130, 1 <26>). 
a) Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa) setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus, der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Willensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann. Dem Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 123, 267 <413>). Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bestimmt Art. 1 Abs. 1 GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Schuld und Sühne (vgl. BVerfGE 95, 96 <140>) sowie den Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 80, 367 <378>; 90, 145 <173>; 123, 267 <413>). Die Strafe ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie - wenn nicht ausschließlich, so doch auch - auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>; 110, 1 <13>). Eine solche strafrechtliche Reaktion wäre ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>). 

b) Das Rechtsstaatsprinzip ist eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes (BVerfGE 20, 323 <331>). Es sichert den Gebrauch der Freiheitsrechte, indem es Rechtssicherheit gewährt, die Staatsgewalt an das Gesetz bindet und Vertrauen schützt (BVerfGE 95, 96 <130>). Das Rechtsstaatsprinzip umfasst als eine der Leitideen des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 7, 89 <92>; 7, 194 <196>; 45, 187 <246>; 74, 129 <152>; 122, 248 <272>) und schließt den Grundsatz der Rechtsgleichheit als eines der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate ein (vgl. BVerfGE 84, 90 <121>). Für den Bereich des Strafrechts werden diese rechtsstaatlichen Anliegen auch im Schuldgrundsatz aufgenommen (BVerfGE 95, 96 <130 f.>). Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Straftatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <286>; 27, 18 <29>; 50, 205 <214 f.>; 120, 224 <241>; stRspr). Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 45, 187 <228>; 50, 5 <12>; 73, 206 <253>; 86, 288 <313>; 96, 245 <249>; 109, 133 <171>; 110, 1 <13>; 120, 224 <254>). In diesem Sinne hat die Strafe die Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BVerfGE 45, 187 <253 f.>; 109, 133 <173>; 120, 224 <253 f.>). 

2. Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244 <255>; 95, 96 <140>), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 118, 212 <231>; 122, 248 <270>; 130, 1 <26>). Dem Täter müssen Tat und Schuld prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <371>). 

a) Der Staat ist von Verfassungs wegen gehalten, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272>; 130, 1 <26>). Der Schutz elementarer Rechtsgüter durch Strafrecht und seine Durchsetzung im Verfahren sind Verfassungsaufgaben (vgl. BVerfGE 107, 104 <118 f.>; 113, 29 <54>). Das erfordert, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten, also schuldangemessenen Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; 129, 208 <260>). Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst auch die Pflicht, die Durchführung eingeleiteter Strafverfahren und die Vollstreckung rechtskräftig erkannter (Freiheits-)Strafen sicherzustellen. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, und der Anspruch aller in Strafverfahren Beschuldigten auf Gleichbehandlung erfordern grundsätzlich, dass der Strafanspruch durchgesetzt, also auch eingeleitete Verfahren fortgesetzt und rechtskräftig verhängte Strafen vollstreckt werden (BVerfGE 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>). 

b) Bei alledem darf der Beschuldigte im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Strafverfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 65, 171 <174 f.>; 66, 313 <318>). 

aa) Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 122, 248 <271 f.>). Dies bedeutet allerdings nicht, dass im Strafverfahren - unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ (vgl. BVerfGE 110, 226 <253>) - in der Rollenverteilung begründete verfahrensspezifische Unterschiede in den Handlungsmöglichkeiten von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in jeder Beziehung ausgeglichen werden müssten (vgl. BVerfGE 63, 45 <67>; 63, 380 <392 f.>; 122, 248 <272>); vielmehr sind angesichts der besonderen, zur Objektivität verpflichtenden Stellung der Staatsanwaltschaft Differenzierungen möglich. Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Beschuldigten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 64, 135 <145 f.>; 122, 248 <272>). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239 <250>; 80, 367 <375>; 122, 248 <272>). Verfahrensgestaltungen, die den Erfordernissen einer wirksamen Strafrechtspflege dienen, verletzen daher nicht schon dann den grundrechtlichen Anspruch auf ein faires Strafverfahren, wenn verfahrensrechtliche Positionen des Angeklagten oder Beschuldigten dabei eine Zurücksetzung zugunsten einer wirksameren Strafrechtspflege erfahren (BVerfGE 122, 248 <273>). Das Beschleunigungsgebot ist bei der Konkretisierung des Rechts auf ein faires Verfahren ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 41, 246 <250>; 63, 45 <68 f.>; 122, 248 <273>), denn unnötige Verfahrensverzögerungen stellen nicht nur die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>; 88, 118 <124>; 93, 1 <13>) und die Zwecke der Kriminalstrafe in Frage, sondern beeinträchtigen, da die Beweisgrundlage durch Zeitablauf verfälscht werden kann, auch die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. BVerfGE 57, 250 <280>; 122, 248 <273>; 130, 1 <27>). 

bb) Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>). Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist im Rechtsstaatsprinzip verankert und hat Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>; 110, 1 <31>). Er umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 56, 37 <49>; 109, 279 <324>). Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. BVerfGE 38, 105 <113>; 56, 37 <43>). Dies setzt voraus, dass er über seine Aussagefreiheit in Kenntnis gesetzt wird. 

cc) Die Unschuldsvermutung hat als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ebenfalls Verfassungsrang (BVerfGE 74, 358 <371>). Sie verbietet zum einen, im konkreten Strafverfahren ohne prozessordnungsgemäßen - nicht notwendiger Weise rechtskräftigen - Schuldnachweis Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen, und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln; zum anderen verlangt sie den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor diese dem Verurteilten im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>). Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips enthält die Unschuldsvermutung - wie auch das Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren - allerdings keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- und Verbote; ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dies ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers (BVerfGE 74, 358 <371 f.>; vgl. auch BVerfGE 7, 89 <92 f.>; 57, 250 <275 f.>; 65, 283 <291>). 

3. Das Grundgesetz gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bietet (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 21, 139 <145 f.>; 23, 321 <325>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>). Neben der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs.1 und 2 GG) ist es wesentliches Kennzeichen der Rechtsprechung im Sinne des Grundgesetzes, dass die richterliche Tätigkeit von einem „nicht beteiligten Dritten“ ausgeübt wird (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 4, 331 <346>; 21, 139 <145>; 27, 312 <322>; 48, 300 <316>; 87, 68 <85>; 103, 111 <140>). Diese Vorstellung von neutraler Amtsführung ist mit den Begriffen „Richter“ und „Gericht“ untrennbar verknüpft (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>; 60, 175 <214>; 103, 111 <140>). Die richterliche Tätigkeit erfordert daher unbedingte Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten (BVerfGE 21, 139 <146>; 103, 111 <140>). Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt deshalb nicht nur einen Anspruch auf den sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergebenden Richter (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>), sondern garantiert auch, dass der Betroffene nicht vor einem Richter steht, der aufgrund persönlicher oder sachlicher Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten oder zum Streitgegenstand die gebotene Neutralität vermissen lässt (BVerfGE 21, 139 <146>; 89, 28 <36>). Dieses Verlangen nach Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters ist zugleich ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 37, 57 <65>). 

4. Das im Rechtsstaatsprinzip und dem allgemeinen Freiheitsrecht verankerte Recht auf ein faires Strafverfahren umfasst das Recht des Beschuldigten, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfGE 66, 313 <318 f.>; 110, 226 <253>). Wenngleich das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote enthält, sondern der Konkretisierung durch den Gesetzgeber je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, untersagt es jedenfalls eine Ausgestaltung des Strafverfahrens, bei der rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind (BVerfGE 57, 250 <276>; 122, 248 <272>). Angesichts der besonderen Bedeutung, die dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zukommt (vgl. BVerfGE 110, 226 <254>), verbietet es sich, im Strafprozess Verfahrensweisen vorzusehen, die - etwa aufgrund der Schaffung sachwidriger Anreize - erwarten lassen, dass dieses Vertrauen unterlaufen und damit das Recht auf eine effektive Verteidigung entwertet wird. 

II. 

Nach diesen Maßstäben kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber hat Verständigungen im Strafprozess lediglich in einem begrenzten Rahmen zugelassen und sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die bei der gebotenen präzisierenden Auslegung und Anwendung erwarten lassen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Strafprozesses erfüllt werden (1. und 2.). Eine das Verständigungsgesetz in nicht unerheblichem Umfang vernachlässigende Praxis belegt derzeit noch kein verfassungsrechtlich relevantes Regelungsdefizit (3.). Der Gesetzgeber ist allerdings gehalten, die Wirksamkeit der zur Wahrung eines verfassungskonformen Strafverfahrens vorgesehenen Vorkehrungen zu beobachten und erforderlichenfalls erneut über die Zulässigkeit sowie die Bedingungen von Verständigungen zu entscheiden (4.). 

1. Das Verständigungsgesetz statuiert nach dem in seinem Wortlaut und Normgefüge zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers (a) kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell. Vielmehr integriert es die von ihm zugelassene Verständigung mit dem Ziel in das geltende Strafprozessrechtssystem, weiterhin ein der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass eine Verständigung als solche niemals alleinige Urteilsgrundlage sein kann, sondern das Gericht weiterhin an die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Amtsaufklärungspflicht gebunden ist und die rechtliche Würdigung nicht der Disposition der Beteiligten an einer Verständigung unterliegt (b). Das Verständigungsgesetz regelt die Zulässigkeit einer Verständigung im Strafverfahren abschließend; es untersagt damit die beschönigend als „informell“ bezeichneten Vorgehensweisen bei einer Verständigung (c). Der Gesetzgeber hat sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die eine vollständige Transparenz und Dokumentation des zu einer Verständigung führenden Geschehens sicherstellen und so die vom Gesetzgeber als erforderlich bewertete vollumfängliche Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht ermöglichen sollen (d). Schließlich gewährleistet das Gesetz über eine Einschränkung der Bindungswirkung einer Verständigung die Neutralität des Gerichts und sieht mit der Pflicht zur Belehrung des Angeklagten über diese Einschränkung eine dessen Belangen dienende Sicherung vor (e). 

a) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. BVerfGE 1, 299 <312>; 11, 126 <130 f.>; 105, 135 <157>; stRspr). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (vgl. BVerfGE 11, 126 <130>; 105, 135 <157>). Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf (vgl. BVerfGE 122, 248 <283> - abw. M.). Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall - auch unter gewandelten Bedingungen - möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>). In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (vgl. BVerfGE 78, 20 <24> m.w.N.). Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich eher fern liegen. Anderenfalls wäre es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum durchzusetzen (vgl. BVerfGE 122, 248 <284> - abw. M.).  

b) Der Gesetzgeber hat eine gesetzliche Regelung der Verständigung im Strafverfahren als notwendig erachtet, weil das in der Praxis entstandene und dort bedeutsame, aber stets umstritten gebliebene Institut der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung dringend klarer gesetzlicher Vorgaben bedürfe. Dabei war dem Gesetzgeber bewusst, dass sich auf das Urteil bezogene Verständigungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten nicht ohne Weiteres mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Strafverfahren, insbesondere hinsichtlich der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Schuldangemessenheit der Strafe und der Verfahrensfairness, würden in Einklang bringen lassen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1). Dementsprechend war es ausdrücklich sein zentrales Ziel, die Verständigung in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdenden Weise in das geltende Strafverfahrensrecht zu integrieren, ohne die den Strafprozess dominierenden Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung anzutasten. Die Auslegung und Anwendung des Verständigungsgesetzes hat sich zuvörderst an diesem gesetzgeberischen Konzept zu orientieren. Das gilt auch für das Bundesverfassungsgericht, das dann, wenn eine präzisierende Auslegung eines Gesetzes möglich ist, diese seiner Prüfung zugrunde zu legen hat (vgl. zur Bestimmtheit von Strafnormen BVerfGE 126, 170 <196 f.>; siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2012 - 1 BvR 1509/10 -). Der Gesetzgeber wollte zwar eine offene, kommunikative Verhandlungsführung des Gerichts stärken, aber gerade kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell einführen. Vielmehr war es sein erklärtes Regelungsziel, weiterhin ein Strafverfahren sicherzustellen, das dem fundamentalen und verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung sowie der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtet ist (vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.), weshalb auch in der Verständigungssituation das Maß der Schuldangemessenheit weder über- noch unterschritten werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <594>, und vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 44). Um diese Aufgabenstellung zu verwirklichen, hat der Gesetzgeber nicht nur den zulässigen Inhalt von Verständigungen und das Verständigungsverfahren „umfassend“ normieren wollen, sondern einen Schwerpunkt seines Regelungskonzepts in der Herstellung von Transparenz, Öffentlichkeit und einer vollständigen Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens gesehen, die wiederum die von ihm als erforderlich bewertete „vollumfängliche“ Rechtsmittelkontrolle ermöglichen und wirksam ausgestalten soll (vgl. nur Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f., 12, 15, sowie Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Das Verlangen nach umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens kennzeichnet die gesetzliche Regelung insgesamt (ebenso BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11 -, NStZ 2012, S. 347 <348>, und Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 349/11 -, StV 2012, S. 649 <652>). Hiernach muss sich eine Verständigung unter allen Umständen „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (BTDrucks 16/12310, S. 12). 

aa) Als Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Möglichkeiten einer Verständigung in das geltende Strafprozessrechtssystem zu integrieren, ist vor allem die Klarstellung des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zu verstehen, die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen bleibe „unberührt“. Der Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO ist eindeutig; die Norm schließt jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Damit wird hervorgehoben, dass eine Verständigung niemals als solche die Grundlage eines Urteils bilden kann, sondern weiterhin allein und ausschließlich die - ausreichend fundierte - Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt maßgeblich bleibt (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13). Dem Gesetzgeber waren die Besonderheiten des aufgrund einer Verständigung abgegebenen Geständnisses, insbesondere dessen erhöhte Fehleranfälligkeit infolge der Anreiz- und Verlockungssituation, in der sich der Angeklagte wie auch sein Verteidiger befinden können, und demzufolge die Gefahr von „Falschgeständnissen“, bewusst, und er hat deshalb die Geltung der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO ausdrücklich klargestellt. Dementsprechend bleibt das nach § 244 Abs. 2 StPO erforderliche Maß an Beweiserhebung stets insoweit unberührt, als ein wirksamer Verzicht auf (weitere) Beweisanträge und Beweiserhebungen sich nicht außerhalb dessen bewegen kann, was durch die unverändert geltende Sachaufklärungspflicht des Gerichtes bestimmt ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; siehe auch BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 285/11 -, StV 2012, S. 653 <654>; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11 -, juris, Rn. 5). 

Die Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, nach der die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist, baut auf der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO auf und bestätigt die dargelegte Grundentscheidung des Gesetzgebers. Entsprechendes gilt für das die Zulässigkeit von Verständigungen nach § 257c Abs. 1 Satz 1 StPObeschränkende Kriterium der „geeigneten Fälle“, mit dem der Gesetzgeber nicht nur die Anwendung der Verständigung im Jugendstrafverfahren mit Blick auf den dieses beherrschenden Erziehungsgedanken einschränken, sondern vor allem auch sicherstellen wollte, dass das Gericht nicht vorschnell auf eine Verständigung ausweicht, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich und rechtlich überprüft zu haben (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 10, 13; siehe auch BGHSt 50, 40 <49>, sowie BGH, Beschlüsse vom 20. April 2004 - 5 StR 11/04 -, juris, Rn. 14 ff., und vom 9. Juni 2004 - 5 StR 579/03 -, juris, Rn. 13 ff.). 

Aufgrund des klarstellenden Hinweises auf § 244 Abs. 2 StPO durch § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO bedurfte es auch keiner zusätzlichen ausdrücklichen Festlegung der an ein Geständnis zu stellenden „Qualitätsanforderungen“. Vielmehr genügt dieser Hinweis, um einerseits zu verdeutlichen, dass auch in der Verständigungssituation ein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis - vor allem, wenn die Beantwortung von Fragen zum Sachverhalt verweigert wird - oder gar die nicht einmal ein Geständnis darstellende schlichte Erklärung, der Anklage nicht entgegenzutreten, allein keine taugliche Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein können. Andererseits hat es der Gesetzgeber damit den Gerichten ermöglicht, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. 

Vor dem Hintergrund des Regelungsziels, die Grundsätze der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts und der richterlichen Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen, kann § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zudem nur so verstanden werden, dass das verständigungsbasierte Geständnis zwingend auf seine Richtigkeit zu überprüfen ist. Diese Überprüfung hat sich - unter zusätzlicher Berücksichtigung des Grundanliegens des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen - durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO) zu vollziehen. Freilich kann dies nicht bedeuten, dass die Überprüfung eines verständigungsbasierten Geständnisses strengeren Anforderungen unterliegt als sie an eine Beweisaufnahme in der nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung nach Abgabe eines Geständnisses zu stellen wären; so bleiben etwa Vorhalte oder das Selbstleseverfahren nach den allgemeinen Regeln möglich. Es genügt jedoch nicht, das verständigungsbasierte Geständnis durch einen bloßen Abgleich mit der Aktenlage zu überprüfen (anders noch BGHSt 50, 40 <49>, in diese Richtung auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387 f.>), da dies keine hinreichende Grundlage für die erforderliche Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) darstellt und mit einem solchen Verständnis dem Transparenzanliegen des Verständigungsgesetzes und der Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile gerade nicht Rechnung getragen werden könnte. 

Dieses Verständnis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass hiernach der Raum für Verständigungen - insbesondere mit Blick auf das Ausmaß der ermöglichten Verfahrensabkürzung - spürbar eingeengt wird. Diese Wirkung ist nicht etwa Ausdruck einer unauflösbaren inneren Widersprüchlichkeit der Norm, sondern achtet das ausdrückliche Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung mit den Grundsätzen der Amtsaufklärung nach § 244 Abs. 2 StPO und der richterlichen Überzeugungsbildung in Einklang zu bringen. Die Beschränkung des praktischen Anwendungsbereichs von Verständigungen ist die zwangsläufige Konsequenz der Einfügung von Verständigungsmöglichkeiten in das System des geltenden Strafprozessrechts. 

bb) Nach dem Regelungsziel des Gesetzgebers, weiterhin ein der Wahrheitserforschung und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen, bleiben nicht nur die tatsächlichen Feststellungen, sondern auch deren rechtliche Würdigung der Disposition der an einer Verständigung Beteiligten entzogen (ebenso BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 -, juris, Rn. 16). Unmittelbaren Ausdruck findet das gesetzliche Regelungsanliegen in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO, der den zulässigen Gegenstand von Verständigungen ausdrücklich auf die „Rechtsfolgen“ beschränkt, ferner in dem von § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO ausgesprochenen Verbot einer Verständigung über den Schuldspruch und dem Wegfall der Bindungswirkung einer Verständigung unter den Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO

Aus § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO folgt unter Berücksichtigung der Systematik und von Sinn und Zweck des gesetzlichen Regelungskonzepts insbesondere, dass eine Strafrahmenverschiebung nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich auf Sonderstrafrahmen für besonders schwere oder minder schwere Fälle im Vergleich zum Regelstrafrahmen bezieht. Zwar handelt es sich bei diesen Sonderstrafrahmen nach herrschender Meinung (vgl. BGHSt 23, 254 <256>; 26, 104 <105>; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, Vor §§ 38 ff., Rn. 47; Theune, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, Vor §§ 46 ff. Rn. 18) um gesetzliche Strafzumessungsregeln, die mit Ausnahme von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht in den Urteilstenor aufzunehmen sind. Allerdings weist die Regelungstechnik der besonders schweren und minder schweren Fälle eine spezifische Nähe zu Qualifikations- und Privilegierungstatbeständen auf. Wesentliche Unterschiede zwischen diesen Regelungsbereichen sind im Hinblick auf die Schuldangemessenheit des Strafens nicht zu erkennen. So werden die Regelbeispiele besonders schwerer Fälle als „tatbestandsähnlich“ angesehen (vgl. BGHSt 33, 370 <374>; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1997 - 5 StR 328/97 -, NStZ 1998, S. 91 <92>; Urteil vom 7. August 2001 - 1 StR 470/00 -, NStZ 2001, S. 642 <643>; Beschluss vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10 -, NStZ 2011, S. 167). Die Regelungstechnik unterfällt auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 45, 363 <371>) sowie dem Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2004 - 3 StR 113/04-, NStZ-RR 2004, S. 262, und vom 20. Juli 2004 - 3 StR 231/04 -, NStZ-RR 2005, S. 373 <374>). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Fall besonders schwer, wenn er sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (vgl. BGHSt 28, 318, <319 f.>; BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 - 3 StR 145/91 -, NStZ 1991, S. 529 <530>); für das Vorliegen eines minder schweren Falls ist zu prüfen, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maß abweicht, dass die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2000 - 5 StR 349/00 -, NJW 2000, S. 3580; Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02 -, NJW 2003, S. 1679 <1680>; Beschluss vom 26. August 2008 - 3 StR 316/08 -, NStZ 2009, S. 37). Auch die Sonderstrafrahmen sind daher - wie jeder Strafrahmen - Ausdruck des Unwert- und Schuldgehalts, den der Gesetzgeber einem unter Strafe gestellten Verhalten beigemessen hat. Mit der Normierung von Sonderstrafrahmen bringt der Gesetzgeber - nicht anders als bei Qualifikationen und Privilegierungen - zum Ausdruck, innerhalb eines Deliktstypus eine Differenzierung schon auf der Ebene der Strafrahmenwahl für geboten zu erachten. Bei umfassender Würdigung des dem Verständigungsgesetz zugrundeliegenden Regelungskonzepts kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe diese Bewertung für den Fall einer Verständigung aufgeben und den Begriff der „Rechtsfolge“ in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO auch auf Strafrahmenverschiebungen ausdehnen wollen. 
c) Mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes hat die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sogenannte informelle Absprachen sind unzulässig. 

aa) Bereits aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO, der Verständigungen nur „nach Maßgabe der folgenden Absätze“ zulässt, folgt, dass jegliche sonstigen „informellen“ Absprachen, Vereinbarungen und „Gentlemen‘s Agreements“ untersagt sind. Damit wird das Ziel der gesetzlichen Regelung, der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung durch ein „umfassendes und differenziertes Regelungskonzept“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 7 f., 9) klare Vorgaben zu setzen, verwirklicht. Hätte die Regelung keinen abschließenden Charakter, könnten die vom Gesetzgeber als erforderlich erachteten flankierenden Vorschriften, die Transparenz und Öffentlichkeit des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens sichern, die ihnen zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle von Verständigungen zugedachte Funktion von vornherein nicht wirksam erfüllen. Hierin liegt aber gerade ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers. So ist im Gesetzgebungsverfahren die in der Stellungnahme des Bundesrats kritisierte Regelung des sogenannten „Negativattests“ in § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO mit dem Argument verteidigt worden, dass mit ihrer Streichung „eine wichtige Regelung entfiele, die dazu dienen soll, mit höchst möglicher Gewissheit und in der Revision überprüfbar das Geschehen in der Hauptverhandlung zu dokumentieren und auszuschließen, dass ‚stillschweigend‘ und ohne Beachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten eine Verständigung stattgefunden hat“ (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Schließlich findet sich in dem Anliegen, eine „vollumfängliche“ Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht zu gewährleisten, eine Bestätigung des abschließenden Charakters des gesetzlichen Regelungskonzepts. Diese Kontrolle soll nämlich gerade „einen unterstützenden Beitrag dazu leisten, dass Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). 

In Anbetracht der strikten Bindung jeglicher Ausübung hoheitlicher Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) bedurfte die Absicht des Gesetzgebers, nur solche Verständigungen zuzulassen, die sich innerhalb des vom Gesetz gezogenen Rahmens bewegen, keiner weiteren ausdrücklichen Hervorhebung. 

bb) Aus dem gesetzlichen Regelungskonzept zum Inhalt, zum Zustandekommen und zu den Folgen einer Verständigung folgt unter anderem, dass ein wirksamer Rechtsmittelverzicht auch dann ausgeschlossen ist, wenn sich die Beteiligten unter Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften verständigt haben (vgl. dazu bereits BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 5. März 2012 - 2 BvR 1464/11 -, juris, Rn. 21 ff.; ebenso etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 <2630>; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <393>). Eine solche Verständigung unterliegt zudem der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO. Sollte in letzterem Fall ein Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO erteilt werden, wäre dieses falsch und könnte den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) erfüllen. 

cc) Ebenso wenig können etwaige Zusagen der Staatsanwaltschaft, andere bei ihr anhängige Ermittlungsverfahren - etwa nach § 154 Abs. 1 StPO - einzustellen, eine Bindungswirkung oder ein schutzwürdiges Vertrauen auslösen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; anders noch zur Rechtslage vor dem Verständigungsgesetz BGHSt 37, 10 <13 f.>). Aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 und 2 StPO folgt, dass sich Verständigungen ausschließlich auf das „zugrundeliegende Erkenntnisverfahren“ beziehen dürfen, also sogenannte „Gesamtlösungen“ unter Einbeziehung anderer Verfahren und nicht in der Kompetenz des Gerichts liegende Zusagen unzulässig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 2 StR 354/10 -, wistra 2011, S. 28; siehe auch Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 34; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387>). Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen. Bei Einbeziehung anderer, nicht den Gegenstand der Hauptverhandlung bildender Verfahren ist insoweit eine wirksame Kontrolle der Verständigung - insbesondere durch die Öffentlichkeit - nicht gewährleistet. 

d) Einen Schwerpunkt des Regelungskonzeptes des Verständigungsgesetzes bildet die Gewährleistung der vom Gesetzgeber ausdrücklich als „erforderlich“ bewerteten Transparenz und Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens als Voraussetzung einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.). Zur Erreichung dieses Ziels hat der Gesetzgeber spezifische, das Regelungskonzept prägende Schutzmechanismen vorgesehen. 

aa) In der Konzeption des Gesetzgebers kommt der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung eine zentrale Bedeutung zu. Mit dem Gebot, die mit einer Verständigung verbundenen Vorgänge umfassend in die Hauptverhandlung einzubeziehen, gewährleistet der Gesetzgeber nicht nur vollständige Transparenz; er legt zugleich besonderes Gewicht auf die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung und bekräftigt damit, dass auch im Fall der Verständigung der Inbegriff der Hauptverhandlung die Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung bleibt (§ 261 StPO). 
(1) (a) Dem Gesetzgeber kam es maßgeblich darauf an, die Transparenz der strafgerichtlichen Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gerade im Falle einer Verständigung zu bewahren; die Verständigung müsse sich „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 12). Dementsprechend hat das Verständigungsgesetz umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten mit Bezug auf die Hauptverhandlung statuiert. Sie zielen darauf, nicht nur die Verständigung selbst, also den formalen Verständigungsakt des § 257c Abs. 3 StPO, sondern darüber hinausgehend auch die zu einer Verständigung führenden Vorgespräche in die Hauptverhandlung einzuführen. Zwar ist nach der Begründung des Regierungsentwurfs die „Vorbereitung“ einer Verständigung auch außerhalb der Hauptverhandlung möglich. Gegenstand einer Erörterung im Vorfeld der Hauptverhandlung kann es danach auch sein, Möglichkeit und Umstände einer Verständigung zu besprechen (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9, 12). Für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung verlangt § 243 Abs. 4 StPO eine Mitteilung deren „wesentlichen Inhalts“. Diese Mitteilung ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren. Demgegenüber sind hinsichtlich der Verständigung selbst gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Die Protokollierungspflicht hinsichtlich der Verständigung geht also über die Protokollierung der nach § 243 Abs. 4 StPO vorgeschriebenen Mitteilung hinaus. Dem liegt zugrunde, dass die Verständigung als solche nach § 257c Abs. 1 StPO nur in der Hauptverhandlung erfolgen kann. Die im Vergleich zur Verständigung selbst reduzierte Pflicht zur Dokumentation der Gespräche zur Vorbereitung einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2, § 243 Abs. 4 StPO fügt sich in das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept der Stärkung der Transparenz und Dokumentation ein, weil die Verständigung selbst erst in der Hauptverhandlung stattfinden kann und § 273 Abs. 1a Satz 1 StPOdie Dokumentation der wesentlichen Abläufe, des Inhalts und des Ergebnisses dieser Verständigung gebietet. Alle wesentlichen Elemente einer Verständigung, zu denen angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten Konzepts auch außerhalb der Hauptverhandlung geführte Vorgespräche zählen, sind zum Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung zu machen und unterliegen der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO

(b) Hinsichtlich des Inhalts möglicher Erörterungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten und der dabei bestehenden Transparenz- und Dokumentationspflichten ist zu unterscheiden: 

(aa) Möglich sind Gespräche, die ausschließlich der Organisation sowie der verfahrenstechnischen Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung dienen, etwa die Abstimmung der Verhandlungstermine. Mangels eines Bezugs auf das Verfahrensergebnis sind diese Gespräche dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen. Sie unterliegen deshalb nicht der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO

(bb) In Betracht kommen weiterhin Gespräche, die als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können und über deren wesentlichen Inhalt deshalb nach § 243 Abs. 4 StPO in der Hauptverhandlung zu informieren ist. Die Mitteilungspflicht greift ein, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 12) einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt. Im Zweifel wird in der Hauptverhandlung zu informieren sein. Zum mitzuteilenden Inhalt solcher Erörterungen gehört, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, juris; siehe auch Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a; Altenhain/Haimerl, JZ 2010, S. 327 <336>; Schlothauer/Weider, StV 2009, S. 600 <603>). Fehlt im Hauptverhandlungsprotokoll der nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO vorgeschriebene Hinweis auf eine Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO, ergibt sich daraus lediglich, dass eine solche Mitteilung in der Hauptverhandlung unterblieben ist, nicht aber, dass es keine Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung gegeben hat, weil diese Tatsache nicht von der negativen Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) umfasst ist (a.A. ohne nähere Begründung Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a a.E.). 

(cc) Die Verständigung selbst hat zwingend in der Hauptverhandlung stattzufinden, wo die vom Gesetzgeber verlangte Protokollierung nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO und damit eine Voraussetzung vollumfänglicher Kontrolle gewährleistet ist. Zum „wesentlichen Ablauf und Inhalt“ im Sinne dieser Norm gehört nach Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht insbesondere, wer die Anregung zu den Gesprächen gab und welchen Inhalt die einzelnen „Diskussionsbeiträge“ aller Verfahrensbeteiligten sowie der Richter hatten, insbesondere von welchem Sachverhalt sie hierbei ausgingen und welche Ergebnisvorstellungen sie äußerten (vgl. Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 71). 

(2) Darüber hinaus folgt aus dem Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung in das Licht der öffentlichen Hauptverhandlung zu stellen, dass er der Kontrollfunktion der Öffentlichkeit besondere Bedeutung beigemessen hat. 

Der in § 169 GVG niedergelegte Öffentlichkeitsgrundsatz soll eine Kontrolle der Justiz durch die am Verfahren nicht beteiligte Öffentlichkeit ermöglichen und ist Ausdruck der demokratischen Idee. Die mit der Möglichkeit einer Beobachtung der Hauptverhandlung durch die Allgemeinheit verbundene öffentliche Kontrolle der Justiz, die historisch als unverzichtbares Institut zur Verhinderung obrigkeitlicher Willkür eingeführt wurde (vgl. zum Ganzen Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff. m.w.N.), erhält als demokratisches Gebot durch die gesetzliche Zulassung der in eine vertrauliche Atmosphäre drängenden Verständigungen zusätzliches Gewicht. Dem hat der Gesetzgeber durch die Mitteilungspflicht in § 243 Abs. 4 StPO Rechnung getragen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 12). 
Die Öffentlichkeit kann ihre Kontrollfunktion nur ausüben, wenn sie die Informationen erhält, die zur Beurteilung der Angemessenheit einer etwaigen Verständigung erforderlich sind. Nur so bleibt der gerichtliche Entscheidungsprozess transparent und die Rechtsprechung auch in Verständigungsfällen für die Allgemeinheit durchschaubar. Dies ist notwendig, damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit des Staates, mittels einer wirksamen Strafverfolgung öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten (vgl. zu dieser Aufgabe des Öffentlichkeitsgrundsatzes Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff.) und Gerechtigkeit im Einzelfall sowie eine gleichmäßige Behandlung aller zu garantieren, uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann. 

