BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
17. September 2008
in der Familiensache
1 Der Tod der Antragstellerin wirft eine Reihe von Fragen auf, zu denen
der Senat eine Stellungnahme der Parteien für hilfreich erachten würde.
2 Aus der Sicht des Senats dürfte sich die verfahrensrechtliche Lage nunmehr
wie folgt darstellen:
die Antragstellerin anwaltlich vertreten war und ein Aussetzungsantrag nicht
4 2. Gesamtrechtsnachfolgerin der verstorbenen Vollstreckungsgläubigerin
ist die ungeteilte Erbengemeinschaft, die den bisherigen Angaben zufolge aus
den drei gemeinsamen Kindern der Parteien S. (inzwischen volljährig),
V. und F. G. besteht. Vorsorglich wird um Bestätigung gebeten,
dass die am 9. Dezember 1978 geborene gemeinsame Tochter J. nicht zu
den Miterben gehört.
5 3. Nach Angaben der Parteien ist über den Nachlass der Antragstellerin
(offenbar unbeschränkte) Testamentsvollstreckung angeordnet. Insoweit sind
die Erben von der Prozessführung ausgeschlossen.
6 Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung ist ein Aktivprozess, der - soweit
der titulierte Anspruch in den Nachlass fällt und seine Durchsetzung nicht
von der Testamentsvollstreckung ausgeschlossen ist - nach
§ 2212 BGB nur
von dem Testamentsvollstrecker als Partei kraft Amtes geführt werden kann
(vgl. zur Stellung des Testamentsvollstreckers Zöller/Vollkommer
ZPO 26. Aufl.
§ 51 Rdn. 7; Palandt/Edenhofer
BGB 67. Aufl. § 2212 Rdn. 2; vgl. für § 239
ZPO BGH Urteil vom 16. März 1988 - IVa
ZR 163/87 - BGHZ 104, 1 ff.).
7 Frau Rechtsanwältin v. G. führt das Verfahren aufgrund der ihr erteilten
und nach § 86 1. Halbs.
ZPO weiterhin gültigen Vollmacht nunmehr für
die Testamentsvollstreckerin Freifrau v. B. in deren Eigenschaft als
Partei kraft Amtes fort.
8 Soweit dieser ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt wurde, wird um
Vorlage gebeten; desgleichen, falls inzwischen ein Erbschein erteilt wurde.
9 4. Der Bestellung eines Ergänzungs- oder Verfahrenspflegers für die
minderjährigen Erben bedarf es nicht. Die Gefahr einer Interessenkollision besteht
auf Seiten des Vaters und Antragsgegners nicht. Als gesetzlicher Vertreter
Kinder im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen. Er ist aber ohnehin
von der Verwaltung des ererbten Vermögens - und damit auch von der Führung
von Aktivprozessen - insoweit ausgeschlossen, als dieses der Testamentsvollstreckung
unterliegt (Palandt/Edenhofer
BGB 67. Aufl. Einf. vor § 2197 Rdn. 5).
10 a) Die Bestellung eines Pflegers wäre nur dann erforderlich, wenn die
Gläubigerin den Titel hinsichtlich des laufenden "Kindesunterhalts" in Prozessstandschaft
für die Kinder erlangt und das Verfahren der Vollstreckbarerklärung
in Vollstreckungsstandschaft betrieben hätte. Dann wäre die Prozess
/Vollstreckungsstandschaft mit dem Tode der Antragstellerin beendet, und die
drei unterhaltsberechtigten Kinder würden - die minderjährigen Söhne vertreten
durch den alleinsorgeberechtigten Vater - bzgl. ihrer eigenen (dann nicht in den
Nachlass fallenden) Unterhaltsansprüche kraft Gesetzes als Partei auf Antragstellerseite
in das Verfahren eintreten.
