Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - XII ZB 257/15

bei uns veröffentlicht am11.11.2015
vorgehend
Landgericht Berlin, 12 O 322/13, 01.09.2014
Kammergericht, 12 U 110/14, 13.05.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 257/15
vom
11. November 2015
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Ga, 236 B
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss die Angabe der die Wiedereinsetzung
begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO). Hierzu gehört eine aus
sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe,
aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das Fristversäumnis beruht
, und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung
der Frist gekommen ist (im Anschluss an BGH Beschluss vom 3. Juli 2008
- IX ZB 169/07 - NJW 2008, 3501).
BGH, Beschluss vom 11. November 2015 - XII ZB 257/15 - KG Berlin
LG Berlin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 13. Mai 2015 wird auf Kosten der Beklagten zu 1 und 2 verworfen. Beschwerdewert: 58.718 €

Gründe:

I.

1
Mit Urteil vom 1. September 2014, das den Beklagten am 6. September 2014 zugestellt worden ist, hat das Landgericht die Beklagte zu 3, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sowie deren Gesellschafter, die Beklagten zu 1 und 2, zur Mietzahlung in Höhe von 58.717,52 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Hiergegen ist am 2. Oktober 2014 Berufung "namens der Beklagten und Berufungsklägerin" eingelegt worden. Als Rechtsmittelführer ist in der Berufungsschrift bezeichnet: "M... GbR, vertreten durch den Geschäftsführer Lutz S. und Petra S. - Beklagte und Berufungsklägerin - "
2
Durch einen weiteren, auf den 6. Oktober 2014 datierten, aber erst am 9. Oktober 2014 per Telefax bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte klargestellt, dass die Berufungseinlegung für "sämtliche Beklagten gemeint" war. Am 15. Oktober 2015 haben die Beklagten zu 1 und 2 vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung haben sie glaubhaft gemacht, ihrem Prozessbevollmächtigten sei von seiner Kanzleiangestellten zunächst ein fehlerhafter Entwurf einer Berufungsschrift vorgelegt worden, der die Beklagten zu 1 und 2 nicht aufgeführt habe. Der Prozessbevollmächtigte habe daraufhin die Fertigung einer korrigierten Fassung der Berufungsschrift unter Aufführung sämtlicher Beklagten angeordnet. Den ihm anschließend korrigiert vorgelegten Schriftsatz habe er auf der zweiten Seite unterschrieben. Zu dem Zeitpunkt seien die beiden Blätter des Schriftsatzes jedoch noch nicht mit Heftklammern zusammengefügt gewesen. Durch ein Büroversehen der sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten sei anstelle der korrigierten Seite die ursprünglich fehlerhaft erstellte erste Seite mit der die Unterschrift tragenden zweiten Seite zusammengefügt und an das Gericht übermittelt worden.
3
Auf richterlichen Hinweis, dass ausweislich seines weiteren Schriftsatzes vom 5. Dezember 2014 das Versäumnis dem Prozessbevollmächtigten bereits am 6. Oktober 2014 bekannt gewesen sei und zu dem Zeitpunkt die Frist noch durch ergänzende Berufungseinlegung für die Beklagten zu 1 und 2 hätte gewahrt werden können, hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass der Schriftsatz zwar das Datum vom 6. Oktober 2014 trage, tatsächlich jedoch erst am 9. Oktober 2014 verfasst worden sei.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründungsfrist nicht schuldlos versäumt sei. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 und 2.

II.

