Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2017 - XII ZR 6/17
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Gründe:
- 1
- 1. Der nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert von über 20.000 € ist nicht erreicht. Für die Räumungs- und Herausgabeklage berechnet sich der Wert der Beschwer nach § 8 ZPO. Beruft sich ein Nutzungsberechtigter gegenüber einer Kündigung auf Schutzregeln, die das Kündigungsrecht einschränken und ihm ein Recht zur Fortsetzung der Nutzung geben, so dauert die "streitige Zeit" im Sinne des § 8 ZPO vom Tag der Erhebung der Räumungsklage (hier: 13. Januar 2016) bis zu dem Zeitpunkt, den derjenige, der sich auf ein Nutzungsrecht beruft, als den für ihn günstigsten Beendigungszeitpunkt des Nutzungsvertrages in Anspruch nimmt (Senatsbeschluss vom 22. März 2006 - XII ZR 58/05 - juris Rn. 1 mwN). Hat er - wie im vorliegenden Fall - keinen festen Zeitpunkt genannt, so ist darauf abzustellen, was er bereits in erster Instanz vermutlich gewollt hat. Ergeben sich dafür keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte , so ist davon auszugehen, dass er zwar ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht für sich in Anspruch nimmt, dass der Zeitpunkt der Beendigung dieses Nutzungsrechts aber ungewiss ist. In einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung des Senats die "streitige Zeit" in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO zu bestimmen (Senatsbeschluss vom 14. April 2004 - XII ZB 224/02 - NZM 2004, 460 Rn. 5 mwN).
- 2
- 2. Im vorliegenden Fall währte die streitige Zeit nach dem Inhalt des Ursprungsvertrags bis zum bis 31. Dezember 2016 und wurde während des Rechtsstreits durch Ausübung der Verlängerungsoption vonseiten der Beklagten bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. Da die Ausübung einer weiteren Verlängerungsoption über diesen Zeitpunkt hinaus durch die Beklagte ungewiss ist, bemisst sich die für den Beschwerdewert maßgebliche Restlaufzeit vom 13. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2021. Die darauf entfallende Miete be- trägt nach § 8 ZPO höchstens (72 Monate x 95,20 €) = 6.854,40 €.
- 3
- Damit wird, selbst unter Hinzurechnung des von den Klägern angegebenen Aufwands für den weiter verlangten Rückbau (8.000 €) und ihrer im Wege der Widerklage erfolgten Verurteilung auf Erstattung von Anwaltskosten der Beklagten (887,03 €), der erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht. Dose Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Guhling
LG Passau, Entscheidung vom 08.08.2016 - 4 O 809/15 -
OLG München, Entscheidung vom 23.12.2016 - 32 U 3526/16 -
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2017 - XII ZR 6/17
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2017 - XII ZR 6/17
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2017 - XII ZR 6/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Der Beklagte mietete von der Rechtsvorgängerin des Klägers mit schriftlichem Vertrag vom 24. Juni 1987 eine Wohnung sowie mit schriftlichem Vertrag vom 24. November 1987 einen Tiefgaragenplatz. Der Mietzins für die Tiefgarage belief sich auf zuletzt 65 DM monatlich. Nach Erwerb der Mietobjekte im Wege der Zwangsversteigerung kündigte der Kläger das Mietverhältnis über die Tiefgarage mit Schreiben vom 23. Juni 2001 und verlangte die Räumung und Herausgabe. Die Räumungsklage wurde dem Beklagten am 19. Januar2002 zugestellt. Mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten berief sich der Beklagte darauf, daß der Mietvertrag über den Tiefgaragenplatz mit dem Mietvertrag über die Wohnung eine Einheit bilde und deshalb nur zusammen mit diesem beendet werden könne. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Räumung des Tiefgaragenstellplatzes sowie zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 122,71 € und 61,36 € wegen nicht rechtzeitiger Räumung verurteilt. Das Landgericht hat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 582,88 € festgesetzt und die Berufung mit der Begründung als unzulässig verworfen, die in § 511 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmte Berufungssumme von 600 € sei nicht erreicht. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde, mit der er geltend macht, die Berufungssumme habe mit dem Gebührenstreitwert nichts zu tun.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt. Bei der Prüfung dieser Frage hat das Berufungsgericht ersichtlich den von ihm auf 582,88 € festgesetzten Gebührenstreitwert zugrunde gelegt. Das war rechtsirrig. Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt sich die Höhe der Beschwer nicht nach § 16 GKG, sondern nach § 8 bzw. 9 ZPO (BGH, Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 7/94 - NJW-RR 1996, 316). Damit hat dasBerufungsgericht das Recht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren verletzt und den Zugang zur Rechtsmittelinstanz rechtswidrig erschwert (BVerfG, AnwBl 1996, 643). Dadurch kann das Vertrauen in die Rechtsprechung insgesamt gefährdet werden (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZR 75/02 - NJW 2002, 2957). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert deshalb die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der Beklagte hat geltend gemacht, daß der Mietvertrag zusammen mit dem Mietvertrag über die Wohnung eine Einheit bilde und deshalb nur mit diesem beendet werden könne. Beruft sich der Nutzungsberechtigte gegenüber einer Kündigung auf Schutzregeln, die das Kündigungsrecht einschränken und ihm ein Recht zur Fortsetzung der Nutzung geben, so dauert die "streitige Zeit" im Sinne des § 8 ZPO bis zu dem Zeitpunkt an, den der Nutzungsberechtigte als den für ihn günstigsten Beendigungszeitpunkt des Miet- oder Pachtvertrages in Anspruch nimmt. Hat er - wie im vorliegenden Fall - keinen festen Zeitpunkt genannt, so ist darauf abzustellen, was er bereits in erster Instanz vermutlich gewollt hat. Ergeben sich dafür keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte , so ist davon auszugehen, daß er zwar ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht für sich in Anspruch nimmt, daß der Zeitpunkt der Beendigung dieses Nutzungsrechts aber ungewiß ist. In einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung des Senats die "streitige Zeit" in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO zu bestimmen (BGH, Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 aaO; LG Wiesbaden WuM 2000, 617; Fischer in: Bub/Treier Kap. VIII Rdn. 127; vgl. auch BGH, Senatsurteil vom 1. April 1992 - XII ZR 200/91 - NJW-RR 1992,
1359). Damit ist als Beschwer der 3 ½-fache Jahresbetrag anzusetzen. Bei einer Monatsmiete von 65 DM übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes somit 600 €.
Hahne Sprick Wagenitz Fuchs Vézina
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.