vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 23/03, 01.03.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 100/05
vom
23. Oktober 2007
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sachverständigenablehnung II
Zur Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen
Sachverständigen im Nichtigkeitsberufungsverfahren.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2007 - X ZR 100/05 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen,
Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

beschlossen:
Das gegen den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N. gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 685 527 (Streitpatents), das eine thermoplastische Zusammensetzung aus kompatibilisiertem Polyphenylether-Polyamidharz und elektrisch leitendem Ruß betrifft. Die Klägerin hat vor dem Bundespatentgericht in Bezug auf das Streitpatent gegen die Beklagte Nichtigkeitsklage erhoben, mit der sie in erster Instanz Erfolg hatte.
2
Im Berufungsverfahren hat der Senat Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und Prof. Dr. N. von der … zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Nach Einreichung des schriftlichen Gutachtens hat die Klägerin den Sachverständigen im Wesentlichen mit der Begründung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, dass dieser sein Gutachten über ei- nen Monat vor dem ursprünglich zugesagten Termin fertig gestellt und vorgelegt habe, obwohl sie noch einen weiteren Schriftsatz angekündigt habe; dies spreche dafür, dass er sich einer nochmaligen Reflexion der von ihm gewonnenen Erkenntnisse habe verschließen wollen. Auch habe der Sachverständige ersichtlich erst nach Eingang des letzten Schriftsatzes der Beklagten große Teile seines Gutachtens erstellt, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit bestanden habe. Weiter habe er wesentliche Argumente der Klägerin unberücksichtigt gelassen, falsch oder sinnentstellend wiedergegeben, Parteivortrag der Beklagten unreflektiert übernommen und zuungunsten der Klägerin unterschiedliche Maßstäbe angewendet. Zudem stehe der Sachverständige in geschäftlichen Beziehungen zu den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten ; so seien diese als Vertreter bei sechs Patentanmeldungen (aus den Jahren 2000 bis 2002) tätig geworden, in denen der Sachverständige als Miterfinder benannt sei; hierauf habe der Sachverständige nicht hingewiesen. Auch habe er mit der B. , einer Wettbewerberin der Klägerin, zusammengearbeitet , mit der Lieferbeziehungen der Beklagten hinsichtlich zweier Hauptkomponenten des Gegenstands des Streitpatents beständen. Auch hätten die Beklagte und die B. bei zahlreichen Patentanmeldungen kooperiert , die zum Teil in enger Verwandtschaft zum Gegenstand des Streitpatents ständen. Weiter beständen direkte Geschäftsbeziehungen zwischen der auf dem Campus der … Beklagten und der Hochschule.
3
Die Beklagte hat dem Ablehnungsgesuch, das sie bereits für verfristet hält, widersprochen. Sie meint, dass die Klägerin nicht rechtzeitig Nachforschungen über die Beziehungen des Sachverständigen zu den Parteien und ihren Vertretern angestellt habe. Es habe kein direktes Mandatsverhältnis zu dem Sachverständigen bestanden und die Patentanwälte, die als Vertreter tätig geworden seien, seien längst aus ihrer Sozietät ausgeschieden.

4
II. Das Ablehnungsgesuch bleibt ohne Erfolg.
5
Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO, der auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen anwendbar ist, abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit besteht. Dies kann unter anderem in Betracht kommen, wenn der Sachverständige in einem aktuellen Mandatsverhältnis zu den Prozessbevollmächtigten des Prozessgegners oder in näheren Beziehungen zu einer der Parteien steht (Sen.Beschl. v. 24.7.2007 - X ZR 1/06, in juris; Beschl. v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung; Beschl. v. 13.1.1987 - X ZR 29/86, GRUR 1987, 350 f. - Werkzeughalterung).
6
Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen, ihre rechtzeitige Anbringung zugunsten der Klägerin unterstellt, bei verständiger Würdigung nicht die Annahme, der gerichtliche Sachverständige werde nicht die erforderliche Unparteilichkeit aufbringen.
7
Soweit die Klägerin geltend macht, dass der gerichtliche Sachverständige sein Gutachten verfrüht eingereicht habe, ist zu bemerken, dass der Senat den gerichtlichen Sachverständigen bereits im März 2007 zur alsbaldigen Abgabe des Gutachtens angehalten und sodann im Mai 2007 nachgefragt hat, wann mit der Abgabe des Gutachtens zu rechnen sei. Dass sich der Sachverständige daraufhin mit der Abgabe des Gutachtens beeilt hat, kann deshalb bei verständiger Würdigung für sich nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen, dies umso mehr, als der Sachverständige immer seine Bereitschaft bekundet hat, noch auf nachträgliches Vorbringen zu reagieren. Der von der Klägerin noch angekündigte weitere Schriftsatz ist im Übrigen bis zum Erlass dieser Entscheidung nicht bei Gericht eingegangen. Dass der Sachverständige nicht zu einer Reflexion seiner Meinung bereit sei, ist eine lediglich auf Vermutungen gestützte Annahme der Klägerin, die zudem im Widerspruch zu den Erklärungen des Sachverständigen steht; sie kann daher bei verständiger Würdigung nicht die Annahme begründen, der Sachverständige sei befangen. Etwaige inhaltliche Mängel des Gutachtens wird der Senat in seine Beweiswürdigung einzubeziehen haben. Auch sie wären für sich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Sen.Beschl. v. 5.11.2002 - X ZR 136/99, Schulte-Kartei PatG 110-122 Nr. 59 - Sachverständigenablehnung 07 sowie Parallelentscheidungen vom selben Tag - X ZR 175/01 und X ZR 178/01, FF 2003 Sonderheft 1, 107, Leitsatz auch in Mitt. 2003, 333 - Sachverständigenablehnung 09).
8
Dass der Sachverständige bei Erfindungen als Miterfinder benannt ist, bei denen die Anwaltssozietät die Vertretung übernommen hatte, die nunmehr die Beklagte vertritt, könnte - unabhängig davon, dass die Anwälte, die im jeweiligen Fall tätig geworden sind, wie dem Senat bekannt ist, Anfang 2003 aus der Kanzlei ausgeschieden und in anderer Sozietät tätig sind - die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nur dann begründen, wenn es sich um gegenwärtige oder doch um nicht lange zurückliegende Mandatierungen handeln würde (vgl. Sen., aaO, GRUR 1987, 350 f. - Werkzeughalterung), regelmäßig aber nicht schon dann, wenn es sich um bereits längere Zeit zurückliegende Mandatsverhältnisse handelt (vgl. Sen.Beschl. v. 24.7.2007 - X ZR 1/06). Dass dies der Fall sei, wird aber von der Klägerin nicht einmal behauptet; es ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen, die aus- weisen, dass die Vertretung, soweit im Inland Anwälte eingeschaltet wurden, zwar jedenfalls 1997 (Patentanmeldung DE … und ) 2000 bis 2002 durch die Sozietät der Beklagtenvertreter erfolgt ist, seit 2003 aber durch die aus der Sozietät der Beklagtenvertreter ausgeschiedenen Anwälte der nunmehrigen Sozietät I. oder durch Anwälte der Kanzlei R. , und nicht mehr durch die Sozietät, die die Beklagte vertritt. Daraus kann nur geschlossen werden, dass etwaige Beziehungen des Sachverständigen zur Sozietät der Beklagtenvertreter spätestens im Jahr 2003 und damit bereits vor geraumer Zeit geendet haben. Zudem fällt ins Gewicht, dass es sich nicht um eigene Anmeldungen des Sachverständigen handelt, sondern durchwegs um Anmeldungen der B. und dabei um solche, bei denen der Sachverständige lediglich als Miterfinder benannt ist.
9
Dass der Sachverständige unmittelbar mit der Beklagten zusammengearbeitet haben soll, macht die Klägerin nicht geltend. Schon aus diesem Grund erweist sich der von ihr genannte Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 24.7.2001 - 14 W 99/01 (soweit ersichtlich unveröffentlicht) als unergiebig. Dass er mit einer Wettbewerberin der Klägerin zusammengearbeitet haben mag, füllt einen Ablehnungsgrund ebenfalls nicht aus. Industriekorporationen als solche sind, wie der Senat erst kürzlich für Industrietätigkeiten allgemein entschieden hat (Sen.Beschl. v. 18.9.2007 - X ZR 81/06), bei Hochschullehrern auf dem Gebiet der Technik und der Naturwissenschaften allgemein zu erwarten und schon deshalb für sich allein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Sie sind sogar im Interesse der Qualifikation des Sachverständigen erwünscht (Sen.Beschl. v. 26.7.2005 - X ZR 108/04, Umdruck S. 5, im Druck nicht veröffentlicht). Dies gilt jedenfalls im Patentnichtigkeitsverfahren. Ob außerhalb dieser Verfahrensart für eine Zusammenarbeit mit Wettbewerbern etwas anderes zu gelten hat (vgl. den ebenfalls von der Klägerin vorgelegten Beschluss des Oberlandesge- richts München vom 23.10.1997 - 6 W 2270/97, soweit ersichtlich unveröffentlicht ), bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung.
10
Auch eine Tätigkeit für einen nicht am Verfahren beteiligten und auch nicht mit einem Verfahrensbeteiligten verflochtenen Konkurrenten (zu diesem Fall Sen.Beschl. v. 10.12.1998 - X ZR 64/97, abgedruckt bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen 1994 - 1998, 551 - Sachverständigenablehnung 05; Beschl. v. 24.7.2007 - X ZR 1/06) rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch nicht (Sen.Beschl. v. 18.9.2007, aaO; vgl. Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 99/93, Schulte-Kartei PatG 26-29 Nr. 39 - Sachverständigenablehnung 01; vgl. weiter Sen.Beschl. v. 5.11.2002 - X ZR 136/99, Schulte-Kartei PatG 110-122 Nr. 59 - Sachverständigenablehnung 07, Umdruck S. 5, und zwei Entscheidungen vom selben Tag - X ZR 175/01 und X ZR 178/01, FF 2003 Sonderheft 1, 107, Leitsatz auch in Mitt. 2003, 333 - Sachverständigenablehnung 09). Derartige Umstände hat die Klägerin indessen nicht ausreichend dargelegt, selbst wenn zu ihren Gunsten davon ausgegangen wird, dass das Streitpatent einen Geschäftsbereich betrifft, auf dem sowohl die Klägerin als auch die Beklagte und das Konkurrenzunternehmen, mit dem der Sachverständige zusammengearbeitet haben soll, tätig sind. Objektiv greifbare Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung die Annahme stützen können, dass der Sachverständige befangen sei, ergeben sich hieraus nicht.
11
Schließlich ist der Umstand, dass die Beklagte (oder jedenfalls ein mit dieser verbundenes Konzernunternehmen) eine Niederlassung auf dem Campus der Hochschule unterhält, der der Sachverständige angehört, nicht geeignet, aus der Sicht einer verständigen Partei die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Zwar wird eine Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände bei Forschungskooperationen zwischen der organisatorischen Einheit der Hochschule, der der Sachverständige angehört, und einer Prozesspartei oder einem mit dieser verbundenen Unternehmen zu dem Ergebnis führen können, dass der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit ausgefüllt ist (vgl. Sen.Beschl. v. 10.12.1998 - X ZR 64/97 bei Bausch BGH 1994 - 1998, 551 - Sachverständigenablehnung 05; Beschl. v. 21.2.2006 - X ZR 103/04, im Druck nicht veröffentlicht; zur Gesamtabwägung Sen.Beschl. v. 25.2.1997 - X ZR 137/94, bei Bausch BGH 1994-1998, 559 - Sachverständigenablehnung 03). Solche Kontakte des Instituts, dem der Sachverständige angehört, sind hier indessen nicht einmal vorgetragen; bloße Beziehungen der Hochschule zur Beklagten oder zu einem Konzernunternehmen der Beklagten, auf die sich die Klägerin stützt, reichen nicht dafür aus, einen hinreichenden Anlass für die Besorgnis der Befangenheit zu bieten (vgl. Sen.Beschl. v. 1.2.2005 - X ZR 26/04; v. 26.7.2005 - X ZR 108/04, beide nicht im Druck veröffentlicht).
12
Auch aus der Summierung der von der Klägerin geltend gemachten Umstände ergibt sich kein hinreichender Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit. Die heterogenen Aspekte, auf die sich die Klägerin stützt, erlauben bei verständiger Würdigung keine Summenbildung.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 01.03.2005 - 3 Ni 23/03 (EU) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 406 Ablehnung eines Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Der A

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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 1/06 Verkündet am:
23. Februar 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und
die Richter Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 25. November 1985 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 524 657 (Streitpatents), das neun Patentansprüche umfasst , deren erster in der Verfahrenssprache lautet: "A winder for thread, comprising a first chuck upon which packages of thread can be wound and a second chuck upon which packages of thread can be wound, means operable to transfer a thread from a package wound on the first chuck to the second chuck to start winding of a package thereon and screening means movable from a retracted position into an operating position between the completed package on the first chuck and the newley -forming package on the second chuck characterised by an auxiliary guide means for deflecting a thread during changeover of winding form the first to the second chuck, said guide means (44, 440) cooperating with the screening means (110) to screen a package (40) on the first chuck (24) from a winding operation on the second chuck (26)."
2
Dieser Anspruch ist in der Streitpatentschrift wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Filament-Spulaggregat mit einem ersten Spulendorn, auf welchem Fadenpackungen aufgespult werden können, und mit einem zweiten Spulendorn, auf welchem Fadenpackungen aufgespult werden können, und mit Mitteln zum Übertragen eines Fadens von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Spulenpackung auf den zweiten Spulendorn zum Beginnen des Aufspulens einer Spulenpackung darauf, und mit Abschirm-Mitteln, die aus einer Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen der fertig gestellten Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn und der neu begonnenen Spulenpackung auf dem zweiten Spulendorn bewegbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass Hilfs-Führungsmittel vorgesehen sind zum Auslenken eines Fadens während des Wechsels der Aufspulung vom ersten auf den zweiten Spulendorn, wobei die genannten Führungs-Mittel (44, 440) mit Abdeck-Mitteln (110) zusammenwirken , um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulen- dorn (24) von einem Aufspulvorgang auf dem zweiten Spulendorn (26) abzuschirmen."
3
Patentanspruch 5 lautet in der deutschen Übersetzung: "Spulaggregat gemäß einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Abschirm-Mittel (110) und die Führungs-Mittel (44, 440) je eine Kante aufweisen, wobei diese Kanten nebeneinander liegen, wenn sich die Abschirm-Mittel (110) und die Führungs-Mittel (44, 440) in ihrer Abdeckposition befinden."
4
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
5
Die Klägerin, die aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht neu sei, jedenfalls aber gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und Gleiches für die Unteransprüche gelte. Die Klägerin hat sich hierzu auf die europäischen Patentanmeldungen 73 930 und 161 385 (nachveröffentlicht ), die US-amerikanischen Patentschriften 3 165 274, 3 409 238 und 4 327 872 sowie 4 613 090 (Anmeldungsdatum: 26. Februar 1985; Datum der Patentierung: 23. September 1986), auf die deutschen Offenlegungsschriften 25 44 365 und 22 12 505, auf die deutsche Patentschrift 24 49 912 sowie auf die japanischen Patentanmeldungen sho 60-15369 und 54-64148 berufen. Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß in vollem Umfang für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung, deren Zurückweisung die Klä- gerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent dahin, dass Patentanspruch 1 die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 5 hinzugefügt werden.
6
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. W. Hochschule N. , Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik, M. , ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
8
I. 1. Ohne Einfluss auf das Berufungsverfahren ist der Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents; der Klägerin ist nach ständiger Rechtsprechung ein weiter bestehendes Rechtsschutzbedürfnis für die Verfolgung ihres Begehrens zuzubilligen, weil sie aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird.
9
2. Das Streitpatent betrifft Entwicklungen an Spulaggregaten für synthetische Filamente. Der Beschreibung zufolge können beim Aufspulen solcher Filamente Probleme auftreten, wenn das Fadenende einer fertig gestellten Spulenpackung in der Phase des Herabbremsens des Spulendorns bis zum Stillstand infolge der Zentrifugalkraft radial nach außen nachgeschleppt wird und in den Arbeitsbereich hineinragt. Zur Bewältigung der daraus resultierenden, der Streitpatentschrift zufolge im Stand der Technik des Filamentspulens allgemein bekannten Probleme seien verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden. Die US-amerikanischen Patente 3 165 274 und 3 409 238 beschrieben Abschirmungen , die zwischen eine fertiggestellte Spulenpackung und das Reibantriebselement eingeschoben werden könnten, um zu verhindern, dass ein Fadenende auf dem Antriebselement aufgewickelt wird. Die US-Patentschrift 4 327 872 zeige ein schwenkbares Fadenrückhalteelement. Die japanische Patentanmeldung sho 60-15369 offenbare ein Spulaggregat für synthetische Fäden , das zwei auf einem Revolver angebrachte Spulendorne und AbschirmMittel umfasse, die aus einer zurückgezogenen Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen einer fertiggestellten Spulenpackung auf dem ersten und einer auf dem zweiten Spulendorn neu im Aufbau begriffenen Spulenpackung bewegt werden könnten.
10
3. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Ziel der vorliegenden Erfindung , eine Lösung der genannten Probleme vorzuschlagen, die der Verwendung auf einem Spulaggregat angepasst ist, das eine Mehrzahl von Spulendornen und Mittel zur Fadenübertragung von einem Spulendorn auf den anderen aufweist, und schlägt ein Filament-Spulaggregat vor (zusätzliche Merkmale gemäß dem Hilfsantrag der Beklagten kursiv gedruckt), mit 1. einem ersten und einem zweiten Spulendorn, auf welche Fadenpackungen aufgespult werden können, 2. mit Mitteln zum Übertragen eines Fadens von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Spulenpackung auf den zweiten Spulendorn zum Beginnen des Aufspulens einer Spulenpackung darauf, und 3. mit Abschirm-Mitteln, die aus einer Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen der fertiggestellten Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn und der neuen Spulenpackung auf dem zweiten Spulendorn bewegbar sind, 4. mit vorgesehenen Hilfs-Führungsmitteln (44, 440) zum Auslenken eines Fadens während des Wechsels der Aufspulung vom ersten auf den zweiten Spulendorn, die 5. mit Abdeck-Mitteln (110) zusammenwirken, um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn (26) abzuschirmen; wobei 6. die Abschirm-Mittel (110) und die Führungsmittel (44, 440) je eine Kante aufweisen, 7. und wobei diese Kanten nebeneinander liegen, wenn sich die Abschirm-Mittel (110) und die Führungsmittel (44, 440) in ihrer Abdeckposition befinden.
11
4. Die nachstehend abgebildete Figur 1 des Streitpatents zeigt schematisch die Draufsicht auf ein Spulaggregat mit zwei Spulendornen und Reibwalzenantrieb :
12
Die um ihre Längsachse (20) rotierende Reibantriebswalze (18) ragt starr aus dem Antriebskopf-Gehäuse (16) vor, während zwei Spulendorne (24, 26) drehbar auf Schwenkarmen (28, 30) gelagert sind. Auf sie sind Spulenhülsen (102) aufgesteckt, auf die der Faden mit Hilfe einer herkömmlichen Changiervorrichtung (22) gespult wird, und zwar indem der Faden (14) um die Reibantriebswalze geführt und unter Druckkontakt zwischen Antriebswalze und Spulenpackung so lange auf die Spulenhülse aufgespult wird, bis die vorgesehene Größe erreicht ist. Dabei wandern die Achsen der Spulendorne, auf die jeweils eine Spulenpackung aufgespult wird, entsprechend ihrem zunehmenden Umfang auf den Kurven (29 bzw. 31) in Richtung auf die jeweiligen Endpositionen (36, 250). Die patentierte Erfindung soll sich, der Streitpatentschrift zufolge, weder auf die beschriebene Antriebsart durch Reibwalzen beschränken - die Spulendorne können auch durch Einzelmotoren angetrieben werden -, noch auf die Lagerung der Spulendorne auf Schwenkachsen (stattdessen: Aufnahme der Spulendornpaare auf Revolver, Anspruch 3, vgl. auch Streitpatentschrift, Übersetzung S. 16 f.).
13
Die Mittel zum Abtrennen des Fadens und dessen Übertragung von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Packung auf den zweiten Spulendorn zum Beginn des Aufspulvorgangs auf diesem (Merkmal 2) werden in der Streitpatentschrift nicht erläutert, sondern dafür wird auf die europäische Patentanmeldung 73 930 verwiesen. Soweit die Figur mit der Bezugsziffer 14A ein vom oberen Spulendorn herabhängendes Fadenende zeig t, ist unstreitig, dass dieses in Anbetracht der gegen den Uhrzeigersinn gerichteten Laufrichtung des oberen Spulendorns mit falscher Ausrichtung eingezeichnet ist.
14
5. Figur 2 zeigt den Einsatz eines Hilfs-Führungsmittels (44) bei der Vorbereitung des Wechsels des Fadens von einer ausschwenkenden vollen Spulenpackung (40) zum Aufwinden auf dem einschwenkenden Spulendorn (26):
15
Das Hilfs-Führungsmittel, in der Streitpatentschrift auch als (Hilfs-)Führungselement , (Hilfs-)Auslenkelement (44) oder Fadenauslenk- bzw. -auslenkungsmittel bezeichnet, ist ein Bauteil, das zwischen einer zurückgezogenen Lage (mit durchgezogenen Linien in Figur 2 dargestellt) und einer Arbeitsstellung (strichpunktierte Linien in Figur 2) wechseln kann. Es lenkt in der Arbeitsstellung den Faden (18) zur Einleitung des Fadenwechsels von der fertiggestellten Spulenpackung (40) auf dem oberen Spulendorn (24) aus, damit der Faden vom einschwenkenden Spulendorn leichter abgefangen werden kann, so dass auf diese Weise der Beginn der Aufwicklung des Fadenendes auf die auf dem unteren Spulendorn (26) aufgebrachte Hülse sichergestellt ist. Diese Funktion ist in der europäischen Patentanmeldung 73 930 offenbart und beschrieben.
16
Dem Auslenkelement ist im Streitpatent eine zweite Funktion zugewiesen , und zwar die der Abschirmung. In dieser Funktion tritt es zu dem außerdem vorzusehenden Abschirmmittel (110) und ergänzt den von diesem verwirklichten Schutz vor einer Übertragung des von einer vollen Spulenpackung abstehenden Fadenendes auf die Reibantriebswalze oder die neue Spulenpackung. Die Streitpatentschrift bezeichnet die beiden Abschirmelemente als Haupt- und Hilfs-Abschirmmittel. Zu Letzterem ist das Fadenauslenkungsmittel der Streitpatentschrift zufolge "vorzugsweise" ausgebildet (Übersetzung S. 3); andere Hilfs-Abschirmmittel als die in der Doppelfunktion wirkenden Fadenauslenkungsmittel (44 i.V. mit 440) sind in der Streitpatentschrift allerdings nicht offenbart.
17
Das Auslenkelement besteht, worauf in der Beschreibung unter Bezugnahme auf die Figur 2 hingewiesen wird, aus einem Stück, wobei seine nach vorn vorstehende Partie als auswechselbare Leiste (440) ausgebildet sein kann, die sich im Wesentlichen über die gesamte Länge der auf einem Spulendorn aufzubringenden Spulenpackungen erstreckt.
18
6. Das Auslenkelement wirkt mit Abdeck-Mitteln zusammen, um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn abzuschirmen (Merkmal 5). Patentanspruch 1 verwendet den Begriff "Abdeck-Mittel" als Synonym für "(Haupt-)AbschirmMittel". Das ergibt sich aus der übereinstimmenden Zuordnung des Bezugszeichens 110 und der Beschreibung sowie den Figuren.
19
Zu dem Zusammenwirken des Auslenkelements mit dem Abdeck-Mittel verhält sich Patentanspruch 1 nur insoweit, als er mit dem Auslenkelement und den Abschirm-Mitteln die Vorrichtungselemente benennt, mit denen die Ab- schirmwirkung erzielt werden soll. Diese Elemente müssen nur ganz allgemein die Eignung aufweisen, eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn abzuschirmen. Als Ausführungsbeispiel illustriert Figur 3 dieses Zusammenwirken.


20
Figur 3 zeigt als Kreisbogen den untersten Teil einer fertig gestellten oberen Spulenpackung (40) und den Beginn des Aufspulvorgangs auf der auf den unteren Spulendorn (26) aufgesteckten Spulenhülse (102 L), die sich dementsprechend in Kontakt mit der Reibantriebswalze (18) befindet. Die Platte (110) des Haupt-Abschirmmittels ist in diesem Ausführungsbeispiel gebogen und kann mit Hilfe einer Konstruktion aus weiteren Platten, Schienen, Gleitern und Rollen (116, 118, 120, 122, 126) von der Ruhestellung bei der Wand (114) in die Arbeitsstellung verfahren werden. Die Befestigung und der Bewegungs- mechanismus für die Abschirmplatte sind der Streitpatentschrift zufolge jedoch nicht für die Erfindung wesentlich, sondern nur beispielhaft gezeigt. Entscheidend ist ganz allgemein, dass sie bewegbar ist. Auch ansonsten beinhaltet Patentanspruch 1 außer der zuvor abgehandelten Funktion keine weiteren Vorgaben. Die Abschirmplatte muss nicht gekrümmt ausgebildet sein, sondern kann, je nach Platzverhältnissen, auch längs einer Geraden hin- und herbewegbar sein; sie braucht nicht starr zu sein, sondern kann als flexibles, aufrollbares Blatt wie beispielsweise in der US-Patentschrift 3 165 274 ausgestaltet sein, entscheidend ist allein, dass das unter Einfluss von Zentrifugalkräften auf und ab wehende Fadenende der fertiggestellten Spulenpackung am AbschirmElement wie an einem Schild abprallt.
21
In Figur 3 ist des Weiteren das Zusammenwirken des Haupt-Abschirmmittels mit dem in eine Arbeitsstellung ausgefahrenen Auslenkelement (44), das mit einer auswechselbaren Leiste (440) ausgebildet ist, schematisch dargestellt. Der Abstand l kann aufgrund von Versuchen gewählt werden und ist vorzugsweise so schmal wie möglich, ohne dass die Platte (110) und die Leiste (440) sich berühren; der Spalt kann aber auch faktisch zum Verschwinden gebracht werden, indem die Platte und die Leiste so übereinander angeordnet werden, dass sie sich überlappen (Übersetzung S. 10, 11).
22
II. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ).
23
1. Die deutsche Offenlegungsschrift 22 12 505, die deutsche Patentschrift 24 49 912 und die deutsche Offenlegungsschrift 25 44 365 betreffen allesamt die Aufwicklung von metallischen Drähten und damit gänzlich anders geartete Materialien als Garne. Die offenbarten Maschinen weisen im Übrigen entweder keine (Hilfs-)Führungs-Mittel zum Auslenken des Drahtes (eines Fa- dens) auf, die mit den Abschirm- oder Abdeck-Mitteln zusammenwirkten, um eine Abschirmfunktion zu erfüllen, oder vorhandene Führungs-Mittel sind nicht dazu vorgesehen, mit den Haupt- und Hilfs-Abdeckungen zusammenzuwirken, um eine Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn von einem Aufspulvorgang auf dem zweiten Spulendorn abzuschirmen (Merkmal 5).
24
2. Die US-amerikanischen Patentschriften 3 165 274, 3 409 238 und 4 327 872 sowie die japanischen Offenlegungsschriften sho 54-64148 und 60-15369 betreffen verschiedene Gestaltungen von Garnaufwickelmaschinen, die alle über verschiedene Abschirm-Mittel (Merkmal 3) verfügen, bei denen jedoch durchweg keine Auslenkmittel (Merkmal 4) vorgesehen sind.
25
Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten in Bezug auf die US-amerikanische Patentschrift 3 165 274 von einem Fadenauslenkungssystem gesprochen hat, das über Rollen funktioniere, handelt es sich dabei nicht um ein Auslenkelement i.S. des Streitpatents; denn darunter versteht der Fachmann, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ergänzt hat, ein zusätzliches Element. Ein solches weist die genannte amerikanische Patentschrift nicht auf; vielmehr erfolgt die Fadenauslenkung dort allein infolge des durch das Verschwenken des Revolvers ausgelösten Fadenlaufs.
26
3. Die europäische Patentanmeldung 73 930 zeigt keine Abschirm-Mittel (Merkmal 3), die als Abdeck-Mittel (110) mit Führungs-Mitteln zusammenwirken (Merkmal 5).
27
III. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 ZPO) kann der Gegenstand von Pa- tentanspruch 1 nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden.
28
1. a) Wie sich aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt, war dem Fachmann bekannt, dass beim Filamentspulen tunlichst Abschirmungen vorzusehen sind, um zu verhindern, dass sich von fertiggestellten Spulenpackungen infolge der Zentrifugalkraft radial nach außen nachgeschleppte Fadenenden auf der Reibantriebswalze oder der neuen Spulenpackung verfangen und dort aufgespult werden bzw., dass von der fertigen Spulenpackung herrührende Flusen oder Fadenstücke fehlerhaft mitaufgespult werden. Für die herkömmlichen Spulmaschinensätze mit auf Revolvern aufgesetzten Spulendornen waren im Stand der Technik verschiedene Lösungen bekannt. Dem Streitpatent ging es ersichtlich darum, eine Lösung nicht nur für solche Systeme vorzuschlagen, sondern ganz allgemein für Spulaggregate mit mehreren Spulendornen (vgl. Beschreibung Übersetzung S. 2 Mitte), also auch für auf Schwenkarmen gelagerte Aufspulvorrichtungen, wie sie Gegenstand der europäischen Patentanmeldung 73 930 sind. Aus dieser Anmeldung sind Auslenkelemente, wie sie das Streitpatent zur Fadenauslenkung (Merkmal 4) und als (Hilfs-)Abschirmmittel vorsieht (Merkmal 5), bekannt. Für den Fachmann war offenkundig, dass auch solche Aggregate mit einer wirksamen Abschirmung ausgestattet werden mussten , weil bei ihnen die Gefahr der Aufwicklung von Fadenenden, die von einer vollen Spulenpackung nachgeschleppt werden, gleichermaßen bestand. Die Schrift (Übersetzung S. 20 f.) erörtert im Zusammenhang mit den aus der Geometrie der Maschine resultierenden Zwängen und möglichen Störungsquellen zwar, dass, wenn keine Vorkehrung für die rasche Entfernung eines vollen Spulenkörpers getroffen würde, dieser weiter entfernt vom Reibantriebselement angeordnet sein müsse, um Störwirkungen zwischen dem fertiggestellten und dem neuen Spulkörper zu vermeiden. Der Fachmann wird eine wirtschaftlich- technisch annehmbare Abschirmung aber nicht darin sehen, einfach nur die Endpositionen der Spulendorne so weit voneinander entfernt anzuordnen, dass allein durch die Distanz die Gefahr der unerwünschten Fadenaufwicklung gebannt wird. Denn die Anwender drängen normalerweise darauf, die größtmöglichen Spulkörperdurchmesser innerhalb der kleinstmöglichen Gesamtabmessungen zu erhalten (Übersetzung S. 20). Um die Dimensionierung der Aggregate in für die Abnehmer weiterhin attraktiven Grenzen zu halten, wird der Fachmann deshalb eine wie ein Schild wirkende Abschirmung vorziehen, die zwischen eine volle Spule und die Reibantriebswalze und den Spulendorn mit der noch leeren Packung geführt werden kann, weil der für eine wirksame Abschirmung erforderliche Abstand zwischen den genannten Teilen auf diese Weise verkleinert werden kann. Für die Ausgestaltung solcher Abschirmungen findet der Fachmann im Stand der Technik verschiedene Vorbilder, an die er anknüpfen kann. Dass diese durchweg für revolvergelagerte Spulendorne konzipiert sind, steht dem nicht entgegen, weil daraus keine prinzipiellen Abweichungen hinsichtlich der Funktion der Abschirmung und deren Ausgestaltung resultieren. Der Fachmann erkennt insbesondere, dass die Abschirmung bei beiden Konstruktionsprinzipien zumindest zeitweilig aus einer Arbeitsposition in eine Ruhestellung bewegbar sein muss, um den Fadenwechsel nicht zu stören.
29
b) Aufgrund der geometrisch-konstruktiven Gegebenheiten bei einem mit einem Auslenkelement ausgestatteten Spulmaschinensatz wird der Fachmann die Aufhängung für ein Abschirmelement, technisch zwangsläufig, an der dem Auslenkelement gegenüberliegenden Seite vorsehen. Die theoretisch vorstellbare Einführung einer Abschirmung von der vorderen Seite würde eine Konstruktion erfordern, die einen deutlich höheren konstruktiven Aufwand erforderte , als die Lösung mit einer seitlichen Aufhängung. Wie sich aus der Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, misst der Fachmann der Gewährleis- tung eines kontinuierlichen, ungestörten Produktionsablaufs höchste Priorität bei, weshalb er bestrebt ist, die Abschirmung so vollkommen wie möglich auszuführen. Darum wird er die vom Streitpatent vorgesehene Abschirmplatte so nahe an das Auslenkelement heranführen, wie dies möglich ist, ohne dass beide Teile sich in der Arbeitsstellung des Auslenkelements berühren und durch den Kontakt beschädigt werden könnten. Damit gelangt der Fachmann zu einer Vorrichtung, wie das Streitpatent sie unter Schutz stellt, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
30
c) Das gilt ungeachtet des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Umstands, dass dem Auslenkelement gemäß Patentanspruch 1 eine zusätzliche Funktion zugewiesen ist, die weder in der europäischen Patentanmeldung 73 930 noch sonst im in das Verfahren eingeführten Stand der Technik offenbart ist. Die Auffindung dieser zusätzlichen Funktion rechtfertigt im Rahmen des Vorrichtungsanspruchs, als der Patentanspruch 1 formuliert ist, nicht die Gewährung von Patentschutz. Patentrechtlich maßgeblich ist insoweit, dass Patentanspruch 1 (lediglich) eine Vorrichtung unter Schutz stellt, die mit dem Auslenkmittel ein im Stand der Technik vorhandenes, mechanisches Vorrichtungselement einsetzt. Dass dem Fachmann abverlangt war zu erkennen, dass dem Auslenkelement (auch) die Eignung als (Hilfs-)Abschirmelement innewohnt und es deshalb eine Doppelfunktion übernehmen kann, ändert nichts daran, dass es sich um ein bekanntes Vorrichtungselement handelt. Die technisch-intellektuelle Leistung, die in der Auffindung der Einsatzmöglichkeit des Auslenkelements in einer weiteren Funktion stecken mag, findet keine Entsprechung in den Merkmalen des Vorrichtungsanspruchs und kann in diesem Rahmen deshalb auch nicht als erfinderische Leistung honoriert werden.
31
d) Dass mit dem (Haupt-)Abschirm-Mittel ein Element vorgesehen ist, das mit dem Auslenkmittel zusammenwirkt, um die Abschirmung insgesamt zu gewährleisten, stellt für sich ebenfalls keine den Schutz der Vorrichtung rechtfertigende erfinderische Leistung dar, weil sich dem Fachmann, wie ausgeführt, auch bei einem mit einem Fadenauslenkelement versehenen Spulaggregat die Erforderlichkeit einer (weiteren) Abschirmung aufdrängt.
32
e) Zur Schutzfähigkeit gereicht es dem Gegenstand von Patentanspruch 1 ferner nicht, dass für die Funktion der Auslenkung das vordere Ende des geknickten Elements (44) im Vordergrund steht, über das der Faden ausgelenkt wird, während die Abschirmfunktion von der Oberseite des Elements in seiner gesamten Länge ausgeübt wird. Dieser Umstand ist kein besonderes Merkmal des Vorrichtungsanspruchs und deshalb für die Frage der Schutzfähigkeit der Vorrichtung nicht heranzuziehen. Ebenso wenig fällt es unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit ins Gewicht, dass das Auslenkelement (44) nach Patentanspruch 1 mit einer Leiste (440) versehen ist, die in der europäischen Patentanmeldung 73 930 noch nicht vorgesehen ist.
33
f) Nichts anderes gilt schließlich für den Umstand, dass das Auslenkelement für diese Funktion gemäß der Beschreibung der europäischen Patentanmeldung 73 930 so geschaltet wird, dass es nach Abschluss des Fadenwechselvorgangs in eine zurückgezogene Stellung bewegt wird, in welcher es nicht irgendeinen der normalen Vorgänge der Maschine stört - worunter nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen namentlich der Aufspulvorgang zu verstehen ist (vgl. Beschreibung, Übersetzung S. 33, 62 ff.). Dass diese Schaltung abgewandelt werden muss, wenn das Auslenkelement Abschirmfunktionen jedenfalls bis zum Stillstand der vollen Spulenpackung übernehmen soll, ist evident, aber ebenfalls nicht Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs.

34
2. Der Senat hält im Übrigen dafür, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann auch unabhängig von dem vorstehend unter IV 1 Ausgeführten durch den Stand der Technik nahegelegt war, sobald er die Aufgabe , eine wirkungsvolle Abschirmung bereitzustellen, allgemein auf Spulmaschinenaggregate mit mehreren Spulendornen bezog und nicht nur auf solche mit Revolverwechselvorrichtungen. Denn unter dieser Voraussetzung hatte er auch die in der europäischen Patentanmeldung 73 930 offenbarte Lösung mit auf Schwenkarmen gelagerten Spulendornen und mit einer Fadenauslenkung ausgestatteten Maschinensätzen im Blick. Wie ausgeführt, war für den Fachmann von der Maschinengeometrie her ebenso vorgegeben, eine seitlich montierte Abschirmung vorzusehen, wie, diese - im Interesse eines annähernd lückenlosen Schutzes - so nahe wie möglich an die Arbeitsstellung des Auslenkelements heranzuführen. Die konstruktionszeichnerische Skizzierung der in Betracht kommenden, das vorhandene Auslenkelement in seiner maximalen Auslenkposition berücksichtigenden Lösungsmöglichkeiten führte dem Fachmann unweigerlich vor Augen, dass sich das - zeichnerisch in Arbeitsstellung fixierte - Auslenkelement als Verlängerung der durch die Abschirmplatte verwirklichten Abschirmung anbot. Dass es für die Auslenkfunktion nur auf die schmale Stirnseite dieses Elements ankam und dass es in der Funktion als Auslenkelement nur während eines vergleichsweise kleinen Zeitfensters in dieser Stellung verblieb, um anschließend in die Ruhestellung verschwenkt zu werden, ändert nichts daran, dass es von der gesamten Gerätegeometrie her vom Fachmann als eine ideale Verlängerung und Ergänzung des Hauptabschirmmittels erkannt wird. Unter diesen gegebenen Voraussetzungen stellt die dafür erforderliche fachmännische Loslösung von der reinen Auslenkfunktion und der auf sie abgestimmten Steuerschaltung keine das Vermögen des Durchschnittfachmanns übersteigende Leistung dar.

35
3. Die Aufnahme der Merkmale des erteilten Unteranspruchs 5 in den Hauptanspruch dient, wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden ist, der prägnanteren Herausstellung der Vorteile der Erfindung; eine die Gewährung des Patentschutzes rechtfertigende eigenständige erfinderische Maßnahme ist darin ebenso wenig zu erkennen, wie in den Gegenständen der Unteransprüche.
36
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Scharen Gröning Berger
Grabinski Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.09.2005 - 2 Ni 12/04 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 199/00 Verkündet am:
30. März 2004
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 5. September 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 24. August 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 24. August 1989 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 417 928 (Streitpatents ), das während des Rechtsstreits auf die M. , Inc. in S. R. umgeschrieben worden ist. Das Streitpatent betrifft "endovascular support device and method" (Einrichtung und Verfahren zur endovaskulären Abstüt-

zung) und umfaßt neun Patentansprüche. Die im Berufungsverfahren allein im Streit stehenden Patentansprüche 1 bis 8 lauten in der Verfahrenssprache Englisch :
"1. An endovascular support device suitable for implantation within a coronary or other vessel within the human body comprising a unitary member (10) configured to provide a plurality of upper and lower peaks (12, 14), the unitary member being capable of being compressed onto the outer surface of a catheter for delivery to an affected area of a vessel and then expanded by inflation of the catheter to maintain the affected area of a vessel at a diameter larger than if the support device were not implanted , characterised in that the unitary member is of wire-like material and has no joints. 2. The device of claim 1 wherein the wire-like material is surgical stainless steel. 3. The device of claim 2 wherein the stainless steel is plated with platinum. 4. The device of claim 1, 2, or 3 wherein the number of peaks is between 3 and 10. 5. The device of claim 4, wherein the number of peaks is four. 6. The device according to any one of the preceding claims wherein said number comprises a plurality of N substantially straight segments (16) of wire-like material, each segment having first and second ends wherein the first end of the first segment is connected to the first end of a second segment, the second end of the second segment is connected to the second end of the third segment, the first rend of the third segment is connected to the first end of the fourth segment, and so on until the second end of the Nth segment is connected to the second end of the first segment, with no segment overlapping any other segment and the plurality of segments being capable of being compressed to a catheter for delivery to an affected area of a

vessel and then forcibly expanded to maintain the affected area of a vessel at a diameter larger than if the support device were not implanted. 7. The device of claim 6, wherein the value of N is between six and twenty. 8. The device of claim 6 or 7, wherein the plurality of segments of wire-like material are formed as a single unit and then bent to form the plurality of segments." In der deutschen Fassung der europäischen Patentschrift lauten diese Patentansprüche:
"1. Endovaskuläre Abstützvorrichtung, die für eine Implantation in ein Koronar- oder anderes Blutgefäß im menschlichen Körper geeignet ist, aus einem einheitlichen Bauteil (10) besteht, das so ausgelegt ist, daß es mehrere obere und untere Spitzen (12, 14) aufweist, wobei das einheitliche Bauteil auf der äußeren Oberfläche eines Katheters zusammengedrückt werden kann, um zu einem betroffenen Bereich eines Blutgefäßes befördert zu werden, und dann durch Aufpumpen des Katheters aufgeweitet werden kann, um den betroffenen Bereich eines Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre, dadurch gekennzeichnet, daß das einheitliche Bauteil aus drahtähnlichem Material besteht und keine Fugen aufweist. 2. Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei das drahtähnliche Material ein chirurgischer rostfreier Stahl ist. 3. Vorrichtung nach Anspruch 2, wobei der rostfreie Stahl mit Platin beschichtet ist. 4. Vorrichtung nach Anspruch 1, 2 oder 3, wobei die Anzahl der Spitzen zwischen 3 und 10 liegt.