(3) Die Einbeziehung des zu einer Verständigung führenden Geschehens in die öffentliche Hauptverhandlung hat auch die Aufgabe, deren Funktion als alleinige Grundlage richterlicher Überzeugungsbildung zu wahren. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Funktion der öffentlichen Hauptverhandlung unberührt bleiben. In den Materialien wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Überzeugung des Gerichts von dem festzustellenden Sachverhalt stets erforderlich bleibt und eine Verständigung als solche niemals die Grundlage eines Urteils bilden kann (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 13). Das Gericht bildet sich seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO). Dieser Grundsatz ist nicht zuletzt im Hinblick auf die während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter ausübenden Schöffen (§§ 30, 77 Abs. 1 GVG) von Bedeutung. Da aus § 257c Abs. 4 StPO folgt, dass der Gesetzgeber der Verständigung eine - wenn auch nur eingeschränkte - Bindungswirkung für das Gericht beigemessen hat, musste er zugleich gewährleisten, dass die Schöffen in das zu einer Verständigung führende Geschehen, soweit es in der Hauptverhandlung stattfindet, unmittelbar eingebunden und im Übrigen nach § 243 Abs. 4 StPO umfassend über dieses unterrichtet sind. Anderenfalls wäre ihnen eine verantwortbare Entscheidung über die Verständigung - insbesondere die damit verbundene Zusage einer Strafobergrenze und Ankündigung einer Strafuntergrenze - und über den Inhalt des nach einer Verständigung oder nach dem Scheitern von Verständigungsbemühungen ergehenden Urteils nicht möglich. Dementsprechend ermöglicht § 257c StPO es ausschließlich „dem Gericht“ - nicht nur dem Vorsitzenden oder nur den Berufsrichtern -, eine Verständigung mit den Verfahrensbeteiligten herbeizuführen. Damit ist es ausgeschlossen, dass ohne eine Beteiligung der Schöffen Strafgrenzen mit der Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 StPO in Aussicht gestellt werden. 

bb) Mit dem Erfordernis ihrer Zustimmung zu einer Verständigung weist der Gesetzgeber der Staatsanwaltschaft eine aktive Rolle bei der Verwirklichung seines Ziels zu, eine wirksame Kontrolle von Verständigungen zu gewährleisten. 

Ihr ist die Aufgabe zugewiesen, an der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrensablaufs und -ergebnisses mitzuwirken. Mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe; als Vertreterin der Anklage gewährleistet sie eine effektive Strafrechtspflege (vgl. Kühne, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, Einl. J Rn. 42). Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren fort (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO). Ihren Niederschlag hat diese Stellung der Staatsanwaltschaft in den Bestimmungen der Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 147 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gefunden. 

In der Verständigungssituation kommt der Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft herausgehobene Bedeutung zu, weil sich Angeklagter und Gericht hinsichtlich des möglichen Verfahrensergebnisses einer - wenngleich eingeschränkten - Bindung unterwerfen. Die Einbindung der Staatsanwaltschaft in die Verständigung hat damit vor allem den Zweck, deren Gesetzmäßigkeit zu sichern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23 f.; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11 -, StV 2011, S. 645 f.; BGH, Urteil vom 9. November 2011 - 1 StR 302/11 -, juris, Rn. 45). Dem Verständigungsgesetz liegt die Erwartung zugrunde, dass die Staatsanwaltschaft - entsprechend ihrer Rolle als „Wächter des Gesetzes“ (vgl. hierzu Promemoria der Staats- und Justiz-Minister von Savigny und Uhden über die Einführung der Staats-Anwaltschaft im Kriminal-Prozesse vom 23. März 1846, abgedruckt bei Otto, Die Preußische Staatsanwaltschaft, 1899, S. 40 ff.) - sich gesetzwidrigen Vorgehensweisen im Zusammenhang mit Verständigungen verweigert. Weisungsgebundenheit und Berichtspflichten ermöglichen es, einheitliche Standards für die Erteilung der Zustimmung zu Verständigungen sowie für die Ausübung der Rechtsmittelbefugnis aufzustellen und durchzusetzen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht nur gehalten, ihre Zustimmung zu einer gesetzwidrigen Verständigung zu versagen. Sie hat darüber hinaus gegen Urteile, die - beispielsweise von der Staatsanwaltschaft zunächst unerkannt - auf solchen Verständigungen beruhen, Rechtsmittel einzulegen. In Anbetracht der hohen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess auch in Verständigungsfällen beigemessen hat, werden Verstöße gegen die Vorgaben des Verständigungsgesetzes in der Regel von wesentlicher Bedeutung (vgl. auch Nr. 147 Abs. 1 Satz 1 RiStBV) und deshalb durch die Staatsanwaltschaft einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen sein. Auch kann es angezeigt sein, dass sich die Generalstaatsanwaltschaften dieser Aufgabe in besonderer Weise annehmen. 

cc) Schließlich verfolgen die in dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgesehenen Schutzmechanismen das Ziel, eine wirksame „vollumfängliche“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen. 

(1) Diese Kontrolle soll dazu beitragen, dass „Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). Hiernach verzichtete der Gesetzgeber darauf, nach vorangegangener Verständigung Rechtsmittel auszuschließen oder einzuschränken, um die Verständigung in einer insbesondere mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens und der daraus folgenden Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit in Einklang stehenden Weise in das geltende Strafverfahren integrieren zu können (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1 f., 8 f.; siehe auch Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 12). Mit dieser Zielsetzung grenzt sich das Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes ausdrücklich von dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren (BTDrucks 16/4197) ab, der die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen ein verständigungsbasiertes Urteil durch einen Ausschluss der Berufung sowie eine Beschränkung der Revision auf im Zusammenhang mit der Verständigung stehende Verfahrensfehler und die Revisionsgründe des § 338 StPO wesentlich einschränken wollte (vgl. Gesetzentwurf und Begründung des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 5 f., 7, 11 sowie die Stellungnahme der Bundesregierung, BTDrucks 16/4197, S. 12). Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Möglichkeit eines Rechtsmittelverzichts nach gesonderter qualifizierter Belehrung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages verworfen, um sicherzustellen, dass sich die Berechtigten in Ruhe und ohne Druck überlegen können, ob sie Rechtsmittel einlegen wollen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 6, 15 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 16/13095, S. 7, 10). In bewusster Abkehr von den Entwürfen schränkt das Verständigungsgesetz die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen verständigungsbasierte Urteile nicht ein, sondern schließt - über die dem Regelungskonzept weitgehend zugrundeliegende Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 50, 40 ff.) hinausgehend - einen Rechtsmittelverzicht nach einer Verständigung generell aus (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) und sichert die Ermöglichung einer Rechtsmittelkontrolle durch das Erfordernis einer qualifizierten Belehrung noch zusätzlich ab. 

(2) Die Wirksamkeit der Kontrolle soll durch umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten sichergestellt werden. Diese Schutzmechanismen können nicht als bloße Ordnungsvorschriften verstanden werden. Die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile setzt umfassende Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung sowie eine vollständige Dokumentation im Verhandlungsprotokoll voraus. Dementsprechend kommt im Wortlaut der Normen, in der Systematik des Regelungskonzepts und in den Materialien unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine Verständigung nur bei Wahrung der Transparenz- und Dokumentationspflichten für zulässig hält. Das gesetzliche Regelungskonzept ist damit als eine untrennbare Einheit aus Zulassung und inhaltlicher Beschränkung von Verständigungen bei gleichzeitiger Einhegung durch die Mitteilungs-, Belehrungs- und Dokumentationspflichten zu begreifen. Dabei dienen die Verfahrensnormen in gleicher Weise wie die den zulässigen Inhalt von Verständigungen beschränkenden Vorschriften und der Verweis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO auf § 244 Abs. 2 StPO dem Ziel, die mit einer urteilsbezogenen Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten verbundenen Risiken für die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess zu minimieren. Die Vorschriften zur Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung, zu dessen Dokumentation und zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle auch durch das Rechtsmittelgericht zählen zum Kern des gesetzlichen Regelungskonzepts. 

(3) Ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten führt deshalb grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung. Hält sich das Gericht an eine solche gesetzwidrige Verständigung, wird ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen sein, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist. Diese Auslegung entspricht der Funktion dieser Vorschriften im Konzept des Verständigungsgesetzes. Dass Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden sind, steht einer Auslegung des § 337 Abs. 1 StPO nicht entgegen, derzufolge das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten - die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade zum Kern des dem Verständigungsgesetz zugrunde liegenden Schutzkonzepts gehören - nur in besonderen Ausnahmefällen wird ausschließen können (vgl. zur Verletzung von § 258 Abs. 2 und 3 StPOBGHSt 21, 288<290>; 22, 278 <280 f.>). 

(4) Kommt eine Verständigung nicht zustande und fehlt es an der gebotenen Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, wistra 2011, S. 72 f. = StV 2011, S. 72 f.) oder dem vorgeschriebenen Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, wird nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Schutzkonzepts ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 257c StPO grundsätzlich ebenfalls nicht auszuschließen sein (str., im Ergebnis wie hier Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <100>; Schlothauer, StV 2011, S. 205 <206>; in der Tendenz auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <390>; anders BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <593> zu § 243 Abs. 4 StPO), sofern nicht ausnahmsweise zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 32 Ss 87/11 -, juris, Rn. 11, 13). Bei einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten wird sich nämlich in den meisten Fällen nicht sicher ausschließen lassen, dass das Urteil auf eine gesetzwidrige „informelle“ Absprache oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgeht.

e) Aus der in § 257c Abs. 4 StPO getroffenen Regelung ergibt sich zwar einerseits, dass das Gericht (nur) an eine nach den Vorgaben des Gesetzes entsprechende Verständigung grundsätzlich gebunden ist. Andererseits stellt die Regelung zugleich klar, dass die Bindungswirkung entfällt, wenn das Gericht nach Zustandekommen der Verständigung zu der Überzeugung gelangt, dass der nach § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht (mehr) tat- und schuldangemessen ist. Die Bestimmung des § 257c Abs. 4 StPO ist somit Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, die richterliche Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen. Mit dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ist dort zudem eine dem Schutz des Angeklagten dienende Vorschrift enthalten, der im Vertrauen auf den Bestand einer Verständigung ein Geständnis abgegeben und damit von seinem Recht, sich nicht zur Sache einzulassen, keinen Gebrauch gemacht und der Verurteilung eine Grundlage verschafft hat. Mit dem Ziel, dem Angeklagten überhaupt eine autonome Entscheidung über das für ihn mit einer Mitwirkung an einer Verständigung verbundene Risiko zu ermöglichen, sieht schließlich § 257c Abs. 5 StPO vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und - wie sein Hinweis auf das Ziel der Ermöglichung einer autonomen Einschätzung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 15) bestätigt - zugleich die Autonomie des Angeklagten im weiten Umfang schützen. Der Angeklagte sieht sich durch die Aussicht, mit der Verständigung eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze zu erreichen und so Einfluss auf den Verfahrensausgang zu nehmen, einer besonderen Anreiz- und Verlockungssituation ausgesetzt. Der hiermit einhergehenden Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit soll unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO Rechnung getragen werden. Bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht wird daher im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung regelmäßig davon auszugehen sein, dass das Geständnis und damit auch das Urteil auf dem Unterlassen der Belehrung beruht. Ein Beruhen wird nur dann verneint werden können, wenn sich feststellen lässt, dass der Angeklagte das Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (vgl. zu dem in seiner Bedeutung für die Selbstbelastungsfreiheit ähnlich gelagerten Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPOBGHSt 38, 214<226 f.>). Nur so ist gewährleistet, dass die Schutzfunktion der Belehrungspflicht ihre vorgesehene Wirkung entfaltet. 

2. Das Verständigungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dieses schließt Verständigungen im Strafprozess nicht schlechthin aus (a). Der Gesetzgeber hat ausreichende Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass sich Verständigungen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren halten (b).

a) Verständigungen im Strafprozess berühren die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren (aa), der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, Verständigungen mit den zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit gebotenen Vorkehrungen zuzulassen (bb). 
aa) Der Strafprozess hat das Schuldprinzip zu verwirklichen und darf sich von dem ihm vorgegebenen Ziel der bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein unabhängiges und neutrales Gericht nicht entfernen. Das Fehlen eines nicht an den sachlichen Verfahrenszielen orientierten eigenen Interesses des Gerichts am Verfahrensausgang bildet im Zusammenwirken mit seiner Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) die Grundlage für die bestmögliche Ermittlung des wahren Sachverhaltes und die richtige Anwendung des materiellen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt. Dabei trägt das Gebot einer schuldangemessenen Bestrafung auch im Einzelfall dem Verlangen nach Rechtsgleichheit als einem der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate Rechnung. Das Maß der verwirklichten Schuld legitimiert die Differenzierung in den Rechtsfolgen und sichert so zugleich die gebotene Gleichbehandlung der Beschuldigten im Strafverfahren. 
(1) Das verfassungsrechtliche Schuldprinzip steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 123, 267 <413>). Dies schließt es nicht aus, den Strafverfolgungsbehörden Möglichkeiten zu einem Absehen von der Strafverfolgung zu eröffnen, namentlich in Fällen geringfügiger Kriminalität, in denen der Rechtsfrieden nicht ernsthaft beeinträchtigt und eine Kriminalstrafe zum Schuldausgleich nicht zwingend geboten ist, so dass ein öffentliches Interesse an einem Schuldspruch nicht besteht oder durch die Erfüllung von Auflagen oder/und Weisungen beseitigt werden kann. Solche Ausnahmen dürfen die Geltungskraft des Schuldprinzips nicht in Frage stellen und bedürfen stets einer gesetzlichen Regelung, wie sie der Gesetzgeber etwa in den §§ 153 ff. StPO getroffen hat. Als Ausnahmen von der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs sind sie fest zu umgrenzen und bedürfen jeweils einer eigenständigen Legitimation (vgl. zu Beschränkungen der Sachverhaltsaufklärung BVerfGE 33, 367 <382 f.>; 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>; 129, 208 <260>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 77/96 -, NStZ 2001, S. 43 <44>). 

(2) Als unerlässliche Voraussetzung der Verwirklichung des Schuldprinzips unterliegt auch die Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit nicht der Disposition des Gesetzgebers. Sie ist das bestimmende Ziel, von dem sich der Strafprozess nicht entfernen darf. Allerdings ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln er die Verwirklichung des Schuldprinzips gewährleistet. Es ist dem Gesetzgeber auch nicht versagt, unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze für Fälle einfach gelagerter und eindeutiger Sachverhalte - etwa bei einer sich mit den Ermittlungsergebnissen deckenden geständigen Einlassung schon im Ermittlungsverfahren oder bei einem auf frischer Tat angetroffenen Beschuldigten - ein vereinfachtes Verfahren zur Gewinnung der richterlichen Überzeugung von Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten und der hieraus zu ziehenden Folgen ohne das Erfordernis einer öffentlichen Hauptverhandlung mit ihrer formalisierten Beweisaufnahme einzurichten, wie es die Strafprozessordnung mit dem Strafbefehlsverfahren gemäß § 407 Abs. 1 und 2 StPO vorsieht (vgl. dazu Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, Vor § 407 Rn. 25 f. m.w.N.). Ermöglichen es die in der Akte befindlichen Unterlagen und Beweismittel dem Richter, sich die Überzeugung von der Richtigkeit des dem Angeschuldigten zur Last gelegten Sachverhalts zu bilden, ist eine öffentliche Hauptverhandlung zur Gewinnung einer tragfähigen Grundlage für die Schuldfeststellung, die rechtliche Beurteilung und die Strafzumessung von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten, sofern es der Angeschuldigte in der Hand hat, durch einfache Erklärung die Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung zu erzwingen (vgl. BVerfGE 25, 158 <164 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Februar 1995 - 2 BvR 1950/94 -, NJW 1995, S. 2545 <2546> und vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00 -, NJW 2002, S. 3534 m.w.N.). 
(3) Das im Grundgesetz verankerte Schuldprinzip und die mit ihm verbundene Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit sowie der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, die Unschuldsvermutung und die Neutralitätspflicht des Gerichts schließen es jedoch aus, die Handhabung der Wahrheitserforschung, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in der Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen soll, zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht muss es untersagt bleiben, im Wege vertragsähnlicher Vereinbarungen mit den Verfahrensbeteiligten über die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit zu verfügen und sich von dem Gebot schuldangemessenen Strafens zu lösen. Es ist Gericht und Staatsanwaltschaft untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen (vgl. schon BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>) und mit dem Angeklagten einen bestimmten Schuldspruch oder auch nur eine konkrete Strafe zu vereinbaren. Der Rechtsanwendungspraxis ist es untersagt, das vom Gesetzgeber normierte Strafverfahren in einer Weise zu gestalten, die auf solche vertragsähnliche Erledigungsformen hinausläuft. 

Demgegenüber steht das Grundgesetz unverbindlichen Erörterungen der Beurteilung der Sach- und Rechtslage zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten nicht entgegen. Eine offene, kommunikative Verhandlungsführung kann der Verfahrensförderung dienlich sein und ist daher heute selbstverständliche Anforderung an eine sachgerechte Prozessleitung. So begegnen etwa Rechtsgespräche und Hinweise auf die vorläufige Beurteilung der Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche Formen der kommunikativen Verhandlungsführung stellen insbesondere nicht die Unvoreingenommenheit des Gerichts in Frage, solange sie transparent bleiben und kein Verfahrensbeteiligter hiervon ausgeschlossen ist. 

bb) Verständigungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Hauptverhandlung, die dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze zusagen und eine Strafuntergrenze ankündigen, tragen das Risiko in sich, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in vollem Umfang beachtet werden. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber in Anbetracht seiner Gestaltungsmacht von Verfassungs wegen nicht schlechthin verwehrt, zur Verfahrensvereinfachung Verständigungen zuzulassen. Er muss jedoch zugleich durch hinreichende Vorkehrungen sicherstellen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt bleiben. Die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmechanismen hat der Gesetzgeber fortwährend zu überprüfen. Ergibt sich, dass sie unvollständig oder ungeeignet sind, hat er insoweit nachzubessern und erforderlichenfalls seine Entscheidung für die Zulässigkeit strafprozessualer Absprachen zu revidieren (vgl. BVerfGE 110, 141 <158> m.w.N.). 

b) Das Verständigungsgesetz sichert die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichender Weise. 

aa) Nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO dürfen Gegenstand einer Verständigung nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO schließt den Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung als Gegenstand einer Verständigung aus. Das Verständigungsgesetz entbindet das Gericht auch nicht von der Beachtung der Strafzumessungsregeln, wenn es in § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO das Gericht ermächtigt, bei der Bekanntgabe des möglichen Inhalts einer Verständigung unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe anzugeben. Damit sind nicht nur, wie vom Schuldgrundsatz gefordert, Verständigungen über den Schuldspruch wirksam ausgeschlossen, sondern es ist auch sichergestellt, dass die aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens folgenden Grundsätze der Strafzumessung nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten stehen. Dem Gericht ist es nicht gestattet, im Wege der Verständigung seine Wertungen an die Stelle derjenigen des Strafgesetzgebers zu setzen. Dabei ist zu beachten, dass eine maßgebliche Bedeutung insoweit den gesetzlichen Strafrahmen zukommt, die mit ihren nach Straftat und Strafhöhe gestaffelten Sanktionen die Abstufung der verschiedenen Straftaten nach ihrem Unrechtsgehalt erst zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfGE 27, 18 <29>). Tatbestand und Rechtsfolge sind wechselseitig aufeinander bezogen und müssen - gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters. Andererseits lässt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung (BVerfGE 25, 269 <286>; 27, 18 <29>). Erst von einer differenzierenden Bewertung des Unwertgehaltes der verschiedenen Straftaten her wird die Abstufung der strafrechtlichen Sanktionen verständlich und sachlich gerechtfertigt (BVerfGE 27, 18 <29>). Innerhalb eines Deliktstypus kommt die differenzierende Bewertung des Unwertgehaltes vor allem durch Qualifikations- und Privilegierungstatbestände zum Ausdruck. Aber auch die Sonderstrafrahmen für besonders schwere und minder schwere Fälle nehmen an dieser Abstufung teil, auch wenn es sich hierbei nach überwiegender Auffassung um Strafzumessungsregeln handelt (Nachweise siehe oben unter B. II. 1. b) bb)). Diese Regelungstechnik ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt (vgl. BVerfGK 14, 177 <182>). Wenn er jedoch mit der Einführung solcher Sonderstrafrahmen zum Ausdruck gebracht hat, eine Differenzierung schon bei der Strafandrohung für erforderlich zu halten, ist diese Bewertung für die Rechtsanwendung bindend. 

bb) Das Verständigungsgesetz wahrt den Schuldgrundsatz auch insoweit, als eine Verfahrensverkürzung um den Preis der Erforschung der materiellen Wahrheit ausgeschlossen ist. Wie dargestellt, enthebt die Möglichkeit einer Verständigung das Gericht nicht von der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen. Ein Geständnis darf nicht zur „Handelsware“ werden und kann als Grundlage der Zusage einer Strafobergrenze nur akzeptiert werden, wenn es - aus sich heraus oder aufgrund der Beantwortung von Fragen - überprüfbar ist. Das im Zusammenhang mit der Zusage einer Strafobergrenze abgegebene Geständnis in der - die Grundlage der richterlichen Überzeugung über Schuld oder Unschuld und die daran zu knüpfenden Folgen bildenden - Hauptverhandlung ist auf seine Richtigkeit zu überprüfen, denn eine solche Zusage kann den Angeklagten zur Abgabe eines (teilweise) falschen Geständnisses veranlassen. 

cc) Mit den Bestimmungen zum Entfallen der Bindung des Gerichts an eine Verständigung (§ 257c Abs. 4 StPO) hat der Gesetzgeber ferner die aus dem Schuldprinzip, der Pflicht des Gerichts zur Erforschung der materiellen Wahrheit und seiner Neutralitätspflicht sowie der Unschuldsvermutung zu ziehenden Konsequenzen für die Grenzen der richterlichen Selbstbindung an gegebene Zusagen konkretisiert. Es ist gewährleistet, dass die der Verständigung beigemessene Bindung entfällt, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung der in Aussicht gestellte eingegrenzte Strafrahmen als nicht (mehr) tat- oder schuldangemessen erweist. 

dd) Der insbesondere im Grundsatz der Verfahrensfairness verankerten Forderung, dass der Angeklagte autonom darüber entscheiden kann, ob er den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit aufgibt, sich auf eine Verständigung einlässt und mit einem Geständnis sich seines Schweigerechts begibt, genügt das Verständigungsgesetz ebenfalls. Das Strafverfahrensrecht trägt dem Anliegen, die Entscheidungsfreiheit des Angeklagten zu wahren, bereits generell in allen Verfahrensstadien Rechnung. So haben Belehrungspflichten sowie die Freiheit von Willensentschließung und Willensbetätigung in den allgemeinen Vorschriften der §§ 136, 136a StPO und - beispielsweise - für das Ermittlungsverfahren in § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie für die Hauptverhandlung in § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO ihren Niederschlag gefunden. Wenn diese Sicherungen schon bei der Entscheidungsfindung über allgemeines Aussageverhalten greifen, so haben sie eine umso größere Bedeutung, wenn es um die Frage eines Schuldeingeständnisses geht, vor allem in der für eine Verständigung typischen Anreiz- und Verlockungssituation (vgl. oben B. II. 1. e)). Vor diesem Hintergrund kommt der in § 257c Abs. 5 StPOvorgesehenen Belehrung über die Reichweite der Bindungswirkung und die Folgen eines Scheiterns der Verständigung besondere Bedeutung zu, der auch revisionsrechtlich Rechnung zu tragen ist. 

Von ebenso hohem Gewicht ist, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit es dem Gericht verbietet, dem Angeklagten eine geständnisbedingte Strafmilderung in Aussicht zu stellen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Der Angeklagte darf infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen, aber auch nicht durch Täuschung oder Drohung zu einem Geständnis gedrängt werden. Letzteres hat in § 136a StPO bereits seinen Ausdruck gefunden (vgl. BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 859/83 -, NStZ 1984, S. 82; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>). Erst recht greift dieses Schutzgebot zugunsten eines Angeklagten, mit dessen Geständnis in der Hauptverhandlung der Ausgang des Verfahrens steht oder fällt. 
ee) Das Verständigungsgesetz trifft umfangreiche Vorkehrungen dahin, dass das maßgebliche Verständigungsgeschehen in die Hauptverhandlung einbezogen und dokumentiert wird, und gibt mit der in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO vorgesehenen Abhängigkeit der Verständigung von der Zustimmung der Staatsanwaltschaft dieser ein Mittel zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards in die Hand, zu der die effektiv zu handhabende Überprüfung durch Rechtsmittel hinzutritt (vgl. oben B. II. 1. d)). Der Gesetzgeber begegnet damit der mit der Möglichkeit der Verfahrensverkürzung durch eine Verständigung einhergehenden Gefahr einer Motivationsverschiebung bei dem erkennenden Gericht und trägt dem mit der Zusage einer wesentlichen Strafmilderung für den Fall eines Geständnisses verbundenen Anreiz für den Angeklagten Rechnung, ein (teilweise) falsches Geständnis abzulegen. Zugleich wirkt er dem Risiko entgegen, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Die verfahrensrechtlichen Sicherungen lassen jedenfalls in ihrem Zusammenwirken erwarten, dass die mit Verständigungen verbundenen rechtsstaatlichen Risiken beherrscht werden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob bestimmte Vorkehrungen von Verfassungs wegen unverzichtbar sind, solange ein ausreichendes Gewährleistungsniveau verwirklicht wird. 

ff) Schließlich hat der Gesetzgeber eindeutig entschieden, dass auf das Strafurteil bezogene „informelle“ Absprachen unzulässig sind. Ausweislich des § 257c Abs. 1 StPO sind Verständigungen über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nur nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig. Intransparente, unkontrollierbare „Deals“ sind im Strafprozess wegen der mit ihnen verbundenen Gefährdung des Schuldprinzips, der darin verankerten Wahrheitserforschungspflicht und des dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden Prinzips des fairen Verfahrens bereits von Verfassungs wegen untersagt, und der Gesetzgeber hat derartige Vorgehensweisen in unmissverständlicher Weise verworfen. 

3. Der in erheblichem Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führt derzeit nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. 

a) Die repräsentative empirische Erhebung von Prof. Dr. Altenhain, die Anhörung der Auskunftspersonen in der mündlichen Verhandlung, aber auch die schriftlichen Stellungnahmen zu den Verfassungsbeschwerden und die vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung zeigen zwar, dass Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidigung in einer hohen Zahl von Fällen die gesetzlichen Vorgaben missachten und die Rechtsmittelgerichte der ihnen zugewiesenen Aufgabe der Kontrolle der Verständigungspraxis nicht immer in genügendem Maße nachgekommen sind. Aus diesem empirischen Befund kann jedoch derzeit noch nicht auf ein in der Norm selbst angelegtes und daher zu deren Verfassungswidrigkeit führendes Versagen der zur Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Vorgaben normierten Schutzmechanismen geschlossen werden. 

b) Eine gesetzliche Regelung, gegen die in der Rechtsanwendungspraxis in verfassungswidriger Weise verstoßen wird, verletzt nur dann auch selbst das Grundgesetz, wenn die verfassungswidrige Praxis auf die Vorschrift selbst zurückzuführen, mithin Ausdruck eines strukturbedingt zu dieser Praxis führenden normativen Regelungsdefizits ist. Ein solches Defizit kann im vorliegenden Zusammenhang nicht schon darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber urteilsbezogene Verständigungen, welche sich durch ihre Grundstruktur für die Verwirklichung des Schuldprinzips als gefährlich erweisen, überhaupt gestattet hat. Dies ließe unberücksichtigt, dass er ihre Zulassung an umfangreiche flankierende Schutzmechanismen gekoppelt hat, die die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess sicherstellen sollen (vgl. auch BVerfGE 81, 123 <129 f.>; 83, 24 <31>; 118, 212 <231 f.>). Verfassungswidrig wäre das gesetzliche Regelungskonzept nur, wenn die vorgesehenen Schutzmechanismen in einer Weise lückenhaft oder sonst unzureichend wären, die eine gegen das Grundgesetz verstoßende „informelle“ Absprachepraxis fördert, das Vollzugsdefizit also durch die Struktur der Norm determiniert wäre. 

c) Ein strukturelles Regelungsdefizit kann gegenwärtig nicht festgestellt werden. Die Gründe für den erheblichen, keineswegs auf Einzelfälle beschränkten Vollzugsmangel sind vielschichtig und finden sich nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht in einer Schutzlücke der gesetzlichen Regelung. Die gesetzliche Regelung traf auf Rahmenbedingungen, die von immer komplexer werdenden Lebenssachverhalten, einer stetigen Ausweitung des materiellen Strafrechts sowie immer differenzierteren Anforderungen an den Ablauf des Strafverfahrens geprägt sind, und hatte die schwierige Aufgabe, eine zuvor über drei Jahrzehnte in der Praxis entstandene und dort längst verfestigte Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. Im Vergleich zu der lang andauernden und - wie auch die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt - immer weiter um sich greifenden Praxis jedenfalls gesetzlich nicht geregelter Absprachen ist der Zeitraum der bisherigen Geltungsdauer der gesetzlichen Schutzmechanismen noch sehr kurz, was dafür spricht, dass die Durchsetzung der strikt umgrenzten und stark formalisierten Verständigungsform entsprechend dem gesetzlichen Regelungskonzept noch nicht abgeschlossen ist und insbesondere die hohe Bedeutung der Schutzmechanismen von der Praxis noch nicht vollständig verinnerlicht wurde. Hierfür spricht auch, dass in der Literatur Stellungnahmen anzutreffen sind, die dahin verstanden werden können, dass die gesetzliche Regelung nicht abschließend sei und die Schutzmechanismen insbesondere des § 273 Abs. 1a und des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht für „informelle“ Vorgehensweisen außerhalb der Vorgaben des § 257c StPO gälten (vgl. etwa Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, wistra 2009, S. 414 <416>; Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <101>). Hinzu kommt die nicht selten anzutreffende Bewertung gerade der Schutzmechanismen als „praxisuntauglich“, welche die Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgaben als zentrale Aufgabenstellung des Strafverfahrensrechts übergeht. Dies verkennt, dass im Rechtsstaat des Grundgesetzes das Recht die Praxis bestimmt und nicht die Praxis das Recht. 
d) Weder das Ergebnis der empirischen Erhebung noch die in den Verfassungsbeschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahmen zwingen zu der Annahme, dass es strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzepts sind, die zu dem bisherigen Vollzugsdefizit geführt haben könnten. Als Hauptgrund für die Nichtbeachtung der gesetzlichen Regelungen wird in der empirischen Untersuchung vielmehr eine „fehlende Praxistauglichkeit“ der Vorschriften genannt. Dabei werden als praxisuntauglich oftmals die Begrenzung des zulässigen Inhalts von Verständigungen, die Transparenz- und Dokumentationspflichten - hier vor allem das Negativattest des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO - sowie das Verbot eines Rechtsmittelverzichts angeführt, also gerade diejenigen Vorschriften, die die Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gewährleisten sollen. So gaben viele Verteidiger in der Befragung an, die gesetzliche Regelung widerspreche dem „Wesen des Deals“; dieser sei informell. Auch dies spricht für ein bisher nur unzureichend ausgeprägtes Bewusstsein, dass es Verständigungen ohne die Einhaltung der Anforderungen des Verständigungsgesetzes nicht geben darf. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung stützen daher nicht die Annahme eines im gesetzlichen Regelungskonzept verankerten strukturellen Defizits, sondern sprechen für interessengeleitete Missverständnisse und Bestrebungen, die gesetzliche Regelung wegen ihrer - als unpraktisch empfundenen - Schutzmechanismen zu umgehen. 

4. Auch wenn derzeit aus dem defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes nicht auf eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung geschlossen werden kann, muss der Gesetzgeber die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in erheblichem Umfang über die gesetzlichen Regelungen hinwegsetzen und sollten die materiellen und prozeduralen Vorkehrungen des Verständigungsgesetzes nicht ausreichen, um das festgestellte Vollzugsdefizit zu beseitigen und dadurch die an eine Verständigung im Strafverfahren zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, muss der Gesetzgeber der Fehlentwicklung durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken (vgl. zu Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers BVerfGE 25, 1 <12 f.>; 49, 89 <130>; 95, 267 <314>; 110, 141 <158, 166>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. November 2009 - 1 BvR 213/08 -, GRUR 2010, S. 332 <334>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Januar 2011 - 1 BvR 3222/09 -, NJW 2011, S. 1578 <1582>). Unterbliebe dies, träte ein verfassungswidriger Zustand ein. 

5. Das Normgefüge des Verständigungsgesetzes gestattet nach der hier zugrunde gelegten Auslegung des einfachen Rechts keine Verfahrensweise im Strafprozess, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspräche. Die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften sind deshalb weder für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären noch besteht Anlass, sie im Wege einer verfassungskonformen Auslegung einzugrenzen. Damit ist der Anwendungsbereich von § 79 BVerfGGnicht eröffnet. 

III.  