11 Eine nach Sec 23 (1) (d) Alt. 1 des Matrimonial Causes Act (MCA) angeordnete
Zahlung von "Kindesunterhalt" an den geschiedenen Ehegatten ist aber
ersichtlich nicht mit einem deutschen Kindesunterhaltstitel vergleichbar, der einen
eigenen Unterhaltsanspruch des Kindes verbrieft. Nach der genannten
Vorschrift kann das Gericht mit der Scheidung u.a. die Anordnung erlassen,
dass einer der Ehegatten regelmäßige Zahlungen an eine im Urteil zu benennende
Person zugunsten eines Kindes oder an dieses Kind zu zahlen hat ("a
party to the marriage shall make to such person as may be specified in the order
for the benefit of a child or to such child, such periodical payments…"). Dabei
ist zu beachten, dass das englische Recht im Rahmen der Scheidungsfolgen
nach dem MCA nicht systematisch zwischen (Kindes- und Ehegatten-) Unterhalt
, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich unterscheidet; vielmehr
hat das Gericht auf Antrag die Scheidungsfolgen nach billigem Ermessen zu
regeln, wobei ihm nach dem MCA bestimmte Regelungsbefugnisse zur Verfügung
stehen (Riek/Woelke Ausländisches Familienrecht England und Wales
Rdn. 34). Der Kindesunterhalt nach MCA sec 23 (1) (d) Alt. 1 ist vorliegend Teil
der "financial provision orders" (finanzielle Versorgung), die mit "property adjustment
orders" (Vermögenszuweisungen) kombiniert werden können und aufgrund
einer einheitlichen Gesamtwürdigung des Gerichts - vor allem unter Beachtung
des Wohlergehens minderjähriger Kinder - zu Gunsten eines Ehegatten
erfolgen (Süß/Ring/Odersky Eherecht in Europa S. 611 ff.; "laufende Zahlungspflicht
zur Versorgung von Kindern"). Bei dem titulierten "Kindesunterhalt"
handelt es sich deshalb - insbesondere, weil er hier der Antragstellerin "for the
benefit of the children" zugesprochen wurde - ersichtlich um einen eigenen Anspruch
des betreuenden Ehegatten auf Zurverfügungstellung von Mitteln, um
finanziell für das Kind aufkommen zu können (abgesehen davon, dass Kindesunterhalt
regelmäßig nicht als Scheidungsfolge ("ancillary relief") nach dem
MCA, sondern nach dem Child Support Act vom Kindesunterhaltsamt bestimmt
wird. Der CSA ist allerdings nicht einschlägig, wenn - wie hier - ein internationaler
Bezug vorliegt (vgl. Riek/Woelke aaO Rdn. 33).
12 b) Die Kinder können dem Verfahren auch nicht (unabhängig von ihrer
Erbenstellung) als Partei beitreten mit der Behauptung, nun nach Art. 38
EuGVVO (Brüssel I-VO) als neue Gläubiger antragsberechtigt zu sein, weshalb
der Titel auf Kindesunterhalt für sie für vollstreckbar zu erklären sei. Da der Titel
nicht im Wege der Prozessstandschaft erlangt worden ist, läge insoweit ein gewillkürter
Parteiwechsel auf Antragstellerseite vor. Ein solcher Parteiwechsel ist
im Rechtsbeschwerdeverfahren indessen nach § 577 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 559
ZPO ausgeschlossen, da ein neuer Sachantrag erforderlich wäre (vgl.
Musielak/Ball
ZPO 5. Aufl. § 559 Rdn. 3).
13 5. Soweit Herr Rechtsanwalt Dr. K. gebeten hat, dem Schuldner
die PKH-Erklärungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Kinder
zugänglich zu machen, ist nach Auffassung des Senats folgendes zu beachten:
14 Frau Rechtsanwältin v. G. hat das Prozesskostenhilfegesuch der
Testamentsvollstreckerin lediglich "überreicht", so dass davon auszugehen ist,
dass es sich um ein eigenes Prozesskostenhilfegesuch der Testamentsvollstreckerin
handelt.
15 Für einen als Partei kraft Amtes in das Verfahren eintretenden Testamentsvollstrecker
Rdn. 2; Musielak/Fischer aaO § 116 Rdn. 3; Palandt/Edenhofer
BGB 67. Aufl.