5. Vorrichtung nach Anspruch 4, wobei die Anzahl der Spitzen vier beträgt. 6. Vorrichtung nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Bauteil mehrere, nämlich N, im wesentlichen gerade Segmente (16) aus drahtähnlichem Material aufweist, jedes Segment erste und zweite Enden besitzt, wobei das erste Ende des ersten Segments mit dem ersten Ende eines zweiten Segments verbunden ist, das zweite Ende des zweiten Segments mit dem zweiten Ende des dritten Segments verbunden ist, das erste Ende des dritten Segments mit dem ersten Ende des vierten Segments verbunden ist, und so weiter, bis das zweite Ende des Nten Segments mit dem zweiten Ende des ersten Segments verbunden ist, wobei sich kein Segment mit irgendeinem anderen Segment überschneidet und die mehreren Segmente auf einem Katheter zusammengedrückt werden können, um zu einem betroffenen Bereich eines Blutgefäßes befördert und dann gewaltsam aufgeweitet zu werden, um den betroffenen Bereich eines Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre. 7. Vorrichtung nach Anspruch 6, wobei der Wert N zwischen sechs und zwanzig liegt. 8. Vorrichtung nach Anspruch 6 oder 7, wobei die mehreren Segmente aus drahtähnlichem Material als einzelne Einheit geformt und dann gebogen sind, um die mehreren Segmente zu bilden." Die Klägerinnen haben mit ihren vor dem Bundespatentgericht verbundenen Klagen geltend gemacht, daß das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbesondere die US-Patentschriften 4 733 665, 4 214 587, 4 800 882 sowie die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 177 330 und der Aufsatz von Josef Rösch u.a., Experimental Intrahepatic Portacaval Anastomosis: Use of Expandable Gianturco Stents, Radiology 1987, 481 - 485, bildeten, nicht patentfähig sei. Die Klägerin zu 2 hat zu-

dem unzulässige Erweiterung und mangelnde Ausführbarkeit geltend gemacht. Die Klägerinnen haben beantragt, das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 7 (Klägerin zu 1) bzw. 1 bis 8 (Klägerin zu 2) mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat in erster Linie beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise hat sie sich mit einem eingeschränkten Patentanspruch 1 verteidigt, an den die Worte "the peaks (12, 14) being rounded with a diameter of curvature greater than the diameter of the wire-like material" angefügt werden sollen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 8 für nichtig erklärt.
Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in seiner erteilten Fassung, hilfsweise in seiner vor dem Bundespatentgericht hilfsweise verteidigten Fassung. Sie macht außerdem einen eigenständigen erfinderischen Gehalt des Gegenstands des Patentanspruchs 6 geltend. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.
Im Auftrag des Senats hat der Sachverständige für Medizintechnik Dipl.-Ing. Dr. med. H. H. , W. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat eine schriftliche Stellungnahme von Prof. Dr. med. C. H. , , Abteilung Kardiologie, in B. N. , vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg; der Wechsel der Rechtsinhaberschaft am Streitpatent während des laufenden Verfahrens ist auf den Verfahrensgang ohne Einfluß (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 265 ZPO; BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcomputer). Das Bundespatentgericht hat zu Recht das Streitpatent in dem Umfang, in dem es angegriffen ist, für nichtig erklärt. Daß die Klägerin zu 1 Patentanspruch 8 des Streitpatents nicht angegriffen hat, steht wegen der Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung (vgl. Benkard/Rogge, PatG, 9. Aufl. 1993, § 84 PatG Rdn. 5; Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 84 PatG Rdn. 41) dem Nichtigkeitsausspruch auch hinsichtlich dieses Patentanspruchs insgesamt - und nicht nur im Verhältnis zur Klägerin zu 2 - nicht entgegen.
I. 1. Das Streitpatent betrifft, soweit es mit den Nichtigkeitsklagen angegriffen ist, eine medizinische Vorrichtung zur Behandlung der Verengung koronarer oder peripherer menschlicher Gefäße. Die Beschreibung des Streitpatents schildert eine Anzahl von Behandlungsmethoden für koronare Herzerkrankungen als bekannt, darunter die perkutane transluminale Koronarangioplastie , bei der das Lumen der betroffenen Koronararterie durch radiale hydraulische Expansion erweitert werde. In einigen Fällen restenosiere das Gefäß chronisch oder erleide einen akuten Verschluß (Beschr. Sp. 1 Z. 14 - Sp. 2 Z. 19). Zur Verminderung der Restenosegefahr seien verschiedene Vorrichtungen zum mechanischen Offenhalten des geschädigten Gefäßes vorgeschlagen worden. Derartige allgemein als Stents bezeichnete Vorrichtungen würden typischerweise in das Gefäß eingeführt, über die Läsion hinweg positioniert und dann expandiert (Beschr. Sp. 2 Z. 20 - 31). Das Streitpatent beschreibt sodann

einen Stent mit einem Rohr aus Edelstahlgeflecht, das während des Einsetzens längs einer Einführvorrichtung in gestreckter Form positioniert werde. Nach der Positionierung über der Läsion werde der Stent expandiert, wobei sich die Länge des Rohrs kontrahiere. Ein derartiger Stent könne ein selbstexpandierendes Edelstahldrahtgeflecht, aber auch ein durch Ballondilatation expandierbarer Metallzylinder sein; derartige Vorrichtungen seien aus den US-Patentschriften 4 733 665 und 4 776 337 bekannt ("Palmaz-Stent"). Auch sei eine wärmeexpandierbare Vorrichtung vorgeschlagen worden. Bei dem Palmaz-Stent habe der Edelstahlzylinder eine Anzahl von Schlitzen in seinem Umfang, was bei Expandieren zur Ausbildung eines Gitters führe. Der Zylinder werde mittels eines Ballonkatheters in den geschädigten Bereich verbracht und dann durch Inflatieren des Ballons auf die geeignete Größe expandiert (Beschr. Sp. 2 Z. 32 - Sp. 3 Z. 11). Eine andere Form von Stents offenbare die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 177 330. Diese bestehe aus einem zu einer geschlossenen Zickzackkonfiguration geformten Draht, der eine endlose Reihe von durch Biegungen verbundenen geraden Abschnitten aufweise, wobei er federnd in eine kleinere erste Gestalt zusammendrückbar sei, in der die geraden Abschnitte zur Einführung in einen Durchgang nebeneinander und nahe benachbart zueinander angeordnet seien, wobei der Stent federnd in eine zweite Gestalt expandierbar sei, in der die geraden Abschnitte gegen die Wand des Durchgangs drückten und ihn offen hielten (Beschr. Sp. 3 Z. 12 - 25). Die Beschreibung stellt weiter dar, daß bei all diesen Stents erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten seien, die zu einem niedrigen Akzeptanzgrad geführt hätten.
2. Durch das Streitpatent soll, wie dessen Beschreibung - unter Weglassung eines Lösungselements (selektive Bemeßbarkeit gemäß der durch die Läsion diktierten anatomischen Konfiguration) - angibt, ein leicht und zuverläs-

sig implantierbarer Stent zur Verfügung gestellt werden, der das Thromboserisiko minimiert.
3. Hierzu schlägt Patentanspruch 1 des Streitpatents eine für die Implantation in ein Koronar- oder anderes Blutgefäß im menschlichen Körper geeignete endovaskuläre Abstützvorrichtung vor, die
(1)
aus einem einheitlichen Bauteil besteht, das (1.1) mehrere obere und untere Spitzen aufweist, (1.2.) zur Beförderung zu einem betroffenen Teil eines Blutgefäßes auf der äußeren Oberfläche eines Katheters zusammengedrückt und (1.3) durch Aufpumpen des Katheters aufgeweitet werden kann, (1.3.1) um den betroffenen Teil des Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre,
(2)
aus drahtähnlichem Material besteht und
(3)
keine Verbindungen ("joints") aufweist.
Dabei besteht Einigkeit zwischen den Parteien darüber und auch der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt, daß die Übersetzung des maßgeblichen englischen Begriffs "joints" mit "Fugen" in der - nach Art. 70 EPÜ für das Verfahren nicht maßgeblichen - deutschen Fassung des Patentanspruchs 1 irreführend ist. Der gerichtliche Sachverständige hat insoweit die Übersetzung "ist nahtlos" vorgeschlagen. Dem vermag der Senat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht beizutreten. Danach hat sich ergeben, daß sich der auch in dem nicht angegriffenen Patentanspruch 9 des Streitpatents ver-

wendete Begriff "joints" in Patentanspruch 1 zum einen nicht notwendig und jedenfalls nicht allein auf die Fugen- oder Nahtlosigkeit des nach Patentanspruch 9 gebildeten toroidförmigen Körpers bezieht, für die in Patentanspruch 6 des Streitpatents der allgemeinere Begriff "is connected" (ist verbunden) verwendet wird, sondern die insbesondere aus den Figuren 1, 6a und 6b der Zeichnungen ersichtliche Ausgestaltung dahin betrifft, daß der unter Schutz gestellte Gegenstand überhaupt keine festen (körperlichen) Verbindungen etwa an (im Streitpatent nicht beschriebenen) Kreuzungsstellen oder sonstige Verbindungsteile aufweist. Figur 1 zeigt dies wie folgt:

Auf der anderen Seite sind - wie es schon das allgemeine Verständnis des Begriffs "joints" im Sinn von Verbindung, Nahtstelle, Fuge oder Gelenk nahelegt - die in Patentanspruch 6 angesprochenen Fälle des bloßen SichÜberschneidens von Segmenten der Vorrichtung ohne körperliche Verbindung, für die das Streitpatent den Bergiff "overlapping" verwendet, nicht von dem Begriff "joints" erfaßt. Auch der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt, daß für solche Überschneidungen der Begriff "crossing parts" gebräuchlich war.

II. 1. Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgeht , weil er jedenfalls im Sinn der Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ für den Fachmann , als den der Senat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen einen anwendungsorientierten Techniker mit Kenntnissen auf dem Gebiet biomedizinischer Werkstoffe, der sich die notwendigen medizinischen Kenntnisse durch Zusammenarbeit mit einem auf dem einschlägigen Gebiet tätigen Arzt erschließt, ansieht, durch den Stand der Technik nahegelegt war. Dies füllt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ aus. Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob dieser Gegenstand neu war.
2. a) Aus der im Jahr 1986 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 177 330 (Gianturco I) war ein selbstaufweitender endovaskulärer Stent aus Stahldraht bekannt, der aus Stahldraht besteht, der in einer geschlossenen Zickzack-Gestalt geformt ist, wobei die geraden Abschnitte durch spitzwinklige Biegestellen miteinander verbunden sind. Dies zeigt Figur 1 der Entgegenhaltung :

Der Stent ist federelastisch und kann in eine erste Gestalt zusammengedrückt werden, die Figur 4 der Entgegenhaltung zeigt. In dieser Gestalt wird der Stent in eine rohrförmige Patrone eingesetzt, die wiederum in den Adapter einer Hülse eingesetzt wird. Der Stent wird sodann durch die Hülse vorgeschoben und dehnt sich an Ort und Stelle durch das Zurückziehen der Hülse aus und drückt gegen die Gefäßwand (Beschreibung Seite 8 mittlerer Absatz). Die Stents hielten im Tierversuch die Gefäße, in denen sie implantiert waren, im dilatierten Zustand offen. Die Entgegenhaltung beschreibt als klinische Anwendungen des Stents die Bekämpfung des Vena-cava-superior-Syndroms, die Aufrechterhaltung der Gefäßdurchgängigkeit nach perkutaner Ballondilatation und die Korrektur einer Gefäßstenose (Seite 11 vorletzter Absatz). Den aufgeweiteten Zustand des Gefäßes zeigt z.B. Figur 6. Weder die Beschreibung noch die Zeichnungen der Entgegenhaltung enthalten einen Hinweis auf Verbindungen ("joints") im vorstehend erläuterten Sinn; der Fachmann kann der Darstellung deshalb entnehmen, daß solche Verbindungen fehlen. Anders als nach dem Streitpatent findet sich in der Entgegenhaltung kein Hinweis auf eine

Aufweitung durch Aufpumpen im Sinn einer Ballondilatation, vielmehr handelt es sich ersichtlich um selbstexpandierendes Material. Damit beschreibt diese Veröffentlichung eine Vorrichtung, die die Merkmale (1), (1.1), (1.2), (1.3.1) und (3) des Streitpatents aufweist und sich von Merkmal (2) nur durch die Verwendung von Draht und nicht von drahtähnlichem Material unterscheidet. Nicht verwirklicht ist demgegenüber das die Art und Weise der Aufweitung betreffende Merkmal (1.3).

b) Der nur wenige Monate nach der Veröffentlichung dieser europäischen Patentanmeldung erschienene Aufsatz von Rösch u.a. beschreibt die experimentelle Verwendung von solchen selbstaufweitenden Gianturco-Stents des Herstellers C. Inc., B. (Indiana), der Anmelderin der europäischen Patentanmeldung, in Gefäßen der Leber von Schweinen. Dabei wurden mehrere bereits freigesetzte und selbstexpandierte Stents weiter mit einem Angioplastieballon aufgeweitet. Die Diskussion der Versuchsergebnisse stellt die gute Eignung des Gianturco-Stents heraus und verweist auf die Bedeutung einer (zusätzlichen) Ballonaufweitung des Stents nach dessen Positionierung für das Erreichen einer guten Durchgängigkeit in bestimmten näher beschriebenen Fällen; die intrinsische Expansionsspannung des Stents habe nicht hinreichend Kraft besessen, ihm im Lebertrakt ein ausreichendes Lumen zu öffnen. Damit ist die Verwendung eines selbstaufweitenden Gianturco-Stents in einer Weise beschrieben, wie dies Merkmal (1.3) des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorsieht. Eine Einschränkung der Lehre dieses Patentanspruchs dahin, daß nicht mit selbstexpandierenden Stents gearbeitet werden solle, ist dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Eine Zusammenschau der europäischen Patentanmeldung 0 177 330 und der Veröffentlichung von Rösch u.a. offenbart daher den Gegenstand des Streitpatents in vollständiger Weise. Zu einer solchen Zu-

sammenschau hatte der Fachmann auch allen Anlaß, weil der Aufsatz von Rösch u.a. die Verwendung eines Stents nach der europäischen Patentanmeldung beschreibt. Dieses Ergebnis deckt sich mit der den Senat überzeugenden und von der beklagten Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht ernsthaft angegriffenen Äußerung des gerichtlichen Sachve rständigen, daß zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents keine Vorbehalte gegen eine zusammenschauende Betrachtung der verschiedenen Entwicklungen auf dem Gebiet der Stents bestanden und daß es insoweit mehrere Übersichtsveröffentlichungen gab. Auch der Aufsatz von Rösch u.a. diskutiert die Verwendung von ballonaufweitbaren Stents (Palmaz; vgl. die US-Patentschrift 4 733 665) und von selbstexpandierenden Stents (Gianturco) gemeinsam. Demnach können Vorbehalte der Fachwelt, beide Arten von Stents nebeneinander zu beurteilen, ausgeschlossen werden. Es kommt hinzu, daß nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Stents zur Aufrechterhaltung von Körperöffnungen wie der blutführenden Gefäße im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents Gegenstand intensiver Forschungen waren, mit denen auch bis dahin nicht befriedigenden Ergebnissen entgegengewirkt werden sollte. Im Rahmen dieser Forschungen hatten die beteiligten Fachleute umfassend den bisher erzielten Ergebnissen bei allen Alternativen der Aufrechterhaltung der Größe des Lumens durch Implantate Aufmerksamkeit geschenkt. Der bereits angeführte Aufsatz von Rösch u.a. bestätigt diese Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen. Der Fachmann hatte deshalb Anlaß, die Lehren beider Entgegenhaltungen zu kombinieren, und gelangte auf diese Weise jedenfalls in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

III. Einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Patentansprüche 2 bis 5 des Streitpatents hat die Patentinhaberin nicht geltend gemacht. Für einen solchen haben sich in der mündlichen Verhandlung auch keine Anhaltspunkte ergeben.
IV. Patentanspruch 6 des Streitpatents entspricht dem in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiel. Die Ausgestaltung der Vorrichtung entspricht der in der europäischen Patentanmeldung (Fig. 1), wobei dort die Zahl der Segmente N nach Patentanspruch 6 des Streitpatents 10 beträgt. Wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, kommt es auch bei dem in Figur 1 der europäischen Patentanmeldung dargestellten Stent nicht zur Ausbildung von Verbindungen ("joints"), wie sie das Streitpatent ausschließt, wohl aber zu Überschneidungen im Sinn von Patentanspruch 6 des Streitpatents. Damit weist Patentanspruch 6 gegenüber der Zusammenschau der europäischen Patentanmeldung und des Aufsatzes von Rösch u.a. jedenfalls keinen erfinderischen Überschuß aus.
V. Für die Patentansprüche 7 und 8 des Streitpatents, die dessen Patentanspruch 6 weiter ausbilden, ist ein selbständiger erfinderischer Gehalt ebenfalls weder geltend gemacht noch erkennbar.
VI. Die hilfsweise verteidigte Fassung des Patentanspruchs fügt diesem die weitere Merkmalsgruppe hinzu
(4)
daß die Spitzen gerundet sind (4.1) mit einem Krümmungsdurchmesser, der größer ist als der Durchmesser des drahtähnlichen Materials.

Es kann dahinstehen, ob die Aufnahme dieses lediglich in den Zeichnungen offenbarten Merkmals zur Verteidigung des Streitpatents zulässig ist (vgl. zum Streitstand Busse, aaO, § 34 PatG Rdn. 248 m.w.N.; Schulte, PatG, 6. Aufl. 2001, § 34 Rdn. 281 ff.; Benkard/Schäfers, aaO, § 35 Rdn. 30; vgl. schon zur früheren Rechtslage nach § 26 PatG 1968 Sen.Beschl. v. 17.11.1987 - X ZB 15/87, GRUR 1988, 197 - Runderneuern). Jedoch besagt die zusätzlich eingefügte Merkmalsgruppe im Ergebnis, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung eingehend und überzeugend erläutert hat, nicht mehr als daß der Winkel zwischen den durch die Drahtschenkel an den Spitzen gebildeten Winkeln größer als 0° sein soll. Dabei handelt es sich nicht um mehr als eine Trivialität, die erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann. (vgl. Sen.Urt. v. 24.9.2003 - X ZR 7/00, GRUR 2004, 47 - blasenfreie Gummibahn I, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 136/99 Verkündet am:
1. April 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 23. Februar 1999 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Deutsch erteilten europäischen Patents 0 344 815 (Streitpatents), das beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 589 00 904 geführt wird und "Verfahren und Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut, insbesondere Stückgutstapeln, mit
einer Stretchfolienhaube" betrifft. Das Streitpatent ist am 5. Juni 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung P 38 18 973.9-27 vom 3. Juni 1988 angemeldet und am 4. März 1992 veröffentlicht worden.
Im Einspruchsbeschwerdeverfahren wurde das Streitpatent beschränkt aufrechterhalten. Gemäß der am 15. Oktober 1997 veröffentlichten "neuen europäischen Patentschrift" EP 0 344 815 B2 umfaßt es 20 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet: "Verfahren zum vollständigen Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolien, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel (2), die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen, wobei ein schlauchförmiger Folienabschnitt (3'), dessen Umfang kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückgutes (2), von einem (Schlauch-)Folienvorrat (3) abgezogen und an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet wird; die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes (3') durch Reffen in im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stückgutes verlaufende Falten gelegt werden; der Schlauchfolienabschnitt (3') an seinem dem Faltenvorrat zugekehrten Ende abgeschweißt und die so gebildete Folienhaube (3'') vom Folienvorrat (3) abgetrennt wird; die Folienhaube (3'') in horizontaler Querrichtung quergestretcht wird; und die quergestretchte Folienhaube (3'') unter das Folienmaterial glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Folienhaube (3'') vor dem Überziehen wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände zusätzlich in vertikaler Längsrichtung um mindestens 5 % ihrer vertikaler Ausgangslänge im quergestretchten Zustand längsgestretcht wird."
Die Patentansprüche 2 bis 11 sind auf den Verfahrensanspruch 1 zurückbezogen. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Patentanspruch 12 lautet:
"Vorrichtung (1) zum Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolie (3'), insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel , die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen mit einer (Schlauch-)Folien-Abzugseinrichtung (5), mittels welcher schlauchförmige Stretchfolie (3) abschnittsweise von einem (Schlauch-)Folienvorrat abzuziehen ist, einer der Abzugseinrichtung (5) nachgeordneten Aufspreizeinrichtung (6), mittels welcher die schlauchförmige Stretchfolie an ihrem freien Endabschnitt aufzuspreizen ist; einer der Aufspreizeinrichtung (6) nachgeordneten Reffeinrichtung (9) zum Reffen des Folienabschnittes über eine vertikale Strecke, die kleiner ist als die Länge des Folienabschnittes; einer Schweißeinrichtung (10) zum Abschweißen eines von dem Folienvorrat abgezogenen Schlauchfolienabschnittes (3') an dessen dem Folienvorrat zugekehrten Endabschnitt ; einer Schneideeinrichtung (12), mittels welcher jeweils eine beim Abschweißen gebildete Folienhaube (3'') von dem Folienvorrat abzutrennen ist, einer Quer-Stretcheinrichtung (13; 14), mittels welcher der Folienabschnitt in horizontaler Querrichtung zu stretchen ist; und einer (Haubenüberzieh-)Hubeinrichtung, mittels welcher die quer gestretchte Haube (3'') über das zu umhüllende Stückgut (2) zu ziehen ist, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 - 11 gekennzeichnet durch eine Längsstretcheinrichtung (14, 24), mittels welcher der Folienabschnitt /die Folienhaube (3'') in vertikaler Längsrichtung (25) um mindestens 5 %, vorzugsweise 10 - 15 % längszustretchen ist." Die Ansprüche 13 bis 20 sind auf Anspruch 12 rückbezogen. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents stelle im Hinblick auf die deutschen Offenlegungsschriften 27 06 955,
31 01 310, 30 03 052 und 37 07 877 sowie die US-Patentschrift 4 050 219 kei- ne patentfähige Erfindung dar oder könne nicht nachgearbeitet werden. Zudem sei er offenkundig vorbenutzt.
Die Klägerin hat beantragt,
das europäische Patent 0 344 815 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 5, 7 bis 11, soweit nicht auf Anspruch 6 rückbezogen, und 12 bis 20 für nichtig zu erklären.
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin erstrebt mit ihrer Berufung die Abänderung dieses Urteils und die Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit vier Anträgen gemäß Schriftsatz vom 3. März 2003.
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr.-Ing. D. G. F., eingeholt, das der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Die Beklagte hat ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr. D. A., vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


I. 1. Gegenstand des Streitpatents ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zum vollständigen Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube.
Solche Verpackungsverfahren und Maschinen haben die Aufgabe, auf einer Palette gestapeltes Stückgut durch eine Folie zu umhüllen, die sich nach dem Umwickeln oder Überziehen fest an das Stückgut anlegt und dieses einschließlich der Palette zu einer in sich dauerhaft formstabilen Ladeeinheit macht. Dabei wird gefordert, daß das feste Anliegen der Folie an dem Stückgutstapel ohne Beaufschlagung mit Wärme erreicht und die Folie mit einer solchen Spannung in horizontaler und in vertikaler Richtung versehen wird, daß sich die Stückgutteile beim Wirken von Massenkräften nicht verschieben, und zwar auch nicht bei nachträglicher Volumenverringerung des Stückguts. Durch diese Maßnahmen der Ladeeinheitensicherung wird eine Ladeeinheit geschaffen , die den vielfältigen Beanspruchungen während des Transports, beim Umschlagen und beim Lagern ausreichend standhalten kann.
2. Die Streitpatentschrift schildert einleitend, daß man wegen der bekannten Nachteile der Verpackung von Stückgut mit Schrumpffolie dazu übergegangen sei, Stretchfolien zu benutzen. Dabei werde das Material vor dem Umhüllen des Stapels gestretcht. Nach der Umhüllung ziehe es sich wieder zusammen und lege sich - wie gewünscht - an das Stückgut fest an. Bei ausreichend großem "Stretchen" des Folienmaterials würden nach dem Zusam-
menziehen große Kräfte erzeugt, die bei gestapeltem Stückgut für eine ausreichende Stapelfestigkeit sorgten.
Im Stand der Technik seien Verfahren und Vorrichtungen bekannt gewesen , bei denen der Stückgutstapel durch Wickelstretchen von Verpackungsfolie umhüllt werde. Als nachteilig werde beim Wickelstretchen angesehen, daß das Handling umständlich und zeitaufwendig sei und daß der Folienverbrauch, der insbesondere durch Überlappen benachbarter Lagen entstehe, aus Kostengründen als unbefriedigend empfunden werde. Beim Wickeln mit bahnförmiger Stretchfolie in nur einer Richtung (horizontal) werde keine befriedigende Stapelfestigkeit erreicht, da keine erheblichen Normalkräfte zwischen einander benachbarten Stückgutlagen erzeugt würden, die ein Verschieben sicher verhindern könnten. Bei diagonaler Umwicklung entstünden innere Vertikalkräfte, die aber nicht ausreichten, die erforderlichen Reibkräfte zu erzeugen. Vertikales Wickeln ermögliche zwar die Erzeugung der erforderlichen Kräfte, um ein Verschieben der Teile gegeneinander zu verhindern. Das dann erforderliche Abdecken der Seitenflächen mit Blattfolien sei aber aufwendig und schwierig. Das in der europäischen Offenlegungsschrift 0 081 328 vorgeschlagene HandWickelstretchen mit einer zweidimensional gestretchten Folie (d.h. Dehnen der Folie in zwei senkrecht zueinander stehenden Richtungen) sei nicht praktikabel. Wickelstretchen führe häufig nicht zu einer hinreichend witterungsbeständigen Verpackung, da an den Folienrändern Feuchtigkeit in die Verpackungseinheit eindringen könne. Die Sicht auf das verpackte Gut sei nur unvollkommen , wenn es beim Umwickeln zu kaum vermeidbarer Knitterbildung komme (Sp. 2 Z. 9 bis Sp. 3 Z. 6).
Der Beschreibung der Streitpatentschrift zufolge sind deshalb Überlegungen dahin angestellt worden, das zu verpackende Stückgut - wie bei den Schrumpffolien-Verpackungsverfahren bekannt - mit einer Folienhaube aus Stretchfolie zu überziehen. Als nachteilig wird hierbei angesehen, daß diese Verfahren mit großem Aufwand und Platzbedarf verbunden seien. Von Hand müsse - so wird weiter ausgeführt - zunächst eine Stretchfolienhaube in eine Reffvorrichtung eingeführt werden, um einen Reffvorgang (ein ziehharmonikaartiges Zusammenlegen der Haubenseitenabschnitte) zu bewerkstelligen; sodann müsse der Reffrahmen samt Folienhaube zu einem zweiten Stell- bzw. Arbeitsplatz überführt werden, damit die gereffte und vorgestretchte Folienhaube über einen Stückgutstapel gezogen werden könne. Zudem sei bei diesem Verfahren lediglich eine geringe Arbeitsleistung zu erzielen (Sp. 3 Z. 7 bis 32).
Zur Vermeidung dieser Nachteile schlügen die deutschen Offenlegungsschriften 27 06 955, 31 01 310 und 30 03 052 Vorrichtungen vor, die sich auch zum Umhüllen von Stückgut(stapeln) mit einer Stretchfolienhaube eigneten. Daran wird bemängelt, durch das planmäßige Stretchen der Folienhaube in horizontaler Querrichtung werde eine (scheinbar) befriedigende (da glatte) Verpackungseinheit erzielt, die den Anforderungen an die Stapelfestigkeit und an die Dichtigkeit der Umhüllung zunächst genüge. Insbesondere bei Stückgutstapeln , die aus nicht vollständig mit Schüttgut gefüllten Säcken bestünden, komme es aber bei wiederholtem Umschlag mit verhältnismäßig stoßartigem Aufsetzen des Stapels zu einer verzögerten Nachentlüftung. Diese führe bei eindimensional gestretchtem Folienmaterial zwangsläufig zumindest in Vertikalrichtung zu einer Erschlaffung und sogar zur Faltenbildung. Zwar werde beim Überziehen der Folienhaube über den Stückgutstapel eine gewisse Verti-
kaldehnung erzielt. Diese sei aber unerheblich und ungenügend, um eine hinreichende Stapelfestigkeit zu schaffen (Sp. 3 Z. 33 bis Sp. 4 Z. 28).
3. Demgegenüber verfolgt die Erfindung das Ziel, die bekannten Verfahren und Vorrichtungen unter Vermeidung der genannten Nachteile so zu verbessern , daß unter Einsatz von Stretchfolienhauben Verpackungseinheiten geschaffen werden können, die auch bei "Problemstückgütern" und wiederholtem Umschlag ihre Formbeständigkeit nicht verlieren (Sp. 4 Z. 29 bis 40).
4. Nach Patentanspruch 1 wird das technische Problem verfahrensmäßig durch folgende Merkmale gelöst:
1. Verfahren zum vollständigen Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolien, 1.1 von gestapelten Stückgutteilen, 1.2 die mittels einer Palettiervorrichtung gebildet werden und 1.3 die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen;
in folgenden Schritten:
2. Verwendung eines schlauchförmigen Folienabschnitts (3') zur Bildung einer Folienhaube, 2.1 wobei der Umfang des Folienabschnitts kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückguts (2),
2.2 der Folienabschnitt (3) von einem (Schlauch-)Folienvorrat abgezogen und 2.3 der Folienabschnitt (3) an seinem dem Folienvorrat zuge- kehrten Ende abgeschweißt und abgetrennt wird;
3. der Folienabschnitt wird an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet;
4. die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes (3') werden durch Reffen in Falten gelegt, 4.1 die im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stuckguts verlaufen;
5. die Folienhaube (3'') wird in horizontaler Querrichtung quergestretcht ;
6. die Folienhaube (3'') wird in vertikaler Längsrichtung längsgestretcht 6.1 vor dem Überziehen über den Gutstapel 6.2 zusätzlich zur Querstretchung 6.3 wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände 6.4 um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchten Zustand;
7. die quergestretchte Folienhaube (3’’) wird unter das Folien- material glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen.
5. a) Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ist der hier einschlägige Durchschnittsfachmann ein Diplom-Ingenieur mit einer Fachhochschul - oder Universitätsausbildung im Maschinenbau, der über Praxiserfahrungen im Bereich der Stückgut-Fördertechnik mit Schwerpunkt auf dem Gebiet von Maschinen zur Handhabung von festen, pulverförmigen und flüssigen Gütern verfügt und der bei Bedarf einen Werkstoffachmann zu Rate zieht, wenn es um spezifische Eigenschaften von Folien geht. Dieser Fachmann entnimmt dem Streitpatent ein im Stand der Technik bekanntes Verfahren und eine entsprechend ausgestaltete Vorrichtung zum vollständigen Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube. Das in Patentanspruch 1 beschriebene erfindungsgemäße Verfahren unterscheidet sich dem Wortlaut nach von dem Vorbekannten dadurch, daß die Folienhaube "vor dem Überziehen über den Gutstapel zusätzlich zur Querstretchung wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände" in vertikaler Längsrichtung "um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchtem Zustand" längsgestretcht wird (Merkmalsgruppe 6).

b) Dem Wortlaut des Anspruchssatzes und der Beschreibung in der Streitpatentschrift (insbesondere Sp. 8 Z. 6 bis 8) entnimmt der Fachmann, daß im Unterschied zum Stand der Technik zusätzlich zu der bekannten Querstretchung der Folienhaube erfindungsgemäß ein definierter Längsstretch des Folienmaterials vorgeschlagen wird, um auch bei problematischen Stückgutstapeln ein gegenseitiges Verschieben einander benachbarter Stückgutlagen zu ver-
hindern (Sp. 8 Z. 27 bis 30). Durch zweidimensionales Stretchen der Folien- haube sollen ausreichend große Kräfte in horizontaler und in vertikaler Richtung erzielt werden, um eine formstabile Ladeeinheit auch bei Problemgütern zu schaffen.
Dem einschlägigen Fachmann war aus dem Stand der Technik bekannt, daß sich das Folienmaterial bei der Verwendung von Schrumpfhauben nicht nur in horizontaler, sondern auch in vertikaler Richtung zusammenzieht und dadurch eine formstabile Ladeeinheit erzielt wird. Ferner wußte er, daß bei dem bekannten Haubenstretchverfahren die Ladungssicherung vornehmlich durch Stretchen der Haube in horizontaler Richtung erzeugt wurde und daß es beim Überziehen der Haube über das Stückgut zwangsläufig zu einer gewissen vertikalen Dehnung des Folienmaterials kommt. Hiervon ausgehend versteht der Fachmann das Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 dahin, daß die elastischen Eigenschaften der Folienwerkstoffe in zwei (Stretch-)Richtungen ausgenutzt werden sollen und hierfür eine Bemessungsregel in Form der Angabe von Wertebereichen formuliert wird: Zu dem horizontalen Stretchen (bevorzugt um 15 bis 20 %, Sp. 4 Z. 56) soll das zusätzliche definierte vertikale Stretchen der Folienhaube um mindestens 5 % (vorzugsweise etwa 10 bis 15 %, Sp. 4 Z. 59 und Sp. 5 Z. 1) ihrer Ausgangslänge in quergestretchtem Zustand hinzutreten. Lehre des Patentanspruchs 1 ist damit die Anweisung, die Formbeständigkeit auch bei Problemstückgütern selbst bei wiederholtem Umschlag und längerer Lagerzeit nachhaltig (Sp. 5 Z. 1) durch Stretchen der Folienhaube in zwei im rechten Winkel zueinander stehenden Richtungen zu sichern.
Bei Studium des Anspruchssatzes des Verfahrensanspruchs 1 des Streitpatents erkennt der Fachmann, daß die Anordnung in Merkmal 6, die Folienhaube "vor dem Überziehen über den Gutstapel" vertikal zu stretchen, in sich nicht schlüssig ist und deshalb weiterer Aufklärung bedarf. Zwar wird er den einzelnen Verfahrensschritten entnehmen, daß es unter Würdigung der mit dem Verfahren gefundenen Lösung des technischen Problems prinzipiell denkbar ist, das Längsstretchen der Folienhaube entsprechend dem strengen Wortlaut des Merkmals 6.1 vollständig "vor dem Überziehen" durchzuführen; denn es kommt, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, bei dem das Verfahren betreffenden Teil des Streitpatents letzten Endes allein darauf an, in der umhüllenden Stretchfolie einen hinreichenden Spannungszustand in den beiden genannten Richtungen zu erzeugen, der auch dann noch in ausreichender Größe erhalten bleibt, wenn die Folie sich allseitig an das Stückgut bzw. am einem Stückgutstapel angelegt hat.
Der Fachmann wird aber auf Grund der Beschreibung des Ausführungsbeispiels und durch die Zeichnungen Figur 5 bis Figur 7 zu der Erkenntnis gelangen , daß die Aussage "vor dem Überziehen" nicht wörtlich, sondern in dem Sinn von "vor dem vollständigen Überziehen" bzw. "während des Überziehens" zu verstehen ist, wobei der Überziehvorgang, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, anfängt, wenn die Folienhaube in senkrechter Richtung die Oberkante des Gutstapels zu überfahren beginnt, dem dann der weitere Verfahrensschritt des Einhüllens, des Anlegens der Folienhaube an die Seitenwände des Gutstapels mit (zeitlicher) Verzögerung folgt. Nach der Beschreibung wird zunächst die Folienhaube hergestellt (Sp. 5 Z. 18 bis 36, Figuren 1 bis 4). Sodann wird die Folie gerefft und
horizontal mittels der Reffeinrichtung gestretcht (Figur 5), wobei der das Reffen bewirkende Teil der Vorrichtung ausgeschwenkt wird (Sp. 5 Z. 36 bis 40; Sp. 7 Z. 2 bis 11). Figur 6 wird dahin beschrieben, daß die (horizontal) gestretchte Folienhaube über einen darunter befindlichen Stückgutstapel gezogen wird, "wobei zugleich ein vertikales Stretchen der Seitenwände der Folienhaube erfolgt" (Sp. 5 Z. 39 bis 44). Der Fachmann erfährt aus der weiteren Beschreibung , daß ein vertikales Stretchen der Folien auch beim Abziehen vom Schlauchvorrat erfolgen kann, also vor dem Querstretchen (Sp. 7 Z. 16 bis 19), daß dies allerdings als unzweckmäßig angesehen wird. Vorteilhaft soll hingegen ein Längsstretch um mindestens 5 % nach dem Horizontalstretchen der Folie beim Überziehen der Folienhaube über den Gutstapel sein, weil sich die Folie beim Querstretchen ohne vorausgehenden Längsstretch einfacher handhaben lasse (Sp. 7 Z. 16 bis 23). Das zusätzliche vertikale Stretchen der bereits gerefften und in Horizontalrichtung quergestretchten Folienhaube (3'') erfolgt beim Überziehen der Folienhaube über den Stückgutstapel. Dabei wird die Folie über die einen Widerstand bildenden (Längs-)Stretchbügel (24) gezogen und beim Absenken der Reffeinheit (16) in vertikaler Längsrichtung (gemäß Pfeil 25 der Figur 5) gestretcht. Da die Haube mit ihrem (oben liegenden ) Boden fest am Stückgutstapel zu halten ist und auch insoweit ein entsprechendes Widerlager bildet, ist es auch ohne weiteres möglich, den gewünschten , zweckmäßigen Längsstretch durch Reibrollen, Reibwalzen oder dergleichen aufzubringen, die auf die an einem Widerlager anliegende Haube einwirken (Sp. 8 Z. 40 bis 43). Hierdurch erfolgt ein definiertes Längsstretchen um ca. 12 % der bereits quergestretchten Folie (Sp. 7 Z. 24 bis 31).
Dieses Verständnis sieht der Fachmann durch Unteranspruch 5 bestätigt , der auf Patentanspruch 1 zurückbezogen ist. Danach kann das Längsstretchen der Folienhaube wenigstens teilweise beim Überziehen der Folienhaube über das zu umhüllende Stückgut erfolgen.

c) Der vertikale Längsstretch soll nach den Merkmalen 6.3 und 6.4 wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchten Zustand aufgebracht werden. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann daraus, daß die vertikale Dehnung der Folie um wenigstens 5 % im gesamten Bereich der Haubenseiten während des Überziehvorgangs, d.h. vor dem vollständigen Anliegen der Folie am Stückgut eingebracht werden soll. Diese Wertangabe verstehe der Fachmann als Anweisung dahin, bei einer bekannten , für das jeweilige Stückgut geeigneten Folie über die übliche vertikale Dehnung hinaus, eine erhebliche weitere Stretchung von mindestens 5 % der infolge der Querstretchung entstandenen Ausgangslänge aufzubringen, um eine Kraft zu erhalten, die ausreiche, um formstabile Ladeeinheiten auch bei Problemstückgut zu erhalten.
II. Der Gegenstand des so verstandenen Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist für den Fachmann auch so deutlich und vollständig offenbart, daß er ihn ausführen kann.
Eine Möglichkeit, wie die Folienhaube vor dem Überziehen in vertikaler Längsrichtung gestretcht werden kann, erwähnt die Streitpatentschrift beispielsweise in dem nicht angegriffenen Anspruch 6 und in Spalte 7 Zeilen 16
bis 19. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann aus der Beschreibung und den Zeichnungen der Streitpatentschrift hinreichende Anhaltspunkte dafür, wie er den vertikalen Stretch der Folienhaube bewerkstelligen kann. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, daß die Beschreibung zwar keine konkrete Anweisung dahin entfalte, mit welchen Maßnahmen ein Längsstretch von mindestens 5 % vor dem Anlegen der Folie auf dem Stückgut erreicht werden könne. Auf diese Frage gehe die Streitpatentschrift ebensowenig wie auf die Frage ein, wie der gewünschte, zweckmäßige Längsstretch durch die in der Beschreibung genannten Reibrollen, Reibwalzen oder dergleichen (Sp. 8 Z. 40 bis 44) in die Folie einzubringen ist. Solche Angaben benötige der Fachmann aber zur Ausführung nicht zwingend. Er sei aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres in der Lage, Möglichkeiten für eine vorrichtungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Streitpatents zur Verfügung zu stellen.
III. Es kann nicht festgestellt werden, daß Nichtigkeitsgründe nach § 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG und Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG , Art. 138 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit Art. 54 und 56 EPÜ vorliegen.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der Entgegenhaltungen zeigt ein Verfahren zum Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube mit sämtlichen Merkmalen seines Gegenstandes.
2. Der Senat ist nicht davon überzeugt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in naheliegender Weise ohne erfinderisches Bemühen aus dem Stand der Technik aufzufinden war.


a) Die Anweisung, in eine Folienhaube zusätzlich zu einem Horizontalstretch einen Stretch in vertikaler Richtung einzuprägen, um die Ladung auf einer Palette unverrutschbar zu sichern, war dem Fachmann allerdings auf Grund seines Fachwissens geläufig. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gehörte zu den Grundkenntnissen der technischen Mechanik die Erkenntnis, daß Verschiebekräfte in horizontaler Richtung durch ausreichend große Reibkräfte kompensiert werden müssen und diese Reibkräfte durch Normalkräfte auf die relativ zueinander beweglichen Flächen erzeugt werden müssen. Ebenso gehörte zu diesen Grundkenntnissen , daß die Reibkräfte erzeugenden Normalkräfte durch Spannungen in Längsrichtung der Folienhaube zu erzeugen sind und daß sie anfänglich, d.h. beim Überziehen der Haube über den Gutstapel größer als in diesem Zustand notwendig sein müssen, damit bei einer späteren Volumenverringerung des Stapelguts oder auch nur bei einer Stapelhöheverringerung auch bei dem dadurch verursachtem Nachlassen der Spannung ausreichend große Kräfte in vertikaler Richtung verbleiben.

b) Einen Hinweis darauf, dies gezielt bei der Verwendung von Folienhauben im Stretchverfahren neben dem Horizontalstretchen der Haube durch eine in ihrem Umfang bestimmte Längsstretchung vorzunehmen, erhielt der Fachmann jedoch nicht aus der US-Patentschrift 4,050,219 (Higgins).
Diese Druckschrift befaßt sich mit einer Haubenverpackungsmaschine zum automatischen Anbringen einer Haube über einem Frachtstück, insbesondere mit einer Haube aus elastischer Folie über einer beladenen Palette mit
veränderlichen Abmessungen. Dabei legt die Schrift, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ihren Schwerpunkt auf die Beschreibung der maschinen- und steuerungstechnischen Aspekte und weniger auf die verfahrenstechnischen Fragen und die zu erzielenden vorteilhaften Ergebnisse.
Bei dieser Vorrichtung wird von einem (Schlauch-)Folienvorrat (38) ein schlauchförmiger Folienabschnitt abgezogen und durch Vakuumköpfe geöffnet. Vier Finger werden in den Schlauch eingeführt. Mit diesen wird die Wand des Schlauchmaterials zwischen den Sammelwalzen und den Fingern positioniert. Die Sammelwalzen drehen sich so lange, bis sie eine ausreichende Menge an Schlauchmaterial auf die Finger geleitet haben, worauf ein Schneid- und Verschweiß -Mechanismus in Gang gesetzt wird, um die Herstellung der Haube abzuschließen. Die richtige Menge an Schlauchmaterial, die auf die Finger aufzubringen ist, wird von dem Sensor bestimmt, der die Maße der beladenen Palette mißt. Nachdem die Haube hergestellt und auf den Fingern gesammelt worden ist, wird über eine Bewegung der Finger die Haube so gedehnt, daß sie über das Frachtstück gezogen werden kann. Anschließend wird eine vertikale Bewegung des Frachtstücks und der Finger zueinander ausgeführt, so daß die Haube auf dem Frachtstück aufgebracht wird. Beim Überziehen über das Frachtstück wird die Haube allerdings auch in vertikaler Richtung gestretcht (Übersetzung S. 1 Abs. 3 bis S. 2 Abs. 1). Das geschieht infolge des Widerstandes der Motoren (76) der Andruckrollen bzw. -zylinderstangen (30), welche die Folie beim Abziehvorgang gegen die Finger (28) drücken und so einen Zug auf die Haube (24) ausüben. Eine gezielte Stretchung im Sinne der Lehre des Streitpatents ist damit nicht verbunden.

Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, daß sich sowohl die Beschreibung als auch die Zeichnungen auf eine Vorrichtung zur Verwendung von Schrumpffolienhauben beziehen. Aus den Figuren 12, 13, 15 und 16, welche die Verfahrensschritte des Sammelns und Überziehens der Haube über das Frachtgut betreffen, ist zu entnehmen, daß das um die Finger gesammelte und gereffte Folienmaterial nicht unter Querspannung steht und daß auch vor und beim Überziehen der Haube über den Frachtgutstapel kein horizontaler Stretch eingebracht wird. Da die Sammelwalzen beim Überziehen der Haube "umgekehrt leer laufen", wird ein gewisser Widerstand erzeugt, wodurch eine "vertikale Stretchkraft" auf die Haube (24) ausgeübt wird (Übersetzung S. 14 Abs. 3). Der Fachmann, dem das Schrumpffolienverfahren bekannt ist und der daher weiß, daß die Folie bei Wärmebeaufschlagung in horizontaler wie auch vertikaler Richtung schrumpft, wird - so der gerichtliche Sachverständige - diese "vertikale Stretchkraft" nicht primär mit der Sicherung der Ladeeinheit in Verbindung bringen. Vielmehr wird er aus der Anordnung schließen, daß die vertikale Dehnung bei der Verwendung von Schrumpfhauben allein dazu dient, Kraft aufzubringen, um ein glattes Anliegen der Folie an dem Stapelgut zu bewirken.
Die Druckschrift erwähnt einleitend, die beschriebene Haubenverpakkungsmaschine könne nicht nur für Wärmeschrumpf-Verpackungsverfahren, sondern auch für Stretchverfahren eingesetzt werden, wobei die Haube sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung gestretcht werden könne (Übersetzung S. 2 Abs. 2). Geht der Fachmann dem Gedanken nach, die Maschine für Verpackungen mit Stretchfolienhauben zu verwenden, so wird er die Ma-
schine entsprechend den Erfordernissen von Stretchmaterial umgestalten müssen. Er sieht sich aber durch die US-Patentschrift 4,050,219 allein gelassen mit der Frage, wie er den Umbau bewerkstelligen muß, um mit dem Stretchverfahren eine formstabile Ladeeinheit zu schaffen. Die Druckschrift enthält zwar den Hinweis, die vorgeschlagene Maschine auch für Stretchverfahren anzuwenden, gibt dem Fachmann aber keine Hilfen an die Hand, auf welche Weise die gereffte Folienhaube in horizontaler und vertikaler Richtung gestretcht werden könnte.

c) Über den Einsatz einer Haubenverpackungsmaschine im Stretchverfahren belehrt hingegen der Prospekt des US-amerikanischen Unternehmens C. in H., M., der an die US-Patentschrift 4,050,219 anknüpft. Der Fachmann erfährt, daß beim Stretch-Haubenverpackungsverfahren durch horizontale Stretch-Kräfte Frachtgutstapel zusammengehalten und durch vertikale StretchKräfte die Fracht auf der Palette gesichert werden kann. Es wird beschrieben, daß zu Beginn des Umhüllungsvorgangs das Schlauchmaterial mit Vakuumköpfe geöffnet wird. Vier Finger greifen sodann in den Schlauch hinein. Die passende Länge an Schlauchmaterial wird auf den Fingern gesammelt und das obere Ende der Haube vollständig oder teilweise verschlossen. Die Haube wird auf die Oberseite des Frachtstücks abgesenkt. Die Finger werden in zwei Richtungen ausgefahren, um die Haube entsprechend den Umrissen des Frachtstücks zu dehnen. Wenn die Haube auf der Oberseite des Frachtstücks aufgebracht wird, kommt das verschlossene Ende mit der Fracht in Kontakt. Das Polymaterial wird beim Überziehen von den Fingern abgezogen, "so daß vertikaler Stretch erzeugt wird".
Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann dieser Schrift, daß der vertikale Stretch der Sicherung des Gutstapels dient und daß er erhebliche Kraft in vertikaler Richtung aufbringen muß, um eine solche Sicherung gewährleisten zu können. Angaben zum Maß des aufgewendeten Zugs fehlen hingegen. Mangels solcher Angaben wird der Fachmann geneigt sein, einen möglichst hohen Stretch aufzubringen, soweit das Verpackungsgut und die Folie dies erlauben. Damit offenbart der Prospekt lediglich die Lehre, überhaupt mittels Stretch des Materials eine vertikale Kraft aufzubringen, mit der die Fracht auf der Palette gesichert werden soll. Nicht angesprochen wird das Problem des Streitpatents, auch bei Problemgütern, die beim Umschlagen ihre Gestalt verändern, eine formstabile Ladeeinheit dadurch zu gewährleisten, daß zusätzlich und in Abhängigkeit zu einem Stretch in horizontaler Richtung ein definierter Längsstretch von mindestens 5 % des Ausgangsmaßes eingesetzt wird.

d) Eine weitergehende Offenbarung enthält auch nicht der zu den Akten gereichte Video-Film über das "T. ..."-Verpackungssystem. Nach dem VideoText werden die Kanten der fertigen Stretchhaube an der Maschine befestigt. Ein Rahmen stretcht die Haube so weit, daß sie über das Frachtgut paßt. Sodann hebt der Rahmen die gestretchte Haube über die Palette. Der gerichtliche Sachverständige hat zur Funktionsweise der Maschine glaubhaft ausgeführt, die Folienhaube müsse beim Überziehen über den Stapel in allen Richtungen gespannt werden, um eine gleichmäßige Spannung an allen Seiten und der Oberseite der Palettenladung auszuüben. Um die Ladung auf der Palette festzuhalten , müsse eine signifikante Spannung in vertikaler Richtung aufgebracht werden. Das Einprägen einer Längsdehnung in die Haubenseitenwände erfol-
ge zwangsläufig, wenn die Folie unter der Wirkung von Reibkräften von dem Vorratsrahmen abgezogen werde. Die Folienhaube werde damit zwar gezielt in vertikaler Richtung gestretcht, ein definierter Längsstretch werde aber nicht vorgeschlagen. Als Vorteil schildert der Video-Text, man könne die Stretchund Shrink-Folie aufschneiden, um einzelne Kartons zu entnehmen; man könne sie mit den Spitzen eines Gabelstaplers durchdringen. Die Folie reiße nicht weiter auf und halte das Packgut weiterhin sicher auf der Palette.
Das T. ...-Verpackungssystem gibt dem Fachmann damit keinen Hinweis , wie bei Problemgütern verfahren werden könnte. Soweit eine allseitige 15 %ige Spannung der Folie zur Sicherung des Frachtgutes auf der Palette angesprochen wird, erkennt der Fachmann, daß diese Spannung möglicherweise Folge von aufgebrachten Stretch-Maßnahmen ist. Daraus ergibt sich für ihn aber kein Hinweis dahin, eine solche vertikal gerichtete Kraft aufzubringen, um auch bei Problemgütern eine sichere Ladeeinheit zu gewährleisten.

e) Auch aus der Zusammenschau der genannten Druckschriften folgt für den Fachmann kein Hinweis in Richtung auf die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, bei einem Folienhauben-Stretchverfahren neben der bekannten Horizontalstretchung eine definierte, in ihrem Umfang durch den nach dem Querstretchen entstandenen Zustand bestimmte vertikale Stretchung der Folie von mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge in quergestretchtem Zustand vorzusehen. Die weiter in das Verfahren eingeführten Druckschriften liegen weiter ab.
3. Neben dem Patentanspruch 1 des Streitpatents haben auch die auf ihn zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 und 7 bis 11 Bestand.
4. Dies gilt auch für den auf eine Vorrichtung gerichteten Patentanspruch 12, weil nicht festgestellt werden kann, daß er nicht neu und erfinderisch ist (Art. 54, 56 EPÜ). Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sind bei der Vorrichtung nach der Lehre des Patentanspruchs 12 zwar die meisten Merkmale der in der US-Patentschrift 4,050,219 beschriebenen Haubenverpackungsmaschine verwirklicht. Abweichend von diesem Stand der Technik sind bei der Vorrichtung nach dem Streitpatent Mittel zum Längsstretchen und Querstretchen der Haube (14, 24, Figur
1) vorgesehen, wobei beide Stretchvorgänge von denselben Mitteln ausgeführt werden. Die Stretchvorrichtung besteht aus den Reffbacken (13) und dem Reffrahmen (14) (Figuren 1 und 3). Der (Längs-)Stretchbügel (24) (Figuren 1 und 6) ist ein integraler Bestandteil des Reffrahmens. Der Längsstretch wird dadurch erzeugt, daß die Folienhaube (3) beim Überziehen des Stückgutstapels (2) über die einen Widerstand bildenden (Längs-)Stretchbügel (24) gezogen wird (Sp. 7 Z. 25 bis 28). Aus den Figuren der Streitpatentschrift geht - abgeleitet aus der Bewegungsmöglichkeit der Reffeinheit (16) - hervor, daß die Folie nur an vier Ecken von der Reffeinheit 16 aufgenommen oder erfaßt wird.
Eine Anordnung von Fingern bzw. Elementen, auf denen die gereffte Folie gehalten wird und die auseinandergefahren werden können, damit die Haube über den Gutstapel gezogen werden kann, zeigt die US-Patentschrift 4,050,219. Die Finger (28), dargestellt in den Figuren 1, 2, 4, 10, 12, 13, 15
und 16, dienen allerdings nicht zum Stretchen der Folie in vertikaler Richtung. Nach den glaubhaften Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sind sie infolge ihrer konkreten Ausgestaltung hierzu nicht geeignet. Der Längsstretch wird dadurch erzeugt, daß die Folie in der aus Figur 15 ersichtlichen Weise über die leerlaufenden Sammelwalzen (30) und die querverlaufenden Oberkanten der Finger (28) abgezogen wird. Finger, die so angeordnet sind, daß sie die Haube an den Ecken halten, zeigt die C.-Maschine auf der Abbildung Seite 3 des Prospekts. Einzelheiten ihrer Gestaltung sind aber weder aus der Abbildung ersichtlich, noch wird ihre Funktion in dem Text des C.Prospekts angesprochen. Winkelförmige Eckelemente, über welche die Folie abgezogen wird, offenbaren Abbildungen der Maschine im "T. ..."-Prospekt. Ob beide Maschinen allerdings geeignet sind, neben dem Querstretch einen definierten Längsstretch von mindestens 5 % der Ausgangslänge zu erzeugen, konnte nicht festgestellt werden. Zwar kann aufgrund der Gestaltung der Maschinen nicht ausgeschlossen werden, daß beim Überziehen der Haube über das Stapelgut ein Längsstretch erzeugt wird. Daß dabei gezielt ein Längsstretch von mindestens 5 % der Ausgangslänge entsprechend der Lehre des Streitpatents tatsächlich erreicht wird, konnte der gerichtliche Sachverständige nicht angeben.
5. Mit dem Vorrichtungsanspruch 12 haben auch die Unteransprüche 13 bis 20 Bestand.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 175/01 Verkündet am:
11. April 2006
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Stretchfolienhaube
EPÜ Art. 56
Allein aus dem Bestreben des Fachmanns, erkannte Probleme bereits in ihrer
Entstehung zu vermeiden und sie nicht, wenn sie aufgetreten sind, zu beseitigen
, kann nicht hergeleitet werden, dass vom Fachmann Versuche in einer bestimmten
Richtung zu erwarten sind.
BGH, Urt. v. 11. April 2006 - X ZR 175/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 ist wirkungslos, soweit Patentanspruch 5 des europäischen Patents 0 399 540 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt worden ist.
Im Übrigen wird das Urteil des Bundespatentgerichts auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin zu 1 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 0 399 540 wird im Umfang des Patentanspruchs 3 und der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese auf Patentanspruch 3 rückbezogen sind, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin zu 2 trägt ½ der gerichtlichen Kosten und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz. Die übrigen Kosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 1 zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.
Die Klägerin zu 2 trägt ½ der bis zur Klagerücknahme entstandenen Verfahrensgebühren sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz. Von den übrigen Kosten zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 1 9/10 und die Beklagte 1/10.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 25. Mai 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung P 39 17 110.8-27 vom 26. Mai 1989 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilen europäischen Patents 0 399 540 (Streitpatent), das ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut und Stückgutstapeln mit einer Stretchfolienhaube sowie eine hiermit zu bildende Verpackungseinheit betrifft. Das Streitpatent wurde vom Europäischen Patentamt im Einspruchsverfahren beschränkt aufrecht erhalten.
2
In seiner geltenden Fassung (Streitpatentschrift EP 0 399 540 B2) umfasst das Streitpatent sieben Patentansprüche, von denen die Klägerin zu 1 die Ansprüche 1 bis 3 sowie 6 und 7, die Klägerin zu 2 die Ansprüche 1 bis 3 und 5 bis 7 angegriffen haben. In der Verfahrenssprache Deutsch haben die Patentansprüche 1 bis 3, 6 und 7 folgenden Wortlaut: "1. Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube (1') aus Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren ("stretchbaren") Seitenfaltenschlauch (1), der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte ersten Seitenflächen (4, 4) bestimmter (Zuführ-)Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen (5, 5) aufweist und einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel (2) besitzt vor dem Stretchen dadurch eine Haube (1') gebildet wird, dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht (13) abgeschweißt und hinter dem die Haube (1') bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube (1') zum Überziehen über das Stückgut/den Stückgutstapel (2) vollständig geöffnet und im wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt ("gestretcht") wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit einer Quernaht (13) versehen wird, deren Länge (= "Ideallänge") im wesentlichen gleich der zur Quernaht (13) parallelen Breite (1) des zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist wobei in Fällen, in denen die (Zuführ-)Breite (B) des Seitenfaltenschlauches (1) ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube (1') bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches (1) auf eine der Ideallänge der Quernaht (13) entsprechende Breite gebracht wird; und dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbe- reich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
2. Verfahren nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der Quernaht (13) wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite (1) des Stückguts (2) ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die aus dem Seitenfaltenschlauchabschnitt gebildete Haube (1') nach dem Legen der Quernaht (13) so gedehnt wird, dass das die Seitenflächen der Dehnfolienumhüllung bildende Folienmaterial an allen Seitenflächen im wesentlichen gleichmäßig gedehnt wird.
6. Ladeeinheit aus Stückgut, welches mit einer aus Dehnfolie (= "Stretchfolie") bestehenden Haube umhüllt ist, die aus einem Seitenfaltenschlauch gebildet ist, der einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut aufweist , und der vor dem Dehnen (= "Stretchen") mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht versehen worden ist, gebildet mittels eines (Arbeits-)Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3 und/oder mittels einer Vorrichtung gemäß Ansprüchen 4 oder 5, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der ungedehnten Quernaht (13) wenigstens ca. 95 % der zur Quernaht (13) parallelen Breite (1) des Stückguts (2) beträgt.
7. Ladeeinheit nach Anspruch 6, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der Quernaht (13) im wesentlichen gleich der Breite (1) des Stückgutstapels (2) ist."
3
Beide Klägerinnen haben im Wesentlichen übereinstimmend geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus und die Erfindung werde nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Sie sind des weiteren der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei, und berufen sich hierzu auf folgende Veröffentlichungen: - US-Patentschrift 4 050 219 (Anlage K1 der Klägerin zu 1, Anlage 4 der Klägerin zu 2); - Prospekt "Clearly the Best Alternative" des Unternehmens TNT (Anlage K12 der Klägerin zu 1, Anlage 5 der Klägerin zu 2; im Folgenden: "Prospekt Clearly"); - Prospekt "TNT Stretch'n Shrink User Guide" (Anlage K13 der Klägerin zu 1, Anlage 6 der Klägerin zu 2; im Folgenden: "TNT User Guide"); - Prospekt "Stretch Packaging" der Kurt Lachenmeier A/S (Anlage K15 der Klägerin zu 1, Anlage 7 der Klägerin zu 2; im Folgenden : "Prospekt Lachenmeier").
4
Die Klägerin zu 1 hat weiter genannt: - deutsche Offenlegungsschrift 30 03 052 (Anlage K2); - Artikel "Now - a stretch-film pack keeps out dirt and moisture!" aus der Zeitschrift "Modern Materials Handling", September 1976 (Anlage K17).
5
Ferner hat sie als Anlage K14 ein Videoband (englischer Text mit deutscher Übersetzung in Anlage K14a/b) zu den Akten gereicht und vorgetragen, dieses Videoband sei vor dem Prioritätstag des Streitpatents von Mitarbeitern von TNT Interessenten vorgeführt worden. Der in dem Videofilm sowie in den Prospekten gemäß Anlage K12 und K13 gezeigte Gegenstand sei durch TNT bereits vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die Klägerin zu 2 hat den Prospekt "COMPTEX" (Anlage 8 a, K 21) in das Verfahren eingeführt.
6
Die Klägerinnen haben übereinstimmend beantragt, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 sowie 6 und 7 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
7
Die Klägerin zu 2 hat darüber hinaus beantragt, das Streitpatent auch im Umfang des Patentanspruchs 5 für nichtig zu erklären.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen, hilfsweise hat sie das Streitpatent nach Maßgabe der Hilfsanträge 1 bis 4 gemäß Anlagen 1 bis 3 zur Sitzungsniederschrift des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 verteidigt.
9
Die Beklagte hat die Vorveröffentlichung des Videos gemäß Anlage K14 bestritten und ist der Klage auch im Übrigen entgegengetreten.
10
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1, 3 und 5 sowie der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese Ansprüche auf die Patentansprüche 1, 3 oder 5 rückbezogen sind, für nichtig erklärt und die Klagen im Übrigen abgewiesen.
11
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Klägerinnen Berufung eingelegt. Die Klägerin zu 2 hat im Berufungsrechtszug die Klage zurückgenommen. Die Beklagte hat erklärt, dass sie die Patentansprüche 3 und 5 nicht mehr verteidigt.
12
Die Beklagte beantragt, 1. das Urteil des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 dahingehend abzuändern, dass das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auch im Umfang seines Patentanspruches 1 sowie der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese beiden Ansprüche auf den Patentanspruch 1 zurückbezogen sind, bestätigt wird (also insgesamt im Umfang seiner Ansprüche 1, 2, 4, 6 und 7), und die Klagen im Übrigen abzuweisen ; 2. hilfsweise, den Patentanspruch 1 und die auf ihn zurückbezogenen Patentansprüche 6 und 7 mit der Maßgabe zu bestätigen , dass im Kennzeichen des Patentanspruches 1 (Sp. 10, Z. 42, der B2-Schrift) zwischen den Worten "... zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist", und den Worten "wobei in Fällen..." die Worte "wobei die Länge (L) der Quernaht (13) wenigstens ca. 85 - 90 % der zu ihr parallelen Breite (I) des Stückgutes /Stückgutstapels (2) ist; und" eingefügt werden.
3. Weiter hilfsweise verteidigt die Beklagte die Patentansprüche 1 und 2 in folgender Fassung:
"1. Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube (1') aus Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren ("stretchbaren") Seitenfaltenschlauch (1), der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte ersten Seitenflächen (4, 4) bestimmter (Zuführ-)Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen (5, 5) aufweist und einen um wenigstens 10% geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel (2) besitzt, vor dem Stretchen dadurch eine Haube (1') gebildet wird, dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht (13) abgeschweißt und hinter dem die Haube (1') bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube (1') zum Überziehen über das Stückgut /den Stückgutstapel (2) vollständig geöffnet und im we-
sentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt (= "gestretcht") wird, und wobei die Quernaht (13) in einer Länge (= "Ideallänge") ausgebildet werden soll, die im wesentlichen gleich der zur Quernaht (13) paralleler Breite (1) des zu umhüllenden Stückgutes /Stückgutstapels (2) ist, dadurch gekennzeichnet, dass bei einer Zuführbreite (B) des Seitenfaltenschlauches (1), die ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube (1') bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches (1) auf eine der Ideallänge der Quernaht (13) entsprechende Breite gebracht wird; und dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Seitenfaltenschlauch (1) vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens im oberen Endabschnitt auf eine Breite gebracht wird, die wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite (1) des Stückguts (2) beträgt."
sowie Patentanspruch 4 in der aus dem Schriftsatz vom 24. Januar 2006 ersichtlichen Fassung.
13
Im Übrigen beantragt die Beklagte, die Berufung der Klägerin zu 1 zurückzuweisen , das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären, soweit Patentanspruch 5 für nichtig erklärt worden ist und der Klägerin zu 2 nach Rück- nahme der von ihr erhobenen Nichtigkeitsklage die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
14
Den zunächst mit Schriftsatz vom 12. November 2001 angekündigten zweiten Hilfsantrag hat die Beklagte nicht gestellt.
15
Die Klägerin zu 1 beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und das europäische Patent 0 399 540 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auch im Umfang des Anspruchs 2 und im Umfang der Ansprüche 6 und 7, soweit auf Anspruch 2 zurückbezogen, für nichtig zu erklären, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
16
Die Klägerin zu 1 vertritt die Auffassung, Patentanspruch 1 des Streitpatents beanspruche zwei verschiedene Lösungen. Die eine Lösung bestehe darin , dass der im Ursprungszustand gegenüber der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseite schmalere Seitenfaltenschlauch vor dem Legen der Querschweißnaht so umgefaltet werde, dass seine Breite mit der Länge der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseite im Wesentlichen übereinstimme. Die dann gelegte Querschweißnaht sei zwangsläufig ebenfalls im Wesentlichen genauso lang wie die zu ihr parallelen Stapelseiten. Diese Lösung werde mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffen. Angegriffen werde die andere und wirtschaftlich interessante Lösung, nach der als Ausgangsmaterial ein Seitenfaltenschlauch verwendet werde, der von Haus aus eine Breite habe, die mit der Länge der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseiten im Wesentlichen übereinstimme.
17
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr. Ing. D. G. F. , , eingeholt, das der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten des Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. D. A. , , vorgelegt.
18
Die Parteien haben nicht nachgelassene Schriftsätze zu den Akten gereicht , die dem Senat keine Veranlassung gegeben haben, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Entscheidungsgründe:


19
Nachdem die Klägerin zu 2 ihre Nichtigkeitsklage zurückgenommen hat, ist das angefochtene Urteil wirkungslos, soweit Patentanspruch 5 für nichtig erklärt worden ist (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 269 Abs. 2, 3 ZPO). Dieser Patentanspruch ist allein von der Klägerin zu 2 angegriffen worden, nicht aber auch von der Klägerin zu 1.
20
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent bezüglich des Patentanspruches 3 nicht mehr verteidigt, was insoweit ohne weitere Sachprüfung zur Nichtigerklärung führt (Sen.Urt. v. 12.10.2004 - X ZR 190/00, GRUR 2005, 233 - Paneelelemente m.N.). Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten begründet, weil nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden kann, dass der Gegenstand nach den Patentansprüchen 1 und 2 sowie nach den Patentansprüchen 6 und 7, soweit diese auf die Patentansprüche 1 und 2 rückbezogen sind, nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ). Insoweit ist die Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 1 abzuweisen und ihre Berufung zurückzuweisen.
21
I. Patentanspruch 1 des Streitpatents betrifft ein Verfahren zum Umhüllen von Stückgut und Stückgutstapeln mittels eines schlauchförmigen Stretchfolienabschnitts.
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1. Der Beschreibung des Streitpatents zufolge waren am Prioritätstag Verpackungsverfahren bekannt, bei denen das Stückgut mit Schrumpffolie umhüllt und nach dem Umhüllen mit Wärme beaufschlagt wird, wodurch sich die Folie unter Schrumpfung fest an das zu umhüllende Stückgut legt (Streitpatent Beschreibung Abs. 0004). Ferner waren Wickelverfahren bekannt, bei denen Flachfolie um das zu umhüllende Stückgut gewickelt wird, sowie Verfahren, bei denen wenigstens eine Folienhaube über das zu umhüllende Stückgut gezogen und sodann an dieses geschrumpft wird (Streitpatent Beschreibung Abs. 0005). Das Streitpatent bezeichnet es als Nachteil der bekannten Schrumpffolienverfahren , dass bei ihnen eine Beaufschlagung mit Wärme zu erfolgen habe, was zu hohen Energiekosten führe, wegen der Beaufschlagung mit offener Flamme für bestimmte, insbesondere entflammbare Güter ungeeignet sei (Streitpatent Beschreibung Abs. 0006), aufgrund der erforderlichen Foliendicke einen hohen Materialeinsatz bedinge (Streitpatent Beschreibung Abs. 0007), als wenig umweltfreundlich angesehen werde, eine hohe Lärmbelästigung mit sich bringe (Streitpatent Beschreibung Abs. 0008) und schließlich ein Verkleben mit dem zu verpackenden Gut stattfinden könne (Streitpatent Beschreibung Abs. 0009).
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Den weiteren Angaben der Beschreibung zufolge wurde diesen Nachteilen im Stand der Technik begegnet, indem an Stelle von Schrumpffolien Stretchfolien eingesetzt wurden, die keiner Wärmebeaufschlagung bedürfen und bei denen das Folienmaterial vor dem Umhüllen des zu verpackenden Stückguts gestretcht (gedehnt) wird (Streitpatent Beschreibung Abs. 0010). Insoweit war das Wickelstretchen bekannt, bei dem bahnförmige Stretchfolie um das zu umhüllende Gut gewickelt wird. An diesem Verfahren wird als nachteilig bezeichnet, dass die Ladungssicherheit unbefriedigend sei, weil entweder nur horizontale oder nur vertikale Spannkräfte entstünden. Umwickele man das Gut in beiden Richtungen, sei ein hoher Materialeinsatz erforderlich (Streitpatent Beschreibung Abs. 0011). Außerdem werde eine Flachfolie als Deckblatt benötigt (Streitpatent Beschreibung Abs. 0012). Ferner bezeichnet es das Streitpatent als nachteilig, dass die durch Wickelstretchen erhaltene Verpackung nicht hinreichend witterungsbeständig sei (Streitpatent Beschreibung Abs. 0013).
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Die Beschreibung weist sodann darauf hin, dass bereits Verfahren entwickelt worden seien, bei denen das zu verpackende Gut mit einer Haube aus Stretchfolie überzogen werde. Bei diesen Verfahren, zu denen auch ein von der Beklagten und Wettbewerbern praktiziertes Verfahren gehöre, erfolge das Abschweißen des Folienabschnitts vor dem Stretchen und in einer Form, die praktisch der Bevorratungsbreite entspreche (Streitpatent Beschreibung Abs. 0014 bis 0017). Da die Schlauchfolie im nicht gestretchten Zustand bestimmungsgemäß nennenswert (z.T. ganz erheblich) kleiner sei als die Länge der Stirnseitenränder der zu umhüllenden Güter, werde die Schweißnaht bei dieser Arbeitsweise beim Stretchen zwangsläufig einer ganz erheblichen Dehnung unterworfen , und zwar nicht nur beim Querstretchen vor dem Umhüllen des Stapels , sondern auch danach, wenn die Haube fest am Stückgut anliege (Streitpatent Beschreibung Abs. 0018). Bei diesen Verfahren träten Probleme insbesondere an den Stellen auf, an denen die bei einer derartigen Schlauchfolien- haube im umhüllten Zustand zwangsläufig entstehenden Zipfel an der betreffenden Stirnseite des Stückgutstapels aufeinander lägen (Streitpatent, Beschreibung Abs. 0019).
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Um dies zu vermeiden, sei bereits vorgeschlagen worden, die Folie vor dem Schweißen zu öffnen, horizontal zu stretchen und erst dann vom Folienvorrat abzutrennen und zu schweißen (deutsche Offenlegungsschrift 37 07 877). Dadurch ergebe sich eine Schweißnaht, deren Länge im Dehnungszustand vor dem Überziehen erheblich größer sei als die Länge der im umhüllten Zustand parallel zu der Schweißnaht verlaufenden Stirnseitenränder des zu umhüllenden Guts (Streitpatent Beschreibung Abs. 0020). Als nachteilig an diesem Verfahren sieht das Streitpatent an, dass die in dem Folienmaterial vorhandenen inneren Spannungen bei der beim Schweißvorgang erfolgenden Plastifizierung des Folienmaterials weitgehend verloren gingen, während sie im Übrigen Folienmaterial verblieben. Dadurch bestehe die Gefahr, dass es in den Grenzbereichen zwischen Schweißnaht und benachbartem Folienmaterial zu Ein- oder Abrissen kommen könne, insbesondere bei mehrfachem Umschlag der verpackten Güter (Streitpatent Beschreibung Abs. 0021).
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2. Diesem Nachteil soll durch die Lehre des Streitpatents abgeholfen und ein Verfahren bereitgestellt werden, bei dem die bisher im Schweißnahtbereich sowie in den benachbarten Bereichen auftretenden Probleme vermieden oder zumindest auf ein unschädliches Maß verringert werden.
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Dies wird nach Patentanspruch 1 erreicht, indem wie folgt verfahren wird: 1. Zum Umhüllen von Stückgutstapeln wird eine Haube aus Stretchfolie gebildet.
2. Zum Bilden der Haube wird aus einem Vorrat dehnbarer ("stretchbarer") Seitenfaltenschlauch zugeführt, der im Bevorratungs - und Zuführzustand
a) zwei einander parallele, eng benachbarte Seitenflächen bestimmter (Zuführ-)Breite,
b) zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen und
c) (vor dem Stretchen) einen um mindestens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut aufweist. 3. Die Haube wird vor dem Stretchen des Seitefaltenschlauchs zum Umhüllen des Stückguts (Stückgutstapels) gebildet. 4. Zum Bilden der Haube wird der Seitenfaltenschlauch
a) mit Abstand zu seinem freien Ende
b) mit einer Quernaht abgeschweißt, deren Länge ("Ideallänge" ) im Wesentlichen gleich der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts/Stückgutstapels ist, und
c) hinter dem die Haube bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt. 5. Ist die (Zuführ-)Breite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht, wird vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des (danach ) die Haube bildenden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite gebracht. 6. Nach dem Abtrennen des die Haube bildenden Abschnitts und der Bildung der Quernaht wird
a) die Haube zum Überziehen über das Stückgut (den Stückgutstapel ) vollständig geöffnet und

b) im Wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt ("gestretcht"). 7. Die Dehnung erfolgt so, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
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Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Beklagten übereinstimmend bekundet haben, versteht der Fachmann - ein Ingenieur , der auf einer Ingenieurschule, einer Fachhochschule oder einer technischen Universität eine Ausbildung auf dem Gebiet des Maschinenbaus erhalten hat, in der Regel über eine mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Förder- und Verpackungstechnik verfügt - und dem die Eigenschaften der zu verarbeitenden Folien entweder aus eigenem Wissen oder aufgrund von Informationen durch die Hersteller bekannt sind - die Angabe, die Quernaht der Stretchfolienhaube solle eine Länge aufweisen, die "im Wesentlichen" der Breite der zur Quernaht der Haube parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Stückguts oder Stückgutstapels entspricht, dahin, dass bei der Länge der Quernaht Toleranzen auftreten können, deren Ausmaß in Patentanspruch 1 offen gelassen ist. Daher legt der Fachmann diese Toleranzen, wenn er den Stapel so umhüllen will, dass keine vorstehenden Zipfel auftreten und übermäßige Spannungen in der Folie nach der Umhüllung des Stückguts vermieden werden, mit der erforderlichen und technisch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand machbaren Genauigkeit so fest, dass die Stretchfolienhaube nach dem Abschweißen der Quernaht und vor dem Überziehen des Stapels mit der Haube in einem solchen Maße gedehnt wird, dass sie sich unter Spannung der oberen Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich am Ende der Quernaht an das Stückgut anlegt.
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Patentanspruch 1 enthält keine Anweisung, nach der der Seitenfaltenschlauch im Bevorratungs- und Zuführzustand eine bestimmte Breite aufzuweisen hat. Der Seitenfaltenschlauch des geschützten Verfahrens weist nach Merkmal 2 c zwar einen um mindestens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut auf. Wie die Erörterung des Patentanspruchs 1 mit den Parteien, dem gerichtlichen Sachverständigen und dem Privatgutachter der Beklagten ergeben hat, ist in jedem Fall erforderlich, einen Seitenfaltenschlauch für die Durchführung des Verfahrens zu verwenden, der nach dem Öffnen und vor dem Stretchen der Folie mittels der dazu erforderlichen Finger oder dergleichen einen Umfang aufweist, der geringer ist als der Umfang der zu verpackenden Güter, damit nach dem Stretchen der Folie und dem Überziehen der Güter mit der gestretchten Haube Rückstellkräfte auftreten, die die Folie so um den Stapel legen, dass dieser mit Druck beaufschlagt wird und die verpackten Güter insbesondere während des Transports zusammengehalten werden. Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass eine bestimmte Breite der Seitenfaltenschlauchfolie in ihrem Bevorratungs- und Zuführzustand geschützt ist. Denn auf welche Breite eine Seitenfaltenschlauchfolie, die den für die Umhüllung des Stückguts erforderlichen Umfang aufweist, gefaltet ist, bevorratet und dem Verfahren zugeführt wird, hängt davon ab, wie tief die V-förmigen und nach innen gefalteten zweiten Seitenflächen (Merkmal 2 b) im Zuführzustand des Seitenfaltenschlauchmaterials ausgebildet sind. Je nach der Tiefe dieser Falten kann die Zuführbreite des den erforderlichen Umfang aufweisenden Schlauchmaterials im Bevorratungs- und Zuführzustand der der Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Gutes entsprechen oder von ihr abweichen.
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Geschützt ist mithin ein Verfahren, bei dem Seitenfaltenschlauchfolie eines Mindestumfangs, der in Abhängigkeit von den zu umhüllenden Gütern steht, verwendet wird, und die im Zuführzustand auf beliebige Breite gefaltet sein kann. Die Haube aus diesem Folienmaterial wird vor dem Stretchen des Seitenfaltenschlauchs gebildet (Merkmal 3), indem das im Bevorratungszustand zusammengefaltete Folienmaterial in einer bestimmten Länge von dem Vorrat abgezogen (Merkmal 4 a) und dabei teilweise geöffnet wird. Die Beschreibung des Streitpatents weist den Fachmann in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das schlauchförmige Folienmaterial vor dem Abschweißen an seinem abzuschweißenden Endabschnitt so verformt wird, dass die beiden zueinander parallelen ersten Seitenflächen unter Verkleinerung oder Vergrößerung der V-förmigen, nach innen gefalteten zweiten Seitenflächen die gewünschte Länge der Schweißnaht aufweisen (Streitpatent Beschreibung Abs. 0027). Zwischen dem zusammengefalteten, in seinem Zuführzustand befindlichen Folienmaterial und dessen freiem Ende (Merkmal 4 a), in das die Mittel zum Abziehen und Stretchen der Folie eingreifen, liegt demzufolge ein Bereich, in dem der die Haube bildende Abschnitt des Folienmaterials eine vom Zuführund Bevorratungszustand abweichende Breite aufweist. In diesem Bereich wird der die Haube bildende Abschnitt mit einer Quernaht abgetrennt, deren Länge ("Ideallänge") im Wesentlichen gleich der parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts (Stückgutstapels) ist (Merkmal 4 b) und wobei das Abtrennen der Haube hinter dem die Haube bildenden Abschnitt erfolgt (Merkmal 4 c). Erst nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der fertigen Haube wird diese vollständig geöffnet (Merkmal 6 a) und auf das zum Überziehen des Guts erforderliche Maß gestretcht (Merkmal 6 b). Dabei erfolgt die Dehnung der fertigen Haube so, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Gut anlegen (Merkmal 7).
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Der Fachmann entnimmt daraus, dass er für die Ausführung des Verfahrens Schlauchmaterial mit dem erforderlichen Mindestumfang, in Relation zur Breite des zu verpackenden Gutes jedoch beliebiger Zuführbreite verwenden kann, wenn er den für die Bildung der Haube erforderlichen Folienabschnitt nach dem Abziehen der Folie von dem Vorrat und vor dem Stretchen der Haube an der Stelle mit einer Quernaht abschweißt, an der die Quernaht so lang bemessen ist, wie das zu umhüllende Gut breit ist (Merkmal 5). Auf diese Weise wird erreicht, dass die Länge der Quernaht nicht nur nach ihrem Abschweißen und Abtrennen vom Vorrat, sondern auch nach dem Stretchen und Umhüllen des zu verpackenden Gutes dessen Breite entspricht. Diese kann von der Breite gegebenenfalls verwendeter Paletten oder dergleichen abweichen und bei verschiedenen Gütern in den einzelnen Lagen unterschiedlich groß sein. Ist die Folie auf diese Weise auf die erforderliche Breite gebracht, die Quernaht in der erforderlichen Länge abgeschweißt und die dadurch gebildete Haube von dem Vorrat getrennt, wird die Haube vollständig geöffnet (Merkmal 6 a) und zur Umhüllung des zu verpackenden Gutes in dem erforderlichen Maß gestretcht.
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Entgegen der von der Klägerin zu 1 vertretenen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführlich erörterten Auffassung ist mit Merkmal 5 kein gegenüber dem Merkmal 4 b selbständiges (alternatives) Verfahren geschützt. Denn das Verfahren nach Patentanspruch 1 lässt sich nicht in zwei alternative Verfahren aufspalten, bei denen im Verlauf des einen Verfahrens die Breite des Schlauchmaterials im Bevorratungszustand bereits der Breite der der Quernaht parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Guts entspricht, so dass die Quernaht in der Bevorratungsbreite der Folie abgeschweißt und eine Anpassung der Länge der Quernaht an die Breite des zu umhüllenden Guts unterbleiben kann, wie dies nach den Angaben der Beschreibung im Stand der Technik praktiziert worden ist (Beschreibung Abs. 0017), und in ein alternatives Verfahren, in dem eine Anpassung in den Seitenlängen der Schlauchfolie erforderlich ist, um eine Quernaht in "Ideallänge" abzuschweißen. Merkmal 5, wonach dann, wenn die Zuführbreite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der abzuschweißenden Quernaht ist, vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des nach dem Abschweißen die Haube bil- denden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite gebracht wird, enthält gegenüber Merkmal 4 b lediglich die zusätzliche Anweisung, dass es zur Erreichung der patentgemäßen Wirkungen, Zipfelbildung und übermäßige Spannungen im Bereich der Quernaht zu vermeiden, ausreicht, wenigstens den oberen Endabschnitt der Haube, an dem die Quernaht abgeschweißt wird, auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite zu bringen. Patentanspruch 1 enthält keine Angaben zu einem Umfalten der Seitenfaltenschlauchfolie, sondern weist den Fachmann an, die Quernaht in einer bestimmten Länge abzuschweißen (Merkmal 4 b), wobei es genügt, den Bereich des die Haube bildenden Abschnitts auf diese Länge zu bringen, an dem die Quernaht abgeschweißt wird. Die Angabe, "wenn die (Zuführ-)Breite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht ist", lässt sich nicht dahin auslegen, wenn nach Merkmal 4 b verfahren werde, finde nur eine Folie Verwendung, die im Bevorratungszustand bereits auf die Breite der Ideallänge gefaltet sei, so dass eine Anpassung der Länge der Quernaht an das zu umhüllende Gut nicht erforderlich sei, und nur aus Merkmal 5 ergebe sich Schutz auch dafür, im Verlauf des Verfahrens die Länge der Quernaht auf die Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Guts einzustellen.
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Soweit die Parteien darüber streiten, ob Patentanspruch 1 mit dem Merkmal 7, wonach die Dehnung der geöffneten Haube so erfolgt, dass sich die unteren Folienabschnitte an den Enden der Quernaht im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen, lediglich eine zwangsläufig eintretende Folge der patentgemäß ausgebildeten Quernaht oder ein eigenständiges Verfahrensmerkmal benennt, hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Vermeidung von Zipfelbildung an den Enden der Quernaht regelmäßig mehr oder weniger deutlich eintritt , wenn die Quernaht die als Ideallänge bezeichnete Länge aufweist, und der Fachmann diese Wirkung durch ein stärkeres oder weniger starkes Stretchen der Haube optimieren kann.
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II. Da die Auslegung des Patentanspruchs 1 ergibt, dass er ein einheitliches , nicht dagegen zwei alternative und voneinander unabhängige Verfahren zum Gegenstand hat, kann das Streitpatent nicht in der von der Klägerin erstrebten Weise teilweise für nichtig erklärt werden. Vielmehr ist das beanspruchte Verfahren in der Gesamtheit seiner Merkmale der Prüfung auf Patentfähigkeit zu Grunde zu legen. Da die Klägerin zu 1 beantragt hat, Patentanspruch 1 des Streitpatents für nichtig zu erklären, legt der Senat den Klageantrag der Klägerin bei dieser Sachlage dahin aus, dass sich die Klage gegen den Patentanspruch 1 insgesamt richtet, auch wenn die Klägerin erklärt hat, dass sich die Nichtigkeitsklage nicht gegen die von ihr als zweite Verfahrensvariante (Merkmal 5) bezeichnete Ausführungsform der beanspruchten Erfindung richten soll.
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III. Der Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit der Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ) liegt entgegen dem Vorbringen der Klägerin zu 1 nicht vor.
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Welche Breite das zu verpackende Gut auf der der Quernaht parallelen Stirnseite hat, kann der Fachmann messen, so dass er die Länge der Schweißnaht entsprechend dieser Breite einstellen kann. Entgegen der Auffassung der Klägerin benennt Patentanspruch 1 die Breite, die zu messen ist, indem er sie als die "zur Quernaht parallele Breite" des zu umhüllenden Stückguts bezeichnet. Diese Breite ist, wie sich aus dem Ausführungsbeispiel entsprechend Fig. 3 des Streitpatents ergibt, die Breite des Stückguts oder Stückgutstapels , die parallel zu der abzuschweißenden Quernaht liegt.