Die mit den Verfassungsbeschwerden angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen sind mit den Vorgaben des Grundgesetzes für eine Verständigung im Strafprozess nicht zu vereinbaren. 

1. Die von den Beschwerdeführern zu I. und II. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts München II und des Bundesgerichtshofs verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und verstoßen gegen die Selbstbelastungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Im Anschluss an die in beiden Fällen unterbliebene Belehrung der Angeklagten über die Voraussetzungen und Folgen des Wegfalls der Bindung an eine Verständigung (§ 257c Abs. 5 StPO) hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der Prüfung, ob die Urteile des Landgerichts München II auf dem Gesetzesverstoß beruhen, die grundlegende Bedeutung der Belehrungspflicht nach § 257c Abs. 5 StPOfür die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit verkannt. 

a) Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 15). Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt. 

Zwar muss der Angeklagte unabhängig von der Möglichkeit einer Verständigung darüber befinden, ob und gegebenenfalls wie er sich zur Sache einlässt. Mit der Aussicht auf eine Verständigung wird jedoch eine verfahrensrechtliche Situation geschaffen, in der es dem Angeklagten in die Hand gegeben wird, durch sein Verhalten spezifischen Einfluss auf das Ergebnis des Prozesses zu nehmen. Anders als in einer nach der herkömmlichen Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung kann er nämlich mit einem Geständnis die das Gericht grundsätzlich bindende Zusage einer Strafobergrenze und damit Sicherheit über den Ausgang des Verfahrens erreichen. Damit ist aus der Perspektive des Angeklagten das Festhalten an der Freiheit von Selbstbelastung nur noch um den Preis der Aufgabe der Gelegenheit zu einer das Gericht bindenden Verständigung und damit einer (vermeintlich) sicheren Strafobergrenze zu erlangen. Die Erwartung der Bindung des Gerichts bildet dementsprechend Anlass und Grundlage der Entscheidung des Angeklagten über sein prozessuales Mitwirken; damit entsteht eine wesentlich stärkere Anreiz- und Verführungssituation als es - mangels Erwartung einer festen Strafobergrenze - etwa in der Situation von § 136 Abs. 1 oder § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO der Fall ist. Der Angeklagte muss deshalb wissen, dass die Bindung keine absolute ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen - die er ebenfalls kennen muss - entfällt. Nur so ist es ihm möglich, Tragweite und Risiken der Mitwirkung an einer Verständigung autonom einzuschätzen. Die in § 257c Abs. 5 StPO verankerte Belehrungspflicht ist aus diesem Grund keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern eine zentrale rechtsstaatliche Sicherung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Selbstbelastungsfreiheit. 

b) Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verkennen diese besondere Funktion des § 257c Abs. 5 StPO. Eine Verständigung ohne vorherige Belehrung nach dieser Vorschrift verletzt den Angeklagten grundsätzlich in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seiner Selbstbelastungsfreiheit. Bleibt die unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Verständigung bestehen und fließt das auf der Verständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht dieses auf der mit dem Verstoß einhergehenden Grundrechtsverletzung, es sei denn eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis kann ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte. Hierzu müssen vom Revisionsgericht konkrete Feststellungen getroffen werden. Soweit der Bundesgerichtshof in beiden Fällen damit argumentiert, dass ein Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO nicht eingetreten sei, führt dies im Hinblick auf die Frage, ob die Urteile gerade wegen der Verwertung des nach einem Belehrungsmangel abgegebenen Geständnisses auf einer Verletzung der Autonomie des Angeklagten beruhen, nicht weiter. Wenn der Bundesgerichtshof im Fall der Beschwerdeführer zu II. ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO darüber hinaus mit der Erwägung verneint, konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, verkennt er die grundlegende Bedeutung des § 257c Abs. 5 StPO für den Grundsatz des fairen Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof bei Anwendung des oben genannten Maßstabs in beiden Fällen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Aus diesem Grund sind die angegriffenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs aufzuheben und die Sachen an diesen zurückzuverweisen. 

2. Die von dem Beschwerdeführer zu III. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Bundesgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG

a) Das Urteil des Landgerichts Berlin verstößt schon deshalb gegen den verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz und die darin verankerte Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit, weil das Landgericht ein unter weitgehender Weigerung, Fragen zu beantworten, abgegebenes inhaltsleeres Formalgeständnis als Grundlage einer Verurteilung akzeptiert hat, ohne es - abgesehen von einer, dann auch beantworteten Frage zum Mitführen und Ladezustand der Dienstwaffen - durch eine weitere, auf eigenständige Spezifizierung seitens des Angeklagten zielende Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu überprüfen. Ein Geständnis, das sich in einer Bezugnahme auf die Anklage erschöpft, ist als Grundlage einer Verständigung bereits deshalb ungeeignet, weil es keine Grundlage für eine Überprüfung seiner Glaubhaftigkeit (§ 257c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO) bietet. Darüber hinaus beruht das angegriffene Urteil auf einer Verständigung, die infolge der Kopplung eines Geständnisses „im Sinne der Anklage“ an den Verzicht auf die Stellung von Beweisanträgen „zur Schuldfrage“ unzulässig über den Schuldspruch disponiert und zudem eine Strafrahmenverschiebung zum Gegenstand hat. Deshalb stellt sich das Urteil als ein vom Grundgesetz untersagter „Handel mit der Gerechtigkeit“ dar. 
Hinzu kommt, dass dieser „Handel mit der Gerechtigkeit“ auf einer verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit des Beschwerdeführers beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für den Fall einer Verurteilung ohne vorherige Verständigung für jede der beiden angeklagten schweren Raubtaten eine Mindeststrafe von drei Jahren in Aussicht gestellt wurde - so die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer im Revisionsverfahren - oder ob eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren im Raum stand, wie der Beschwerdeführer vorträgt. Entscheidend ist die vor dem Gebot schuldangemessenen Strafens nicht zu rechtfertigende Spannweite zwischen der zugesagten Strafobergrenze für den Fall einer Verständigung auf der einen Seite und der für den Fall einer Verurteilung in einer nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung im Raum stehenden Straferwartung auf der anderen Seite. Die Frage, wann die Grenze zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit überschritten ist, entzieht sich zwar einer exakten mathematischen Berechnung. Im vorliegenden Fall ist diese Grenze jedoch deutlich überschritten, nachdem eine schon für sich gesehen übermäßige Differenz zwischen den beiden Strafgrenzen noch zusätzlich mit der Zusage einer Strafaussetzung zur Bewährung verbunden wurde, die überhaupt nur aufgrund der ebenfalls zugesagten Strafrahmenverschiebung zu einem minder schweren Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) möglich war. 

b) Das Urteil des Landgerichts Berlin ist aus diesen Gründen aufzuheben; gleiches gilt für den Beschluss des Bundesgerichtshofs, mit dem die Grundrechtsverletzung perpetuiert worden ist. Die Sache ist an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen. 

C. 

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
 

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 290/11
vom
12. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 21. Dezember 2010 in den Strafaussprüchen mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten, jeweils auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf die Strafaussprüche beschränkten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen überfielen die Angeklagten am Abend des 12. Januar 2010 einem gemeinsamen Tatplan folgend einen Verkaufskiosk in M. . Sie warteten, bis der einzige Kunde den Kiosk verlassen hatte, maskierten sich und betraten sodann den Kiosk, wobei die Angeklagte C. in Ausführung des gemeinsamen Tatentschlusses ein Steakmesser mit einer Klingenlänge von ca. 15 cm in der rechten Hand hielt. Das Messer war einseitig scharf- kantig „gezackt“. Die als Verkäuferin im Kiosk beschäftigte Nebenklägerin kniete , mit Reinigungsarbeiten beschäftigt, mit dem Rücken zur Eingangstür vor dem Kühlschrank. Die Angeklagte C. umfasste deren Oberkörper mit dem linken Arm und zog sie hoch. Mit der rechten Hand drückte sie der Nebenklägerin das Messer mit der stumpfen Seite an den Hals. Die Angeklagte F. blieb an der Eingangstür stehen und gab Kommandos.
3
Um den Druck am Hals zu lindern, griff die Nebenklägerin an das Messer und zog sich hierbei Schnittverletzungen am Mittelfinger und am Handballen der linken Hand zu. Die Angeklagte C. schob sie um die Verkaufstheke herum zur Kasse. Die Nebenklägerin öffnete die Kassenschublade, woraufhin die Angeklagte C. das darin befindliche Geld - bis auf kleinere Centmünzen - in ihre Jackentasche steckte. Die Angeklagte F. , die während der ganzen Zeit abwechselnd den Thekenbereich und die vor dem Kiosk befindliche Straße beobachtete , rief zu der Angeklagten C. : "Pass auf, die macht was. Die drückt irgendwo auf den Knopf. Mach was." Obwohl die Nebenklägerin diese Äußerung als Aufforderung, mit dem Messer zuzustechen, auffasste und dieserhalb Todesangst verspürte, vermochte sie beruhigend auf die Angeklagte C. einzuwirken , so dass es zu keinen Weiterungen kam. Insgesamt erbeuteten die Angeklagten einen Betrag in Höhe von etwa 800 €.
4
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht haben die geständigen Angeklagten mit der Nebenklägerin, die an erheblichen psychischen Tatfolgen leidet, einen Vergleich geschlossen und darin anerkannt, ihr als Gesamtschuldnerinnen dem Grunde nach zum Ersatz der aus dem Vorfall resultierenden materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet zu sein. Darüber hinaus haben sie sich zur Zahlung eines verzinslichen Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € verpflichtet.
5
Das Landgericht hat für beide Angeklagte einen minder schweren Fall des (besonders) schweren Raubes bejaht und die Strafen dem nach „§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB“ gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen.
6
2. Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 523/11).
7
3. Die Strafaussprüche können auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft nicht bestehen bleiben. Sie weisen Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf.
8
a) Das Landgericht ist sowohl bei der Strafrahmenwahl (§ 250 Abs. 3 StGB) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober2011 – 4 StR 455/11). Es hat nicht bedacht, dass die Angeklagten - neben der Erfül- lung der Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB - auch die Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verwirklicht haben. Dieser Qualifikationstatbestand setzt voraus, dass mindestens zwei Personen bei der Körperverletzung bewusst zusammenwirken. Nicht erforderlich ist die eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv - physisch oder psychisch - unterstützt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. September 2002 – 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383, 386 f.; Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195; Urteil vom 22. Dezember 2005 – 4 StR 347/05, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 gemeinschaftlich 3). So verhält es sich hier. Die Angeklagte F. befand sich im unmittelbaren Tatortbereich. Sie hat mit der Angeklagten C. , die auf Grund des zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans das Messer gegen die Nebenklägerin einsetzte und diese damit verletzte, täterschaftlich zusammengewirkt, indem sie das Tatobjekt durch ständige Beobachtung absicherte, durch verbale Ausrufe mit ihrer Tatgenossin kommunizierte und nach der Tat das Fluchtfahrzeug steuerte; auch teilten die Angeklagten die Beute anschließend hälftig unter sich auf.
9
b) Die Annahme des Landgerichts, die Voraussetzungen des TäterOpfer -Ausgleichs seien erfüllt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
aa) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, muss, wenn wie hier durch eine Tat mehrere Opfer betroffen sind, hinsichtlich jedes Geschädigten jedenfalls eine Alternative des § 46 a StGB erfüllt sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365 f. mit Anm. Dölling/Hartmann; Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 46 a Rn. 47 m.w.N.). Neben der Nebenklägerin war der Betreiber des Kiosks Opfer der Tat; das von den Angeklagten erbeutete Geld stand in seinem Eigentum. Das Urteil verhält sich jedoch nicht dazu, ob und ggf. wie die Angeklagten den Inhaber des Kiosks in ihre Ausgleichsbemühungen einbezogen haben.
11
bb) Aber auch die Bejahung der Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs im Verhältnis nur zur Nebenklägerin begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
Das Urteil bezeichnet schon die Fallgruppe des § 46 a StGB, die das Landgericht hier annehmen wollte, nicht eindeutig. § 46 a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, die auch bei Vermögensdelikten denkbar sind, während § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft. Da durch die Straftat der Angeklagten bei der Nebenklägerin vor allem immaterielle Schäden hervorgerufen worden sind, bestimmt sich der für eine Strafrahmenmilderung erforderliche Ausgleich - jedenfalls vorrangig - nach § 46 a Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365).
13
Diese Bestimmung verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat;es ist aber auch ausreichend, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das ernsthafte Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH, Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29, 30). Regelmäßig sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (vgl. BGH aaO sowie Beschlüsse vom 22. August 2001 – 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29, und vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04, insoweit in NStZ 2005, 97 nicht abgedr.).
14
Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht beachtet. Zwar hat die Nebenklägerin mit den Angeklagten einen Vergleich geschlossen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 344/11). Das Urteil trifft aber insbesondere keine Feststellungen zu der Frage, wie wahrscheinlich die ratenweise Zahlung des vereinbarten Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € durch die Angeklagten ist. Beide Angeklagte leben von staatlichen Transferleistungen. Sie sind alleinerziehend und erhalten für ihre Kinder keine Unterhaltszahlungen, sondern lediglich Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Beide Angeklagte sind verschuldet. Anlass für die abgeurteilte Straftat waren Rechnungen, welche die Angeklagten am Tattag jeweils erhalten hatten und nicht bezahlen konnten. Von dem erbeuteten Geld kauften beide Angeklagte am nächsten Tag Lebensmittel; die Angeklagte C. beglich außerdem einen Teil einer offenen Stromrechnung. Anhaltspunkte dafür, dass sich die finanzielle Situation der Angeklagten zwischen der Tat und der Urteilsverkündung grundlegend geändert hätte, sind nicht vorhanden. Außerdem folgt entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 17) aus der Tatsache des Vergleichsschlusses allein noch nicht, dass die Nebenklägerin die „Leistungen“ der Angeklagten als friedensstif- tenden Ausgleich akzeptiert hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 147, und vom 6. Februar 2008 – 2 StR 561/07, BGHR StGB § 46 a Voraussetzungen 1). Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, ob es sich bei dem in der Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich um ein "ernsthaftes Bemühen" um Schadenswiedergutmachung oder um ein taktisches Vorgehen in der Hoffnung auf eine mildere Strafe gehandelt hat.
15
4. Auf die weiteren Angriffe der Revisionsführerin kommt es nach allem nicht mehr an. Auch braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob sich die verhängten – nach Tatbild und Tatfolgen sehr milden – Strafen nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit lösen, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 1970 – 1 StR 423/70, BGHSt 24, 132, 133 f., vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321, vom 8. November 1989 – 3 StR 368/89, NStZ 1990, 84 f., und vom 21. Mai 1992 – 4 StR 577/ 91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13).
16
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird Gelegenheit haben , den vom Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift erhobenen Bedenken wegen einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung im Hinblick auf die Angeklagte F. nachzugehen. Dabei wird er zu beachten haben, dass nach Aufhebung des Strafausspruchs in der erneuten Verhandlung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 – 3 StR 355/11 m.w.N.). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 526/11
vom
8. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verabredung zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
der Angeklagte M. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil desLandgerichts Koblenz vom 15. Juli 2011 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten wegen "Verabredung zum Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs" in fünf Fällen unter Einbeziehung zweier Einzelstrafen von einem Jahr und vier Monaten und einem Jahr Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen der Angeklagte, der der Volksgruppe der Roma angehört, und der gesondert Verurteilte Mi. spätestens im März 2008 überein, gemeinsam mit weiteren Personen ihren Lebensunterhalt durch die Begehung von "Trufas" zu verdienen. Hierunter werden Straftaten verstanden, bei denen Immobilien- oder Waren- händlern oder Kreditsuchenden ein betrügerisches Tauschgeschäft angeboten wird. Die Täter geben vor, Geldscheine mit hohem Nennwert gegen Geldscheine mit niedrigerem Nennwert - teils gegen Zahlung einer Provision - eintauschen zu wollen. Tatsächlich ist es Ziel der Täter, sich ohne Erbringung einer Gegenleistung durch Täuschung in den Besitz des von den potentiellen Opfern mitgeführten Bargeldes zu bringen.
3
In Umsetzung dieses Vorhabens kam es in der Zeit von März 2008 bis Januar 2009 in fünf Fällen zu Kontaktaufnahmen mit Personen, die am Abschluss verschiedener Geschäfte interessiert waren. In den Fällen II. 1-3 kümmerte sich der Angeklagte um die Auswahl der Opfer und die Anbahnung des Erstkontaktes. Hierzu band er den gesondert Verurteilten A. ein und versprach ihm für jede gelungene Aktion eine Provision. A. suchte im Internet vereinbarungsgemäß nach geeigneten Firmen und Projekten und kontaktierte die betreffenden Personen telefonisch, um ihr Interesse an einer Geschäftsbeziehung zu wecken. Sodann übermittelte er die Kontaktdaten der Betreffenden per SMS an den Angeklagten, der diese an Mi. weiterleitete. In den Fällen II. 4-5 stellte eine nicht identifizierte Person den Erstkontakt her, wobei diese im Fall II. 5 den Angeklagten hierüber informierte, der dies wiederum Mi. mitteilte. Mi. vereinbarte in allen Fällen jeweils ein Treffen mit den interessierten Geschäftspersonen in Am. . Hierbei gab er vor, Interesse an einem Geschäftsabschluss zu haben und unterbreitete in diesem Zusammenhang jeweils den Vorschlag, ein Geldtauschgeschäft durchzuführen. In den Fällen II. 4-5 begleitete der Angeklagte den gesondert Verurteilten Mi. zu den Treffen in Am. , im Fall II. 5 jedoch, ohne offen in Erscheinung zu treten. Zum Abschluss eines Geldtauschgeschäftes kam es in keinem der Fälle. Im Fall II. 1 scheiterte dies aufgrund der Verhaftung des Angeklagten in einem anderen Verfahren; in den Fällen II. 2-5 lehnten die angesprochenen Personen ein solches Geschäft ab.
4
Das Landgericht hat dieses Geschehen als "Verabredung zum Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs" in fünf tatmehrheitlichen Fällen bewertet und dafür Einzelstrafen von acht Monaten Freiheitsstrafe in den Fällen II. 1-3 und zehn Monaten Freiheitsstrafe in den Fällen II. 4-5 verhängt.
5
2. Im Rahmen der Strafzumessung hat es die Voraussetzungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB geprüft und verneint. Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
6
Der Verteidiger des Angeklagten verschickte in dessen Auftrag am 29. Juni 2011 Schriftsätze an alle Personen, an die die Tauschgeschäfte herangetragen worden waren. Sie lauteten nach einer kurzen Darstellung des Tatvorwurfs in ihren Kernsätzen übereinstimmend wie folgt: "Herr M. bereut seine Handlungsweise und möchte sich auf diesem Weg bei Ihnen entschuldigen. Er erkennt seine gesamtschuldnerische Haftung für die Ihnen in dieser Sache entstandenen Auslagen an und verzichtet auf die Einrede der Verjährung. Soweit möglich, bitte ich um Bezifferung Ihrer Auslagen. Mein Mandant wird sich dann ggfs. im Wege der Aufnahme eines Privatdarlehens bei Angehörigen um einen baldigen Ausgleich bemühen."
7
Zudem legte der Verteidiger in der Hauptverhandlung ein Schreiben mit folgendem Inhalt vor: "Erklärung: Hiermit weise ich Herrn RA E. , , , unwiderruflich an, die umseitig quittierten € 1.500,- zur anteiligen Ausgleichung der den Herrn Mo. , H. , T. (Vertreter der Fa. "D. T. "), B. und Z. entstandenen Auslagen zu verwenden."
8
Die in dem Schreiben in Bezug genommene Quittung hatte folgenden Inhalt : "Hiermit bestätige ich, RA E. , , , den Erhalt von € 1.500,- (i.W. Euro eintausendfünfhundert) von Herrn M. zum Zwecke anteiliger Verauslagung (Ausgleichung ) der den Zeugen Mo. , H. , T. (als Vertreter der Fa. "D. T. "), B. und Z. entstandenen Kosten anlässlich der in der Anklage vom 26.5.2010 gegen M. erhobenen Vorwürfe."
9
Lediglich einer der Angeschriebenen reagierte auf dieses Schreiben und fragte bei der Strafkammer an, wie er zu verfahren habe.
10
Das Landgericht hat Zweifel daran geäußert, ob für Betrugsdelikte der vorliegenden Art ein Täter-Opfer-Ausgleich überhaupt in Betracht komme, da der Angeklagte den potentiellen Opfern als Person unbekannt geblieben sei. Zudem hat es das Vorliegen eines kommunikativen Prozesses zwischen dem Angeklagten und den potentiellen Opfern verneint, da diese gegenüber dem Angeklagten keine Reaktion gezeigt hätten. Das Vorgehen des Angeklagten sei kein Versuch der Konfliktbewältigung, sondern sei von prozesstaktischen Erwägungen bestimmt.
11
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB hat die Strafkammer verneint, da es zu einer tatsächlichen Entschädigung durch Ersatz entstandener Auslagen nicht gekommen sei.

II.

12
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erläuterung bedarf nur Folgendes:
13
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verabredung des bandenund gewerbsmäßigen Betrugs in fünf Fällen hält im Ergebnis sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht unzutreffend die im Vorfeld der einzelnen Taten getroffene Bandenabrede, mit der der grundsätzliche Zusammenschluss zum Zwecke der Begehung von Betrugsstraftaten vereinbart wurde, als Verbrechensverabredung i.S.v. § 30 Abs. 2 StGB gewertet und ist zur Annahme von fünf Fällen der Verbrechensverabredung gelangt, indem es auf das Konkurrenzverhältnis der vereinbarten Betrugstaten abgestellt hat. Dies begegnet rechtlichen Bedenken. Die im Vorfeld getroffene Verabredung genügt nicht den an eine Verbrechensverabredung i.S.v. § 30 Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen, da die geplanten Straftaten mangels Vereinbarung von Ort, Zeit und Auswahl der potentiellen Opfer nicht hinreichend konkretisiert waren. Zudem richtet sich entgegen der Auffassung des Landgerichts die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen verschiedenen Straftaten - auch bei der Mitwirkung mehrerer Tatbeteiligter - für jeden Beteiligten allein danach, welche Tathandlungen er im Hinblick auf die jeweilige Tat vorgenommen hat, unabhängig davon, ob die einzelne Tat nur verabredet, versucht oder vollendet worden ist (BGHSt 56, 170, 172; wistra 2011, 299, 300). Soweit sich aus BGH NJW 2010, 623, 624 Entgegenstehendes ergibt, hält der Senat hieran nicht fest (vgl. schon Senat NStZ-RR 2011, 367, 368). Jedoch hat der Angeklagte mit A. bzw. Mi. und den weiteren Personen in allen fünf Fällen jeweils eine gesonderte Vereinbarung der einzelnen Betrugstat getroffen. Dies erfolgte konkludent, indem in den Fällen II. 1-3 der mit der Kontaktaufnahme und Geschäftsanbahnung beauftragte A. , im Fall II. 5 ein unbekannt gebliebener Mittäter dem Angeklagten in Umsetzung der Bandenabrede die Kontaktdaten der Betreffenden übersandte, die dieser jeweils an Mi. weiterleitete, der daraufhin Kontakt mit den Interessenten aufnahm. Im Fall II. 4 geschah dies dadurch, dass der Angeklagte den Mi. zu dem Treffen mit den Geschäftspersonen begleitete, nachdem ein nicht identifizierter Mittäter zuvor den Erstkontakt hergestellt hatte.
14
2. Auch die Verneinung der Voraussetzungen des § 46a StGB durch das Landgericht unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
15
Zutreffend hat das Landgericht die Voraussetzungen von § 46a Nr. 2 StGB verneint, da der Angeklagte tatsächlich keine Entschädigungsleistungen erbracht hat. Auch die Ablehnung eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB ist frei von Rechtsfehlern.
16
Die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen , einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wieder gutgemacht hat, wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Hierbei setzt § 46a Nr. 1 StGB grundsätzlich ein Bemühen des Täters um einen kommunikativen Prozess mit dem Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" sein muss (BGHSt 48, 134, 139, 141; BGH NStZ 2000, 205 f.; wistra 2009, 309, 310).
17
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezieht sich die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB vor allem auf den Ausgleich immaterieller Folgen einer Straftat. Sie dient - anders als die in erster Linie für materiellen Schadensersatz bei Vermögensdelikten vorgesehene Vorschrift des § 46a Nr. 2 StGB - über den Ausgleich immaterieller Folgen zwischen Täter und Opfer der Lösung von Konflikten, die zu der Straftat geführt haben oder durch sie veranlasst worden sind (BGH NStZ 1995, 492; NStZ 2000, 205; StV 2002, 656; StV 2007, 72, 73; zweifelnd Senat NJW 2001, 2557). Solche immateriellen Folgen sind grundsätzlich auch bei Vermögensdelikten denkbar (BGH NStZ 1995, 492; wistra 2002, 21), so dass insoweit auch der Anwendungsbereich des § 46a Nr. 1 StGB eröffnet sein kann. Vorliegend hat das Landgericht jedoch zutreffend angenommen, dass es sich bei den Auslagen der potentiellen Opfer, um deren Ausgleich sich der Angeklagte bemüht hat, um materielle Schäden handelt, die unter § 46a Nr. 2 StGB fallen. Dem Angeklagten ging es hier nur um die Erstattung dieser Auslagen und damit um den Ausgleich von im Vermögen der Opfer eingetretenen Werteinbußen, nicht aber etwa um eine darüber hinausgehende Lösung eines durch die Straftat entstandenen Konflikts mit dem Tatopfer, der eines besonderen kommunikativen Prozesses bedurft hätte. Aus diesem Grund kommt hier ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht.
18
b) Dahinstehen kann daher, ob das Landgericht zutreffend einen kommunikativen Prozess zwischen dem Angeklagten und den Opfern verneint hat, da diese auf das Wiedergutmachungsangebot des Angeklagten in vier Fällen überhaupt nicht reagierten und sich in einem weiteren Fall lediglich hilfesuchend an das Gericht wandten. Dies könnte immerhin zweifelhaft sein, weilim Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB das ernsthafte Streben nach Wiedergutmachung genügt (vgl. BGH NJW 2001, 2557).
Becker Fischer Berger Krehl Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 213/14
vom
4. Dezember 2014
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB ist auf den vorsätzlichen
Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB nicht anwendbar.
BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 4 StR 213/14 - LG Coburg
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Dezember
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – in der
Verhandlung –,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der
Verkündung –
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der
Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 3. Februar 2014 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 25. April 2013 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in zwei tateinheitlichen Fällen, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit falscher uneidlicher Aussage in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Außerdem hatte es ihn auf sein Anerkenntnis hin dazu verurteilt, an die Polizeibeamtin W. als Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 800 Euro zu bezahlen. Auf seine Revision hob der Senat mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 die Verurteilung wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u. a. sowie den Gesamtstrafen- und den Maßregelausspruch auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Die weiter gehende Revision wurde verworfen.
2
Das im zweiten Rechtsgang zuständige Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte , fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in zwei tateinheitlichen Fällen, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Sachbeschädigung verurteilt (Einzelstrafe: zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe) und mit den rechtskräftigen Einzelstrafen (acht und zehn Monate Freiheitsstrafe) aus der im ersten Rechtsgang erfolgten Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung, eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet. Außerdem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision macht der Angeklagte unter anderem geltend, dass bei der Bestimmung der Einzelstrafe für die als vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u.a. bewertete Tat der Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht gezogen worden sei. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


3
1. Nach den Feststellungen befuhr der alkoholbedingt fahruntüchtige Angeklagte mit seinem Pkw öffentliche Straßen, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Als er einer Polizeikontrolle unterzogen werden sollte, ergriff er mit seinem Pkw die Flucht. Nachdem er an einer Einmündung anhalten musste, weil sich ihm der Zeuge S. mit seinem Pkw quer in den Weg gestellt hatte, stoppten die verfolgenden Polizeibeamten ihr Dienstfahrzeug hinter seinem Wagen. Die Polizeibeamtin W. stieg aus, klopfte an die Beifahrertür des Pkw des Angeklagten und verlangte deren Öffnung. Der Angeklagte leistete der Aufforderung keine Folge. Stattdessen rangierte er sein Fahrzeug mehrmals hin und her. Dabei fuhr er der zurückweichenden Polizeibeamtin W. über den rechten Fuß und stieß gegen das Dienstfahrzeug der Polizei, wodurch ein Sachschaden in Höhe von 1.136,01 Euro entstand. Die Polizeibeamtin W. trat daraufhin vor den Pkw des Angeklagten und forderte ihn aus einem Abstand von zwei bis vier Metern zum Anhalten auf. Der Angeklagte fuhr nun, auch diese Aufforderung missachtend, mit Vollgas an und flüchtete, indem er durch eine zwischen dem Bordstein und dem Pkw des Zeugen S. bestehende etwa 1,6 Meter breite Lücke hindurchfuhr. Die Polizeibeamtin W. konnte sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen. Dabei wurde sie von der vorderen rechten Stoßstange des Pkw des Angeklagten erfasst und leicht verletzt. Dem Angeklagten kam es bei seinem Vorgehen allein darauf an, sich der Polizeikontrolle zu entziehen. Als möglich erkannte Verletzungen der Polizeibeamtin W. und eine Beschädigung des Dienstfahrzeugs der Polizei nahm er jeweils billigend in Kauf. Auf seiner weiteren Fluchtfahrt stieß der Angeklagte mit seinem Pkw gegen einen Omnibus (Sachschaden 2.613,01 Euro) und fuhr danach, obgleich er den Anstoß bemerkt hatte, ohne anzuhalten weiter.
4
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung im zweiten Rechtsgang bei der von ihm verletzten Polizeibeamtin W. entschuldigt und das bereits im ersten Rechtsgang anerkannte Schmerzensgeld an sie bezahlt.
5
2. Das Landgericht hat in dem mit bedingtem Schädigungsvorsatz erfolgten Zufahren auf die Polizeibeamtin W. und ihrer sich anschließenden Verletzung einen vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB, eine gefähr- liche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB gesehen. Im Übrigen hat es das Verhalten des Angeklagten als Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB (Beschädigung des Polizeifahrzeugs), fahrlässige Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB), unerlaubtes Entfernen vom Unfallort in zwei tateinheitlichen Fällen (§ 142 Abs. 1 StGB) und vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) gewertet. In konkurrenzrechtlicher Hinsicht ist es davon ausgegangen, dass alle Delikte zueinander im Verhältnis der Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB (natürliche Handlungseinheit) stehen.

II.


