Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2016 - XII ZB 458/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:071216BXIIZB458.15.0
07.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 458/15
vom
7. Dezember 2016
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zu einer Willenserklärung, die eine geringfügige Angelegenheit des täglichen
Lebens – wie etwa den Erwerb geringer Mengen Alkoholika – betrifft,
bedarf der Betroffene auch bei bestehendem Einwilligungsvorbehalt für die
Vermögenssorge nicht der Einwilligung seines Betreuers, es sei denn, das
Betreuungsgericht hat hierfür gemäß § 1903 Abs. 3 Satz 2 BGB eine gesonderte
Anordnung getroffen (qualifizierter Einwilligungsvorbehalt).

b) Auch eine Anordnung nach § 1903 Abs. 3 Satz 2 BGB muss verhältnismäßig
sein. Deshalb hat der Tatrichter vor allem zu prüfen, ob der qualifizierte
Einwilligungsvorbehalt geeignet und erforderlich ist, um den bezweckten Erfolg
zu erreichen (hier: den Betroffenen daran zu hindern, Alkohol zu erwerben
).
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 458/15 - LG München II
AG Fürstenfeldbruck
ECLI:DE:BGH:2016:071216BXIIZB458.15.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 28. August 2015 unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde im Übrigen insoweit aufgehoben, als die Beschwerde der Betroffenen gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts zurückgewiesen wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Landgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Die Betroffene wendet sich gegen die Verlängerung ihrer Betreuung.
2
Sie leidet an einem amnestischen Syndrom (sogenanntes Korsakowsyndrom ), dessen Ursache entweder infolge eines erlittenen Schädel-Hirntraumas im Jahr 2000 organisch oder alkoholbedingt ist. Sie steht seit 2002 unter Betreuung.
3
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung verlängert. Dabei sind die Aufgabenkreise unverändert geblieben: – Vermögenssorge, – Wohnungsangelegenheiten, – Gesundheitsfürsorge, – Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozial- leistungsträgern, – Aufenthaltsbestimmung und die Entscheidung der Unterbringung, – Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-, Pflegevertrages und – Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über Fernmeldeverkehr. Der bestehende Einwilligungsvorbehalt ist ebenfalls aufrecht erhalten
4
geblieben.
Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht nach Einholung
5
einer ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und die Entscheidung der Unterbringung, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-, Pflegevertrages entfallen lassen, den Aufgabenkreis Organisation der ambulanten Versorgung hinzugefügt und im Übrigen die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Insoweit ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
7
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
8
Nach den Feststellungen der Sachverständigen leide die Betroffene unter einer psychischen Erkrankung, nämlich einem amnestischen Syndrom. Die Darlegungen der Sachverständigen würden gestützt durch die Angaben des Betreuers, des Verfahrenspflegers, der Betreuungsbehörde, der von dem Betreuungsgericht in dem Anhörungstermin festgehaltenen Angaben der Betroffenen und den Angaben der Betroffenen in der persönlichen Anhörung durch die beauftragte Richterin des Beschwerdegerichts.
9
Die Betreuung werde nicht aufgrund der Alkoholerkrankung selbst angeordnet , sondern aufgrund der psychischen Erkrankung des amnestischen Syndroms. Das amnestische Syndrom stelle eine der schwersten Formen der Gehirnschädigungen dar, bei der Betroffenen entweder durch Alkohol oder durch das Unfallereignis oder durch beides verursacht.
10
Nach den Ausführungen der Sachverständigen sei die Betroffene nicht mehr fähig, einen freien Willen über die Einrichtung einer Betreuung zu bilden. Aufgrund der nach wie vor vorhandenen "amnestischen und kognitiven Defizite" und Konzentrationsmängel sei sie nicht in der Lage, die erforderlichen Konsequenzen aufgrund ihrer Uneinsichtigkeit zu erkennen und ihre Entscheidung von vernünftigen Erwägungen und Überlegungen abhängig zu machen.
11