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Zu der Frage, wie das Verfahren ausgeführt werden kann, entnimmt der Fachmann dem - nicht angegriffenen - Patentanspruch 4, dass er die zum Öffnen und anschließenden Stretchen bestimmten Finger unter teilweisem Öffnen des Abschnitts der Seitenfaltenschlauchfolie, der später die Haube bildet, so weit in eine erste Betriebsstellung zu verfahren hat, bis sich eine Breite des Seitenfaltenschlauchs gleich oder geringfügig kleiner als die Breite des Stückgutstapels und damit im Wesentlichen gleich der Ideallänge der Quernaht ergibt. An dieser Stelle wird die Quernaht abgeschweißt. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, ist eine solche Führung der Mittel, mit denen der Folienabschnitt vom Vorrat abgezogen und teilweise geöffnet wird, dem Fachmann auch dann ohne weiteres möglich, wenn die Zuführbreite des Folienschlauchs größer als die Ideallänge der Quernaht ist. Denn der Fachmann erkennt, dass er in diesem Fall nicht - wie in der Ausführungsform der Erfindung nach Fig. 5 des Streitpatents dargestellt - vier Finger einsetzen muss, die in die vier äußeren Enden des gefalteten Folienschlauchs eingreifen und diesen unter Verzehr der V-förmig ausgebildeten Seiten öffnen, sondern zwei weitere Finger benötigt , die dafür sorgen, dass der V-förmig nach innen gefaltete Bereich der Schlauchfolie nicht verzehrt, sondern vergrößert wird, so dass sich die Zuführbreite des Schlauchmaterials verringert, bevor die Quernaht abgeschweißt, der Folienabschnitt abgetrennt und die Haube danach gestretcht wird.
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Soweit die Klägerin zu 1 geltend gemacht hat, das Verfahren sei nicht ausführbar, weil das Streitpatent keine Mittel benenne, die verhindern, dass der Folienabschnitt nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube vom Vorrat herabfällt, und ein Nachreffen der teilweise geöffneten Haube vor dem Stretchen erst nach dem Prioritätstag des Streitpatents bekannt geworden sei, übersieht sie, dass das Streitpatent keine Anweisung enthält, die in verschiedene Positionen verfahrbaren Finger oder dergleichen vor dem Ab- schweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube nur teilweise in den die Haube bildenden Folienabschnitt eingreifen zu lassen. Der Fachmann kann die Finger daher in der ersten Arbeitsposition so tief in den später die Haube bildenden Folienabschnitt eingreifen lassen, dass sie den später zu stretchenden Folienabschnitt insgesamt erfassen, und die Finger im ersten Arbeitsschritt nur so weit auseinanderfahren, wie dies zum Öffnen des Schlauchs für den Zweck, eine Quernaht mit der gewünschten Ideallänge zu bilden, erforderlich ist. Der die Haube bildende Folienabschnitt wird bei dem beanspruchten Verfahren erst nach dem Abschweißen der Quernaht vom Vorrat abgetrennt, so dass der die Haube bildende Folienabschnitt an der Bevorratung gehalten wird, bis die Finger oder dergleichen den Schlauchfolienabschnitt nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube von dem Vorrat in eine Kontur bringen, die der Kontur des zu umhüllenden Gutes entspricht.
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IV. Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung ist auch nicht nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ für nichtig zu erklären ; der Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor.
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Zur Feststellung, ob dieser Nichtigkeitsgrund (Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Anmeldung) vorliegt, ist der Gegenstand des erteilten Patents mit der Gesamtheit des Inhalts der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu vergleichen und festzustellen, ob die ursprüngliche Offenbarung erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag dem Fachmann von vornherein als zur Erfindung gehörend offenbart worden ist, ohne dass den in den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung formulierten Patentansprüchen die gleiche Bedeutung zukommt wie den Patentansprüchen des erteilten Patents (Sen. Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023 - Einkaufswagen II). Deshalb kann jedenfalls dann, wenn eine Ausführungsform der Erfindung in den ursprüngli- chen Unterlagen als besonders oder höchst bevorzugte Ausführungsform bezeichnet wird, diese zum Gegenstand des Hauptanspruchs gemacht werden.
41
In den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung ist offenbart, dass die Länge der Schweißnaht so gewählt wird, dass sie wenigstens ca. 85 bis 90 % der Länge der im umhüllten Zustand zu ihr parallelen Stirnseitenränder des zu umhüllenden Stückgutes ist. Als bevorzugt werden wenigstens ca. 95 % dieser Länge genannt. Als höchst bevorzugt wird eine Länge der Schweißnaht bezeichnet , die im Wesentlichen gleich der Länge der im umhüllten Zustand zu ihr parallelen Stirnseitenränder des Stückguts ist (Erteilungsakten, ursprüngliche Unterlagen der Anmeldung, Beschreibung Seiten 8, 9 übergreifender Absatz; Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Beschreibung Seite 4, Zeilen 13 - 19). Daraus ist zu ersehen, dass eine Länge der Schweißnaht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, deren Länge jedenfalls ca. 85 % der parallelen Breite des zu umhüllenden Stapels beträgt, die aber auch so lang ausgebildet werden kann, dass sich ihre Länge über die Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des Stückguts erstreckt. Als zur Erfindung gehörend sind damit Längen zwischen ca. 85 und 100% in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen offenbart.
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Demgegenüber stellt die Angabe in Patentanspruch 1 der neuen europäischen Patentschrift, dass die Quernaht "im wesentlichen" gleich der Länge der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Gutes ist, eine Beschränkung des geschützten Gegenstandes dar. Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Beklagten übereinstimmend ausgeführt haben, versteht der Fachmann unter Angaben wie "im wesentlichen" oder "ca." auf dem hier einschlägigen Gebiet, dass er bei der Ausübung von Verpackungsverfahren mittels Stretchfolien Toleranzen zu berücksichtigen hat, so dass die Länge der Quernaht nicht genau der Breite der Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entsprechen muss, sondern so weit von ihr abweichen kann, dass die Länge der Haubenquernaht der Breite des zu verpackenden Gutes unter Berücksichtigung von Toleranzen entspricht. Patentanspruch 1 stellt daher keine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands über den in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörenden Bereich der Länge der Quernaht von jedenfalls 85 % und im Wesentlichen gleich der Breite des zu verpackenden Gutes dar, sondern eine Beschränkung auf die Ausführungsform, wie sie Gegenstand der höchst bevorzugten Ausführungsform der Erfindung nach den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung ist.
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Aus Patentanspruch 2 des Streitpatents ergibt sich für den Fachmann nicht, dass die Quernaht über den ursprünglich offenbarten Bereich von mindestens 85 % der Breite des zu umhüllenden Gutes hinaus verkürzt werden kann. Da Patentanspruch 2 eine Ausführungsform der Erfindung nach Patentanspruch 1 darstellt, entnimmt er der Angabe von "ca. 95 %" vielmehr eine Grenze, über die hinaus die Quernaht - unter Berücksichtigung von Toleranzen - nicht verkürzt werden soll, damit die Wirkung eines Anlegens der Zipfel an den Enden der Quernaht auf das verpackte Gut erreicht und übermäßige Spannungen in diesem Bereich vermieden werden.
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Soweit im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt das Merkmal, wonach der Seitenfaltenschlauch einen "um wenigstens 10 %" geringeren Umfang als das zu umhüllende Gut aufweisen soll, in Patentanspruch 1 aufgenommen worden ist, ergibt sich aus den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung (Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Spalte 2, Zeilen 35 - 40), dass Stretchfolienmaterial eine beachtliche Dehnung von im Allgemeinen wenigstens 10 % und mehr aufweist. Die Aufnahme des genannten Merkmals stellt damit eine ursprünglich offenbarte Einschränkung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung dar, nach der der Umfang des schlauchförmi- gen Stretchfolienabschnitts "kleiner als der Umfang des zu umhüllenden" Gutes sein sollte.
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Soweit schließlich im Einspruchsverfahren das zusätzliche Merkmal aufgenommen worden ist, "dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen", ist bereits in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Spalte 5, Zeile 46, bis Spalte 6, Zeile 23) darauf hingewiesen, dass sich bei dem höchst bevorzugten Verfahren, bei dem die Länge der Querschweißnaht im Wesentlichen gleich der zu ihr parallelen Stirnseitenränder des zu verpackenden Gutes ist, der Vorteil ergibt, dass sich die auftretenden Spannungen im Wesentlichen senkrecht zur Schweißnaht einstellen, so dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
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Beide Merkmale sind daher in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart; sie erweitern den beanspruchten Gegenstand nicht, sondern schränken ihn ein.
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V. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ), da keine der Entgegenhaltungen dem Fachmann sämtliche seiner Merkmale offenbart.
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1. In dem Artikel "Now - a stretch-film pack keeps out dirt and moisture" (Anlage K 17) wird eine Stretchfolienverpackung dargestellt, bei der Palettenladungen mit einem Sack aus Stretchfolie umhüllt werden. Es werden Seitenfaltensäcke verwendet, die etwa 10 % kleiner sind als die zu umhüllende Ladung und die von einem Vorrat abgezogen und abgeschnitten werden. Die Stretchfolie ist in ihrem Zuführzustand in Falten gelegt, wird von Fingern gerafft und durch Spreizen so gedehnt, dass der Seitenfaltensack über die Ladung passt. Der Artikel enthält weder in den schriftlichen Erläuterungen noch in den bildlichen Darstellungen Hinweise, dass mit ein und demselben Seitenfaltenschlauchmaterial Hauben mit einer Quernaht ausgebildet werden können, deren Länge der Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entspricht , damit nach dem Umhüllen des Gutes schädliche Spannungen und abstehende Zipfel an den Enden der Quernaht vermieden werden. Der Artikel befasst sich mit diesem Problem nicht.
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2. Der "Prospekt Lachenmeier" (Anlage K 15) befasst sich mit Schrumpfrahmen /Haubenaufbringern (Typen A, B und C), aber auch mit Haubenstreckanlagen (Typ H, Abbildungen 1 bis 5). Die Haubenstreckanlagen arbeiten in der Weise, dass vier verschiedene Foliengrößen unter automatischem Folienwechsel zum Einsatz kommen können. Die Höhe des zu umhüllenden Gutes wird mittels Fotozellen gemessen. Ein vom Folienvorrat abgezogener Seitenfaltenschlauch wird mittels Vakuum geöffnet. Folienhalter werden in die offene Folie hinein geöffnet und verleihen dieser ein der Palettenladung entsprechendes Format, wobei, wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Klägerin übereinstimmend dargelegt haben, der Fachmann erkennt, dass die Folie bei diesem Vorgang gestretcht wird. Erst danach wird die Folie verschweißt , auf die korrekte Länge zugeschnitten und über die Palettenladung gezogen. Hinweise darauf, dass beim Schweißen der Folie darauf zu achten ist, dass die Länge der Quernaht im Wesentlichen der Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entsprechen soll, enthält der Prospekt nicht. In den Darstellungen der Bilder 4 und 5 ist zwar eine Quernaht zu erkennen , von der vermutet werden kann, dass sie der Breite der Stirnseiten des zu umhüllenden Stapels entsprechen könnte. Die Abbildung eines umhüllten Stapels auf der Titelseite und auf Seite 2 des Prospekts zeigt jedoch einen unregelmäßig gebildeten und mit dehnbarer Folie umhüllten Stapel, ohne dass sich aus dieser Abbildung entnehmen lässt, dass die Quernaht mit einer Länge ausgebildet ist, die der Breite der Stirnseite des umhüllten Guts entspricht.
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3. Die in dem "Prospekt Clearly" der TNT Materials Handling (Anlage K 12) dargestellte Vorrichtung nebst Bedienanleitung und Videoaufzeichnung (Anlagen K 13 und K 14) verarbeitet bereits mit einer Quernaht versehene Hauben aus Stretchfolie, ohne dass aus der Beschreibung oder den Abbildungen erkennbar wäre, welche Länge die Quernaht der Haube im Verhältnis zur gegebenenfalls unterschiedlichen Breite der zu verpackenden Güter aufweist. Der Prospekt zeigt Folien mit Quernaht (Seite 2, Foto "Stretch") und umhüllte Stückgutstapel, bei denen die Länge der Haubenquernaht der Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des Stapels entsprechen könnte (Foto in der Mitte des Prospekts). Der Prospekt enthält aber auch Abbildungen von umhüllten Stückgutstapeln , bei denen Zipfel hochstehen (vorletzte Seite Abbildung 5 bei "easier and safer to use"). Maßnahmen, die Zipfelbildung durch Ausbildung der Haubenquernaht in einer bestimmten Länge zu vermeiden, werden nicht offenbart.
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4. Aus dem "Comptex"- Prospekt (Anlage K 21) ist eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgutstapeln zu ersehen, bei der stretchbare Seitenfaltenschlauchfolie verschiedener Größe zur Umhüllung von Stückgut verwendet wird. Die Folie wird von einem Vorrat abgezogen und durch Saugstiefel geöffnet. Vier Finger greifen in den Schlauch, auf denen die erforderliche Schlauchmateriallänge gerefft wird. Die Oberseite des Sacks wird verschweißt, der Sack vom Vorrat getrennt, gestretcht und auf die zu umhüllenden Güter abgesenkt. Hinweise, dass eine Quernaht in der Länge der Breite der Stirnseite des zu umhüllenden Gutes abgeschweißt wird, finden sich nicht. Die Abbildungen auf der Titelseite des Prospekts zeigen umhüllte Stapel, bei denen am Ende der Quernaht teils Zipfel hochstehen (oberes und rechtes Bild; Bild in der Mitte des Prospekts), teils aber auch nicht (Titelblatt linkes Bild).

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5. Bei der in der US-Patentschrift 4 050 219 beschriebenen und im Prospekt "Comptex" (Anlage K 21) dargestellten Vorrichtung werden Güter mit elastischer Seitenfaltenschlauchfolie umhüllt (US-Patentschrift 4 050 219, vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 1, Zeile 7; Seite 5, Zeile 12; Fig. 2 a - 2 c). Zum Umhüllen von Paletten unterschiedlicher Größe werden Folien unterschiedlicher Größe bevorratet (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 6, Zeilen 1 - 14). Die Seitenfaltenschlauchfolie wird mittels Vakuumköpfen auseinandergezogen. Sodann greifen Finger in die Folie ein, denen der Schlauch zugeführt wird (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 7, Zeilen 13 - 27). Mittels eines Schneid- und Schließmechanismus wird der Schlauch auf die erforderliche Länge zugeschnitten und geschlossen, wodurch die Bildung der Haube zum Abschluss gebracht wird (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 7, Zeilen 13 - 27). Danach werden die Finger auseinandergefahren , die Haube vollständig geöffnet und durch Dehnung auf eine Größe gebracht, in der die Haube auf das zu umhüllende Gut gezogen werden kann (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 8, Zeilen 1 - 10). Mit der Frage, wie lang die Quernaht der Haube zu bemessen ist, damit Zipfelbildung in den V-förmigen Doppelungsbereichen der Enden der Quernaht vermieden werden kann, befasst sich die Veröffentlichung nicht. In ihr ist daher auch nicht offenbart, beim Schließen der Haube eine Quernaht abzuschweißen, deren Länge der zur Quernaht parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entspricht. Gleiches gilt für die deutsche Offenlegungsschrift 30 03 052, die keine Angaben dazu enthält, welche Länge die Quernaht im Verhältnis zur Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes aufweisen soll.
53
VI. Der Senat hat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung gewonnen, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahe gelegt worden ist (Art. 56 EPÜ).

54
Der Fachmann, der am Prioritätstag des Streitpatents die als solche bekannten Verpackungsverfahren mit Stretchfolienhauben verbessern wollte, bei denen Seitenfaltenschlauchfolie von einem Vorrat abgezogen und teilweise geöffnet wird, so dass Finger oder dergleichen in die Folie eingreifen können, die Folie sodann gerefft, zur Bildung einer Haube abgeschweißt, abgeschnitten, gestretcht und auf das zu umhüllende Gut gezogen wird, musste schon aufgrund einfacher Überlegungen erkennen, dass ein Mangel der bekannten Verfahren die bei diesen mehr oder weniger häufig zu beobachtende Zipfelbildung im Bereich der Enden der Quernaht ist. Das ergibt sich nicht nur aus den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen wie des Privatgutachters der Klägerin, sondern wird auch durch die zwar nachveröffentlichte, aber noch vor der Veröffentlichung des Streitpatents ausgegebene deutsche Offenlegungsschrift 38 24 577 belegt, in der beschrieben ist, dass beim Reffen der Folie über den Fingerelementen ein Folienabschnitt verbleibt, der nicht horizontal gestreckt wird, ein verschlechtertes Aussehen der Verpackung bewirkt und insbesondere deshalb nachteilig ist, weil er eine Angriffsfläche für Wind bietet, was zur Folge hat, dass beim Stapeln von verpackten Gütern eine Beschädigung der Oberfläche durch Gabelstaplerzinken kaum vermeidbar ist. Der Fachmann hatte daher am Prioritätstag des Streitpatents Veranlassung, darüber nachzudenken , wie der Bildung von hochstehenden Zipfeln auf mit Stretchfolie umhüllten Gütern begegnet werden kann.
55
Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass zwischen dem Hochstehen von Zipfeln auf umhüllten Gütern und der Länge der Haubenquernaht in Relation zu der ihr parallelen Seite der verpackten Güter ein Zusammenhang bestehen könnte, ist dem druckschriftlich belegten Stand der Technik nicht zu entnehmen. Der Fachmann konnte allenfalls aus der bildlichen Darstellung bekannter Vorrichtungen und der mit ihnen hergestellten Umhüllungen mittelbar Anregun- gen erhalten, über einen derartigen Zusammenhang nachzudenken. Die Beweisaufnahme hat jedoch nicht zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen und die mit ihnen hergestellten Verpackungseinheiten Anregungen in diese Richtung geboten haben.
56
Zwar enthalten die Prospekte "Stretch Packing" (Anlage K 15), "Clearly the Best Alternative" (Anlage K 12), der "Comptex"-Prospekt (Anlage K 21) sowie die US-Patentschrift 4 050 219 mit Fig. 1 Abbildungen, die umhüllte Güter zeigen, bei denen - jedenfalls auf den ersten Blick - die Länge der Quernaht im Wesentlichen der Breite der Stirnseite des verpackten Guts zu entsprechen scheint. Insbesondere die genannten Prospekte zeigen jedoch neben Abbildungen , bei denen hochstehende Zipfel auf dem umhüllten Gut nicht zu erkennen sind, auch solche Abbildungen, bei denen sie vorhanden sind. Der Fachmann ersieht daraus nur, dass mit den dort beschriebenen Vorrichtungen und den auf ihnen ausgeübten Verfahren, was die Bildung von hochstehenden Zipfeln auf der Oberseite der verpackten Güter betrifft, uneinheitliche Ergebnisse erzielt werden. Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Klägerin übereinstimmend dargelegt haben, ist auch durch Messungen und Berechnungen nicht festzustellen, ob diese unterschiedlichen Ergebnisse auf die Art und Weise der Ausbildung der Haubenquernaht zurückzuführen sind. Aus den Darstellungen kann daher nicht geschlossen werden, der Fachmann hätte ihnen einen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der Länge der Quernaht, der Breite der parallelen Stirnseite des Guts und dem Auftreten störender Zipfelbildung auf dem umhüllten Gut entnehmen können. Von einem Fachmann wird zwar erwartet, dass er die auf seinem Fachgebiet üblichen Routineversuche durchführt, so dass Lösungen, die auf diesem Wege gefunden werden, die erfinderische Tätigkeit nicht begründen können (BGH Beschl. v. 28.4.1966 - Ia ZB 9/65 , BlPMZ 1966, 234, 235 - Abtastverfahren, insoweit nicht in GRUR 1966, 583 abgedruckt). Der Senat hat jedoch nicht feststellen können, dass der Fachmann durch die genannten Abbildungen auf den Weg gewiesen worden sein könnte, durch praktische Versuche auszuprobieren, ob sich die Bildung von Zipfeln durch Abschweißen einer Quernaht bestimmter Länge vermeiden lässt. Die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte ergeben, die den Schluss zulassen, dass den genannten Abbildungen ein solcher Offenbarungsgehalt zukommen könnte, so dass dahinstehen kann, ob die Anregung zu solchen Versuchen die Erfindung selbst hätte nahelegen können.
57
Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem Gutachten zwar ausgeführt , der Fachmann hätte am Prioritätstag Versuche angestellt und durch systematische Schritte ermittelt, ob und wie sich die Länge der Quernaht im Verhältnis zu den Proportionen der zu verpackenden Güter auswirkt. Dass solche Erwägungen angestellt wurden, ist aus dem Stand der Technik zu ersehen, da in den bekannten Vorrichtungen jedenfalls teilweise Folien bevorratet wurden, die unterschiedliche Breiten aufwiesen und es daher bereits erlaubten, Abschnitte vom Vorrat abzuschweißen und abzutrennen, die unterschiedlich breit waren und deshalb auch zur Herstellung von Hauben mit Quernähten unterschiedlicher Breite führten. Auf diese Weise konnten bereits zu kurze Quernähte , die beim Stretchen und Ziehen der Haube auf das Gut reißen oder sonst Schaden nehmen können, vermieden werden. Den genannten Abbildungen kann jedoch die Offenbarung eines Zusammenhangs zwischen dem Hochstehen von Zipfeln auf den verpackten Gütern und der Länge der Quernaht, der Anlass zu praktischen Versuchen in dieser Richtung geben könnte, nicht entnommen werden. Von einem Hinweis in diese Richtung kann nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil dem Fachmann im Stand der Technik Abbildungen begegnet sind, die eine Länge der Quernaht zeigen, die bis zum Rand des zu verpackenden Gutes zu reichen scheint. Denn die Abbildungen zeigen nebeneinander auf das Gut gezogene Hauben, bei denen sowohl Zipfelbildung als auch keine Zipfelbildung zu erkennen ist. Sie sind daher mehrdeutig und können dem Fachmann auch die Annahme nahe legen, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Länge der Haubenquernaht, der zu ihr parallelen Breite der Stirnseite der umhüllenden Güter und der unerwünschten Zipfelbildung gibt, und dass der Umstand, dass in einigen Darstellungen verpackter Güter Zipfel an den Enden der Quernaht vermieden sind, also andere Ursachen als eine bestimmte Relation der Länge der Quernaht zur Breite der zu ihr parallelen Stirnseite der verpackten Güter hat. In Betracht kommt, dass aufstehende Zipfel im Bereich der Enden der Quernaht, wenn sie als störend empfunden worden sind, angeschweißt, angeklebt oder auf sonstige Weise niedergelegt worden sind, was der gerichtliche Sachverständige als eine naheliegende und mit einfachen Mitteln zu verwirklichende Lösung bezeichnet hat, zu der ein Fachmann bei der Suche nach einer Lösung des Problems greifen werde. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die im Zeitrahmen des Streitpatents veröffentlichen Vorschläge zur Beseitigung der Zipfel. Wie sich aus der zwar nachveröffentlichten, aber im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Streitpatent angemeldeten Lehre nach der deutschen Offenlegungsschrift 39 24 577 ergibt, wurde zur Zeit der Anmeldung des Streitpatents vorgeschlagen, der als störend empfundenen Zipfelbildung durch Zuschweißen der Folienabschnitte an den Enden der Quernaht entgegenzuwirken.
58
Es kann dahinstehen, ob der Fachmann vor dem Hintergrund dieser Problemlösungen überhaupt noch Veranlassung hatte, nach weiteren Wegen zu suchen, wie unerwünschte Spannungen in der Quernaht und Zipfelbildung an den Enden der Haubenquernaht zu beseitigen waren, insbesondere, wie dieses Problem ohne gegenüber den bekannten Verfahren zusätzliche Verfahrensschritte und ohne zusätzlichen Aufwand bezüglich der zum Umhüllen der zu verpackenden Güter erforderlichen Vorrichtung bereits in seiner Entstehung vermieden werden konnte. In der Beweisaufnahme sind keine Anhaltspunkte für die Annahme zu Tage getreten, dass Anlass dazu bestanden hätte, mit den bekannten Vorrichtungen eine Abstimmung der Länge der abzuschweißenden Quernaht auf die Breite der zu ihr parallelen Stirnseite der zu umhüllenden Güter vorzunehmen. Allein aus dem Bestreben des Fachmanns, erkannte Probleme bereits in ihrer Entstehung zu vermeiden und sie nicht, wenn sie aufgetreten sind, zu beseitigen, kann nicht hergeleitet werden, dass vom Fachmann Versuche in einer bestimmten Richtung zu erwarten sind. Deshalb kann nicht mit der für die Verneinung des Beruhens des beanspruchten Verfahrens auf erfinderischer Tätigkeit hinreichenden Sicherheit angenommen werden, dass der Fachmann aus dem Nacharbeiten der Umhüllung von Gütern mit den im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen Anhaltspunkte gewonnen haben könnte, Versuche durchzuführen, bei denen die Wirkung von Quernähten ausprobiert wird, deren Länge in unterschiedlicher Relation zur Breite der Stirnseite der zu umhüllenden Güter steht.
59
Da nicht festgestellt werden kann, dass dem Fachmann das erfindungsgemäße Verfahren durch den Stand der Technik nahegelegt war, hat Patentanspruch 1 in seiner geltenden Fassung Bestand.
60
VII. Das Verfahren nach Patentanspruch 2 unterscheidet sich von dem Verfahren nach Patentanspruch 1 dadurch, dass die Mindestlänge der Quernaht kleiner als bei dem Verfahren nach Patentanspruch 1 gewählt und mit mindestens 95 % der Breite der parallelen Stirnseite des zu verpackenden Guts quantifiziert wird. Das Verfahren stellt eine zweckmäßige weitere Ausgestaltung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 dar und hat mit diesem Bestand.
61
VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG, §§ 91, 100, 269 Abs. 3 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.04.2001 - 1 Ni 10/00 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 178/01
vom
9. März 2004
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Stretchfolienumhüllung
Auch wenn der Beklagte auf das Streitpatent verzichtet hat, kann es billigem
Ermessen entsprechen, die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten
Patentnichtigkeitsverfahrens dem Kläger aufzuerlegen.
BGH, Beschl. v. 9. März 2004 - X ZR 178/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Keukenschrijver,
Dr. Meier-Beck und Asendorf
am 9. März 2004

beschlossen:
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Der Streitwert für das Nichtigkeitsberufungsverfahren wird auf 2.045.168,-- esetzt.

Gründe:


I. Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 6. Juni 1989 angemeldeten deutschen Patents 30 18 311 (Streitpatents). Patentanspruch 1 lautet in der Fassung, die er im Einspruchsverfahren erhalten hat:
"Verfahren zum Umhüllen von Stückgut mittels Stretchfolie, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel, die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen be-
stehen, wobei ein schlauchförmiger Folienabschnitt, dessen Umfang kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückgutes, von einem (Schlauch-)Folienvorrat abgezogen und an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet wird; die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes durch Reffen in im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stückgutes verlaufende Falten gelegt werden; der Schlauchfolienabschnitt an seinem dem Folienvorrat zugekehrten Ende abgeschweißt und die so gebildete Folienhaube vom Folienvorrat abgetrennt wird; die Folienhaube in horizontaler Querrichtung quergestretcht wird, und die quergestretchte Folienhaube unter das Folienmaterial glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die in an sich bekannter Weise um wenigstens 10% quergestrechte Folienhaube beim Überziehen im Bereich der Haubenseitenwände zusätzlich in vertikaler Längsrichtung um mindestens 10% ihrer vertikalen Länge im quergestretchten Zustand längsgestretcht wird."
Patentanspruch 6 lautet:
"Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut mittels Stretchfolie, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel , die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen, mit einer Schlauchfolien-Abzugseinrichtung, mittels welcher schlauchförmige Stretchfolie abschnittsweise von einem
Schlauchfolienvorrat abzuziehen ist; einer der Abzugseinrichtung nachgeordneten Aufspreizeinrichtung, mittels welcher die schlauchförmige Stretchfolie an ihrem freien Endabschnitt aufzuspreizen ist; einer der Aufspreizeinrichtung nachgeordneten Reffeinrichtung zum Reffen des Folienabschnittes über eine vertikale Strecke, die kleiner ist als die Länge des Folienabschnittes; einer Schweißeinrichtung zum Abschweißen eines von dem Folienvorrat abgezogenen Schlauchfolienabschnittes an dessen dem Folienvorrat zugekehrten Endabschnitt; einer Schneideinrichtung, mittels welcher jeweils eine beim Abschweißen gebildete Folienhaube von dem Folienvorrat abzutrennen ist, einer QuerStretcheinrichtung , mittels welcher der Folienabschnitt in horizontaler Querrichtung zu stretchen ist; und einer (Haubenüberzieh -)Hubeinrichtung, mittels welcher die quergestretchte Haube über das zu umhüllende Stückgut zu ziehen ist, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, gekennzeichnet durch eine Längsstretcheinrichtung (14, 24), deren Längsstretchelemente wenigstens in den Eckbereichen des geöffneten Folienschlauches anzuordnen sind, mittels welcher der Folienabschnitt/die Folienhaube (3´´) in vertikaler Längsrichtung (25) um mindestens 10%, ihrer vertikalen Länge im quergestrechten Zustand längszustretchen ist."
Wegen des Wortlauts der den Patentansprüchen 1 bzw. 6 untergeordneten weiteren Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 13 wird auf die Patentschrift (C3-Schrift) verwiesen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin mangels Patentfähigkeit für nichtig erklärt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Mit Eingabe vom 4. Dezember 2003 hat sie gegenüber dem Patentamt auf das Streitpatent verzichtet und zugleich erklärt, daß sie auch für die Vergangenheit auf jegliche Ansprüche aus dem Patent und der ihm zugrundeliegenden Anmeldung verzichte.
Die Parteien haben den Rechtsstreit daraufhin übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt und beantragen wechselseitig, der anderen Partei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II. Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen (§ 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91a Abs. 1 ZPO). Denn wenn sich der Rechtsstreit nicht anderweitig erledigt hätte, wäre die Nichtigkeitsklage voraussichtlich abzuweisen gewesen.
Zwar ist in einigen Entscheidungen angenommen worden, daß im Regelfall nach Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent der Prozeßausgang im Sinne eines zu erwartenden Erfolgs der Nichtigkeitsklage nicht zweifelhaft erscheint (BGH, Beschl. v. 9.12.1960 - I ZR 121/59, GRUR 1961, 278 - Lampengehäuse; Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 113/94, Bausch I, 557 - Möbelscharnier; vgl. aber auch Sen.Beschl. v. 6.7.1967 - Ia ZR 88/64, Liedl 1967/68, 196, 200). Im Streitfall ist die Annahme, das Streitpatent hätte sich voraussichtlich als nicht patentfähig erwiesen, jedoch nicht gerechtfertigt.
Denn der Gegenstand des Streitpatents stimmt im wesentlichen mit dem Gegenstand des europäischen Patents 344 815 überein, für das die Priorität der Anmeldung des Streitpatents in Anspruch genommen wird. In dem jenes Patent betreffenden Nichtigkeitsverfahren zwischen denselben Parteien hat der Senat mit Urteil vom 1. April 2003 die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen. Da weder zusätzlicher Stand der Technik dargetan noch Anhaltspunkte dafür hervorgetreten sind, daß der Stand der Technik anders bewertet werden müßte, als dies der Senat in seinem Urteil vom 1. April 2003 auf der Grundlage der Verhandlung und Beweisaufnahme in der Sache X ZR 136/99 getan hat, war ein Erfolg der Nichtigkeitsklage auch im Streitfall nicht zu erwarten.
Die bestehenden Unterschiede zwischen den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 6 des Streitpatents einerseits und der Patentansprüche 1 und 12 des europäischen Patents andererseits können dabei außer Betracht bleiben , da das europäische Patent den Gegenstand des teilweise enger gefaßten Streitpatents umfaßt. Patentanspruch 1 des Streitpatents verlangt ein zusätzliches Längsstretchen der quergestretchten Folienhaube im Bereich der Haubenseitenwände in vertikaler Längsrichtung um mindestens 10% ihrer vertikalen Länge im quergestretchten Zustand, während nach Patentanspruch 1 des europäischen Patents die Folienhaube um mindestens 5% längszustretchen ist. Patentanspruch 6 des Streitpatents konkretisiert die in Patentanspruch 12 des europäischen Patents lediglich als solche aufgeführte Längsstretcheinrichtung dahin, daß deren Längsstretchelemente wenigstens in den Eckbereichen des geöffneten Folienschlauches anzuordnen sind.
Soweit sich Patentanspruch 1 des Streitpatents und Patentanspruch 1 des europäischen Patents (und weil sie Vorrichtungen zur Durchführung des
betreffenden Verfahrens betreffen, auch die Patentansprüche 6 bzw. 12) ihrem Wortlaut nach weiterhin dadurch unterscheiden, daß das zusätzliche Längsstretchen nach Patentanspruch 1 des Streitpatents beim Überziehen erfolgen soll, während Patentanspruch 1 des europäischen Patents vom Längsstretchen "vor dem Überziehen" spricht, liegt darin kein sachlicher Unterschied. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 1. April 2003 näher begründet hat, ist die Wendung "vor dem Überziehen" im europäischen Patent im Sinne von "vor dem vollständigen Überziehen" bzw. "während des Überziehens" zu verstehen. Der Wortsinn (technische Sinngehalt) beider Formulierungen stimmt damit überein.
Melullis Jestaedt Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 1/06 Verkündet am:
23. Februar 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und
die Richter Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 25. November 1985 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 524 657 (Streitpatents), das neun Patentansprüche umfasst , deren erster in der Verfahrenssprache lautet: "A winder for thread, comprising a first chuck upon which packages of thread can be wound and a second chuck upon which packages of thread can be wound, means operable to transfer a thread from a package wound on the first chuck to the second chuck to start winding of a package thereon and screening means movable from a retracted position into an operating position between the completed package on the first chuck and the newley -forming package on the second chuck characterised by an auxiliary guide means for deflecting a thread during changeover of winding form the first to the second chuck, said guide means (44, 440) cooperating with the screening means (110) to screen a package (40) on the first chuck (24) from a winding operation on the second chuck (26)."
2
Dieser Anspruch ist in der Streitpatentschrift wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Filament-Spulaggregat mit einem ersten Spulendorn, auf welchem Fadenpackungen aufgespult werden können, und mit einem zweiten Spulendorn, auf welchem Fadenpackungen aufgespult werden können, und mit Mitteln zum Übertragen eines Fadens von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Spulenpackung auf den zweiten Spulendorn zum Beginnen des Aufspulens einer Spulenpackung darauf, und mit Abschirm-Mitteln, die aus einer Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen der fertig gestellten Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn und der neu begonnenen Spulenpackung auf dem zweiten Spulendorn bewegbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass Hilfs-Führungsmittel vorgesehen sind zum Auslenken eines Fadens während des Wechsels der Aufspulung vom ersten auf den zweiten Spulendorn, wobei die genannten Führungs-Mittel (44, 440) mit Abdeck-Mitteln (110) zusammenwirken , um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulen- dorn (24) von einem Aufspulvorgang auf dem zweiten Spulendorn (26) abzuschirmen."
3
Patentanspruch 5 lautet in der deutschen Übersetzung: "Spulaggregat gemäß einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Abschirm-Mittel (110) und die Führungs-Mittel (44, 440) je eine Kante aufweisen, wobei diese Kanten nebeneinander liegen, wenn sich die Abschirm-Mittel (110) und die Führungs-Mittel (44, 440) in ihrer Abdeckposition befinden."
4
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
5
Die Klägerin, die aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht neu sei, jedenfalls aber gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und Gleiches für die Unteransprüche gelte. Die Klägerin hat sich hierzu auf die europäischen Patentanmeldungen 73 930 und 161 385 (nachveröffentlicht ), die US-amerikanischen Patentschriften 3 165 274, 3 409 238 und 4 327 872 sowie 4 613 090 (Anmeldungsdatum: 26. Februar 1985; Datum der Patentierung: 23. September 1986), auf die deutschen Offenlegungsschriften 25 44 365 und 22 12 505, auf die deutsche Patentschrift 24 49 912 sowie auf die japanischen Patentanmeldungen sho 60-15369 und 54-64148 berufen. Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß in vollem Umfang für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung, deren Zurückweisung die Klä- gerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent dahin, dass Patentanspruch 1 die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 5 hinzugefügt werden.
6
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. W. Hochschule N. , Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik, M. , ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
8
I. 1. Ohne Einfluss auf das Berufungsverfahren ist der Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents; der Klägerin ist nach ständiger Rechtsprechung ein weiter bestehendes Rechtsschutzbedürfnis für die Verfolgung ihres Begehrens zuzubilligen, weil sie aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird.
9
2. Das Streitpatent betrifft Entwicklungen an Spulaggregaten für synthetische Filamente. Der Beschreibung zufolge können beim Aufspulen solcher Filamente Probleme auftreten, wenn das Fadenende einer fertig gestellten Spulenpackung in der Phase des Herabbremsens des Spulendorns bis zum Stillstand infolge der Zentrifugalkraft radial nach außen nachgeschleppt wird und in den Arbeitsbereich hineinragt. Zur Bewältigung der daraus resultierenden, der Streitpatentschrift zufolge im Stand der Technik des Filamentspulens allgemein bekannten Probleme seien verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden. Die US-amerikanischen Patente 3 165 274 und 3 409 238 beschrieben Abschirmungen , die zwischen eine fertiggestellte Spulenpackung und das Reibantriebselement eingeschoben werden könnten, um zu verhindern, dass ein Fadenende auf dem Antriebselement aufgewickelt wird. Die US-Patentschrift 4 327 872 zeige ein schwenkbares Fadenrückhalteelement. Die japanische Patentanmeldung sho 60-15369 offenbare ein Spulaggregat für synthetische Fäden , das zwei auf einem Revolver angebrachte Spulendorne und AbschirmMittel umfasse, die aus einer zurückgezogenen Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen einer fertiggestellten Spulenpackung auf dem ersten und einer auf dem zweiten Spulendorn neu im Aufbau begriffenen Spulenpackung bewegt werden könnten.
10
3. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Ziel der vorliegenden Erfindung , eine Lösung der genannten Probleme vorzuschlagen, die der Verwendung auf einem Spulaggregat angepasst ist, das eine Mehrzahl von Spulendornen und Mittel zur Fadenübertragung von einem Spulendorn auf den anderen aufweist, und schlägt ein Filament-Spulaggregat vor (zusätzliche Merkmale gemäß dem Hilfsantrag der Beklagten kursiv gedruckt), mit 1. einem ersten und einem zweiten Spulendorn, auf welche Fadenpackungen aufgespult werden können, 2. mit Mitteln zum Übertragen eines Fadens von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Spulenpackung auf den zweiten Spulendorn zum Beginnen des Aufspulens einer Spulenpackung darauf, und 3. mit Abschirm-Mitteln, die aus einer Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen der fertiggestellten Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn und der neuen Spulenpackung auf dem zweiten Spulendorn bewegbar sind, 4. mit vorgesehenen Hilfs-Führungsmitteln (44, 440) zum Auslenken eines Fadens während des Wechsels der Aufspulung vom ersten auf den zweiten Spulendorn, die 5. mit Abdeck-Mitteln (110) zusammenwirken, um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn (26) abzuschirmen; wobei 6. die Abschirm-Mittel (110) und die Führungsmittel (44, 440) je eine Kante aufweisen, 7. und wobei diese Kanten nebeneinander liegen, wenn sich die Abschirm-Mittel (110) und die Führungsmittel (44, 440) in ihrer Abdeckposition befinden.
11
4. Die nachstehend abgebildete Figur 1 des Streitpatents zeigt schematisch die Draufsicht auf ein Spulaggregat mit zwei Spulendornen und Reibwalzenantrieb :
12
Die um ihre Längsachse (20) rotierende Reibantriebswalze (18) ragt starr aus dem Antriebskopf-Gehäuse (16) vor, während zwei Spulendorne (24, 26) drehbar auf Schwenkarmen (28, 30) gelagert sind. Auf sie sind Spulenhülsen (102) aufgesteckt, auf die der Faden mit Hilfe einer herkömmlichen Changiervorrichtung (22) gespult wird, und zwar indem der Faden (14) um die Reibantriebswalze geführt und unter Druckkontakt zwischen Antriebswalze und Spulenpackung so lange auf die Spulenhülse aufgespult wird, bis die vorgesehene Größe erreicht ist. Dabei wandern die Achsen der Spulendorne, auf die jeweils eine Spulenpackung aufgespult wird, entsprechend ihrem zunehmenden Umfang auf den Kurven (29 bzw. 31) in Richtung auf die jeweiligen Endpositionen (36, 250). Die patentierte Erfindung soll sich, der Streitpatentschrift zufolge, weder auf die beschriebene Antriebsart durch Reibwalzen beschränken - die Spulendorne können auch durch Einzelmotoren angetrieben werden -, noch auf die Lagerung der Spulendorne auf Schwenkachsen (stattdessen: Aufnahme der Spulendornpaare auf Revolver, Anspruch 3, vgl. auch Streitpatentschrift, Übersetzung S. 16 f.).
13
Die Mittel zum Abtrennen des Fadens und dessen Übertragung von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Packung auf den zweiten Spulendorn zum Beginn des Aufspulvorgangs auf diesem (Merkmal 2) werden in der Streitpatentschrift nicht erläutert, sondern dafür wird auf die europäische Patentanmeldung 73 930 verwiesen. Soweit die Figur mit der Bezugsziffer 14A ein vom oberen Spulendorn herabhängendes Fadenende zeig t, ist unstreitig, dass dieses in Anbetracht der gegen den Uhrzeigersinn gerichteten Laufrichtung des oberen Spulendorns mit falscher Ausrichtung eingezeichnet ist.
14
5. Figur 2 zeigt den Einsatz eines Hilfs-Führungsmittels (44) bei der Vorbereitung des Wechsels des Fadens von einer ausschwenkenden vollen Spulenpackung (40) zum Aufwinden auf dem einschwenkenden Spulendorn (26):
15
Das Hilfs-Führungsmittel, in der Streitpatentschrift auch als (Hilfs-)Führungselement , (Hilfs-)Auslenkelement (44) oder Fadenauslenk- bzw. -auslenkungsmittel bezeichnet, ist ein Bauteil, das zwischen einer zurückgezogenen Lage (mit durchgezogenen Linien in Figur 2 dargestellt) und einer Arbeitsstellung (strichpunktierte Linien in Figur 2) wechseln kann. Es lenkt in der Arbeitsstellung den Faden (18) zur Einleitung des Fadenwechsels von der fertiggestellten Spulenpackung (40) auf dem oberen Spulendorn (24) aus, damit der Faden vom einschwenkenden Spulendorn leichter abgefangen werden kann, so dass auf diese Weise der Beginn der Aufwicklung des Fadenendes auf die auf dem unteren Spulendorn (26) aufgebrachte Hülse sichergestellt ist. Diese Funktion ist in der europäischen Patentanmeldung 73 930 offenbart und beschrieben.
16
Dem Auslenkelement ist im Streitpatent eine zweite Funktion zugewiesen , und zwar die der Abschirmung. In dieser Funktion tritt es zu dem außerdem vorzusehenden Abschirmmittel (110) und ergänzt den von diesem verwirklichten Schutz vor einer Übertragung des von einer vollen Spulenpackung abstehenden Fadenendes auf die Reibantriebswalze oder die neue Spulenpackung. Die Streitpatentschrift bezeichnet die beiden Abschirmelemente als Haupt- und Hilfs-Abschirmmittel. Zu Letzterem ist das Fadenauslenkungsmittel der Streitpatentschrift zufolge "vorzugsweise" ausgebildet (Übersetzung S. 3); andere Hilfs-Abschirmmittel als die in der Doppelfunktion wirkenden Fadenauslenkungsmittel (44 i.V. mit 440) sind in der Streitpatentschrift allerdings nicht offenbart.
17
Das Auslenkelement besteht, worauf in der Beschreibung unter Bezugnahme auf die Figur 2 hingewiesen wird, aus einem Stück, wobei seine nach vorn vorstehende Partie als auswechselbare Leiste (440) ausgebildet sein kann, die sich im Wesentlichen über die gesamte Länge der auf einem Spulendorn aufzubringenden Spulenpackungen erstreckt.
18
6. Das Auslenkelement wirkt mit Abdeck-Mitteln zusammen, um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn abzuschirmen (Merkmal 5). Patentanspruch 1 verwendet den Begriff "Abdeck-Mittel" als Synonym für "(Haupt-)AbschirmMittel". Das ergibt sich aus der übereinstimmenden Zuordnung des Bezugszeichens 110 und der Beschreibung sowie den Figuren.
19
Zu dem Zusammenwirken des Auslenkelements mit dem Abdeck-Mittel verhält sich Patentanspruch 1 nur insoweit, als er mit dem Auslenkelement und den Abschirm-Mitteln die Vorrichtungselemente benennt, mit denen die Ab- schirmwirkung erzielt werden soll. Diese Elemente müssen nur ganz allgemein die Eignung aufweisen, eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn abzuschirmen. Als Ausführungsbeispiel illustriert Figur 3 dieses Zusammenwirken.


