Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Nov. 2011 - XII ZB 293/11

bei uns veröffentlicht am23.11.2011
vorgehend
Amtsgericht Hannover, 615 F 6102/10, 15.03.2011
Oberlandesgericht Celle, 10 UF 78/11, 04.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 293/11
vom
23. November 2011
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft und der Bestellung eines Ergänzungspflegers
handelt es sich um verschiedene Verfahrensgegenstände, für die
die Beschwerdeberechtigung gesondert zu beurteilen ist.

b) Das im Verfahren über die familiengerichtliche Genehmigung einer Erbausschlagung
zum Ergänzungspfleger bestellte Jugendamt ist gegen die Anordnung der
Ergänzungspflegschaft nicht beschwerdeberechtigt.
BGH, Beschluss vom 23. November 2011 - XII ZB 293/11 - OLG Celle
AG Hannover
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. November 2011 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke,
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 4. Mai 2011 wird auf deren Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 15. März 2011 hinsichtlich der Anordnung der Ergänzungspflegschaft verworfen wird. Wert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Das betroffene minderjährige Kind ist aus der Verbindung nicht miteinander verheirateter Eltern hervorgegangen. Der Vater ist verstorben. Die testamentarisch zur Alleinerbin bestimmte Mutter hat die Erbschaft ausgeschlagen. Für das nunmehr als Erbe berufene Kind hat sie in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin die Erbschaft ebenfalls ausgeschlagen und hierfür die Genehmigung des Familiengerichts beantragt. Das Amtsgericht hat im vorliegenden Verfahren zur Entgegennahme der Zustellung des noch zu erlassenden Genehmigungsbeschlusses im Verfahren vor dem Familiengericht sowie zur Erklärung eines Rechtsmittelverzichts bzw. zur Einlegung eines Rechtsmittels Er- gänzungspflegschaft angeordnet und das beteiligte Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt.
2
Das Jugendamt hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass das Kind auch im Wirkungskreis der Ergänzungspflegschaft von der sorgeberechtigten Mutter vertreten werden könne. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde aus Sachgründen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich das Jugendamt mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
4
1. Die Rechtsbeschwerde des Jugendamts ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerdebefugnis für das Rechtsbeschwerdeverfahren ergibt sich daraus, dass die Erstbeschwerde des Jugendamts zurückgewiesen worden ist (vgl. BGHZ 162, 137 = FamRZ 2005, 1738 [LS]; Senatsbeschluss vom 25. August 1999 - XII ZB 109/98 - FamRZ 2000, 219 mwN).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
6
a) Im Hinblick auf die Anordnung der Ergänzungspflegschaft fehlt es dem Jugendamt, das die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt hat, bereits an der Beschwerdeberechtigung, so dass die (Erst-)Beschwerde insoweit unzulässig ist. Das Jugendamt hat mit der Beschwerde nicht seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger beanstandet, sondern sich gegen die - vorgreifliche - Anordnung der Ergänzungspflegschaft gewendet.
7
aa) Bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft und der Bestellung des Ergänzungspflegers handelt es sich um selbstständige Verfahrensgegenstände (BayObLG FamRZ 1989, 1342, 1343; OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 1064 mwN; vgl. auch OLG Celle NJOZ 2011, 1513, 1514 zur Vormundschaft nach Entziehung der elterlichen Sorge). Soweit der Senat in Betreuungssachen die Anordnung der Betreuung und die Bestellung eines Betreuers als Einheitsentscheidung bezeichnet hat (Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 8 ff. und vom 5. Januar 2011 - XII ZB 240/10 - FamRZ 2011, 367 Rn. 9), beruht dies auf den Besonderheiten des Betreuungsrechts. Dadurch ist außerdem die rechtliche Selbstständigkeit der Grundentscheidungund der Entscheidung über die Bestellung nicht in Frage gestellt worden (Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 10 mwN und vom 5. Januar 2011 - XII ZB 240/10 - FamRZ 2011, 367 Rn. 9 aE; vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - XII ZB 364/10 - FamRZ 2011, 632 Rn. 9). Bei selbstständigen Verfahrensgegenständen muss sich die Beschwerdebefugnis auf den jeweiligen konkreten Gegenstand beziehen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 132, 157 = FamRZ 1996, 607 f.).
8
Im Hinblick auf die Anordnung der Ergänzungspflegschaft steht sie dem Jugendamt im vorliegenden Fall nicht zu.
9
bb) Auf eine Sonderregelung für Behörden nach § 59 Abs. 3 FamFG lässt sich die Beschwerdeberechtigung des Jugendamts nicht stützen.
10
Gemäß § 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG steht dem Jugendamt die Beschwerde zu, wenn es vom Gericht im Verfahren nach § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG anzuhören war. Eine Anhörungspflicht besteht aber nur in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen. Zwar ist mit dem Begriff des auf die Per- son des Kindes bezogenen Verfahrens keine Beschränkung auf Verfahren über die Personensorge verbunden. Um ein die Person des Kindes betreffendes Verfahren handelt es sich auch, wenn dieses - etwa bei Übertragung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB - sowohl Angelegenheiten der Personen- als auch der Vermögenssorge betrifft. Das Verfahren betrifft hingegen dann nicht mehr die Person des Kindes, wenn es ausschließlich vermögensrechtliche Angelegenheiten zum Gegenstand hat (zum entsprechenden Begriff in § 158 FamFG s. Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788, 1791 mwN; MünchKommZPO/Schumann 3. Aufl. § 162 FamFG Rn. 3; Keidel/ Engelhardt FamFG 17. Aufl. § 162 Rn. 3; Prütting/Helms/Stößer FamFG 2. Aufl. § 162 Rn. 8; zu §§ 50, 50 c, 52, 59 FGG vgl. Keidel/Engelhardt Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 50 Rn. 19). Das ist bei einem Verfahren über die Genehmigung der Ausschlagung der Fall (KG Berlin FamRZ 2010, 1171, 1172).
11
cc) Das Jugendamt kann sich auch nicht aus eigenem Recht nach § 59 Abs. 1 FamFG gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft wenden.
12
Durch die Anordnung der Ergänzungspflegschaft wird das Jugendamt ebenso wie durch deren Ablehnung (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2007, 2095) nicht in eigenen Rechten betroffen (aA KG Berlin FamRZ 2010, 1171). Für das Jugendamt ergeben sich aus der Anordnung der Ergänzungspflegschaft für sich genommen noch keine Rechtswirkungen. Das Jugendamt wird in seiner eigenen Rechtsstellung erst durch seine Bestellung zum Ergänzungspfleger betroffen. Da diese aber von der Anordnung als Grundentscheidung gegenständlich zu trennen ist, ist es dem Jugendamt verwehrt, über die Anfechtung der Bestellung zugleich auch die Grundentscheidung in Frage zu stellen. Vielmehr ist nicht anders zu entscheiden, als wenn das Familiengericht über die Anordnung der Ergänzungspflegschaft (vergleichbar der Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB) und die Be- stellung in getrennten Beschlüssen entschieden hätte. Dass dem Jugendamt vom Gesetz eine Beschwerdebefugnis schließlich auch nicht aufgrund seiner Behördeneigenschaft zugedacht ist, ergibt sich daraus, dass ihm eine Beschwerdebefugnis insoweit - wie oben ausgeführt - nur in Verfahren eingeräumt wird, die sich auf die Person des Kindes beziehen.
13
b) Das Jugendamt hat seine Rechtsmittel nur damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft nicht vorlägen. Ob sich daraus eine Beschränkung der Rechtsmittel auf die Anordnung der Ergänzungspflegschaft ergibt, kann dahinstehen. Denn das Jugendamt hat bereits nicht dargetan, dass seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger, die es aus eigenem Recht allein anfechten kann, rechtsfehlerhaft sei. Für eine Fehlerhaftigkeit der vom Amtsgericht getroffenen Auswahlentscheidung bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte.
14
3. Die Rechtsbeschwerde ist demnach zurückzuweisen. Die Zurückweisung erfolgt mit der Klarstellung, dass die Beschwerde im Hinblick auf die Anordnung der Ergänzungspflegschaft - als unzulässig - verworfen wird (vgl. BGHZ 162, 137 = FamRZ 2005, 1738 [LS]).
Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 15.03.2011 - 615 F 6102/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 04.05.2011 - 10 UF 78/11 -