Der Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge sei erforderlich. Der Betreuer müsse in der Lage sein, die erforderliche Kommunikation mit Ärzten und Krankenkassen aufrecht zu erhalten. Behandlungen und Vorsorgeuntersuchungen müssten durchgeführt werden. Die Betroffene selbst kümmere sich etwa nicht um die erforderlichen zahnärztlichen Behandlungen. Aufgrund des bestehenden Mietvertrags für die Wohnung im betreuten Wohnen und die derzeitigen Anstrengungen der Betroffenen, die Mietwohnung zu wechseln, sei zudem der Aufgabenkreis Wohnungsangelegenheiten erforderlich. Die Betroffene bedürfe wegen ihrer Einkünfte und der Regelung derselben der Betreuung für Vermögensangelegenheiten. Die Vertretung der Betroffenen gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sei erforderlich, da sie über Renteneinkünfte verfüge und ihre Angelegenheiten mit der Krankenversicherung , insbesondere auch die Leistungen, die sie aufgrund ihres Unfalls beziehe , zu regeln seien. Der Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidungen über den Fernmeldeverkehr sei zur praktischen Bearbeitung der Betreuung unerlässlich, da die Betroffene die Post nicht zuverlässig an den Betreuer weiterleiten würde und es durch die verspätete Weiterleitung zu Fristversäumnissen oder Gerichtsverfahren kommen könne. Die Organisation der ambulanten Versorgung sei als Minus anstelle des Aufgabenkreises Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines HeimPflegevertrages erforderlich, weil die Betroffene in einer eigenen Wohnung wohne.
12
Für die Betroffene stünden auch keine anderen Hilfen zur Verfügung, die die oben genannten Angelegenheiten ebenso gut wie ein Betreuer besorgen könnten. Die Betroffene sei nicht mehr dazu in der Lage, ihren Betreuungsbedarf zu erkennen, und damit auch nicht, jemanden mit der Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten zu beauftragen. Sie lehne jegliche Hilfe ab und könne diese auch nicht entsprechend organisieren.
13
Es bedürfe auch eines Einwilligungsvorbehalts für den Aufgabenkreis Vermögenssorge. Eine erhebliche Gefahr für die Person der Betroffenen sei vorliegend zu bejahen. Zwar komme ein Einwilligungsvorbehalt zur Verhinderung oder Steuerung von tatsächlichen Handlungen (Alkoholkonsum) nicht in Betracht. Sei allerdings zuvor ein rechtsgeschäftliches Handeln erforderlich (Kauf von Alkoholika), könne diesbezüglich ein Einwilligungsvorbehalt in Betracht kommen. Bei der Anordnung eines solchen genüge ein – hier gegebener – innerer Zusammenhang zwischen der Krankheit und der durch den Einwilligungsvorbehalt abzuwendenden Gefahr. Aufgrund des amnestischen Syndroms fehle der Betroffenen jegliche Kritik-, Urteils- bzw. Steuerungsfähigkeit, auch bezüglich des Alkoholkonsums. Sie könne ihre Entscheidungen nicht von vernünftigen Erwägungen und Überlegungen abhängig machen. Bei Aufhebung des Einwilligungsvorbehalts werde sie ihre Gesundheit wieder erheblich in Gefahr bringen. Im Rahmen der Abwägungen der Selbstbestimmungsinteressen der Betroffenen, so viel Alkohol zu erwerben und zu trinken, wie sie wolle, mit der Gefahr einer gravierenden Selbstschädigung überwiege Letztere.
14
Daneben bestehe auch eine erhebliche Gefahr für das Vermögen der Betroffenen. Zwar reiche die Gefahr geringer Vermögensschäden nicht aus. Von einer erheblichen Gefahr für das Vermögen sei aber auszugehen, wenn festgestellt werde, dass der Betreute am Rechtsverkehr teilnehme und er hierbei Willenserklärungen abgebe, die ihm nachteilig seien. Ausreichend sei die drohende größere Verschuldung. Der Betreuer habe in der persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren ausgeführt, dass die Betroffene sehr gerne bestelle. Trotz des Nachsendeauftrags werde immer wieder Post direkt an die Betroffene gesandt statt an ihn. So komme es immer wieder zu Mahnungen, um die sich die Betroffene nicht kümmere. Dies führe dazu, dass die Gläubiger Vollstreckungsbescheide beantragten; es komme zum Gerichtsverfahren. Aktuell seien beim Amtsgericht zwei Verfahren anhängig. Der Einwilligungsvorbehalt sei daher nötig, um die Betroffene vor den zahlreichen Bestellungen und damit verbundenen Gerichtsverfahren zu bewahren. Die Betroffene vermöge aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die finanziellen Auswirkungen ihrer Bestellung nicht zu überblicken.
15
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
16
a) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen zwar die Verlängerung der Betreuung mit dem vom Landgericht angeordneten Aufgabenkreis, nicht aber die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts. Denn die erheblich in Freiheitsrechte der Betroffenen eingreifende Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts lässt sich nur rechtfertigen, wenn ihre Voraussetzungen auch in der zur Überprüfung gestellten Entscheidung verlässlich festgestellt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 256/10 - FamRZ 2011, 637 Rn. 19; vgl. auch Staudinger/Bienwald BGB [Stand: 6. Juni 2016] § 1903 Rn. 39).