20
Figur 3 zeigt als Kreisbogen den untersten Teil einer fertig gestellten oberen Spulenpackung (40) und den Beginn des Aufspulvorgangs auf der auf den unteren Spulendorn (26) aufgesteckten Spulenhülse (102 L), die sich dementsprechend in Kontakt mit der Reibantriebswalze (18) befindet. Die Platte (110) des Haupt-Abschirmmittels ist in diesem Ausführungsbeispiel gebogen und kann mit Hilfe einer Konstruktion aus weiteren Platten, Schienen, Gleitern und Rollen (116, 118, 120, 122, 126) von der Ruhestellung bei der Wand (114) in die Arbeitsstellung verfahren werden. Die Befestigung und der Bewegungs- mechanismus für die Abschirmplatte sind der Streitpatentschrift zufolge jedoch nicht für die Erfindung wesentlich, sondern nur beispielhaft gezeigt. Entscheidend ist ganz allgemein, dass sie bewegbar ist. Auch ansonsten beinhaltet Patentanspruch 1 außer der zuvor abgehandelten Funktion keine weiteren Vorgaben. Die Abschirmplatte muss nicht gekrümmt ausgebildet sein, sondern kann, je nach Platzverhältnissen, auch längs einer Geraden hin- und herbewegbar sein; sie braucht nicht starr zu sein, sondern kann als flexibles, aufrollbares Blatt wie beispielsweise in der US-Patentschrift 3 165 274 ausgestaltet sein, entscheidend ist allein, dass das unter Einfluss von Zentrifugalkräften auf und ab wehende Fadenende der fertiggestellten Spulenpackung am AbschirmElement wie an einem Schild abprallt.
21
In Figur 3 ist des Weiteren das Zusammenwirken des Haupt-Abschirmmittels mit dem in eine Arbeitsstellung ausgefahrenen Auslenkelement (44), das mit einer auswechselbaren Leiste (440) ausgebildet ist, schematisch dargestellt. Der Abstand l kann aufgrund von Versuchen gewählt werden und ist vorzugsweise so schmal wie möglich, ohne dass die Platte (110) und die Leiste (440) sich berühren; der Spalt kann aber auch faktisch zum Verschwinden gebracht werden, indem die Platte und die Leiste so übereinander angeordnet werden, dass sie sich überlappen (Übersetzung S. 10, 11).
22
II. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ).
23
1. Die deutsche Offenlegungsschrift 22 12 505, die deutsche Patentschrift 24 49 912 und die deutsche Offenlegungsschrift 25 44 365 betreffen allesamt die Aufwicklung von metallischen Drähten und damit gänzlich anders geartete Materialien als Garne. Die offenbarten Maschinen weisen im Übrigen entweder keine (Hilfs-)Führungs-Mittel zum Auslenken des Drahtes (eines Fa- dens) auf, die mit den Abschirm- oder Abdeck-Mitteln zusammenwirkten, um eine Abschirmfunktion zu erfüllen, oder vorhandene Führungs-Mittel sind nicht dazu vorgesehen, mit den Haupt- und Hilfs-Abdeckungen zusammenzuwirken, um eine Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn von einem Aufspulvorgang auf dem zweiten Spulendorn abzuschirmen (Merkmal 5).
24
2. Die US-amerikanischen Patentschriften 3 165 274, 3 409 238 und 4 327 872 sowie die japanischen Offenlegungsschriften sho 54-64148 und 60-15369 betreffen verschiedene Gestaltungen von Garnaufwickelmaschinen, die alle über verschiedene Abschirm-Mittel (Merkmal 3) verfügen, bei denen jedoch durchweg keine Auslenkmittel (Merkmal 4) vorgesehen sind.
25
Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten in Bezug auf die US-amerikanische Patentschrift 3 165 274 von einem Fadenauslenkungssystem gesprochen hat, das über Rollen funktioniere, handelt es sich dabei nicht um ein Auslenkelement i.S. des Streitpatents; denn darunter versteht der Fachmann, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ergänzt hat, ein zusätzliches Element. Ein solches weist die genannte amerikanische Patentschrift nicht auf; vielmehr erfolgt die Fadenauslenkung dort allein infolge des durch das Verschwenken des Revolvers ausgelösten Fadenlaufs.
26
3. Die europäische Patentanmeldung 73 930 zeigt keine Abschirm-Mittel (Merkmal 3), die als Abdeck-Mittel (110) mit Führungs-Mitteln zusammenwirken (Merkmal 5).
27
III. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 ZPO) kann der Gegenstand von Pa- tentanspruch 1 nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden.
28
1. a) Wie sich aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt, war dem Fachmann bekannt, dass beim Filamentspulen tunlichst Abschirmungen vorzusehen sind, um zu verhindern, dass sich von fertiggestellten Spulenpackungen infolge der Zentrifugalkraft radial nach außen nachgeschleppte Fadenenden auf der Reibantriebswalze oder der neuen Spulenpackung verfangen und dort aufgespult werden bzw., dass von der fertigen Spulenpackung herrührende Flusen oder Fadenstücke fehlerhaft mitaufgespult werden. Für die herkömmlichen Spulmaschinensätze mit auf Revolvern aufgesetzten Spulendornen waren im Stand der Technik verschiedene Lösungen bekannt. Dem Streitpatent ging es ersichtlich darum, eine Lösung nicht nur für solche Systeme vorzuschlagen, sondern ganz allgemein für Spulaggregate mit mehreren Spulendornen (vgl. Beschreibung Übersetzung S. 2 Mitte), also auch für auf Schwenkarmen gelagerte Aufspulvorrichtungen, wie sie Gegenstand der europäischen Patentanmeldung 73 930 sind. Aus dieser Anmeldung sind Auslenkelemente, wie sie das Streitpatent zur Fadenauslenkung (Merkmal 4) und als (Hilfs-)Abschirmmittel vorsieht (Merkmal 5), bekannt. Für den Fachmann war offenkundig, dass auch solche Aggregate mit einer wirksamen Abschirmung ausgestattet werden mussten , weil bei ihnen die Gefahr der Aufwicklung von Fadenenden, die von einer vollen Spulenpackung nachgeschleppt werden, gleichermaßen bestand. Die Schrift (Übersetzung S. 20 f.) erörtert im Zusammenhang mit den aus der Geometrie der Maschine resultierenden Zwängen und möglichen Störungsquellen zwar, dass, wenn keine Vorkehrung für die rasche Entfernung eines vollen Spulenkörpers getroffen würde, dieser weiter entfernt vom Reibantriebselement angeordnet sein müsse, um Störwirkungen zwischen dem fertiggestellten und dem neuen Spulkörper zu vermeiden. Der Fachmann wird eine wirtschaftlich- technisch annehmbare Abschirmung aber nicht darin sehen, einfach nur die Endpositionen der Spulendorne so weit voneinander entfernt anzuordnen, dass allein durch die Distanz die Gefahr der unerwünschten Fadenaufwicklung gebannt wird. Denn die Anwender drängen normalerweise darauf, die größtmöglichen Spulkörperdurchmesser innerhalb der kleinstmöglichen Gesamtabmessungen zu erhalten (Übersetzung S. 20). Um die Dimensionierung der Aggregate in für die Abnehmer weiterhin attraktiven Grenzen zu halten, wird der Fachmann deshalb eine wie ein Schild wirkende Abschirmung vorziehen, die zwischen eine volle Spule und die Reibantriebswalze und den Spulendorn mit der noch leeren Packung geführt werden kann, weil der für eine wirksame Abschirmung erforderliche Abstand zwischen den genannten Teilen auf diese Weise verkleinert werden kann. Für die Ausgestaltung solcher Abschirmungen findet der Fachmann im Stand der Technik verschiedene Vorbilder, an die er anknüpfen kann. Dass diese durchweg für revolvergelagerte Spulendorne konzipiert sind, steht dem nicht entgegen, weil daraus keine prinzipiellen Abweichungen hinsichtlich der Funktion der Abschirmung und deren Ausgestaltung resultieren. Der Fachmann erkennt insbesondere, dass die Abschirmung bei beiden Konstruktionsprinzipien zumindest zeitweilig aus einer Arbeitsposition in eine Ruhestellung bewegbar sein muss, um den Fadenwechsel nicht zu stören.
29
b) Aufgrund der geometrisch-konstruktiven Gegebenheiten bei einem mit einem Auslenkelement ausgestatteten Spulmaschinensatz wird der Fachmann die Aufhängung für ein Abschirmelement, technisch zwangsläufig, an der dem Auslenkelement gegenüberliegenden Seite vorsehen. Die theoretisch vorstellbare Einführung einer Abschirmung von der vorderen Seite würde eine Konstruktion erfordern, die einen deutlich höheren konstruktiven Aufwand erforderte , als die Lösung mit einer seitlichen Aufhängung. Wie sich aus der Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, misst der Fachmann der Gewährleis- tung eines kontinuierlichen, ungestörten Produktionsablaufs höchste Priorität bei, weshalb er bestrebt ist, die Abschirmung so vollkommen wie möglich auszuführen. Darum wird er die vom Streitpatent vorgesehene Abschirmplatte so nahe an das Auslenkelement heranführen, wie dies möglich ist, ohne dass beide Teile sich in der Arbeitsstellung des Auslenkelements berühren und durch den Kontakt beschädigt werden könnten. Damit gelangt der Fachmann zu einer Vorrichtung, wie das Streitpatent sie unter Schutz stellt, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
30
c) Das gilt ungeachtet des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Umstands, dass dem Auslenkelement gemäß Patentanspruch 1 eine zusätzliche Funktion zugewiesen ist, die weder in der europäischen Patentanmeldung 73 930 noch sonst im in das Verfahren eingeführten Stand der Technik offenbart ist. Die Auffindung dieser zusätzlichen Funktion rechtfertigt im Rahmen des Vorrichtungsanspruchs, als der Patentanspruch 1 formuliert ist, nicht die Gewährung von Patentschutz. Patentrechtlich maßgeblich ist insoweit, dass Patentanspruch 1 (lediglich) eine Vorrichtung unter Schutz stellt, die mit dem Auslenkmittel ein im Stand der Technik vorhandenes, mechanisches Vorrichtungselement einsetzt. Dass dem Fachmann abverlangt war zu erkennen, dass dem Auslenkelement (auch) die Eignung als (Hilfs-)Abschirmelement innewohnt und es deshalb eine Doppelfunktion übernehmen kann, ändert nichts daran, dass es sich um ein bekanntes Vorrichtungselement handelt. Die technisch-intellektuelle Leistung, die in der Auffindung der Einsatzmöglichkeit des Auslenkelements in einer weiteren Funktion stecken mag, findet keine Entsprechung in den Merkmalen des Vorrichtungsanspruchs und kann in diesem Rahmen deshalb auch nicht als erfinderische Leistung honoriert werden.
31
d) Dass mit dem (Haupt-)Abschirm-Mittel ein Element vorgesehen ist, das mit dem Auslenkmittel zusammenwirkt, um die Abschirmung insgesamt zu gewährleisten, stellt für sich ebenfalls keine den Schutz der Vorrichtung rechtfertigende erfinderische Leistung dar, weil sich dem Fachmann, wie ausgeführt, auch bei einem mit einem Fadenauslenkelement versehenen Spulaggregat die Erforderlichkeit einer (weiteren) Abschirmung aufdrängt.
32
e) Zur Schutzfähigkeit gereicht es dem Gegenstand von Patentanspruch 1 ferner nicht, dass für die Funktion der Auslenkung das vordere Ende des geknickten Elements (44) im Vordergrund steht, über das der Faden ausgelenkt wird, während die Abschirmfunktion von der Oberseite des Elements in seiner gesamten Länge ausgeübt wird. Dieser Umstand ist kein besonderes Merkmal des Vorrichtungsanspruchs und deshalb für die Frage der Schutzfähigkeit der Vorrichtung nicht heranzuziehen. Ebenso wenig fällt es unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit ins Gewicht, dass das Auslenkelement (44) nach Patentanspruch 1 mit einer Leiste (440) versehen ist, die in der europäischen Patentanmeldung 73 930 noch nicht vorgesehen ist.
33
f) Nichts anderes gilt schließlich für den Umstand, dass das Auslenkelement für diese Funktion gemäß der Beschreibung der europäischen Patentanmeldung 73 930 so geschaltet wird, dass es nach Abschluss des Fadenwechselvorgangs in eine zurückgezogene Stellung bewegt wird, in welcher es nicht irgendeinen der normalen Vorgänge der Maschine stört - worunter nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen namentlich der Aufspulvorgang zu verstehen ist (vgl. Beschreibung, Übersetzung S. 33, 62 ff.). Dass diese Schaltung abgewandelt werden muss, wenn das Auslenkelement Abschirmfunktionen jedenfalls bis zum Stillstand der vollen Spulenpackung übernehmen soll, ist evident, aber ebenfalls nicht Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs.

34
2. Der Senat hält im Übrigen dafür, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann auch unabhängig von dem vorstehend unter IV 1 Ausgeführten durch den Stand der Technik nahegelegt war, sobald er die Aufgabe , eine wirkungsvolle Abschirmung bereitzustellen, allgemein auf Spulmaschinenaggregate mit mehreren Spulendornen bezog und nicht nur auf solche mit Revolverwechselvorrichtungen. Denn unter dieser Voraussetzung hatte er auch die in der europäischen Patentanmeldung 73 930 offenbarte Lösung mit auf Schwenkarmen gelagerten Spulendornen und mit einer Fadenauslenkung ausgestatteten Maschinensätzen im Blick. Wie ausgeführt, war für den Fachmann von der Maschinengeometrie her ebenso vorgegeben, eine seitlich montierte Abschirmung vorzusehen, wie, diese - im Interesse eines annähernd lückenlosen Schutzes - so nahe wie möglich an die Arbeitsstellung des Auslenkelements heranzuführen. Die konstruktionszeichnerische Skizzierung der in Betracht kommenden, das vorhandene Auslenkelement in seiner maximalen Auslenkposition berücksichtigenden Lösungsmöglichkeiten führte dem Fachmann unweigerlich vor Augen, dass sich das - zeichnerisch in Arbeitsstellung fixierte - Auslenkelement als Verlängerung der durch die Abschirmplatte verwirklichten Abschirmung anbot. Dass es für die Auslenkfunktion nur auf die schmale Stirnseite dieses Elements ankam und dass es in der Funktion als Auslenkelement nur während eines vergleichsweise kleinen Zeitfensters in dieser Stellung verblieb, um anschließend in die Ruhestellung verschwenkt zu werden, ändert nichts daran, dass es von der gesamten Gerätegeometrie her vom Fachmann als eine ideale Verlängerung und Ergänzung des Hauptabschirmmittels erkannt wird. Unter diesen gegebenen Voraussetzungen stellt die dafür erforderliche fachmännische Loslösung von der reinen Auslenkfunktion und der auf sie abgestimmten Steuerschaltung keine das Vermögen des Durchschnittfachmanns übersteigende Leistung dar.

35
3. Die Aufnahme der Merkmale des erteilten Unteranspruchs 5 in den Hauptanspruch dient, wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden ist, der prägnanteren Herausstellung der Vorteile der Erfindung; eine die Gewährung des Patentschutzes rechtfertigende eigenständige erfinderische Maßnahme ist darin ebenso wenig zu erkennen, wie in den Gegenständen der Unteransprüche.
36
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Scharen Gröning Berger
Grabinski Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.09.2005 - 2 Ni 12/04 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 81/06
vom
6. Mai 2008
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Asendorf und Gröning

beschlossen:
I. Die Entschädigung des gerichtlichen Sachverständigen für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens wird unter Einschluss aller Auslagen und Abgaben auf 2.660,00 EUR festgesetzt.
II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.000.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe (zu II):
1
Der Anregung der Klägerin unter Berufungsbeklagten, den Gegenstandswert abweichend von der Festsetzung in erster Instanz auf 2.000.000,00 EUR festzusetzen, weil im Berufungsverfahren das Patent nur noch in seiner nunmehr beschränkt verteidigten Fassung im Streit war, ist nicht zu folgen. In der vorgenommenen Beschränkung kann jedenfalls nicht ohne Weiteres eine teilweise Rücknahme der Berufung und damit eine Beschränkung des Streitgegenstands des Berufungsverfahrens gesehen werden (vgl. Sen.Urt. v. 17.2.2004 - X ZR 48/00, GRUR 2004, 583 - Tintenstandsdetektor). Infolge der Klagerücknahme hat das Streitpatent auch in vollem Umfang weiterhin Bestand.
Für die Festsetzung eines niedrigeren Streitwerts als in erster Instanz besteht daher kein hinreichender Anlass.
Melullis Keukenschrijver
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.03.2006 - 2 Ni 53/04 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 108/04
vom
26. Juli 2005
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver,
die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Kirchhoff

beschlossen:
Das gegen den vom Senat zum gerichtlichen Sachverständigen bestellten Prof. Dr. G. W. gerichtete Ablehnungsgesuch der Beklagten wird zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Beklagte lehnt den gerichtlichen Sachverständigen, der an der Fachhochschule E. im Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften tätig ist, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Als Ablehnungsgründe macht sie geltend, daß zwei ehemalige Studenten der Fachhochschule E. bei ihr speziell mit dem Härter "P. " befaßt seien und daß an der Fachhochschule E. ein Hochschullehrer im Fachbereich Betriebswirtschaft tätig sei, der in der Zeit von 1997 bis 2000 als Leiter der Planung und Kontrolle sowie des Beteiligungscontrollings im Geschäftsbereich D. der D. AG gearbeitet habe.
II. Das Ablehnungsgesuch ist zurückzuweisen, weil die Klägerin keine Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen glaubhaft gemacht hat.
Nach ständiger Rechtsprechung besteht Besorgnis der Befangenheit, wenn objektive Umstände vorliegen, die aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zweifeln lassen. Das ist hier nicht der Fall.
1. Der bloße Umstand, daß ein Mitarbeiter einer Partei an der Hochschule studiert hat, an der der Sachverständige tätig ist, kann bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der anderen Partei kein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen begründen. Nähere Beziehungen zu einer Partei, die ein derartiges Mißtrauen rechtfertigen, haben in einem solchen Fall lediglich die von ihr beschäftigten Studenten, nicht aber alle Hochschullehrer der Hochschule, an der diese studiert haben, oder auch nur diejenigen Hochschullehrer , deren Lehrveranstaltungen sie besucht haben, wozu ohnehin nichts vorgetragen ist. Selbst aus der Teilnahme eines nahen Angehörigen einer Partei an einem von einem Sachverständigen veranstalteten Seminar folgt kein Ablehnungsgrund (Musielak/Huber, § 406 Rdn. 11; OLG München OLGR 2001, 60). Zu berücksichtigen ist auch, daß einer willkürlichen Ablehnung von Sachverständigen durch die Parteien Tür und Tor geöffnet wäre, könnte schon allein durch die Einstellung eines früheren Studenten des Sachverständigen oder sogar nur seiner Hochschule ein Ablehnungsgrund geschaffen werden.
2. Die Ablehnung eines Sachverständigen kann auch nicht damit begründet werden, daß ein anderer Hochschullehrer seiner Hochschule in frühe-
ren Jahren in leitender Stellung im Unternehmen einer Partei beschäftigt war. Daraus einen Ablehnungsgrund abzuleiten, erscheint im vorliegenden Fall auch deshalb besonders fernliegend, weil der Kollege in einer fachlich entfernten Fakultät (Betriebswirtschaft) tätig ist und sich in dem Unternehmen der Klägerin auch mit gänzlich anderen Produkten als P. , nämlich D. produkten , befaßt hat. Wie der Senat kürzlich entschieden hat, folgt aus geschäftlichen Kontakten der wissenschaftlichen Einrichtung, an der der Sachverständige tätig ist, mit Wirtschaftsunternehmen des betreffenden Gebiets für sich allein kein Ablehnungsgrund (Sen.Beschl. v. 01.02.2005 - X ZR 26/04). Ebensowenig besteht ein Näheverhältnis des Sachverständigen zu einer Partei, das eine Ablehnung rechtfertigen könnte, wenn ein Hochschullehrer aus einem völlig anderen Bereich derselben Hochschule früher für diese Partei tätig war, und sei es auch in leitender Stellung. Die wechselseitige Durchdringung von Lehre und Praxis ist erwünscht. Sie führt keineswegs dazu, daß mit der Berufung eines zuvor für ein Wirtschaftsunternehmen tätigen Hochschullehrers gleichsam die Hochschule in das Lager dieses Unternehmens eintritt mit der Folge, daß der
gesamte Lehrkörper der Hochschule nicht mehr als gerichtlicher Gutachter in Verfahren in Betracht käme, an denen dieses Unternehmen beteiligt ist. Auch der zweite von der Beklagten geltend gemachte Grund kann daher eine Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen nicht rechtfertigen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 1/06 Verkündet am:
23. Februar 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und
die Richter Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 25. November 1985 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 524 657 (Streitpatents), das neun Patentansprüche umfasst , deren erster in der Verfahrenssprache lautet: "A winder for thread, comprising a first chuck upon which packages of thread can be wound and a second chuck upon which packages of thread can be wound, means operable to transfer a thread from a package wound on the first chuck to the second chuck to start winding of a package thereon and screening means movable from a retracted position into an operating position between the completed package on the first chuck and the newley -forming package on the second chuck characterised by an auxiliary guide means for deflecting a thread during changeover of winding form the first to the second chuck, said guide means (44, 440) cooperating with the screening means (110) to screen a package (40) on the first chuck (24) from a winding operation on the second chuck (26)."
2
Dieser Anspruch ist in der Streitpatentschrift wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Filament-Spulaggregat mit einem ersten Spulendorn, auf welchem Fadenpackungen aufgespult werden können, und mit einem zweiten Spulendorn, auf welchem Fadenpackungen aufgespult werden können, und mit Mitteln zum Übertragen eines Fadens von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Spulenpackung auf den zweiten Spulendorn zum Beginnen des Aufspulens einer Spulenpackung darauf, und mit Abschirm-Mitteln, die aus einer Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen der fertig gestellten Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn und der neu begonnenen Spulenpackung auf dem zweiten Spulendorn bewegbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass Hilfs-Führungsmittel vorgesehen sind zum Auslenken eines Fadens während des Wechsels der Aufspulung vom ersten auf den zweiten Spulendorn, wobei die genannten Führungs-Mittel (44, 440) mit Abdeck-Mitteln (110) zusammenwirken , um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulen- dorn (24) von einem Aufspulvorgang auf dem zweiten Spulendorn (26) abzuschirmen."
3
Patentanspruch 5 lautet in der deutschen Übersetzung: "Spulaggregat gemäß einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Abschirm-Mittel (110) und die Führungs-Mittel (44, 440) je eine Kante aufweisen, wobei diese Kanten nebeneinander liegen, wenn sich die Abschirm-Mittel (110) und die Führungs-Mittel (44, 440) in ihrer Abdeckposition befinden."
4
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
5
Die Klägerin, die aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht neu sei, jedenfalls aber gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und Gleiches für die Unteransprüche gelte. Die Klägerin hat sich hierzu auf die europäischen Patentanmeldungen 73 930 und 161 385 (nachveröffentlicht ), die US-amerikanischen Patentschriften 3 165 274, 3 409 238 und 4 327 872 sowie 4 613 090 (Anmeldungsdatum: 26. Februar 1985; Datum der Patentierung: 23. September 1986), auf die deutschen Offenlegungsschriften 25 44 365 und 22 12 505, auf die deutsche Patentschrift 24 49 912 sowie auf die japanischen Patentanmeldungen sho 60-15369 und 54-64148 berufen. Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß in vollem Umfang für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung, deren Zurückweisung die Klä- gerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent dahin, dass Patentanspruch 1 die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 5 hinzugefügt werden.
6
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. W. Hochschule N. , Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik, M. , ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
8
I. 1. Ohne Einfluss auf das Berufungsverfahren ist der Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents; der Klägerin ist nach ständiger Rechtsprechung ein weiter bestehendes Rechtsschutzbedürfnis für die Verfolgung ihres Begehrens zuzubilligen, weil sie aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird.
9
2. Das Streitpatent betrifft Entwicklungen an Spulaggregaten für synthetische Filamente. Der Beschreibung zufolge können beim Aufspulen solcher Filamente Probleme auftreten, wenn das Fadenende einer fertig gestellten Spulenpackung in der Phase des Herabbremsens des Spulendorns bis zum Stillstand infolge der Zentrifugalkraft radial nach außen nachgeschleppt wird und in den Arbeitsbereich hineinragt. Zur Bewältigung der daraus resultierenden, der Streitpatentschrift zufolge im Stand der Technik des Filamentspulens allgemein bekannten Probleme seien verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden. Die US-amerikanischen Patente 3 165 274 und 3 409 238 beschrieben Abschirmungen , die zwischen eine fertiggestellte Spulenpackung und das Reibantriebselement eingeschoben werden könnten, um zu verhindern, dass ein Fadenende auf dem Antriebselement aufgewickelt wird. Die US-Patentschrift 4 327 872 zeige ein schwenkbares Fadenrückhalteelement. Die japanische Patentanmeldung sho 60-15369 offenbare ein Spulaggregat für synthetische Fäden , das zwei auf einem Revolver angebrachte Spulendorne und AbschirmMittel umfasse, die aus einer zurückgezogenen Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen einer fertiggestellten Spulenpackung auf dem ersten und einer auf dem zweiten Spulendorn neu im Aufbau begriffenen Spulenpackung bewegt werden könnten.
10
3. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Ziel der vorliegenden Erfindung , eine Lösung der genannten Probleme vorzuschlagen, die der Verwendung auf einem Spulaggregat angepasst ist, das eine Mehrzahl von Spulendornen und Mittel zur Fadenübertragung von einem Spulendorn auf den anderen aufweist, und schlägt ein Filament-Spulaggregat vor (zusätzliche Merkmale gemäß dem Hilfsantrag der Beklagten kursiv gedruckt), mit 1. einem ersten und einem zweiten Spulendorn, auf welche Fadenpackungen aufgespult werden können, 2. mit Mitteln zum Übertragen eines Fadens von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Spulenpackung auf den zweiten Spulendorn zum Beginnen des Aufspulens einer Spulenpackung darauf, und 3. mit Abschirm-Mitteln, die aus einer Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen der fertiggestellten Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn und der neuen Spulenpackung auf dem zweiten Spulendorn bewegbar sind, 4. mit vorgesehenen Hilfs-Führungsmitteln (44, 440) zum Auslenken eines Fadens während des Wechsels der Aufspulung vom ersten auf den zweiten Spulendorn, die 5. mit Abdeck-Mitteln (110) zusammenwirken, um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn (26) abzuschirmen; wobei 6. die Abschirm-Mittel (110) und die Führungsmittel (44, 440) je eine Kante aufweisen, 7. und wobei diese Kanten nebeneinander liegen, wenn sich die Abschirm-Mittel (110) und die Führungsmittel (44, 440) in ihrer Abdeckposition befinden.
11
4. Die nachstehend abgebildete Figur 1 des Streitpatents zeigt schematisch die Draufsicht auf ein Spulaggregat mit zwei Spulendornen und Reibwalzenantrieb :
12
Die um ihre Längsachse (20) rotierende Reibantriebswalze (18) ragt starr aus dem Antriebskopf-Gehäuse (16) vor, während zwei Spulendorne (24, 26) drehbar auf Schwenkarmen (28, 30) gelagert sind. Auf sie sind Spulenhülsen (102) aufgesteckt, auf die der Faden mit Hilfe einer herkömmlichen Changiervorrichtung (22) gespult wird, und zwar indem der Faden (14) um die Reibantriebswalze geführt und unter Druckkontakt zwischen Antriebswalze und Spulenpackung so lange auf die Spulenhülse aufgespult wird, bis die vorgesehene Größe erreicht ist. Dabei wandern die Achsen der Spulendorne, auf die jeweils eine Spulenpackung aufgespult wird, entsprechend ihrem zunehmenden Umfang auf den Kurven (29 bzw. 31) in Richtung auf die jeweiligen Endpositionen (36, 250). Die patentierte Erfindung soll sich, der Streitpatentschrift zufolge, weder auf die beschriebene Antriebsart durch Reibwalzen beschränken - die Spulendorne können auch durch Einzelmotoren angetrieben werden -, noch auf die Lagerung der Spulendorne auf Schwenkachsen (stattdessen: Aufnahme der Spulendornpaare auf Revolver, Anspruch 3, vgl. auch Streitpatentschrift, Übersetzung S. 16 f.).
13
Die Mittel zum Abtrennen des Fadens und dessen Übertragung von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Packung auf den zweiten Spulendorn zum Beginn des Aufspulvorgangs auf diesem (Merkmal 2) werden in der Streitpatentschrift nicht erläutert, sondern dafür wird auf die europäische Patentanmeldung 73 930 verwiesen. Soweit die Figur mit der Bezugsziffer 14A ein vom oberen Spulendorn herabhängendes Fadenende zeig t, ist unstreitig, dass dieses in Anbetracht der gegen den Uhrzeigersinn gerichteten Laufrichtung des oberen Spulendorns mit falscher Ausrichtung eingezeichnet ist.
14
5. Figur 2 zeigt den Einsatz eines Hilfs-Führungsmittels (44) bei der Vorbereitung des Wechsels des Fadens von einer ausschwenkenden vollen Spulenpackung (40) zum Aufwinden auf dem einschwenkenden Spulendorn (26):
15
Das Hilfs-Führungsmittel, in der Streitpatentschrift auch als (Hilfs-)Führungselement , (Hilfs-)Auslenkelement (44) oder Fadenauslenk- bzw. -auslenkungsmittel bezeichnet, ist ein Bauteil, das zwischen einer zurückgezogenen Lage (mit durchgezogenen Linien in Figur 2 dargestellt) und einer Arbeitsstellung (strichpunktierte Linien in Figur 2) wechseln kann. Es lenkt in der Arbeitsstellung den Faden (18) zur Einleitung des Fadenwechsels von der fertiggestellten Spulenpackung (40) auf dem oberen Spulendorn (24) aus, damit der Faden vom einschwenkenden Spulendorn leichter abgefangen werden kann, so dass auf diese Weise der Beginn der Aufwicklung des Fadenendes auf die auf dem unteren Spulendorn (26) aufgebrachte Hülse sichergestellt ist. Diese Funktion ist in der europäischen Patentanmeldung 73 930 offenbart und beschrieben.
16
Dem Auslenkelement ist im Streitpatent eine zweite Funktion zugewiesen , und zwar die der Abschirmung. In dieser Funktion tritt es zu dem außerdem vorzusehenden Abschirmmittel (110) und ergänzt den von diesem verwirklichten Schutz vor einer Übertragung des von einer vollen Spulenpackung abstehenden Fadenendes auf die Reibantriebswalze oder die neue Spulenpackung. Die Streitpatentschrift bezeichnet die beiden Abschirmelemente als Haupt- und Hilfs-Abschirmmittel. Zu Letzterem ist das Fadenauslenkungsmittel der Streitpatentschrift zufolge "vorzugsweise" ausgebildet (Übersetzung S. 3); andere Hilfs-Abschirmmittel als die in der Doppelfunktion wirkenden Fadenauslenkungsmittel (44 i.V. mit 440) sind in der Streitpatentschrift allerdings nicht offenbart.
17
Das Auslenkelement besteht, worauf in der Beschreibung unter Bezugnahme auf die Figur 2 hingewiesen wird, aus einem Stück, wobei seine nach vorn vorstehende Partie als auswechselbare Leiste (440) ausgebildet sein kann, die sich im Wesentlichen über die gesamte Länge der auf einem Spulendorn aufzubringenden Spulenpackungen erstreckt.
18
6. Das Auslenkelement wirkt mit Abdeck-Mitteln zusammen, um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn abzuschirmen (Merkmal 5). Patentanspruch 1 verwendet den Begriff "Abdeck-Mittel" als Synonym für "(Haupt-)AbschirmMittel". Das ergibt sich aus der übereinstimmenden Zuordnung des Bezugszeichens 110 und der Beschreibung sowie den Figuren.
19
Zu dem Zusammenwirken des Auslenkelements mit dem Abdeck-Mittel verhält sich Patentanspruch 1 nur insoweit, als er mit dem Auslenkelement und den Abschirm-Mitteln die Vorrichtungselemente benennt, mit denen die Ab- schirmwirkung erzielt werden soll. Diese Elemente müssen nur ganz allgemein die Eignung aufweisen, eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn abzuschirmen. Als Ausführungsbeispiel illustriert Figur 3 dieses Zusammenwirken.