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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 59 Beschwerdeberechtigte


(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. (2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller

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(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfah

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(1) Der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu geben. Ein anfechtbarer Beschluss ist demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht. (2) Anwesenden kann der Beschluss auch durch Verlesen der Beschlussformel bekannt gegeben

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1643 Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte


(1) Die Eltern bedürfen der Genehmigung des Familiengerichts in den Fällen, in denen ein Betreuer nach den §§ 1850 bis 1854 der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf, soweit sich nicht aus den Absätzen 2 bis 5 etwas anderes ergibt. (2) Nicht

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 162 Mitwirkung des Jugendamts


(1) Das Gericht hat in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören. Unterbleibt die Anhörung wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen. (2) In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetz

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(1) Der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu geben. Ein anfechtbarer Beschluss ist demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht.

(2) Anwesenden kann der Beschluss auch durch Verlesen der Beschlussformel bekannt gegeben werden. Dies ist in den Akten zu vermerken. In diesem Fall ist die Begründung des Beschlusses unverzüglich nachzuholen. Der Beschluss ist im Fall des Satzes 1 auch schriftlich bekannt zu geben.

(3) Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, ist auch demjenigen, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, bekannt zu geben.

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

(1) Das Gericht hat in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören. Unterbleibt die Anhörung wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.

(2) In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist das Jugendamt zu beteiligen. Im Übrigen ist das Jugendamt auf seinen Antrag am Verfahren zu beteiligen.

