Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2008 - XII ZR 103/07

bei uns veröffentlicht am05.11.2008
vorgehend
Amtsgericht Nürnberg, 103 F 2995/06, 25.01.2007
Oberlandesgericht Nürnberg, 7 UF 273/07, 27.06.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 103/07
vom
5. November 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 545 Abs. 2, § 621 Abs. 1 Nr. 5; EGZPO § 26 Nr. 9

a) Hat das Oberlandesgericht ein Verfahren (hier: durch ausdrückliche Bezeichnung
im Rubrum) als Familiensache qualifiziert, so ist der Bundesgerichtshof
gemäß § 545 Abs. 2 ZPO an diese Qualifikation mit der Folge gebunden
, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 9 EGZPO
unzulässig ist.

b) Eine Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (betr. die durch
Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht) kann auch dann vorliegen,
wenn die Ehegatten über eine von ihnen als eigenständig gewollte vertragliche
Unterhaltsregelung streiten. Entscheidend ist allein, ob die vertragliche
Regelung hinsichtlich der Voraussetzungen, des Umfangs und des Erlöschens
des Anspruchs die im gesetzlichen Unterhaltsrecht vorgegebenen
Grundsätze aufnimmt und - wenn auch unter vielleicht erheblicher Modifikation
- abbildet.
BGH, Beschluss vom 5. November 2008 - XII ZR 103/07 - OLG Nürnberg
AG Nürnberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2008 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Klinkhammer

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27. Juni 2006 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen. Wert: 28.214 €

Gründe:


I.

