Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2019 - XII ZB 44/19

bei uns veröffentlicht am05.06.2019
vorgehend
Amtsgericht Köln, 312 F 162/18, 07.08.2018
Oberlandesgericht Köln, 25 UF 144/18, 18.01.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 44/19
Verkündet am:
5. Juni 2019
Küpferle
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EuUnthVO Art. 3 lit. b
Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt
, ob eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung, die an einen
Unterhaltsberechtigten Leistungen der Sozialhilfe erbracht hat, sich auf den
Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten nach
Art. 3 lit. b EuUnthVO berufen kann, wenn sie den aufgrund der Sozialhilfegewährung
im Wege der Legalzession auf sie übergegangenen zivilrechtlichen
Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen
als Regress geltend macht.
BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 - XII ZB 44/19 - OLG Köln
AG Köln
ECLI:DE:BGH:2019:050619BXIIZB44.19.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 3 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (Europäische Unterhaltsverordnung - EuUnthVO ) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Kann eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung , die an einen Unterhaltsberechtigten Leistungen der Sozialhilfe nach Vorschriften des öffentlichen Rechts erbracht hat, sich auf den Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten nach Art. 3 lit. b EuUnthVO berufen, wenn sie den aufgrund der Sozialhilfegewährung im Wege der Legalzession auf sie übergegangenen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen als Regress geltend macht?

Gründe:


1
I. Sachverhalt
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Der Antragsteller ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung (im Folgenden: öffentliche Einrichtung). Er macht gegen den Antragsgegner aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt für die Zeit seit April 2017 geltend.
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Die 1948 geborene Mutter des Antragsgegners (im Folgenden: Hilfeempfängerin ) lebt seit dem Jahr 2009 in einem Alten- und Pflegeheim in Köln. Sie erhält von dem Antragsteller laufend Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), weil ihre eigenen Einkünfte (Sozialversicherungsrente, Pflegewohngeld, Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung) und ihr Vermögen nicht zur vollständigen Deckung ihrer Heimkosten ausreichen. Der Antragsgegner lebt in Wien (Österreich).
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Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner in diesem Verfahren auf Zahlung eines Unterhaltsrückstands in Höhe von 8.510 € für die Zeit von April 2017 bis April 2018 sowie auf Zahlung eines laufenden Unterhalts in Höhe von monatlich 853 € seit Mai 2018 in Anspruch. Der Antragsteller macht geltend, dass der gegen den Antragsgegner gerichtete Anspruch der Hilfeempfängerin auf Elternunterhalt gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII auf ihn übergegangen sei, weil er der Hilfeempfängerin in dem hier interessierenden Unterhaltszeitraum laufend Sozialhilfeleistungen gewähre, die den geforderten Unterhaltsbetrag deutlich übersteigen. Der Antragsgegner rügt die fehlende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.