6
Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten ist unbegründet.
7
1. Das Landgericht hat der Bemessung der Strafe für die als vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u.a bewertete Tat nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei den Strafrahmen des § 315b Abs. 3 StGB zu Grunde gelegt und davon abgesehen , den Strafrahmen nach § 46a Nr. 1 StGB zu mildern.
8
a) Der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB ist auf den vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB nicht anwendbar und brauchte daher vom Landgericht in Bezug auf diese Vorschrift nicht in Erwägung gezogen zu werden.
9
aa) Obgleich § 46a StGB nach seinem Wortlaut in beiden Varianten für alle Delikte gilt (BGH, Beschluss vom 18. August 2009 – 2 StR 244/09, NStZRR 2009, 369), können sich aus den verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen , die in den Nummern 1 und 2 der Bestimmung festgeschrieben sind, Anwendungsbeschränkungen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai1995 – 5 StR 156/95, NStZ 1995, 492). Im Gegensatz zu § 46a Nr. 2 StGB, der vorwiegend den materiellen Schadensausgleich betrifft und deshalb hier nicht einschlägig ist, zielt § 46a Nr. 1 StGB vorrangig auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat ab (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NJW 2013, 483 Tz. 17; Beschluss vom 2. Mai 1995 – 5 StR 156/95, NStZ 1995, 492). Dazu bedarf es eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 109/13, Rn. 11; Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439; Urteil vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 142 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46a Rn. 10a mwN). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440; Urteil vom 19. Oktober 2011 – 2 StR 344/11, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 8; Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 6). Dies und der Wortlaut des § 46a Nr. 1 StGB schließen eine Anwendung dieser Vorschrift auf "opferlose" Delikte aus (weiter gehend in Bezug auf eine juristische Person, BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205).
10
bb) Danach ist eine Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB bei einem vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB grundsätzlich ausgeschlossen.
11
(1) § 315b StGB schützt die Sicherheitdes öffentlichen Straßenverkehrs (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2004 – 4 StR 160/04, NStZ 2004, 625; Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 123; Beschluss vom 23. Mai 1989 – 4 StR 190/89, NJW 1989, 2550; Urteil vom 21. Mai 1981 – 4 StR240/81, VRS 61, 122, 123; König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315b Rn. 3 und § 315 Rn. 4 mwN). Die in der Norm aufgezählten Individualrechtsgüter (Leben, Gesundheit und bedeutende Sachwerte der durch den Eingriff betroffenen Verkehrsteilnehmer) werden dabei lediglich faktisch mit geschützt (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 123; Beschluss vom 14. Mai 1970 – 4 StR 131/69, BGHSt 23, 261, 264 zu § 315c StGB; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 1; König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315b Rn. 3 und § 315 Rn. 5). Auch wenn § 315b StGB voraussetzt, dass sich die durch die tatbestandliche Handlung begründete abstrakte Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs zu einer konkreten Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter verdichtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 5) und der Täter bei Eingriffen innerhalb des fließenden Verkehrs mit einem zumindest bedingten Schädigungsvorsatz gehandelt haben muss (BGH, Beschluss vom 5. November 2013 – 4 StR 454/13, NStZ 2014, 86, 87; Beschluss vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13, VRR 2013, 387, 388; Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237 f.), werden die betroffenen Verkehrsteilnehmer dadurch nicht zum Träger des bestimmenden Rechtsguts. Ein zwischen ihnen und dem Täter durchgeführter dialogischer Ausgleichsprozess kann daher grundsätzlich weder zu einem friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat veranlassten Folgen, noch – wie dies von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzt wird – zu einer Lösung des der Tat zugrunde liegenden Gesamtkonflikts führen (im Ergebnis wie hier Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 46a Rn. 21; MüKoStGB/Maier, 2. Aufl., § 46a Rn. 3; NK-StGB/Streng, 4. Aufl., § 46a Rn. 10; Schönke/Schröder-Stree/ Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 46a Rn. 4a; a.A. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46a Rn. 8; SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl., § 46a Rn. 20; Kaspar/Weiler/Schlickum, Der Täter-Opfer-Ausgleich, 2014, S. 26 jeweils zu § 315c StGB; Maiwald, GA 2005, 339, 345; Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle oder sinnvolle Bereicherung des Sanktionenrechts?, 2004, S. 118; Kasperek, Zur Auslegung und Anwendung des § 46a StGB, 2002, S. 65 f.; Schöch, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. IV, 2000, S. 309, 333 f.). Hiermit steht in Einklang, dass der Bundesgerichtshof einen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB sowohl bei der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB (Urteil vom 4. April 2001 – 5 StR 68/01, BGHR StGB § 339 DDR-Richter 2, nicht tragend entschieden), als auch bei Steuerdelikten (Beschluss vom 25. Oktober 2000 – 5StR 399/00, NStZ 2001, 200, 201; Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 209/11, wistra 2011, 346) für ausgeschlossen erachtet hat, weil diese Delikte nur Gemeinschaftsrechtsgüter schützen und – im Fall der Rechtsbeugung – Individualinteressen allenfalls mittelbar geschützt werden.
12
(2) Dem steht nicht entgegen, dass nach § 46a Nr. 1 StGB ein gelungener Täter-Opfer-Ausgleich auch schon anzunehmen sein kann, wenn der Täter eine Wiedergutmachung seiner Tat nur zum überwiegenden Teil erreicht oder lediglich ernsthaft erstrebt hat (so aber Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle oder sinnvolle Bereicherung des Sanktionenrechts?, 2004, S. 118; Kaspar/ Weiler/Schlickum, Der Täter-Opfer-Ausgleich, 2014, S. 26). Eine nur zum überwiegenden Teil erreichte oder lediglich erstrebte Wiedergutmachung vermag die Annahme eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB nur dann zu rechtfertigen, wenn sie auf der Grundlage umfassender Ausgleichsbemühungen geleistet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2002 – 2 StR 336/02, BGHR StGB § 46a Anwendungsbereich 2). Hieran fehlt es aber, wenn der Geschädigte nicht Träger des bestimmenden Rechtsguts ist, sondern nur faktisch in den Schutzbereich der verletzten Norm einbezogen wird. Auch kann die gegenüber einem einzelnen Geschädigten geleistete Wiedergutmachung grundsätzlich nicht als eine Teilwiedergutmachung oder ein Wiedergutmachungsbemühen in Bezug auf andere verletzte Rechtsgüter gedeutet werden, deren Träger nicht in den Ausgleichsprozess einbezogen wurden oder für die es – wie hier in Bezug auf das Rechtsgut der Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr – keine individualisierbaren Opfer gibt.
13
cc) Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung eine Anwendung des § 46a StGB bei einer Verurteilung wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, gefährlicher Körperverletzung u.a. für zulässig erachtet hat, betraf dies einen Fall des § 46a Nr. 2 StGB (Beschluss vom 17. Januar 1995 – 4 StR 755/94, NStZ 1995, 284).
14
b) Eine Anwendung der Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB in Bezug auf § 315b StGB kam hier auch nicht deshalb in Betracht, weil sich der Angeklagte durch dieselbe Tat im Rechtssinn (§ 52 Abs. 1 StGB) einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht hat und insoweit ein Täter-Opfer-Ausgleich (Entschuldigung und Zahlung von Schmerzensgeld ) erfolgt ist.
15
Bezugspunkt für den Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB, soweit er zu einem vertypten Strafmilderungsgrund führt, ist – wie bei anderen vertypten Strafmilderungsgründen grundsätzlich auch – der konkret verwirklichte Straftatbestand. Hat der Täter – wie hier – tateinheitlich mehrere Delikte begangen , führt dies dazu, dass im Hinblick auf jede der konkurrierenden Gesetzesverletzungen gesondert zu prüfen ist, inwieweit ein die Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB ermöglichender Opferbezug besteht und – bejahendenfalls – ob ein gelungener Ausgleich mit dem betroffenen Opfer erfolgt ist. Ist dies lediglich in Bezug auf eines oder mehrere der konkurrierenden Delikte der Fall, kann dem Täter § 46a StGB als vertypter Strafmilderungsgrund auch nur insoweit zugute kommen.
16
Eine Ausnahme hiervon ist nicht geboten. Zwar wird unter diesen Umständen für einen Täter nur ein eingeschränkter Anreiz für Ausgleichsbemühungen bestehen, wenn ihm – wie hier – in Tateinheit zu einem dem TäterOpfer -Ausgleich zugänglichen Delikt auch noch ein zumindest gleichgewichti- ges „opferloses“ Delikt zur Lastliegt (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1996, 3286 zu § 46a Nr. 2 StGB bei einer Verurteilung wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung; Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 46a Rn. 49 f.; dagegen SSWStGB /Eschelbach, 2. Aufl., § 46a Rn. 23 [keine Milderungsmöglichkeit auch hinsichtlich des opferbezogenen Delikts]; noch weiter gehend Kespe, TäterOpfer -Ausgleich und Schadenswiedergutmachung, 2011, S. 96). Dieser Einwand vermag aber mit Rücksicht auf die systematische Einordnung von § 46a Nr. 1 StGB als vertypter Strafmilderungsgrund nicht zu überzeugen. Im Übrigen sind Wiedergutmachungsleistungen und Ausgleichsbemühungen, die in Bezug auf die Folgen eines tateinheitlich begangenes Delikt erbracht wurden, dessen Strafandrohung nicht die nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB Maßgebliche ist, bei der konkreten Strafzumessung nach § 46 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen.
17
2. Die weitere Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Umstand, dass das Landgericht die Bildung der Gesamtstrafe aus der von ihm im zweiten Rechtsgang neu festgesetzten Einzelstrafe und den bereits rechtskräftigen Einzelstrafen aus dem nur teilweise aufgehobenen ersten Urteil rechtsfehlerhaft auf § 55 StGB gestützt und § 54 StGB nicht unmittelbar angewendet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2004 – 2 StR 153/04; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 55 Rn. 5), beschwert den Angeklagten nicht.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 634/09
vom
20. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. August 2009 werden mit der Maßgabe verworfen , dass der Angeklagte P. der Steuerhinterziehung und der Bestechung in jeweils 147 Fällen und der Angeklagte L. der Untreue in Tateinheit mit Steuerhinterziehung in 151 Fällen sowie der Bestechlichkeit in 147 Fällen schuldig sind.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen Steuerhinterziehung und Bestechung in jeweils 148 Fällen und den Angeklagten L. wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Untreue in 152 Fällen und wegen Bestechlichkeit in 148 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei bzw. vier Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten mit denen die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Revisionen haben den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts manipulierten der Angeklagte P. und der Angeklagte L. , der als Finanzbeamter beim Finanzamt G. tätig war, in der Absicht, sich durch die wiederholte Begehung entsprechender Taten eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von eini- gem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen, Einkommensteuererklärungen der Mitglieder eines vom Angeklagten P. geleiteten Lohnsteuerhilfevereins. Sie gingen dabei gemeinschaftlich handelnd dergestalt vor, dass tatsächlich nicht angefallene Aufwendungen steuermindernd geltend gemacht wurden, um so den Steuerpflichtigen ungerechtfertigte Steuererstattungen zu verschaffen. In Vollzug des Tatplans erstellten die Angeklagten für 116 Steuerpflichtige insgesamt 147 unrichtige Einkommensteuererklärungen, auf deren Grundlage der Angeklagte L. , der hierfür jeweils einen Betrag zwischen 20,-- bis 300,-- Euro von dem Angeklagten P. erhielt, jeweils Steuerbescheide erließ, in denen er zu Gunsten der Mitglieder des Vereins die jeweiligen Erstattungsbeträge unrichtig festsetzte. Insgesamt wurde dadurch Einkommensteuer in Höhe von mehr als 178.000,-- Euro verkürzt. Daneben fingierte der Angeklagte L. ohne Mitwirkung des Angeklagten P. mit den Personalien des verstorbenen Vaters seines Nachbarn einen Steuerfall und erließ vier Steuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2006, in denen er insgesamt Steuererstattungen in Höhe von mehr als 18.000,-- Euro zu Unrecht festsetzte und deren Auszahlung veranlasste.
3
Die Feststellungen belegen entgegen der Zählung des Landgerichts beim Angeklagten P. lediglich 147 Fälle der Steuerhinterziehung und 147 Fälle der Bestechung sowie beim Angeklagten L. lediglich 151 Fälle der Untreue in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und 147 Fälle der Bestechlichkeit. Der Schuldspruch ist entsprechend zu berichtigen. Der Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen führt nicht zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat kann ausschließen, dass sich die auf dem Zählfehler beruhende Annahme von 300 bzw. 296 Einzeltaten statt richtig von 298 bzw. 294 Einzeltaten und der insoweit irrtümlich um 1.500,-- Euro zu hoch angenommene Steuerschaden auf die Strafzumessung und die Bildung der Ge- samtstrafe zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat. Das Urteil beruht mithin darauf nicht.
4
Der Umstand, dass der Angeklagte L. die von ihm allein begangenen Taten der stellvertretenden Vorsteherin des Finanzamtes G. offenbarte und daraufhin die bereits überwiesenen Erstattungsbeträge zurückgebucht werden konnten, führt nicht dazu, dass dem Angeklagten der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 371 Abs. 1 AO zu Gute kommt. Denn hierzu kam es erst, nachdem Beamte der Innenrevision der Oberfinanzdirektion mit der routinemäßigen Prüfung des Finanzamtes G. begonnen hatten, in deren Verlauf es zu Auffälligkeiten im Hinblick auf die Veranlagungstätigkeit des Angeklagten gekommen war. Insoweit ist der Eintritt der Straffreiheit nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 1 AO ausgeschlossen. In Fällen der vorliegenden Art, in denen ein Finanzbeamter seine Befugnisse und seine Stellung zur Begehung von Steuerhinterziehungen missbraucht, stellt die Überprüfung der Veranlagungsarbeiten innerhalb eines Finanzamtes durch die Innenrevision der Oberfinanzdirektion eine steuerliche Prüfung durch einen Amtsträger der Finanzbehörde im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 1 AO dar. Zu dieser war, da die Innenrevision bereits begonnen hatte, der Amtsträger auch bereits erschienen.
5
Kein Rechtsfehler ist auch darin zu erblicken, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung nicht geprüft hat, ob zu Gunsten des Angeklagten P. § 46a Nr. 2 StGB anzuwenden ist. Eine Strafrahmenverschiebung auf der Grundlage von § 46a Nr. 2 StGB kann zwar, wenn auch nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen, auch bei Steuerstraftaten in Betracht kommen (vgl. Jäger in Klein AO 10. Aufl. § 371 Rdn. 100, 102 m.w.N.). Ein solcher besonders gelagerter Ausnahmefall ist vorliegend indes nicht gegeben. Der Angeklagte hat zwar, nachdem seine Taten bekannt geworden waren, die Mitglieder des von ihm geführten Lohnsteuerhilfevereins, die durch seine Taten ungerechtfertigte Steuererstattungen erlangt hatten, “durch intensive Gespräche“ dazu veranlasst , die ungerechtfertigten Steuererstattungen zurück zu zahlen und nach § 153a StPO erteilte Auflagen zu erfüllen. Dadurch waren der Angeklagte P. und seine Familie „erheblichen Vorwürfen und Beschimpfungen der jeweiligen Steuerpflichtigen ausgesetzt“. Diese im Ergebnis erfolgreichen Bemühungen um Schadenswiedergutmachung, die die Strafkammer im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung „zu seinen Gunsten ganz maßgeblich berücksichtigt hat“, sind indes nicht von solchem Gewicht, dass die Strafkammer deswegen darüber hinaus gehalten gewesen wäre, eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 2 StGB zu erörtern.
6
Nach § 46a Nr. 2 StGB kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen, wenn die Schadenswiedergutmachung vom Angeklagten erhebliche persönliche Leistungen oder persönlic hen Verzicht erfordert hat. Damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedensstiftende Wirkung entfalten kann, hat der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag zu erbringen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt dafür nicht. Vielmehr muss sein Verhalten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (st. Rspr.; BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1 und 5; BGH wistra 2000, 176; wistra 2000, 421; NJW 2001, 2557; jew. m.w.N.). Nach dem Willen des Gesetzgebers ist insoweit erforderlich, dass „der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt“ und durch die persönlichen Leistungen oder den Verzicht die materielle Entschädigung erst ermöglicht hat (BTDrucks. 12/6853 S. 22). Dies ist indes nicht der Fall, wenn der Täter, ledig- lich mithaftende (Gesamt-)Schuldner zur Zahlung veranlasst, ohne eine eigene materielle Leistung zu erbringen, die eine überwiegende Schadenswiedergutmachung darstellt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, den die Revision mit Schriftsatz vom 20. Januar 2010 zitiert, bereits im Ansatz.
7
Der geringe Teilerfolg der Revision gibt zu einer anderen Kostenentscheidung keine Veranlassung (§ 473 Abs. 4 StPO).
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander
14
Werden durch eine Straftat mehrere Opfer betroffen, muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Alternative des § 46a StGB erfüllt sein. Dass dies hinsichtlich der Betreibergesellschaft nicht der Fall ist, hat die Strafkammer zutreffend gesehen (vgl. Senat, Urteil vom 11. September 2013 - 2 StR 131/13, NStZ-RR 2013, 372). Ob darauf - wie das Landgericht meint - verzichtet werden kann, wenn ein Geschädigter ohne erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht des Täters im Sinne von § 46a Nr. 2 StGB vollständige oder überwiegende Entschädigung erlangt hat und hinsichtlich eines weiteren Opfers die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gegeben sind, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Denn eine solche Ausnahme kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ein Täter wie hier der Angeklagte eine ihm mögliche vollständige Schadenswiedergutmachung unterlässt , indem er Teile der Beute für sich behält, und der Schaden nur dadurch vollständig ausgeglichen wird, dass eine Versicherung Entschädigung in Höhe des verbleibenden Restschadens leistet. Bei dieser Sachlage fehlt es trotz Zustimmung zur Aushändigung der bei dem Angeklagten fast vollständig sichergestellten Tatbeute jedenfalls an der nach dem Willen des Gesetzgebers erforderlichen Übernahme von Verantwortung für die Tat, auf die grundsätzlich auch in Fällen vollständiger Entschädigung des materiell Geschädigten ohne erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht des Täters nicht verzichtet werden kann. Entgegen der Ansicht des Landgerichts bedeutete dies im Übrigen auch nicht, dem Angeklagten in diesen Fällen die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs von vornherein zu versagen. Der Angeklagte wäre als „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“nicht gehindert gewesen, sich mit der Betreibergesellschaft oder auch mit der den Restschaden abdeckenden Versicherung, auf die mit ihrer Leistung die Ansprüche gegen den Angeklagten übergegangen sein dürften, ins Benehmen zu setzen und den von ihm aus der Beute vereinnahmten Betrag zum Schadensausgleich zumindest anzubieten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 634/09
vom
20. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. August 2009 werden mit der Maßgabe verworfen , dass der Angeklagte P. der Steuerhinterziehung und der Bestechung in jeweils 147 Fällen und der Angeklagte L. der Untreue in Tateinheit mit Steuerhinterziehung in 151 Fällen sowie der Bestechlichkeit in 147 Fällen schuldig sind.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen Steuerhinterziehung und Bestechung in jeweils 148 Fällen und den Angeklagten L. wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Untreue in 152 Fällen und wegen Bestechlichkeit in 148 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei bzw. vier Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten mit denen die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Revisionen haben den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts manipulierten der Angeklagte P. und der Angeklagte L. , der als Finanzbeamter beim Finanzamt G. tätig war, in der Absicht, sich durch die wiederholte Begehung entsprechender Taten eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von eini- gem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen, Einkommensteuererklärungen der Mitglieder eines vom Angeklagten P. geleiteten Lohnsteuerhilfevereins. Sie gingen dabei gemeinschaftlich handelnd dergestalt vor, dass tatsächlich nicht angefallene Aufwendungen steuermindernd geltend gemacht wurden, um so den Steuerpflichtigen ungerechtfertigte Steuererstattungen zu verschaffen. In Vollzug des Tatplans erstellten die Angeklagten für 116 Steuerpflichtige insgesamt 147 unrichtige Einkommensteuererklärungen, auf deren Grundlage der Angeklagte L. , der hierfür jeweils einen Betrag zwischen 20,-- bis 300,-- Euro von dem Angeklagten P. erhielt, jeweils Steuerbescheide erließ, in denen er zu Gunsten der Mitglieder des Vereins die jeweiligen Erstattungsbeträge unrichtig festsetzte. Insgesamt wurde dadurch Einkommensteuer in Höhe von mehr als 178.000,-- Euro verkürzt. Daneben fingierte der Angeklagte L. ohne Mitwirkung des Angeklagten P. mit den Personalien des verstorbenen Vaters seines Nachbarn einen Steuerfall und erließ vier Steuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2006, in denen er insgesamt Steuererstattungen in Höhe von mehr als 18.000,-- Euro zu Unrecht festsetzte und deren Auszahlung veranlasste.
3
Die Feststellungen belegen entgegen der Zählung des Landgerichts beim Angeklagten P. lediglich 147 Fälle der Steuerhinterziehung und 147 Fälle der Bestechung sowie beim Angeklagten L. lediglich 151 Fälle der Untreue in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und 147 Fälle der Bestechlichkeit. Der Schuldspruch ist entsprechend zu berichtigen. Der Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen führt nicht zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat kann ausschließen, dass sich die auf dem Zählfehler beruhende Annahme von 300 bzw. 296 Einzeltaten statt richtig von 298 bzw. 294 Einzeltaten und der insoweit irrtümlich um 1.500,-- Euro zu hoch angenommene Steuerschaden auf die Strafzumessung und die Bildung der Ge- samtstrafe zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat. Das Urteil beruht mithin darauf nicht.
4
Der Umstand, dass der Angeklagte L. die von ihm allein begangenen Taten der stellvertretenden Vorsteherin des Finanzamtes G. offenbarte und daraufhin die bereits überwiesenen Erstattungsbeträge zurückgebucht werden konnten, führt nicht dazu, dass dem Angeklagten der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 371 Abs. 1 AO zu Gute kommt. Denn hierzu kam es erst, nachdem Beamte der Innenrevision der Oberfinanzdirektion mit der routinemäßigen Prüfung des Finanzamtes G. begonnen hatten, in deren Verlauf es zu Auffälligkeiten im Hinblick auf die Veranlagungstätigkeit des Angeklagten gekommen war. Insoweit ist der Eintritt der Straffreiheit nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 1 AO ausgeschlossen. In Fällen der vorliegenden Art, in denen ein Finanzbeamter seine Befugnisse und seine Stellung zur Begehung von Steuerhinterziehungen missbraucht, stellt die Überprüfung der Veranlagungsarbeiten innerhalb eines Finanzamtes durch die Innenrevision der Oberfinanzdirektion eine steuerliche Prüfung durch einen Amtsträger der Finanzbehörde im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 1 AO dar. Zu dieser war, da die Innenrevision bereits begonnen hatte, der Amtsträger auch bereits erschienen.
5
Kein Rechtsfehler ist auch darin zu erblicken, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung nicht geprüft hat, ob zu Gunsten des Angeklagten P. § 46a Nr. 2 StGB anzuwenden ist. Eine Strafrahmenverschiebung auf der Grundlage von § 46a Nr. 2 StGB kann zwar, wenn auch nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen, auch bei Steuerstraftaten in Betracht kommen (vgl. Jäger in Klein AO 10. Aufl. § 371 Rdn. 100, 102 m.w.N.). Ein solcher besonders gelagerter Ausnahmefall ist vorliegend indes nicht gegeben. Der Angeklagte hat zwar, nachdem seine Taten bekannt geworden waren, die Mitglieder des von ihm geführten Lohnsteuerhilfevereins, die durch seine Taten ungerechtfertigte Steuererstattungen erlangt hatten, “durch intensive Gespräche“ dazu veranlasst , die ungerechtfertigten Steuererstattungen zurück zu zahlen und nach § 153a StPO erteilte Auflagen zu erfüllen. Dadurch waren der Angeklagte P. und seine Familie „erheblichen Vorwürfen und Beschimpfungen der jeweiligen Steuerpflichtigen ausgesetzt“. Diese im Ergebnis erfolgreichen Bemühungen um Schadenswiedergutmachung, die die Strafkammer im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung „zu seinen Gunsten ganz maßgeblich berücksichtigt hat“, sind indes nicht von solchem Gewicht, dass die Strafkammer deswegen darüber hinaus gehalten gewesen wäre, eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 2 StGB zu erörtern.
6
Nach § 46a Nr. 2 StGB kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen, wenn die Schadenswiedergutmachung vom Angeklagten erhebliche persönliche Leistungen oder persönlic hen Verzicht erfordert hat. Damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedensstiftende Wirkung entfalten kann, hat der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag zu erbringen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt dafür nicht. Vielmehr muss sein Verhalten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (st. Rspr.; BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1 und 5; BGH wistra 2000, 176; wistra 2000, 421; NJW 2001, 2557; jew. m.w.N.). Nach dem Willen des Gesetzgebers ist insoweit erforderlich, dass „der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt“ und durch die persönlichen Leistungen oder den Verzicht die materielle Entschädigung erst ermöglicht hat (BTDrucks. 12/6853 S. 22). Dies ist indes nicht der Fall, wenn der Täter, ledig- lich mithaftende (Gesamt-)Schuldner zur Zahlung veranlasst, ohne eine eigene materielle Leistung zu erbringen, die eine überwiegende Schadenswiedergutmachung darstellt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, den die Revision mit Schriftsatz vom 20. Januar 2010 zitiert, bereits im Ansatz.
7
Der geringe Teilerfolg der Revision gibt zu einer anderen Kostenentscheidung keine Veranlassung (§ 473 Abs. 4 StPO).
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 290/11
vom
12. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 21. Dezember 2010 in den Strafaussprüchen mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten, jeweils auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf die Strafaussprüche beschränkten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen überfielen die Angeklagten am Abend des 12. Januar 2010 einem gemeinsamen Tatplan folgend einen Verkaufskiosk in M. . Sie warteten, bis der einzige Kunde den Kiosk verlassen hatte, maskierten sich und betraten sodann den Kiosk, wobei die Angeklagte C. in Ausführung des gemeinsamen Tatentschlusses ein Steakmesser mit einer Klingenlänge von ca. 15 cm in der rechten Hand hielt. Das Messer war einseitig scharf- kantig „gezackt“. Die als Verkäuferin im Kiosk beschäftigte Nebenklägerin kniete , mit Reinigungsarbeiten beschäftigt, mit dem Rücken zur Eingangstür vor dem Kühlschrank. Die Angeklagte C. umfasste deren Oberkörper mit dem linken Arm und zog sie hoch. Mit der rechten Hand drückte sie der Nebenklägerin das Messer mit der stumpfen Seite an den Hals. Die Angeklagte F. blieb an der Eingangstür stehen und gab Kommandos.
3
Um den Druck am Hals zu lindern, griff die Nebenklägerin an das Messer und zog sich hierbei Schnittverletzungen am Mittelfinger und am Handballen der linken Hand zu. Die Angeklagte C. schob sie um die Verkaufstheke herum zur Kasse. Die Nebenklägerin öffnete die Kassenschublade, woraufhin die Angeklagte C. das darin befindliche Geld - bis auf kleinere Centmünzen - in ihre Jackentasche steckte. Die Angeklagte F. , die während der ganzen Zeit abwechselnd den Thekenbereich und die vor dem Kiosk befindliche Straße beobachtete , rief zu der Angeklagten C. : "Pass auf, die macht was. Die drückt irgendwo auf den Knopf. Mach was." Obwohl die Nebenklägerin diese Äußerung als Aufforderung, mit dem Messer zuzustechen, auffasste und dieserhalb Todesangst verspürte, vermochte sie beruhigend auf die Angeklagte C. einzuwirken , so dass es zu keinen Weiterungen kam. Insgesamt erbeuteten die Angeklagten einen Betrag in Höhe von etwa 800 €.
4
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht haben die geständigen Angeklagten mit der Nebenklägerin, die an erheblichen psychischen Tatfolgen leidet, einen Vergleich geschlossen und darin anerkannt, ihr als Gesamtschuldnerinnen dem Grunde nach zum Ersatz der aus dem Vorfall resultierenden materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet zu sein. Darüber hinaus haben sie sich zur Zahlung eines verzinslichen Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € verpflichtet.
5
Das Landgericht hat für beide Angeklagte einen minder schweren Fall des (besonders) schweren Raubes bejaht und die Strafen dem nach „§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB“ gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen.
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2. Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 523/11).
7
3. Die Strafaussprüche können auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft nicht bestehen bleiben. Sie weisen Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf.
8
a) Das Landgericht ist sowohl bei der Strafrahmenwahl (§ 250 Abs. 3 StGB) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober2011 – 4 StR 455/11). Es hat nicht bedacht, dass die Angeklagten - neben der Erfül- lung der Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB - auch die Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verwirklicht haben. Dieser Qualifikationstatbestand setzt voraus, dass mindestens zwei Personen bei der Körperverletzung bewusst zusammenwirken. Nicht erforderlich ist die eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv - physisch oder psychisch - unterstützt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. September 2002 – 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383, 386 f.; Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195; Urteil vom 22. Dezember 2005 – 4 StR 347/05, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 gemeinschaftlich 3). So verhält es sich hier. Die Angeklagte F. befand sich im unmittelbaren Tatortbereich. Sie hat mit der Angeklagten C. , die auf Grund des zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans das Messer gegen die Nebenklägerin einsetzte und diese damit verletzte, täterschaftlich zusammengewirkt, indem sie das Tatobjekt durch ständige Beobachtung absicherte, durch verbale Ausrufe mit ihrer Tatgenossin kommunizierte und nach der Tat das Fluchtfahrzeug steuerte; auch teilten die Angeklagten die Beute anschließend hälftig unter sich auf.
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b) Die Annahme des Landgerichts, die Voraussetzungen des TäterOpfer -Ausgleichs seien erfüllt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
aa) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, muss, wenn wie hier durch eine Tat mehrere Opfer betroffen sind, hinsichtlich jedes Geschädigten jedenfalls eine Alternative des § 46 a StGB erfüllt sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365 f. mit Anm. Dölling/Hartmann; Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 46 a Rn. 47 m.w.N.). Neben der Nebenklägerin war der Betreiber des Kiosks Opfer der Tat; das von den Angeklagten erbeutete Geld stand in seinem Eigentum. Das Urteil verhält sich jedoch nicht dazu, ob und ggf. wie die Angeklagten den Inhaber des Kiosks in ihre Ausgleichsbemühungen einbezogen haben.
11
bb) Aber auch die Bejahung der Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs im Verhältnis nur zur Nebenklägerin begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
Das Urteil bezeichnet schon die Fallgruppe des § 46 a StGB, die das Landgericht hier annehmen wollte, nicht eindeutig. § 46 a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, die auch bei Vermögensdelikten denkbar sind, während § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft. Da durch die Straftat der Angeklagten bei der Nebenklägerin vor allem immaterielle Schäden hervorgerufen worden sind, bestimmt sich der für eine Strafrahmenmilderung erforderliche Ausgleich - jedenfalls vorrangig - nach § 46 a Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365).
13
Diese Bestimmung verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat;es ist aber auch ausreichend, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das ernsthafte Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH, Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29, 30). Regelmäßig sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (vgl. BGH aaO sowie Beschlüsse vom 22. August 2001 – 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29, und vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04, insoweit in NStZ 2005, 97 nicht abgedr.).
14
Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht beachtet. Zwar hat die Nebenklägerin mit den Angeklagten einen Vergleich geschlossen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 344/11). Das Urteil trifft aber insbesondere keine Feststellungen zu der Frage, wie wahrscheinlich die ratenweise Zahlung des vereinbarten Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € durch die Angeklagten ist. Beide Angeklagte leben von staatlichen Transferleistungen. Sie sind alleinerziehend und erhalten für ihre Kinder keine Unterhaltszahlungen, sondern lediglich Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Beide Angeklagte sind verschuldet. Anlass für die abgeurteilte Straftat waren Rechnungen, welche die Angeklagten am Tattag jeweils erhalten hatten und nicht bezahlen konnten. Von dem erbeuteten Geld kauften beide Angeklagte am nächsten Tag Lebensmittel; die Angeklagte C. beglich außerdem einen Teil einer offenen Stromrechnung. Anhaltspunkte dafür, dass sich die finanzielle Situation der Angeklagten zwischen der Tat und der Urteilsverkündung grundlegend geändert hätte, sind nicht vorhanden. Außerdem folgt entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 17) aus der Tatsache des Vergleichsschlusses allein noch nicht, dass die Nebenklägerin die „Leistungen“ der Angeklagten als friedensstif- tenden Ausgleich akzeptiert hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 147, und vom 6. Februar 2008 – 2 StR 561/07, BGHR StGB § 46 a Voraussetzungen 1). Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, ob es sich bei dem in der Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich um ein "ernsthaftes Bemühen" um Schadenswiedergutmachung oder um ein taktisches Vorgehen in der Hoffnung auf eine mildere Strafe gehandelt hat.
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4. Auf die weiteren Angriffe der Revisionsführerin kommt es nach allem nicht mehr an. Auch braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob sich die verhängten – nach Tatbild und Tatfolgen sehr milden – Strafen nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit lösen, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 1970 – 1 StR 423/70, BGHSt 24, 132, 133 f., vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321, vom 8. November 1989 – 3 StR 368/89, NStZ 1990, 84 f., und vom 21. Mai 1992 – 4 StR 577/ 91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13).
16
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird Gelegenheit haben , den vom Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift erhobenen Bedenken wegen einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung im Hinblick auf die Angeklagte F. nachzugehen. Dabei wird er zu beachten haben, dass nach Aufhebung des Strafausspruchs in der erneuten Verhandlung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 – 3 StR 355/11 m.w.N.). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender
14
Werden durch eine Straftat mehrere Opfer betroffen, muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Alternative des § 46a StGB erfüllt sein. Dass dies hinsichtlich der Betreibergesellschaft nicht der Fall ist, hat die Strafkammer zutreffend gesehen (vgl. Senat, Urteil vom 11. September 2013 - 2 StR 131/13, NStZ-RR 2013, 372). Ob darauf - wie das Landgericht meint - verzichtet werden kann, wenn ein Geschädigter ohne erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht des Täters im Sinne von § 46a Nr. 2 StGB vollständige oder überwiegende Entschädigung erlangt hat und hinsichtlich eines weiteren Opfers die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gegeben sind, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Denn eine solche Ausnahme kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ein Täter wie hier der Angeklagte eine ihm mögliche vollständige Schadenswiedergutmachung unterlässt , indem er Teile der Beute für sich behält, und der Schaden nur dadurch vollständig ausgeglichen wird, dass eine Versicherung Entschädigung in Höhe des verbleibenden Restschadens leistet. Bei dieser Sachlage fehlt es trotz Zustimmung zur Aushändigung der bei dem Angeklagten fast vollständig sichergestellten Tatbeute jedenfalls an der nach dem Willen des Gesetzgebers erforderlichen Übernahme von Verantwortung für die Tat, auf die grundsätzlich auch in Fällen vollständiger Entschädigung des materiell Geschädigten ohne erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht des Täters nicht verzichtet werden kann. Entgegen der Ansicht des Landgerichts bedeutete dies im Übrigen auch nicht, dem Angeklagten in diesen Fällen die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs von vornherein zu versagen. Der Angeklagte wäre als „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“nicht gehindert gewesen, sich mit der Betreibergesellschaft oder auch mit der den Restschaden abdeckenden Versicherung, auf die mit ihrer Leistung die Ansprüche gegen den Angeklagten übergegangen sein dürften, ins Benehmen zu setzen und den von ihm aus der Beute vereinnahmten Betrag zum Schadensausgleich zumindest anzubieten.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 532/12
vom
10. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
27. Juni 2013, in der Sitzung am 10. Juli 2013, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 27. Juni 2013 -
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 27. Juni 2013 -
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 29. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Untreue in drei Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf mehrere Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen. Mit auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft die unterbliebene tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in zwei Fällen.
2
Die Revisionen der Angeklagten führen auf eine Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten waren im Hochseeschleppergeschäft tätig und betrieben ab dem Jahr 2005 den Bau der drei Hochseeschlepper T. , J. und U. . Eigentümerinnen der Schlepper sollten sog. Einschiffsgesellschaften - jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG - werden, die als Publikumsgesellschaften konzipiert waren. In Umsetzung dieses Vorhabens erwarben die Angeklagten Vorratsgesellschaften, die aufgrund von Gesellschaftsverträgen vom 4. März 2005 in die T. GmbH & Co. KG sowie vom 26. September 2005 in die J. GmbH & Co. KG bzw. die U. GmbH & Co. KG umfirmiert wurden. Die Angeklagten waren Geschäftsführer und - neben anderen - Mitgesellschafter der am 10. März 2005 gegründeten, in allen drei Einschiffsgesellschaften als Komplementärin fungierenden AHT GmbH und zugleich als Kommanditisten an den Einschiffsgesellschaften beteiligt.
5
Bereits am 5. Januar 2005 - „noch im Gründungsstadium und vor Beitritt weiterer Gesellschafter“- hatte die „ T. GmbH & Co. KG in Gründung“- vertreten durch die H. GmbH, deren Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter die Angeklagten waren - einen Vertrag über den Bau des Hochseeschleppers T. mit einem Konsortium bestehend aus der M. w. GmbH und der M. AG abgeschlossen. Am 10. August 2005 folgten die Vertragsabschlüsse der „ J. GmbH & Co. KG in Gründung“ bzw. der „ U. GmbH & Co. KG in Gründung“ mit dem Konsortium hinsichtlich der Schlepper J. und U. .
6
Den Vertragsabschlüssen waren Ende des Jahres 2004 Gespräche der Angeklagten mit dem früheren Mitangeklagten E. vorausgegangen, der bei der M. AG als Leiter der Abteilung „… “ für den Bau von Hochseeschleppern und Tankern zuständig war. Dabei waren die Angeklagten und E. übereingekommen, dass als Gegenleistung für die Erteilung der Bauaufträge an jeden der beiden Angeklagten 750.000 € je Schiff fließen sollten. E. sollte 500.000 € je Schiff für die organisatorische Umsetzung der Vereinbarung erhalten. Mittels dieser Vereinbarung gelang es E. , die Aufträge über den Bau der Schlepper für das Konsortium zu sichern und potentielle Konkurrenten für die Herstellung der Schiffe auszustechen.
7
Um der Vereinbarung einen unverfänglichen Anstrich zu geben, schlossen die Angeklagten mit dem Konsortium M. w. GmbH / M. AG mehrere „Memoranda of Understanding“, die auf Seiten des Konsortiums von E. unterzeichnet wurden, obwohl er nicht über eine Einzelvertretungsbefugnis für das Konsortium verfügte. Inhalt der „Memoranda of Under- standing“ war zum einen die Verpflichtung desKonsortiums zur Zahlung von 750.000 € je Schiff - deklariert als „owner’s discount“ - an jeden der beiden An- geklagten. Zum anderen sollte die M. w. GmbH nach Abschluss ei- nes „finder’s fee agreement“ 500.000 €je Schiff an ein zwischengeschaltetes Unternehmen zahlen, das den Betrag nach Abzug einer Provision in Höhe von 25.000 € an E. weiterleiten sollte.
8
In Umsetzung der Vereinbarung wurden in die internen Kostenkalkulationen des Konsortiums für die Herstellung der Schlepper Leerpositionen aufgenommen bzw. reale Positionen gezielt zu hoch angesetzt und so der Betrag von 2 Mio. € je Schiff, der an die Angeklagten und E. fließen sollte, auf den von den Einschiffsgesellschaften zu zahlenden Werklohn aufgeschlagen.
9
Bei Errichtung der Gesellschaftsverträge der Einschiffsgesellschaften am 4. März 2005 bzw. 26. September 2005 ließen sich die Angeklagten die zuvor abgeschlossenen Schiffsbauverträge von den (übrigen) Gesellschaftern der jeweiligen Kommanditgesellschaft genehmigen, ohne diesen gegenüber die mit E. getroffene Schmiergeldabrede offengelegt zu haben.
10
Kurz vor Fertigstellung der Schlepper T. im April 2007 sowie J. im Oktober 2007 und U. im April 2008 wurden die vereinbarten Beträge von den Angeklagten bzw. für E. gegenüber der M. w. GmbH in Rechnung gestellt und von dieser auch beglichen.
11
Weder durch die Angeklagten noch durch E. waren Leistungen an die Einschiffsgesellschaften oder an das Konsortium erbracht worden, die diese Zahlungen rechtfertigten. Die Angeklagten verwendeten die ihnen zugeflossenen Beträge zur Leistung ihrer Kommanditeinlagen in die Einschiffsgesellschaften.
12
Der gesamte Werklohn einschließlich des darin enthaltenen Schmiergeldanteils von 2 Mio. € pro Schiff wurde nach Übergabe der Schlepper im Auftrag der Angeklagten von der jeweiligen Einschiffsgesellschaft an die M. AG zur Auszahlung gebracht.
13
Im Zeitpunkt der Fertigstellung der Schlepper und Zahlung des Werklohns hielten die Angeklagten sowie die von ihnen als Geschäftsführer der Komplementär-GmbHvertretene T. H. GmbH & Co. KG insgesamt 65 % der Kommanditanteile der jeweiligen Einschiffsgesellschaft , die verbleibenden 35 % der Anteile hielten angeworbene Kommanditisten. Die Komplementärin der Einschiffsgesellschaften, die AHT GmbH, deren Geschäftsführer und - neben anderen - Mitgesellschafter die Angeklagten waren, war weder am Vermögen noch am Gewinn und Verlust der Einschiffsgesellschaft beteiligt, für die Kommanditisten war eine Gewinn - und Verlustbeteiligung im Verhältnis ihrer Einlage vereinbart.
14
2. Das Landgericht hat das Geschehen als Untreue in drei Fällen gewertet (Fall 3.2.2. T. , Fall 3.2.3. J. , Fall 3.2.4. U. ). Den Vermögensnachteil i.S.v. § 266 StGB hat es darin gesehen, dass die drei Einschiffsgesellschaften auf Veranlassung der Angeklagten den Werklohn für die Schlepper T. , J. und U. jeweils in voller Höhe an das Konsortium auszahlten, obwohl die zugrunde liegenden Verträge im Hinblick auf die Schmiergeldabrede in einem Umfang von 2 Mio. € sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB und damit teilnichtig gewesen seien. Einen Vermögensnachteil hat das Landgericht nur angenommen, soweit die Kommanditanteile der angeworbenen Kommanditisten betroffen waren, und hat diesen unter Zugrundelegung der festgestellten Beteiligungsquote von 35 % auf 700.000 € je Schiff beziffert.
15
3. Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB hat das Landgericht mit der Begründung verneint, die Angeklagten seien zu keinem Zeitpunkt Angestellte oder Beauftragte der jeweiligen Einschiffsgesellschaften oder deren Komplementär-GmbH gewesen und damit als Betriebsinhaber keine tauglichen Täter.