17
aa) Dass die Betroffene an einer psychischen Erkrankung leidet, nämlich an einem amnestischen Syndrom, die eine Betreuung im Sinne von § 1896 BGB dem Grunde nach erfordert, wird von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts sind auch von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
18
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genügen die Feststellungen des Landgerichts auch, um einen freien Willen der Betroffenen im Sinne von § 1896 Abs. 1a BGB auszuschließen.
19
(1) Nach § 1896 Abs. 1a BGB darf gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Daher muss vor der Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen festgestellt werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen. Die beiden dafür entscheidenden Kriterien sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor. Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Der Betroffene muss allerdings Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss es ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - XII ZB 177/15 - FamRZ 2016, 117 Rn. 12 mwN). Aus der Alkoholabhängigkeit für sich genommen und dem darauf beruhenden Mangel an Steuerungsfähigkeit in Bezug auf den Konsum von Alkohol kann indes nicht auf ein Unvermögen zur freien Willensbildung geschlossen werden (Senatsbeschlüsse vom 13. April 2016 - XII ZB 95/16 - FamRZ 2016, 1068 Rn. 11 und vom 27. April 2016 - XII ZB 7/16 - FamRZ 2016, 1070 Rn. 13 jeweils unter Hinweis auf BVerfG FamRZ 2015, 565 Rn. 31).
20
Schließlich müssen die Feststellungen zum krankheitsbedingten Ausschluss der freien Willensbestimmung nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - XII ZB 177/15 - FamRZ 2016, 117 Rn. 12 mwN).
21
(2) Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Landgerichts entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gerecht.
22
Unter Bezugnahme auf das eingeholte Sachverständigengutachten hat das Landgericht ausgeführt, dass die Betroffene nicht mehr fähig sei, einen freien Willen über die Einrichtung einer Betreuung zu bilden. Aufgrund der nach wie vor vorhandenen mnestischen und kognitiven Defizite und Konzentrationsmängel sei sie aufgrund ihrer Uneinsichtigkeit nicht in der Lage, die Konsequenzen der Nichtbestellung eines Betreuers zu erkennen und ihre Entscheidung von vernünftigen Erwägungen und Überlegungen abhängig zu machen. Sie könne nicht selbstkritisch handeln und entsprechende Kompensationsmechanismen einleiten.
23
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Landgericht die Erforderlichkeit der von ihm für notwendig erachteten Aufgabenkreise hinreichend konkret festgestellt.
24
b) Allerdings tragen die getroffenen Feststellungen die Anordnung bzw. Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts nicht.
25
aa) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen. Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann ein Einwilligungsvorbehalt allerdings nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf einen einzelnen Vermögengegenstand oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschluss vom 28. September 2016 - XII ZB 275/16 - juris Rn. 6 mwN).
26
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.
27
(1) Soweit das Landgericht die Erforderlichkeit des Einwilligungsvorbehalts für den Aufgabenkreis Vermögenssorge mit der Notwendigkeit begründet hat, die Betroffene daran zu hindern, Alkoholika zu erwerben, geht die Entscheidung bereits ins Leere. Denn beim Erwerb von kleineren Mengen Alkoholika handelt es sich regelmäßig um eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens im Sinne von § 1903 Abs. 3 Satz 2 BGB, die auch bei einem angeordneten Einwilligungsvorbehalt nicht der Einwilligung des Betreuers bedarf, soweit das Gericht – wie hier – nichts anderes anordnet (BT-Drucks. 11/4528 S. 139; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1903 Rn. 51; Erman/Roth BGB 14. Aufl. § 1903 Rn. 18; NK-BGB/Heitmann 3. Aufl. § 1903 Rn. 33; Palandt/ Götz 76. Aufl. § 1903 Rn. 9; BtKomm/Roth 4. Aufl. Teil A Rn. 73; aA Bienwald/ Sonnenfeld/Harm/Bienwald Betreuungsrecht 6. Aufl. § 1903 Rn. 66 aE).
28