1
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Ehemann wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 19. April 2001 in Verbindung mit dem Urteil des 7. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 5. November 2001 zur Zahlung von nachehelichem Vorsorgeunterhalt verurteilt. Die Ehefrau droht aus diesen Urteilen und - hinsichtlich des Elementarunterhalts - aus einem Ehevertrag vom 18. Mai 1985 zu vollstrecken. In diesem Ehevertrag hatte sich der Ehemann wegen der darin u.a. geregelten Unterhaltspflicht der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Gegen die drohende Vollstreckung wendet sich der Ehemann mit der Vollstreckungsgegenklage.
2
Das Amtsgericht hat die Vollstreckung für unzulässig erklärt. Auf die Berufung der Ehefrau hat das Oberlandesgericht die Vollstreckungsgegenklage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Ehemann mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
4
Nach § 26 Nr. 9 Satz 1 EGZPO finden in Familiensachen die Bestimmungen über die Nichtzulassungsbeschwerde keine Anwendung, wenn - wie hier - die anzufechtende Entscheidung vor dem 1. Januar 2010 verkündet worden ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, eine Familiensache liege hier nicht vor. Damit hat sie keinen Erfolg.
5
1. Das Oberlandesgericht ist vom Vorliegen einer Familiensache ausgegangen. Es hat diese Frage - entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde - nicht offen gelassen (zu dieser Konstellation vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 1988 - IVb ZR 72/87 - FamRZ 1988, 1036). Zwar nimmt das Oberlandesgericht in den Entscheidungsgründen an, dass "im Hinblick auf den Ausschluss des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs" im Ehevertrag "nur vertragliche Unterhaltsansprüche … in Betracht kommen". Dennoch hat das Oberlandesgericht im Rubrum seiner - angefochtenen - Entscheidung das vorliegende Verfahren ausdrücklich als Familiensache bezeichnet. Damit hat es eine bewusste und eigenständige Qualifizierung des Rechtsstreits vorgenommen, die sich - wegen der formellen Anknüpfung der Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts in § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG ("... zuständig … für die Berufung … gegen die Entscheidungen der Amtsgerichte … in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen …") - nicht schon zwangsläufig aus seiner Zuständigkeit als Berufungsgericht ergibt.
6
2. Die Frage, ob die vom Oberlandesgericht vorgenommene Qualifikation des vorliegenden Verfahrens als Familiensache zutrifft, unterliegt nicht der Überprüfung durch den Senat.
7
Der Ausschluss dieser Qualifikations- und damit auch Zuständigkeitsfrage von der Prüfungszuständigkeit des Revisionsgerichts ergab sich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses unmissverständlich aus § 549 Abs. 2 ZPO a.F. Danach hatte das Revisionsgericht nicht zu prüfen, "ob das Gericht des ersten Rechtszuges sachlich oder örtlich zuständig war oder … ob eine Familiensache vorliegt". Diese Vorschrift war Ausformung des Prinzips der formellen Anknüpfung und sollte verhindern, dass das Revisionsgericht eine Sache anders qualifiziert als die Vorinstanz (Senatsbeschluss vom 12. Mai 1993 - XII ZR 192/92 - FamRZ 1994, 693).
8
Mit dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses ist § 545 Abs. 2 ZPO an die Stelle der bisherigen Regelung getreten. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu dieser Vorschrift sollen im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Rechtsmittelgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden. Zugleich soll verhindert werden , dass die von den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (BT-Drucks. 14/4722 S. 106). Der Bundesgerichtshof hat hieraus mit Recht gefolgert, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung - unbeschadet ihres insoweit missverständlichen Wortlauts - nicht hinter den bisherigen Rechtszustand zurückgehen, sondern vielmehr die Prüfung von Zuständigkeitsfragen in noch umfassenderer Weise als bisher einer revisionsrechtlichen Prüfung entziehen wollte (BGH Beschlüsse vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - FamRZ 2003, 1273 f., vom 5. März 2007 - II ZR 287/05 - NJW-RR 2007, 1509; vgl. auch BGH Beschlüsse vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - FamRZ 2003, 1273, 1274 und vom 7. März 2006 - VI ZR 42/05 - NJW-RR 2006, 930).
9