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Das Amtsgericht hat die deutschen Gerichte für international unzuständig gehalten und den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dass insbesondere eine Zuständigkeit nach Art. 3 lit. b EuUnthVO ausscheide, weil berechtigte Person im Sinne dieser Vorschrift nur der Unterhaltsberechtigte selbst, nicht aber eine staatliche Einrichtung sei, die gesetzlich auf sie übergegangene Unterhaltsansprüche im Wege des Regresses geltend mache. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlandesgericht die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sind die deutschen Gerichte international zuständig, weil das der unterhaltsberechtigten Hilfeempfängerin nach Art. 3 lit. a und lit. b EuUnthVO zustehende Wahlrecht, den Unterhalt gegen ihren Sohn sowohl bei dem für ihren Wohnsitz in Deutschland zuständigen Gericht als auch bei dem für den Wohnsitz des Antragsgegners in Österreich zuständigen Gericht geltend zu machen, auch von dem Antragsteller als Zessionar des Unterhaltsanspruchs ausgeübt werden könne.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, der eine Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
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II. Zum geltend gemachten Anspruch
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Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich gemäß § 1610 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Die Lebensstellung eines in einem Pflegeheim wohnenden Elternteils wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch seine Heimunterbringung bestimmt. Sein Unterhaltsbedarf im Sinne von § 1610 BGB deckt sich daher regelmäßig mit den für die Heimunterbringung anfallenden Kosten zuzüglich eines kleineren Barbetrags zur Finanzierung der von den Leistungen der Pflegeeinrichtung nicht erfassten Bedürfnisse (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. September 2018 - XII ZB 384/17 - FamRZ 2018, 1903 Rn. 11 und BGHZ 206, 25 = FamRZ 2015, 1594 Rn. 25 f.; Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 150/10 - FamRZ 2013, 203 Rn. 15 mwN). Kann ein pflegebedürftig gewordener Elternteil die Kosten seiner stationären Pflege aus eigenem Einkommen und Vermögen nicht vollständig bestreiten, steht ihm ein ergänzender Anspruch auf Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (§§ 61 ff. SGB XII) zu. Zu dem dann in Betracht kommenden Übergang bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche gegen die Kinder bestimmt § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII das Folgende: "Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch , geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über."
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Wegen der Durchsetzung der Ansprüche enthält § 94 Abs. 5 Satz 3 SGB XII die folgende Regelung: "Über die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden."
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III. Zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof
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Die Frage, ob sich der Antragsteller auf Art. 3 lit. b EuUnthVO berufen kann, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich. Weil andere Gründe für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte offensichtlich ausscheiden , wäre die Rechtsbeschwerde begründet, wenn Art. 3 lit. b EuUnthVO zugunsten des Antragstellers nicht eingreifen sollte. Im anderen Fall wäre die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
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1. Die Europäische Unterhaltsverordnung ist auf das vorliegende Verfahren anwendbar.
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a) Vorliegen einer Zivilsache
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aa) Nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-VO)konnte ein Regressverfahren wegen übergegangener Unterhaltsansprüche nur dann deren sachlichem Anwendungsbereich unterfallen, wenn dieses Verfahren als Zivilsache (Art. 1 Abs. 1 Brüssel I-VO) zu qualifizieren war. Eine vergleichbare Begrenzung lässt sich dem Wortlaut der einzelnen Bestimmungen der Europäischen Unterhaltsverordnung zwar nicht unmittelbar entnehmen. Die Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs der Europäischen Unterhaltsverordnung auf Zivilsachen erschließt sich allerdings aus den in der Verordnung einleitend genannten Kompetenznormen (Art. 61 lit. c und 65 lit. b EG-Vertrag, jetzt Art. 81 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c AEUV), die dem Unionsgesetzgeber den Erlass von Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen gestatten.