Zwar hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend darauf verwiesen, dass nach der Gesetzesbegründung im Einzelfall ein Bedürfnis dafür bestehen kann, auch in geringfügigen Angelegenheiten des täglichen Lebens eine Einwilligung des Betreuers zu verlangen, etwa wenn verhindert werden muss, dass sich ein Alkoholiker rechtswirksam kleinere Mengen alkoholischer Getränke verschafft. Das Gericht kann daher anordnen, dass sich der Einwilligungsvorbehalt ganz oder teilweise auch auf geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens erstreckt (BT-Drucks. 11/4528 S. 139). An der Anordnung eines solchen qualifi- zierten Einwilligungsvorbehalts (zum Begriff vgl. etwa Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1906 Rn. 47) fehlt es vorliegend jedoch.
29
(2) Ebenso wenig lässt sich die Erforderlichkeit eines solchen Einwilligungsvorbehalts auf die Feststellungen des Landgerichts dazu gründen, dass eine erhebliche Gefahr für das Vermögen der Betroffenen bestehe.
30
Die Ausführungen des Landgerichts hierzu beschränken sich auf die Feststellungen, der Betreuer habe ausgeführt, dass die Betroffene sehr gerne bestelle und dass trotz des Nachsendeauftrags immer wieder Post direkt an die Betroffene gesandt werde statt an ihn. So komme es immer wieder zu Mahnungen , um die sich die Betroffene nicht kümmere, was wiederum dazu führe, dass die Gläubiger Vollstreckungsbescheide beantragten, und es zu Gerichtsverfahren komme.
31
Dass die Betroffene "sehr gerne bestellt", kann einen Einwilligungsvorbehalt , der einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstellt , ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen. Der Umstand, dass namentlich Rechnungen bzw. Mahnungen den Betreuer nicht erreichen, obgleich ihm der Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post übertragen ist, stellt ein in die Sphäre des Betreuers fallendes organisatorisches Problem dar, dessen er sich anzunehmen haben wird.
32
3. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat hinsichtlich der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts verwehrt, weil die Sache mangels hinreichender Tatsachenfeststellung noch nicht entscheidungsreif ist (vgl. § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Die angegriffene Entscheidung ist daher insoweit aufzuheben ; die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
33
4. Der Senat weist hinsichtlich der Frage, ob ein Betreuter mittels eines Einwilligungsvorbehalts an dem Erwerb von Alkoholika gehindert werden kann, auf Folgendes hin:
34
Zwar ermöglicht es § 1903 Abs. 3 Satz 2 BGB, den Einwilligungsvorbehalt auf eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen des § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt sind. In den Fällen, in denen der Betreute – wie hier – an dem Erwerb von Alkoholika gehindert werden soll, besteht die Gefahr dann freilich regelmäßig nicht für das Vermögen , sondern für die Person i.S.v. § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Lipp FamRZ 2003, 721, 728). Auch bei der Anordnung eines qualifizierten Einwilligungsvorbehalts ist zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
35
a) Dieser setzt zunächst einmal die Eignung der Maßnahme voraus. Kann der Einwilligungsvorbehalt nicht verhindern, dass der Betroffene sich einen Schaden zufügt, vor dem ihn der Einwilligungsvorbehalt gerade bewahren soll, stellt er sich als untauglich dar und scheidet damit als geeignete Maßnahme aus (Staudinger/Bienwald BGB [Stand: 6. Juni 2016] § 1903 Rn. 51).
36
Die Eignung könnte zweifelhaft sein, weil der Einwilligungsvorbehalt sich nur auf (rechtsgeschäftliche) Willenserklärungen bezieht; tatsächliche Handlungen , wie die Inbesitznahme der Alkoholika und deren Verbrauch werden hiervon nicht erfasst (vgl. Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1906 Rn. 24). Im Hinblick darauf kommt eine entsprechende Anordnung etwa in Betracht, wenn der Tatrichter Feststellungen dazu trifft, dass die Maßnahme gleichwohl die erhoffte Wirkung haben kann, wie in den Fällen, in denen die vom Betroffenen üblicherweise aufgesuchten Verkaufsstellen vom Betreuer über den Einwilligungsvorbehalt in Kenntnis gesetzt werden (vgl. Lipp FamRZ 2003, 721, 728).
37
b) Bei der Prüfung, ob die Maßnahme auch erforderlich ist, wird das Landgericht zunächst zu prüfen haben, ob derselbe Erfolg nicht mit einem milderen Mittel erreicht werden könnte, nämlich durch die Zuteilung eines entsprechend bemessenen Taschengeldes (vgl. Lipp FamRZ 2003, 721, 727 mwN; NK-BGB/Heitmann 3. Aufl. § 1903 Rn. 17 Fn. 50; Staudinger/Bienwald BGB [Stand: 6. Juni 2016] § 1903 Rn. 50).
38
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose Schilling Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Fürstenfeldbruck, Entscheidung vom 17.11.2014 - XVII 214/13 -
LG München II, Entscheidung vom 28.08.2015 - 6 T 5891/14 -