(3) In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, ist das Jugendamt von Terminen zu benachrichtigen und ihm sind alle Entscheidungen des Gerichts bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

8
a) Nach dieser Vorschrift findet die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung oder zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statt. Damit knüpft § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG an die gleichlautende Definition des Begriffs der Betreuungssachen in § 271 Nr. 1 und 2 FamFG an (zum Zweck dieser Vorschrift vgl. Heiderhoff in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 271 Rn. 1). Die dort genannten Verfahrensgegenstände sind von besonderer Bedeutung, weil durch sie regelmäßig in gravierendem Maße in höchstpersönliche Rechte der Beteiligten eingegriffen wird. Dies wollte der Gesetzgeber mit der Differenzierung der einzelnen Verfahrensarten in § 271 FamFG deutlich machen (BT-Drucks. 16/6308 S. 264). Deshalb wurden in § 271 FamFG die Verfahren zur Bestellung eines Betreuers und zur Aufhebung einer Betreuung (Nr. 1) sowie das Verfahren zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (Nr. 2) besonders erwähnt, obwohl für eine Definition des Begriffs der Betreuungssache die in § 271 Nr. 3 FamFG verwendete Umschreibung ausreichend gewesen wäre (Heiderhoff in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 271 Rn. 1). Da der Gesetzgeber mit der Regelung des § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG gerade für Betreuungssachen mit besonders hoher Eingriffsintensität in höchstpersönliche Rechte der Beteiligten einen zulassungsfreien Zugang zum Bundesgerichtshof schaffen wollte (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9733, S. 290 li. Sp.), folgt aus der Verknüpfung der beiden Vorschriften, dass eine Rechtsbe- schwerde ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht in allen Verfahren statthaft ist, die von § 271 Nr. 1 und 2 FamFG erfasst werden (Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 4. Aufl. § 70 FamFG Rn. 4; Klußmann in Friederici Familienverfahrensrecht § 70 FamFG Rn. 18; Joachim in Bahrenfuss (Hrsg.) FamFG § 70 Rn. 11).
9
b) Verfahrensgegenstand im ersten Rechtszug war hier neben der Erweiterung der Aufgabenkreise der Betreuerin die Aufrechterhaltung der Bestellung der Beteiligten zu 2 als Betreuerin für die bisherigen Aufgabenkreise. Denn das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 2 auf Erweiterung der Betreuung zum Anlass genommen, auch zu prüfen, ob der Fortbestand der laufenden Betreuung noch gerechtfertigt ist. Da § 1896 Abs. 1 BGB nicht zwischen Anordnung der Betreuung und Bestellung des Betreuers unterscheidet, sondern vorsieht , dass in einer einheitlichen Entscheidung über die Betreuungsbedürftigkeit und die Auswahl des Betreuers entschieden wird (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Betreuungsgesetzes BT-Drucks. 11/4528 S. 118 f.; MünchKomm-BGB/Schwab 5. Aufl. § 1896 Rn. 126 ff.), war Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts nicht nur die Notwendigkeit einer Erweiterung der bestehenden Betreuung, sondern zugleich die Fortdauer der Betreuung durch die Beteiligte zu 2. Damit war auch die Auswahl der Person des Betreuers Gegenstand der amtsgerichtlichen Entscheidung (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 17). Denn das Gesetz kennt grundsätzlich keine gesonderte, von der Bestellung eines konkreten Betreuers unabhängige Anordnung der Betreuung. Zwar eröffnet seit Inkrafttreten des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes (2. BtÄndG) am 1. Juli 2005 (BGBl. 2005 I S. 1073, Art. 12) § 19 Abs. 1 RpflG den Landesregierungen die Möglichkeit, vom Grundsatz der Einheitsentscheidung abzuweichen und dem Rechtspfleger die Auswahl und Bestellung eines Betreuers zu übertragen, während für die Anordnung der Betreuung und die Bestimmung des Aufgabenkreises der Richter zuständig bleibt. Eine solche Aufteilung liegt hier nicht vor; der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat von der Ermächtigung in § 19 Abs. 1 RpflG bislang keinen Gebrauch gemacht.

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

(1) Das Gericht hat in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören. Unterbleibt die Anhörung wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.

(2) In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist das Jugendamt zu beteiligen. Im Übrigen ist das Jugendamt auf seinen Antrag am Verfahren zu beteiligen.

(3) In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, ist das Jugendamt von Terminen zu benachrichtigen und ihm sind alle Entscheidungen des Gerichts bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen.

(2) Die Bestellung ist stets erforderlich, wenn eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(3) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,
2.
eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,
3.
Verfahren die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand haben oder
4.
eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.
Sieht das Gericht in den genannten Fällen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen.

(4) Die Bestellung endet mit der Aufhebung der Bestellung, mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. Das Gericht hebt die Bestellung auf, wenn

1.
der Verfahrensbeistand dies beantragt und einer Entlassung keine erheblichen Gründe entgegenstehen oder
2.
die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde.