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bb) Unter der Geltung der Brüssel I-Verordnung war auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Regressfällen vom Vorliegen einer Zivilsache immer dann auszugehen, wenn für die Grundlage des Unterhaltsregresses und die Modalitäten seiner Geltendmachung die allgemeinen Vorschriften über Unterhaltsverpflichtungen galten. Keine Zivilsache war demgegenüber gegeben, wenn der Unterhaltsregress nicht von einer Gleichordnung der Beteiligten geprägt war, sondern auf Bestimmungen gestützt wurde, mit denen der Gesetzgeber der öffentlichen Einrichtung eine eigene, besondere Befugnis verliehen hatte (vgl. EuGH Urteile vom 15. Januar 2004 - Rs. C-433/01 - Slg. 2004 I-981 Rn. 20 - Blijdenstein und vom 14. November 2002 - Rs. C-271/00 - Slg. 2002 I-10489 Rn. 37 - Baten).
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cc) Es ist in der deutschsprachigen Rechtsliteratur umstritten, ob diese Abgrenzungsformel auch auf die Europäische Unterhaltsverordnung übertragen werden kann (vgl. Hausmann IntEuFamR 2. Aufl. Rn. C-59; Mankowski IPrax 2014, 249, 250; Reuß FS Simotta [2012] S. 483, 486 f.; vgl. auch BT-Drucks. 17/4887 S. 33) oder ob der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung grundsätzlich in allen Fällen eröffnet ist, in denen eine öffentliche Einrichtung die Erstattung einer Leistung vom Unterhaltspflichtigen fordert, die sie statt seiner an den Unterhaltsberechtigten erbracht hat, ohne dass es dabei entscheidend auf die Rechtsgrundlage des Rückgriffs und die Ausgestaltung der Handlungsbefugnisse der öffentlichen Stelle ankäme (vgl. MünchKommFamG/Lipp 3. Aufl. Art. 1 EG-UntVO Rn. 55 ff.; Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 1 EG-UntVO Rn. 45 ff.). Diese Streitfrage bedarf unter den hier obwaltenden Umständen keiner näheren Erörterung, weil auch eine Abgrenzung auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu der Beurteilung führt, dass das von dem Antragsteller gegen den Antragsgegner eingeleitete Regressverfahren eine Zivilsache ist:
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Der Anspruch beruht auf der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber seiner im Sozialhilfebezug stehenden Mutter. Der Europäische Gerichtshof geht grundsätzlich auch dann vom Vorliegen einer Zivilsache aufgrund einer zivilrechtlichen Rechtsgrundlage aus, wenn eine im bürgerlichen Recht wurzelnde Unterhaltsforderung im Wege einer Legalzession - wie hier gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII - auf eine öffentliche Stelle übergegangen ist (vgl. zu § 7 UVG: EuGH Urteil vom 15. Januar 2004 - Rs. C433 /01 - Slg. 2004 I-981 Rn. 20 f. - Blijdenstein). Der übergegangene Unterhaltsanspruch ist von dem Antragsteller gemäß § 94 Abs. 5 Satz 3 SGB XII auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen. Der Antragsteller ist als öffentliche Einrichtung im Hinblick auf die Art und Weise der Geltendmachung der auf ihn übergegangenen Unterhaltsforderung nicht mit besonderen Befugnissen ausgestattet, wie sie insbesondere dem Sachverhalt zugrunde lagen, den der Europäische Ge- richtshof in der Rechtssache ‚Baten‘ zu beurteilen hatte (vgl. EuGH Urteil vom 14. November 2002 - Rs. C-271/00 - Slg. 2002 I-10489 Rn. 35 f. - Baten).
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In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es auch nach deutschem Recht zu Fallkonstellationen kommen kann, in denen eine öffentliche Einrichtung ihren Regressanspruch gegenüber einem Unterhaltspflichtigen durchsetzen kann, obwohl dessen Leistungspflicht zuvor durch eine Vereinbarung mit dem Unterhaltsberechtigten abbedungen worden ist. Nach § 1614 Abs. 1 BGB sind beim Verwandtenunterhalt und beim Ehegattentrennungsunterhalt (vgl. §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB) Vereinbarungen über den Verzicht auf zukünftige Unterhaltsleistungen generell verboten , womit sowohl der Unterhaltsberechtigte als auch die Träger öffentlicher Leistungen geschützt werden sollen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. September
2015
- XII ZB 1/15 - FamRZ 2015, 2131 Rn. 12 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 48). Auch wenn kein gesetzliches Verbot eingreift, können sich Unterhaltsvereinbarungen, die sich objektiv zu Lasten öffentlicher Einrichtungen auswirken oder sogar deren Schädigung bezwecken, in bestimmten Einzelfällen am Maßstab der zivilrechtlichen Generalklausel des § 138 BGB als sittenwidrig und damit als nichtig erweisen (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 144/04 - FamRZ 2007, 197 Rn. 22 und vom 24. April 1985 - IVb ZR 22/84 - FamRZ 1985, 788, 790). Gemessen daran wird der Schutz der öffentlichen Einrichtungen vor einer sie benachteiligenden Vereinbarung der Parteien des Unterhaltsrechtsverhältnisses nach deutschem Recht in verschiedenen Formen durch das allgemeine Zivilrecht, nicht aber durch besondere Eingriffsbefugnisse der öffentlichen Einrichtungen gewährleistet.
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b) Regressforderung als Unterhaltspflicht