II.

16
Die Revisionen der Angeklagten haben bereits mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
17
Die Angeklagten beanstanden zu Recht, das Landgericht habe in seine Beweiswürdigung eine nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführte Urkunde einbezogen und damit seine Überzeugung von der Schuld der Angeklagten unter Verstoß gegen § 261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft.
18
1. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von dem „Schmiergeldcha- rakter“ der Zahlungenan die Angeklagten, denen keine von den Angeklagten erbrachten vergütungsfähigen Leistungen zugrunde lagen, auch auf den mit dem Finanzamt H. im Zusammenhang mit einem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft geführten Schriftverkehr, der jedoch nur teilweise ordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde.
19
Zwar wurde ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls in der Sitzung vom 17. Januar 2012 das Antragsschreiben der Wirtschaftsprüfungs- u. Steuerberatungsgesellschaft vom 1. Dezember 2005 verlesen (Blatt 1848 der Sachakten). Darin wurde dem Finanzamt H. als Grundlage seiner Entscheidung über die Erteilung der verbindlichen Auskunft u.a. mitgeteilt, dass die Konzeption und die Bauaufsicht des bestellten Schiffs Teil der Bereederungstätigkeit seien, zu der sich die T. H. GmbH & Co. KG vertraglich gegenüber der Einschiffsgesellschaft verpflichtet habe, und dass diese Tätigkeit nach dem Willen der Beteiligten einen Wert von 500.000 € darstelle. Darüber hinaus werde durch die Werft an die Angeklagten als Gesellschafter jeweils ein Betrag von 500.000 € als Provision bezahlt (UA S. 50). In die Beweiswürdigung hat das Landgericht unter auszugsweiser Wiedergabe im Wortlaut und unter Bezugnahme auf die konkrete Aktenfundstelle jedoch auch das Antwortschreiben des Finanzamts H. vom 6. Dezember 2005 einbezogen. Darin unterscheide das Finanzamt entsprechend den Darstellungen im Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zwischen den Themenkomplexen Vergütung für Bauaufsicht und Konzeption an den Vertragsreeder einerseits sowie Provisionszahlungen an die Angeklagten andererseits, für die nach dem Wortlaut des Antwortschreibens „eine Leistung seitens dieser Beteiligten (d.h. der Angeklagten) an die Werft nicht vorliege“ (UA S. 51).
20
2. In der Einbeziehung der Urkunde in die Beweiswürdigung liegt ein Verstoß gegen § 261 StPO, wonach die Überzeugungsbildung des Tatgerichts aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen ist.
21
a) Eine förmliche Verlesung des Antwortschreibens des Finanzamts H. vom 6. Dezember 2005 gemäß § 249 Abs. 1 StPO erfolgte nicht, wie insoweit durch das Schweigen des Hauptverhandlungsprotokolls belegt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2000 - 2 StR 190/00, NStZ-RR 2001, 18 f. mwN). Ein Verstoß gegen § 261 StPO wäre ungeachtet dessen aber nur dann bewiesen, wenn auszuschließen wäre, dass der Inhalt des Schriftstücks in anderer zulässiger Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 111/01). Von einem Ausschluss einer anderweitigen Einführung des herangezogenen Beweismittels ist vorliegend auszugehen.
22
b) Die Angeklagten haben mit ihren Revisionen vorgetragen, der Inhalt der Urkunde sei auch nicht in sonstiger prozessordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1990 - 3 StR 314/89, BGHR StPO § 344 Abs. 2 S. 2 Urkunden 1; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99 u.a., NJW 2005, 1999, 2001 f. mwN), und haben sich dabei mit allen naheliegenden Möglichkeiten der Einführung, insbesondere dem Vorhalt an die beiden als Zeugen gehörten Steuerberater, die das Antragsschreiben an das Finanzamt verfasst hatten, auseinandergesetzt.
23
Diesen Vortrag der Angeklagten sieht der Senat als erwiesen an. Die Staatsanwaltschaft ist dem Revisionsvorbringen in ihrer Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) nicht entgegengetreten, sondern hat den Revisionsvortrag hinsichtlich des Verfahrensablaufs ausdrücklich als richtig und vollständig bezeichnet. Auch das Tatgericht hat sich zu keiner dienstlichen Erklärung über einen anderen als den mit den Revisionen vorgetragenen Verfahrensablauf veranlasst gesehen. Für den Senat besteht angesichts dieser Umstände keine Veranlassung, die Richtigkeit des Revisionsvorbringens in tatsächlicher Hinsicht durch ihm an sich mögliche freibeweisliche Ermittlungen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 1998 - 1 StR 67/98, NStZ-RR 1999, 47; Urteil vom 13. Dezember 1967 - 2 StR 544/67, BGHSt 22, 26, 28; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99 u.a., NJW 2005, 1999, 2003) zu überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06, NJW 2006, 3362, und vom 22. November 2001 - 1 StR 471/01, NStZ 2002, 275, 276).
24
3. Ein Beruhen des Urteils auf dieser Verletzung des § 261 StPO lässt sich nicht ausschließen. Die Angeklagten haben sich dahingehend eingelassen, die an sie geflossenen Beträge seien als Vergütung für die von ihnen übernommene Bauaufsicht sowie für Leistungen im Bereich von Konzeption und Design der Schlepper gezahlt worden. Das Landgericht hat diese Einlassung aufgrund einer Gesamtwürdigung für widerlegt erachtet und die geflossenen Beträge als Schmiergeldzahlungen angesehen. Dabei hat es als gewichtiges Indiz im Rahmen der Beweiswürdigung gewertet, dass nach der Beurteilung des Finanzamts H. anlässlich der Erteilung einer verbindlichen Auskunft in dem fraglichen Schreiben den Zahlungen an die Angeklagten keine Leistungen zugrunde lagen.
25
4. Dieser Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts. Eines Eingehens auf die weiteren erhobenen Rügen bedarf es daher nicht.

III.

26
Die vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Fälle 3.2.3. (J. ) und 3.2.4. (U. ) der Urteilsgründe beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft , mit denen die unterbliebene tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB beanstandet wird, bleiben ohne Erfolg.
27
Obwohl sich die Feststellungen des Tatgerichts zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen bei Abschluss der Werkverträge hinsichtlich der Schlepper J. und U. am 10. August 2005 aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen als in Teilen widersprüchlich erweisen, hat das Landgericht dennoch im Ergebnis zu Recht eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB verneint. Denn ungeachtet des sich auf die Bezeichnung der Komplementär-GmbH der in die Vorgänge eingebundenen Kommanditgesellschaften beziehenden Widerspruchs liegen die Voraussetzungen des § 299 Abs. 1 StGB auf der Grundlage der ansonsten umfassenden Feststellungen für die beiden Angeklagten nicht vor.
28
Zwar enthalten die Feststellungen Anhaltspunkte dafür, dass zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb des durch die verfahrensgegenständlichen Taten (§ 264 StPO) erfassten Sachverhalts ein Fordern, Sich-versprechenLassen oder Annehmen eines Vorteils und damit Verhaltensweisen seitens der Angeklagten vorlagen, die an sich als tatbestandsmäßiges Verhalten gemäß § 299 Abs. 1 StGB in Betracht kommen. Auch ist das Konsortium aus M. w. GmbH und M. AG gegenüber anderen Wettbewerbern bei der Vergabe der Aufträge für den Bau der Hochseeschlepper bevorzugt worden. Eine Strafbarkeit der Angeklagten scheidet jedoch aufgrund folgender Erwägungen aus:
29
1. Als die Angeklagten Ende des Jahres 2004 mit dem früheren Mitangeklagten E. die Vereinbarung über die Zahlung von 750.000 € je Schiff als Gegenleistung für die Auftragsvergabe an das Konsortium trafen und damit Vorteile forderten bzw. sich versprechen ließen, waren diese (noch) keine tauglichen Täter i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB.
30
Der Tatbestand beschränkt den Täterkreis ausdrücklich auf Angestellte und Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes, so dass die Vorteilsannahme des Betriebsinhabers hinsichtlich seines eigenen Betriebes vom Tatbestand nicht erfasst wird (vgl. BGH, GrS, Beschluss vom 29. März 2012 - GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 211 mwN). Da der Tatbestand bereits mit dem Fordern, Sichversprechen -Lassen oder Annehmen des Vorteils vollendet ist (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 299 Rn. 21), muss die Stellung als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes und damit als tauglicher Täter des Sonderdelikts § 299 Abs. 1 StGB im Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen.
31
Daran fehlt es hier. Als die Angeklagten Ende des Jahres 2004von E. als Gegenleistung für die später geplante Auftragsvergabe an das Konsortium einen Vorteil forderten bzw. sich von ihm versprechen ließen und damit mit diesem der Sache nach eine Unrechtsvereinbarung (dazu Rogall in SK-StGB, 8. Aufl. [Stand: März 2012], § 299 Rn. 56) schlossen, waren sie (noch) keine Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebs. Weder die später durch Umfirmierung aus den Vorratsgesellschaften hervorgegangenen Einschiffsgesellschaften noch die später als Komplementär-GmbH fungierende AHT GmbH existierten zu diesem Zeitpunkt. Die Angeklagten waren vielmehr als gemeinsam handelnde Alleingesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Betriebsinhaber (vgl. Fischer, aaO, § 299 Rn. 8a; Dannecker in NK-StGB, 4. Aufl., § 299 Rn. 27; Heine in Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., § 299 Rn. 7) anzusehen.
32
Werden an sich unter die Tathandlungen des Forderns bzw. Sichversprechen -Lassens fassbare Verhaltensweisen vor der Begründung der erforderlichen Tätereigenschaft vorgenommen, handelt es sich nicht um straftatbestandsmäßiges Verhalten (vgl. Fischer, aaO, § 331 Rn. 24b zu der entsprechenden Konstellation bei § 331 StGB).
33
2. Auch unter dem Gesichtspunkt der zeitlich der Unrechtsvereinbarung und der Bevorzugung des Konsortiums durch Auftragsvergabe an dieses nachfolgenden Annahme eines Vorteils durch die Vereinnahmung der 750.000 € im Oktober 2007 für den Schlepper J. bzw. im April 2008 für den Schlepper U. ergibt sich keine Strafbarkeit der Angeklagten aus § 299 Abs. 1 StGB.
34
a) Zwar waren die Angeklagten entgegen der Auffassung des Landgerichts zum Zeitpunkt der Annahme des Vorteils als Geschäftsführer der Komplementärin AHT GmbH, an der neben den Angeklagten noch weitere Gesellschafter beteiligt waren, taugliche Täter des § 299 Abs. 1 StGB (vgl. Corsten, Einwilligung in die Untreue sowie in die Bestechlichkeit und Bestechung, 2011, S. 330 f.; anders für Fälle des geschäftsführenden Alleingesellschafters der Komplementär-GmbH Fischer, aaO, § 299 Rn. 8a; Heine in Schönke/Schröder, aaO, § 299 Rn. 7; Dannecker in NK-StGB, aaO, § 299 Rn. 21; Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 10; Bürger wistra 2003, 130, 132).
35
b) § 299 Abs. 1 StGB setzt jedoch grundsätzlich eine Unrechtsvereinbarung dergestalt voraus, dass der Vorteil als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung angenommen wird (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 200/10, wistra 2010, 447). Daran fehlt es hier. Die Unrechtsvereinbarung mit E. schlossen die Angeklagten bereits Ende des Jahres 2004 (oben II.1.). Die Auftragsvergabe an das Konsortium schloss sich im Jahr 2005 an. Die von den Angeklagten im Oktober 2007 bzw. im April 2008 vereinnahmten Zahlungen stellen sich angesichts dieser zeitlichen Abläufe ausschließlich als Belohnung für in der Vergangenheit gewährte Bevorzugungen dar.
36
c) Die Annahme eines Vorteils für derartige in der Vergangenheit liegende Bevorzugungen wird nur dann ausnahmsweise von § 299 Abs. 1 StGB erfasst , wenn diese Bevorzugungen bereits Gegenstand einer Unrechtsvereinbarung waren (Fischer, aaO, § 299 Rn. 13; Rogall, aaO, § 299 Rn. 61; Momsen in Beck-OK/StGB, § 299 Rn. 13; Bannenberg, in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl., 10. Kap. Rn. 100; zu den konkurrenzrechtlichen Verhältnissen vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 200/10, wistra 2010, 447, 449; Urteil vom 13. Oktober 1994 - 1 StR 641/93, wistra 1995, 61). Dieser Ausnahmefall verlangt aber, dass die vorangegangene Unrechtsvereinbarung ihrerseits tatbestandsmäßig i.S.v. § 299 Abs. 1 StGB gewesen ist. Dementsprechend muss derjenige, der den Vorteil als Gegenleis- tung für die erfolgte Bevorzugung angenommen hat, bereits zum Zeitpunkt der früheren Unrechtsvereinbarung tauglicher Täter einer Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 StGB) sein. Die Unrechtsvereinbarung drückt das im Gesetz angelegte Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der durch den Vorteilsnehmer zu gewährenden Bevorzugung und dem vom Vorteilsgeber zuzuwendenden Vorteil aus. Angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Beschränkung des Kreises gemäß § 299 Abs. 1 StGB tauglicher Täter auf Angestellte und Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes kann auf das Vorliegen der Tätereigenschaft bereits im Zeitpunkt der Unrechtsvereinbarung grundsätzlich nicht verzichtet werden.
37
An der Tätereigenschaft der Angeklagten im Zeitpunkt der mit E. bereits Ende des Jahres 2004 getroffenen Abrede fehlte es jedoch.

IV.

38
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
39
Soweit der neue Tatrichter wiederum zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei den Zahlungen an die Angeklagten um Schmiergeldzahlungen handelte , denen keine vergütungsfähigen Leistungen der Angeklagten zugrunde lagen und dass dementsprechend der von den Einschiffsgesellschaften zu zahlende Werklohn zur Verschleierung dieser Schmiergeldzahlungen sowie der Zahlungen an E. überhöht angesetzt wurde, gibt der Senat bezüglich des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils gemäß § 266 StGB Folgendes zu bedenken:
40
1. In Fällen, in denen die Schmiergeldzahlungen zugunsten der Geschäftsführer durch Erhöhung der Zahlungsverpflichtungen auf die vertretene Gesellschaft verlagert werden, liegt ein strafrechtlich relevanter Vermögens- nachteil i.S.v. § 266 StGB regelmäßig bereits darin, dass der geleisteten Zahlung in Höhe des auf den Preis aufgeschlagenen Betrages, der lediglich der Finanzierung des Schmiergeldes dient, keine Gegenleistung gegenübersteht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 314 mwN; Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 332 f. mwN). Sollte der neue Tatrichter zu der Einordnung der an die Angeklagten und den früheren Mitangeklagten E. geflossenen Zahlungen als Schmiergelder gelangen, würde nach dem vorstehend Ausgeführten die Vermögensminderung in Gestalt der Begleichung der Werklohnforderungen in ihrer jeweiligen Gesamthöhe seitens der Einschiffsgesellschaften nicht in vollem Umfang durch die Erlangung von Eigentum und Besitz an den Hochseeschleppern wirtschaftlich ausgeglichen.
41
Angesichts dessen käme es auf die zivilrechtliche Teilnichtigkeit der Verträge über die Herstellung der Hochseeschlepper, auf die das erste Tatgericht den Vermögensnachteil unter dem Aspekt des (teilweisen) Ausbleibens der Befreiung der Einschiffsgesellschaften von einer Verbindlichkeit gestützt hat, nicht an. Eine auf Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) gestützte Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit kann zwar eintreten, wenn ein aufgrund einer Schmiergeldabrede zustande gekommener Vertrag gerade wegen dieser Abrede zu einer für den Geschäftsherrn nachteiligen Vertragsgestaltung geführt hat (BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - VII ZR 132/07, BGHZ 141, 357, 361 mwN). Selbst wenn aber von zivilrechtlich wirksamen Verträgen auszugehen wäre, käme ein Vermögensnachteil aus dem im vorstehenden Absatz genannten Grund in Betracht.
42
2. a) Allerdings kann im Rahmen von § 266 StGB eine Schädigung des Vermögens einer Kommanditgesellschaft nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich zu einem straftatbestandsmäßigen Vermögensnachteil führen, als sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter „be- rührt“ (vgl. zuletzt BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38 f. mwN, und vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733; siehe auch Fischer, StGB, 60. Aufl., § 266 Rn. 113; Schünemann in LKStGB , 12. Aufl., § 266 Rn. 262 f. jeweils mwN). Diese in der Strafrechtswissenschaft gelegentlich kritisierte (etwa Soyka, Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften , 2008, S. 96 ff.; Grunst BB 2001, 1537, 1538; siehe auch Brand, Untreue und Bankrott in der KG und GmbH & Co. KG, 2010, S. 213 f., 331 f.) Rechtsprechung steht vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsform von Personenhandelsgesellschaften wie der Kommanditgesellschaft einerseits sowie Kapitalgesellschaften als juristische Personen andererseits. Zwar ist die Kommanditgesellschaft eine rechtsfähige Personengesellschaft i.S.v. § 14 Abs. 2 BGB (siehe nur K. Schmidt, in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Band 2, § 105 Rn. 7; Oetker in Oetker, HGB, 3. Aufl., § 161 Rn. 3; siehe auch BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 347), die gemäß § 124 Abs. 1 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann. Die Rechtsfähigkeit der Kommanditgesellschaft in dem vorgenannten Sinne und die damit einhergehende zivilprozessuale Parteifähigkeit (§ 50 ZPO; siehe auch BGH, aaO, S. 348 ff.) bringen eine Rechtsstellung mit sich, die der Selbstständigkeit einer juristischen Person in weitem Umfang entsprechen mag (Koller in Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl., § 124 Rn. 1).
43
Dessen ungeachtet ist die Kommanditgesellschaft - anders als die Kapitalgesellschaften - aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade keine juristische Person (BGH, aaO, S. 347; siehe auch BGH, Urteil vom 24. Januar 1990 - IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127, 128; zustimmend etwa Oetker , aaO, § 161 Rn. 3 mwN; insoweit ebenso Brand, aaO, S. 137 f.; aA etwa Raiser AcP 199 [1999], S. 104 ff.; zum Ganzen auch K. Schmidt, Festschrift Beuthien, 2009, S. 211 ff., 223 f.). An diesen Unterschied knüpft die von den Strafsenaten vorgenommene Auslegung des Vermögensnachteils im Sinne von § 266 StGB bei vermögenschädigendem Verhalten zu Lasten von Kommanditgesellschaften an, wonach auch auf die Auswirkungen des tatbestandsmäßigen Verhaltens auf die Vermögen der Gesellschafter abzustellen ist.
44
b) Dem Letztgenannten entsprechend kommt einem Einverständnis der jeweiligen Gesellschafter mit der Beeinträchtigung des Vermögens Bedeutung für das Vorliegen eines Vermögensnachteils und dessen Höhe zu (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39 mwN; und vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3735). Der bisherige Tatrichter hat daher, soweit die Gesellschaftsanteile der Angeklagten und der von den Angeklagten als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH vertretenen T. & H. GmbH & Co. KG betroffen sind, zutreffend wegen deren Einverständnis die Annahme eines Vermögensnachteils insoweit ausgeschlossen (BGH, jeweils aaO).
45
c) Bei den verbleibenden Kommanditisten der jeweiligen Einschiffsgesellschaften können dagegen Vermögensnachteile i.S.v. § 266 StGB eingetreten sein. Diese haben sich mit der Zahlung von Schmiergeldern an die Angeklagten und den früheren Mitangeklagten E. nicht einverstanden erklärt.
46
aa) Angesichts der Anknüpfung des Vermögensnachteils an das Vermögen der das vermögensschädigende Verhalten nicht konsentierenden Gesellschafter kann bei der Bemessung der den Schuldumfang bestimmenden Höhe des Vermögensnachteils grundsätzlich auf deren Gesellschafteranteile im Verhältnis zur Gesamteinlage abgestellt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39, und vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3735; im rechtlichen Ausgangspunkt ebenso BGH, Urteil vom 17. März 1987 - 5 StR 272/86, wistra 1987, 216; Seier in Achenbach/Ransiek, HWSt, 3. Aufl., 5. Teil, 2. Kap., Rn. 351; ausführlicher Soyka, aaO, S. 64 f.). Maßgeblich für die Bestimmung des Vorliegens eines Vermögensnachteils - hier bezogen auf die Vermögen der Kommanditisten abgesehen von den Angeklagten selbst sowie von der T. H. GmbH & Co. KG - ist ein auf den Zeitpunkt der vermögensschädigenden Handlung des Täters bezogener Vermögensvergleich (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39 Rn. 15; siehe auch BVerfGE 126, 170, 213 mwN). Spätere Entwicklungen, wie etwa Schadensvertiefung oder Schadensausgleich, berühren den tatbestandlichen Schaden nicht (BGH, aaO, mwN).
47
bb) Die strafrechtlich auf den Zeitpunkt der vermögensschädigenden Handlung i.S.v. § 266 StGB zu beziehende Beurteilung der Herbeiführung eines Vermögensnachteils und dessen Höhe kann, was den relevanten Zeitpunkt betrifft , nicht durch handelsrechtliche Regelungen über die Gewinn- und Verlustverteilung innerhalb einer Kommanditgesellschaft (§§ 167 ff. HGB) überlagert werden. Zukünftige Entwicklungen des betroffenen Vermögens im Hinblick auf den Wert der Geschäftsanteile von Gesellschaftern können strafrechtlich lediglich insoweit von Bedeutung sein, als deren Berücksichtigung mit den dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG unterworfenen straftatbestandsmäßigen Anforderungen des Vermögensnachteils gemäß § 266 StGBzulässig ist (zur Bedeutung von Art. 103 Abs. 2 GG dafür BVerfGE 126, 170, 213 ff.). Von Verfassungs wegen sind die Strafgerichte bei der Auslegung des Merkmals des Vermögensnachteils gemäß § 266 Abs. 1 StGB gehalten, den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach zu beziffern und diesen in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise im Urteil darzulegen (BVerfGE 126, 170, 211 und 216).
48
cc) Nach diesen Grundsätzen war es in dem angefochtenen Urteil nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter den bei den geschädigten Kommanditisten eingetretenen Vermögensnachteil - ausgehend von einem Schmiergeldanteil an dem gezahlten Werklohn in Höhe von 2 Mio. € je Hochseeschlepper - anhand der Höhe der Einlage der Kommanditisten (§ 167 Abs. 2, § 169 Abs. 1 HGB; zur Terminologie K. Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Band 3 §§ 171, 172 Rn. 5) in Relation zur Gesamteinlage aller Gesellschafter bestimmt hat. Eine solche Bestimmung der Höhe des Vermögensnachteils bei Schädigungen zu Lasten von Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft ist auch bislang bereits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs akzeptiert worden (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 40 Rn. 20, und vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733,3735; siehe auch Soyka, aaO, S. 64 f.). Sie ermöglicht eine Bezifferung des in den Gesellschaftervermögen eingetretenen Nachteils und trägt auch den handelsrechtlichen Regelungen über die Gewinn- und Verlustverteilung bei der Kommanditgesellschaft ausreichend Rechnung.
49
(1) Der Bemessung des in den Vermögen der einzelnen Gesellschafter eintretenden Nachteils liegt die Erwägung einer anteiligen Verteilung der in der Höhe feststehenden Schmälerung des Gesellschaftsvermögens - hier in Gestalt der (verborgenen) Schmiergeldzahlungen - auf die Anteilseigner zugrunde. Dies entspricht der grundsätzlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung des Vermögensnachteils gemäß § 266 StGB (vgl. BVerfGE 126, 170, 206). Bei einer (angenommenen) Inhaberschaft des Gesellschaftsvermögens durch die Kommanditgesellschaft selbst bestünde kein Zweifel, dass aus deren Vermögen geleistete Schmiergeldzahlungen in voller Höhe zu einem entsprechenden Nachteil führen. Denn in Höhe des Schmiergeldes ist dem Gesellschaftsvermögen keine wertentsprechende Gegenleistung zugeflossen. Lediglich ein wirk- sames Einverständnis der vermögensdispositionsbefugten Gesellschafter könnte einen solchen Nachteil (bzw. die ihn verursachende Pflichtwidrigkeit der Schädigungshandlung) ausschließen.
50
(2) Der wirtschaftlich nicht ausgeglichene Abfluss von Vermögensbestandteilen aus der Kommanditgesellschaft wirkt sich auf die Vermögen der Kommanditisten aus. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Umfang der Beteiligung des Gesellschafters richtet sich bei den Personenhandelsgesellschaften OHG und Kommanditgesellschaft grundsätzlich an der Höhe der Einlage und damit über den Vermögensanteil, der den Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen meint (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 47 III.1.a S. 1381, § 53 III 5.a S. 1544 f.), aus. Die Gewinn- und Verlustverteilung unter den Gesellschaftern bestimmt sich bei der Kommanditgesellschaft nach den §§ 167 ff. HGB i.V.m. § 120 HGB. Grundlage der Gewinn- und Verlustverteilung ist der sog. Kapitalanteil (vgl. § 167 Abs. 2 HGB), bei dem es sich um eine Rechnungsziffer handelt, die den Wert der jeweiligen wirtschaftlichen Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck bringt (Priester in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Band 2, § 120 Rn. 84 mwN). Vorbehaltlich der konkreten gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung bestimmt sich der Ausgangswert dieses Kapitalanteils anhand des Wertes der eingebrachten Einlage (vgl. Priester, aaO, § 120 Rn. 94). Der rechnerische Wert der wirtschaftlichen Beteiligung des Gesellschafters wird durch den Wert des Gesellschaftsvermögens beeinflusst. Gewinne der Gesellschaft werden nach der gesetzlichen Regelung bis zu der von § 167 Abs. 2 HGB bestimmten Höhe seinem Kapitalanteil zugeschrieben. An den Kapitalanteil des Kommanditisten sind regelmäßig seine prozentuale Beteiligung am Gewinn, sein Gewinnbezugsrecht und sein Stimmrecht geknüpft (vgl. Grunewald, in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Band 3, § 167 Rn. 19 i.V.m. Rn. 14; siehe auch Soyka, aaO, S. 84 f.). Die den Kapitalanteil eines Kommanditisten betreffenden Buchungen werden auf einem Kapitalkonto geführt (Grunewald, aaO). Weist dieses Kapitalkonto zu dem für die Bestimmung des Vermögensnachteils maßgeblichen Zeitpunkt einen positiven Stand auf, sind die Gesellschaftervermögen der Kommanditisten unmittelbar wirtschaftlich nachteilig betroffen, weil die daran geknüpften vermögensrechtlich relevanten Rechte entweder verringert oder - bei Verkürzung des ohne die schädigende Handlung eintretenden Gewinns - nicht erhöht werden (Soyka, aaO, S. 85).
51
Die Bezifferung des auf die betroffenen Kommanditisten entfallenden Vermögensnachteils kann daher - wie durch das bisherige Tatgericht erfolgt - anhand der Höhe der jeweiligen Einlage erfolgen. Wie ausgeführt bestimmen diese die Beteiligung der Gesellschafter u.a. am Gewinn der Kommanditgesellschaft.
52
(3) Der neue Tatrichter wird daher bei der Bestimmung der Höhe der eingetretenen Vermögensnachteile bei den Kommanditisten zu prüfen haben, ob deren Kapitalkonten im Zeitpunkt der schädigenden Handlung einen positiven Stand aufwiesen. Wahl Graf Jäger Cirener Radtke