(5) Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 12/11
vom
7. September 2011
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Das minderjährige Kind ist im Verfahren zur Übertragung der elterlichen Sorge
vom Familiengericht hinzuzuziehen und somit formeller Verfahrensbeteiligter
("Muss-Beteiligter"). Ist das Kind nicht selbst verfahrensfähig und bedarf
es im Verfahren daher der gesetzlichen Vertretung, so ist diese grundsätzlich
von den sorgeberechtigten Eltern ungeachtet ihrer eigenen Verfahrensbeteiligung
wahrzunehmen.

b) Auch im Fall eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen Eltern und
Kind darf den Eltern die Vertretungsbefugnis im Zusammenhang mit einem
Kindschaftsverfahren dann nicht entzogen werden, wenn bereits durch die
Bestellung eines Verfahrensbeistands für eine wirksame Interessenvertretung
des Kindes Sorge getragen werden kann. Dass der Verfahrensbeistand
nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, steht dem nicht entgegen.
BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - OLG Oldenburg
AG Leer (Ostfriesland)
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2011 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer,
Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Mutter wird der Beschluss des 14. Zivilsenats - 5. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28. Oktober 2010 abgeändert. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leer vom 1. Juni 2010 aufgehoben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Wert: 900 €

Gründe:

I.

1
Das Verfahren betrifft die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das im Mai 2006 geborene Kind M.C. der Beteiligten zu 1 (Mutter) und 2 (Vater). Die nicht miteinander verheirateten Eltern sind aufgrund von Sorgeerklärungen gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge. Die Eltern trennten sich Anfang 2007. Im Mai 2008 wechselte das Kind mit Zustimmung der Mutter in den Haushalt des Vaters. Die Mutter erstrebt in einem weiteren Verfahren (im Folgenden: Kindschaftsverfahren) den Wechsel des Kindes in ihre Obhut und beantragt die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich. Auf eine entspre- chende Bitte der im Kindschaftsverfahren zuständigen Richterin hat die Rechtspflegerin des Familiengerichts eine Ergänzungspflegschaft für das Kindschaftsverfahren angeordnet und das Kreisjugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt.
2
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Mutter die Aufhebung der Ergänzungspflegschaft weiter.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Die Mutter ist nach § 59 FamFG beschwerdebefugt, weil die Anordnung der Ergänzungspflegschaft einen Eingriff in das ihr zustehende Sorgerecht darstellt (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB [2007] § 1629 Rn. 304 mwN).
5
2. Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung unter anderem in FPR 2011, 342 veröffentlicht ist, muss das minderjährige Kind aufgrund seiner sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ergebenden formellen Beteiligtenstellung nach § 9 Abs. 2 FamFG im Verfahren gesetzlich vertreten werden. Dass das Kind zu beteiligen sei, ergebe sich aus seiner Rechtsbetroffenheit und der daraus folgenden festen Rechtsposition als Verfahrenssubjekt. Damit seien zunächst die Eltern bzw. ein allein sorgeberechtigter Elternteil zur gesetzlichen Vertretung berufen. Bestehe allerdings zwischen den Eltern oder im Eltern-Kind-Verhältnis ein erheblicher Interessengegensatz, könne die Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB zu entziehen sein.
Von einem derartigen Interessengegensatz sei bereits dann auszugehen, wenn die konkrete Gefahr bestehe, der gesetzliche Vertreter werde im Konfliktfall das Kindeswohl nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgen. Das Familiengericht habe festzustellen, welche Maßnahmen der Vertretungsbefugte in der betreffenden Angelegenheit plane. Stritten Eltern im Kindschaftsverfahren um das Sorgerecht, offenbare dieser Streit nicht immer und ausnahmslos einen erheblichen Interessengegensatz. Wenn aber um den Aufenthalt des Kindes gestritten werde und die Wohnorte der Eltern weit voneinander entfernt seien, könnten sich die für das Wohl des Kindes bedeutsamen Umstände vom Interesse eines Elternteils, zukünftig gemeinsam mit dem Kind in einem völlig neuen Umfeld einen eigenständigen Lebensmittelpunkt zu begründen, erheblich unterscheiden. Soweit die Eltern das Kind im Kindschaftsverfahren gleichwohl gesetzlich vertreten würden, bestehe die konkrete Gefahr eines erheblichen Interessengegensatzes. Dieser könne nur durch die Entziehung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis und die Bestellung eines Ergänzungspflegers vermieden werden.