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Der sachliche Anwendungsbereich der Europäischen Unterhaltsverordnung ist auf Unterhaltspflichten begrenzt, die auf einem Familien-, Verwandtschafts - oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen (Art. 1 Abs. 1 EuUnthVO). Aus Erwägungsgrund 11 ergibt sich, dass der Begriff der Unterhaltspflicht verordnungsautonom auszulegen ist. Auf der Grundlage der zum Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird von einer Unterhaltsverpflichtung jedenfalls dann auszugehen sein, wenn die in Frage stehende Leistung dazu bestimmt ist, den Lebensbedarf des Berechtigten zu sichern oder wenn die Bedürfnisse und Mittel des Berechtigten und des Verpflichteten bei der Festsetzung der Leistung berücksichtigt werden (vgl. EuGH Urteile vom 27. Februar 1997 - Rs. C-220/95 - Slg. 1997, I-1147 Rn. 22 - van den Boogaard und vom 6. März 1980 - Rs. 120/79 - Slg. 1980, 731 Rn. 5 - de Cavel II). Gemessen daran stellt der Anspruch der Hilfeempfängerin gegen den Antragsgegner zweifellos eine Unterhaltsverpflichtung im Sinne der Europäischen Unterhaltsverordnung dar, weil sich der Anspruch an den - durch die Heim- und Pflegekosten geprägten - Lebensbedürfnissen der Hilfeempfängerin orientiert und zudem die Bedürftigkeit der Hilfeempfängerin und die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners bei der Leistungsbemessung berücksichtigt werden. Geht eine Forderung, welche selbst die Voraussetzungen für eine Unterhaltsverpflichtung im Sinne der Europäischen Unterhaltsverordnung erfüllt, kraft Legalzession auf einen Dritten über, verliert sie dadurch nicht ihre unterhaltsrechtliche Natur (vgl. für das deutsche Recht: Senatsbeschluss BGHZ 197, 326 = FamRZ 2013, 1202 Rn. 16 mwN).
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2. In den Fällen, in denen die Europäische Unterhaltsverordnung auf einen Unterhaltsregress Anwendung findet, kann eine öffentliche Einrichtung ihren Regressanspruch gemäß Art. 3 lit. a EuUnthVO unzweifelhaft am gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltsverpflichteten Person verfolgen. Es ist bislang noch ungeklärt, ob Art. 3 lit. b EuUnthVO für den Unterhaltsregress öffentlicher Einrichtungen einen weiteren Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt der originär unterhaltsberechtigten Person bereitstellt.
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a) Dies wird im deutschsprachigen Raum von einem Teil der Literatur abgelehnt. Für das Brüssel I-System habe die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Blijdenstein-Entscheidung klargestellt, dass eine öffentliche Einrichtung, die gegen einen Unterhaltsverpflichteten eine Regressklage erhebt, sich diesem gegenüber nicht in einer unterlegenen Position befinde und damit die Rechtfertigung entfalle, dem Unterhaltsverpflichteten den Schutz an seinem gewöhnlichen Gerichtsstand zu nehmen. Diese Rechtsprechung sei auf die Europäische Unterhaltsverordnung zu übertragen, was sich auch aus Erwägungsgrund 14 und Art. 64 Abs. 1 EuUnthVO ergebe, denn dort werde der Begriff der "berechtigten Person" (Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 EuUnthVO) nur hinsichtlich der Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung auf öffentliche Einrichtungen erstreckt, nicht aber bezüglich der Zuständigkeitsvorschriften (vgl. Hau in Prütting/Helms FamFG 4. Aufl. Anh. 3 zu § 110 Rn. 40; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 40. Aufl. Vor Art. 1 EuUntVO Rn. 21a; Nagel /Gottwald IZPR 7. Aufl. § 4 Rn. 100; Fucik in Fasching/Konecny Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen 2. Aufl. Bd. V/2 Art. 3 EuUVO Rn. 4; Bittmann in Gebauer/Wiedmann Zivilrecht unter europäischem Einfluss 2. Aufl. Art. 3 EuUntVO Rn. 33; Conti Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in Europa [2011], S. 192 f.; Kuntze FPR 2011, 166, 170).
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Die abweichende Ansicht, der sich auch das Oberlandesgericht in seiner angefochtenen Entscheidung angeschlossen hat, weist vor allem darauf hin, dass die Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten nach der Europäischen Unterhaltsverordnung keine auf die Bedürfnisse eines wirtschaftlich schwächeren Beteiligten zugeschnittene Ausnahmeregelung mehr darstelle, sondern der Grundkonzeption des Art. 3 EuUnthVO gleichrangige allgemeine Zuständigkeiten zugrunde lägen. Die Anwendung von Art. 3 lit. b EuUnthVO auf den Unterhaltsrückgriff staatlicher Einrichtungen fördere eine effektive Durchsetzung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs und vermeide eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung eines im Ausland lebenden Unterhaltsschuldners (vgl. AG Stuttgart FamRZ 2014, 786 f.; MünchKommFamFG /Lipp 3. Aufl. Vorbem. zu Art. 3 EG-UntVO Rn. 29 ff.; Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 3 EG-UntVO Rn. 44; BeckOGK/Wurmnest [Stand: Oktober 2017] Art. 3 EU-UnterhaltsVO Rn. 43 ff.; Hk-ZPO/Dörner 8. Aufl. Art. 3 EuUnthVO Rn. 5; Hausmann IntEuFamR 2. Aufl. Rn. C-108; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 9 Rn. 644; Gitschthaler /Fuchs Internationales Familienrecht Art. 3 EuUVO Rn. 23; Reuß FS Simotta [2012] S. 483, 489 f.; Mankowski IPrax 2014, 249, 250 ff.).