5
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
6
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 - XII ZB 184/07 - FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN).
7
2. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat und auch die Rechtsbeschwerde nicht infrage stellt, ist durch den Schriftsatz vom 2. Oktober 2014 nur für die Beklagte zu 3 Berufung eingelegt worden. Da weder Ordnungsziffern aufgeführt sind, noch der Wortlaut auf mehrere Berufungsführer schließen lässt, kommt eine Auslegung dahin, dass die Berufung für alle Beklagten eingelegt worden sei, nicht in Betracht.
8
Eine ergänzende Heranziehung des am 9. Oktober 2014 eingegangenen Schriftsatzes für die Bestimmung des Rechtsmittelführers scheidet aus, weil der Rechtsmittelführer noch innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist eindeutig bezeichnet werden muss (ständige Rechtsprechung, BGH Beschluss vom 22. Januar 2013 - VIII ZB 46/12 - FamRZ 2013, 695 Rn. 9 mwN; Senatsbeschluss vom 24. Juli 2013 - XII ZB 56/13 - FamRZ 2013, 1571 Rn. 7 f. und Senatsurteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09 - FamRZ 2011, 281 Rn. 10).
9
3. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.
10
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO). Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das Fristversäumnis beruht, und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist (vgl. BGH Beschlüsse vom 10. Januar 2013 - I ZB 76/11 - AnwBl 2013, 233 Rn. 7 und vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07 - NJW 2008, 3501 Rn. 15 mwN).
11
Diesen Anforderungen wird der Wiedereinsetzungsantrag vom 15. Oktober 2015 nicht gerecht. Denn nach dem bis dahin gegebenen Aktenstand musste davon ausgegangen werden, dass dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten bereits am 6. Oktober 2014 bewusst war, Berufung nur für die Beklagte zu 3 eingelegt zu haben. Auf diesen Tag datiert sein "klarstellender" Schriftsatz, wonach die Berufungseinlegung für "sämtliche Beklagten gemeint" war.
12
Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nachträglich mit Schriftsatz vom 5. November 2011 weiter ausgeführt, dass der Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 ein falsches Datum trage und in Wahrheit erst am 9. Oktober 2014 verfasst worden sei, nachdem der Prozessbevollmächtigte frühestens am 8. Oktober 2014 eine - nicht richterlich veranlasste - Rückfrage der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts bezüglich der zu erfassenden Berufungsparteien erhalten habe. Diese Ausführungen, die den objektiven Erklärungswert des auf den 6. Oktober 2014 datierten Schriftsatzes zu widerlegen suchen, waren jedoch bereits Teil des notwendigen Inhalts einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe, welche noch innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vollständig hätten vorgetragen werden müssen. Denn nur die nachgeschobenen Ausführungen lassen einen Ablauf als möglich erscheinen, nach dem der Prozessbevollmächtigte nicht schon während der noch laufenden Berufungsfrist Kenntnis von der unvollständigen Berufungseinlegung hatte.
13
Da der Prozessbevollmächtigte die Umstände des auf den 6. Oktober 2014 datierten Schriftsatzes erst mit weiterem Schriftsatz vom 5. November 2014 dargelegt hat, lag innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die erforderliche geschlossene Darstellung der tatsächlichen Abläufe, die die Umstände des Versäumnisses vollständig erklärte und dem Berufungsgericht eine Entscheidung über die Wiedereinsetzung aus sich heraus ermöglichte, nicht vor. Dose Weber-Monecke Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 01.09.2014 - 12 O 322/13 -
KG Berlin, Entscheidung vom 13.05.2015 - 12 U 110/14 -

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

6
Die nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG NJW-RR 2002, 1004; BGHZ 151, 221, 227; Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 270/04 - FamRZ 2006, 192). Dies bedeutet, dass einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen versagt werden darf, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Spruchskörpers auch nicht rechnen musste.
7
aa) Nach § 519 Abs. 2 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeichnung des angefochtenen Urteils und die Erklärung enthalten, dass dagegen Berufung eingelegt werde. Diesem Erfordernis ist nach der Rechtsprechung nur dann genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar werden (BGH Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR 235/83 - NJW 1985, 2651; Senatsbeschluss vom 14. Mai 2003 - XII ZB 154/01 - FamRZ 2003, 1176, jeweils zu § 518 Abs. 2 ZPO aF und mwN). Die Einhaltung dieser an den Inhalt der Berufungsschrift zu stellenden Anforderungen dient - sowohl im Interesse der Erkennbarkeit der in zweiter Instanz am Rechtsstreit Beteiligten für das Berufungsgericht als auch im Interesse der Parteien - einem geregelten Ablauf des Verfahrens, der Rechtssicherheit und den schutzwürdigen Belangen des Rechtsmittelbeklagten an alsbaldiger Zustellung der Rechtsmittelschrift (BGH Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR 235/83 - NJW 1985, 2651).