Daraus ergibt sich, dass der Senat auch künftig nicht zu prüfen hat, ob eine Familiensache vorliegt, wenn das Oberlandesgericht vom Vorliegen einer Familiensache ausgegangen ist. Die Regelung des § 549 Abs. 2 ZPO a.F. fand ihren Sinn gerade darin, dass die Zulässigkeit der Revision nicht durch eine abweichende rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts beeinflusst werden sollte, wenn darüber in der Vorinstanz entschieden worden war (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 143/01 - FuR 2005, 79). Für die Neufassung dieser Regelung in § 545 Abs. 2 ZPO gilt nichts anderes: Hat das Oberlandesgericht - wie hier - ein Verfahren als Familiensache angesehen, so ist diese Beurteilung für den Bundesgerichtshof bindend; eine abweichende Beurteilung des Verfahrens als Zivilsache kann nicht im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Eine gleichwohl erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist dementsprechend nach § 26 Nr. 9 Satz 1 EGZPO unzulässig , ohne dass es auf die Beurteilung des Verfahrens als Zivil- oder als Familiensache durch das Revisionsgericht ankommt.
10
3. Selbst wenn eine Prüfungskompetenz des Senats bestünde, ergäbe sich nichts anderes; denn bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um eine Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
11
Allerdings unterfallen dieser Regelung nur solche Streitigkeiten, die "die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht … betreffen". Nach der Rechtsprechung des Senats verliert ein Unterhaltsanspruch aber trotz vertraglicher Ausgestaltung nicht seine Eigenschaft als gesetzlicher Anspruch, wenn die vertragliche Vereinbarung den gesetzlichen Unterhaltsanspruch, dessen Bestand unangetastet bleibt, lediglich inhaltlich nach Höhe, Dauer und Modalitäten der Unterhaltsgewährung näher festlegt und präzisiert (Senatsbeschluss vom 29. Januar 1997 - XII ZR 221/95 - FamRZ 1997, 544, 545), wenn die Vereinbarung also das Wesen des Unterhaltsanspruchs nicht verändert (Senatsbeschluss vom 8. Juli 1987 - IVb ZB 35/87 - FamRZ 1987, 1021; vgl. auch Senatsbeschluss vom 24. Januar 1990 - XII ZB 143/89 - FamRZ 1990, 867). So liegen die Dinge hier.
12
Zwar haben die Parteien in ihrem Ehevertrag erklärt, dass sie "das gesetzliche Unterhaltsrecht des geschiedenen Ehegatten als für ihre eigene Ehe nicht angemessen erachten" und deshalb die im Ehevertrag geregelten "Unterhaltsansprüche vom Gesetz völlig … lösen und auf eine rein vertragliche Grundlage … stellen" wollen. Auch haben sie dargelegt, dass der "vereinbarte Unterhalt … rein vertraglicher Natur" sei und "die entsprechende oder ergänzende Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt … ausdrücklich ausgeschlossen" sei. Dies hindert es indes nicht, die getroffene Regelung gleichwohl als eine Ausformung des Gesetzesrechts anzusehen und den sich aus ihr ergebenden Unterhaltsanspruch weiterhin als gesetzlichen Anspruch zu qualifizieren.
13
Für die Abgrenzung zwischen dem gesetzlichen und einem "rein vertraglichen" Unterhaltsanspruch kann nicht entscheidend sein, ob und inwieweit die Ehegatten ihren subjektiven Willen zu einer eigenständigen Regelung bekunden. Ebenso kann nicht maßgebend sein, in welchem Umfang eine vereinbarte Regelung zum Nachteil eines Ehegatten vom Gesetzesrecht abweicht. Entscheidendes Kriterium ist vielmehr allein die Frage, ob die vertragliche Regelung - hinsichtlich der Voraussetzungen, des Umfangs und des Erlöschens des Anspruchs - die im gesetzlichen Unterhaltsrecht vorgegebenen Grundsätze aufnimmt und - wenn auch unter vielleicht erheblicher Modifikation - abbildet. Das ist hier der Fall. Der im Ehevertrag vorgesehene Unterhaltsanspruch der Ehefrau ist - ebenso wie der gesetzliche Unterhaltsanspruch - dem Grunde nach an die Trennung oder Scheidung der Ehegatten geknüpft. Für seinen Umfang wird auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gemeinsamer Kinder und auf die Ehedauer - mithin an typisierte Bedürftigkeitskriterien - abgestellt. Auch die im Ehevertrag vereinbarte Befristung und Limitierung des Unterhalts sowie die Bestimmung über die Anrechnung eigener Einkünfte und das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs bei Wiederheirat finden im Gesetzesrecht ihre Vorbilder. Angesichts dieser grundsätzlichen Parallelen handelt es sich bei der getroffenen Regelung um eine Ausformung der gesetzlichen Unterhaltspflicht; auf die Erklärung der Parteien, gleichwohl eine vom Gesetzesrecht losgelöste Regelung treffen zu wollen, kommt es nicht an.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Klinkhammer

Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 25.01.2007 - 103 F 2995/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 27.06.2007 - 7 UF 273/07 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 545 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. (2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 119


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte a) in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;b) in den Angelegenh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 549 Revisionseinlegung


(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revisi

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(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
§ 544 Absatz 8 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Revisionsschrift anzuwenden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 91/03
vom
26. Juni 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 545 Abs. 2 ZPO erweitert die Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts
hinsichtlich der (örtlichen und sachlichen) Zuständigkeit trotz seines insoweit
mißverständlichen Wortlauts gegenüber der früheren Rechtslage
(§ 549 Abs. 2 ZPO a.F.) nicht.
BGH, Beschluß vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juni 2003 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

beschlossen:
Dem Beklagten wird für die Revisionsinstanz Prozeßkostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt Dr. Nassall beigeordnet.
Die Partei hat auf die Prozeßkosten monatlich 135 uständige Landeskasse zu zahlen.

Gründe


I.


Die Klägerin, Trägerin einer Kieferklinik in Düsseldorf, macht vor dem Landgericht Düsseldorf Honoraransprüche wegen ambulanter zahnprothetischer Behandlung gegen den in Duisburg wohnhaften Beklagten geltend. Das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen, weil es dessen örtliche Zuständigkeit für gegeben hält. Da die Rechtsprechung zur Frage uneinheitlich ist, ob bei einem Arzt- oder Krankenhausvertrag der Schwerpunkt des Vertrags am Sitz des Behandlers liegt mit
der Folge, daß dort die beiderseitigen Leistungspflichten zu erfüllen sind (§ 29 ZPO), hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen. Der Beklagte begehrt Prozeßkostenhilfe für die von ihm eingelegte Revision.

II.


Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozeßkostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. Senatsbeschluß vom 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02 - NJW 2003, 1192). Der Senat bewilligt dem Beklagten Prozeßkostenhilfe, weil gemessen an diesen Grundsätzen im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist, ob dem Revisionsgericht nach § 545 Abs. 2 ZPO die Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit überhaupt offensteht.
Ungeachtet dessen nimmt der Senat im Hinblick auf die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 20. Mai 2003 geäußerte Bitte um Erteilung eines Hinweises zu dieser Rechtsfrage wie folgt Stellung:
Wäre für die rechtliche Beurteilung § 549 Abs. 2 ZPO a.F. heranzuziehen , ginge die Zulassung des Berufungsgerichts ins Leere. Denn nach dieser Vorschrift prüfte das Revisionsgericht nicht, ob das Gericht des ersten Rechtszuges sachlich oder örtlich zuständig war. Die Vorschrift sprach also – anders
als § 545 Abs. 2 n.F. - nicht davon, worauf sich ein Revisionskläger stützen konnte, sondern sie regelte die Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts. Darüber hinaus knüpfte sie nicht daran an, wie die erste Instanz entschieden hatte, sondern hatte nur die Zuständigkeit selbst im Auge. Dies hatte zur Folge, daß eine angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts in dieser Frage einer Überprüfung nicht zugänglich war, unabhängig davon, ob sie die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte oder sie abänderte (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., §§ 549, 550 Rn. 53; wohl auch MünchKomm/Wenzel, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 549 Rn. 15). Der Bundesgerichtshof hat zu diesem Rechtszustand entschieden, daß eine zugelassene Revision in einem Rechtsstreit mit einem Wert der Beschwer unter 40.000 DM, bei dem es nur um die Frage der örtlichen Zuständigkeit geht, zwar statthaft, aber unbegründet sei (Urteile vom 26. Oktober 1979 - I ZR 6/79 - MDR 1980, 203; vom 28. April 1988 - I ZR 27/87 - NJW 1988, 3267, 3268; bestätigt durch Urteil vom 5. Oktober 2000 - I ZR 189/98 - GRUR 2001, 368) bzw. daß ein auf diese Frage beschränktes Rechtsmittel unzulässig sei (vgl. Senatsurteil vom 24. Mai 2000 - III ZR 300/99 - NJW 2000, 2822 f; Urteil vom 10. November 1997 - II ZR 336/96 - NJW 1998, 1230).
Durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) ist § 545 Abs. 2 ZPO an die Stelle von § 549 Abs. 2 ZPO a.F.getreten. In der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift heißt es (BT-Drucks. 14/4722 S. 106):
"Absatz 2 übernimmt die Regelungen in den bisherigen §§ 10, 549 Abs. 2 und bestimmt - entsprechend dem neu gefaßten § 513 Abs. 2 E (bisher: § 512a) - darüber hinaus, daß die Revision nicht darauf gestützt werden kann, das erstinstanzliche Gericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint. Da-
mit werden künftig Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden, vermieden. Dies dient der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts. Die Neuregelung vermeidet zugleich, daß die von den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird."
Vor diesem Hintergrund geht die Neufassung insofern weiter, als sie ohne jede Differenzierung von "Zuständigkeit" spricht, also auch die funktionelle Zuständigkeit einschließt, die von der Regelung des § 549 Abs. 2 ZPO a.F. nicht erfaßt war. Da die Gesetzesbegründung darüber hinaus eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung des Revisionsgerichts im Auge hat, hält es der Senat nicht für denkbar, daß der Gesetzgeber die Überprüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts gegenüber dem Rechtszustand in § 549 Abs. 2 ZPO a.F. erweitern wollte. Wenn daher auch zuzugeben ist, daß dem Gesetzgeber die Umsetzung dieser Regelungsabsicht sprachlich nicht überzeugend geglückt ist - nach dem Wortlaut der Vorschrift könnte man annehmen , das Revisionsgericht sei zu einer Überprüfung befugt, weil die Revision nicht darauf gestützt werde, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht (angenommen oder) verneint habe (in diesem Sinn etwa MünchKomm/Wenzel, ZPO-Reform, § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, 3. Aufl. 2002, § 545 Rn. 12; a.A. wohl Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 545 Rn. 16); tatsächlich greift der Beklagte nämlich die gegenteilige Entscheidung des Berufungsgerichts an -, sind die Hinweise auf eine Entlastung des Revisionsgerichts und die geleistete Sacharbeit der Vorinstanzen, die durch Zuständigkeitsrügen nicht in Frage gestellt werden soll, so eindeutig, daß der Senat eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht für möglich hält. Dies wird für den Fall, daß das Berufungsgericht die fehlerhafte Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, ganz allgemein angenommen, obwohl auch in diesem Fall der Revi-
sionskläger seine Revision nicht darauf stützen muß, die erste Instanz habe ihre Zuständigkeit zu Unrecht verneint (vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPOReform , § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, 3. Aufl. 2002, § 545 Rn. 12). Der Senat sieht keine von der Sache her gebotenen Gründe, die hier vorliegende Konstellation anders zu beurteilen. Das alleinige Abstellen auf den Wortlaut der Vorschrift würde außer acht lassen, daß es im Revisionsverfahren in aller Regel um die Überprüfung einer Berufungsentscheidung geht und daß § 545 Abs. 2 ZPO keine Spezialregelung ist, die nur für die Sprungrevision Bedeutung hätte.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 42/05 Verkündet am:
7. März 2006
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Durch § 545 Abs. 2 ZPO ist die Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz
der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, auch wenn das Berufungsgericht
die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur sachlichen
Zuständigkeit zugelassen hat.
BGH, Urteil vom 7. März 2006 - VI ZR 42/05 - LG Frankfurt (Oder)
AG Strausberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richterin
Diederichsen und die Richter Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6(a) Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. Februar 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Das klagende Land verlangt aus übergegangenem Recht wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten vom 7. April 1993 die Erstattung von Krankengeld und Versicherungsbeiträgen sowie der Kosten des Krankentransports und der stationären Krankenhausbehandlung des Opfers.
2
Am 30. September 2003 beantragte der Kläger beim Amtsgericht C. den Erlass eines Mahnbescheids, mit welchem er die Erstattung von Krankengeld sowie von Versicherungsbeiträgen begehrte. In dem Mahnbescheidantrag bezeichnete er das Amtsgericht S. als das zuständige Gericht für ein streitiges Verfahren. Mit Schreiben vom 10. November 2003 teilte der Kläger eine neue Anschrift des Beklagten mit und benannte nunmehr das Amtsgericht F. als Streitgericht. Nach Eingang des Widerspruchs gab das Mahngericht das Verfahren jedoch an das Amtsgericht S. ab.
3
Am 21. Oktober 2003 beantragte der Kläger beim Amtsgericht C. einen weiteren Mahnbescheid gegen den Beklagten, mit dem er aus demselben Vorfall die Erstattung von Krankentransport- und Krankenhauskosten begehrte. Er benannte das Amtsgericht F. als Streitgericht. Mit Schreiben vom 7. November 2003 teilte er die Anschrift des Beklagten mit und bat um Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht S.. Nach Eingang des Widerspruchs gab das Mahngericht das Verfahren an dieses Gericht ab.
4
Das Amtsgericht S. hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nachdem es auf Bedenken gegen die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts wegen Überschreitens der Wertgrenze nach Verbindung der Verfahren hingewiesen und der Beklagte die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt hatte, hat es die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2004 als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Berufungsbegehren weiter, die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Verfahrens an das Amtsgericht S. zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Amtsgericht habe die Klage nach Verbindung der Verfahren zu Recht wegen der fehlenden sachlichen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.
6
Die nach § 147 ZPO vorgenommene, im Ermessen des Gerichts stehende Verbindung der Verfahren sei zulässig gewesen. Der Kläger begehre aus übergegangenem Recht aus demselben Haftungsgrund von dem Beklagten die Erstattung von Leistungen, die er an die Krankenkasse des Verletzten bezahlt habe, und beide Verfahren seien zum Zeitpunkt der Verbindung beim Amtsgericht S. anhängig gewesen.
7
Zwar werde die bis dahin bestehende sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts durch einen Verbindungsbeschluss grundsätzlich nicht berührt. Etwas anderes gelte aber, wenn der Kläger erkennbar durch eine willkürliche Zerlegung seines Gesamtanspruchs in mehrere Verfahren die Zuständigkeit des Amtsgerichts wider Treu und Glauben erschleichen wolle. Ein solcher Fall liege hier vor, insbesondere weil der Vertreter des Klägers im Termin vor dem Amtsgericht eingeräumt habe, dass die Geltendmachung der Ansprüche in zwei Klagen allein deshalb erfolgt sei, um die Zuständigkeit des Amtsgerichts zu erreichen und die Kosten eines Rechtsanwalts zu sparen.