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b) Der Senat neigt der letztgenannten Ansicht zu.
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Die Auslegung von Art. 3 lit. b EuUnthVO hat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verordnungsautonom im Lichte seiner Ziele, seines Wortlauts und der Systematik zu erfolgen, in die er eingebettet ist (vgl. EuGH Urteil vom 18. Dezember 2014 - Rs. C-400/13 und C-408/13 - FamRZ 2015, 639 Rn. 25 - Sanders und Huber). Vor diesem Hintergrund hat der Senat das Folgende erwogen:
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aa) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung zu der Frage schweigt, ob sich eine öffentliche Einrichtung als Kläger im Rahmen eines Unterhaltsregresses auf den Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltsberechtigten Person nach Art. 3 lit. b EuUnthVO berufen kann.
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Nach der Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 EuUnthVO kann nur eine natürliche Person als unterhaltsberechtigte Person angesehen werden, nicht dagegen eine regressnehmende öffentliche Einrichtung. Nach Art. 64 Abs. 1 EuUnthVO werden öffentliche Einrichtungen für die Zwecke der Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung den unterhaltsberechtigten Personen gleichgestellt. Die ihnen dadurch verliehene Befugnis, Anträge zur Feststellung der Anerkennung oder zur Vollstreckbarerklärung zu stellen, hätten öffentliche Einrichtungen - wie in Erwägungsgrund 14 klargestellt wird - ohne die besondere Regelung in Art. 64 Abs. 1 EuUnthVO nicht. Zwar enthält die Verordnung für Erkenntnisverfahren keine dem Art. 64 Abs. 1 EuUnthVO entsprechende Regelung. Für das Zuständigkeitssystem der Verordnung folgt daraus aber zunächst nur, dass eine öffentliche Einrichtung nicht als "berechtigte Person" im Sinne von Art. 3 lit. b EuUnthVO angesehen werden kann und sie damit auch nicht befugt ist, den Gerichtsstand an ihrem eigenen gewöhnlichen Aufenthalt - also beispielsweise dem Behördensitz - für sich in Anspruch zu nehmen. Ob sich eine öffentliche Einrichtung auf den Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des originär Unterhaltsberechtigten berufen kann, ist eine davon zu unterscheidende Frage.
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bb) Der Senat verkennt nicht, dass die frühere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Zuständigkeit in Unterhaltssachen auch für die Prüfung der entsprechenden Bestimmungen in der Europäischen Unterhaltsverordnung insoweit weiterhin relevant ist, als die Zuständigkeitsregeln der Europäischen Unterhaltsverordnung an die Stelle der entsprechenden Bestimmungen des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen - EuGVÜ) und der Brüssel I-Verordnung getreten sind (vgl. EuGH Urteil vom 18. Dezember 2014 - Rs. C-400/13 und C-408/13 - FamRZ 2015, 639 Rn. 23 - Sanders und Huber).
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Der Europäische Gerichtshof hat zu Art. 5 Abs. 2 EuGVÜ erkannt, dass sich eine öffentliche Einrichtung für ihre Regressklage nicht auf den Gerichtsstand am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten berufen kann. Diese Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof damit begründet, dass nach der Systematik des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens die Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 EuGVÜ) den allgemeinen Grundsatz darstelle, während die von diesem allgemeinen Grundsatz abweichenden besonderen Zuständigkeitsregeln - insbesondere Art. 5 Abs. 2 EuGVÜ - keiner erweiternden Auslegung zugänglich seien, zumal das Übereinkommen der Zuständigkeit von Ge- richten am Wohnsitz des Klägers generell ablehnend gegenüberstehe (vgl. EuGH Urteil vom 15. Januar 2004 - Rs. C-433/01 - Slg. 2004 I-981 Rn.25 - Blijdenstein; vgl. auch EuGH Urteil vom 27. September 1988 - Rs. 189/87 - Slg. 1988, 5565 Rn. 19 - Kalfelis). Die in Art. 5 Abs. 2 EuGVÜ vorgesehene Ausnahme bezwecke, dem Unterhaltskläger, der in einem solchen Verfahren als die schwächere Partei angesehen wird, eine alternative Zuständigkeitsgrundlage zu bieten. Dieser spezifische Zweck habe Vorrang vor dem mit der Regel des Art. 2 EuGVÜ verfolgten Zweck, welcher seinerseits darin bestehe, den mit einer Klage überzogenen und deshalb generell als schwächere Partei anzusehenden Beklagten zu schützen (vgl. EuGH Urteile vom 15. Januar 2004 - Rs. C433 /01 - Slg. 2004 I-981 Rn. 29 - Blijdenstein und vom 20. März 1997 - Rs. C295 /95 - Slg. 1997, I-1683 Rn. 19 - Farrell). Eine öffentliche Einrichtung, die gegen einen Unterhaltsverpflichteten eine Regressklage erhebe, befinde sich aber diesem gegenüber nicht in einer unterlegenen Position. Außerdem sei der Unterhaltsberechtigte, dessen Bedarf durch die Leistungen dieser öffentlichen Einrichtung gedeckt worden ist, nicht mehr in einer schwierigen finanziellen Lage. Zudem seien die Gerichte am Wohnsitz des Beklagten am besten dazu in Lage, dessen finanzielle Mittel zu beurteilen (vgl. EuGH Urteil vom 15. Januar 2004 - Rs. C-433/01 - Slg. 2004 I-981 Rn. 30 f. - Blijdenstein).
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cc) Andererseits hat bereits der Generalanwalt in seinen Schlussanträ- gen in der Rechtssache ‚Sanders und Huber‘ herausgestellt, dass die in der Rechtsprechung zum Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und zur Brüssel I-Verordnung entwickelten Grundsätze nicht mechanisch auf die Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften der Europäischen Unterhaltsverordnung übertragen werden können (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 4. September 2014 in der Rechtssache C-400/13 und C-408/13, Sanders und Huber, juris Rn. 37 f.). Insbesondere die systematischen und teleologischen Erwägungen, die den Europäischen Gerichtshof seinerzeit dazu bewogen haben, die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 2 EuGVÜ auf Regressklagen öffentlicher Einrichtungen zu verneinen, lassen sich nach Ansicht des Senats für die diesbezügliche Auslegung von Art. 3 lit. b EuUnthVO nicht mehr fruchtbar machen.
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(1) Den in Art. 3 EuUnthVO aufgeführten Zuständigkeitsgründen lässt sich kein Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen den einzelnen Gerichtsständen mehr entnehmen. Anders als im Brüssel I-System ist der Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten nicht als besonderer Gerichtsstand , sondern als alternativer allgemeiner Gerichtsstand ausgestaltet.