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 526/11
vom
8. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verabredung zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
der Angeklagte M. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil desLandgerichts Koblenz vom 15. Juli 2011 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten wegen "Verabredung zum Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs" in fünf Fällen unter Einbeziehung zweier Einzelstrafen von einem Jahr und vier Monaten und einem Jahr Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen der Angeklagte, der der Volksgruppe der Roma angehört, und der gesondert Verurteilte Mi. spätestens im März 2008 überein, gemeinsam mit weiteren Personen ihren Lebensunterhalt durch die Begehung von "Trufas" zu verdienen. Hierunter werden Straftaten verstanden, bei denen Immobilien- oder Waren- händlern oder Kreditsuchenden ein betrügerisches Tauschgeschäft angeboten wird. Die Täter geben vor, Geldscheine mit hohem Nennwert gegen Geldscheine mit niedrigerem Nennwert - teils gegen Zahlung einer Provision - eintauschen zu wollen. Tatsächlich ist es Ziel der Täter, sich ohne Erbringung einer Gegenleistung durch Täuschung in den Besitz des von den potentiellen Opfern mitgeführten Bargeldes zu bringen.
3
In Umsetzung dieses Vorhabens kam es in der Zeit von März 2008 bis Januar 2009 in fünf Fällen zu Kontaktaufnahmen mit Personen, die am Abschluss verschiedener Geschäfte interessiert waren. In den Fällen II. 1-3 kümmerte sich der Angeklagte um die Auswahl der Opfer und die Anbahnung des Erstkontaktes. Hierzu band er den gesondert Verurteilten A. ein und versprach ihm für jede gelungene Aktion eine Provision. A. suchte im Internet vereinbarungsgemäß nach geeigneten Firmen und Projekten und kontaktierte die betreffenden Personen telefonisch, um ihr Interesse an einer Geschäftsbeziehung zu wecken. Sodann übermittelte er die Kontaktdaten der Betreffenden per SMS an den Angeklagten, der diese an Mi. weiterleitete. In den Fällen II. 4-5 stellte eine nicht identifizierte Person den Erstkontakt her, wobei diese im Fall II. 5 den Angeklagten hierüber informierte, der dies wiederum Mi. mitteilte. Mi. vereinbarte in allen Fällen jeweils ein Treffen mit den interessierten Geschäftspersonen in Am. . Hierbei gab er vor, Interesse an einem Geschäftsabschluss zu haben und unterbreitete in diesem Zusammenhang jeweils den Vorschlag, ein Geldtauschgeschäft durchzuführen. In den Fällen II. 4-5 begleitete der Angeklagte den gesondert Verurteilten Mi. zu den Treffen in Am. , im Fall II. 5 jedoch, ohne offen in Erscheinung zu treten. Zum Abschluss eines Geldtauschgeschäftes kam es in keinem der Fälle. Im Fall II. 1 scheiterte dies aufgrund der Verhaftung des Angeklagten in einem anderen Verfahren; in den Fällen II. 2-5 lehnten die angesprochenen Personen ein solches Geschäft ab.
4
Das Landgericht hat dieses Geschehen als "Verabredung zum Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs" in fünf tatmehrheitlichen Fällen bewertet und dafür Einzelstrafen von acht Monaten Freiheitsstrafe in den Fällen II. 1-3 und zehn Monaten Freiheitsstrafe in den Fällen II. 4-5 verhängt.
5
2. Im Rahmen der Strafzumessung hat es die Voraussetzungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB geprüft und verneint. Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
6
Der Verteidiger des Angeklagten verschickte in dessen Auftrag am 29. Juni 2011 Schriftsätze an alle Personen, an die die Tauschgeschäfte herangetragen worden waren. Sie lauteten nach einer kurzen Darstellung des Tatvorwurfs in ihren Kernsätzen übereinstimmend wie folgt: "Herr M. bereut seine Handlungsweise und möchte sich auf diesem Weg bei Ihnen entschuldigen. Er erkennt seine gesamtschuldnerische Haftung für die Ihnen in dieser Sache entstandenen Auslagen an und verzichtet auf die Einrede der Verjährung. Soweit möglich, bitte ich um Bezifferung Ihrer Auslagen. Mein Mandant wird sich dann ggfs. im Wege der Aufnahme eines Privatdarlehens bei Angehörigen um einen baldigen Ausgleich bemühen."
7
Zudem legte der Verteidiger in der Hauptverhandlung ein Schreiben mit folgendem Inhalt vor: "Erklärung: Hiermit weise ich Herrn RA E. , , , unwiderruflich an, die umseitig quittierten € 1.500,- zur anteiligen Ausgleichung der den Herrn Mo. , H. , T. (Vertreter der Fa. "D. T. "), B. und Z. entstandenen Auslagen zu verwenden."
8
Die in dem Schreiben in Bezug genommene Quittung hatte folgenden Inhalt : "Hiermit bestätige ich, RA E. , , , den Erhalt von € 1.500,- (i.W. Euro eintausendfünfhundert) von Herrn M. zum Zwecke anteiliger Verauslagung (Ausgleichung ) der den Zeugen Mo. , H. , T. (als Vertreter der Fa. "D. T. "), B. und Z. entstandenen Kosten anlässlich der in der Anklage vom 26.5.2010 gegen M. erhobenen Vorwürfe."
9
Lediglich einer der Angeschriebenen reagierte auf dieses Schreiben und fragte bei der Strafkammer an, wie er zu verfahren habe.
10
Das Landgericht hat Zweifel daran geäußert, ob für Betrugsdelikte der vorliegenden Art ein Täter-Opfer-Ausgleich überhaupt in Betracht komme, da der Angeklagte den potentiellen Opfern als Person unbekannt geblieben sei. Zudem hat es das Vorliegen eines kommunikativen Prozesses zwischen dem Angeklagten und den potentiellen Opfern verneint, da diese gegenüber dem Angeklagten keine Reaktion gezeigt hätten. Das Vorgehen des Angeklagten sei kein Versuch der Konfliktbewältigung, sondern sei von prozesstaktischen Erwägungen bestimmt.
11
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB hat die Strafkammer verneint, da es zu einer tatsächlichen Entschädigung durch Ersatz entstandener Auslagen nicht gekommen sei.

II.

12
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erläuterung bedarf nur Folgendes:
13
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verabredung des bandenund gewerbsmäßigen Betrugs in fünf Fällen hält im Ergebnis sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das Landgericht unzutreffend die im Vorfeld der einzelnen Taten getroffene Bandenabrede, mit der der grundsätzliche Zusammenschluss zum Zwecke der Begehung von Betrugsstraftaten vereinbart wurde, als Verbrechensverabredung i.S.v. § 30 Abs. 2 StGB gewertet und ist zur Annahme von fünf Fällen der Verbrechensverabredung gelangt, indem es auf das Konkurrenzverhältnis der vereinbarten Betrugstaten abgestellt hat. Dies begegnet rechtlichen Bedenken. Die im Vorfeld getroffene Verabredung genügt nicht den an eine Verbrechensverabredung i.S.v. § 30 Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen, da die geplanten Straftaten mangels Vereinbarung von Ort, Zeit und Auswahl der potentiellen Opfer nicht hinreichend konkretisiert waren. Zudem richtet sich entgegen der Auffassung des Landgerichts die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen verschiedenen Straftaten - auch bei der Mitwirkung mehrerer Tatbeteiligter - für jeden Beteiligten allein danach, welche Tathandlungen er im Hinblick auf die jeweilige Tat vorgenommen hat, unabhängig davon, ob die einzelne Tat nur verabredet, versucht oder vollendet worden ist (BGHSt 56, 170, 172; wistra 2011, 299, 300). Soweit sich aus BGH NJW 2010, 623, 624 Entgegenstehendes ergibt, hält der Senat hieran nicht fest (vgl. schon Senat NStZ-RR 2011, 367, 368). Jedoch hat der Angeklagte mit A. bzw. Mi. und den weiteren Personen in allen fünf Fällen jeweils eine gesonderte Vereinbarung der einzelnen Betrugstat getroffen. Dies erfolgte konkludent, indem in den Fällen II. 1-3 der mit der Kontaktaufnahme und Geschäftsanbahnung beauftragte A. , im Fall II. 5 ein unbekannt gebliebener Mittäter dem Angeklagten in Umsetzung der Bandenabrede die Kontaktdaten der Betreffenden übersandte, die dieser jeweils an Mi. weiterleitete, der daraufhin Kontakt mit den Interessenten aufnahm. Im Fall II. 4 geschah dies dadurch, dass der Angeklagte den Mi. zu dem Treffen mit den Geschäftspersonen begleitete, nachdem ein nicht identifizierter Mittäter zuvor den Erstkontakt hergestellt hatte.
14
2. Auch die Verneinung der Voraussetzungen des § 46a StGB durch das Landgericht unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
15
Zutreffend hat das Landgericht die Voraussetzungen von § 46a Nr. 2 StGB verneint, da der Angeklagte tatsächlich keine Entschädigungsleistungen erbracht hat. Auch die Ablehnung eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB ist frei von Rechtsfehlern.
16
Die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen , einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wieder gutgemacht hat, wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Hierbei setzt § 46a Nr. 1 StGB grundsätzlich ein Bemühen des Täters um einen kommunikativen Prozess mit dem Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" sein muss (BGHSt 48, 134, 139, 141; BGH NStZ 2000, 205 f.; wistra 2009, 309, 310).
17
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezieht sich die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB vor allem auf den Ausgleich immaterieller Folgen einer Straftat. Sie dient - anders als die in erster Linie für materiellen Schadensersatz bei Vermögensdelikten vorgesehene Vorschrift des § 46a Nr. 2 StGB - über den Ausgleich immaterieller Folgen zwischen Täter und Opfer der Lösung von Konflikten, die zu der Straftat geführt haben oder durch sie veranlasst worden sind (BGH NStZ 1995, 492; NStZ 2000, 205; StV 2002, 656; StV 2007, 72, 73; zweifelnd Senat NJW 2001, 2557). Solche immateriellen Folgen sind grundsätzlich auch bei Vermögensdelikten denkbar (BGH NStZ 1995, 492; wistra 2002, 21), so dass insoweit auch der Anwendungsbereich des § 46a Nr. 1 StGB eröffnet sein kann. Vorliegend hat das Landgericht jedoch zutreffend angenommen, dass es sich bei den Auslagen der potentiellen Opfer, um deren Ausgleich sich der Angeklagte bemüht hat, um materielle Schäden handelt, die unter § 46a Nr. 2 StGB fallen. Dem Angeklagten ging es hier nur um die Erstattung dieser Auslagen und damit um den Ausgleich von im Vermögen der Opfer eingetretenen Werteinbußen, nicht aber etwa um eine darüber hinausgehende Lösung eines durch die Straftat entstandenen Konflikts mit dem Tatopfer, der eines besonderen kommunikativen Prozesses bedurft hätte. Aus diesem Grund kommt hier ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht.
18
b) Dahinstehen kann daher, ob das Landgericht zutreffend einen kommunikativen Prozess zwischen dem Angeklagten und den Opfern verneint hat, da diese auf das Wiedergutmachungsangebot des Angeklagten in vier Fällen überhaupt nicht reagierten und sich in einem weiteren Fall lediglich hilfesuchend an das Gericht wandten. Dies könnte immerhin zweifelhaft sein, weilim Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB das ernsthafte Streben nach Wiedergutmachung genügt (vgl. BGH NJW 2001, 2557).
Becker Fischer Berger Krehl Ott

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 103/12
vom
22. Mai 2012
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
1. Auch bei einer gewerbsmäßigen Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben
nach § 373 AO in Millionenhöhe kommt eine zwei Jahre nicht überschreitende Freiheitsstrafe
nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in Betracht.
2. Sowohl beim Schmuggel nach § 373 AO wie auch bei der Steuerhinterziehung
nach § 370 AO ist es dabei ohne Bedeutung, ob die Millionengrenze durch eine einzelne
Tat oder erst durch mehrere gleichgelagerte Einzeltaten erreicht worden ist.
(Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71
und BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11).
BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12 - LG Hamburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gewerbsmäßigen Schmuggels u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwältin - beide in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten J. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 1. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in 32 Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten J. hat es des gewerbsmäßigen Schmuggels in 32 Fällen schuldig gesprochen und ihn unter Auflösung einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren aus einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. November 2010 und Einbeziehung der dieser zugrundeliegenden Einzelstrafen erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es wiederum zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten und den Straf- ausspruch beschränkten Revisionen. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg und führen - bei unwirksamer Rechtsmittelbeschränkung - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt.

I.

3
1. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lassen sich noch folgende Feststellungen entnehmen:
4
Die Angeklagten importierten „im bewussten und arbeitsteiligen Zusam- menwirken“ und „mit Unterstützung der gesondert Verfolgten Z. und L. “ sowie, um sich eine zusätzliche Einkommensquelle zu verschaffen, Mobiltelefone und MP-Player aus der Volksrepublik China nach Deutschland und veräußerten „diese Unterhaltungselektronik“ (UA S. 12) in Deutschland sodann über Inter- netplattformen. Bei der Einfuhr gestellten sie die elektronischen Geräte nicht, sondern meldeten lediglich Tarnware an und verkürzten dadurch Einfuhrumsatzsteuer und Zoll. Die auf die Veräußerung der Geräte anfallende Umsatzsteuer wurde ebenfalls nicht angemeldet.
5
a) Zum gewerbsmäßigen Schmuggel
6
In einem Fall im Februar 2009 sowie in 30 Fällen im Januar und Februar 2010 (Fälle 1 bis 31 der Urteilsgründe) führten die Angeklagten Mobiltelefone (nachgebaute IPhones) aus der Volksrepublik China per See- oder Luftfracht nach Deutschland ein, ohne die jeweils anfallende Einfuhrumsatzsteuer (in Hö- he von rund 205.000 €) zu entrichten. Die Mobiltelefone waren in funktionslose Netzteile verpackt und wurden beim Zoll entsprechend als Netzteile deklariert. Die Einfuhr erfolgte - mit Ausnahme eines den Februar 2009 betreffenden Falles - über eine in Hamburg ansässige D. GmbH, „deren Geschäftsführer ein Zh. war“ (UA S. 13) und für die der Angeklagte G. Büroräume angemietet, ein Konto in China eröffnet und Bestellungen in China vorgenommen hat.
7
Im Februar 2009 (Fall 26 der Urteilsgründe) erfolgte die Einfuhr der Mobiltelefone über eine ebenfalls in Hamburg ansässige Firma O. GmbH, deren zunächst formeller (vgl. UA S. 12) und sodann faktischer Geschäftsführer (vgl. UA S. 14) der Angeklagte J. war. Die O. GmbH „war Teil einer von China aus handelnden Vertriebsorganisation für den europäischen Raum“ (UA S. 10). Der AngeklagteJ. und der gesondert Verfolgte Z. „veranlassten die Überweisungen der aus den Verkäufen verein- nahmten Entgelte nicht nur auf das Firmenkonto …, sondern zur Verschleierung der Geldflüsse“ auch auf Konten „von Strohleuten aus der Bekanntschaft des Z. “ (UA S. 10). Für diese Firma war der Angeklagte G. seit Anfang des Jahres 2007 zunächst von China aus tätig; er kaufte dort „insbesonde- re Maniküreartikel und Hundehalsbänder“ (UA S. 12). Ende Mai 2009 kam der Angeklagte G. , der zuvor in Deutschland drei Semester Volkswirtschaft studiert hatte und sich auch in der Zwischenzeit immer wieder für kurze Zeit in Deutschland aufhielt, dauerhaft nach Deutschland. Für die O. GmbH übernahm er zunächst nur Empfang und Weiterversand der Mobil- telefone, später „auch die Lagerverwaltung“ (UA S. 13). Für diese Tätigkeit er- hielt der Angeklagte G. 2.100 € monatlich brutto, nicht jedoch eine ihm zunächst in Höhe von bis zu 20 % des Gewinns zugesagte Provision.
8
Des Weiteren führten die Angeklagten in einem nicht festgestellten Zeitraum entweder über die O. GmbH oder die D. GmbH („Empfänger unbekannt“, UA S. 16; „Import der Waren erfolgte insbesondere, und bezüglich der hier abgeurteilten Taten ausschließlich, über die O. GmbH … und die D. GmbH“, UA S. 12) und in nicht festgestelltem Umfang („Anzahl unbekannt“, UA S. 16) MP- Player aus der Volksrepublik China nach Deutschland ein, ohne hierfür Ein- fuhrumsatzsteuer und Zoll „zu entrichten“ (UA S. 12). Hierdurch sei ein „Schaden EUSt inkl. Zollsatz 2 %“ in Höhe von 1.000.501,61 € abzüglich eines 10%igen Sicherheitsabschlags entstanden (UA S. 16). Der Schadensberech- nung hat die Kammer „die Berechnung des Zolls (Anlage 2 der Anklageschrift) zugrunde gelegt. … Diese Berechnung des Zolls war für die Kammer hinrei- chend detailliert und nachvollziehbar“ (UA S. 22).
9
b) Zur Umsatzsteuerhinterziehung
10
Die Geräte wurden in Deutschland über Internetplattformen an Endkunden veräußert, ohne dass dann die auf die ausgeführten Lieferungen anfallende Umsatzsteuer angemeldet wurde. Dies war bereits Gegenstand eines früheren Strafverfahrens gegen den Angeklagten J. . Weil dieser Angeklagte Umsätze der genannten Art in den für die O. GmbH abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2009 sowie Januar bis März 2010 verschwieg und für das Jahr 2008 entgegen der ihm bekannten Verpflichtung keine Umsatzsteuerjahreserklärung abgab (er verkürzte hierdurch Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 819.858,89 €), wurde er vom Landgericht Hamburg mit Urteil vom 12. November 2010 - rechtskräftig seit Juli 2011 - zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
11
Nach den Feststellungen im hier gegenständlichen Verfahren unterstützte der Angeklagte G. den Angeklagten J. bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer dadurch, dass er die Lagerverwaltung übernahm und sein Konto in China zur Verfügung stellte, was J. zusätzlich ein Gefühl der Sicherheit vermittelte; dabei wusste und wollte G. , dass die elektroni- schen Geräte verkauft werden und die hierfür anfallende Umsatzsteuer „nicht abgeführt“ wird (UA S. 18; Fall 33 der Urteilsgründe).
12
2. Das Landgericht hat die Fälle 1 bis 32 der Urteilsgründe bei beiden Angeklagten als gewerbsmäßigen Schmuggel (§ 373 Abs. 1 AO) gewertet. Eine bandenmäßige Begehungsweise hat es dagegen verneint, weil „tragende Feststellungen zu einer Bandenstruktur mitsamt Bandenabrede“(UA S. 24) nicht hätten getroffen werden können. Den Fall 33 der Urteilsgründe, der lediglich den Angeklagten G. betrifft, hat das Landgericht als einheitliche Beihilfe zu den beim Angeklagten J. bereits im November 2010 abgeurteilten 16 Taten der Umsatzsteuerhinterziehung gewertet.
13
3. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht die Fälle 1 bis 32 der Urteilsgründe für beide Angeklagte jeweils als minder schwere Fälle des Schmuggels im Sinne von § 373 Abs. 1 Satz 2 AO angesehen. Es hat dafür jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, eine solche von acht Monaten und im Übrigen Geldstrafen zwischen 90 und 120 Tagessätzen verhängt.
14
Im Fall 33 der Urteilsgründe (Beihilfe des Angeklagten G. zur Umsatzsteuerhinterziehung) hat das Landgericht der Strafzumessung den gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zugrunde gelegt und gegen den Angeklagten G. eine Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt.
15
Strafmildernd hat das Landgericht bei beiden Angeklagten jeweils ein umfassendes und beim Angeklagten G. ein auch von Reue getragenes Geständnis berücksichtigt, was zu einer erheblichen Verkürzung der Hauptverhandlung beigetragen habe, sowie den Umstand, dass den Angeklagten hinsichtlich der Schmuggeltaten eine untergeordnete Rolle zukam und sie nicht Initiatoren waren, zudem die von ihnen als Erstverbüßer erlittene Untersuchungshaft und eine besondere Haftempfindlichkeit. Zugunsten der Angeklagten hat das Landgericht jeweils auch gewertet, dass sie keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hatten, der aber (lediglich) in Höhe von rund 12.000 € berech- tigt gewesen wäre. Zu Lasten der Angeklagten hat das Landgericht berücksich- tigt, dass ein „erheblicher Schaden entstanden“ sei.
16
Zugunsten des Angeklagten G. hat das Landgericht auch dessen Unbestraftheit sowie den Umstand gewertet, dass dieser Angeklagte außer einem „Gehalt in Höhe von 2.100 € brutto“ keine finanziellen Vorteile aus den Taten erlangt habe.
17
Zugunsten des Angeklagten J. hat das Landgericht weiterhin be- rücksichtigt, dass er zur Tatzeit nur unwesentlich bestraft war. „Insbesondere“ sei auch die lange Verfahrensdauer zugunsten des Angeklagten J. zu bewerten, der sich „über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr … der Ver- folgung durch die Staatsanwaltschaft ausgesetzt“ sah, „obwohl es sich- insbe- sondere, aber nicht nur, für ihn - um die gleiche Angelegenheit handelte und er mit Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht im November 2011 davon ausgehen konnte, dass dieser Lebensabschnitt damit für ihn abge- schlossen war“ (UA S. 29).
18
Bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe betreffend den Angeklagten J. hat das Landgericht „insbesondere“ berücksichtigt, dass dieser sich „in dem vorliegenden Verfahren das zweite Mal gerichtlich verantworten muss- te, obwohl es sich bei den Fällen 1 bis 32 und der vorangegangenen Verurteilung um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelt, der im Hinblick auf den Angeklagten nicht zusammen in einem Verfahren angeklagt, sondern unnatür- lich in zwei verschiedene Verfahren von der Staatsanwaltschaft aufgespalten wurde“ (UA S. 30).

II.

19
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt, weil die knappen und lückenhaften , dadurch unklaren und zudem widersprüchlichen Urteilsgründe keine hinreichende Grundlage für die Prüfung eines Rechtsfolgenausspruchs bieten. Angesichts solcher Feststellungen ist auch die Beschränkung der Rechtsmittel auf den Strafausspruch unwirksam.
20
1. Die Urteilsgründe sind unklar, lückenhaft und widersprüchlich.
21
Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass die Angeklagten Mobiltelefone und MP-Player nach Deutschland einführten, ohne die jeweils anfallende Einfuhrumsatzsteuer (und Zoll) „zu entrichten“ und „diese Unterhaltungselektronik … unter Umgehung der Umsatzsteuer“ veräußerten (UA S. 12), ist es er- kennbar davon ausgegangen, dass es sich bei den geschmuggelten und den weiterverkauften Elektronikgegenständen jeweils um die nämliche Ware aus dem Einfuhrschmuggel handelt. Diese Annahme steht jedoch mit den vom Landgericht der Entscheidung zugrunde gelegten Tatzeitpunkten, soweit solche überhaupt festgestellt wurden, im Widerspruch.
22
Nach den - insoweit aus der vorangehenden, rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten J. entnommenen - wiedergegebenen Urteilsfest- stellungen war die Umsatzsteuer aus dem Weiterverkauf der „geschmuggelten“ Elektronikgegenstände bereits im Zeitraum zwischen dem Jahr 2008 und März 2010 hinterzogen worden. Da andererseits nach den Urteilsfeststellungen die Mobiltelefone - mit Ausnahme einer Einfuhr im Februar 2009 - erst im Januar und Februar 2010 nach Deutschland eingeführt wurden, bleibt unklar, inwieweit der Umsatzsteuerhinterziehung die Lieferung von Waren zugrunde liegen konnte , auf die sich die ausgeurteilten Schmuggeltaten beziehen. Die im Jahr 2010 eingeschmuggelten Elektronikgeräte konnten jedenfalls nicht bereits vorher an Abnehmer in Deutschland ausgeliefert worden sein.
23
Für die MP-Player hat das Landgericht keine Feststellungen zum konkreten Einfuhrzeitpunkt innerhalb des vom Landgericht angenommenen Gesamttatzeitraums vorgenommen. Es begnügt sich vielmehr mit der Mitteilung eines anzunehmenden Gesamtschadens und der Angabe eines Verkaufspreises an deutsche Endkunden, ohne auch nur ansatzweise sonstige Besteuerungsgrundlagen mitzuteilen (zu den Anforderungen an die Urteilsdarstellungen in Steuerstrafsachen vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11; BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, wistra 2009, 398). Es kann - wie auch die Ausführungen des Generalbundesanwalts belegen - lediglich vermutet werden, dass es ganz oder teilweise die in Fall 32 der Urteilsgründe genannten MP-Player waren, die Gegenstand der Umsatzsteuerhinterziehung gewesen sein könnten. Auf eine bloße Vermutung kann eine Verurteilung indes nicht gestützt werden (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 5 StR 456/92, BGHR StPO § 261 Vermutung 11).
24
Die Strafkammer wäre freilich nicht gehindert gewesen, tragfähige Feststellungen auf ein nach ihrer Überzeugung glaubwürdiges Geständnis zu stützen , sofern die Feststellungen - wozu sich das Urteil jedoch ebenfalls nicht verhält - Gegenstand eines Geständnisses hätten sein können (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10). Selbst wenn Angeklagte den Anklagevorwurf nur knapp einräumen, darf das Gericht dem freilich auf seine Zuverlässigkeit geprüften Geständnis Glauben schenken und Feststellungen darauf stützen (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 2 StR 156/98, NStZ 1999, 92). Auch kann, wenn das Tatgericht von einem strafbaren Verhalten des Täters überzeugt ist, die Bestimmung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung erfolgen , namentlich wenn sich Feststellungen auf andere Weise nicht treffen lassen , etwa weil über die kriminellen Geschäfte keine Belege oder Aufzeichnungen vorhanden sind (BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 283/09, wistra 2010, 148; BGH, Urteil vom 12. August 1999 - 5 StR 269/99, wistra 1999, 426). Eine solche Schätzung nimmt die Strafkammer hier indes gerade nicht vor, vielmehr stützt sie sich auf eine als Anlage der Anklageschrift beigefügte Schadensberechnung. Abgesehen davon, dass die Strafkammer allein durch die Bezugnahme auf das Ergebnis von Dritten gefertigter Steuer- oder Zollberechnungen den der Berechnungsdarstellung zukommenden Aufgaben nicht entsprechen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11), wird der Inhalt der Berechnungsdarstellung nicht mitgeteilt und ist somit der Prüfung durch das Revisionsgericht entzogen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - 5 StR 17/06, NStZ 2007, 478).
25
Der Widerspruch bezüglich der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang hinsichtlich der ausgeurteilten 16 Taten der Umsatzsteuerhinterziehung - hinsichtlich derer sich die Feststellungen auf den Umfang der in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen pflichtwidrig nicht angemeldeten Umsätzen beschränken - und der 32 Fälle des gewerbsmäßigen Schmuggels Warenidentität bestand, lässt sich auch nicht aus dem weiteren Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe heraus beseitigen. Die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung, dass allein im Fall 26 der Urteilsgründe eine entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für zuvor eingeführte Gegenstände abzugsfähig gewesen wäre, in anderen Fällen der Import „für die D. GmbH“ (UA S. 27) erfolgt sei oder aber - im Fall 32 der Urteilsgründe - gar nicht feststellbar sei, für welche Gesellschaft die Waren eingeführt worden waren, legen die Nämlichkeit der Waren ebenfalls nur zugrunde, ohne diese zu belegen.
26
2. Schon die aufgezeigten Mängel müssen hier zur Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung und zur Aufhebung des gesamten Urteils mit den Feststellungen führen. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
27
a) Eine - hier sogar ausdrücklich erklärte - Beschränkung eines Rechtsmittels allein auf den Rechtsfolgenausspruch ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359,364). Die in der Regel gegebene Trennbarkeit zwischen Schuld- und Strafausspruch ist jedoch - ausnahmsweise - zu verneinen, wenn die Schuldfeststellungen eine getrennte Überprüfung des angefochtenen Urteils nicht ermöglichen, ohne dass der nicht angefochtene Teil mitberührt würde. Dies ist hier - wie aufgezeigt - jedoch der Fall, weil die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar und zudem widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1993 - 3 StR 334/93, NStZ 1994, 130; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 318 Rn. 16 mwN).
28
b) Dies bedingt zugleich die Aufhebung des Urteils insgesamt. Zwar erfordert ein lediglich den Schuldumfang betreffender Rechtsfehler regelmäßig nicht die Aufhebung auch des Schuldspruchs, da sich die Verurteilung jedenfalls im Ergebnis rechtfertigt (Kuckein in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 13 mwN). So lässt es bei Steuerhinterziehung den Schuldspruch grundsätzlich unberührt, wenn lediglich der Verkürzungsumfang, etwa durch eine fehlerhafte Schätzung, unrichtig bestimmt ist, die Verwirklichung des Tatbestandes aber sicher von den Feststellungen getragen wird (vgl. BGH, Be- schluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, wistra 2007, 345). Der Schuldspruch ist hier jedoch aufzuheben, weil - insbesondere mit Blick auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG - wesentliche Modalitäten zu dem auch den Schuldumfang determinierenden Tathergang unklar bleiben (hierzu vgl. Kuckein in Karlsruher Kommentar , StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 18 mwN) und dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu geben ist, eine Entscheidung ohne Bindung an die bisherigen - widersprüchlichen - Feststellungen zu treffen (hierzu vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juni 1996 - 4 StR 680/95, NStZ-RR 1997, 72, 73).