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Soweit die Auffassung vertreten werde, dass in Kindschaftsverfahren zur Wahrnehmung der Kindesinteressen generell die Bestellung eines Verfahrensbeistands ausreiche, bleibe unberücksichtigt, dass dieser als gesetzlicher Vertreter des Kindes ausgeschlossen sei. Wenn auch der Gesetzgeber nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs die Bestellung eines Verfahrensbeistands für den Regelfall als ausreichend gesehen habe, vermöge dieses Konstrukt die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung des mit Inkrafttreten des FamFG formell am Verfahren beteiligten Kindes nicht zu ersetzen. Der vorübergehende und nur auf die Dauer des Kindschaftsverfahrens beschränkte Eingriff in die grundgesetzlich geschützte elterliche Sorge sei hinzunehmen, weil nur dadurch einem anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgut, nämlich der Gewährung von formellen Beteiligungsrechten des Kindes in der Ausformung des rechtlichen Gehörs, effektiv Geltung verschafft werden könne. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei durch eine pflichtgemäße Prüfung des erheblichen Interessengegensatzes zwischen Eltern und Kind Rechnung zu tragen.
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3. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, dass das betroffene Kind im Unterschied zu der bis August 2009 bestehenden Rechtslage am Kindschaftsverfahren immer formell beteiligt ist (missverständlich Bassenge/Roth/Wagner FamFG 12. Aufl. § 158 Rn. 19) und es, weil es nicht verfahrensfähig ist, zur Wahrung seiner (Verfahrens-)Rechte eines gesetzlichen Vertreters bedarf. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind vom Familiengericht diejenigen als Beteiligte hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Das ist bei dem vom Sorgeverfahren betroffenen Kind der Fall, weil das Verfahren zu einer Änderung des zwischen Eltern und Kind bestehenden Sorgeverhältnisses führen kann (aA bezüglich der Beschwerdebefugnis OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 1081). Gemäß § 9 Abs. 1 FamFG sind die nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen nur ausnahmsweise verfahrensfähig, wenn sie als geschäftsfähig anerkannt sind (Nr. 2) oder soweit sie das 14. Lebensjahr vollendet haben und sie in einem Verfahren, das ihre Person betrifft, ein ihnen nach bürgerlichem Recht zustehendes Recht geltend machen (Nr. 3). Ist das Kind in diesem Sinne nicht verfahrensfähig, so handeln für dieses gemäß § 9 Abs. 2 FamFG die nach bürgerlichem Recht dazu befugten Personen, mithin im Regelfall seine sorgeberechtigten Eltern in gemeinschaftlicher Vertretung (§ 1629 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB).
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Gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3 1. Halbs. BGB kann das Familiengericht dem Vater und der Mutter nach § 1796 BGB - wie einem Vormund - die Vertre- tung entziehen. Nach § 1796 Abs. 1 BGB kann das Familiengericht dem Vormund die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen. Die Entziehung soll nach § 1796 Abs. 2 BGB nur erfolgen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht.
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a) Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts ist ein solcher Interessengegensatz gegeben, weil um den Aufenthalt des Kindes gestritten werde, die Wohnorte der Eltern weit voneinander entfernt seien und sich die für das Wohl des Kindes bedeutsamen Umstände vom Interesse eines Elternteils, zukünftig gemeinsam mit dem Kind in einem völlig neuen Umfeld einen eigenständigen Lebensmittelpunkt zu begründen, erheblich unterscheiden könnten.
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Das ist als tatrichterliche Feststellung nicht zu beanstanden. Die Beurteilung entspricht insbesondere dem Grundgedanken der verfassungsrechtlich begründeten Notwendigkeit einer eigenständigen Interessenvertretung für das Kind, wenn die Eltern über einen Aufenthaltswechsel des Kindes streiten (BVerfG FamRZ 1999, 85, 87). Dementsprechend sieht das Gesetz in § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG in der Regel die Notwendigkeit einer gesonderten Interessenvertretung für das Kind vor, wenn im betreffenden Verfahren eine Änderung des bestehenden Obhutsverhältnisses in Rede steht. Eine solche Lage ist im vorliegenden Fall gegeben, denn die Mutter erstrebt mit ihrem Antrag einen Wechsel des Kindes in ihre Obhut. Demnach lagen im vorliegenden Fall nicht nur die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind vor, sondern im Ausgangspunkt auch die - übereinstimmenden - Voraussetzungen für eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3 1. Halbs., 1796 BGB.