II.

8
Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichtete Revision ist zwar statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen.
9
1. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit abgewiesen, weil nach Verbindung beider Verfahren wegen Überschreitung der Wertgrenze des § 23 Nr. 1 GVG die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben sei. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt, jedoch die Revision zugelassen, offenbar um eine Überprüfung der Erwägungen zu ermögli- chen, mit denen es ausnahmsweise in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit nach Verbindung der Verfahren angenommen hat. Die Revision wendet sich gegen diese Auffassung und möchte eine Zurückverweisung an das Amtsgericht S. erreichen.
10
2. Mit diesem Begehren hat sie keinen Erfolg, weil die hier maßgebliche Frage der sachlichen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts nicht der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.
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Nach § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Nach der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift sollen dadurch im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden. Zugleich soll die Neuregelung vermeiden, dass die von den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 106). Da die Vorschrift nach der Gesetzesbegründung insbesondere auch eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung des Revisionsgerichts im Auge hat, ist durch sie die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schlechthin entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 - KZR 28/03 - NJW 2005, 1660, 1661 und Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - NJW 2917; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 545 Rn. 16). Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur Zuständigkeit zugelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 - I ZR 27/87 - NJW 1988, 3267, 3268 und Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - aaO). Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für die internationale Zuständigkeit (vgl. BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 203/02 -, WM 2003, 1542). Im vorliegenden Fall wäre eine revisionsrechtliche Prüfung im Übrigen auch nach einer im Schrifttum vertretenen einschränkenden Auffassung (vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPO-Reform, § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl., § 545 Rn. 12) ausgeschlossen, weil das Berufungsgericht die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt hat.
12
Demnach ist die Revision zwar statthaft, aber unbegründet (vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 1979 - I ZR 6/79 - MDR 1980, 203; vom 28. April 1988 - I ZR 27/87 - aaO; Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - aaO).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Müller Diederichsen Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Strausberg, Entscheidung vom 23.06.2004 - 25 C 405/03 -
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 08.02.2005 - 6a S 179/04 -