III.

29
Die Erwägungen zur Strafzumessung im angefochtenen Urteil geben dem Senat Anlass, für den - angesichts der Geständnisse der Angeklagten zum Tatablauf naheliegenden - Fall eines erneuten Schuldspruchs durch den neuen Tatrichter Folgendes anzumerken:
30
1. Die Annahme minder schwerer Fälle des Schmuggels gemäß § 373 Abs. 1 Nr. 2 AO scheidet bei einer Hinterziehung von Einfuhrabgaben in großem Ausmaß regelmäßig aus. Dies ergibt sich aus Folgendem:
31
Bei Schmuggel gemäß § 373 AO handelt es sich um einen Qualifikationstatbestand gegenüber dem Grundtatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO). Liegen Qualifikationsmerkmale - wie etwa gewerbsmäßiges Handeln - nicht vor, ist die Hinterziehung von Einfuhrabgaben eine Steuerhinterziehung. Denn gemäß § 3 Abs. 3 AO sind Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes Steuern im Sinne der Abgabenordung. Sind in einem solchen Fall durch eine Tat Einfuhrabgaben in großem Ausmaß (hierzu zuletzt BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11) verkürzt, liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung vor, bei dem ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet ist. Dieser Strafrahmen entspricht dem des Schmuggels nach § 373 AO.
32
Tritt ein Merkmal hinzu, das die Tat zum Schmuggel qualifiziert - etwa Gewerbsmäßigkeit (§ 373 Abs. 1 AO) - entfaltet der Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO, wenn er ohne das qualifizierende Merkmal anzuwenden wäre, eine Sperrwirkung. Deswegen kommt bei einem Schmuggel „in großem Ausmaß“ ein minder schwerer Fall mit einem auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe verminderten Strafrahmen (§ 373 Abs. 1 Satz 2 AO) allenfalls in besonderen Ausnahmefällen noch in Betracht.
33
Ein solcher Ausnahmefall liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn - wie hier vom Landgericht festgestellt - der Schmuggel in organisierten Vertriebsstrukturen stattgefunden hat. Denn nach der Intention des Gesetzgebers soll der mildere Strafrahmen für minder schwere Fälle eine angemessene Bestrafung des bandenmäßigen Schmuggels z.B. in Fällen, die nicht der typischen organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, ermöglichen (BT-Drucks. 16/5846, S. 174 ff.).
34
2. Aus dem Umstand, dass es sich beim Schmuggel um einen Qualifikationstatbestand der Steuerhinterziehung handelt, folgt zudem, dass die Rechtsprechung zur Strafzumessung bei Hinterziehung in Millionenhöhe auch auf Schmuggeltaten Anwendung findet. Demnach kommt eine (aussetzungsfähige) Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren auch bei Schmuggel gemäß § 373 AO nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht. Dabei ist es für den Unrechtsgehalt ohne Bedeutung, ob die Millio- nengrenze durch eine einzelne oder mehrere Taten erreicht worden ist und ob eine Gesamtstrafe zu bilden ist.
35
a) Für die Strafzumessung in Fällen der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem am 3. Mai 2011 (BGBl. I, 676) in Kraft getretenen Schwarzgeldbekämpfungsgesetz aufgegriffen und gebilligt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11), Folgendes:
36
Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sieht in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung ) in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. Dieses nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbeispiels „in großem Ausmaß“ ist dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag (bei einem „Griff in die Kasse des Staates“ ) 50.000 € übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ bei 100.000 € (vgl. zusammenfassend BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11, NJW 2012,

1015).

37
Der in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist bei hohen Hinterziehungsbeträgen im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen, gleichviel ob dieser Betrag durch eine einzelne Tat hervorgerufen wurde oder durch eine Serie gleichgelagerter Taten, selbst wenn jede für sich genommen die Grenze zum großen Ausmaß nicht überschreitet. Schon bei der Einzelstrafbemessung ist nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Schaden entscheidend, sondern auch die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221). Es ist ferner - zumal bei der Bildung einer Gesamtstrafe aus so gebildeten Einzelstrafen - die Wertung des Gesetzgebers zu beachten, dass bei Überschreiten zur Grenze des „großen Ausmaßes“ eine Freiheitsstrafe von nicht unter sechs Monaten schuldangemessen ist, bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe demzufolge nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein kann. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe - also bei einem Gesamthinterziehungsumfang, der die Millionengrenze überschreitet - kommt eine aussetzungsfähige, also eine zwei Jahre nicht überschreitende Freiheitsstrafe regelmäßig nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 mwN, BGHSt 53, 71, zuletzt bestätigt in BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, NJW 2012, 1458).
38
b) Diese Grundsätze sind auch in Fällen des Schmuggels gemäß § 373 AO anzuwenden.
39
Zwar ist § 373 AO ein selbständiger Qualifikationstatbestand zu § 370 Abs. 1 AO. Mit der dies klarstellenden Fassung des § 373 AO durch Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen und zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I, 3198) wurde aber zugleich - mit Wirkung zum 1. Januar 2008 - der Strafrahmen des gewerbsmäßigen, gewaltsamen oder bandenmäßigen Schmuggels erhöht und an den Strafrahmen der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 AO angepasst. Eine Regelung für besonders schwere Fälle des § 373 AO oder eine Verweisung auf den Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO und damit auch die Notwendigkeit, für besonders schwere Fälle des § 373 AO den Strafrahmen der Strafzumessungsregel in § 370 Abs. 3 AO zu entnehmen, wurde dadurch entbehrlich (vgl. BT-Drucks. 16/5846, S. 174 ff.). Wenn aber allein eine gewerbsoder bandenmäßige Begehung regelmäßig einen sechs Monate übersteigenden Strafrahmen eröffnet, kann durch eine zugleich verwirklichte Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben „in großem Ausmaß“ im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung zu § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO regelmäßig keine geringere Freiheitsstrafe verwirkt sein. Demzufolge kann entsprechend den Wertungen des Gesetzgebers auch bei einer gewerbsmäßigen Hinterziehung von Einfuhroder Ausfuhrabgaben in Millionenhöhe eine zwei Jahre nicht überschreitende Freiheitsstrafe regelmäßig nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht kommen.
40
c) Die bislang getroffenen Feststellungen belegen derartige Milderungsgründe nicht.
41
Ein solcher kann sich insbesondere nicht daraus ergeben, dass der Angeklagte J. bereits im November 2010 wegen Taten der Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt wurde und sich nun einem weiteren Strafverfahren ausgesetzt sah. Der Umstand, dass sich bei einem diesen Taten vorgelagerten (Einfuhr -) Schmuggel aus Sicht der Angeklagten gegebenenfalls um einen Teil einer einheitlichen Gesamthinterziehungsstrategie gehandelt hat, führt weder zu einem Strafklageverbrauch, noch schafft er einen Vertrauenstatbestand, der einer gesonderten Verfolgung eines der Umsatzsteuerhinterziehung vorgelagerten Schmuggels entgegenstehen würde. Sofern bei beiden Taten die nämliche Ware betroffen ist, kann dies - wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen - lediglich dazu führen, dass der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs für Einfuhrum- satzsteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist.
42
Auf der Grundlage der - allerdings widersprüchlichen - Feststellungen kann auch aus dem Verfahren und dessen Dauer ein Strafmilderungsgrund nicht erblickt werden. Zwar stellt die belastende Wirkung einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer (als Folge der Tat für den Täter) einen allgemeinen Milderungsgrund dar (BGH, Beschluss vom 22. Januar 1992 - 3 StR 440/91, NStZ 1992, 229; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, NJW 2012, 1458). Eine solche ist aber im Urteil ebenso wenig festgestellt wie Umstände, die beim Angeklagten J. ein schutzwürdiges Vertrauen hätten begründen können, mit der Verurteilung vom 12. November 2010 hätte es sein Bewenden. Eine nach den Ausführungen im Urteil zum Verfah- rensgang, namentlich zur „unnatürlichen“ Aufspaltung der Verfahren durchdie Staatsanwaltschaft hier zu besorgende Annahme des Landgerichts, es sei an eine bei außerhalb des von § 257c StPO vorgegebenen Rahmens geführten Gesprächen in Aussicht gestellte Strafobergrenze gebunden (die sich für das erkennende Gericht überdies nur auf den zu seiner Kognition gestellten Sachverhalt beziehen könnte), könnte gegebenenfalls sogar schon für sich den Bestand eines Urteils gefährden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11). Erst recht wäre der neue Tatrichter an solche Gespräche - sollten sie geführt worden sein - nicht gebunden.
43
Auch könnte es den Angeklagten G. nicht entlasten, dass er - sofern auch das neue Tatgericht zu entsprechenden Feststellungen gelangen sollte - über einen monatlichen Bruttolohn von 2.100 € hinaus keine weiteren Vorteile erzielt hat. Denn für gewerbsmäßiges Handeln genügt bereits die Absicht , sich durch wiederholte Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen (vgl. die Nachweise bei Jäger in Klein, AO, 11. Aufl., § 373 Rn. 16). Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war das Tätigwerden des Angeklagten G. hier sogar auf eine Gewinnbeteiligung von bis zu 20 % ausgerichtet.
44
Ebenso wenig stellt der durch Untersuchungshaft erlittene Freiheitsentzug bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe wegen der vollen Anrechenbarkeit nach § 51 StGB einen strafmildernd zu berücksichtigenden Nachteil für den Angeklagten dar (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/ 06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21).
45
d) Die Grundsätze zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in großem Ausmaß bzw. in Millionenhöhe sind auch dann zu beachten, wenn lediglich - wie vom Landgericht hier bei dem Angeklagten G. angenommen - eine einheitliche Beihilfe zu einer Mehrzahl von Fällen der Steuerhinterziehung in Betracht kommt. Übersteigt in einem solchen Fall der Gesamtverkürzungsumfang der durch die Beihilfe geförderten Haupttaten die Betragsgrenze des Regelbeispiels Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, muss deshalb das Tatgericht ausgehend von einer Gesamtwürdigung erörtern, ob im Rahmen der Strafzumessung statt des gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 370 Abs. 1 AO von dem gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten (erhöhten) Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO oder dem nicht gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO auszugehen ist.
46
3. Das neue Tatgericht wird auch Gelegenheit haben, zu prüfen, ob das Tatgeschehen bei der Einfuhr der Elektronikartikel (auch) den Tatbestand eines bandenmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 2 Nr. 3 AO) erfüllt, was angesichts der bisherigen Feststellungen zur organisierten Vertriebsstruktur nahe liegt. Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 532/12
vom
10. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
27. Juni 2013, in der Sitzung am 10. Juli 2013, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 27. Juni 2013 -
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 27. Juni 2013 -
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 29. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Untreue in drei Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf mehrere Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen. Mit auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft die unterbliebene tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in zwei Fällen.
2
Die Revisionen der Angeklagten führen auf eine Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten waren im Hochseeschleppergeschäft tätig und betrieben ab dem Jahr 2005 den Bau der drei Hochseeschlepper T. , J. und U. . Eigentümerinnen der Schlepper sollten sog. Einschiffsgesellschaften - jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG - werden, die als Publikumsgesellschaften konzipiert waren. In Umsetzung dieses Vorhabens erwarben die Angeklagten Vorratsgesellschaften, die aufgrund von Gesellschaftsverträgen vom 4. März 2005 in die T. GmbH & Co. KG sowie vom 26. September 2005 in die J. GmbH & Co. KG bzw. die U. GmbH & Co. KG umfirmiert wurden. Die Angeklagten waren Geschäftsführer und - neben anderen - Mitgesellschafter der am 10. März 2005 gegründeten, in allen drei Einschiffsgesellschaften als Komplementärin fungierenden AHT GmbH und zugleich als Kommanditisten an den Einschiffsgesellschaften beteiligt.
5
Bereits am 5. Januar 2005 - „noch im Gründungsstadium und vor Beitritt weiterer Gesellschafter“- hatte die „ T. GmbH & Co. KG in Gründung“- vertreten durch die H. GmbH, deren Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter die Angeklagten waren - einen Vertrag über den Bau des Hochseeschleppers T. mit einem Konsortium bestehend aus der M. w. GmbH und der M. AG abgeschlossen. Am 10. August 2005 folgten die Vertragsabschlüsse der „ J. GmbH & Co. KG in Gründung“ bzw. der „ U. GmbH & Co. KG in Gründung“ mit dem Konsortium hinsichtlich der Schlepper J. und U. .
6
Den Vertragsabschlüssen waren Ende des Jahres 2004 Gespräche der Angeklagten mit dem früheren Mitangeklagten E. vorausgegangen, der bei der M. AG als Leiter der Abteilung „… “ für den Bau von Hochseeschleppern und Tankern zuständig war. Dabei waren die Angeklagten und E. übereingekommen, dass als Gegenleistung für die Erteilung der Bauaufträge an jeden der beiden Angeklagten 750.000 € je Schiff fließen sollten. E. sollte 500.000 € je Schiff für die organisatorische Umsetzung der Vereinbarung erhalten. Mittels dieser Vereinbarung gelang es E. , die Aufträge über den Bau der Schlepper für das Konsortium zu sichern und potentielle Konkurrenten für die Herstellung der Schiffe auszustechen.
7
Um der Vereinbarung einen unverfänglichen Anstrich zu geben, schlossen die Angeklagten mit dem Konsortium M. w. GmbH / M. AG mehrere „Memoranda of Understanding“, die auf Seiten des Konsortiums von E. unterzeichnet wurden, obwohl er nicht über eine Einzelvertretungsbefugnis für das Konsortium verfügte. Inhalt der „Memoranda of Under- standing“ war zum einen die Verpflichtung desKonsortiums zur Zahlung von 750.000 € je Schiff - deklariert als „owner’s discount“ - an jeden der beiden An- geklagten. Zum anderen sollte die M. w. GmbH nach Abschluss ei- nes „finder’s fee agreement“ 500.000 €je Schiff an ein zwischengeschaltetes Unternehmen zahlen, das den Betrag nach Abzug einer Provision in Höhe von 25.000 € an E. weiterleiten sollte.
8
In Umsetzung der Vereinbarung wurden in die internen Kostenkalkulationen des Konsortiums für die Herstellung der Schlepper Leerpositionen aufgenommen bzw. reale Positionen gezielt zu hoch angesetzt und so der Betrag von 2 Mio. € je Schiff, der an die Angeklagten und E. fließen sollte, auf den von den Einschiffsgesellschaften zu zahlenden Werklohn aufgeschlagen.
9
Bei Errichtung der Gesellschaftsverträge der Einschiffsgesellschaften am 4. März 2005 bzw. 26. September 2005 ließen sich die Angeklagten die zuvor abgeschlossenen Schiffsbauverträge von den (übrigen) Gesellschaftern der jeweiligen Kommanditgesellschaft genehmigen, ohne diesen gegenüber die mit E. getroffene Schmiergeldabrede offengelegt zu haben.
10
Kurz vor Fertigstellung der Schlepper T. im April 2007 sowie J. im Oktober 2007 und U. im April 2008 wurden die vereinbarten Beträge von den Angeklagten bzw. für E. gegenüber der M. w. GmbH in Rechnung gestellt und von dieser auch beglichen.
11
Weder durch die Angeklagten noch durch E. waren Leistungen an die Einschiffsgesellschaften oder an das Konsortium erbracht worden, die diese Zahlungen rechtfertigten. Die Angeklagten verwendeten die ihnen zugeflossenen Beträge zur Leistung ihrer Kommanditeinlagen in die Einschiffsgesellschaften.
12
Der gesamte Werklohn einschließlich des darin enthaltenen Schmiergeldanteils von 2 Mio. € pro Schiff wurde nach Übergabe der Schlepper im Auftrag der Angeklagten von der jeweiligen Einschiffsgesellschaft an die M. AG zur Auszahlung gebracht.
13
Im Zeitpunkt der Fertigstellung der Schlepper und Zahlung des Werklohns hielten die Angeklagten sowie die von ihnen als Geschäftsführer der Komplementär-GmbHvertretene T. H. GmbH & Co. KG insgesamt 65 % der Kommanditanteile der jeweiligen Einschiffsgesellschaft , die verbleibenden 35 % der Anteile hielten angeworbene Kommanditisten. Die Komplementärin der Einschiffsgesellschaften, die AHT GmbH, deren Geschäftsführer und - neben anderen - Mitgesellschafter die Angeklagten waren, war weder am Vermögen noch am Gewinn und Verlust der Einschiffsgesellschaft beteiligt, für die Kommanditisten war eine Gewinn - und Verlustbeteiligung im Verhältnis ihrer Einlage vereinbart.
14
2. Das Landgericht hat das Geschehen als Untreue in drei Fällen gewertet (Fall 3.2.2. T. , Fall 3.2.3. J. , Fall 3.2.4. U. ). Den Vermögensnachteil i.S.v. § 266 StGB hat es darin gesehen, dass die drei Einschiffsgesellschaften auf Veranlassung der Angeklagten den Werklohn für die Schlepper T. , J. und U. jeweils in voller Höhe an das Konsortium auszahlten, obwohl die zugrunde liegenden Verträge im Hinblick auf die Schmiergeldabrede in einem Umfang von 2 Mio. € sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB und damit teilnichtig gewesen seien. Einen Vermögensnachteil hat das Landgericht nur angenommen, soweit die Kommanditanteile der angeworbenen Kommanditisten betroffen waren, und hat diesen unter Zugrundelegung der festgestellten Beteiligungsquote von 35 % auf 700.000 € je Schiff beziffert.
15
3. Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB hat das Landgericht mit der Begründung verneint, die Angeklagten seien zu keinem Zeitpunkt Angestellte oder Beauftragte der jeweiligen Einschiffsgesellschaften oder deren Komplementär-GmbH gewesen und damit als Betriebsinhaber keine tauglichen Täter.

II.

16
Die Revisionen der Angeklagten haben bereits mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
17
Die Angeklagten beanstanden zu Recht, das Landgericht habe in seine Beweiswürdigung eine nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführte Urkunde einbezogen und damit seine Überzeugung von der Schuld der Angeklagten unter Verstoß gegen § 261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft.
18
1. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von dem „Schmiergeldcha- rakter“ der Zahlungenan die Angeklagten, denen keine von den Angeklagten erbrachten vergütungsfähigen Leistungen zugrunde lagen, auch auf den mit dem Finanzamt H. im Zusammenhang mit einem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft geführten Schriftverkehr, der jedoch nur teilweise ordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde.
19
Zwar wurde ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls in der Sitzung vom 17. Januar 2012 das Antragsschreiben der Wirtschaftsprüfungs- u. Steuerberatungsgesellschaft vom 1. Dezember 2005 verlesen (Blatt 1848 der Sachakten). Darin wurde dem Finanzamt H. als Grundlage seiner Entscheidung über die Erteilung der verbindlichen Auskunft u.a. mitgeteilt, dass die Konzeption und die Bauaufsicht des bestellten Schiffs Teil der Bereederungstätigkeit seien, zu der sich die T. H. GmbH & Co. KG vertraglich gegenüber der Einschiffsgesellschaft verpflichtet habe, und dass diese Tätigkeit nach dem Willen der Beteiligten einen Wert von 500.000 € darstelle. Darüber hinaus werde durch die Werft an die Angeklagten als Gesellschafter jeweils ein Betrag von 500.000 € als Provision bezahlt (UA S. 50). In die Beweiswürdigung hat das Landgericht unter auszugsweiser Wiedergabe im Wortlaut und unter Bezugnahme auf die konkrete Aktenfundstelle jedoch auch das Antwortschreiben des Finanzamts H. vom 6. Dezember 2005 einbezogen. Darin unterscheide das Finanzamt entsprechend den Darstellungen im Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zwischen den Themenkomplexen Vergütung für Bauaufsicht und Konzeption an den Vertragsreeder einerseits sowie Provisionszahlungen an die Angeklagten andererseits, für die nach dem Wortlaut des Antwortschreibens „eine Leistung seitens dieser Beteiligten (d.h. der Angeklagten) an die Werft nicht vorliege“ (UA S. 51).
20
2. In der Einbeziehung der Urkunde in die Beweiswürdigung liegt ein Verstoß gegen § 261 StPO, wonach die Überzeugungsbildung des Tatgerichts aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen ist.
21
a) Eine förmliche Verlesung des Antwortschreibens des Finanzamts H. vom 6. Dezember 2005 gemäß § 249 Abs. 1 StPO erfolgte nicht, wie insoweit durch das Schweigen des Hauptverhandlungsprotokolls belegt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2000 - 2 StR 190/00, NStZ-RR 2001, 18 f. mwN). Ein Verstoß gegen § 261 StPO wäre ungeachtet dessen aber nur dann bewiesen, wenn auszuschließen wäre, dass der Inhalt des Schriftstücks in anderer zulässiger Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 111/01). Von einem Ausschluss einer anderweitigen Einführung des herangezogenen Beweismittels ist vorliegend auszugehen.
22
b) Die Angeklagten haben mit ihren Revisionen vorgetragen, der Inhalt der Urkunde sei auch nicht in sonstiger prozessordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1990 - 3 StR 314/89, BGHR StPO § 344 Abs. 2 S. 2 Urkunden 1; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99 u.a., NJW 2005, 1999, 2001 f. mwN), und haben sich dabei mit allen naheliegenden Möglichkeiten der Einführung, insbesondere dem Vorhalt an die beiden als Zeugen gehörten Steuerberater, die das Antragsschreiben an das Finanzamt verfasst hatten, auseinandergesetzt.
23
Diesen Vortrag der Angeklagten sieht der Senat als erwiesen an. Die Staatsanwaltschaft ist dem Revisionsvorbringen in ihrer Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) nicht entgegengetreten, sondern hat den Revisionsvortrag hinsichtlich des Verfahrensablaufs ausdrücklich als richtig und vollständig bezeichnet. Auch das Tatgericht hat sich zu keiner dienstlichen Erklärung über einen anderen als den mit den Revisionen vorgetragenen Verfahrensablauf veranlasst gesehen. Für den Senat besteht angesichts dieser Umstände keine Veranlassung, die Richtigkeit des Revisionsvorbringens in tatsächlicher Hinsicht durch ihm an sich mögliche freibeweisliche Ermittlungen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 1998 - 1 StR 67/98, NStZ-RR 1999, 47; Urteil vom 13. Dezember 1967 - 2 StR 544/67, BGHSt 22, 26, 28; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99 u.a., NJW 2005, 1999, 2003) zu überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06, NJW 2006, 3362, und vom 22. November 2001 - 1 StR 471/01, NStZ 2002, 275, 276).
24
3. Ein Beruhen des Urteils auf dieser Verletzung des § 261 StPO lässt sich nicht ausschließen. Die Angeklagten haben sich dahingehend eingelassen, die an sie geflossenen Beträge seien als Vergütung für die von ihnen übernommene Bauaufsicht sowie für Leistungen im Bereich von Konzeption und Design der Schlepper gezahlt worden. Das Landgericht hat diese Einlassung aufgrund einer Gesamtwürdigung für widerlegt erachtet und die geflossenen Beträge als Schmiergeldzahlungen angesehen. Dabei hat es als gewichtiges Indiz im Rahmen der Beweiswürdigung gewertet, dass nach der Beurteilung des Finanzamts H. anlässlich der Erteilung einer verbindlichen Auskunft in dem fraglichen Schreiben den Zahlungen an die Angeklagten keine Leistungen zugrunde lagen.
25
4. Dieser Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts. Eines Eingehens auf die weiteren erhobenen Rügen bedarf es daher nicht.

III.

26
Die vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Fälle 3.2.3. (J. ) und 3.2.4. (U. ) der Urteilsgründe beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft , mit denen die unterbliebene tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB beanstandet wird, bleiben ohne Erfolg.
27
Obwohl sich die Feststellungen des Tatgerichts zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen bei Abschluss der Werkverträge hinsichtlich der Schlepper J. und U. am 10. August 2005 aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen als in Teilen widersprüchlich erweisen, hat das Landgericht dennoch im Ergebnis zu Recht eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB verneint. Denn ungeachtet des sich auf die Bezeichnung der Komplementär-GmbH der in die Vorgänge eingebundenen Kommanditgesellschaften beziehenden Widerspruchs liegen die Voraussetzungen des § 299 Abs. 1 StGB auf der Grundlage der ansonsten umfassenden Feststellungen für die beiden Angeklagten nicht vor.
28
Zwar enthalten die Feststellungen Anhaltspunkte dafür, dass zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb des durch die verfahrensgegenständlichen Taten (§ 264 StPO) erfassten Sachverhalts ein Fordern, Sich-versprechenLassen oder Annehmen eines Vorteils und damit Verhaltensweisen seitens der Angeklagten vorlagen, die an sich als tatbestandsmäßiges Verhalten gemäß § 299 Abs. 1 StGB in Betracht kommen. Auch ist das Konsortium aus M. w. GmbH und M. AG gegenüber anderen Wettbewerbern bei der Vergabe der Aufträge für den Bau der Hochseeschlepper bevorzugt worden. Eine Strafbarkeit der Angeklagten scheidet jedoch aufgrund folgender Erwägungen aus:
29
1. Als die Angeklagten Ende des Jahres 2004 mit dem früheren Mitangeklagten E. die Vereinbarung über die Zahlung von 750.000 € je Schiff als Gegenleistung für die Auftragsvergabe an das Konsortium trafen und damit Vorteile forderten bzw. sich versprechen ließen, waren diese (noch) keine tauglichen Täter i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB.
30
Der Tatbestand beschränkt den Täterkreis ausdrücklich auf Angestellte und Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes, so dass die Vorteilsannahme des Betriebsinhabers hinsichtlich seines eigenen Betriebes vom Tatbestand nicht erfasst wird (vgl. BGH, GrS, Beschluss vom 29. März 2012 - GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 211 mwN). Da der Tatbestand bereits mit dem Fordern, Sichversprechen -Lassen oder Annehmen des Vorteils vollendet ist (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 299 Rn. 21), muss die Stellung als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes und damit als tauglicher Täter des Sonderdelikts § 299 Abs. 1 StGB im Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen.
31
Daran fehlt es hier. Als die Angeklagten Ende des Jahres 2004von E. als Gegenleistung für die später geplante Auftragsvergabe an das Konsortium einen Vorteil forderten bzw. sich von ihm versprechen ließen und damit mit diesem der Sache nach eine Unrechtsvereinbarung (dazu Rogall in SK-StGB, 8. Aufl. [Stand: März 2012], § 299 Rn. 56) schlossen, waren sie (noch) keine Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebs. Weder die später durch Umfirmierung aus den Vorratsgesellschaften hervorgegangenen Einschiffsgesellschaften noch die später als Komplementär-GmbH fungierende AHT GmbH existierten zu diesem Zeitpunkt. Die Angeklagten waren vielmehr als gemeinsam handelnde Alleingesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Betriebsinhaber (vgl. Fischer, aaO, § 299 Rn. 8a; Dannecker in NK-StGB, 4. Aufl., § 299 Rn. 27; Heine in Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., § 299 Rn. 7) anzusehen.
32
Werden an sich unter die Tathandlungen des Forderns bzw. Sichversprechen -Lassens fassbare Verhaltensweisen vor der Begründung der erforderlichen Tätereigenschaft vorgenommen, handelt es sich nicht um straftatbestandsmäßiges Verhalten (vgl. Fischer, aaO, § 331 Rn. 24b zu der entsprechenden Konstellation bei § 331 StGB).
33
2. Auch unter dem Gesichtspunkt der zeitlich der Unrechtsvereinbarung und der Bevorzugung des Konsortiums durch Auftragsvergabe an dieses nachfolgenden Annahme eines Vorteils durch die Vereinnahmung der 750.000 € im Oktober 2007 für den Schlepper J. bzw. im April 2008 für den Schlepper U. ergibt sich keine Strafbarkeit der Angeklagten aus § 299 Abs. 1 StGB.
34
a) Zwar waren die Angeklagten entgegen der Auffassung des Landgerichts zum Zeitpunkt der Annahme des Vorteils als Geschäftsführer der Komplementärin AHT GmbH, an der neben den Angeklagten noch weitere Gesellschafter beteiligt waren, taugliche Täter des § 299 Abs. 1 StGB (vgl. Corsten, Einwilligung in die Untreue sowie in die Bestechlichkeit und Bestechung, 2011, S. 330 f.; anders für Fälle des geschäftsführenden Alleingesellschafters der Komplementär-GmbH Fischer, aaO, § 299 Rn. 8a; Heine in Schönke/Schröder, aaO, § 299 Rn. 7; Dannecker in NK-StGB, aaO, § 299 Rn. 21; Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 10; Bürger wistra 2003, 130, 132).
35
b) § 299 Abs. 1 StGB setzt jedoch grundsätzlich eine Unrechtsvereinbarung dergestalt voraus, dass der Vorteil als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung angenommen wird (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 200/10, wistra 2010, 447). Daran fehlt es hier. Die Unrechtsvereinbarung mit E. schlossen die Angeklagten bereits Ende des Jahres 2004 (oben II.1.). Die Auftragsvergabe an das Konsortium schloss sich im Jahr 2005 an. Die von den Angeklagten im Oktober 2007 bzw. im April 2008 vereinnahmten Zahlungen stellen sich angesichts dieser zeitlichen Abläufe ausschließlich als Belohnung für in der Vergangenheit gewährte Bevorzugungen dar.
36
c) Die Annahme eines Vorteils für derartige in der Vergangenheit liegende Bevorzugungen wird nur dann ausnahmsweise von § 299 Abs. 1 StGB erfasst , wenn diese Bevorzugungen bereits Gegenstand einer Unrechtsvereinbarung waren (Fischer, aaO, § 299 Rn. 13; Rogall, aaO, § 299 Rn. 61; Momsen in Beck-OK/StGB, § 299 Rn. 13; Bannenberg, in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl., 10. Kap. Rn. 100; zu den konkurrenzrechtlichen Verhältnissen vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 200/10, wistra 2010, 447, 449; Urteil vom 13. Oktober 1994 - 1 StR 641/93, wistra 1995, 61). Dieser Ausnahmefall verlangt aber, dass die vorangegangene Unrechtsvereinbarung ihrerseits tatbestandsmäßig i.S.v. § 299 Abs. 1 StGB gewesen ist. Dementsprechend muss derjenige, der den Vorteil als Gegenleis- tung für die erfolgte Bevorzugung angenommen hat, bereits zum Zeitpunkt der früheren Unrechtsvereinbarung tauglicher Täter einer Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 StGB) sein. Die Unrechtsvereinbarung drückt das im Gesetz angelegte Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der durch den Vorteilsnehmer zu gewährenden Bevorzugung und dem vom Vorteilsgeber zuzuwendenden Vorteil aus. Angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Beschränkung des Kreises gemäß § 299 Abs. 1 StGB tauglicher Täter auf Angestellte und Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes kann auf das Vorliegen der Tätereigenschaft bereits im Zeitpunkt der Unrechtsvereinbarung grundsätzlich nicht verzichtet werden.
37
An der Tätereigenschaft der Angeklagten im Zeitpunkt der mit E. bereits Ende des Jahres 2004 getroffenen Abrede fehlte es jedoch.

IV.