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

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11
bb) Ob eine psychische Krankheit damit bereits ausreichend festgestellt ist, kann für das Rechtsbeschwerdeverfahren dahinstehen. Denn wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, beruht die angefochtene Entscheidung jedenfalls auf keinen tragfähigen Feststellungen zum freien Willen des Betroffenen. In dem vom angefochtenen Beschluss in Bezug genommenen Erstgutachten ist nämlich ausgeführt, dass der freie Wille des Betroffenen zwar suchtbedingt eingeschränkt sei, aber nicht aufgehoben. Aus der Alkoholabhängigkeit für sich genommen und dem darauf beruhenden Mangel an Steuerungsfähigkeit in Bezug auf den Konsum von Alkohol kann nämlich nicht auf ein Unvermögen zur freien Willensbildung geschlossen werden (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 565 Rn. 31). Unter der Voraussetzung eines noch freien Willens steht es jedoch nach der Verfassung jedermann frei, Hilfe zurückzuweisen, sofern dadurch nicht Rechtsgüter anderer oder der Allgemeinheit in Mitleidenschaft gezogen werden (Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 241/11 - FamRZ 2011, 1725 Rn. 12). Daraus hat der Erstgutachter von seinem Standpunkt aus folgerichtig den Schluss gezogen, dass die rechtlichen Voraussetzungen der Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung des Betroffenen nicht vorliegen.
13
Damit haben der Gutachter und ihm folgend das Landgericht nicht aus der Alkoholabhängigkeit für sich genommen und dem darauf beruhenden Mangel an Steuerungsfähigkeit in Bezug auf den Konsum von Alkohol auf ein Un- vermögen zur freien Willensbildung geschlossen, was unzulässig wäre (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 565 Rn. 31), sondern aus den bereits eingetretenen hirnorganischen Veränderungen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 27. März 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Anordnung einer Kontrollbetreuung.

2

Für die 81-jährige - an Demenz und an einem leichten bis mittelschweren hirnorganischen Psychosyndrom leidende - Betroffene besteht seit dem Jahr 2007 eine bis heute fortgeltende General- und Vorsorgevollmacht zugunsten ihrer Tochter (Beteiligte zu 1). Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin von mehreren Immobilien, die sie von ihrem 2012 verstorbenen Vater - dem Ehemann der Betroffenen - teils geschenkt erhalten und teils als Alleinerbin nach dessen Tod geerbt hatte. Alle Immobilien waren mit einem Nießbrauch zugunsten der Betroffenen belastet. Am 5. Februar 2014 schloss die Beteiligte zu 1 im eigenen Namen und im Namen der Betroffenen eine Abfindungsvereinbarung, wonach die Betroffene gegen Zahlung einer dinglich gesicherten Leibrente in Höhe von monatlich 1.200 € auf den zu ihren Gunsten eingeräumten Nießbrauch an den Immobilien verzichtete.

3

Bereits im September 2013 hatte der Sohn der Betroffenen (Beteiligter zu 2) beim zuständigen Notariat die Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene angeregt. Das Notariat hat die Anordnung einer Betreuung nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens und nach Anhörung der Betroffenen abgelehnt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht die Entscheidung des Notariats abgeändert und eine Rechtsanwältin (Beteiligte zu 4) zur berufsmäßigen Kontrollbetreuerin mit dem Aufgabenkreis "alle Vermögensangelegenheiten, insbesondere Erbschaftsangelegenheiten" bestellt und die Kontrollbetreuerin "erforderlichenfalls" zum "Widerruf erteilter Vollmachten für diesen Aufgabenkreis" ermächtigt.