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(2) Richtig ist, dass die Zuständigkeit der Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten auch unter der Geltung der Europäischen Unterhaltsverordnung weiterhin dem besonderen Schutz der berechtigten Person als der typischerweise schwächeren Partei im Unterhaltsverfahren Rechnung tragen soll (EuGH Urteil vom 18. Dezember 2014 - Rs. C-400/13 und C408 /13 - FamRZ 2015, 639 Rn. 28 - Sanders und Huber). In diesem Regelungszweck erschöpft sich die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 3 lit. b EuUnthVO allerdings nicht. Zum einen ist der Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten regelmäßig dazu geeignet, den Gleichlauf zwischen dem Gerichtsstand und dem anwendbaren Sachrecht herzustellen. Zum anderen sind die Gerichte am Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten wegen ihrer Sachnähe am besten dazu in der Lage, die Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten und seine Bedürftigkeit festzustellen (vgl. Jenard-Bericht zum EuGVÜ ABl. EG Nr. C 59 vom 5. März 1979, S. 1, 25; hierauf Bezug nehmend auch EuGH Urteile vom 18. Dezember 2014 - Rs. C-400/13 und C-408/13 - FamRZ 2015, 639 Rn. 34 - Sanders und Huber und vom 20. März 1997 - Rs. C295 /95 - Slg. 1997, I-1683 Rn. 24 f. - Farrell). Hätte der Verordnungsgeber in diesen weiteren Regelungszielen nur unwesentliche Nebenzwecke erblickt, die den eigentlichen Hauptzweck des Schutzes einer potentiell unterlegenen Prozesspartei lediglich verstärken, hätte er den Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten konsequenterweise nur für Klagen der unterhaltsberechtigten Person eröffnen dürfen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm besteht dieser Gerichtsstand jedoch unabhängig davon, ob der Unterhaltsberechtigte selbst klagt oder ob er von der unterhaltspflichtigen Person - etwa im Wege einer die Unterhaltspflicht leugnenden (negativen) Feststellungsklage - verklagt wird.
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dd) Der Senat sieht die von ihm bevorzugte Rechtsauffassung auch durch einen vergleichenden Blick auf das Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23. November 2007 (HUÜ 2007) gestützt.
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(1) Art. 36 Abs. 1 HUÜ 2007 bestimmt, dass öffentliche Einrichtungen als Antragsteller im Rahmen der Rechtshilfe nur bezüglich der Anerkennung und Vollstreckung (Art. 10 Abs. 1 lit. a und b HUÜ 2007), nicht aber bezüglich der Herbeiführung einer Entscheidung (Art. 10 Abs. 1 lit. c HUÜ 2007) als "berechtigte Personen" anzusehen sind. Dies hat zur Folge, dass öffentliche Einrichtungen für ein Erkenntnisverfahren am gewöhnlichen Aufenthaltsort der unterhaltspflichtigen Person grundsätzlich keine Hilfe der Zentralen Behörden eines anderen Vertragsstaates in Anspruch nehmen können. Diese Einschränkung erschien bei den Diskussionen über die Fassung des Haager Unterhaltsübereinkommens deshalb gerechtfertigt, weil öffentliche Einrichtungen typischerweise Entscheidungen im eigenen Land - gefolgt von der Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Vertragsstaat - herbeiführen werden (vgl. Borrás/Degeling Explanatory Report on the Convention on the International Recovery of Child Support and Other Forms of Family Maintenance Rn. 591, veröffentlicht bei www.hcch.net). Daraus erschließt sich nach Ansicht des Senats , dass bei der Beratung des Haager Unterhaltsübereinkommens wie selbstverständlich von einer Befugnis öffentlicher Einrichtungen ausgegangen worden ist, einen Unterhaltstitel aus übergegangenem Recht am Gerichtsstand des hilfebedürftigen Unterhaltsberechtigten errichten zu lassen. Die Europäische Union hat sich an der Ausarbeitung des Haager Unterhaltsübereinkommens beteiligt. Es erscheint schon deshalb naheliegend, dass der europäische Verordnungsgeber , der mit Art. 64 Abs. 1 EuUnthVO eine Art. 36 Abs. 1 HUÜ 2007 im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorschrift geschaffen hat, von vergleichbaren Vorstellungen getragen worden sein könnte.
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(2) Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c HUÜ 2007 wird eine im Ursprungsstaat ergangene Entscheidung in einem anderen Vertragsstaat anerkannt und vollstreckt , wenn die berechtigte Person zur Zeit der Einleitung des Verfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ursprungsstaat hatte. Macht ein Vertragsstaat diesbezüglich von einem Vorbehalt (Art. 20 Abs. 2 HUÜ 2007) Gebrauch, muss dieser Staat gemäß Art. 20 Abs. 4 HUÜ 2007 alle angemessenen Maßnahmen ergreifen, damit eine Entscheidung zugunsten der berechtigten Person ergeht, wenn die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Vorbehaltsstaat hat. In diesem Zusammenhang gelten gemäß Art. 36 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 4 HUÜ 2007 ausnahmsweise auch öffentliche Einrichtungen als "berechtigte Personen" bei der Herbeiführung der Unterhaltsentscheidung, so dass auch diese Unterstützung durch die Behörden des Vorbehaltsstaats verlangen können (vgl. Borrás/Degeling Explanatory Report on the Convention on the International Recovery of Child Support and Other Forms of Family Maintenance Rn. 590, veröffentlicht bei www.hcch.net). Daraus folgt im logischen Umkehrschluss, dass die Vertragsstaaten des Haager Unterhaltsübereinkommens - soweit sie keinen Vorbehalt nach Art. 20 Abs. 2 HUÜ angebracht haben - dazu verpflichtet sind, Unterhaltsentscheidungen aus anderen Vertragsstaaten anzuerkennen, die öffentliche Einrichtungen am gewöhnlichen Aufenthaltsort der originär unterhaltsberechtigten Person erstritten haben.
36
Der Beschluss des Rates vom 9. Juni 2011 über die Genehmigung des Haager Übereinkommens vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen im Namen der Europäischen Union (ABl. EU Nr. L 192 vom 22. Juli 2011, S. 39 ff.) enthält bezüglich öffentlicher Einrichtungen keine Vorbehaltserklärung nach Art. 20 Abs. 2 HUÜ 2007, so dass sich die Anerkennungspflicht für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch auf solche unter Art. 20 lit. c HUÜ 2007 fallenden Entscheidungen aus anderen Vertragsstaaten des Haager Unterhaltsübereinkommens erstreckt, die in einem Erkenntnisverfahren am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten zugunsten von öffentlichen Einrichtungen ergangen sind. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es nicht verständlich, öffentlichen Einrichtungen innerhalb der Europäischen Union eine Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltsberechtigten Person zu versagen.
37
3. In der Gesamtschau lässt sich die richtige Auslegung des Art. 3 lit. b EuUnthVO indessen nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eindeutig ableiten. Vielmehr bleiben bei der Auslegung der Vorschrift vernünftige Zweifel.
Dose Klinkhammer Günter
Botur Krüger

Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 07.08.2018 - 312 F 162/18 -
OLG Köln, Entscheidung vom 18.01.2019 - II-25 UF 144/18 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2019 - XII ZB 44/19 zitiert 10 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1601 Unterhaltsverpflichtete


Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1610 Maß des Unterhalts


(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). (2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf,

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 94 Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen


(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 61 Leistungsberechtigte


Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1614 Verzicht auf den Unterhaltsanspruch; Vorausleistung


(1) Für die Zukunft kann auf den Unterhalt nicht verzichtet werden. (2) Durch eine Vorausleistung wird der Verpflichtete bei erneuter Bedürftigkeit des Berechtigten nur für den im § 760 Abs. 2 bestimmten Zeitabschnitt oder, wenn er selbst den Zei

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Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - XII ZB 303/13

bei uns veröffentlicht am 29.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB 303/13 Verkündet am: 29. Januar 2014 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2012 - XII ZR 150/10

bei uns veröffentlicht am 21.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 150/10 Verkündet am: 21. November 2012 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2006 - XII ZR 144/04

bei uns veröffentlicht am 25.10.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 144/04 Verkündet am: 25. Oktober 2006 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Sept. 2018 - XII ZB 384/17

bei uns veröffentlicht am 12.09.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB 384/17 Verkündet am: 12. September 2018 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.

(2) Der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt im Sinne des § 99 Absatz 1 bis 3 des Neunten Buches oder pflegebedürftig im Sinne von § 61a ist, gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen nach dem Siebten Kapitel geht nur in Höhe von bis zu 26 Euro, wegen Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel nur in Höhe von bis zu 20 Euro monatlich über. Es wird vermutet, dass der Anspruch in Höhe der genannten Beträge übergeht und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen haften; die Vermutung kann widerlegt werden. Die in Satz 1 genannten Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert.

(3) Ansprüche nach Absatz 1 und 2 gehen nicht über, soweit

1.
die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde oder
2.
der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.
Der Träger der Sozialhilfe hat die Einschränkung des Übergangs nach Satz 1 zu berücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis hat.

(4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe kann den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

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aa) Gemäß § 1610 Abs. 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird der Unterhaltsbe- darf des pflegebedürftigen Elternteils grundsätzlich durch seine Unterbringung in einem Heim bestimmt und deckt sich regelmäßig mit den dort anfallenden Kosten. Ist der Elternteil im Alter sozialhilfebedürftig geworden, so beschränkt sich sein angemessener Lebensbedarf auf das Existenzminimum und damit verbunden grundsätzlich auf eine einfache und kostengünstige Heimunterbringung in einem Pflegeheim des unteren Preissegments. Im Einzelfall sind auch höhere Kosten der Heimunterbringung außerhalb des unteren Preissegments vom Unterhaltspflichtigen zu tragen, wenn dem Elternteil die Wahl eines preisgünstigeren Heims nicht zumutbar war. Das kann der Fall sein, wenn Eltern ihre Heimunterbringung zunächst noch selbst finanzieren konnten und erst später dazu nicht mehr in der Lage sind. Darüber hinaus kann das unterhaltspflichtige Kind auch dann nicht einwenden, es habe eine kostengünstigere Unterbringung offen gestanden, wenn es selbst die Auswahl des Heims beeinflusst hat und sein Einwand infolgedessen gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2015 - XII ZB 26/15 - FamRZ 2015, 2138 Rn. 17 und Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 150/15 - FamRZ 2013, 203 Rn. 18).
15
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Unterhaltsbedarf des Elternteils regelmäßig durch seine Unterbringung in einem Heim und deckt sich mit den dort anfallenden Kosten, soweit diese notwendig sind (vgl.

(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.

(2) Der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt im Sinne des § 99 Absatz 1 bis 3 des Neunten Buches oder pflegebedürftig im Sinne von § 61a ist, gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen nach dem Siebten Kapitel geht nur in Höhe von bis zu 26 Euro, wegen Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel nur in Höhe von bis zu 20 Euro monatlich über. Es wird vermutet, dass der Anspruch in Höhe der genannten Beträge übergeht und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen haften; die Vermutung kann widerlegt werden. Die in Satz 1 genannten Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert.