38
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
39
Soweit der neue Tatrichter wiederum zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei den Zahlungen an die Angeklagten um Schmiergeldzahlungen handelte , denen keine vergütungsfähigen Leistungen der Angeklagten zugrunde lagen und dass dementsprechend der von den Einschiffsgesellschaften zu zahlende Werklohn zur Verschleierung dieser Schmiergeldzahlungen sowie der Zahlungen an E. überhöht angesetzt wurde, gibt der Senat bezüglich des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils gemäß § 266 StGB Folgendes zu bedenken:
40
1. In Fällen, in denen die Schmiergeldzahlungen zugunsten der Geschäftsführer durch Erhöhung der Zahlungsverpflichtungen auf die vertretene Gesellschaft verlagert werden, liegt ein strafrechtlich relevanter Vermögens- nachteil i.S.v. § 266 StGB regelmäßig bereits darin, dass der geleisteten Zahlung in Höhe des auf den Preis aufgeschlagenen Betrages, der lediglich der Finanzierung des Schmiergeldes dient, keine Gegenleistung gegenübersteht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 314 mwN; Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 332 f. mwN). Sollte der neue Tatrichter zu der Einordnung der an die Angeklagten und den früheren Mitangeklagten E. geflossenen Zahlungen als Schmiergelder gelangen, würde nach dem vorstehend Ausgeführten die Vermögensminderung in Gestalt der Begleichung der Werklohnforderungen in ihrer jeweiligen Gesamthöhe seitens der Einschiffsgesellschaften nicht in vollem Umfang durch die Erlangung von Eigentum und Besitz an den Hochseeschleppern wirtschaftlich ausgeglichen.
41
Angesichts dessen käme es auf die zivilrechtliche Teilnichtigkeit der Verträge über die Herstellung der Hochseeschlepper, auf die das erste Tatgericht den Vermögensnachteil unter dem Aspekt des (teilweisen) Ausbleibens der Befreiung der Einschiffsgesellschaften von einer Verbindlichkeit gestützt hat, nicht an. Eine auf Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) gestützte Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit kann zwar eintreten, wenn ein aufgrund einer Schmiergeldabrede zustande gekommener Vertrag gerade wegen dieser Abrede zu einer für den Geschäftsherrn nachteiligen Vertragsgestaltung geführt hat (BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - VII ZR 132/07, BGHZ 141, 357, 361 mwN). Selbst wenn aber von zivilrechtlich wirksamen Verträgen auszugehen wäre, käme ein Vermögensnachteil aus dem im vorstehenden Absatz genannten Grund in Betracht.
42
2. a) Allerdings kann im Rahmen von § 266 StGB eine Schädigung des Vermögens einer Kommanditgesellschaft nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich zu einem straftatbestandsmäßigen Vermögensnachteil führen, als sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter „be- rührt“ (vgl. zuletzt BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38 f. mwN, und vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733; siehe auch Fischer, StGB, 60. Aufl., § 266 Rn. 113; Schünemann in LKStGB , 12. Aufl., § 266 Rn. 262 f. jeweils mwN). Diese in der Strafrechtswissenschaft gelegentlich kritisierte (etwa Soyka, Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften , 2008, S. 96 ff.; Grunst BB 2001, 1537, 1538; siehe auch Brand, Untreue und Bankrott in der KG und GmbH & Co. KG, 2010, S. 213 f., 331 f.) Rechtsprechung steht vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsform von Personenhandelsgesellschaften wie der Kommanditgesellschaft einerseits sowie Kapitalgesellschaften als juristische Personen andererseits. Zwar ist die Kommanditgesellschaft eine rechtsfähige Personengesellschaft i.S.v. § 14 Abs. 2 BGB (siehe nur K. Schmidt, in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Band 2, § 105 Rn. 7; Oetker in Oetker, HGB, 3. Aufl., § 161 Rn. 3; siehe auch BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 347), die gemäß § 124 Abs. 1 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann. Die Rechtsfähigkeit der Kommanditgesellschaft in dem vorgenannten Sinne und die damit einhergehende zivilprozessuale Parteifähigkeit (§ 50 ZPO; siehe auch BGH, aaO, S. 348 ff.) bringen eine Rechtsstellung mit sich, die der Selbstständigkeit einer juristischen Person in weitem Umfang entsprechen mag (Koller in Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl., § 124 Rn. 1).
43
Dessen ungeachtet ist die Kommanditgesellschaft - anders als die Kapitalgesellschaften - aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade keine juristische Person (BGH, aaO, S. 347; siehe auch BGH, Urteil vom 24. Januar 1990 - IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127, 128; zustimmend etwa Oetker , aaO, § 161 Rn. 3 mwN; insoweit ebenso Brand, aaO, S. 137 f.; aA etwa Raiser AcP 199 [1999], S. 104 ff.; zum Ganzen auch K. Schmidt, Festschrift Beuthien, 2009, S. 211 ff., 223 f.). An diesen Unterschied knüpft die von den Strafsenaten vorgenommene Auslegung des Vermögensnachteils im Sinne von § 266 StGB bei vermögenschädigendem Verhalten zu Lasten von Kommanditgesellschaften an, wonach auch auf die Auswirkungen des tatbestandsmäßigen Verhaltens auf die Vermögen der Gesellschafter abzustellen ist.
44
b) Dem Letztgenannten entsprechend kommt einem Einverständnis der jeweiligen Gesellschafter mit der Beeinträchtigung des Vermögens Bedeutung für das Vorliegen eines Vermögensnachteils und dessen Höhe zu (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39 mwN; und vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3735). Der bisherige Tatrichter hat daher, soweit die Gesellschaftsanteile der Angeklagten und der von den Angeklagten als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH vertretenen T. & H. GmbH & Co. KG betroffen sind, zutreffend wegen deren Einverständnis die Annahme eines Vermögensnachteils insoweit ausgeschlossen (BGH, jeweils aaO).
45
c) Bei den verbleibenden Kommanditisten der jeweiligen Einschiffsgesellschaften können dagegen Vermögensnachteile i.S.v. § 266 StGB eingetreten sein. Diese haben sich mit der Zahlung von Schmiergeldern an die Angeklagten und den früheren Mitangeklagten E. nicht einverstanden erklärt.
46
aa) Angesichts der Anknüpfung des Vermögensnachteils an das Vermögen der das vermögensschädigende Verhalten nicht konsentierenden Gesellschafter kann bei der Bemessung der den Schuldumfang bestimmenden Höhe des Vermögensnachteils grundsätzlich auf deren Gesellschafteranteile im Verhältnis zur Gesamteinlage abgestellt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39, und vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3735; im rechtlichen Ausgangspunkt ebenso BGH, Urteil vom 17. März 1987 - 5 StR 272/86, wistra 1987, 216; Seier in Achenbach/Ransiek, HWSt, 3. Aufl., 5. Teil, 2. Kap., Rn. 351; ausführlicher Soyka, aaO, S. 64 f.). Maßgeblich für die Bestimmung des Vorliegens eines Vermögensnachteils - hier bezogen auf die Vermögen der Kommanditisten abgesehen von den Angeklagten selbst sowie von der T. H. GmbH & Co. KG - ist ein auf den Zeitpunkt der vermögensschädigenden Handlung des Täters bezogener Vermögensvergleich (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39 Rn. 15; siehe auch BVerfGE 126, 170, 213 mwN). Spätere Entwicklungen, wie etwa Schadensvertiefung oder Schadensausgleich, berühren den tatbestandlichen Schaden nicht (BGH, aaO, mwN).
47
bb) Die strafrechtlich auf den Zeitpunkt der vermögensschädigenden Handlung i.S.v. § 266 StGB zu beziehende Beurteilung der Herbeiführung eines Vermögensnachteils und dessen Höhe kann, was den relevanten Zeitpunkt betrifft , nicht durch handelsrechtliche Regelungen über die Gewinn- und Verlustverteilung innerhalb einer Kommanditgesellschaft (§§ 167 ff. HGB) überlagert werden. Zukünftige Entwicklungen des betroffenen Vermögens im Hinblick auf den Wert der Geschäftsanteile von Gesellschaftern können strafrechtlich lediglich insoweit von Bedeutung sein, als deren Berücksichtigung mit den dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG unterworfenen straftatbestandsmäßigen Anforderungen des Vermögensnachteils gemäß § 266 StGBzulässig ist (zur Bedeutung von Art. 103 Abs. 2 GG dafür BVerfGE 126, 170, 213 ff.). Von Verfassungs wegen sind die Strafgerichte bei der Auslegung des Merkmals des Vermögensnachteils gemäß § 266 Abs. 1 StGB gehalten, den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach zu beziffern und diesen in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise im Urteil darzulegen (BVerfGE 126, 170, 211 und 216).
48
cc) Nach diesen Grundsätzen war es in dem angefochtenen Urteil nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter den bei den geschädigten Kommanditisten eingetretenen Vermögensnachteil - ausgehend von einem Schmiergeldanteil an dem gezahlten Werklohn in Höhe von 2 Mio. € je Hochseeschlepper - anhand der Höhe der Einlage der Kommanditisten (§ 167 Abs. 2, § 169 Abs. 1 HGB; zur Terminologie K. Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Band 3 §§ 171, 172 Rn. 5) in Relation zur Gesamteinlage aller Gesellschafter bestimmt hat. Eine solche Bestimmung der Höhe des Vermögensnachteils bei Schädigungen zu Lasten von Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft ist auch bislang bereits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs akzeptiert worden (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 - 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 40 Rn. 20, und vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733,3735; siehe auch Soyka, aaO, S. 64 f.). Sie ermöglicht eine Bezifferung des in den Gesellschaftervermögen eingetretenen Nachteils und trägt auch den handelsrechtlichen Regelungen über die Gewinn- und Verlustverteilung bei der Kommanditgesellschaft ausreichend Rechnung.
49
(1) Der Bemessung des in den Vermögen der einzelnen Gesellschafter eintretenden Nachteils liegt die Erwägung einer anteiligen Verteilung der in der Höhe feststehenden Schmälerung des Gesellschaftsvermögens - hier in Gestalt der (verborgenen) Schmiergeldzahlungen - auf die Anteilseigner zugrunde. Dies entspricht der grundsätzlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung des Vermögensnachteils gemäß § 266 StGB (vgl. BVerfGE 126, 170, 206). Bei einer (angenommenen) Inhaberschaft des Gesellschaftsvermögens durch die Kommanditgesellschaft selbst bestünde kein Zweifel, dass aus deren Vermögen geleistete Schmiergeldzahlungen in voller Höhe zu einem entsprechenden Nachteil führen. Denn in Höhe des Schmiergeldes ist dem Gesellschaftsvermögen keine wertentsprechende Gegenleistung zugeflossen. Lediglich ein wirk- sames Einverständnis der vermögensdispositionsbefugten Gesellschafter könnte einen solchen Nachteil (bzw. die ihn verursachende Pflichtwidrigkeit der Schädigungshandlung) ausschließen.
50
(2) Der wirtschaftlich nicht ausgeglichene Abfluss von Vermögensbestandteilen aus der Kommanditgesellschaft wirkt sich auf die Vermögen der Kommanditisten aus. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Umfang der Beteiligung des Gesellschafters richtet sich bei den Personenhandelsgesellschaften OHG und Kommanditgesellschaft grundsätzlich an der Höhe der Einlage und damit über den Vermögensanteil, der den Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen meint (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 47 III.1.a S. 1381, § 53 III 5.a S. 1544 f.), aus. Die Gewinn- und Verlustverteilung unter den Gesellschaftern bestimmt sich bei der Kommanditgesellschaft nach den §§ 167 ff. HGB i.V.m. § 120 HGB. Grundlage der Gewinn- und Verlustverteilung ist der sog. Kapitalanteil (vgl. § 167 Abs. 2 HGB), bei dem es sich um eine Rechnungsziffer handelt, die den Wert der jeweiligen wirtschaftlichen Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck bringt (Priester in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Band 2, § 120 Rn. 84 mwN). Vorbehaltlich der konkreten gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung bestimmt sich der Ausgangswert dieses Kapitalanteils anhand des Wertes der eingebrachten Einlage (vgl. Priester, aaO, § 120 Rn. 94). Der rechnerische Wert der wirtschaftlichen Beteiligung des Gesellschafters wird durch den Wert des Gesellschaftsvermögens beeinflusst. Gewinne der Gesellschaft werden nach der gesetzlichen Regelung bis zu der von § 167 Abs. 2 HGB bestimmten Höhe seinem Kapitalanteil zugeschrieben. An den Kapitalanteil des Kommanditisten sind regelmäßig seine prozentuale Beteiligung am Gewinn, sein Gewinnbezugsrecht und sein Stimmrecht geknüpft (vgl. Grunewald, in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Band 3, § 167 Rn. 19 i.V.m. Rn. 14; siehe auch Soyka, aaO, S. 84 f.). Die den Kapitalanteil eines Kommanditisten betreffenden Buchungen werden auf einem Kapitalkonto geführt (Grunewald, aaO). Weist dieses Kapitalkonto zu dem für die Bestimmung des Vermögensnachteils maßgeblichen Zeitpunkt einen positiven Stand auf, sind die Gesellschaftervermögen der Kommanditisten unmittelbar wirtschaftlich nachteilig betroffen, weil die daran geknüpften vermögensrechtlich relevanten Rechte entweder verringert oder - bei Verkürzung des ohne die schädigende Handlung eintretenden Gewinns - nicht erhöht werden (Soyka, aaO, S. 85).
51
Die Bezifferung des auf die betroffenen Kommanditisten entfallenden Vermögensnachteils kann daher - wie durch das bisherige Tatgericht erfolgt - anhand der Höhe der jeweiligen Einlage erfolgen. Wie ausgeführt bestimmen diese die Beteiligung der Gesellschafter u.a. am Gewinn der Kommanditgesellschaft.
52
(3) Der neue Tatrichter wird daher bei der Bestimmung der Höhe der eingetretenen Vermögensnachteile bei den Kommanditisten zu prüfen haben, ob deren Kapitalkonten im Zeitpunkt der schädigenden Handlung einen positiven Stand aufwiesen. Wahl Graf Jäger Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 8 1 / 1 3
vom
18. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Februar 2014 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Rostock vom 6. August 2013 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht
allein im Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation
einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen
rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (BGH, Urteil vom
27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135). Die Kompensationsentscheidung
des Landgerichts Rostock aus dem Urteil vom 10. Juni
2011 war mithin bereits rechtskräftig, so dass die nunmehr zur Ent-
auf das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 StPO zu einer abweichenden
Entscheidung nicht berufen war.
Becker Hubert Schäfer
Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 250/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1
Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im
Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur
revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 - LG Hannover
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Februar 2009 im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben; der Ausspruch entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen besonders schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als verbüßt gelten. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten , auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe zu Unrecht einen Teil der verhängten Strafe als vollstreckt angesehen. Das trotz des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Revisionsbegründung wirksam auf den Kompensationsausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09) Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Die angefochtene Kompensationsentscheidung kann nicht bestehen bleiben; denn ihr steht die auch insoweit eingetretene Teilrechtskraft des in die- sem Verfahren zuvor ergangenen landgerichtlichen Urteils vom 15. Februar 2008 entgegen.
3
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 15. Februar 2008 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision hatte der Angeklagte unter anderem mit einer Verfahrensrüge einen Verstoß gegen Art. 6 MRK geltend gemacht, weil das Verfahren durch unzureichende Ermittlungen des Aufenthalts der Geschädigten durch die Polizeibehörden rechtsstaatswidrig verzögert worden sei; dies habe das Landgericht im Urteil feststellen und festlegen müssen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation als vollstreckt gelte. Der Generalbundesanwalt hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ausgeführt , die dargestellte Verfahrensrüge sei weder in der erforderlichen Form erhoben noch in der Sache begründet. Mit einer weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandung hatte der Angeklagte gerügt, dass ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit gerichteter Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Auf diese Rüge hatte der Senat mit Beschluss vom 7. August 2008 (3 StR 274/08) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB unterblieben war aufgehoben sowie die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision hatte er verworfen.
5
Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht das nunmehr von der Staatsanwaltschaft im Kompensationsausspruch angegriffene Urteil erlassen.
Die nach seiner Ansicht gegebene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es damit begründet, dass die Polizeibehörden während des Ermittlungsverfahrens den Aufenthaltsort der Geschädigten nicht intensiv genug ermittelt hätten.
6
2. Das Landgericht durfte die angefochtene Kompensationsentscheidung nicht treffen. Hierzu gilt:
7
Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 32). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach der Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Wohlers in SK-StPO § 354 Rdn. 87). Hieraus folgt etwa, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Tatfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird und weitere Rechtsfolgen, auf die das Tatgericht erkannt hat, von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind. Dies richtet sich nach den für die Rechtsmittelbschränkung geltenden Grundsätzen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 8) und kann etwa der Fall sein bei Einziehungs- (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98 Rdn. 5) sowie Unterbringungsanordnungen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1980, 454 f.; NStZ 1982, 483) oder sonstigen Maßregeln wie der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Juli 1983 - 3 StR 215/83 Rdn. 4 ff.). Maßgebend für den Umfang der Aufhebung ist die Formulierung im Urteilstenor bzw. der Beschlussformel der revisionsgerichtlichen Entscheidung. Die Aufhebung des Strafausspruchs betrifft regelmäßig nur die Strafe, die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs die gesamten Rechts- folgen der Tat (vgl. Kuckein aaO Rdn. 21 m. w. N.; weitergehend für § 76 a StGB aF noch BGHSt 14, 381, 382).
8
Nach diesen Maßstäben erfasst die Aufhebung allein des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht; vielmehr tritt insoweit horizontale (Teil-)Rechtskraft ein. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung die übermäßige und von dem Angeklagten nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens bei der Strafzumessung berücksichtigt. Demgemäß umfasste damals die Aufhebung eines tatgerichtlichen Urteils im Strafausspruch auch die Frage der Kompensation eines rechtsstaatswidrigen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Jedoch hat der Große Senat für Strafsachen dieses sog. Strafabschlagsmodell mit seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 (BGHSt 52, 124) aufgegeben und es durch die sog. Vollstreckungslösung ersetzt. Danach ist der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nunmehr getrennt und unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmen. Er lässt die Frage des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe unberührt und stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. Meyer-Goßner aaO Art. 6 MRK Rdn. 9 a). Deshalb sind der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09 Rdn. 27). Hieraus folgt im Einzelnen:
9
Enthält ein landgerichtliches Urteil - wie hier die ursprüngliche Entscheidung der Strafkammer vom 15. Februar 2008 - keine Kompensationsentscheidung für eine bis zur Urteilsverkündung eingetretene Verzögerung, kann der Angeklagte, wenn er dies für rechtsfehlerhaft hält, sich hiergegen mit seiner Revision wenden. Zu diesem Zweck muss er grundsätzlich - wenn sich die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht bereits aus den Urteilsgründen ergibt und deshalb mit der Sachrüge zur Prüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden kann (vgl. BGHSt 49, 342) - eine Verfahrensrüge erheben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 50, 56). Dringt er wie hier mit seiner Beanstandung nicht durch, und hebt das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit auch nicht wegen einer erheblichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf eine zulässige Revision von Amts wegen auf (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 320), steht rechtskräftig fest, dass der Angeklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 MRK vor Ergehen der Revisionsentscheidung zu entschädigen ist. Gleiches gilt, wenn das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil neben dem Strafausspruch aufhebt, soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist; denn die Frage, ob eine solche Maßregel anzuordnen ist, berührt die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Es liegt zudem nahe, dass die vorgenannten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn der Angeklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat und für das Revisionsgericht auch sonst kein Anlass besteht, die Frage der Verfahrensverzögerung ausdrücklich in den Blick zu nehmen; denn diese Umstände sind für den Eintritt und die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich ohne Belang.
10
Dem neuen Tatrichter ist es deshalb verwehrt, dem Angeklagten nach der Teilaufhebung eines Urteils ausschließlich im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist allein wegen eines zeitlich vor der Entscheidung des Revisionsgerichts liegenden Verstoßes gegen Art. 6 MRK eine Entschädigung zuzusprechen; er hat vielmehr lediglich neu über die Strafzumessung und den Maßregelausspruch zu befinden. Daneben hat er, sofern hierzu Anlass besteht, allerdings zu prüfen und zu entscheiden, ob nach der Entscheidung des Revisionsgerichts eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten und zu kompensieren ist; denn der Umstand, dass eine Entschädigungspflicht wegen eines bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung gegebenen Verstoßes gegen Art. 6 MRK nicht besteht, schließt es nicht aus, dass eine Kompensation aufgrund einer erst danach aufgetretenen Verzögerung ausgesprochen werden kann. Diese Frage hat das Tatgericht nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BGHSt 52, 124, 146 ff.); demgemäß hat es bei seiner Bewertung das gesamte Verfahren und damit auch diejenigen Teile in den Blick zu nehmen, die vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen. Diese Gesamtbetrachtung ist ihm nicht deshalb verschlossen, weil bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Angeklagten allein aufgrund von Umständen, die zeitlich vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen, kein Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu gewähren ist.
11
Aus alldem ergibt sich, dass die nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur sog. Vollstreckungslösung ergangene teilweise Aufhebung des landgerichtlichen Urteils durch den Beschluss des Senats vom 7. August 2008 die Frage der Entschädigung des Angeklagten für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in der Zeit bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht betroffen hat; insoweit ist vielmehr (Teil-)Rechtskraft eingetreten. Das Landgericht durfte deshalb nach der Zurückverweisung der Sache nicht einen - vermeintlichen - Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Ermittlungsverfahren kompensieren. Der entsprechende Ausspruch muss somit entfallen; dies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entschieden.
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3. Der Senat hat deshalb nicht mehr in der Sache zu entscheiden, ob die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung tragen. Die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils geben jedoch Anlass zu bemerken, dass nicht jedes Versäumnis der Ermittlungsbehörden einen zu kompensierenden Verstoß gegen Art. 6 MRK zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese wie hier nicht völlig untätig waren und der Vorwurf allein dahin geht, sie hätten möglicherweise noch intensiver ermitteln können. Der Senat neigt dazu, in solchen Fällen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Kompensation von Verfahrensverzögerungen , die allein durch eine auf die Revision des Angeklagten erfolgte Aufhebung des tatgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache entstehen (vgl. BGH NStZ 2009, 104) - allenfalls bei ganz erheblichen, kaum verständlichen Ermittlungsfehlern in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne gravierende Versäumnisse hat das Landgericht nicht festgestellt. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 79/15
vom
25. November 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_____________________________
MRK Art. 6 Abs. 1
Die Höhe der Kompensation für eine hinsichtlich Art, Ausmaß und ihrer Ursachen
prozessordnungsgemäß festgestellte überlange Verfahrensdauer ist ein
zulässiger Verständigungsgegenstand.
BGH, Beschluss vom 25. November 2015 - 1 StR 79/15 - LG Mannheim
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2015:251115B1STR79.15.1
wegen Betrugs
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2015 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 12. September 2014 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Revision beanstandet eine Verletzung des § 257c StPO dadurch, dass die Höhe der Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zum Gegenstand der Verständigung gemacht worden sei. Allein dieses will sie zur revisionsrechtlichen Überprüfung stellen, wie ausdrücklich erklärt wird.
1. Die Revision trägt hierzu vor, dass auf ausdrücklichen Wunsch der Verteidiger, die „großen Wert darauf legten und darauf drängten, dass die Höhe der Kompensation zum Gegenstand einer Verständigung gemacht wurde“, Ver- ständigungsgespräche erfolgten. In diesen äußerte der Verteidiger des Angeklagten u.a. seine Vorstellung zur Strafe und zur Höhe der Kompensation; die Staatsanwaltschaft stellte letzteres in das Ermessen des Gerichts. Das Gericht gab an, seinen Vorschlag am nächsten Verhandlungstag unterbreiten zu wollen. In der Zwischenzeit trug die Verteidigung schriftlich zur Höhe der zu ge-
währenden Kompensation vor. Der gerichtliche Vorschlag lautete schließlich: „Die Kammer schlägt für den Fall eines glaubhaften Geständnisses des Ange- klagten H. eine Verständigung über eine zu verhängende Gesamtfreiheitsstrafe innerhalb eines Strafrahmens von 4 Jahren und 3 Monaten bis zu 4 Jahren und 9 Monaten vor. Für die eingetretene Verfahrensverzögerung in diesem Verfahren von 2 Jahren und 6 Monaten wird die Kammer 9 Monate als vollstreckt anrechnen. Die im Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22. März 2012 bereits angerechneten 3 Monate (wegen überlanger Verfahrensdauer im Verfahren des Landgerichts Offenburg) sowie weiteren 3 Monate (wegen geleisteter Zahlungen im Rahmen der Auflagenerfüllung) gelten zudem weiterhin als vollstreckt.“ Sodann wurden vom Gericht noch die Fälle benannt, in denen auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erfolgen soll, bevor die Belehrung des Angeklagten nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte. Dem Vorschlag stimmten Angeklagter, Staatsanwaltschaft und Verteidiger zu. Der Angeklagte machte anschließend Angaben zur Sache. Das Gericht hat ihn unter Einbeziehung weiterer rechtskräftiger Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, neun Monate hiervon wegen der langen Dauer des Verfahrens, drei Monate wegen der langen Dauer des Verfahrens vor dem Landgericht Offenburg und drei Monate für die Zahlungen auf die Bewährungsauflage des Landgerichts Offenburg für vollstreckt erklärt.
Die Revision meint, die Kompensation sei keine Rechtsfolge und somit kein zulässiger Gegenstand der Verständigung.
2. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob durch die Revision hinreichend dargetan ist, dass eine Verständigung gerade über die Höhe der Kompensation für überlange Verfahrensdauer erfolgt ist oder ob das Gericht mit der
Bekanntgabe der in Aussicht genommenen Kompensationshöhe den Angeklagten aus Fairnessgründen über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung bei der Verständigung informieren wollte, damit dieser eine autonome Entscheidung über seine Mitwirkung treffen konnte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, BGHSt 59, 172, 174).
3. Denn jedenfalls stellt es keinen Rechtsfehler dar, die Höhe der Kompensation für eine hinsichtlich Art, Ausmaß und ihrer Ursachen prozessordnungsgemäß festgestellte überlange Verfahrensdauer in die Verständigung einzubeziehen.

a) Nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO dürfen Gegenstand einer Verständigung nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO schließt hingegen den Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung als Gegenstand einer Verständigung aus.
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers können Verständigungsgegenstand u.a. grundsätzlich die Maßnahmen sein, über die das erkennende Gericht verfügen kann, somit Maßnahmen, die es im Erkenntnis treffen kann (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310, Anlage zu Nr. 8). Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung sollten hingegen nicht angetastet werden (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 67).

b) Danach erweist sich die Verständigung über Art und Ausmaß einer Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer als zulässiger Verständi-
gungsgegenstand (Moldenhauer/Wenske in KK-StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 15; Temming in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 5. Aufl., § 257c Rn. 23; Wenske, DRiZ 2011, 393, 395; vgl. hierzu auch Eschelbach in BeckOK-StPO, 23. Ed., § 257c Rn. 11.3, der zwar Bedenken anmeldet, diese aber an der als problematisch erachteten Vollstreckungslösung festmacht, die jedoch st. Rspr. entspricht; aA Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 257c Rn. 10 freilich ohne Begründung).
aa) Die tatsächlichen Grundlagen, aufgrund derer das Gericht Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen ermittelt hat, sind – ungeachtet der nicht mit dieser Angriffsrichtung erhobenen Rüge – nicht Verständigungsgegenstand gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht eine Verbindung zwischen der Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung oder deren Umfang mit dem Einlassungsverhalten des Angeklagten hergestellt oder diese Feststellung als bloße Honorierung sonstigen prozessualen Wohlverhaltens des Angeklagten behandelt hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14), ergeben sich weder aus dem vorgetragenen Verfahrensgeschehen noch aus dem vom Gericht unterbreiteten Verständigungsvorschlag. Zwar ist dem von der Revision vorgetragenen Schreiben der Verteidigung , welches an die Vorgespräche anknüpfte, zu entnehmen, dass das Gericht seine vorläufige Bewertung zu der sich aus den Akten ergebenden Dauer der Verzögerung, insbesondere des der Justiz zuzurechnenden Anteils, kundgetan und diese letztlich auch seinem Verständigungsvorschlag zugrunde gelegt hat. Das ist aber nicht zu beanstanden, vielmehr ist eine Klarstellung der materiellen Grundlagen der zu gewährenden Kompensation Voraussetzung für eine nachvollziehbare Bemessung derselben (vgl. zur strafzumessungsrechtlichen Bewertung des Anklagevorwurfs BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13 mit insoweit zust. Anm. Kudlich NStZ 2014, 284, 286).
Anders als in dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. Oktober 2010 – 2 StR 354/10 (JR 2011, 167) zugrunde lag, gab es kein gerichtliches „Angebot“ einer die tatsächlichen Grundlagen entbehrenden Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Lag es dort „auf der Hand, dass eine Art. 6 Abs. 1 MRK widersprechende Menschenrechts- verletzung nicht vorlag“ (BGH aaO; abl. auch Ignor in Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 257c Rn. 43), konnte hier angesichts des zwischen der ersten Anklage und der Eröffnungsentscheidung liegenden Zeitraums von annähernd 45 Monaten – auch unter Berücksichtigung von Phasen nicht der Justiz zuzurechnender Verzögerung – ein kompensationspflichtiger Konventionsverstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz des Art. 6 Abs. 1 MRK nicht zweifelhaft sein.
Dem entspricht es, dass die Urteilsgründe hinreichende Feststellungen zu Ausmaß und Ursachen der Verfahrensdauer zwischen den bis Mai 2008 begangenen Taten, der Bekanntgabe der Ermittlungen an den Beschuldigten durch eine Durchsuchung noch im Mai 2008, dem polizeilichen Schlussbericht im Juni 2010, der Anklage vom 2. September 2010 und dem Eröffnungsbeschluss vom 30. Mai 2014 sowie der am 8. Juli 2014 beginnenden Hauptverhandlung enthalten. Diese decken sich hinsichtlich des allein der Justiz anzulastenden Verzögerungszeitraums mit der vorläufigen Bewertung des Gerichts und folgen dem von der Verteidigung für zutreffend gehaltenen längeren Zeitraum nicht.
bb) Über die für eine überlange Verfahrensdauer – gegebenenfalls im Wege eines Vollstreckungsabschlags – zu gewährende Kompensation ist im Urteil zu entscheiden, es handelt sich um eine Rechtsfolge im Sinne des § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO. Es liegt auch kein Grund vor, diese Rechtsfolge
von der Verständigungsmöglichkeit auszunehmen, da die Pflicht zur Wahrheitserforschung und zur Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe hiervon unangetastet bleiben.
Die Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer dient dem Ausgleich eines durch die Verletzung eines Menschenrechts entstandenen objektiven Verfahrensunrechts; sie ist Wiedergutmachung und soll eine Verurteilung des jeweiligen Vertragsstaates wegen der Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verhindern (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 137; BGH, Beschluss vom 23. August 2011 – 1 StR 153/11, BGHR MRK Art. 6 Abs. 51 Verfahrensverzögerung 42; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412).
Die im Wege des sog. Vollstreckungsmodells vorzunehmende Kompensation als Erfüllung einer Art Staatshaftungsanspruch koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von Fragen des Tatunrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Sie richtet sich nicht nach der Höhe der Strafe. Auch das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14 und vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 5. Aufl., Rn. 770 ff.). Art und Höhe der Kompensation sind vielmehr an der Intensität der Beeinträchtigung des subjektiven Rechts des Betroffenen aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auszurichten. Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Ver-
zögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten, entscheidend (BGH, Beschlüsse vom 16. April 2015 – 2 StR 48/15 und vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138). Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Verfahrensdauer als solche sowie die damit verbundenen Belastungen des Angeklagten stets bereits strafmildernd im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, es bei der Rechtsfolgenbestimmung über die Kompensation nur mehr um einen Ausgleich gerade der rechtsstaatswidrigen Verursachung der Verzögerung geht (BGH, Beschlüsse vom 16. April 2015 – 2 StR 48/15; vom 5. August

2009

– 1StR 363/09, NStZ-RR 2009, 339 und vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138).
Eine nach diesen Maßstäben zu bestimmende Kompensation berührt nicht die Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung ; eine Verständigung insoweit, also die Erzielung eines Einvernehmens (vgl. hierzu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310, Anlage zu Nr. 8) stellt weder Gegenstand noch Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens zur Disposition der an der Verständigung Beteiligten (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a.; BVerfGE 133, 168).
Die Anerkennung von Art und Höhe der Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als Verständigungsgegenstand im Sinne des § 257c Abs. 2 StPO findet Bestätigung darin, dass die Zumessung einer Entschädigung aufgrund der Gewichtung von Belastungen üblicherweise dem Parteiprozess überantwortet ist und dort der Dispositionsmaxime unterliegt. Aus
dem Umstand, dass über die Entschädigung im Strafverfahren und im Wege des Vollstreckungsmodells, also durch eine faktische Abmilderung des Strafübels entschieden werden kann, ergibt sich wegen der Abkopplung von Unrecht und Schuld dann nichts anderes, wenn – wie hier – die Grundsätze strafrechtlicher Sachverhaltsaufklärung durch die Verständigung nicht berührt werden.
Graf Jäger Cirener Radtke Bär
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Zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von 14 Monaten genügt im vorliegenden Fall deren Feststellung. Die Verzögerung ist erst nach dem Eingang der Revisionsbegründung geschehen. Bereits am Tag der Urteilsverkündung ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten außer Vollzug gesetzt worden. Nach dem dargestellten Verfahrensablauf konnte sich eine den Angeklagten belastende Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens nur noch auf die Höhe einer Einzelgeldstrafe sowie der Gesamtfreiheitsstrafe beziehen; letztere war durch die Höhe der bereits rechtskräftig verhäng- ten Einzelstrafen weitgehend vorbestimmt. Zudem hat der Angeklagte bereits fast 23 Monate der Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund der Vollstreckung von Untersuchungshaft verbüßt (UA S. 23), so dass er keinen längerdauernden Freiheitsentzug mehr zu befürchten hatte.