Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2000 - XII ZB 132/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 13. März 2000 wurde der Beklagte zu Unterhaltszahlungen für seine am 11. April 1985 geborene Tochter an den Kläger verurteilt, der der Mutter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz für das Kind gewährt hatte. Das Urteil wurde dem Beklagten am 20. März 2000 zugestellt. Am 18. April 2000 legte er mit Schriftsatz seines bei dem Oberlandesgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigtengegen das Urteil Berufung ein, verbunden mit dem Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe, und führte dazu aus, die Berufung werde nur für den Fall der Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz - auch teilweise - eingelegt. Zu dem Prozeßkostenhilfegesuch verwies er auf die bei den Akten befindliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem Zusatz, diese hätten sich nicht geändert. Im Verfahren vor dem Amtsgericht war dem Beklagten im Dezember 1999 antragsgemäß Prozeßkostenhilfe bewilligt worden. Durch Verfügung vom 26. April 2000 wies der Vorsitzende des Berufungssenats den Beklagten auf Zulässigkeitsbedenken gegen die Berufung hin, weil diese bedingt eingelegt worden sei. Zu der Verfügung nahm der Beklagte am 18. Mai 2000 Stellung mit der Erklärung, die Berufung sei unbedingt eingelegt worden. Außerdem begründete er "die am 18. April 2000 eingelegte Berufung" mit dem Antrag, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen. Zugleich reichte er eine neue Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Das Oberlandesgericht verwarf die Berufung durch Beschluß vom 13. Juni 2000 als unzulässig und versagte dem Beklagten die beantragte Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren, weil die Berufung wegen der Unzulässigkeit keine Erfolgsaussicht biete. Gegen den Beschluß wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.1. Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß der Beklagte mit dem Schriftsatz vom 18. April 2000 eine bedingte, nämlich von der Gewährung der beantragten Prozeßkostenhilfe abhängig gemachte, und damit unzulässige Berufung eingelegt hat. Anders war die Erklärung vom 18. April 2000, die Berufung werde nur für den Fall der Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz eingelegt, nach ihrem objektiven Erklärungswert nicht zu verstehen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Juli 1986 - IVb ZB 55/86 - und vom 11. August 1998 - XII ZB 50/98 = BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung, unbedingte 1 und 4; BGH Beschluß vom 24. Mai 2000 - III ZB 8/00 - jeweils m.w.N.). 2. Das rechtfertigte jedoch angesichts der dargelegten Mittellosigkeit des Beklagten nicht die von dem Oberlandesgericht vorgenommene Verwerfung des Rechtsmittels. Denn die Berufung konnte jedenfalls nach der Entscheidung über die beantragte Prozeßkostenhilfe und Wiedereinsetzung des Beklagten in den vorigen Stand gegen die am 20. April 2000 abgelaufene Berufungsfrist rechtswirksam nachgeholt werden.
a) Der Beklagte hatte am 18. April 2000 und damit rechtzeitig innerhalb der Berufungsfrist zusammen mit der bedingten Berufung einen unbedingten, rechtswirksamen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gestellt. Über diesen Antrag hatte das Berufungsgericht inhaltlich unter Prüfung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 13. März 2000 zu entscheiden. Dabei mußte das Gericht bei der Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag auf "möglichste Beschleunigung" bedacht sein (vgl. Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 118 Rdn. 5; Musielak/Fischer ZPO 2. Aufl. § 118 Rdn. 19). Jedenfalls hatte es über den Prozeßkostenhilfeantrag zu einem Zeitpunkt zu entscheiden, zu dem die
Partei nach Lage der Sache ihre mit dem Antrag verfolgten Belange noch wahrnehmen konnte (vgl. Stein/Jonas/Bork aaO; Musielak/Fischer aaO; auch BVerfG Beschluß vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 99/90 = NJW-RR 1993, 382, 383). Da die Prozeßkostenhilfe für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens beantragt worden war, hatte das Rechtsmittelgericht, um dem Beklagten wirksamen Rechtsschutz in der Rechtsmittelinstanz zu ermöglichen und zugleich dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zwischen bemittelten und unbemittelten Parteien zu genügen, zunächst über den Prozeßkostenhilfeantrag zu entscheiden , bevor es in der Sache selbst entschied (BVerfG aaO S. 382). Das hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen.
b) Zugleich hat das Gericht als Folge seiner Vorgehensweise rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, daß die Einreichung der Berufungsbegründung des Beklagten am 18. Mai 2000 als erneute Einlegung der Berufung anzusehen war (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1993 - XII ZR 124/92 = FamRZ 1993, 1427; BGH Beschluß vom 24. Mai 2000 - III ZB 8/00 -). Der Berufungsbegründungsschriftsatz entspricht - in Verbindung mit dem vorausgegangenen Berufungsschriftsatz vom 18. April 2000 - inhaltlich den Anforderungen des § 518 Abs. 2 ZPO an die Einlegung einer Berufung. Im Gegensatz zu dem Schriftsatz vom 18. April 2000 läßt er auch den unbedingten Willen des Beklagten zur Durchführung der Berufung erkennen, zumal er die Gewährung der beantragten Prozeßkostenhilfe nicht abwartet, ausdrücklich auf die "mit Schriftsatz vom 18. April 2000 eingelegte Berufung" verweist und jeden Hinweis auf eine Abhängigkeit des Rechtsmittels von der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe vermeidet (vgl. BGH Beschluß vom 24. Mai 2000 aaO).
c) Bei Einlegung der Berufung am 18. Mai 2000 war zwar die Berufungsfrist des § 516 ZPO bereits abgelaufen. Die Berufung war daher verspätet und insoweit ebenfalls unzulässig. Wegen dieser Versäumung der Berufungsfrist ist dem Beklagten jedoch gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Diese von dem Oberlandesgericht unterlassene Entscheidung kann der Bundesgerichtshof als Beschwerdegericht treffen (vgl. BGH Beschluß vom 24. Mai 2000 m.w.N.). Die Vorschrift des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO steht der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - nicht entgegen. Wie der Bundesgerichtshof bereits für einen der vorliegenden Verfahrensgestaltung vergleichbaren Fall - in dem ebenfalls ein wirksames Prozeßkostenhilfegesuch mit einer Rechtsmittelerklärung "für den Fall der Bewilligung des Gesuchs" verbunden worden war - entschieden hat, hat die unzulässige Rechtsmittelerklärung in einem solchen Fall keinen Einfluß auf die Gründe, aus denen die Partei an der Fristwahrung gehindert ist (vgl. BGH Beschluß vom 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99 - NJW 1999, 2823). Dann beseitigt aber auch ein Hinweis auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittelerklärung , wie ihn der Vorsitzende des Berufungssenats am 26. April 2000 erteilt hat, nicht das Hindernis (der Mittellosigkeit) für die Fristwahrung und setzt deshalb nicht die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO in Lauf. Mit der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluß des Berufungsgerichts gegenstandslos (vgl. BGHZ 98, 325, 328), was durch dessen Aufhebung klargestellt wird.
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Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.