(3) Ansprüche nach Absatz 1 und 2 gehen nicht über, soweit

1.
die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde oder
2.
der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.
Der Träger der Sozialhilfe hat die Einschränkung des Übergangs nach Satz 1 zu berücksichtigen, wenn er von ihren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis hat.

(4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe kann den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

(1) Für die Zukunft kann auf den Unterhalt nicht verzichtet werden.

(2) Durch eine Vorausleistung wird der Verpflichtete bei erneuter Bedürftigkeit des Berechtigten nur für den im § 760 Abs. 2 bestimmten Zeitabschnitt oder, wenn er selbst den Zeitabschnitt zu bestimmen hatte, für einen den Umständen nach angemessenen Zeitabschnitt befreit.

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a) Nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3 iVm § 1614 BGB ist ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 BGB nichtig. Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruches seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht. Ein sogenanntes pactum de non petendo, d.h. die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unterhaltsanspruches nicht, doch begründet dieses eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht. Die ganz herrschende Meinung sieht daher in einem pactum de non petendo zu Recht ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft (OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; MünchKommBGB/ Weber-Monecke 6. Aufl. § 1361 Rn. 49; Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1614 BGB Rn. 2; Kilger/Pfeil in Göppinger/Börger Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung 10. Aufl. 5. Teil Rn. 140; Niepmann/ Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 12. Aufl. Rn. 153; Erman/Hammermann BGB 13. Aufl. § 1614 Rn. 5; jurisPK-BGB/Viefhues [Stand: 1. Oktober 2012] § 1614 Rn. 11; Deisenhofer FamRZ 2000, 1368 f.; Schwackenberg FPR 2001, 107, 108; Huhn RNotZ 2007, 177, 187; aA OLG Köln FamRZ 2000, 609). Auch ergänzende "Feststellungen" der Ehegatten zum Nichtbestehen eines ungedeckten Unterhaltsbedarfs oder zum Vorliegen eines Verwirkungsgrundes können einem pactum de non petendo nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Denn der Schutzzweck von § 1614 BGB verbietet es generell, der unterhaltsberechtigten Person unter Hinweis auf den Parteiwillen den Unterhaltsanspruch ganz zu versagen (Deisenhofer FamRZ 2000, 1368, 1369). Damit wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn die Ehegatten durch eine Parteivereinbarung , der im Übrigen das Risiko einer unrichtigen Tatsachenermittlung oder falschen Einschätzung der Rechtslage anhaftet, eine den Trennungsunterhaltsanspruch ausschließende Situation darstellen und diese anschließend durch ein pactum de non petendo unangreifbar machen könnten (vgl. auch Huhn RNotZ 2007, 177, 187).

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

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Allerdings kann eine Unterhaltsabrede dann sittenwidrig sein, wenn die Ehegatten damit auf der Ehe beruhende Familienlasten objektiv zum Nachteil der Sozialhilfe geregelt haben (Senatsurteil vom 24. April 1985 aaO). Das ist namentlich dann der Fall, wenn sich aus der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse , insbesondere aus der Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, im Scheidungsfall Nachteile für einen Ehegatten ergeben, die an sich durch den nachehelichen Unterhalt ausgeglichen würden, deren Ausgleich die Ehegatten aber vertraglich ausgeschlossen haben. Das gilt auch dann, wenn ein von den Ehegatten vereinbarter Unterhaltsverzicht einer auf das Verhältnis der Ehegatten zueinander bezogenen Inhaltskontrolle standhält - etwa weil dieser Verzicht durch anderweitige Vorteile (z.B. durch Zuwendung eines Wohnrechts) des verzichtenden Ehegatten kompensiert wird, ohne dessen sozialhilferechtliche Bedürftigkeit entfallen zu lassen. Auch in einem solchen Fall können die Ehegatten ehebedingte Nachteile, die das Recht des nachehelichen Unterhalts angemessen zwischen ihnen ausgleichen will, nicht durch einen Unterhaltsverzicht auf den Träger der Sozialhilfe verlagern und damit die wirtschaftlichen Risiken ihrer individuellen Ehegestaltung gleichsam "sozialisieren". Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor, da nach der konkreten Fallgestaltung bei keinem der Ehegatten ehebedingte Nachteile zu befürchten waren, auf deren Ausgleich sie zu Lasten des Sozialhilfeträgers verzichten wollten. Die Antragstellerin war bereits bei Vertragsschluss nicht in der Lage, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, und bezog deshalb Sozialhilfe. Selbst wenn die spätere Hirnblutung ihre Bedürftigkeit gesteigert hätte, wäre dies kein Nachteil, der durch die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse bedingt wäre. Auch in der Person des Antragsgegners , der bei Vertragsschluss keine Arbeitserlaubnis besaß und in dem auf die Eheschließung folgenden Monat Sozialhilfe beantragt und erhalten hat, sind ehebedingte Nachteile, die durch seinen Unterhaltsverzicht auf die Sozialhilfe übergeleitet würden, nicht erkennbar.