20
Figur 3 zeigt als Kreisbogen den untersten Teil einer fertig gestellten oberen Spulenpackung (40) und den Beginn des Aufspulvorgangs auf der auf den unteren Spulendorn (26) aufgesteckten Spulenhülse (102 L), die sich dementsprechend in Kontakt mit der Reibantriebswalze (18) befindet. Die Platte (110) des Haupt-Abschirmmittels ist in diesem Ausführungsbeispiel gebogen und kann mit Hilfe einer Konstruktion aus weiteren Platten, Schienen, Gleitern und Rollen (116, 118, 120, 122, 126) von der Ruhestellung bei der Wand (114) in die Arbeitsstellung verfahren werden. Die Befestigung und der Bewegungs- mechanismus für die Abschirmplatte sind der Streitpatentschrift zufolge jedoch nicht für die Erfindung wesentlich, sondern nur beispielhaft gezeigt. Entscheidend ist ganz allgemein, dass sie bewegbar ist. Auch ansonsten beinhaltet Patentanspruch 1 außer der zuvor abgehandelten Funktion keine weiteren Vorgaben. Die Abschirmplatte muss nicht gekrümmt ausgebildet sein, sondern kann, je nach Platzverhältnissen, auch längs einer Geraden hin- und herbewegbar sein; sie braucht nicht starr zu sein, sondern kann als flexibles, aufrollbares Blatt wie beispielsweise in der US-Patentschrift 3 165 274 ausgestaltet sein, entscheidend ist allein, dass das unter Einfluss von Zentrifugalkräften auf und ab wehende Fadenende der fertiggestellten Spulenpackung am AbschirmElement wie an einem Schild abprallt.
21
In Figur 3 ist des Weiteren das Zusammenwirken des Haupt-Abschirmmittels mit dem in eine Arbeitsstellung ausgefahrenen Auslenkelement (44), das mit einer auswechselbaren Leiste (440) ausgebildet ist, schematisch dargestellt. Der Abstand l kann aufgrund von Versuchen gewählt werden und ist vorzugsweise so schmal wie möglich, ohne dass die Platte (110) und die Leiste (440) sich berühren; der Spalt kann aber auch faktisch zum Verschwinden gebracht werden, indem die Platte und die Leiste so übereinander angeordnet werden, dass sie sich überlappen (Übersetzung S. 10, 11).
22
II. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ).
23
1. Die deutsche Offenlegungsschrift 22 12 505, die deutsche Patentschrift 24 49 912 und die deutsche Offenlegungsschrift 25 44 365 betreffen allesamt die Aufwicklung von metallischen Drähten und damit gänzlich anders geartete Materialien als Garne. Die offenbarten Maschinen weisen im Übrigen entweder keine (Hilfs-)Führungs-Mittel zum Auslenken des Drahtes (eines Fa- dens) auf, die mit den Abschirm- oder Abdeck-Mitteln zusammenwirkten, um eine Abschirmfunktion zu erfüllen, oder vorhandene Führungs-Mittel sind nicht dazu vorgesehen, mit den Haupt- und Hilfs-Abdeckungen zusammenzuwirken, um eine Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn von einem Aufspulvorgang auf dem zweiten Spulendorn abzuschirmen (Merkmal 5).
24
2. Die US-amerikanischen Patentschriften 3 165 274, 3 409 238 und 4 327 872 sowie die japanischen Offenlegungsschriften sho 54-64148 und 60-15369 betreffen verschiedene Gestaltungen von Garnaufwickelmaschinen, die alle über verschiedene Abschirm-Mittel (Merkmal 3) verfügen, bei denen jedoch durchweg keine Auslenkmittel (Merkmal 4) vorgesehen sind.
25
Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten in Bezug auf die US-amerikanische Patentschrift 3 165 274 von einem Fadenauslenkungssystem gesprochen hat, das über Rollen funktioniere, handelt es sich dabei nicht um ein Auslenkelement i.S. des Streitpatents; denn darunter versteht der Fachmann, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ergänzt hat, ein zusätzliches Element. Ein solches weist die genannte amerikanische Patentschrift nicht auf; vielmehr erfolgt die Fadenauslenkung dort allein infolge des durch das Verschwenken des Revolvers ausgelösten Fadenlaufs.
26
3. Die europäische Patentanmeldung 73 930 zeigt keine Abschirm-Mittel (Merkmal 3), die als Abdeck-Mittel (110) mit Führungs-Mitteln zusammenwirken (Merkmal 5).
27
III. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 ZPO) kann der Gegenstand von Pa- tentanspruch 1 nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden.
28
1. a) Wie sich aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt, war dem Fachmann bekannt, dass beim Filamentspulen tunlichst Abschirmungen vorzusehen sind, um zu verhindern, dass sich von fertiggestellten Spulenpackungen infolge der Zentrifugalkraft radial nach außen nachgeschleppte Fadenenden auf der Reibantriebswalze oder der neuen Spulenpackung verfangen und dort aufgespult werden bzw., dass von der fertigen Spulenpackung herrührende Flusen oder Fadenstücke fehlerhaft mitaufgespult werden. Für die herkömmlichen Spulmaschinensätze mit auf Revolvern aufgesetzten Spulendornen waren im Stand der Technik verschiedene Lösungen bekannt. Dem Streitpatent ging es ersichtlich darum, eine Lösung nicht nur für solche Systeme vorzuschlagen, sondern ganz allgemein für Spulaggregate mit mehreren Spulendornen (vgl. Beschreibung Übersetzung S. 2 Mitte), also auch für auf Schwenkarmen gelagerte Aufspulvorrichtungen, wie sie Gegenstand der europäischen Patentanmeldung 73 930 sind. Aus dieser Anmeldung sind Auslenkelemente, wie sie das Streitpatent zur Fadenauslenkung (Merkmal 4) und als (Hilfs-)Abschirmmittel vorsieht (Merkmal 5), bekannt. Für den Fachmann war offenkundig, dass auch solche Aggregate mit einer wirksamen Abschirmung ausgestattet werden mussten , weil bei ihnen die Gefahr der Aufwicklung von Fadenenden, die von einer vollen Spulenpackung nachgeschleppt werden, gleichermaßen bestand. Die Schrift (Übersetzung S. 20 f.) erörtert im Zusammenhang mit den aus der Geometrie der Maschine resultierenden Zwängen und möglichen Störungsquellen zwar, dass, wenn keine Vorkehrung für die rasche Entfernung eines vollen Spulenkörpers getroffen würde, dieser weiter entfernt vom Reibantriebselement angeordnet sein müsse, um Störwirkungen zwischen dem fertiggestellten und dem neuen Spulkörper zu vermeiden. Der Fachmann wird eine wirtschaftlich- technisch annehmbare Abschirmung aber nicht darin sehen, einfach nur die Endpositionen der Spulendorne so weit voneinander entfernt anzuordnen, dass allein durch die Distanz die Gefahr der unerwünschten Fadenaufwicklung gebannt wird. Denn die Anwender drängen normalerweise darauf, die größtmöglichen Spulkörperdurchmesser innerhalb der kleinstmöglichen Gesamtabmessungen zu erhalten (Übersetzung S. 20). Um die Dimensionierung der Aggregate in für die Abnehmer weiterhin attraktiven Grenzen zu halten, wird der Fachmann deshalb eine wie ein Schild wirkende Abschirmung vorziehen, die zwischen eine volle Spule und die Reibantriebswalze und den Spulendorn mit der noch leeren Packung geführt werden kann, weil der für eine wirksame Abschirmung erforderliche Abstand zwischen den genannten Teilen auf diese Weise verkleinert werden kann. Für die Ausgestaltung solcher Abschirmungen findet der Fachmann im Stand der Technik verschiedene Vorbilder, an die er anknüpfen kann. Dass diese durchweg für revolvergelagerte Spulendorne konzipiert sind, steht dem nicht entgegen, weil daraus keine prinzipiellen Abweichungen hinsichtlich der Funktion der Abschirmung und deren Ausgestaltung resultieren. Der Fachmann erkennt insbesondere, dass die Abschirmung bei beiden Konstruktionsprinzipien zumindest zeitweilig aus einer Arbeitsposition in eine Ruhestellung bewegbar sein muss, um den Fadenwechsel nicht zu stören.
29
b) Aufgrund der geometrisch-konstruktiven Gegebenheiten bei einem mit einem Auslenkelement ausgestatteten Spulmaschinensatz wird der Fachmann die Aufhängung für ein Abschirmelement, technisch zwangsläufig, an der dem Auslenkelement gegenüberliegenden Seite vorsehen. Die theoretisch vorstellbare Einführung einer Abschirmung von der vorderen Seite würde eine Konstruktion erfordern, die einen deutlich höheren konstruktiven Aufwand erforderte , als die Lösung mit einer seitlichen Aufhängung. Wie sich aus der Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, misst der Fachmann der Gewährleis- tung eines kontinuierlichen, ungestörten Produktionsablaufs höchste Priorität bei, weshalb er bestrebt ist, die Abschirmung so vollkommen wie möglich auszuführen. Darum wird er die vom Streitpatent vorgesehene Abschirmplatte so nahe an das Auslenkelement heranführen, wie dies möglich ist, ohne dass beide Teile sich in der Arbeitsstellung des Auslenkelements berühren und durch den Kontakt beschädigt werden könnten. Damit gelangt der Fachmann zu einer Vorrichtung, wie das Streitpatent sie unter Schutz stellt, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
30
c) Das gilt ungeachtet des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Umstands, dass dem Auslenkelement gemäß Patentanspruch 1 eine zusätzliche Funktion zugewiesen ist, die weder in der europäischen Patentanmeldung 73 930 noch sonst im in das Verfahren eingeführten Stand der Technik offenbart ist. Die Auffindung dieser zusätzlichen Funktion rechtfertigt im Rahmen des Vorrichtungsanspruchs, als der Patentanspruch 1 formuliert ist, nicht die Gewährung von Patentschutz. Patentrechtlich maßgeblich ist insoweit, dass Patentanspruch 1 (lediglich) eine Vorrichtung unter Schutz stellt, die mit dem Auslenkmittel ein im Stand der Technik vorhandenes, mechanisches Vorrichtungselement einsetzt. Dass dem Fachmann abverlangt war zu erkennen, dass dem Auslenkelement (auch) die Eignung als (Hilfs-)Abschirmelement innewohnt und es deshalb eine Doppelfunktion übernehmen kann, ändert nichts daran, dass es sich um ein bekanntes Vorrichtungselement handelt. Die technisch-intellektuelle Leistung, die in der Auffindung der Einsatzmöglichkeit des Auslenkelements in einer weiteren Funktion stecken mag, findet keine Entsprechung in den Merkmalen des Vorrichtungsanspruchs und kann in diesem Rahmen deshalb auch nicht als erfinderische Leistung honoriert werden.
31
d) Dass mit dem (Haupt-)Abschirm-Mittel ein Element vorgesehen ist, das mit dem Auslenkmittel zusammenwirkt, um die Abschirmung insgesamt zu gewährleisten, stellt für sich ebenfalls keine den Schutz der Vorrichtung rechtfertigende erfinderische Leistung dar, weil sich dem Fachmann, wie ausgeführt, auch bei einem mit einem Fadenauslenkelement versehenen Spulaggregat die Erforderlichkeit einer (weiteren) Abschirmung aufdrängt.
32
e) Zur Schutzfähigkeit gereicht es dem Gegenstand von Patentanspruch 1 ferner nicht, dass für die Funktion der Auslenkung das vordere Ende des geknickten Elements (44) im Vordergrund steht, über das der Faden ausgelenkt wird, während die Abschirmfunktion von der Oberseite des Elements in seiner gesamten Länge ausgeübt wird. Dieser Umstand ist kein besonderes Merkmal des Vorrichtungsanspruchs und deshalb für die Frage der Schutzfähigkeit der Vorrichtung nicht heranzuziehen. Ebenso wenig fällt es unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit ins Gewicht, dass das Auslenkelement (44) nach Patentanspruch 1 mit einer Leiste (440) versehen ist, die in der europäischen Patentanmeldung 73 930 noch nicht vorgesehen ist.
33
f) Nichts anderes gilt schließlich für den Umstand, dass das Auslenkelement für diese Funktion gemäß der Beschreibung der europäischen Patentanmeldung 73 930 so geschaltet wird, dass es nach Abschluss des Fadenwechselvorgangs in eine zurückgezogene Stellung bewegt wird, in welcher es nicht irgendeinen der normalen Vorgänge der Maschine stört - worunter nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen namentlich der Aufspulvorgang zu verstehen ist (vgl. Beschreibung, Übersetzung S. 33, 62 ff.). Dass diese Schaltung abgewandelt werden muss, wenn das Auslenkelement Abschirmfunktionen jedenfalls bis zum Stillstand der vollen Spulenpackung übernehmen soll, ist evident, aber ebenfalls nicht Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs.

34
2. Der Senat hält im Übrigen dafür, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann auch unabhängig von dem vorstehend unter IV 1 Ausgeführten durch den Stand der Technik nahegelegt war, sobald er die Aufgabe , eine wirkungsvolle Abschirmung bereitzustellen, allgemein auf Spulmaschinenaggregate mit mehreren Spulendornen bezog und nicht nur auf solche mit Revolverwechselvorrichtungen. Denn unter dieser Voraussetzung hatte er auch die in der europäischen Patentanmeldung 73 930 offenbarte Lösung mit auf Schwenkarmen gelagerten Spulendornen und mit einer Fadenauslenkung ausgestatteten Maschinensätzen im Blick. Wie ausgeführt, war für den Fachmann von der Maschinengeometrie her ebenso vorgegeben, eine seitlich montierte Abschirmung vorzusehen, wie, diese - im Interesse eines annähernd lückenlosen Schutzes - so nahe wie möglich an die Arbeitsstellung des Auslenkelements heranzuführen. Die konstruktionszeichnerische Skizzierung der in Betracht kommenden, das vorhandene Auslenkelement in seiner maximalen Auslenkposition berücksichtigenden Lösungsmöglichkeiten führte dem Fachmann unweigerlich vor Augen, dass sich das - zeichnerisch in Arbeitsstellung fixierte - Auslenkelement als Verlängerung der durch die Abschirmplatte verwirklichten Abschirmung anbot. Dass es für die Auslenkfunktion nur auf die schmale Stirnseite dieses Elements ankam und dass es in der Funktion als Auslenkelement nur während eines vergleichsweise kleinen Zeitfensters in dieser Stellung verblieb, um anschließend in die Ruhestellung verschwenkt zu werden, ändert nichts daran, dass es von der gesamten Gerätegeometrie her vom Fachmann als eine ideale Verlängerung und Ergänzung des Hauptabschirmmittels erkannt wird. Unter diesen gegebenen Voraussetzungen stellt die dafür erforderliche fachmännische Loslösung von der reinen Auslenkfunktion und der auf sie abgestimmten Steuerschaltung keine das Vermögen des Durchschnittfachmanns übersteigende Leistung dar.

35
3. Die Aufnahme der Merkmale des erteilten Unteranspruchs 5 in den Hauptanspruch dient, wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden ist, der prägnanteren Herausstellung der Vorteile der Erfindung; eine die Gewährung des Patentschutzes rechtfertigende eigenständige erfinderische Maßnahme ist darin ebenso wenig zu erkennen, wie in den Gegenständen der Unteransprüche.
36
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Scharen Gröning Berger
Grabinski Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.09.2005 - 2 Ni 12/04 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 136/99 Verkündet am:
1. April 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 23. Februar 1999 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Deutsch erteilten europäischen Patents 0 344 815 (Streitpatents), das beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 589 00 904 geführt wird und "Verfahren und Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut, insbesondere Stückgutstapeln, mit
einer Stretchfolienhaube" betrifft. Das Streitpatent ist am 5. Juni 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung P 38 18 973.9-27 vom 3. Juni 1988 angemeldet und am 4. März 1992 veröffentlicht worden.
Im Einspruchsbeschwerdeverfahren wurde das Streitpatent beschränkt aufrechterhalten. Gemäß der am 15. Oktober 1997 veröffentlichten "neuen europäischen Patentschrift" EP 0 344 815 B2 umfaßt es 20 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet: "Verfahren zum vollständigen Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolien, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel (2), die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen, wobei ein schlauchförmiger Folienabschnitt (3'), dessen Umfang kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückgutes (2), von einem (Schlauch-)Folienvorrat (3) abgezogen und an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet wird; die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes (3') durch Reffen in im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stückgutes verlaufende Falten gelegt werden; der Schlauchfolienabschnitt (3') an seinem dem Faltenvorrat zugekehrten Ende abgeschweißt und die so gebildete Folienhaube (3'') vom Folienvorrat (3) abgetrennt wird; die Folienhaube (3'') in horizontaler Querrichtung quergestretcht wird; und die quergestretchte Folienhaube (3'') unter das Folienmaterial glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Folienhaube (3'') vor dem Überziehen wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände zusätzlich in vertikaler Längsrichtung um mindestens 5 % ihrer vertikaler Ausgangslänge im quergestretchten Zustand längsgestretcht wird."
Die Patentansprüche 2 bis 11 sind auf den Verfahrensanspruch 1 zurückbezogen. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Patentanspruch 12 lautet:
"Vorrichtung (1) zum Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolie (3'), insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel , die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen mit einer (Schlauch-)Folien-Abzugseinrichtung (5), mittels welcher schlauchförmige Stretchfolie (3) abschnittsweise von einem (Schlauch-)Folienvorrat abzuziehen ist, einer der Abzugseinrichtung (5) nachgeordneten Aufspreizeinrichtung (6), mittels welcher die schlauchförmige Stretchfolie an ihrem freien Endabschnitt aufzuspreizen ist; einer der Aufspreizeinrichtung (6) nachgeordneten Reffeinrichtung (9) zum Reffen des Folienabschnittes über eine vertikale Strecke, die kleiner ist als die Länge des Folienabschnittes; einer Schweißeinrichtung (10) zum Abschweißen eines von dem Folienvorrat abgezogenen Schlauchfolienabschnittes (3') an dessen dem Folienvorrat zugekehrten Endabschnitt ; einer Schneideeinrichtung (12), mittels welcher jeweils eine beim Abschweißen gebildete Folienhaube (3'') von dem Folienvorrat abzutrennen ist, einer Quer-Stretcheinrichtung (13; 14), mittels welcher der Folienabschnitt in horizontaler Querrichtung zu stretchen ist; und einer (Haubenüberzieh-)Hubeinrichtung, mittels welcher die quer gestretchte Haube (3'') über das zu umhüllende Stückgut (2) zu ziehen ist, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 - 11 gekennzeichnet durch eine Längsstretcheinrichtung (14, 24), mittels welcher der Folienabschnitt /die Folienhaube (3'') in vertikaler Längsrichtung (25) um mindestens 5 %, vorzugsweise 10 - 15 % längszustretchen ist." Die Ansprüche 13 bis 20 sind auf Anspruch 12 rückbezogen. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents stelle im Hinblick auf die deutschen Offenlegungsschriften 27 06 955,
31 01 310, 30 03 052 und 37 07 877 sowie die US-Patentschrift 4 050 219 kei- ne patentfähige Erfindung dar oder könne nicht nachgearbeitet werden. Zudem sei er offenkundig vorbenutzt.
Die Klägerin hat beantragt,
das europäische Patent 0 344 815 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 5, 7 bis 11, soweit nicht auf Anspruch 6 rückbezogen, und 12 bis 20 für nichtig zu erklären.
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin erstrebt mit ihrer Berufung die Abänderung dieses Urteils und die Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit vier Anträgen gemäß Schriftsatz vom 3. März 2003.
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr.-Ing. D. G. F., eingeholt, das der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Die Beklagte hat ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr. D. A., vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


I. 1. Gegenstand des Streitpatents ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zum vollständigen Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube.
Solche Verpackungsverfahren und Maschinen haben die Aufgabe, auf einer Palette gestapeltes Stückgut durch eine Folie zu umhüllen, die sich nach dem Umwickeln oder Überziehen fest an das Stückgut anlegt und dieses einschließlich der Palette zu einer in sich dauerhaft formstabilen Ladeeinheit macht. Dabei wird gefordert, daß das feste Anliegen der Folie an dem Stückgutstapel ohne Beaufschlagung mit Wärme erreicht und die Folie mit einer solchen Spannung in horizontaler und in vertikaler Richtung versehen wird, daß sich die Stückgutteile beim Wirken von Massenkräften nicht verschieben, und zwar auch nicht bei nachträglicher Volumenverringerung des Stückguts. Durch diese Maßnahmen der Ladeeinheitensicherung wird eine Ladeeinheit geschaffen , die den vielfältigen Beanspruchungen während des Transports, beim Umschlagen und beim Lagern ausreichend standhalten kann.
2. Die Streitpatentschrift schildert einleitend, daß man wegen der bekannten Nachteile der Verpackung von Stückgut mit Schrumpffolie dazu übergegangen sei, Stretchfolien zu benutzen. Dabei werde das Material vor dem Umhüllen des Stapels gestretcht. Nach der Umhüllung ziehe es sich wieder zusammen und lege sich - wie gewünscht - an das Stückgut fest an. Bei ausreichend großem "Stretchen" des Folienmaterials würden nach dem Zusam-
menziehen große Kräfte erzeugt, die bei gestapeltem Stückgut für eine ausreichende Stapelfestigkeit sorgten.
Im Stand der Technik seien Verfahren und Vorrichtungen bekannt gewesen , bei denen der Stückgutstapel durch Wickelstretchen von Verpackungsfolie umhüllt werde. Als nachteilig werde beim Wickelstretchen angesehen, daß das Handling umständlich und zeitaufwendig sei und daß der Folienverbrauch, der insbesondere durch Überlappen benachbarter Lagen entstehe, aus Kostengründen als unbefriedigend empfunden werde. Beim Wickeln mit bahnförmiger Stretchfolie in nur einer Richtung (horizontal) werde keine befriedigende Stapelfestigkeit erreicht, da keine erheblichen Normalkräfte zwischen einander benachbarten Stückgutlagen erzeugt würden, die ein Verschieben sicher verhindern könnten. Bei diagonaler Umwicklung entstünden innere Vertikalkräfte, die aber nicht ausreichten, die erforderlichen Reibkräfte zu erzeugen. Vertikales Wickeln ermögliche zwar die Erzeugung der erforderlichen Kräfte, um ein Verschieben der Teile gegeneinander zu verhindern. Das dann erforderliche Abdecken der Seitenflächen mit Blattfolien sei aber aufwendig und schwierig. Das in der europäischen Offenlegungsschrift 0 081 328 vorgeschlagene HandWickelstretchen mit einer zweidimensional gestretchten Folie (d.h. Dehnen der Folie in zwei senkrecht zueinander stehenden Richtungen) sei nicht praktikabel. Wickelstretchen führe häufig nicht zu einer hinreichend witterungsbeständigen Verpackung, da an den Folienrändern Feuchtigkeit in die Verpackungseinheit eindringen könne. Die Sicht auf das verpackte Gut sei nur unvollkommen , wenn es beim Umwickeln zu kaum vermeidbarer Knitterbildung komme (Sp. 2 Z. 9 bis Sp. 3 Z. 6).
Der Beschreibung der Streitpatentschrift zufolge sind deshalb Überlegungen dahin angestellt worden, das zu verpackende Stückgut - wie bei den Schrumpffolien-Verpackungsverfahren bekannt - mit einer Folienhaube aus Stretchfolie zu überziehen. Als nachteilig wird hierbei angesehen, daß diese Verfahren mit großem Aufwand und Platzbedarf verbunden seien. Von Hand müsse - so wird weiter ausgeführt - zunächst eine Stretchfolienhaube in eine Reffvorrichtung eingeführt werden, um einen Reffvorgang (ein ziehharmonikaartiges Zusammenlegen der Haubenseitenabschnitte) zu bewerkstelligen; sodann müsse der Reffrahmen samt Folienhaube zu einem zweiten Stell- bzw. Arbeitsplatz überführt werden, damit die gereffte und vorgestretchte Folienhaube über einen Stückgutstapel gezogen werden könne. Zudem sei bei diesem Verfahren lediglich eine geringe Arbeitsleistung zu erzielen (Sp. 3 Z. 7 bis 32).
Zur Vermeidung dieser Nachteile schlügen die deutschen Offenlegungsschriften 27 06 955, 31 01 310 und 30 03 052 Vorrichtungen vor, die sich auch zum Umhüllen von Stückgut(stapeln) mit einer Stretchfolienhaube eigneten. Daran wird bemängelt, durch das planmäßige Stretchen der Folienhaube in horizontaler Querrichtung werde eine (scheinbar) befriedigende (da glatte) Verpackungseinheit erzielt, die den Anforderungen an die Stapelfestigkeit und an die Dichtigkeit der Umhüllung zunächst genüge. Insbesondere bei Stückgutstapeln , die aus nicht vollständig mit Schüttgut gefüllten Säcken bestünden, komme es aber bei wiederholtem Umschlag mit verhältnismäßig stoßartigem Aufsetzen des Stapels zu einer verzögerten Nachentlüftung. Diese führe bei eindimensional gestretchtem Folienmaterial zwangsläufig zumindest in Vertikalrichtung zu einer Erschlaffung und sogar zur Faltenbildung. Zwar werde beim Überziehen der Folienhaube über den Stückgutstapel eine gewisse Verti-
kaldehnung erzielt. Diese sei aber unerheblich und ungenügend, um eine hinreichende Stapelfestigkeit zu schaffen (Sp. 3 Z. 33 bis Sp. 4 Z. 28).
3. Demgegenüber verfolgt die Erfindung das Ziel, die bekannten Verfahren und Vorrichtungen unter Vermeidung der genannten Nachteile so zu verbessern , daß unter Einsatz von Stretchfolienhauben Verpackungseinheiten geschaffen werden können, die auch bei "Problemstückgütern" und wiederholtem Umschlag ihre Formbeständigkeit nicht verlieren (Sp. 4 Z. 29 bis 40).
4. Nach Patentanspruch 1 wird das technische Problem verfahrensmäßig durch folgende Merkmale gelöst:
1. Verfahren zum vollständigen Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolien, 1.1 von gestapelten Stückgutteilen, 1.2 die mittels einer Palettiervorrichtung gebildet werden und 1.3 die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen;
in folgenden Schritten:
2. Verwendung eines schlauchförmigen Folienabschnitts (3') zur Bildung einer Folienhaube, 2.1 wobei der Umfang des Folienabschnitts kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückguts (2),
2.2 der Folienabschnitt (3) von einem (Schlauch-)Folienvorrat abgezogen und 2.3 der Folienabschnitt (3) an seinem dem Folienvorrat zuge- kehrten Ende abgeschweißt und abgetrennt wird;
3. der Folienabschnitt wird an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet;
4. die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes (3') werden durch Reffen in Falten gelegt, 4.1 die im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stuckguts verlaufen;
5. die Folienhaube (3'') wird in horizontaler Querrichtung quergestretcht ;
6. die Folienhaube (3'') wird in vertikaler Längsrichtung längsgestretcht 6.1 vor dem Überziehen über den Gutstapel 6.2 zusätzlich zur Querstretchung 6.3 wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände 6.4 um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchten Zustand;
7. die quergestretchte Folienhaube (3’’) wird unter das Folien- material glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen.
5. a) Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ist der hier einschlägige Durchschnittsfachmann ein Diplom-Ingenieur mit einer Fachhochschul - oder Universitätsausbildung im Maschinenbau, der über Praxiserfahrungen im Bereich der Stückgut-Fördertechnik mit Schwerpunkt auf dem Gebiet von Maschinen zur Handhabung von festen, pulverförmigen und flüssigen Gütern verfügt und der bei Bedarf einen Werkstoffachmann zu Rate zieht, wenn es um spezifische Eigenschaften von Folien geht. Dieser Fachmann entnimmt dem Streitpatent ein im Stand der Technik bekanntes Verfahren und eine entsprechend ausgestaltete Vorrichtung zum vollständigen Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube. Das in Patentanspruch 1 beschriebene erfindungsgemäße Verfahren unterscheidet sich dem Wortlaut nach von dem Vorbekannten dadurch, daß die Folienhaube "vor dem Überziehen über den Gutstapel zusätzlich zur Querstretchung wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände" in vertikaler Längsrichtung "um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchtem Zustand" längsgestretcht wird (Merkmalsgruppe 6).

b) Dem Wortlaut des Anspruchssatzes und der Beschreibung in der Streitpatentschrift (insbesondere Sp. 8 Z. 6 bis 8) entnimmt der Fachmann, daß im Unterschied zum Stand der Technik zusätzlich zu der bekannten Querstretchung der Folienhaube erfindungsgemäß ein definierter Längsstretch des Folienmaterials vorgeschlagen wird, um auch bei problematischen Stückgutstapeln ein gegenseitiges Verschieben einander benachbarter Stückgutlagen zu ver-
hindern (Sp. 8 Z. 27 bis 30). Durch zweidimensionales Stretchen der Folien- haube sollen ausreichend große Kräfte in horizontaler und in vertikaler Richtung erzielt werden, um eine formstabile Ladeeinheit auch bei Problemgütern zu schaffen.
Dem einschlägigen Fachmann war aus dem Stand der Technik bekannt, daß sich das Folienmaterial bei der Verwendung von Schrumpfhauben nicht nur in horizontaler, sondern auch in vertikaler Richtung zusammenzieht und dadurch eine formstabile Ladeeinheit erzielt wird. Ferner wußte er, daß bei dem bekannten Haubenstretchverfahren die Ladungssicherung vornehmlich durch Stretchen der Haube in horizontaler Richtung erzeugt wurde und daß es beim Überziehen der Haube über das Stückgut zwangsläufig zu einer gewissen vertikalen Dehnung des Folienmaterials kommt. Hiervon ausgehend versteht der Fachmann das Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 dahin, daß die elastischen Eigenschaften der Folienwerkstoffe in zwei (Stretch-)Richtungen ausgenutzt werden sollen und hierfür eine Bemessungsregel in Form der Angabe von Wertebereichen formuliert wird: Zu dem horizontalen Stretchen (bevorzugt um 15 bis 20 %, Sp. 4 Z. 56) soll das zusätzliche definierte vertikale Stretchen der Folienhaube um mindestens 5 % (vorzugsweise etwa 10 bis 15 %, Sp. 4 Z. 59 und Sp. 5 Z. 1) ihrer Ausgangslänge in quergestretchtem Zustand hinzutreten. Lehre des Patentanspruchs 1 ist damit die Anweisung, die Formbeständigkeit auch bei Problemstückgütern selbst bei wiederholtem Umschlag und längerer Lagerzeit nachhaltig (Sp. 5 Z. 1) durch Stretchen der Folienhaube in zwei im rechten Winkel zueinander stehenden Richtungen zu sichern.
Bei Studium des Anspruchssatzes des Verfahrensanspruchs 1 des Streitpatents erkennt der Fachmann, daß die Anordnung in Merkmal 6, die Folienhaube "vor dem Überziehen über den Gutstapel" vertikal zu stretchen, in sich nicht schlüssig ist und deshalb weiterer Aufklärung bedarf. Zwar wird er den einzelnen Verfahrensschritten entnehmen, daß es unter Würdigung der mit dem Verfahren gefundenen Lösung des technischen Problems prinzipiell denkbar ist, das Längsstretchen der Folienhaube entsprechend dem strengen Wortlaut des Merkmals 6.1 vollständig "vor dem Überziehen" durchzuführen; denn es kommt, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, bei dem das Verfahren betreffenden Teil des Streitpatents letzten Endes allein darauf an, in der umhüllenden Stretchfolie einen hinreichenden Spannungszustand in den beiden genannten Richtungen zu erzeugen, der auch dann noch in ausreichender Größe erhalten bleibt, wenn die Folie sich allseitig an das Stückgut bzw. am einem Stückgutstapel angelegt hat.
Der Fachmann wird aber auf Grund der Beschreibung des Ausführungsbeispiels und durch die Zeichnungen Figur 5 bis Figur 7 zu der Erkenntnis gelangen , daß die Aussage "vor dem Überziehen" nicht wörtlich, sondern in dem Sinn von "vor dem vollständigen Überziehen" bzw. "während des Überziehens" zu verstehen ist, wobei der Überziehvorgang, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, anfängt, wenn die Folienhaube in senkrechter Richtung die Oberkante des Gutstapels zu überfahren beginnt, dem dann der weitere Verfahrensschritt des Einhüllens, des Anlegens der Folienhaube an die Seitenwände des Gutstapels mit (zeitlicher) Verzögerung folgt. Nach der Beschreibung wird zunächst die Folienhaube hergestellt (Sp. 5 Z. 18 bis 36, Figuren 1 bis 4). Sodann wird die Folie gerefft und
horizontal mittels der Reffeinrichtung gestretcht (Figur 5), wobei der das Reffen bewirkende Teil der Vorrichtung ausgeschwenkt wird (Sp. 5 Z. 36 bis 40; Sp. 7 Z. 2 bis 11). Figur 6 wird dahin beschrieben, daß die (horizontal) gestretchte Folienhaube über einen darunter befindlichen Stückgutstapel gezogen wird, "wobei zugleich ein vertikales Stretchen der Seitenwände der Folienhaube erfolgt" (Sp. 5 Z. 39 bis 44). Der Fachmann erfährt aus der weiteren Beschreibung , daß ein vertikales Stretchen der Folien auch beim Abziehen vom Schlauchvorrat erfolgen kann, also vor dem Querstretchen (Sp. 7 Z. 16 bis 19), daß dies allerdings als unzweckmäßig angesehen wird. Vorteilhaft soll hingegen ein Längsstretch um mindestens 5 % nach dem Horizontalstretchen der Folie beim Überziehen der Folienhaube über den Gutstapel sein, weil sich die Folie beim Querstretchen ohne vorausgehenden Längsstretch einfacher handhaben lasse (Sp. 7 Z. 16 bis 23). Das zusätzliche vertikale Stretchen der bereits gerefften und in Horizontalrichtung quergestretchten Folienhaube (3'') erfolgt beim Überziehen der Folienhaube über den Stückgutstapel. Dabei wird die Folie über die einen Widerstand bildenden (Längs-)Stretchbügel (24) gezogen und beim Absenken der Reffeinheit (16) in vertikaler Längsrichtung (gemäß Pfeil 25 der Figur 5) gestretcht. Da die Haube mit ihrem (oben liegenden ) Boden fest am Stückgutstapel zu halten ist und auch insoweit ein entsprechendes Widerlager bildet, ist es auch ohne weiteres möglich, den gewünschten , zweckmäßigen Längsstretch durch Reibrollen, Reibwalzen oder dergleichen aufzubringen, die auf die an einem Widerlager anliegende Haube einwirken (Sp. 8 Z. 40 bis 43). Hierdurch erfolgt ein definiertes Längsstretchen um ca. 12 % der bereits quergestretchten Folie (Sp. 7 Z. 24 bis 31).
Dieses Verständnis sieht der Fachmann durch Unteranspruch 5 bestätigt , der auf Patentanspruch 1 zurückbezogen ist. Danach kann das Längsstretchen der Folienhaube wenigstens teilweise beim Überziehen der Folienhaube über das zu umhüllende Stückgut erfolgen.

c) Der vertikale Längsstretch soll nach den Merkmalen 6.3 und 6.4 wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchten Zustand aufgebracht werden. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann daraus, daß die vertikale Dehnung der Folie um wenigstens 5 % im gesamten Bereich der Haubenseiten während des Überziehvorgangs, d.h. vor dem vollständigen Anliegen der Folie am Stückgut eingebracht werden soll. Diese Wertangabe verstehe der Fachmann als Anweisung dahin, bei einer bekannten , für das jeweilige Stückgut geeigneten Folie über die übliche vertikale Dehnung hinaus, eine erhebliche weitere Stretchung von mindestens 5 % der infolge der Querstretchung entstandenen Ausgangslänge aufzubringen, um eine Kraft zu erhalten, die ausreiche, um formstabile Ladeeinheiten auch bei Problemstückgut zu erhalten.
II. Der Gegenstand des so verstandenen Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist für den Fachmann auch so deutlich und vollständig offenbart, daß er ihn ausführen kann.
Eine Möglichkeit, wie die Folienhaube vor dem Überziehen in vertikaler Längsrichtung gestretcht werden kann, erwähnt die Streitpatentschrift beispielsweise in dem nicht angegriffenen Anspruch 6 und in Spalte 7 Zeilen 16
bis 19. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann aus der Beschreibung und den Zeichnungen der Streitpatentschrift hinreichende Anhaltspunkte dafür, wie er den vertikalen Stretch der Folienhaube bewerkstelligen kann. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, daß die Beschreibung zwar keine konkrete Anweisung dahin entfalte, mit welchen Maßnahmen ein Längsstretch von mindestens 5 % vor dem Anlegen der Folie auf dem Stückgut erreicht werden könne. Auf diese Frage gehe die Streitpatentschrift ebensowenig wie auf die Frage ein, wie der gewünschte, zweckmäßige Längsstretch durch die in der Beschreibung genannten Reibrollen, Reibwalzen oder dergleichen (Sp. 8 Z. 40 bis 44) in die Folie einzubringen ist. Solche Angaben benötige der Fachmann aber zur Ausführung nicht zwingend. Er sei aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres in der Lage, Möglichkeiten für eine vorrichtungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Streitpatents zur Verfügung zu stellen.
III. Es kann nicht festgestellt werden, daß Nichtigkeitsgründe nach § 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG und Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG , Art. 138 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit Art. 54 und 56 EPÜ vorliegen.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der Entgegenhaltungen zeigt ein Verfahren zum Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube mit sämtlichen Merkmalen seines Gegenstandes.
2. Der Senat ist nicht davon überzeugt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in naheliegender Weise ohne erfinderisches Bemühen aus dem Stand der Technik aufzufinden war.


a) Die Anweisung, in eine Folienhaube zusätzlich zu einem Horizontalstretch einen Stretch in vertikaler Richtung einzuprägen, um die Ladung auf einer Palette unverrutschbar zu sichern, war dem Fachmann allerdings auf Grund seines Fachwissens geläufig. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gehörte zu den Grundkenntnissen der technischen Mechanik die Erkenntnis, daß Verschiebekräfte in horizontaler Richtung durch ausreichend große Reibkräfte kompensiert werden müssen und diese Reibkräfte durch Normalkräfte auf die relativ zueinander beweglichen Flächen erzeugt werden müssen. Ebenso gehörte zu diesen Grundkenntnissen , daß die Reibkräfte erzeugenden Normalkräfte durch Spannungen in Längsrichtung der Folienhaube zu erzeugen sind und daß sie anfänglich, d.h. beim Überziehen der Haube über den Gutstapel größer als in diesem Zustand notwendig sein müssen, damit bei einer späteren Volumenverringerung des Stapelguts oder auch nur bei einer Stapelhöheverringerung auch bei dem dadurch verursachtem Nachlassen der Spannung ausreichend große Kräfte in vertikaler Richtung verbleiben.

b) Einen Hinweis darauf, dies gezielt bei der Verwendung von Folienhauben im Stretchverfahren neben dem Horizontalstretchen der Haube durch eine in ihrem Umfang bestimmte Längsstretchung vorzunehmen, erhielt der Fachmann jedoch nicht aus der US-Patentschrift 4,050,219 (Higgins).
Diese Druckschrift befaßt sich mit einer Haubenverpackungsmaschine zum automatischen Anbringen einer Haube über einem Frachtstück, insbesondere mit einer Haube aus elastischer Folie über einer beladenen Palette mit
veränderlichen Abmessungen. Dabei legt die Schrift, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ihren Schwerpunkt auf die Beschreibung der maschinen- und steuerungstechnischen Aspekte und weniger auf die verfahrenstechnischen Fragen und die zu erzielenden vorteilhaften Ergebnisse.
Bei dieser Vorrichtung wird von einem (Schlauch-)Folienvorrat (38) ein schlauchförmiger Folienabschnitt abgezogen und durch Vakuumköpfe geöffnet. Vier Finger werden in den Schlauch eingeführt. Mit diesen wird die Wand des Schlauchmaterials zwischen den Sammelwalzen und den Fingern positioniert. Die Sammelwalzen drehen sich so lange, bis sie eine ausreichende Menge an Schlauchmaterial auf die Finger geleitet haben, worauf ein Schneid- und Verschweiß -Mechanismus in Gang gesetzt wird, um die Herstellung der Haube abzuschließen. Die richtige Menge an Schlauchmaterial, die auf die Finger aufzubringen ist, wird von dem Sensor bestimmt, der die Maße der beladenen Palette mißt. Nachdem die Haube hergestellt und auf den Fingern gesammelt worden ist, wird über eine Bewegung der Finger die Haube so gedehnt, daß sie über das Frachtstück gezogen werden kann. Anschließend wird eine vertikale Bewegung des Frachtstücks und der Finger zueinander ausgeführt, so daß die Haube auf dem Frachtstück aufgebracht wird. Beim Überziehen über das Frachtstück wird die Haube allerdings auch in vertikaler Richtung gestretcht (Übersetzung S. 1 Abs. 3 bis S. 2 Abs. 1). Das geschieht infolge des Widerstandes der Motoren (76) der Andruckrollen bzw. -zylinderstangen (30), welche die Folie beim Abziehvorgang gegen die Finger (28) drücken und so einen Zug auf die Haube (24) ausüben. Eine gezielte Stretchung im Sinne der Lehre des Streitpatents ist damit nicht verbunden.

Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, daß sich sowohl die Beschreibung als auch die Zeichnungen auf eine Vorrichtung zur Verwendung von Schrumpffolienhauben beziehen. Aus den Figuren 12, 13, 15 und 16, welche die Verfahrensschritte des Sammelns und Überziehens der Haube über das Frachtgut betreffen, ist zu entnehmen, daß das um die Finger gesammelte und gereffte Folienmaterial nicht unter Querspannung steht und daß auch vor und beim Überziehen der Haube über den Frachtgutstapel kein horizontaler Stretch eingebracht wird. Da die Sammelwalzen beim Überziehen der Haube "umgekehrt leer laufen", wird ein gewisser Widerstand erzeugt, wodurch eine "vertikale Stretchkraft" auf die Haube (24) ausgeübt wird (Übersetzung S. 14 Abs. 3). Der Fachmann, dem das Schrumpffolienverfahren bekannt ist und der daher weiß, daß die Folie bei Wärmebeaufschlagung in horizontaler wie auch vertikaler Richtung schrumpft, wird - so der gerichtliche Sachverständige - diese "vertikale Stretchkraft" nicht primär mit der Sicherung der Ladeeinheit in Verbindung bringen. Vielmehr wird er aus der Anordnung schließen, daß die vertikale Dehnung bei der Verwendung von Schrumpfhauben allein dazu dient, Kraft aufzubringen, um ein glattes Anliegen der Folie an dem Stapelgut zu bewirken.
Die Druckschrift erwähnt einleitend, die beschriebene Haubenverpakkungsmaschine könne nicht nur für Wärmeschrumpf-Verpackungsverfahren, sondern auch für Stretchverfahren eingesetzt werden, wobei die Haube sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung gestretcht werden könne (Übersetzung S. 2 Abs. 2). Geht der Fachmann dem Gedanken nach, die Maschine für Verpackungen mit Stretchfolienhauben zu verwenden, so wird er die Ma-
schine entsprechend den Erfordernissen von Stretchmaterial umgestalten müssen. Er sieht sich aber durch die US-Patentschrift 4,050,219 allein gelassen mit der Frage, wie er den Umbau bewerkstelligen muß, um mit dem Stretchverfahren eine formstabile Ladeeinheit zu schaffen. Die Druckschrift enthält zwar den Hinweis, die vorgeschlagene Maschine auch für Stretchverfahren anzuwenden, gibt dem Fachmann aber keine Hilfen an die Hand, auf welche Weise die gereffte Folienhaube in horizontaler und vertikaler Richtung gestretcht werden könnte.

c) Über den Einsatz einer Haubenverpackungsmaschine im Stretchverfahren belehrt hingegen der Prospekt des US-amerikanischen Unternehmens C. in H., M., der an die US-Patentschrift 4,050,219 anknüpft. Der Fachmann erfährt, daß beim Stretch-Haubenverpackungsverfahren durch horizontale Stretch-Kräfte Frachtgutstapel zusammengehalten und durch vertikale StretchKräfte die Fracht auf der Palette gesichert werden kann. Es wird beschrieben, daß zu Beginn des Umhüllungsvorgangs das Schlauchmaterial mit Vakuumköpfe geöffnet wird. Vier Finger greifen sodann in den Schlauch hinein. Die passende Länge an Schlauchmaterial wird auf den Fingern gesammelt und das obere Ende der Haube vollständig oder teilweise verschlossen. Die Haube wird auf die Oberseite des Frachtstücks abgesenkt. Die Finger werden in zwei Richtungen ausgefahren, um die Haube entsprechend den Umrissen des Frachtstücks zu dehnen. Wenn die Haube auf der Oberseite des Frachtstücks aufgebracht wird, kommt das verschlossene Ende mit der Fracht in Kontakt. Das Polymaterial wird beim Überziehen von den Fingern abgezogen, "so daß vertikaler Stretch erzeugt wird".
Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann dieser Schrift, daß der vertikale Stretch der Sicherung des Gutstapels dient und daß er erhebliche Kraft in vertikaler Richtung aufbringen muß, um eine solche Sicherung gewährleisten zu können. Angaben zum Maß des aufgewendeten Zugs fehlen hingegen. Mangels solcher Angaben wird der Fachmann geneigt sein, einen möglichst hohen Stretch aufzubringen, soweit das Verpackungsgut und die Folie dies erlauben. Damit offenbart der Prospekt lediglich die Lehre, überhaupt mittels Stretch des Materials eine vertikale Kraft aufzubringen, mit der die Fracht auf der Palette gesichert werden soll. Nicht angesprochen wird das Problem des Streitpatents, auch bei Problemgütern, die beim Umschlagen ihre Gestalt verändern, eine formstabile Ladeeinheit dadurch zu gewährleisten, daß zusätzlich und in Abhängigkeit zu einem Stretch in horizontaler Richtung ein definierter Längsstretch von mindestens 5 % des Ausgangsmaßes eingesetzt wird.

d) Eine weitergehende Offenbarung enthält auch nicht der zu den Akten gereichte Video-Film über das "T. ..."-Verpackungssystem. Nach dem VideoText werden die Kanten der fertigen Stretchhaube an der Maschine befestigt. Ein Rahmen stretcht die Haube so weit, daß sie über das Frachtgut paßt. Sodann hebt der Rahmen die gestretchte Haube über die Palette. Der gerichtliche Sachverständige hat zur Funktionsweise der Maschine glaubhaft ausgeführt, die Folienhaube müsse beim Überziehen über den Stapel in allen Richtungen gespannt werden, um eine gleichmäßige Spannung an allen Seiten und der Oberseite der Palettenladung auszuüben. Um die Ladung auf der Palette festzuhalten , müsse eine signifikante Spannung in vertikaler Richtung aufgebracht werden. Das Einprägen einer Längsdehnung in die Haubenseitenwände erfol-
ge zwangsläufig, wenn die Folie unter der Wirkung von Reibkräften von dem Vorratsrahmen abgezogen werde. Die Folienhaube werde damit zwar gezielt in vertikaler Richtung gestretcht, ein definierter Längsstretch werde aber nicht vorgeschlagen. Als Vorteil schildert der Video-Text, man könne die Stretchund Shrink-Folie aufschneiden, um einzelne Kartons zu entnehmen; man könne sie mit den Spitzen eines Gabelstaplers durchdringen. Die Folie reiße nicht weiter auf und halte das Packgut weiterhin sicher auf der Palette.
Das T. ...-Verpackungssystem gibt dem Fachmann damit keinen Hinweis , wie bei Problemgütern verfahren werden könnte. Soweit eine allseitige 15 %ige Spannung der Folie zur Sicherung des Frachtgutes auf der Palette angesprochen wird, erkennt der Fachmann, daß diese Spannung möglicherweise Folge von aufgebrachten Stretch-Maßnahmen ist. Daraus ergibt sich für ihn aber kein Hinweis dahin, eine solche vertikal gerichtete Kraft aufzubringen, um auch bei Problemgütern eine sichere Ladeeinheit zu gewährleisten.