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

7
Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde allerdings darauf hin, dass sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts dem Vortrag der Kläger zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags, namentlich den Ausführungen, die sie - etwas versteckt - im Schriftsatz vom 11. Juli 2011 im Anschluss an die Berufungsbegründung gemacht haben, entnehmen lässt, dass die Akte dem sachbearbeitenden Kläger zu 2 an dem Tag, der für die Vorfrist im Fristenkalender notiert war, also am 14. Juni 2011, vorgelegt worden ist. Mit Recht hat aber das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass der weitere Fortgang im Dunkeln bleibt. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Umstände, aus denen sich ergibt, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumung gekommen ist, durch eine geschlossene, aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe dargelegt werden müssen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01, NJW 2002, 2180, 2181; Beschluss vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501). Dem wird die Begründung der Kläger für ihren Wiedereinsetzungsantrag nicht gerecht. Ihr lässt sich insbesondere nicht entnehmen, ob der Kläger zu 2 die Akte - nachdem sie ihm zur Bearbeitung vorgelegt worden war - bei sich behalten hat, um sie alsbald zu bearbeiten, oder ob er sie wieder in den Geschäftsgang gegeben hat, möglicherweise mit dem beiläufigen Bemerken oder der ausdrücklichen Weisung, sie ihm rechtzeitig vor Ablauf der Hauptfrist erneut vorzulegen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kann dem Umstand, dass dem Kläger zu 2 die Akte am 21. Juni 2011, also an dem im Fristenkalender fälschlich eingetragenen Datum der Hauptfrist, erneut vorgelegt worden ist, nicht entnommen werden, dass er die Akte zuvor in den Geschäftsgang gegeben und die Weisung erteilt hat, sie ihm am Tag des Ablaufs der Hauptfrist erneut vorzulegen. Ebenso naheliegend ist es, dass der Kläger zu 2 die Akte bei sich behalten und eine Mitarbeiterin sie am 21. Juni, dem vermeintlichen Tag des Ablaufs der Hauptfrist, herausgesucht hat, um ihn auf den drohenden Fristablauf aufmerksam zu machen. Zumindest in der Fallvariante, in der der Kläger zu 2 die Akte in seinem Verantwortungsbereich behalten hat, nachdem sie ihm am 14. Juni vorgelegt worden war, träfe ihn für die Versäumung der Frist jedenfalls ein eigenes Mitverschulden, das sich auch der Kläger zu 1 zurechnen lassen müsste.
15
b) Die Partei muss im Rahmen ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe , aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht (BGH, Beschl. v. 14. Juni 1978 - VIII ZB 6/78, VersR 1978, 942; Urt. v. 7. März 2002 - IX ZR 235/01, NJW 2002, 2107, 2108; Beschl. v. 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525; 2526; v. 14. März 2005 - II ZB 31/03, NJW-RR 2005, 793, 794). Der Antragsteller muss sich auf einen Sachverhalt festlegen. Er kann nicht alternativ vortragen oder den tatsächlichen Geschehensablauf offen lassen, wenn dabei die Möglichkeit der verschuldeten Fristversäumung offen bleibt (BGH, Beschl. v. 22. Oktober 1981 - VII ZB 17/81, VersR 1982, 144; Musielak/Grandel, ZPO 6. Aufl. § 236 Rn. 4; Hk-ZPO/ Saenger, 2. Aufl. § 236 Rn. 4).