§ 2212 Rdn. 2). Er (nicht die Erben) erhält bei gegebener Erfolgsaussicht der
beabsichtigten Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten des
Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden
können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten
eine Kostentragung nicht zuzumuten ist. Reicht die verwaltete Erbmasse für
das Bestreiten der Verfahrenskosten nicht aus, ist bei angeordneter Testamentsvollstreckung
vom Gericht zu prüfen, ob den Erben, Vermächtnisnehmern
oder Pflichtteilsberechtigten die Übernahme der Verfahrenskosten zuzumuten
ist (Zöller/Philippi aaO § 116 Rdn. 5).
16 Im Schreiben der Testamentsvollstreckerin vom 15. November 2007 an
Frau Rechtsanwältin v. G. heißt es: "Ich beantrage als Testamentsvollstreckerin
formlos Prozesskostenhilfe für die drei minderjährigen Kinder …".
Dies wird im Hinblick auf
§ 116 ZPO als eigener PKH-Antrag der Testamentsvollstreckerin
auszulegen sein, in dessen Rahmen sie die wirtschaftlichen Verhältnisse
der Miterben (als den "wirtschaftlich Beteiligten") offenbart hat. Die
(auch nicht von den Kindern ausgefüllten und unterschriebenen) Erklärungen
wären somit Teil der Erklärung der Testamentsvollstreckerin über die "wirtschaftlichen
Verhältnisse" des Nachlasses (genauer: Belege über die Leistungsfähigkeit
der Erben als den wirtschaftlich Beteiligten).
17 Eine solche Erklärung (der Testamentsvollstreckerin als Partei kraft Amtes
, nicht der Kinder) darf dem Verfahrensgegner nach § 117 Abs. 2 Satz 2
ZPO aus Gründen des Datenschutzes nur mit Zustimmung der antragstellenden
Partei zugänglich gemacht werden. Diese Vorschrift ist auch auf den
PKH-Antrag einer "Partei kraft Amtes" anwendbar (vgl. Zöller/Philippi aaO § 116
Rdn. 20).
18 Die Testamentsvollstreckerin mag daher mitteilen, ob sie der Übersendung
dieser Unterlagen an den Schuldner zustimmt.
19 6. Soweit der im Ausland titulierte Anspruch materiell auf einen Rechtsnachfolger
übergegangen ist, dürfte es grundsätzlich möglich und angebracht
sein, im Rahmen der Vollstreckbarerklärung diesen Titel sogleich für den
Rechtsnachfolger für vollstreckbar zu erklären (vgl. OLG Köln OLGR 1998, 436;
Mansel IPrax 1995, 362, 365 für den umgekehrten Fall der Vollstreckbarerklärung
gegen den Rechtsnachfolger des Schuldners).
20 Allerdings könnte dem der Grundsatz entgegenstehen, dass ein ausländischer
Titel nur insoweit für im Inland vollstreckbar erklärt werden darf, als er
im Ausgangsstaat selbst (noch) vollstreckbar wäre. Bedenken könnten hier insoweit
bestehen, als nach den Civil Procedure Rules - hier: Schedule 1 RSC
Order 46 Rule 2 (1) (b) - die Vollstreckung aus einem Titel bei einem Wechsel
auf Gläubiger- oder Schuldnerseite einer besonderen gerichtlichen Erlaubnis
bedarf (Eine Vollstreckungsklausel zur Vollstreckung eines Urteils oder einer
gerichtlichen Anordnung darf in den folgenden Fällen nur mit Erlaubnis des Gerichts
erteilt werden…: wenn infolge Todes oder aus anderen Gründen ein
Wechsel der Parteien eingetreten ist, für oder gegen die das Urteil oder die gerichtliche
Anordnung zu vollstrecken ist. / "A writ of execution to enforce a judg-
ment or order may not issue without the permission of the court in the following
cases…: where any change has taken place, whether by death or otherwise, in
the parties entitled or liable to execution under the judgment or order."