e) Auch aus der Zusammenschau der genannten Druckschriften folgt für den Fachmann kein Hinweis in Richtung auf die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, bei einem Folienhauben-Stretchverfahren neben der bekannten Horizontalstretchung eine definierte, in ihrem Umfang durch den nach dem Querstretchen entstandenen Zustand bestimmte vertikale Stretchung der Folie von mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge in quergestretchtem Zustand vorzusehen. Die weiter in das Verfahren eingeführten Druckschriften liegen weiter ab.
3. Neben dem Patentanspruch 1 des Streitpatents haben auch die auf ihn zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 und 7 bis 11 Bestand.
4. Dies gilt auch für den auf eine Vorrichtung gerichteten Patentanspruch 12, weil nicht festgestellt werden kann, daß er nicht neu und erfinderisch ist (Art. 54, 56 EPÜ). Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sind bei der Vorrichtung nach der Lehre des Patentanspruchs 12 zwar die meisten Merkmale der in der US-Patentschrift 4,050,219 beschriebenen Haubenverpackungsmaschine verwirklicht. Abweichend von diesem Stand der Technik sind bei der Vorrichtung nach dem Streitpatent Mittel zum Längsstretchen und Querstretchen der Haube (14, 24, Figur
1) vorgesehen, wobei beide Stretchvorgänge von denselben Mitteln ausgeführt werden. Die Stretchvorrichtung besteht aus den Reffbacken (13) und dem Reffrahmen (14) (Figuren 1 und 3). Der (Längs-)Stretchbügel (24) (Figuren 1 und 6) ist ein integraler Bestandteil des Reffrahmens. Der Längsstretch wird dadurch erzeugt, daß die Folienhaube (3) beim Überziehen des Stückgutstapels (2) über die einen Widerstand bildenden (Längs-)Stretchbügel (24) gezogen wird (Sp. 7 Z. 25 bis 28). Aus den Figuren der Streitpatentschrift geht - abgeleitet aus der Bewegungsmöglichkeit der Reffeinheit (16) - hervor, daß die Folie nur an vier Ecken von der Reffeinheit 16 aufgenommen oder erfaßt wird.
Eine Anordnung von Fingern bzw. Elementen, auf denen die gereffte Folie gehalten wird und die auseinandergefahren werden können, damit die Haube über den Gutstapel gezogen werden kann, zeigt die US-Patentschrift 4,050,219. Die Finger (28), dargestellt in den Figuren 1, 2, 4, 10, 12, 13, 15
und 16, dienen allerdings nicht zum Stretchen der Folie in vertikaler Richtung. Nach den glaubhaften Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sind sie infolge ihrer konkreten Ausgestaltung hierzu nicht geeignet. Der Längsstretch wird dadurch erzeugt, daß die Folie in der aus Figur 15 ersichtlichen Weise über die leerlaufenden Sammelwalzen (30) und die querverlaufenden Oberkanten der Finger (28) abgezogen wird. Finger, die so angeordnet sind, daß sie die Haube an den Ecken halten, zeigt die C.-Maschine auf der Abbildung Seite 3 des Prospekts. Einzelheiten ihrer Gestaltung sind aber weder aus der Abbildung ersichtlich, noch wird ihre Funktion in dem Text des C.Prospekts angesprochen. Winkelförmige Eckelemente, über welche die Folie abgezogen wird, offenbaren Abbildungen der Maschine im "T. ..."-Prospekt. Ob beide Maschinen allerdings geeignet sind, neben dem Querstretch einen definierten Längsstretch von mindestens 5 % der Ausgangslänge zu erzeugen, konnte nicht festgestellt werden. Zwar kann aufgrund der Gestaltung der Maschinen nicht ausgeschlossen werden, daß beim Überziehen der Haube über das Stapelgut ein Längsstretch erzeugt wird. Daß dabei gezielt ein Längsstretch von mindestens 5 % der Ausgangslänge entsprechend der Lehre des Streitpatents tatsächlich erreicht wird, konnte der gerichtliche Sachverständige nicht angeben.
5. Mit dem Vorrichtungsanspruch 12 haben auch die Unteransprüche 13 bis 20 Bestand.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 175/01 Verkündet am:
11. April 2006
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Stretchfolienhaube
EPÜ Art. 56
Allein aus dem Bestreben des Fachmanns, erkannte Probleme bereits in ihrer
Entstehung zu vermeiden und sie nicht, wenn sie aufgetreten sind, zu beseitigen
, kann nicht hergeleitet werden, dass vom Fachmann Versuche in einer bestimmten
Richtung zu erwarten sind.
BGH, Urt. v. 11. April 2006 - X ZR 175/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 ist wirkungslos, soweit Patentanspruch 5 des europäischen Patents 0 399 540 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt worden ist.
Im Übrigen wird das Urteil des Bundespatentgerichts auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin zu 1 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 0 399 540 wird im Umfang des Patentanspruchs 3 und der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese auf Patentanspruch 3 rückbezogen sind, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin zu 2 trägt ½ der gerichtlichen Kosten und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz. Die übrigen Kosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 1 zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.
Die Klägerin zu 2 trägt ½ der bis zur Klagerücknahme entstandenen Verfahrensgebühren sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz. Von den übrigen Kosten zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 1 9/10 und die Beklagte 1/10.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 25. Mai 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung P 39 17 110.8-27 vom 26. Mai 1989 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilen europäischen Patents 0 399 540 (Streitpatent), das ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut und Stückgutstapeln mit einer Stretchfolienhaube sowie eine hiermit zu bildende Verpackungseinheit betrifft. Das Streitpatent wurde vom Europäischen Patentamt im Einspruchsverfahren beschränkt aufrecht erhalten.
2
In seiner geltenden Fassung (Streitpatentschrift EP 0 399 540 B2) umfasst das Streitpatent sieben Patentansprüche, von denen die Klägerin zu 1 die Ansprüche 1 bis 3 sowie 6 und 7, die Klägerin zu 2 die Ansprüche 1 bis 3 und 5 bis 7 angegriffen haben. In der Verfahrenssprache Deutsch haben die Patentansprüche 1 bis 3, 6 und 7 folgenden Wortlaut: "1. Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube (1') aus Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren ("stretchbaren") Seitenfaltenschlauch (1), der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte ersten Seitenflächen (4, 4) bestimmter (Zuführ-)Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen (5, 5) aufweist und einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel (2) besitzt vor dem Stretchen dadurch eine Haube (1') gebildet wird, dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht (13) abgeschweißt und hinter dem die Haube (1') bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube (1') zum Überziehen über das Stückgut/den Stückgutstapel (2) vollständig geöffnet und im wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt ("gestretcht") wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit einer Quernaht (13) versehen wird, deren Länge (= "Ideallänge") im wesentlichen gleich der zur Quernaht (13) parallelen Breite (1) des zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist wobei in Fällen, in denen die (Zuführ-)Breite (B) des Seitenfaltenschlauches (1) ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube (1') bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches (1) auf eine der Ideallänge der Quernaht (13) entsprechende Breite gebracht wird; und dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbe- reich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
2. Verfahren nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der Quernaht (13) wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite (1) des Stückguts (2) ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die aus dem Seitenfaltenschlauchabschnitt gebildete Haube (1') nach dem Legen der Quernaht (13) so gedehnt wird, dass das die Seitenflächen der Dehnfolienumhüllung bildende Folienmaterial an allen Seitenflächen im wesentlichen gleichmäßig gedehnt wird.
6. Ladeeinheit aus Stückgut, welches mit einer aus Dehnfolie (= "Stretchfolie") bestehenden Haube umhüllt ist, die aus einem Seitenfaltenschlauch gebildet ist, der einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut aufweist , und der vor dem Dehnen (= "Stretchen") mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht versehen worden ist, gebildet mittels eines (Arbeits-)Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3 und/oder mittels einer Vorrichtung gemäß Ansprüchen 4 oder 5, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der ungedehnten Quernaht (13) wenigstens ca. 95 % der zur Quernaht (13) parallelen Breite (1) des Stückguts (2) beträgt.
7. Ladeeinheit nach Anspruch 6, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der Quernaht (13) im wesentlichen gleich der Breite (1) des Stückgutstapels (2) ist."
3
Beide Klägerinnen haben im Wesentlichen übereinstimmend geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus und die Erfindung werde nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Sie sind des weiteren der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei, und berufen sich hierzu auf folgende Veröffentlichungen: - US-Patentschrift 4 050 219 (Anlage K1 der Klägerin zu 1, Anlage 4 der Klägerin zu 2); - Prospekt "Clearly the Best Alternative" des Unternehmens TNT (Anlage K12 der Klägerin zu 1, Anlage 5 der Klägerin zu 2; im Folgenden: "Prospekt Clearly"); - Prospekt "TNT Stretch'n Shrink User Guide" (Anlage K13 der Klägerin zu 1, Anlage 6 der Klägerin zu 2; im Folgenden: "TNT User Guide"); - Prospekt "Stretch Packaging" der Kurt Lachenmeier A/S (Anlage K15 der Klägerin zu 1, Anlage 7 der Klägerin zu 2; im Folgenden : "Prospekt Lachenmeier").
4
Die Klägerin zu 1 hat weiter genannt: - deutsche Offenlegungsschrift 30 03 052 (Anlage K2); - Artikel "Now - a stretch-film pack keeps out dirt and moisture!" aus der Zeitschrift "Modern Materials Handling", September 1976 (Anlage K17).
5
Ferner hat sie als Anlage K14 ein Videoband (englischer Text mit deutscher Übersetzung in Anlage K14a/b) zu den Akten gereicht und vorgetragen, dieses Videoband sei vor dem Prioritätstag des Streitpatents von Mitarbeitern von TNT Interessenten vorgeführt worden. Der in dem Videofilm sowie in den Prospekten gemäß Anlage K12 und K13 gezeigte Gegenstand sei durch TNT bereits vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die Klägerin zu 2 hat den Prospekt "COMPTEX" (Anlage 8 a, K 21) in das Verfahren eingeführt.
6
Die Klägerinnen haben übereinstimmend beantragt, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 sowie 6 und 7 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
7
Die Klägerin zu 2 hat darüber hinaus beantragt, das Streitpatent auch im Umfang des Patentanspruchs 5 für nichtig zu erklären.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen, hilfsweise hat sie das Streitpatent nach Maßgabe der Hilfsanträge 1 bis 4 gemäß Anlagen 1 bis 3 zur Sitzungsniederschrift des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 verteidigt.
9
Die Beklagte hat die Vorveröffentlichung des Videos gemäß Anlage K14 bestritten und ist der Klage auch im Übrigen entgegengetreten.
10
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1, 3 und 5 sowie der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese Ansprüche auf die Patentansprüche 1, 3 oder 5 rückbezogen sind, für nichtig erklärt und die Klagen im Übrigen abgewiesen.
11
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Klägerinnen Berufung eingelegt. Die Klägerin zu 2 hat im Berufungsrechtszug die Klage zurückgenommen. Die Beklagte hat erklärt, dass sie die Patentansprüche 3 und 5 nicht mehr verteidigt.
12
Die Beklagte beantragt, 1. das Urteil des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 dahingehend abzuändern, dass das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auch im Umfang seines Patentanspruches 1 sowie der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese beiden Ansprüche auf den Patentanspruch 1 zurückbezogen sind, bestätigt wird (also insgesamt im Umfang seiner Ansprüche 1, 2, 4, 6 und 7), und die Klagen im Übrigen abzuweisen ; 2. hilfsweise, den Patentanspruch 1 und die auf ihn zurückbezogenen Patentansprüche 6 und 7 mit der Maßgabe zu bestätigen , dass im Kennzeichen des Patentanspruches 1 (Sp. 10, Z. 42, der B2-Schrift) zwischen den Worten "... zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist", und den Worten "wobei in Fällen..." die Worte "wobei die Länge (L) der Quernaht (13) wenigstens ca. 85 - 90 % der zu ihr parallelen Breite (I) des Stückgutes /Stückgutstapels (2) ist; und" eingefügt werden.
3. Weiter hilfsweise verteidigt die Beklagte die Patentansprüche 1 und 2 in folgender Fassung:
"1. Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube (1') aus Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren ("stretchbaren") Seitenfaltenschlauch (1), der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte ersten Seitenflächen (4, 4) bestimmter (Zuführ-)Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen (5, 5) aufweist und einen um wenigstens 10% geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel (2) besitzt, vor dem Stretchen dadurch eine Haube (1') gebildet wird, dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht (13) abgeschweißt und hinter dem die Haube (1') bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube (1') zum Überziehen über das Stückgut /den Stückgutstapel (2) vollständig geöffnet und im we-
sentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt (= "gestretcht") wird, und wobei die Quernaht (13) in einer Länge (= "Ideallänge") ausgebildet werden soll, die im wesentlichen gleich der zur Quernaht (13) paralleler Breite (1) des zu umhüllenden Stückgutes /Stückgutstapels (2) ist, dadurch gekennzeichnet, dass bei einer Zuführbreite (B) des Seitenfaltenschlauches (1), die ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube (1') bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches (1) auf eine der Ideallänge der Quernaht (13) entsprechende Breite gebracht wird; und dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Seitenfaltenschlauch (1) vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens im oberen Endabschnitt auf eine Breite gebracht wird, die wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite (1) des Stückguts (2) beträgt."
sowie Patentanspruch 4 in der aus dem Schriftsatz vom 24. Januar 2006 ersichtlichen Fassung.
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Im Übrigen beantragt die Beklagte, die Berufung der Klägerin zu 1 zurückzuweisen , das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären, soweit Patentanspruch 5 für nichtig erklärt worden ist und der Klägerin zu 2 nach Rück- nahme der von ihr erhobenen Nichtigkeitsklage die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
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Den zunächst mit Schriftsatz vom 12. November 2001 angekündigten zweiten Hilfsantrag hat die Beklagte nicht gestellt.
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Die Klägerin zu 1 beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und das europäische Patent 0 399 540 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auch im Umfang des Anspruchs 2 und im Umfang der Ansprüche 6 und 7, soweit auf Anspruch 2 zurückbezogen, für nichtig zu erklären, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Die Klägerin zu 1 vertritt die Auffassung, Patentanspruch 1 des Streitpatents beanspruche zwei verschiedene Lösungen. Die eine Lösung bestehe darin , dass der im Ursprungszustand gegenüber der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseite schmalere Seitenfaltenschlauch vor dem Legen der Querschweißnaht so umgefaltet werde, dass seine Breite mit der Länge der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseite im Wesentlichen übereinstimme. Die dann gelegte Querschweißnaht sei zwangsläufig ebenfalls im Wesentlichen genauso lang wie die zu ihr parallelen Stapelseiten. Diese Lösung werde mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffen. Angegriffen werde die andere und wirtschaftlich interessante Lösung, nach der als Ausgangsmaterial ein Seitenfaltenschlauch verwendet werde, der von Haus aus eine Breite habe, die mit der Länge der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseiten im Wesentlichen übereinstimme.
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Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr. Ing. D. G. F. , , eingeholt, das der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten des Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. D. A. , , vorgelegt.
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Die Parteien haben nicht nachgelassene Schriftsätze zu den Akten gereicht , die dem Senat keine Veranlassung gegeben haben, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Entscheidungsgründe:


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Nachdem die Klägerin zu 2 ihre Nichtigkeitsklage zurückgenommen hat, ist das angefochtene Urteil wirkungslos, soweit Patentanspruch 5 für nichtig erklärt worden ist (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 269 Abs. 2, 3 ZPO). Dieser Patentanspruch ist allein von der Klägerin zu 2 angegriffen worden, nicht aber auch von der Klägerin zu 1.
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Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent bezüglich des Patentanspruches 3 nicht mehr verteidigt, was insoweit ohne weitere Sachprüfung zur Nichtigerklärung führt (Sen.Urt. v. 12.10.2004 - X ZR 190/00, GRUR 2005, 233 - Paneelelemente m.N.). Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten begründet, weil nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden kann, dass der Gegenstand nach den Patentansprüchen 1 und 2 sowie nach den Patentansprüchen 6 und 7, soweit diese auf die Patentansprüche 1 und 2 rückbezogen sind, nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ). Insoweit ist die Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 1 abzuweisen und ihre Berufung zurückzuweisen.
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I. Patentanspruch 1 des Streitpatents betrifft ein Verfahren zum Umhüllen von Stückgut und Stückgutstapeln mittels eines schlauchförmigen Stretchfolienabschnitts.
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1. Der Beschreibung des Streitpatents zufolge waren am Prioritätstag Verpackungsverfahren bekannt, bei denen das Stückgut mit Schrumpffolie umhüllt und nach dem Umhüllen mit Wärme beaufschlagt wird, wodurch sich die Folie unter Schrumpfung fest an das zu umhüllende Stückgut legt (Streitpatent Beschreibung Abs. 0004). Ferner waren Wickelverfahren bekannt, bei denen Flachfolie um das zu umhüllende Stückgut gewickelt wird, sowie Verfahren, bei denen wenigstens eine Folienhaube über das zu umhüllende Stückgut gezogen und sodann an dieses geschrumpft wird (Streitpatent Beschreibung Abs. 0005). Das Streitpatent bezeichnet es als Nachteil der bekannten Schrumpffolienverfahren , dass bei ihnen eine Beaufschlagung mit Wärme zu erfolgen habe, was zu hohen Energiekosten führe, wegen der Beaufschlagung mit offener Flamme für bestimmte, insbesondere entflammbare Güter ungeeignet sei (Streitpatent Beschreibung Abs. 0006), aufgrund der erforderlichen Foliendicke einen hohen Materialeinsatz bedinge (Streitpatent Beschreibung Abs. 0007), als wenig umweltfreundlich angesehen werde, eine hohe Lärmbelästigung mit sich bringe (Streitpatent Beschreibung Abs. 0008) und schließlich ein Verkleben mit dem zu verpackenden Gut stattfinden könne (Streitpatent Beschreibung Abs. 0009).
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Den weiteren Angaben der Beschreibung zufolge wurde diesen Nachteilen im Stand der Technik begegnet, indem an Stelle von Schrumpffolien Stretchfolien eingesetzt wurden, die keiner Wärmebeaufschlagung bedürfen und bei denen das Folienmaterial vor dem Umhüllen des zu verpackenden Stückguts gestretcht (gedehnt) wird (Streitpatent Beschreibung Abs. 0010). Insoweit war das Wickelstretchen bekannt, bei dem bahnförmige Stretchfolie um das zu umhüllende Gut gewickelt wird. An diesem Verfahren wird als nachteilig bezeichnet, dass die Ladungssicherheit unbefriedigend sei, weil entweder nur horizontale oder nur vertikale Spannkräfte entstünden. Umwickele man das Gut in beiden Richtungen, sei ein hoher Materialeinsatz erforderlich (Streitpatent Beschreibung Abs. 0011). Außerdem werde eine Flachfolie als Deckblatt benötigt (Streitpatent Beschreibung Abs. 0012). Ferner bezeichnet es das Streitpatent als nachteilig, dass die durch Wickelstretchen erhaltene Verpackung nicht hinreichend witterungsbeständig sei (Streitpatent Beschreibung Abs. 0013).
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Die Beschreibung weist sodann darauf hin, dass bereits Verfahren entwickelt worden seien, bei denen das zu verpackende Gut mit einer Haube aus Stretchfolie überzogen werde. Bei diesen Verfahren, zu denen auch ein von der Beklagten und Wettbewerbern praktiziertes Verfahren gehöre, erfolge das Abschweißen des Folienabschnitts vor dem Stretchen und in einer Form, die praktisch der Bevorratungsbreite entspreche (Streitpatent Beschreibung Abs. 0014 bis 0017). Da die Schlauchfolie im nicht gestretchten Zustand bestimmungsgemäß nennenswert (z.T. ganz erheblich) kleiner sei als die Länge der Stirnseitenränder der zu umhüllenden Güter, werde die Schweißnaht bei dieser Arbeitsweise beim Stretchen zwangsläufig einer ganz erheblichen Dehnung unterworfen , und zwar nicht nur beim Querstretchen vor dem Umhüllen des Stapels , sondern auch danach, wenn die Haube fest am Stückgut anliege (Streitpatent Beschreibung Abs. 0018). Bei diesen Verfahren träten Probleme insbesondere an den Stellen auf, an denen die bei einer derartigen Schlauchfolien- haube im umhüllten Zustand zwangsläufig entstehenden Zipfel an der betreffenden Stirnseite des Stückgutstapels aufeinander lägen (Streitpatent, Beschreibung Abs. 0019).
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Um dies zu vermeiden, sei bereits vorgeschlagen worden, die Folie vor dem Schweißen zu öffnen, horizontal zu stretchen und erst dann vom Folienvorrat abzutrennen und zu schweißen (deutsche Offenlegungsschrift 37 07 877). Dadurch ergebe sich eine Schweißnaht, deren Länge im Dehnungszustand vor dem Überziehen erheblich größer sei als die Länge der im umhüllten Zustand parallel zu der Schweißnaht verlaufenden Stirnseitenränder des zu umhüllenden Guts (Streitpatent Beschreibung Abs. 0020). Als nachteilig an diesem Verfahren sieht das Streitpatent an, dass die in dem Folienmaterial vorhandenen inneren Spannungen bei der beim Schweißvorgang erfolgenden Plastifizierung des Folienmaterials weitgehend verloren gingen, während sie im Übrigen Folienmaterial verblieben. Dadurch bestehe die Gefahr, dass es in den Grenzbereichen zwischen Schweißnaht und benachbartem Folienmaterial zu Ein- oder Abrissen kommen könne, insbesondere bei mehrfachem Umschlag der verpackten Güter (Streitpatent Beschreibung Abs. 0021).
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2. Diesem Nachteil soll durch die Lehre des Streitpatents abgeholfen und ein Verfahren bereitgestellt werden, bei dem die bisher im Schweißnahtbereich sowie in den benachbarten Bereichen auftretenden Probleme vermieden oder zumindest auf ein unschädliches Maß verringert werden.
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Dies wird nach Patentanspruch 1 erreicht, indem wie folgt verfahren wird: 1. Zum Umhüllen von Stückgutstapeln wird eine Haube aus Stretchfolie gebildet.
2. Zum Bilden der Haube wird aus einem Vorrat dehnbarer ("stretchbarer") Seitenfaltenschlauch zugeführt, der im Bevorratungs - und Zuführzustand
a) zwei einander parallele, eng benachbarte Seitenflächen bestimmter (Zuführ-)Breite,
b) zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen und
c) (vor dem Stretchen) einen um mindestens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut aufweist. 3. Die Haube wird vor dem Stretchen des Seitefaltenschlauchs zum Umhüllen des Stückguts (Stückgutstapels) gebildet. 4. Zum Bilden der Haube wird der Seitenfaltenschlauch
a) mit Abstand zu seinem freien Ende
b) mit einer Quernaht abgeschweißt, deren Länge ("Ideallänge" ) im Wesentlichen gleich der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts/Stückgutstapels ist, und
c) hinter dem die Haube bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt. 5. Ist die (Zuführ-)Breite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht, wird vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des (danach ) die Haube bildenden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite gebracht. 6. Nach dem Abtrennen des die Haube bildenden Abschnitts und der Bildung der Quernaht wird
a) die Haube zum Überziehen über das Stückgut (den Stückgutstapel ) vollständig geöffnet und

b) im Wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt ("gestretcht"). 7. Die Dehnung erfolgt so, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
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Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Beklagten übereinstimmend bekundet haben, versteht der Fachmann - ein Ingenieur , der auf einer Ingenieurschule, einer Fachhochschule oder einer technischen Universität eine Ausbildung auf dem Gebiet des Maschinenbaus erhalten hat, in der Regel über eine mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Förder- und Verpackungstechnik verfügt - und dem die Eigenschaften der zu verarbeitenden Folien entweder aus eigenem Wissen oder aufgrund von Informationen durch die Hersteller bekannt sind - die Angabe, die Quernaht der Stretchfolienhaube solle eine Länge aufweisen, die "im Wesentlichen" der Breite der zur Quernaht der Haube parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Stückguts oder Stückgutstapels entspricht, dahin, dass bei der Länge der Quernaht Toleranzen auftreten können, deren Ausmaß in Patentanspruch 1 offen gelassen ist. Daher legt der Fachmann diese Toleranzen, wenn er den Stapel so umhüllen will, dass keine vorstehenden Zipfel auftreten und übermäßige Spannungen in der Folie nach der Umhüllung des Stückguts vermieden werden, mit der erforderlichen und technisch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand machbaren Genauigkeit so fest, dass die Stretchfolienhaube nach dem Abschweißen der Quernaht und vor dem Überziehen des Stapels mit der Haube in einem solchen Maße gedehnt wird, dass sie sich unter Spannung der oberen Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich am Ende der Quernaht an das Stückgut anlegt.
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Patentanspruch 1 enthält keine Anweisung, nach der der Seitenfaltenschlauch im Bevorratungs- und Zuführzustand eine bestimmte Breite aufzuweisen hat. Der Seitenfaltenschlauch des geschützten Verfahrens weist nach Merkmal 2 c zwar einen um mindestens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut auf. Wie die Erörterung des Patentanspruchs 1 mit den Parteien, dem gerichtlichen Sachverständigen und dem Privatgutachter der Beklagten ergeben hat, ist in jedem Fall erforderlich, einen Seitenfaltenschlauch für die Durchführung des Verfahrens zu verwenden, der nach dem Öffnen und vor dem Stretchen der Folie mittels der dazu erforderlichen Finger oder dergleichen einen Umfang aufweist, der geringer ist als der Umfang der zu verpackenden Güter, damit nach dem Stretchen der Folie und dem Überziehen der Güter mit der gestretchten Haube Rückstellkräfte auftreten, die die Folie so um den Stapel legen, dass dieser mit Druck beaufschlagt wird und die verpackten Güter insbesondere während des Transports zusammengehalten werden. Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass eine bestimmte Breite der Seitenfaltenschlauchfolie in ihrem Bevorratungs- und Zuführzustand geschützt ist. Denn auf welche Breite eine Seitenfaltenschlauchfolie, die den für die Umhüllung des Stückguts erforderlichen Umfang aufweist, gefaltet ist, bevorratet und dem Verfahren zugeführt wird, hängt davon ab, wie tief die V-förmigen und nach innen gefalteten zweiten Seitenflächen (Merkmal 2 b) im Zuführzustand des Seitenfaltenschlauchmaterials ausgebildet sind. Je nach der Tiefe dieser Falten kann die Zuführbreite des den erforderlichen Umfang aufweisenden Schlauchmaterials im Bevorratungs- und Zuführzustand der der Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Gutes entsprechen oder von ihr abweichen.
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Geschützt ist mithin ein Verfahren, bei dem Seitenfaltenschlauchfolie eines Mindestumfangs, der in Abhängigkeit von den zu umhüllenden Gütern steht, verwendet wird, und die im Zuführzustand auf beliebige Breite gefaltet sein kann. Die Haube aus diesem Folienmaterial wird vor dem Stretchen des Seitenfaltenschlauchs gebildet (Merkmal 3), indem das im Bevorratungszustand zusammengefaltete Folienmaterial in einer bestimmten Länge von dem Vorrat abgezogen (Merkmal 4 a) und dabei teilweise geöffnet wird. Die Beschreibung des Streitpatents weist den Fachmann in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das schlauchförmige Folienmaterial vor dem Abschweißen an seinem abzuschweißenden Endabschnitt so verformt wird, dass die beiden zueinander parallelen ersten Seitenflächen unter Verkleinerung oder Vergrößerung der V-förmigen, nach innen gefalteten zweiten Seitenflächen die gewünschte Länge der Schweißnaht aufweisen (Streitpatent Beschreibung Abs. 0027). Zwischen dem zusammengefalteten, in seinem Zuführzustand befindlichen Folienmaterial und dessen freiem Ende (Merkmal 4 a), in das die Mittel zum Abziehen und Stretchen der Folie eingreifen, liegt demzufolge ein Bereich, in dem der die Haube bildende Abschnitt des Folienmaterials eine vom Zuführund Bevorratungszustand abweichende Breite aufweist. In diesem Bereich wird der die Haube bildende Abschnitt mit einer Quernaht abgetrennt, deren Länge ("Ideallänge") im Wesentlichen gleich der parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts (Stückgutstapels) ist (Merkmal 4 b) und wobei das Abtrennen der Haube hinter dem die Haube bildenden Abschnitt erfolgt (Merkmal 4 c). Erst nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der fertigen Haube wird diese vollständig geöffnet (Merkmal 6 a) und auf das zum Überziehen des Guts erforderliche Maß gestretcht (Merkmal 6 b). Dabei erfolgt die Dehnung der fertigen Haube so, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Gut anlegen (Merkmal 7).
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Der Fachmann entnimmt daraus, dass er für die Ausführung des Verfahrens Schlauchmaterial mit dem erforderlichen Mindestumfang, in Relation zur Breite des zu verpackenden Gutes jedoch beliebiger Zuführbreite verwenden kann, wenn er den für die Bildung der Haube erforderlichen Folienabschnitt nach dem Abziehen der Folie von dem Vorrat und vor dem Stretchen der Haube an der Stelle mit einer Quernaht abschweißt, an der die Quernaht so lang bemessen ist, wie das zu umhüllende Gut breit ist (Merkmal 5). Auf diese Weise wird erreicht, dass die Länge der Quernaht nicht nur nach ihrem Abschweißen und Abtrennen vom Vorrat, sondern auch nach dem Stretchen und Umhüllen des zu verpackenden Gutes dessen Breite entspricht. Diese kann von der Breite gegebenenfalls verwendeter Paletten oder dergleichen abweichen und bei verschiedenen Gütern in den einzelnen Lagen unterschiedlich groß sein. Ist die Folie auf diese Weise auf die erforderliche Breite gebracht, die Quernaht in der erforderlichen Länge abgeschweißt und die dadurch gebildete Haube von dem Vorrat getrennt, wird die Haube vollständig geöffnet (Merkmal 6 a) und zur Umhüllung des zu verpackenden Gutes in dem erforderlichen Maß gestretcht.
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Entgegen der von der Klägerin zu 1 vertretenen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführlich erörterten Auffassung ist mit Merkmal 5 kein gegenüber dem Merkmal 4 b selbständiges (alternatives) Verfahren geschützt. Denn das Verfahren nach Patentanspruch 1 lässt sich nicht in zwei alternative Verfahren aufspalten, bei denen im Verlauf des einen Verfahrens die Breite des Schlauchmaterials im Bevorratungszustand bereits der Breite der der Quernaht parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Guts entspricht, so dass die Quernaht in der Bevorratungsbreite der Folie abgeschweißt und eine Anpassung der Länge der Quernaht an die Breite des zu umhüllenden Guts unterbleiben kann, wie dies nach den Angaben der Beschreibung im Stand der Technik praktiziert worden ist (Beschreibung Abs. 0017), und in ein alternatives Verfahren, in dem eine Anpassung in den Seitenlängen der Schlauchfolie erforderlich ist, um eine Quernaht in "Ideallänge" abzuschweißen. Merkmal 5, wonach dann, wenn die Zuführbreite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der abzuschweißenden Quernaht ist, vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des nach dem Abschweißen die Haube bil- denden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite gebracht wird, enthält gegenüber Merkmal 4 b lediglich die zusätzliche Anweisung, dass es zur Erreichung der patentgemäßen Wirkungen, Zipfelbildung und übermäßige Spannungen im Bereich der Quernaht zu vermeiden, ausreicht, wenigstens den oberen Endabschnitt der Haube, an dem die Quernaht abgeschweißt wird, auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite zu bringen. Patentanspruch 1 enthält keine Angaben zu einem Umfalten der Seitenfaltenschlauchfolie, sondern weist den Fachmann an, die Quernaht in einer bestimmten Länge abzuschweißen (Merkmal 4 b), wobei es genügt, den Bereich des die Haube bildenden Abschnitts auf diese Länge zu bringen, an dem die Quernaht abgeschweißt wird. Die Angabe, "wenn die (Zuführ-)Breite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht ist", lässt sich nicht dahin auslegen, wenn nach Merkmal 4 b verfahren werde, finde nur eine Folie Verwendung, die im Bevorratungszustand bereits auf die Breite der Ideallänge gefaltet sei, so dass eine Anpassung der Länge der Quernaht an das zu umhüllende Gut nicht erforderlich sei, und nur aus Merkmal 5 ergebe sich Schutz auch dafür, im Verlauf des Verfahrens die Länge der Quernaht auf die Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Guts einzustellen.
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Soweit die Parteien darüber streiten, ob Patentanspruch 1 mit dem Merkmal 7, wonach die Dehnung der geöffneten Haube so erfolgt, dass sich die unteren Folienabschnitte an den Enden der Quernaht im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen, lediglich eine zwangsläufig eintretende Folge der patentgemäß ausgebildeten Quernaht oder ein eigenständiges Verfahrensmerkmal benennt, hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Vermeidung von Zipfelbildung an den Enden der Quernaht regelmäßig mehr oder weniger deutlich eintritt , wenn die Quernaht die als Ideallänge bezeichnete Länge aufweist, und der Fachmann diese Wirkung durch ein stärkeres oder weniger starkes Stretchen der Haube optimieren kann.
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II. Da die Auslegung des Patentanspruchs 1 ergibt, dass er ein einheitliches , nicht dagegen zwei alternative und voneinander unabhängige Verfahren zum Gegenstand hat, kann das Streitpatent nicht in der von der Klägerin erstrebten Weise teilweise für nichtig erklärt werden. Vielmehr ist das beanspruchte Verfahren in der Gesamtheit seiner Merkmale der Prüfung auf Patentfähigkeit zu Grunde zu legen. Da die Klägerin zu 1 beantragt hat, Patentanspruch 1 des Streitpatents für nichtig zu erklären, legt der Senat den Klageantrag der Klägerin bei dieser Sachlage dahin aus, dass sich die Klage gegen den Patentanspruch 1 insgesamt richtet, auch wenn die Klägerin erklärt hat, dass sich die Nichtigkeitsklage nicht gegen die von ihr als zweite Verfahrensvariante (Merkmal 5) bezeichnete Ausführungsform der beanspruchten Erfindung richten soll.
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III. Der Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit der Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ) liegt entgegen dem Vorbringen der Klägerin zu 1 nicht vor.
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Welche Breite das zu verpackende Gut auf der der Quernaht parallelen Stirnseite hat, kann der Fachmann messen, so dass er die Länge der Schweißnaht entsprechend dieser Breite einstellen kann. Entgegen der Auffassung der Klägerin benennt Patentanspruch 1 die Breite, die zu messen ist, indem er sie als die "zur Quernaht parallele Breite" des zu umhüllenden Stückguts bezeichnet. Diese Breite ist, wie sich aus dem Ausführungsbeispiel entsprechend Fig. 3 des Streitpatents ergibt, die Breite des Stückguts oder Stückgutstapels , die parallel zu der abzuschweißenden Quernaht liegt.

37
Zu der Frage, wie das Verfahren ausgeführt werden kann, entnimmt der Fachmann dem - nicht angegriffenen - Patentanspruch 4, dass er die zum Öffnen und anschließenden Stretchen bestimmten Finger unter teilweisem Öffnen des Abschnitts der Seitenfaltenschlauchfolie, der später die Haube bildet, so weit in eine erste Betriebsstellung zu verfahren hat, bis sich eine Breite des Seitenfaltenschlauchs gleich oder geringfügig kleiner als die Breite des Stückgutstapels und damit im Wesentlichen gleich der Ideallänge der Quernaht ergibt. An dieser Stelle wird die Quernaht abgeschweißt. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, ist eine solche Führung der Mittel, mit denen der Folienabschnitt vom Vorrat abgezogen und teilweise geöffnet wird, dem Fachmann auch dann ohne weiteres möglich, wenn die Zuführbreite des Folienschlauchs größer als die Ideallänge der Quernaht ist. Denn der Fachmann erkennt, dass er in diesem Fall nicht - wie in der Ausführungsform der Erfindung nach Fig. 5 des Streitpatents dargestellt - vier Finger einsetzen muss, die in die vier äußeren Enden des gefalteten Folienschlauchs eingreifen und diesen unter Verzehr der V-förmig ausgebildeten Seiten öffnen, sondern zwei weitere Finger benötigt , die dafür sorgen, dass der V-förmig nach innen gefaltete Bereich der Schlauchfolie nicht verzehrt, sondern vergrößert wird, so dass sich die Zuführbreite des Schlauchmaterials verringert, bevor die Quernaht abgeschweißt, der Folienabschnitt abgetrennt und die Haube danach gestretcht wird.
38
Soweit die Klägerin zu 1 geltend gemacht hat, das Verfahren sei nicht ausführbar, weil das Streitpatent keine Mittel benenne, die verhindern, dass der Folienabschnitt nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube vom Vorrat herabfällt, und ein Nachreffen der teilweise geöffneten Haube vor dem Stretchen erst nach dem Prioritätstag des Streitpatents bekannt geworden sei, übersieht sie, dass das Streitpatent keine Anweisung enthält, die in verschiedene Positionen verfahrbaren Finger oder dergleichen vor dem Ab- schweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube nur teilweise in den die Haube bildenden Folienabschnitt eingreifen zu lassen. Der Fachmann kann die Finger daher in der ersten Arbeitsposition so tief in den später die Haube bildenden Folienabschnitt eingreifen lassen, dass sie den später zu stretchenden Folienabschnitt insgesamt erfassen, und die Finger im ersten Arbeitsschritt nur so weit auseinanderfahren, wie dies zum Öffnen des Schlauchs für den Zweck, eine Quernaht mit der gewünschten Ideallänge zu bilden, erforderlich ist. Der die Haube bildende Folienabschnitt wird bei dem beanspruchten Verfahren erst nach dem Abschweißen der Quernaht vom Vorrat abgetrennt, so dass der die Haube bildende Folienabschnitt an der Bevorratung gehalten wird, bis die Finger oder dergleichen den Schlauchfolienabschnitt nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube von dem Vorrat in eine Kontur bringen, die der Kontur des zu umhüllenden Gutes entspricht.
39
IV. Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung ist auch nicht nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ für nichtig zu erklären ; der Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor.
40
Zur Feststellung, ob dieser Nichtigkeitsgrund (Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Anmeldung) vorliegt, ist der Gegenstand des erteilten Patents mit der Gesamtheit des Inhalts der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu vergleichen und festzustellen, ob die ursprüngliche Offenbarung erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag dem Fachmann von vornherein als zur Erfindung gehörend offenbart worden ist, ohne dass den in den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung formulierten Patentansprüchen die gleiche Bedeutung zukommt wie den Patentansprüchen des erteilten Patents (Sen. Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023 - Einkaufswagen II). Deshalb kann jedenfalls dann, wenn eine Ausführungsform der Erfindung in den ursprüngli- chen Unterlagen als besonders oder höchst bevorzugte Ausführungsform bezeichnet wird, diese zum Gegenstand des Hauptanspruchs gemacht werden.
41
In den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung ist offenbart, dass die Länge der Schweißnaht so gewählt wird, dass sie wenigstens ca. 85 bis 90 % der Länge der im umhüllten Zustand zu ihr parallelen Stirnseitenränder des zu umhüllenden Stückgutes ist. Als bevorzugt werden wenigstens ca. 95 % dieser Länge genannt. Als höchst bevorzugt wird eine Länge der Schweißnaht bezeichnet , die im Wesentlichen gleich der Länge der im umhüllten Zustand zu ihr parallelen Stirnseitenränder des Stückguts ist (Erteilungsakten, ursprüngliche Unterlagen der Anmeldung, Beschreibung Seiten 8, 9 übergreifender Absatz; Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Beschreibung Seite 4, Zeilen 13 - 19). Daraus ist zu ersehen, dass eine Länge der Schweißnaht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, deren Länge jedenfalls ca. 85 % der parallelen Breite des zu umhüllenden Stapels beträgt, die aber auch so lang ausgebildet werden kann, dass sich ihre Länge über die Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des Stückguts erstreckt. Als zur Erfindung gehörend sind damit Längen zwischen ca. 85 und 100% in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen offenbart.
42
Demgegenüber stellt die Angabe in Patentanspruch 1 der neuen europäischen Patentschrift, dass die Quernaht "im wesentlichen" gleich der Länge der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Gutes ist, eine Beschränkung des geschützten Gegenstandes dar. Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Beklagten übereinstimmend ausgeführt haben, versteht der Fachmann unter Angaben wie "im wesentlichen" oder "ca." auf dem hier einschlägigen Gebiet, dass er bei der Ausübung von Verpackungsverfahren mittels Stretchfolien Toleranzen zu berücksichtigen hat, so dass die Länge der Quernaht nicht genau der Breite der Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entsprechen muss, sondern so weit von ihr abweichen kann, dass die Länge der Haubenquernaht der Breite des zu verpackenden Gutes unter Berücksichtigung von Toleranzen entspricht. Patentanspruch 1 stellt daher keine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands über den in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörenden Bereich der Länge der Quernaht von jedenfalls 85 % und im Wesentlichen gleich der Breite des zu verpackenden Gutes dar, sondern eine Beschränkung auf die Ausführungsform, wie sie Gegenstand der höchst bevorzugten Ausführungsform der Erfindung nach den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung ist.
43
Aus Patentanspruch 2 des Streitpatents ergibt sich für den Fachmann nicht, dass die Quernaht über den ursprünglich offenbarten Bereich von mindestens 85 % der Breite des zu umhüllenden Gutes hinaus verkürzt werden kann. Da Patentanspruch 2 eine Ausführungsform der Erfindung nach Patentanspruch 1 darstellt, entnimmt er der Angabe von "ca. 95 %" vielmehr eine Grenze, über die hinaus die Quernaht - unter Berücksichtigung von Toleranzen - nicht verkürzt werden soll, damit die Wirkung eines Anlegens der Zipfel an den Enden der Quernaht auf das verpackte Gut erreicht und übermäßige Spannungen in diesem Bereich vermieden werden.
44
Soweit im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt das Merkmal, wonach der Seitenfaltenschlauch einen "um wenigstens 10 %" geringeren Umfang als das zu umhüllende Gut aufweisen soll, in Patentanspruch 1 aufgenommen worden ist, ergibt sich aus den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung (Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Spalte 2, Zeilen 35 - 40), dass Stretchfolienmaterial eine beachtliche Dehnung von im Allgemeinen wenigstens 10 % und mehr aufweist. Die Aufnahme des genannten Merkmals stellt damit eine ursprünglich offenbarte Einschränkung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung dar, nach der der Umfang des schlauchförmi- gen Stretchfolienabschnitts "kleiner als der Umfang des zu umhüllenden" Gutes sein sollte.
45
Soweit schließlich im Einspruchsverfahren das zusätzliche Merkmal aufgenommen worden ist, "dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen", ist bereits in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Spalte 5, Zeile 46, bis Spalte 6, Zeile 23) darauf hingewiesen, dass sich bei dem höchst bevorzugten Verfahren, bei dem die Länge der Querschweißnaht im Wesentlichen gleich der zu ihr parallelen Stirnseitenränder des zu verpackenden Gutes ist, der Vorteil ergibt, dass sich die auftretenden Spannungen im Wesentlichen senkrecht zur Schweißnaht einstellen, so dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
46
Beide Merkmale sind daher in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart; sie erweitern den beanspruchten Gegenstand nicht, sondern schränken ihn ein.
47
V. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ), da keine der Entgegenhaltungen dem Fachmann sämtliche seiner Merkmale offenbart.
48
1. In dem Artikel "Now - a stretch-film pack keeps out dirt and moisture" (Anlage K 17) wird eine Stretchfolienverpackung dargestellt, bei der Palettenladungen mit einem Sack aus Stretchfolie umhüllt werden. Es werden Seitenfaltensäcke verwendet, die etwa 10 % kleiner sind als die zu umhüllende Ladung und die von einem Vorrat abgezogen und abgeschnitten werden. Die Stretchfolie ist in ihrem Zuführzustand in Falten gelegt, wird von Fingern gerafft und durch Spreizen so gedehnt, dass der Seitenfaltensack über die Ladung passt. Der Artikel enthält weder in den schriftlichen Erläuterungen noch in den bildlichen Darstellungen Hinweise, dass mit ein und demselben Seitenfaltenschlauchmaterial Hauben mit einer Quernaht ausgebildet werden können, deren Länge der Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entspricht , damit nach dem Umhüllen des Gutes schädliche Spannungen und abstehende Zipfel an den Enden der Quernaht vermieden werden. Der Artikel befasst sich mit diesem Problem nicht.
49
2. Der "Prospekt Lachenmeier" (Anlage K 15) befasst sich mit Schrumpfrahmen /Haubenaufbringern (Typen A, B und C), aber auch mit Haubenstreckanlagen (Typ H, Abbildungen 1 bis 5). Die Haubenstreckanlagen arbeiten in der Weise, dass vier verschiedene Foliengrößen unter automatischem Folienwechsel zum Einsatz kommen können. Die Höhe des zu umhüllenden Gutes wird mittels Fotozellen gemessen. Ein vom Folienvorrat abgezogener Seitenfaltenschlauch wird mittels Vakuum geöffnet. Folienhalter werden in die offene Folie hinein geöffnet und verleihen dieser ein der Palettenladung entsprechendes Format, wobei, wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Klägerin übereinstimmend dargelegt haben, der Fachmann erkennt, dass die Folie bei diesem Vorgang gestretcht wird. Erst danach wird die Folie verschweißt , auf die korrekte Länge zugeschnitten und über die Palettenladung gezogen. Hinweise darauf, dass beim Schweißen der Folie darauf zu achten ist, dass die Länge der Quernaht im Wesentlichen der Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entsprechen soll, enthält der Prospekt nicht. In den Darstellungen der Bilder 4 und 5 ist zwar eine Quernaht zu erkennen , von der vermutet werden kann, dass sie der Breite der Stirnseiten des zu umhüllenden Stapels entsprechen könnte. Die Abbildung eines umhüllten Stapels auf der Titelseite und auf Seite 2 des Prospekts zeigt jedoch einen unregelmäßig gebildeten und mit dehnbarer Folie umhüllten Stapel, ohne dass sich aus dieser Abbildung entnehmen lässt, dass die Quernaht mit einer Länge ausgebildet ist, die der Breite der Stirnseite des umhüllten Guts entspricht.
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3. Die in dem "Prospekt Clearly" der TNT Materials Handling (Anlage K 12) dargestellte Vorrichtung nebst Bedienanleitung und Videoaufzeichnung (Anlagen K 13 und K 14) verarbeitet bereits mit einer Quernaht versehene Hauben aus Stretchfolie, ohne dass aus der Beschreibung oder den Abbildungen erkennbar wäre, welche Länge die Quernaht der Haube im Verhältnis zur gegebenenfalls unterschiedlichen Breite der zu verpackenden Güter aufweist. Der Prospekt zeigt Folien mit Quernaht (Seite 2, Foto "Stretch") und umhüllte Stückgutstapel, bei denen die Länge der Haubenquernaht der Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des Stapels entsprechen könnte (Foto in der Mitte des Prospekts). Der Prospekt enthält aber auch Abbildungen von umhüllten Stückgutstapeln , bei denen Zipfel hochstehen (vorletzte Seite Abbildung 5 bei "easier and safer to use"). Maßnahmen, die Zipfelbildung durch Ausbildung der Haubenquernaht in einer bestimmten Länge zu vermeiden, werden nicht offenbart.
51
4. Aus dem "Comptex"- Prospekt (Anlage K 21) ist eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgutstapeln zu ersehen, bei der stretchbare Seitenfaltenschlauchfolie verschiedener Größe zur Umhüllung von Stückgut verwendet wird. Die Folie wird von einem Vorrat abgezogen und durch Saugstiefel geöffnet. Vier Finger greifen in den Schlauch, auf denen die erforderliche Schlauchmateriallänge gerefft wird. Die Oberseite des Sacks wird verschweißt, der Sack vom Vorrat getrennt, gestretcht und auf die zu umhüllenden Güter abgesenkt. Hinweise, dass eine Quernaht in der Länge der Breite der Stirnseite des zu umhüllenden Gutes abgeschweißt wird, finden sich nicht. Die Abbildungen auf der Titelseite des Prospekts zeigen umhüllte Stapel, bei denen am Ende der Quernaht teils Zipfel hochstehen (oberes und rechtes Bild; Bild in der Mitte des Prospekts), teils aber auch nicht (Titelblatt linkes Bild).