4

Mit ihrer im eigenen Namen eingelegten Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 1 eine Aufhebung der Betreuung erreichen.

II.

5

1. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beteiligte zu 1 beschwerdeberechtigt, d.h. dazu befugt, sich im eigenen Namen mit einem Rechtsmittel gegen die Anordnung der Betreuung für die Betroffene zu wenden. Dies ergibt sich zwar nicht aus einer möglichen Beeinträchtigung ihrer Stellung als Vorsorgebevollmächtigte, wohl aber daraus, dass sie als am Verfahren beteiligte Tochter der Betroffenen gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zum Kreis beschwerdeberechtigter Angehöriger gehört (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 14 f.).

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

7

a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:

8

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung seien nach dem schriftlichen Sachverständigengutachten gegeben. Die Betroffene sei aufgrund ihrer schwerwiegenden geistigen Einschränkungen nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Wegen der mangelnden Einsichtsfähigkeit sowie eingeschränkter Urteils- und Kritikfähigkeit sei ihre Geschäftsfähigkeit deutlich eingeschränkt.

9

Zur Geltendmachung der Rechte der Betroffenen gegenüber der Beteiligten zu 1 sei die Einrichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich. Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beteiligte zu 1 von ihrer Vollmacht nicht mehr im Interesse der Betroffenen Gebrauch mache. Zwar müsse die von ihrem Ehemann enterbte Betroffene einen etwaigen ergänzenden Pflichtteilsanspruch von der Beteiligten zu 1 nicht zwingend einfordern. Es könne unter Berücksichtigung des Erblasserwillens auch hingenommen werden, dass der Wert des der Betroffenen durch das Vermächtnis ihres Ehemannes eingeräumten Nießbrauchs hinter dem Wert des Pflichtteils zurückbleibe. Um dies beurteilen zu können, müssten aber zunächst der Wert des Nießbrauchs sowie der Wert eines etwaigen Pflichtteilsanspruches nachvollziehbar sein. Die bloße Behauptung der Beteiligten zu 1, der eingeräumte Nießbrauch am Nachlass übersteige sogar den Wert des Pflichtteilsanspruches, reiche hierfür nicht.

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Vor allem sei schon nach den eigenen Ausführungen der Beteiligten zu 1 zweifelhaft, ob die Abfindungsvereinbarung vom 5. Februar 2014 den wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen gerecht werde. Die Betroffene erhalte als Ersatz für Nutzungen an vier Eigentumswohnungen und einem Einfamilienhaus nur eine Rente von 1.200 €. Nach den Behauptungen des Beteiligten zu 2 seien Mieteinnahmen von insgesamt 4.000 € monatlich erzielbar. Aufgrund der Stellungnahmen der Beteiligten und der vorgelegten Unterlagen (Steuerbescheid, Lichtbilder und Zustandsbeschreibungen) könne nicht nachvollzogen werden, ob die vereinbarte Rente von 1.200 € angemessen sei. Soweit es den Nießbrauch an den zum Nachlass gehörenden Immobilien betreffe, falle zudem auf, dass in dem von der Beteiligten zu 1 vorgelegten Rechenwerk nicht mit möglichen Einnahmen aus Mietverhältnissen, sondern lediglich mit Zinseinnahmen von 2 % des Nachlasswertes kalkuliert worden sei. Ferner habe weder in der mündlichen Anhörung noch in den folgenden Schriftsätzen eine Klärung der von dem Beteiligten zu 2 erhobenen Vorwürfe erfolgen können, wonach die Beteiligte zu 1 im Zeitraum von April 2012 bis März 2014 der Nießbrauchsberechtigten zustehende Beträge in Höhe von 85.000 € vereinnahmt habe, ohne dass diese der Betroffenen zugeflossen seien. Bei der Beteiligten zu 1 sei im Bereich der Vermögensangelegenheiten ein erheblicher Interessenkonflikt vorhanden. Einerseits sei sie Alleinerbin nach ihrem Vater, andererseits solle sie Ansprüche der Betroffenen - insbesondere Pflichtteilsansprüche - gegen sich selbst prüfen. Dies könne der Geltendmachung berechtigter Ansprüche im Wege stehen und bedürfe aus Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers einer Kontrolle.