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b) Das Oberlandesgericht hat bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft die Interessenvertretung durch einen Verfahrensbeistand nicht als gleichwertige Maßnahme angesehen, weil das "Konstrukt" der Bestellung eines Verfahrensbeistands die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung des mit Inkrafttreten des FamFG formell am Verfahren beteiligten Kindes nicht zu ersetzen vermöge.
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Dem kann nicht beigetreten werden.
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aa) Das Verhältnis von Verfahrensbeistandschaft undErgänzungspflegschaft nach Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis ist allerdings umstritten.
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Die Auffassung des Oberlandesgerichts, die dieses bereits in einer früheren Entscheidung vertreten hat (FamRZ 2010, 660), teilen eine weitere Entscheidung des OLG Oldenburg (11. Zivilsenat, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 11 UF 195/10) sowie Stimmen in der Literatur (Schürmann FamFR 2009, 153; Götz NJW 2010, 897, 898;Hoffmann DIJuF-Rechtsgutachten vom 28. Oktober 2009 - www.dijuf.de - S. 3 ff.; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn FamFG § 158 Rn. 21; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 32. Aufl. § 158 FamFG Rn. 6; offenbar auch Bassenge/Roth/Wagner FamFG 12. Aufl. § 158 Rn. 19). Die vom Oberlandesgericht als seiner Auffassung zustimmend aufgeführte Rechtsprechung ist allerdings für Verfahren nach § 1671 BGB bereits nicht einschlägig. Denn die genannten Entscheidungen betrafen durchweg andere Fallkonstellationen (so zutreffend Salgo FPR 2011, 314, 315 mwN). Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin (KG FamRZ 2010, 1171; ebenso OLG Celle Rpfleger 2011, 436) hatte mit der Erbausschlagung und der Zustellung der gerichtlichen Genehmigung ausschließlich eine Vermögensangelegenheit zum Gegenstand (zutreffend KG FamRZ 2010, 1171, 1172), ebenso eine Entscheidung des OLG Köln (FamRZ 2011, 231 [LS]). Diese Entscheidungen betrafen zudem - wie auch die weiter angeführte Entscheidung des OLG Dresden (FamRZ 2010, 1995 - Geltendmachung von Kindesunterhalt gegen den sorgeberechtigten Vater) - Fallgestaltungen, in denen die dem Verfahrensbeistand verschlossene gesetzliche Vertretung als konkrete Form der Interessenwahrung für das Kind erforderlich war.
16
Überwiegend ist die Ansicht des Oberlandesgerichts auf Ablehnung gestoßen. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands sei als milderes Mittel zu betrachten , das eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis und die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft entbehrlich mache (OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1166; OLG Koblenz NJW 2011, 236; OLG Naumburg Beschluss vom 16. November 2010 - 3 UF 178/10; Schael FamRZ 2009, 265, 269; Keuter NJW 2010, 1851, 1852 f.; Schmid FPR 2011, 5, 7; Empfehlungen des Arbeitskreises 11 des 18. Deutschen Familiengerichtstages Nr. 4 Brühler Schriften zum Familienrecht Bd. 16 S. 118 f.; ausführlich Salgo FPR 2011, 314 mwN).
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bb) Der überwiegenden Auffassung ist der Vorzug zu geben.
18
Das Vorliegen eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen Kind und Eltern führt nicht notwendigerweise zur Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis. Da es sich bei der Entziehung der Vertretungsbefugnis um einen Eingriff in das Elternrecht handelt, ist vielmehr der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. MünchKommBGB/Huber 5. Aufl. § 1629 Rn. 63 mN). Daher hat das Gericht vor Entziehung der Vertretungsbefugnis in jedem Fall zu prüfen, ob dem Interessengegensatz nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann. Wenn mildere Maßnahmen möglich sind, um dem Interessenkonflikt wirksam zu begegnen, ist die Entziehung der Vertretungsbefugnis übermäßig und daher rechtswidrig.
19
Davon ist im Ansatz auch das Oberlandesgericht ausgegangen. Es hat allerdings die Bestellung des Verfahrensbeistands nicht als gleich wirksame Maßnahme angesehen. Damit hat es die vom Gesetzgeber im Zuge der FGGReform getroffenen Wertungen und die darauf beruhende Gesetzessystematik nicht hinreichend beachtet.
20
cc) Die Wahrnehmung der Kindesinteressen in einem auf die Person bezogenen Kindschaftsverfahren ist originäre Aufgabe des Verfahrensbeistands. Aufgrund der vorausgegangenen Fachdiskussion um die Subjektstellung des Kindes in Kindschaftsverfahren und die Gewährleistung einer verlässlichen Vertretung seiner - auch subjektiven - Interessen (vgl. BVerfG FamRZ 1999, 85, 87; BT-Drucks. 13/4899 S. 48; Salgo Der Anwalt des Kindes 1993 S. 236 ff. sowie Limbach Der Anwalt des Kindes aus juristischer Sicht Protokolldienst der Evangelischen Akademie Bad Boll 14/1983 S. 12 ff.) ist im Zuge der Kindschaftsrechtsreform von 1997 (KindRG vom 16. Dezember 1997 BGBl. I S. 2942) speziell für bestehende Interessenkollisionen zwischen Eltern und Kind das Institut des Verfahrenspflegers in Kindschaftsverfahren ("Anwalt des Kindes") eingeführt worden (näher Salgo FPR 2011, 314, 315). Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Vertretung der Kindesinteressen in Kindschaftsverfahren hat der Gesetzgeber durch dieses Institut (nunmehr Verfahrensbeistand) Genüge getan (BVerfG FamRZ 2004, 86).