(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
§ 544 Absatz 8 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Revisionsschrift anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 143/01 Verkündet am:
19. Mai 2004
B r e s k i c,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Mai 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 13. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. April 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der Gerichtskosten , von deren Erhebung abgesehen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Unterhaltsansprüche aus einem notariellen Ehevertrag. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten als derzeit unbegründet abgewiesen. Dabei hat es ausgeführt, es handele sich um eine Zivilsache und nicht um eine Familiensache nach § 23 b Abs. 1 Nr. 5 und 6 GVG, weil Verfahrensgegenstand allein vertragliche und nicht gesetzliche Unterhaltsan-
sprüche seien. Seine Zuständigkeit hat der Familiensenat lediglich aus der formellen Anknüpfung an die Entscheidung des Familiengerichts hergeleitet. In dem verkündeten Urteil hat das Oberlandesgericht "gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F." von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen und eine Beschwer der Kläger nicht festgesetzt. Mit der vom Senat angenommenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils, hilfsweise eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

Die Revision ist statthaft und zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß das Oberlandesgericht die Revision nicht zugelassen hat. Nach § 621 d Abs. 1 ZPO a.F. bedarf es zwar grundsätzlich einer Zulassung der Revision gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile über Familiensachen des § 621 Abs. 1 Nr. 4 und 5 ZPO. Das Berufungsgericht hat indes ausgesprochen, daß der Gegenstand des Rechtsstreits weder eine durch Verwandtschaft noch durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betrifft, sondern daß es sich um vertragliche Unterhaltsansprüche handelt. Obwohl keine Familiensache vorliege, sei er als Senat für Familiensachen zur Entscheidung befugt, weil erst-
instanzlich das Familiengericht entschieden habe und nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG daran formell anzuknüpfen sei. Nach § 549 Abs. 2 ZPO a.F. hat der Senat nicht zu prüfen, ob eine Familiensache vorliegt. Diese Vorschrift findet ihren Sinn gerade darin, daß die Zulässigkeit der Revision nicht durch eine abweichende rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts beeinflußt werden soll, wenn darüber in der Vorinstanz entschieden worden ist (vgl. Senatsurteil vom 8. März 1995 - XII ZR 165/93 - FamRZ 1995, 726; Senatsbeschluß vom 12. Mai 1993 - XII ZR 192/92 - FamRZ 1994, 693). Das Oberlandesgericht hat das Verfahren als Zivilsache angesehen ; das ist für den Bundesgerichtshof bindend. Für die Zulässigkeit der Revision kommt es deswegen darauf an, ob der Wert der Beschwer 60.000 DM übersteigt (§ 546 ZPO a.F.). Das Oberlandesgericht hat den Wert der Beschwer der Kläger im Tenor nicht festgesetzt. Läßt sich auch aus den Urteilsgründen eine solche Festsetzung nicht entnehmen, hat das Revisionsgericht sie nachzuholen (Senatsbeschluß vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 7/94 - NJW-RR 1996, 316). Die Voraussetzungen des § 546 ZPO a.F. sind hier für beide Kläger erfüllt, weil sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, daß ihre Anträge auf Zahlung von 96.000 DM bzw. 465.000 DM abgewiesen worden sind.

II.

1. Das Berufungsgericht hat von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen. Das beanstandet die Revision zu Recht. Das Fehlen eines Tatbestandes führt grundsätzlich zur Aufhebung des Urteils, weil einer solchen Entscheidung nicht entnommen werden kann, wel-
chen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Das gilt auch dann, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts ein Urteilstatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. entbehrlich schien, weil das Berufungsgericht sein Urteil für nicht revisibel gehalten hat (BGH Urteile vom 12. Mai 1993 - XII ZR 174/92 - BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 10 (Gründe) und vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 102/82 - WM 1983, 377). Eine Aufhebung des Berufungsurteils ist allerdings dann nicht veranlaßt, wenn die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt deswegen nachprüfbar ist, weil sich der Sach- und Streitstand in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichendem Umfang aus den Entscheidungsgründen ergibt. Solches ist hier aber nicht der Fall. Insbesondere die Auslegung des notariellen Vertrages durch das Berufungsgericht läßt sich ohne Kenntnis des genauen Wortlauts und der in erster Instanz ermittelten Umstände des Vertragsschlusses nicht in revisionsrechtlich notwendiger Weise überprüfen.

III.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Gerichtskosten für das Revisionsverfahren nicht erhoben.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.