Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2015 - XI ZR 532/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen angeblich fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss von drei Swap-Geschäften in Anspruch.
- 2
- Die Parteien stehen in langjährigen Geschäftsverbindungen. Im November 2004 schlossen sie eine Rahmenvereinbarung für Finanztermingeschäfte. Ab Januar 2005 vereinbarten sie jeweils nach Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten zahlreiche Swap-Geschäfte, von denen folgende drei Gegenstand des Rechtsstreits sind:
- 3
- Am 16. Januar 2006 schlossen die Parteien einen Swap-Vertrag Nr. …1 mit einer Laufzeit vom 18. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2015 und einem Bezugsbetrag von 5,3 Mio. €. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung eines Betrages in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBORS zuzüglich 1,07% p.a. aus dem Bezugsbetrag. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung des 6-Monats-EUR-EURIBORS aus dem Bezugsbetrag, sofern der Wert des Euros mindestens 1,41 CHF betrug. Lag der Wert des Euros darunter, berechnete sich die Zahlungspflicht der Klägerin nach der Formel (1,41 - aktueller Wechselkurs) : aktueller Wechselkurs x 100.
- 4
- Am 4. Januar 2007 schlossen die Parteien einen SwapVertrag Nr. …8 mit einer Laufzeit vom 8. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2014. Die Parteien fixierten den Wechselkurs bei Abschluss mit 2,391 GBP/CHF. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung von 4,68% p.a. bezogen auf einen Betrag von 2,5 Mio. GBP. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung des 6-Monats-CHF-LIBOR zuzüglich 1,1% p.a. bezogen auf einen Betrag von 5.977.500 CHF. Die Parteien verpflichteten sich, einander zum Laufzeitende den jeweiligen Bezugsbetrag zu zahlen.
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- Am 27. Februar 2007 schlossen die Parteien einen Swap-Vertrag Nr. …3 mit einer Laufzeit vom 1. März 2007 bis zum 31. Dezember 2012. Die Parteien fixierten den Wechselkurs bei Abschluss mit 42,18 GBP/CZK. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung des 6-MonatsGBP -LIBOR abzüglich 0,18% p.a. bezogen auf einen Betrag von 700.000 GBP.
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- Die Zahlungsverpflichtungen aus allen drei Swap-Geschäften waren jeweils zum 30. Juni und 31. Dezember eines Jahres fällig. In alle drei SwapGeschäfte preiste die Beklagte einen anfänglichen negativen Marktwert ein, über dessen Höhe sie die Klägerin nach deren Behauptung nicht unterrichtete. Die drei streitgegenständlichen Swap-Geschäfte entwickelten sich aus Sicht der Klägerin ungünstig.
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- Ihre auf Feststellung und Zahlung gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit hier noch von Interesse - ausgeführt, die Klägerin habe zu einer Verletzung der aus den Beratungsverträgen resultierenden Verpflichtung , über den in die Swap-Geschäfte eingepreisten anfänglichen negativen Marktwert aufzuklären, nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, weil sie nicht mitgeteilt habe, "in welcher - exakt erst durch ein Sachverständigengutachten festzustellenden - Höhe ein anfänglicher negativer Marktwert bestanden" habe.
- 8
- Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
II.
- 9
- Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. In dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang ist die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f. und vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516). Aus demselben Grund ist er in diesem Umfang gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der auch und gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht (Senatsbeschluss vom 1. April 2014 - XI ZR 171/12, BKR 2014, 295 Rn. 6).
- 10
- 1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen , zwischen der Klägerin und der Beklagten seien im Zusammenhang mit dem Abschluss der Swap-Verträge Beratungsverträge zustande gekommen, aufgrund derer die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Klägerin über den anfänglichen negativen Marktwert der Swaps aufzuklären.
- 11
- 2. Das Berufungsgericht hat jedoch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es die Anforderungen an die Substantiierung des klägerischen Vortrags zu einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert in gehörswidriger Weise überdehnt hat.
- 12
- a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Dabei darf das Gericht die Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags nicht überspannen. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften , verstößt sie gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie offenkundig unrichtig ist (BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2008 - V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 5 und vom 11. September 2013 - IV ZR 259/12, NJW 2014, 149 Rn. 15; vgl. auch BVerfG NJW 2001, 1565).
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- b) Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
- 14
- aa) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (BGH, Urteile vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888, 2889, vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97, NJW 1999, 1859, 1860, vom 29. Februar 2012 - VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647 Rn. 16, Beschlüsse vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710, 2711, vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 8, vom 25. Oktober 2011 - VIII ZR 125/11, NJW 2012, 382 Rn. 14 und vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, WuM 2012, 311 Rn. 6). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden , ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - VIII ZR 125/11, aaO, und vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, aaO).
- 15
- bb) Daran gemessen hat das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen der Klägerin offenkundig überspannt.
- 16
- Denn es ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet , dafür die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 320/04, BGHZ 166, 56 Rn. 15 mwN), so dass es den Sachvortrag der Klägerin auf seine Schlüssigkeit hin untersucht hat. Es hat aber unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte der Klägerin verkannt, dass schlüssiger Vortrag zu einem Beratungsfehler unter dem Aspekt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert eines SwapVertrages nur voraussetzt, dass die Klägerin wie geschehen die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts und das Verschweigen dieser Tatsache vorträgt, weil damit im Sinne der oben zitierten Grundsätze die objektiven Voraussetzungen einer Pflichtverletzung der Beklagten dargetan sind.
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- Den Umfang des anfänglichen negativen Marktwerts muss dieKlägerin dagegen nicht - auch nicht im Sinne der Angabe einer Größenordnung - beziffern. Denn die beratungsvertragliche Verpflichtung der Bank zur Kundgabe (auch) der Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts eines mit ihr geschlossenen Swap-Vertrages beruht gerade auf dem Umstand, dass der Kunde das Einstrukturieren der Bruttomarge in die Risikostruktur des Swap-Vertrages nicht erkennen kann (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, WM 2015, 1273 Rn. 38 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ), so dass ihm auch im Prozess näherer Vortrag zur Höhe nicht abverlangt werden kann.
- 18
- Indem das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin als unzureichend substantiiert behandelt hat, hat es diese Grundsätze unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt. Richtig hätte es bereits aufgrund des unstreitigen Vortrags beider Parteien bei zwei der drei Swap-Verträge von einer schadensersatzrechtlich relevanten Pflichtverletzung der Beklagten ausgehen müssen. Denn die Beklagte hat insoweit das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts und das Unterlassen einer umfassenden Aufklärung der Klägerin auch über dessen Höhe anders als eine Aufklärung über das Einpreisen einer Gewinnmarge als solches nicht in Abrede gestellt. Für den dritten Swap-Vertrag hat die Klägerin dies jedenfalls behauptet.
- 19
- 3. Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 65, 305, 308; 89, 381, 392 f.). Dies ist der Fall, weil das Berufungsgericht seiner Entscheidung keinen weiteren selbständig tragenden Gesichtspunkt zugrunde gelegt hat, der eine Haftung der Beklagten wegen einer Beratungspflichtverletzung ausschlösse.
III.
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- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf das Senatsurteil vom 28. April 2015 (XI ZR 378/13, WM 2015, 1273 Rn. 45 ff., 81, 83) hin.
IV.
- 21
- Im Übrigen weist der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurück, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 07.04.2014 - 15 HKO 8199/12 -
OLG München, Entscheidung vom 17.11.2014 - 7 U 1738/14 -
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Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.