21
dd) Auch wenn ursprünglich - unter anderem - die fehlende formelle Beteiligung des Kindes ein Beweggrund für die Einführung des Verfahrenspflegers war (BT-Drucks. 13/4899 S. 129), führt die Einbeziehung minderjähriger Kinder in den Kreis der notwendigerweise am Kindschaftsverfahren zu Beteiligenden ("Muss-Beteiligte") nicht dazu, dass nunmehr das Institut des Verfahrensbeistands als Interessenvertreter ("Anwalt") des Kindes etwa durch den Ergänzungspfleger abgelöst werden sollte. Dass dies nicht in der Absicht des Ge- setzgebers im Rahmen der FGG-Reform lag, wird dadurch verdeutlicht, dass er dem Verfahrensbeistand besondere Aufmerksamkeit gewidmet und dessen Stellung aufgrund der seit seiner Einführung im Jahr 1998 gewonnenen Praxiserfahrungen näher ausgeformt hat. Hierbei hat der Gesetzgeber unter anderem unterstrichen, dass die Bestellung des Verfahrensbeistands nicht im Ermessen des Familiengerichts steht, sondern zwingend zu erfolgen hat (§ 158 Abs. 1 FamFG). Ferner sind die Aufgaben des Verfahrensbeistands, insbesondere Aufklärungspflicht und Interessenvertretung einschließlich der adäquaten Information des Kindes, näher konkretisiert worden. Und schließlich stellt das Gesetz nunmehr klar, dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist (§ 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG) und dass seine Bestellung nicht selbständig anfechtbar ist (§ 158 Abs. 3 Satz 4 FamFG).
22
Dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist und sein Handlungsspielraum insoweit gegenüber dem des Ergänzungspflegers begrenzt ist, begründet entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht die Notwendigkeit, die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen. Gerade die der Regelung in § 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG zugrunde liegenden Erwägungen zeigen vielmehr, dass es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Bestellung des Verfahrensbeistands als Interessenvertreter des Kindes selbst bei Interessenkonflikten regelmäßig auch bewenden soll.
23
Dass dem Verfahrensbeistand nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung zugedacht ist, beruht auf der gesetzgeberischen Zielsetzung, den Eingriff in das Elternrecht möglichst gering zu halten (BT-Drucks. 16/6308 S. 240). Die gesetzliche Regelung beruht daher auf der Annahme, dass die dem Verfahrensbeistand verliehenen Befugnisse zur effizienten Wahrung der Kindesinteressen ausreichend sind und gleichzeitig in die Befugnisse der Eltern nicht weiter eingegriffen werden soll, als es zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist.
Dem würde es widersprechen, wenn durch die tatbestandlich unter denselben Voraussetzungen stehende und demselben Zweck dienende Entziehung der Vertretungsbefugnis gleichwohl noch weitergehend in das Elternrecht eingegriffen würde.
24
Auch mit dem Ausschluss der selbständigen Anfechtbarkeit (§ 158 Abs. 3 Satz 4 FamFG) hat der Gesetzgeber konkrete sachliche Wertungen verbunden. Dieser dient dem ausdrücklich genannten Zweck, Verfahrensverzögerungen zu verhindern (BT-Drucks. 16/6308 S. 239). Auch diesem Ziel würde es aber zuwiderlaufen, wenn entweder neben oder anstatt der Bestellung eines Verfahrensbeistands die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen wäre. Dann wäre ein gesondertes Verfahren erforderlich, welches rechtsmittelbewehrt wäre und die gesetzliche Vertretung im Kindschaftsverfahren in der Schwebe ließe. Der Gesetzgeber hat indessen im Gegenteil der Verfahrensbeschleunigung (vgl. § 155 FamFG) den Vorzug gegeben, was entwertet würde, wenn zugleich regelmäßig die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen wäre (zutreffend Schmid FPR 2011, 5, 7).
25
Dass in Fällen des wesentlichen Interessengegensatzes von Eltern und Kind stets eine Entziehung der Vertretungsbefugnis angezeigt wäre, kann demnach nicht als Wille des Gesetzgebers unterstellt werden, schon weil er sich damit zu seiner abgewogenen eigenen Entscheidung zur Reichweite der Interessenvertretung des Kindes im Verhältnis zum Elternrecht und zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen in Widerspruch gesetzt hätte. Die Auffassung, dass sowohl die Verzögerung (so OLG Oldenburg Beschluss vom 8. Februar 2011 - 11 UF 195/10) als auch der stärkere Eingriff in das Elternrecht hinnehmbar seien, steht demnach zu der Absicht des Gesetzgebers im direkten Gegensatz.
26