21 Fraglich ist, ob dies nur als eine Voraussetzung des nationalen englischen
Rechts anzusehen ist, die im Falle nachträglichen Gläubigerwechsels nur
für eine beabsichtigte Vollstreckung in England erfüllt sein muss, funktionell der
Klauselumschreibung nach deutschem Recht entspricht und, soweit es um die
Vollstreckung in Deutschland geht, keine weitere Voraussetzung für diese darstellt
, sondern durch die gleichwertige gerichtliche "Umschreibung" auf den
neuen Gläubiger innerhalb des deutschen Verfahrens der Vollstreckbarerklärung
ersetzt werden kann.
22 7. Ob der Titel für den neuen Gläubiger vollstreckbar ist, was wiederum
voraussetzen dürfte, dass materiellrechtlich eine Rechtsnachfolge hinsichtlich
nach dem Recht des Urteilsstaats zu beurteilen, hier also nach englischem
Recht. Zum erforderlichen Nachweis der Rechtsnachfolge siehe § 7 Abs. 1
23 Insoweit wird zu prüfen sein, ob das englische internationale Privatrecht
insoweit, auch was die Vererblichkeit der hier zu beurteilenden Ansprüche überhaupt
betrifft, auf deutsches Recht zurückverweist und dann das deutsche
Erbstatut maßgebend ist.
24 8. Jedenfalls kommt eine Vollstreckbarkeit hinsichtlich des laufenden
(Ehegatten)Unterhalts nur für die bis zum Tod der Gläubigerin fällig gewordenen
Beträge in Betracht, da ihr dieser Anspruch gemäß MCA sec 28 (1) (a) nur
bis zum Tode einer der Parteien ("during joint lives") zusteht.
25 Es wird zu prüfen sein, ob dies auch für den laufenden Unterhalt "for the
benefit of the children" gilt, den das englische Gericht nicht ausdrücklich "during
joint lives", sondern vorbehaltlich anderweitiger Anordnung bis zur jeweiligen
Vollendung des 17. Lebensjahres der Kinder, mindestens aber für die Dauer
ihres Besuchs einer weiterführenden Schule zugesprochen hat. Für eine solche
Beschränkung dürfte die vorstehende Beurteilung sprechen, dass es sich auch
insoweit um einen laufenden Unterhaltsanspruch der Gläubigerin handelt, der
mit ihrem Tod erlischt. Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass dieser Anspruch
auch für die Zeit nach deren Tod fortbesteht und in den ungeteilten
Nachlass fällt, die Erbengemeinschaft also einen laufenden Beitrag zum Unterhalt
ihrer Mitglieder verlangen könnte (vgl. auch Lord Denning in Sugden v.
Sugden [1957] P 120 für den Fall des Todes des Schuldners).
26 9. Ob der zugesprochene Pauschalbetrag ("lump sum") als Unterhalt zu
qualifizieren ist, dürfte der Senat autonom zu beurteilen haben. Das Verbot der
"révision au fond" in Art. 45 Abs. 2 EuGVVO bedeutet nicht, dass der Senat an
die Qualifizierung in Teil c des englischen Tenors ("₤ 213.055 … by way of
maintenance") gebunden wäre. Art. 45 Abs. 2 EuGVVO ist nur zu beachten,
wenn und soweit das ausländische Urteil überhaupt in den Anwendungsbereich
dieser Verordnung fällt, was vorab im Hinblick auf Art. 5 der Verordnung
- autonom, aber nach einem europäischen Maßstab - zu prüfen ist (vgl.
Nr. 63 ff., 82 der Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zu EuGH van den
Boogaard/Laumen, Rechtssache C-220/95, EuGHE 1997, I-1149, 1169 ff.,
1182; Rauscher Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Rdn. 11).
Hahne Sprick Weber-Monecke
Wagenitz Klinkhammer
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 28.05.2004 - 11 O 38/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 20.12.2004 - 9 W 61/04 -