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b) Diese Ausführungen halten den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

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aa) Nach § 1896 Abs. 1 a BGB darf gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Daher muss auch vor der Bestellung eines Kontrollbetreuers festgestellt werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen. Dabei ist der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB und des § 104 Nr. 2 BGB im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor. Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen. Die Feststellungen zum krankheitsbedingten Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Senatsbeschlüsse vom 30. Juli 2014 - XII ZB 107/14 - FamRZ 2014, 1626 Rn. 14 und vom 22. Januar 2014 - XII ZB 632/12 - FamRZ 2014, 647 Rn. 9 mwN).

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bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 18. Dezember 2013 ausgeführt, dass die Betroffene "wegen der mangelnden Einsichtsfähigkeit sowie eingeschränkter Urteils- und Kritikfähigkeit" in ihrer "Geschäftsfähigkeit deutlich eingeschränkt" sei. Konzediert der Sachverständige indessen selbst, dass die Betroffene wegen ihrer eben nur "eingeschränkten Geschäftsfähigkeit" möglicherweise für einen gegenständlich abgrenzbaren Kreis von Angelegenheiten noch zu einer freien Willensbestimmung in der Lage ist, konnte das Landgericht auf dessen Gutachten nicht ohne weiteres die Feststellung stützen, dass der Betroffenen die freie Entscheidung gegen die Bestellung eines Kontrollbetreuers nach eigenständiger Abwägung der für und gegen die Kontrolle ihrer Bevollmächtigten durch einen Betreuer sprechenden Gesichtspunkte nicht mehr möglich ist. Auch die weitergehenden Ausführungen des Sachverständigen dazu, dass die Betroffene aufgrund ihrer geistigen Einschränkungen nicht mehr in der Lage sei, einen Bevollmächtigten zu kontrollieren, führen insoweit nicht weiter, weil sich hieraus zwar Anhaltspunkte für die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen, nicht aber für den Ausschluss der freien Willensbildung in Bezug auf die Betreuerbestellung entnehmen lassen.

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3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben.

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a) Soweit das Landgericht die Kontrollbetreuerin dazu ermächtigt hat, erforderlichenfalls die zugunsten der Beteiligten zu 1 erteilte Vollmacht für den Bereich der Vermögenssorge zu widerrufen, fehlt es hierfür gegenwärtig an einer Grundlage.

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aa) Beabsichtigt das Gericht, die Befugnisse eines Betreuers auf den Widerruf erteilter Vorsorgevollmachten zu erstrecken, setzt dies tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Selbst wenn behebbare Mängel bei der Vollmachtsausübung festzustellen sein sollten, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer positiv auf den Bevollmächtigten einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechnungslegung sowie durch die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheinen, ist die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht - als ultima ratio - verhältnismäßig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - juris Rn. 17 und vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 34 ff.).

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bb) Gemessen daran mögen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zwar die in tatrichterlicher Verantwortung vorgenommene Beurteilung rechtfertigen, es bestünden hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, dass dem Betreuungsbedarf der Betroffenen in Vermögens- und Erbschaftsangelegenheiten durch die Vollmacht nicht Genüge getan wird. Tatsächliche Mängel bei der Vollmachtsausübung sind - wovon das Landgericht selbst ausgeht - aber noch nicht festzustellen, ohne dass sich die Kontrollbetreuerin einen umfassenden Überblick über die vermögensrechtlichen Ansprüche der Betroffenen gegenüber der Beteiligten zu 1 verschafft hat. Bei dieser Sachlage ist die bereits mit der Bestellung der Kontrollbetreuerin verbundene Ermächtigung zum Widerruf der erteilten Vollmacht nicht verhältnismäßig.

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b) Im Übrigen ist die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose                    Schilling                          Günter

             Botur                          Guhling

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a) Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen. Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann ein Einwilligungsvorbehalt nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf einen einzelnen Vermögensgegenstand oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - XII ZB 7/16 - FamRZ 2016, 1070 Rn. 16 mwN). Untauglich ist der Einwilligungsvorbehalt hingegen als Disziplinierungsinstrument bei bloßen Meinungsverschiedenheiten zwischen Betreuer und Betreutem (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 10 mwN).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.