Die vom Oberlandesgericht herangezogene Gesetzesbegründung zur Bestimmung des Beteiligtenbegriffs (BT-Drucks. 16/6308 S. 165) widerspricht dem nicht. Sie bringt den Grundgedanken zum Ausdruck, dass durch die formelle Beteiligung der Grundsatz des rechtlichen Gehörs effektiv gewahrt werden soll. Die zitierte Gesetzesbegründung verhält sich aber schon nicht zu der Frage, wer zur gesetzlichen Vertretung des Kindes berufen ist, und kann daher nicht dafür angeführt werden, dass das Kind in Konfliktfällen stets durch einen Ergänzungspfleger vertreten werden müsse. Dass an anderer Stelle der Gesetzesbegründung im Fall eines bereits zuvor bestellten Ergänzungspflegers erwähnt ist, dass dieser die Bestellung eines Verfahrensbeistands entbehrlich mache (BT-Drucks. 16/6308 S. 238 r. Sp.), steht dem ebenfalls nicht entgegen. Wenn etwa die gesetzliche Vertretung als Handlungsform zwingend erforderlich ist, stünde dies mit der grundsätzlich vorrangigen Bestellung des Verfahrensbeistands durchaus im Einklang, weil dem Verfahrensbeistand die gesetzliche Vertretung verschlossen ist. Überdies geht es aber in der vorliegenden Fallkonstellation gerade um die vorgelagerte Frage, ob überhaupt ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist, was die vorherige Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis voraussetzt und damit eine Entscheidung der Konkurrenz beider Rechtsinstitute unausweichlich macht.
27
Schließlich ist der Ergänzungspfleger (entgegen OLG Oldenburg FamRZ 2010, 660, 662) nicht mit der in § 158 Abs. 5 FamFG ausdrücklich genannten Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vergleichbar. Denn hierbei handelt es sich nicht um gesetzliche Vertreter, sondern um (rechtsgeschäftlich) Bevollmächtigte. Diese § 50 Abs. 3 FGG entsprechende Regelung geht überdies davon aus, dass Vollmachtgeber gerade das - ausnahmsweise verfahrensfähige - Kind oder seine Eltern sind (vgl. die Gesetzesbegründung zum KindRG BT-Drucks. 13/4899 S. 132).
28
Selbst wenn man aber davon abweichend noch von einer Widersprüchlichkeit der Gesetzesmaterialien ausgehen wollte (so offenbar Zorn in Bork/ Jacoby/Schwab FamFG § 158 Rn. 21 und Jacoby aaO § 9 Rn. 2 sowie FamRZ 2007, 1703, 1709), so käme von mehreren sich - vordergründig - widersprechenden Aussagen derjenigen das ausschlaggebende Gewicht zu, welche mit bewussten gesetzgeberischen Wertungen verbunden ist. Die in diesem Sinne spezielleren Wertungen sind hier aber zweifellos zur Regelung des Verfahrensbeistands getroffen worden. Sowohl die bewusste Begrenzung des Eingriffs in das Elternrecht als auch das mit dem Ausschluss der Anfechtbarkeit verfolgte Ziel einer raschen und damit schonenden Konfliktlösung in Kindschaftssachen sprechen für den Verfahrensbeistand als vorrangigen Interessenvertreter des Kindes. Dass die Konsequenz der fortbestehenden Vertretungsbefugnis der Eltern vom Gesetzgeber gesehen und auch gewollt war, belegt abermals die Gesetzesbegründung, indem sie ausdrücklich herausgestellt hat, dass die Eltern auch nach der Bestellung des Verfahrensbeistands in vollem Umfang zur Vertretung des Kindes berechtigt sind (BT-Drucks. 16/6308 S. 239). Für diese Feststellung hätte keine Veranlassung bestanden, wenn unter denselben Voraussetzungen wie für die Bestellung des Verfahrensbeistands den Eltern außerdem noch ihre gesetzliche Vertretungsbefugnis entzogen werden müsste.
29
ee) § 1796 BGB ist demnach im Zusammenhang mit Kindschaftsverfahren dahin zu verstehen, dass eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis dann nicht angeordnet werden darf, wenn durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands bereits auf andere Weise für eine wirksame Interessenvertretung des Kindes Sorge getragen werden kann. Das ist in Verfahren, welche die Person des Kindes betreffen, der Fall. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands ist dabei nicht auf Verfahren, die die Personensorge betreffen, beschränkt , sondern erfasst alle Verfahren, die sich nicht ausschließlich auf Ver- mögensangelegenheiten beziehen (Keidel/Engelhardt FamFG 16. Aufl. § 158 Rn. 4; BT-Drucks. 13/4899 S. 130 f.).
30
4. Der angefochtene Beschluss ist abzuändern. Da im vorliegenden Fall die Bestellung eines Verfahrensbeistands zulässig und ausreichend ist, war die Bestellung eines Ergänzungspflegers durch das Amtsgericht und die damit verbundene Entziehung der Vertretungsbefugnis nicht geboten und demzufolge unzulässig. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf. Demnach ist der Beschluss des Amtsgerichts - ersatzlos - aufzuheben. Hahne Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Leer (Ostfriesland), Entscheidung vom 01.06.2010 - 5c F 4237/10 PF -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 28.10.2010 - 14 UF 114/10 -

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange

1.
die Eltern getrennt leben oder
2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.