52
5. Bei der in der US-Patentschrift 4 050 219 beschriebenen und im Prospekt "Comptex" (Anlage K 21) dargestellten Vorrichtung werden Güter mit elastischer Seitenfaltenschlauchfolie umhüllt (US-Patentschrift 4 050 219, vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 1, Zeile 7; Seite 5, Zeile 12; Fig. 2 a - 2 c). Zum Umhüllen von Paletten unterschiedlicher Größe werden Folien unterschiedlicher Größe bevorratet (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 6, Zeilen 1 - 14). Die Seitenfaltenschlauchfolie wird mittels Vakuumköpfen auseinandergezogen. Sodann greifen Finger in die Folie ein, denen der Schlauch zugeführt wird (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 7, Zeilen 13 - 27). Mittels eines Schneid- und Schließmechanismus wird der Schlauch auf die erforderliche Länge zugeschnitten und geschlossen, wodurch die Bildung der Haube zum Abschluss gebracht wird (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 7, Zeilen 13 - 27). Danach werden die Finger auseinandergefahren , die Haube vollständig geöffnet und durch Dehnung auf eine Größe gebracht, in der die Haube auf das zu umhüllende Gut gezogen werden kann (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 8, Zeilen 1 - 10). Mit der Frage, wie lang die Quernaht der Haube zu bemessen ist, damit Zipfelbildung in den V-förmigen Doppelungsbereichen der Enden der Quernaht vermieden werden kann, befasst sich die Veröffentlichung nicht. In ihr ist daher auch nicht offenbart, beim Schließen der Haube eine Quernaht abzuschweißen, deren Länge der zur Quernaht parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entspricht. Gleiches gilt für die deutsche Offenlegungsschrift 30 03 052, die keine Angaben dazu enthält, welche Länge die Quernaht im Verhältnis zur Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes aufweisen soll.
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VI. Der Senat hat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung gewonnen, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahe gelegt worden ist (Art. 56 EPÜ).

54
Der Fachmann, der am Prioritätstag des Streitpatents die als solche bekannten Verpackungsverfahren mit Stretchfolienhauben verbessern wollte, bei denen Seitenfaltenschlauchfolie von einem Vorrat abgezogen und teilweise geöffnet wird, so dass Finger oder dergleichen in die Folie eingreifen können, die Folie sodann gerefft, zur Bildung einer Haube abgeschweißt, abgeschnitten, gestretcht und auf das zu umhüllende Gut gezogen wird, musste schon aufgrund einfacher Überlegungen erkennen, dass ein Mangel der bekannten Verfahren die bei diesen mehr oder weniger häufig zu beobachtende Zipfelbildung im Bereich der Enden der Quernaht ist. Das ergibt sich nicht nur aus den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen wie des Privatgutachters der Klägerin, sondern wird auch durch die zwar nachveröffentlichte, aber noch vor der Veröffentlichung des Streitpatents ausgegebene deutsche Offenlegungsschrift 38 24 577 belegt, in der beschrieben ist, dass beim Reffen der Folie über den Fingerelementen ein Folienabschnitt verbleibt, der nicht horizontal gestreckt wird, ein verschlechtertes Aussehen der Verpackung bewirkt und insbesondere deshalb nachteilig ist, weil er eine Angriffsfläche für Wind bietet, was zur Folge hat, dass beim Stapeln von verpackten Gütern eine Beschädigung der Oberfläche durch Gabelstaplerzinken kaum vermeidbar ist. Der Fachmann hatte daher am Prioritätstag des Streitpatents Veranlassung, darüber nachzudenken , wie der Bildung von hochstehenden Zipfeln auf mit Stretchfolie umhüllten Gütern begegnet werden kann.
55
Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass zwischen dem Hochstehen von Zipfeln auf umhüllten Gütern und der Länge der Haubenquernaht in Relation zu der ihr parallelen Seite der verpackten Güter ein Zusammenhang bestehen könnte, ist dem druckschriftlich belegten Stand der Technik nicht zu entnehmen. Der Fachmann konnte allenfalls aus der bildlichen Darstellung bekannter Vorrichtungen und der mit ihnen hergestellten Umhüllungen mittelbar Anregun- gen erhalten, über einen derartigen Zusammenhang nachzudenken. Die Beweisaufnahme hat jedoch nicht zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen und die mit ihnen hergestellten Verpackungseinheiten Anregungen in diese Richtung geboten haben.
56
Zwar enthalten die Prospekte "Stretch Packing" (Anlage K 15), "Clearly the Best Alternative" (Anlage K 12), der "Comptex"-Prospekt (Anlage K 21) sowie die US-Patentschrift 4 050 219 mit Fig. 1 Abbildungen, die umhüllte Güter zeigen, bei denen - jedenfalls auf den ersten Blick - die Länge der Quernaht im Wesentlichen der Breite der Stirnseite des verpackten Guts zu entsprechen scheint. Insbesondere die genannten Prospekte zeigen jedoch neben Abbildungen , bei denen hochstehende Zipfel auf dem umhüllten Gut nicht zu erkennen sind, auch solche Abbildungen, bei denen sie vorhanden sind. Der Fachmann ersieht daraus nur, dass mit den dort beschriebenen Vorrichtungen und den auf ihnen ausgeübten Verfahren, was die Bildung von hochstehenden Zipfeln auf der Oberseite der verpackten Güter betrifft, uneinheitliche Ergebnisse erzielt werden. Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Klägerin übereinstimmend dargelegt haben, ist auch durch Messungen und Berechnungen nicht festzustellen, ob diese unterschiedlichen Ergebnisse auf die Art und Weise der Ausbildung der Haubenquernaht zurückzuführen sind. Aus den Darstellungen kann daher nicht geschlossen werden, der Fachmann hätte ihnen einen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der Länge der Quernaht, der Breite der parallelen Stirnseite des Guts und dem Auftreten störender Zipfelbildung auf dem umhüllten Gut entnehmen können. Von einem Fachmann wird zwar erwartet, dass er die auf seinem Fachgebiet üblichen Routineversuche durchführt, so dass Lösungen, die auf diesem Wege gefunden werden, die erfinderische Tätigkeit nicht begründen können (BGH Beschl. v. 28.4.1966 - Ia ZB 9/65 , BlPMZ 1966, 234, 235 - Abtastverfahren, insoweit nicht in GRUR 1966, 583 abgedruckt). Der Senat hat jedoch nicht feststellen können, dass der Fachmann durch die genannten Abbildungen auf den Weg gewiesen worden sein könnte, durch praktische Versuche auszuprobieren, ob sich die Bildung von Zipfeln durch Abschweißen einer Quernaht bestimmter Länge vermeiden lässt. Die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte ergeben, die den Schluss zulassen, dass den genannten Abbildungen ein solcher Offenbarungsgehalt zukommen könnte, so dass dahinstehen kann, ob die Anregung zu solchen Versuchen die Erfindung selbst hätte nahelegen können.
57
Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem Gutachten zwar ausgeführt , der Fachmann hätte am Prioritätstag Versuche angestellt und durch systematische Schritte ermittelt, ob und wie sich die Länge der Quernaht im Verhältnis zu den Proportionen der zu verpackenden Güter auswirkt. Dass solche Erwägungen angestellt wurden, ist aus dem Stand der Technik zu ersehen, da in den bekannten Vorrichtungen jedenfalls teilweise Folien bevorratet wurden, die unterschiedliche Breiten aufwiesen und es daher bereits erlaubten, Abschnitte vom Vorrat abzuschweißen und abzutrennen, die unterschiedlich breit waren und deshalb auch zur Herstellung von Hauben mit Quernähten unterschiedlicher Breite führten. Auf diese Weise konnten bereits zu kurze Quernähte , die beim Stretchen und Ziehen der Haube auf das Gut reißen oder sonst Schaden nehmen können, vermieden werden. Den genannten Abbildungen kann jedoch die Offenbarung eines Zusammenhangs zwischen dem Hochstehen von Zipfeln auf den verpackten Gütern und der Länge der Quernaht, der Anlass zu praktischen Versuchen in dieser Richtung geben könnte, nicht entnommen werden. Von einem Hinweis in diese Richtung kann nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil dem Fachmann im Stand der Technik Abbildungen begegnet sind, die eine Länge der Quernaht zeigen, die bis zum Rand des zu verpackenden Gutes zu reichen scheint. Denn die Abbildungen zeigen nebeneinander auf das Gut gezogene Hauben, bei denen sowohl Zipfelbildung als auch keine Zipfelbildung zu erkennen ist. Sie sind daher mehrdeutig und können dem Fachmann auch die Annahme nahe legen, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Länge der Haubenquernaht, der zu ihr parallelen Breite der Stirnseite der umhüllenden Güter und der unerwünschten Zipfelbildung gibt, und dass der Umstand, dass in einigen Darstellungen verpackter Güter Zipfel an den Enden der Quernaht vermieden sind, also andere Ursachen als eine bestimmte Relation der Länge der Quernaht zur Breite der zu ihr parallelen Stirnseite der verpackten Güter hat. In Betracht kommt, dass aufstehende Zipfel im Bereich der Enden der Quernaht, wenn sie als störend empfunden worden sind, angeschweißt, angeklebt oder auf sonstige Weise niedergelegt worden sind, was der gerichtliche Sachverständige als eine naheliegende und mit einfachen Mitteln zu verwirklichende Lösung bezeichnet hat, zu der ein Fachmann bei der Suche nach einer Lösung des Problems greifen werde. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die im Zeitrahmen des Streitpatents veröffentlichen Vorschläge zur Beseitigung der Zipfel. Wie sich aus der zwar nachveröffentlichten, aber im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Streitpatent angemeldeten Lehre nach der deutschen Offenlegungsschrift 39 24 577 ergibt, wurde zur Zeit der Anmeldung des Streitpatents vorgeschlagen, der als störend empfundenen Zipfelbildung durch Zuschweißen der Folienabschnitte an den Enden der Quernaht entgegenzuwirken.
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Es kann dahinstehen, ob der Fachmann vor dem Hintergrund dieser Problemlösungen überhaupt noch Veranlassung hatte, nach weiteren Wegen zu suchen, wie unerwünschte Spannungen in der Quernaht und Zipfelbildung an den Enden der Haubenquernaht zu beseitigen waren, insbesondere, wie dieses Problem ohne gegenüber den bekannten Verfahren zusätzliche Verfahrensschritte und ohne zusätzlichen Aufwand bezüglich der zum Umhüllen der zu verpackenden Güter erforderlichen Vorrichtung bereits in seiner Entstehung vermieden werden konnte. In der Beweisaufnahme sind keine Anhaltspunkte für die Annahme zu Tage getreten, dass Anlass dazu bestanden hätte, mit den bekannten Vorrichtungen eine Abstimmung der Länge der abzuschweißenden Quernaht auf die Breite der zu ihr parallelen Stirnseite der zu umhüllenden Güter vorzunehmen. Allein aus dem Bestreben des Fachmanns, erkannte Probleme bereits in ihrer Entstehung zu vermeiden und sie nicht, wenn sie aufgetreten sind, zu beseitigen, kann nicht hergeleitet werden, dass vom Fachmann Versuche in einer bestimmten Richtung zu erwarten sind. Deshalb kann nicht mit der für die Verneinung des Beruhens des beanspruchten Verfahrens auf erfinderischer Tätigkeit hinreichenden Sicherheit angenommen werden, dass der Fachmann aus dem Nacharbeiten der Umhüllung von Gütern mit den im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen Anhaltspunkte gewonnen haben könnte, Versuche durchzuführen, bei denen die Wirkung von Quernähten ausprobiert wird, deren Länge in unterschiedlicher Relation zur Breite der Stirnseite der zu umhüllenden Güter steht.
59
Da nicht festgestellt werden kann, dass dem Fachmann das erfindungsgemäße Verfahren durch den Stand der Technik nahegelegt war, hat Patentanspruch 1 in seiner geltenden Fassung Bestand.
60
VII. Das Verfahren nach Patentanspruch 2 unterscheidet sich von dem Verfahren nach Patentanspruch 1 dadurch, dass die Mindestlänge der Quernaht kleiner als bei dem Verfahren nach Patentanspruch 1 gewählt und mit mindestens 95 % der Breite der parallelen Stirnseite des zu verpackenden Guts quantifiziert wird. Das Verfahren stellt eine zweckmäßige weitere Ausgestaltung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 dar und hat mit diesem Bestand.
61
VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG, §§ 91, 100, 269 Abs. 3 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.04.2001 - 1 Ni 10/00 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 178/01
vom
9. März 2004
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Stretchfolienumhüllung
Auch wenn der Beklagte auf das Streitpatent verzichtet hat, kann es billigem
Ermessen entsprechen, die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten
Patentnichtigkeitsverfahrens dem Kläger aufzuerlegen.
BGH, Beschl. v. 9. März 2004 - X ZR 178/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Keukenschrijver,
Dr. Meier-Beck und Asendorf
am 9. März 2004

beschlossen:
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Der Streitwert für das Nichtigkeitsberufungsverfahren wird auf 2.045.168,-- esetzt.

Gründe:


I. Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 6. Juni 1989 angemeldeten deutschen Patents 30 18 311 (Streitpatents). Patentanspruch 1 lautet in der Fassung, die er im Einspruchsverfahren erhalten hat:
"Verfahren zum Umhüllen von Stückgut mittels Stretchfolie, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel, die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen be-
stehen, wobei ein schlauchförmiger Folienabschnitt, dessen Umfang kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückgutes, von einem (Schlauch-)Folienvorrat abgezogen und an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet wird; die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes durch Reffen in im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stückgutes verlaufende Falten gelegt werden; der Schlauchfolienabschnitt an seinem dem Folienvorrat zugekehrten Ende abgeschweißt und die so gebildete Folienhaube vom Folienvorrat abgetrennt wird; die Folienhaube in horizontaler Querrichtung quergestretcht wird, und die quergestretchte Folienhaube unter das Folienmaterial glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die in an sich bekannter Weise um wenigstens 10% quergestrechte Folienhaube beim Überziehen im Bereich der Haubenseitenwände zusätzlich in vertikaler Längsrichtung um mindestens 10% ihrer vertikalen Länge im quergestretchten Zustand längsgestretcht wird."
Patentanspruch 6 lautet:
"Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut mittels Stretchfolie, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel , die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen, mit einer Schlauchfolien-Abzugseinrichtung, mittels welcher schlauchförmige Stretchfolie abschnittsweise von einem
Schlauchfolienvorrat abzuziehen ist; einer der Abzugseinrichtung nachgeordneten Aufspreizeinrichtung, mittels welcher die schlauchförmige Stretchfolie an ihrem freien Endabschnitt aufzuspreizen ist; einer der Aufspreizeinrichtung nachgeordneten Reffeinrichtung zum Reffen des Folienabschnittes über eine vertikale Strecke, die kleiner ist als die Länge des Folienabschnittes; einer Schweißeinrichtung zum Abschweißen eines von dem Folienvorrat abgezogenen Schlauchfolienabschnittes an dessen dem Folienvorrat zugekehrten Endabschnitt; einer Schneideinrichtung, mittels welcher jeweils eine beim Abschweißen gebildete Folienhaube von dem Folienvorrat abzutrennen ist, einer QuerStretcheinrichtung , mittels welcher der Folienabschnitt in horizontaler Querrichtung zu stretchen ist; und einer (Haubenüberzieh -)Hubeinrichtung, mittels welcher die quergestretchte Haube über das zu umhüllende Stückgut zu ziehen ist, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, gekennzeichnet durch eine Längsstretcheinrichtung (14, 24), deren Längsstretchelemente wenigstens in den Eckbereichen des geöffneten Folienschlauches anzuordnen sind, mittels welcher der Folienabschnitt/die Folienhaube (3´´) in vertikaler Längsrichtung (25) um mindestens 10%, ihrer vertikalen Länge im quergestrechten Zustand längszustretchen ist."
Wegen des Wortlauts der den Patentansprüchen 1 bzw. 6 untergeordneten weiteren Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 13 wird auf die Patentschrift (C3-Schrift) verwiesen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin mangels Patentfähigkeit für nichtig erklärt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Mit Eingabe vom 4. Dezember 2003 hat sie gegenüber dem Patentamt auf das Streitpatent verzichtet und zugleich erklärt, daß sie auch für die Vergangenheit auf jegliche Ansprüche aus dem Patent und der ihm zugrundeliegenden Anmeldung verzichte.
Die Parteien haben den Rechtsstreit daraufhin übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt und beantragen wechselseitig, der anderen Partei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II. Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen (§ 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91a Abs. 1 ZPO). Denn wenn sich der Rechtsstreit nicht anderweitig erledigt hätte, wäre die Nichtigkeitsklage voraussichtlich abzuweisen gewesen.
Zwar ist in einigen Entscheidungen angenommen worden, daß im Regelfall nach Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent der Prozeßausgang im Sinne eines zu erwartenden Erfolgs der Nichtigkeitsklage nicht zweifelhaft erscheint (BGH, Beschl. v. 9.12.1960 - I ZR 121/59, GRUR 1961, 278 - Lampengehäuse; Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 113/94, Bausch I, 557 - Möbelscharnier; vgl. aber auch Sen.Beschl. v. 6.7.1967 - Ia ZR 88/64, Liedl 1967/68, 196, 200). Im Streitfall ist die Annahme, das Streitpatent hätte sich voraussichtlich als nicht patentfähig erwiesen, jedoch nicht gerechtfertigt.
Denn der Gegenstand des Streitpatents stimmt im wesentlichen mit dem Gegenstand des europäischen Patents 344 815 überein, für das die Priorität der Anmeldung des Streitpatents in Anspruch genommen wird. In dem jenes Patent betreffenden Nichtigkeitsverfahren zwischen denselben Parteien hat der Senat mit Urteil vom 1. April 2003 die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen. Da weder zusätzlicher Stand der Technik dargetan noch Anhaltspunkte dafür hervorgetreten sind, daß der Stand der Technik anders bewertet werden müßte, als dies der Senat in seinem Urteil vom 1. April 2003 auf der Grundlage der Verhandlung und Beweisaufnahme in der Sache X ZR 136/99 getan hat, war ein Erfolg der Nichtigkeitsklage auch im Streitfall nicht zu erwarten.
Die bestehenden Unterschiede zwischen den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 6 des Streitpatents einerseits und der Patentansprüche 1 und 12 des europäischen Patents andererseits können dabei außer Betracht bleiben , da das europäische Patent den Gegenstand des teilweise enger gefaßten Streitpatents umfaßt. Patentanspruch 1 des Streitpatents verlangt ein zusätzliches Längsstretchen der quergestretchten Folienhaube im Bereich der Haubenseitenwände in vertikaler Längsrichtung um mindestens 10% ihrer vertikalen Länge im quergestretchten Zustand, während nach Patentanspruch 1 des europäischen Patents die Folienhaube um mindestens 5% längszustretchen ist. Patentanspruch 6 des Streitpatents konkretisiert die in Patentanspruch 12 des europäischen Patents lediglich als solche aufgeführte Längsstretcheinrichtung dahin, daß deren Längsstretchelemente wenigstens in den Eckbereichen des geöffneten Folienschlauches anzuordnen sind.
Soweit sich Patentanspruch 1 des Streitpatents und Patentanspruch 1 des europäischen Patents (und weil sie Vorrichtungen zur Durchführung des
betreffenden Verfahrens betreffen, auch die Patentansprüche 6 bzw. 12) ihrem Wortlaut nach weiterhin dadurch unterscheiden, daß das zusätzliche Längsstretchen nach Patentanspruch 1 des Streitpatents beim Überziehen erfolgen soll, während Patentanspruch 1 des europäischen Patents vom Längsstretchen "vor dem Überziehen" spricht, liegt darin kein sachlicher Unterschied. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 1. April 2003 näher begründet hat, ist die Wendung "vor dem Überziehen" im europäischen Patent im Sinne von "vor dem vollständigen Überziehen" bzw. "während des Überziehens" zu verstehen. Der Wortsinn (technische Sinngehalt) beider Formulierungen stimmt damit überein.
Melullis Jestaedt Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 103/04 Verkündet am:
5. Mai 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Dr. Lemke, Asendorf, Gröning und Dr. Berger

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 29. April 2004 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 17. April 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 38 13 421 vom 21. April 1988 angemeldeten, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 388 637 (Streitpatents), das eine HochdruckQuecksilberdampfentladungslampe betrifft. Sie nimmt die Klägerin vor dem Landgericht H. wegen Patentverletzung aus dem Streitpatent in Anspruch. Das Patent umfasst drei Patentansprüche, von denen die angegriffenen Patentansprüche 1 und 2 wie folgt lauten: "1. Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampe mit einem Kolben aus hochtemperaturfestem Material, der Elektroden aus Wolfram und eine Füllung enthält, die im wesentlichen aus Quecksilber, Edelgas und im Betriebszustand freiem Halogen besteht, dadurch gekennzeichnet , dass die Quecksilbermenge größer als 0,2 mg/mm3 ist, der Quecksilberdampfdruck größer als 200 x 105 Pa (200 bar) und die Wandbelastung größer als 1 W/mm2 ist und dass wenigstens eines der Halogene Chlor, Brom oder Jod in einer Menge zwischen 10-6 und 10-4 μmol/mm3 vorhanden ist.
2. Entladungslampe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Quecksilbermenge zwischen 0,2 und 0,35 mg/mm3 und der Quecksilberdampfdruck im Betrieb zwischen 200 x 105 Pa und 350 x 105 Pa (200 und 350 bar) liegt."
2
Die Klägerin hat mit der Teilnichtigkeitsklage geltend gemacht, das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne, die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 2 seien nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Hierzu hat die Klägerin die im angefochtenen Urteil aufgeführten Unterlagen vorgelegt.
3
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 und 2 für nichtig zu erklären.
4
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

5
Sie hat die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents für patentfähig gehalten und diese hilfsweise in den Fassungen der Anträge 1 bis 3 der Anlagen zum Verhandlungsprotokoll des Bundespatentgerichts verteidigt.
6
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen, hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
7
Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 2 beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Hierzu bezieht sich die Klägerin auf Elenbaas et al., Quecksilberdampf-Hochdrucklampen 1951 (K 14) und 1966 (K 20), das US-Patent 3 382 396 (K 22) sowie die japanischen Offenlegungsschriften 54-150871 (K 13) und 49-5421 (K 15). Ergänzend hat sie sich auf die japanische Offenlegungsschrift 53-139377 (E 5) bezogen und zunächst weiterhin geltend gemacht, die Erfindung sei in der Patentschrift nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie hätte ausführen können.
8
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1 und 2 - auch soweit das Streitpatent nach den Hilfsanträgen beschränkt verteidigt wird - mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
9
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
10
Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in folgenden Fassungen seiner Patentansprüche 1 und 2: Hilfsantrag 1 (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind kursiv gesetzt): "1. Nicht stabilisierte Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampe mit einem Kolben aus hochtemperaturfestem Material, der Elektroden aus Wolfram und eine Füllung enthält, die im wesentlichen aus Quecksilber, Edelgas und im Betriebszustand freiem Halogen besteht , dadurch gekennzeichnet, dass die Quecksilbermenge größer als 0,2 mg/mm3 ist, der Quecksilberdampfdruck größer als 200 x 105 Pa (200 bar) und die Wandbelastung größer als 1 W/mm2 ist und dass wenigstens eines der Halogene Chlor, Brom oder Jod in einer Menge zwischen 10-6 und 10-4 μmol/mm3 vorhanden ist.
2. Entladungslampe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Quecksilbermenge zwischen 0,2 und 0,35 mg/mm3 und der Quecksilberdampfdruck im Betrieb zwischen 200 x 105 Pa und 350 x 105 Pa (200 und 350 bar) liegt."
Hilfsantrag 2 (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind fett gesetzt ):
"1. Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampe mit einem Kolben aus hochtemperaturfestem Material, der Elektroden aus Wolfram und eine Füllung enthält, die im wesentlichen aus Quecksilber, Edelgas und im Betriebszustand freiem Halogen besteht, dadurch gekennzeichnet , dass die Quecksilbermenge größer als 0,2 mg/mm3 ist, der
Quecksilberdampfdruck größer als 200 x 105 Pa (200 bar) und die Wandbelastung größer als 1 W/mm2 ist (gestrichen "und"), dass wenigstens eines der Halogene Chlor, Brom oder Jod in einer Menge zwischen 10-6 und 10-4 μmol/mm3 vorhanden ist und dass die Lam- pe keine so hohe Halogenidkonzentration enthält, dass dadurch der Kontinuumsanteil der Strahlung nenneswert erhöht wäre.
2. Entladungslampe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Quecksilbermenge zwischen 0,2 und 0,35 mg/mm3 und der Quecksilberdampfdruck im Betrieb zwischen 200 x 105 Pa und 350 x 105 Pa (200 und 350 bar) liegt."
Hilfsantrag 2 a (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind fett und kursiv gesetzt):
"1. Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampe mit einem Kolben aus hochtemperaturfestem Material, der Elektroden aus Wolfram und eine Füllung enthält, die im wesentlichen aus Quecksilber, Edelgas und im Betriebszustand freiem Halogen besteht, dadurch gekennzeichnet , dass die Quecksilbermenge größer als 0,2 mg/mm3 ist, der Quecksilberdampfdruck größer als 200 x 105 Pa (200 bar) und die Wandbelastung größer als 1 W/mm2 ist (gestrichen "und"), dass wenigstens eines der Halogene Chlor, Brom oder Jod in einer Menge zwischen 10-6 und 10-4 μmol/mm3 vorhanden ist und dass die Lam- pe kein Metallhalogenid enthält.
2. Entladungslampe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Quecksilbermenge zwischen 0,2 und 0,35 mg/mm3 und der
Quecksilberdampfdruck im Betrieb zwischen 200 x 105 Pa und 350 x 105 Pa (200 und 350 bar) liegt."
Hilfsantrag 3 (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen ):
"1. Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampe mit einem Kolben aus hochtemperaturfestem Material, der Elektroden aus Wolfram und eine Füllung enthält, die im wesentlichen aus Quecksilber, Edelgas und im Betriebszustand freiem Halogen besteht, dadurch gekennzeichnet , dass die Quecksilbermenge größer als 0,2 mg/mm3 ist, der Quecksilberdampfdruck größer als 200 x 105 Pa (200 bar) und die Wandbelastung größer als 1 W/mm2 ist (gestrichen "und"), dass wenigstens eines der Halogene Chlor, Brom oder Jod in einer Menge zwischen 10-6 und 10-4 μmol/mm3 vorhanden ist und der Elektrodenabstand etwa 1 - 1,2 mm beträgt.
2. Entladungslampe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Quecksilbermenge zwischen 0,2 und 0,35 mg/mm3 und der Quecksilberdampfdruck im Betrieb zwischen 200 x 105 Pa und 350 x 105 Pa (200 und 350 bar) liegt."
11
Die Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent jedenfalls in den hilfsweise verteidigten Fassungen für patentfähig.
12
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr. K. G. eingeholt, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat das im Verletzungsstreit eingeholte Gutachten des Dr. H. H. (E 2) vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


13
I. Die Klage ist trotz des infolge Zeitablaufs eingetretenen Erlöschens des Streitpatents zulässig, da die Klägerin aus dem Streitpatent wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird, so dass das für diesen Fall nach der Rechtsprechung des Senats erforderliche eigene Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin vorliegt (vgl. nur Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. Rdn. 85 mit umfassenden Nachw.). Die zulässige Berufung bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg, da die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen.
14
II. 1. Das Streitpatent betrifft eine Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampe mit einem Kolben aus hochtemperaturfestem Material, der Elektroden aus Wolfram und eine Füllung aufweist, die im wesentlichen Quecksilber, Edelgas und im Betriebszustand freies Halogen enthält.
15
Zum Stand der Technik gibt das Streitpatent an, aus der deutschen Auslegeschrift 14 89 417 sei eine Superhochdruck-Quecksilberdampfentladungslampe mit einem langgestreckten Quarzglaskolben mit 55 mm3 Inhalt bekannt. Der Inhalt bestehe aus Edelgas und 6,5 mg Quecksilber, was einer Quecksilbermenge von 0,12 mg/mm3 entspreche. Der Quecksilberdampfdruck liege bei etwa 120 x 105 Pa (120 bar) und die Leistungsdichte bei etwa 14,5 W/mm3. Die Kühlung erfolge einerseits an der Wand des Kolbens mittels eines Wasserstroms, andererseits durch Einfüllung von je mm3 5 x 10-4 bis 5 x 10-2 und Hal (μg Atom) mindestens eines Halogens. An diesen Lampen kritisiert das Streitpatent das im Wesentlichen typische Quecksilberspektrum mit niedrigem Rotanteil des emittierten Lichts (S. 1, Z. 6 - 15). An der aus der britischen Patentschrift 11 09 135 bekannten Lampe mit einem Kapil- larrohrkolben aus Quarzglas und mit einer Füllung von 0,15 mg Quecksilber und Metalljodid (Quecksilberdampfdruck von etwa 150 x 105 Pa = 150 bar) kritisiert das Streitpatent, dass die hohe Elektrodenbelastung zum Verdampfen von Wolfram und damit zu einer Abschwärzung des Kolbens und möglicherweise zu einer Explosion der Lampe führe (S. 1, Z. 16 - 22).
16
2. Diesen Nachteilen soll durch die geschützte Erfindung abgeholfen und eine Hockdruck-Quecksilberdampfentladungslampe bereitgestellt werden, die außer einer hohen Leuchtdichte und einer guten Lichtausbeute eine verbesserte Farbwiedergabe sowie eine längere Lebensdauer besitzt. Erreicht wird dies nach Patentanspruch 1 durch folgende Ausbildung der Lampe: 1. Die Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampe verfügt über
a) einen Kolben aus hochtemperaturfestem Material,
b) Elektroden aus Wolfram
c) und enthält eine Füllung, die im wesentlichen aus Quecksilber, Edelgas und im Betriebszustand freiem Halogen besteht, 2. wobei
a) die Quecksilbermenge größer als 0,2 mg/mm3 ist,
b) der Quecksilberdampfdruck größer als 200 x 105 Pa (200 bar) ist
c) und die Wandbelastung größer als 1 W/mm2 ist. 3. Wenigstens eines der Halogene Chlor, Brom oder Jod ist in einer Menge zwischen 10-6 und 10-4 μmol/mm3 vorhanden.
17
Derartige Lampen werden, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, zur Ausleuchtung von Projektoren und Beamern verwendet und hauptsächlich zur Steigerung der Lichtausbeute, der Verbesserung der Farbwiedergabeeigenschaften, der Erzeilung einer möglichst hohen und dem Gerät angepassten Leuchtdichtevertei- lung der Lichtquelle sowie einer möglichst langen Lebensdauer und eines umweltverträglichen Betriebs sowie umweltverträglichen Entsorgung entwickelt.
18
a) Hinsichtlich der Elektroden der patentgemäßen Lampe bestimmt Patentanspruch 1, dass die Elektroden "aus" Wolfram bestehen, während der Anspruch hinsichtlich der Füllung der Lampen angibt, dass diese eine Füllung mit im Wesentlichen den in Merkmal 1 c genannten Bestandteilen "enthält". Damit kommt in Merkmal 1 c zum Ausdruck, dass in der Füllung auch weitere Bestandteile enthalten sein können. Eine solche auf weitere Bestandteile hindeutende Formulierung enthält die Angabe "aus" Wolfram nicht, so dass aus den genannten Angaben zu schließen ist, dass die patentgemäßen Elektroden außer Wolfram keine weiteren Bestandteile enthalten.
19
Dies deckt sich mit dem dem Streitpatent aus dem Stand der Technik entgegengehaltenen Material. So weist beispielsweise die von der Klägerin erstinstanzlich in das Verfahren eingeführte und eine Quecksilber-Kapillarhochdruckdampflampe betreffende US-Patentschrift 2 094 694 (K 11) darauf hin, dass die aus Wolfram bestehenden Elektroden eine Beschichtung aus Erdalkalioxid wie Bariumoxid enthalten können (S. 2 li. Sp., Z. 66 - 75, deutsche Übersetzung S. 4, 5 übergreifender Absatz). In der japanischen Offenlegungsschrift 49-5421 (K 15) ist angegeben, dass die aus Wolfram bestehenden Elektroden thoriert sind (deutsche Übersetzung S. 2, Z. 5). In der Publikation von Elenbaas (1966, K 20) werden Elektrodenkörper aus Wolfram, denen ein Thorium-Streifen eingelegt ist, als Thorium-Elektroden bezeichnet (S. 119). Auf Thorium-Zusätze oder Dotierungen, die als nachteilig angesehen werden , wird gesondert hingewiesen und als geeignetes Elektrodenmaterial "Wolfram" (also ohne weitere Zusätze) bezeichnet (S. 267). In Übereinstimmung damit hat der gerichtliche Sachverständige dargelegt, dass die Fachwelt am Prioritätstag des Streitpatents auch erwartet hat, auf derartige Zusätze oder Dotierungen ausdrücklich hingewiesen zu werden, was dem durch die genannten Schriften belegten Sprachgebrauch der Fachwelt entspricht. Diesem fachmännischen Verständnis entspre- chend kommt der Angabe "aus Wolfram" in Patentanspruch 1 der technische Sinngehalt zu, dass die patentgemäßen Elektroden (ausschließlich) aus Wolfram ohne weitere Bestandteile oder Dotierungen zu bestehen haben. Hierdurch wird, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, zwar der Optimierungsspielraum bei der Ausbildung patentgemäßer Lampen eingeschränkt, zugleich aber der Vorteil erreicht, dass die zu starke Abdampfung der Zusätze bei relativ niedrigen Temperaturen vermieden und dadurch die Elektrodentemperatur deutlich erhöht werden kann. Darüber hinaus wird durch diese Maßnahme erreicht, dass eine Beeinträchtigung des "Wolframtransportzyklus" (dazu unter b) wegen der großen Affinität derartiger Zusätze zu Halogen vermieden wird (Gutachten S. 5, 6 übergreifender Absatz).
20
b) Während Edelgas als Bestandteil der Lampenfüllung lediglich der Erleichterung des Zündvorgangs der patentgemäßen Lampen dient, kommt, wie die Beschreibung des Streitpatents angibt (Beschreibung S. 2, Z. 47 - 54), dem im Betriebszustand freien Halogen (Chlor, Brom oder Jod) die Aufgabe zu, einen "Wolframtransportzyklus" in Gang zu setzen, durch den beim Betrieb der Lampe von den Elektroden verdampfendes Wolfram wieder zu den Elektroden transportiert wird, so dass eine Anlagerung des verdampften Wolframs an der Innenwand des Lampenkolbens und damit eine Wandabschwärzung und in deren Folge eine Entglasung des Kolbenmaterials der Lampen vermieden oder jedenfalls verringert wird. Denn nach den von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen wird ein Teil des in der Füllung der patentgemäßen Lampen enthaltenen Halogens während des Brennvorgangs an Quecksilber und andere enthaltene Stoffe gebunden, die etwa als Verunreinigung vorhanden sind. Deshalb muss ein Überschuss an Halogen vorhanden sein, um über das sich bildende Gleichgewicht von Quecksilber und Quecksilberhalogenid hinaus als freies Halogen für den genannten "Wolframtransportzyklus" zur Verfügung zu stehen. Dabei wird durch das freie Halogen von den Elektroden abgedampftes Wolfram in den wandnahen kälteren Zonen des Kolbens in Wolframhalogenid umgewandelt, das sich wegen seines nied- rigen Siedepunktes nicht an der Wand niederschlagen kann und in den heißeren Zonen nahe der Elektroden wieder in Halogen und Wolfram dissoziiert (Gutachten S. 6).
21
Im Unterschied zu den Angaben des Patentanspruchs 1 zum im Betriebszustand freien Halogen (Merkmal 1 c) enthalten seine Angaben zur Menge der Halogene (Merkmal 3) keine unmittelbaren Aussagen darüber, ob es sich bei ihnen um die Füllmenge oder die im Betriebszustand freie Menge an Halogen handelt, so dass nach dem Wortlaut des Patentanspruchs beide Auslegungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen sind.
22
Bei dieser Auslegung ist zu berücksichtigen, dass in die patentgemäßen Lampen das Halogen, beispielsweise Brom, nicht in atomarer Form, sondern in Form von CH2Br2 (Methylenbromid, Dibrommethan) bei einem Fülldruck von etwa 0,1 mbar eingebracht und angegeben wird, dass sich diese Verbindung zersetzt, sobald die Lampe entzündet wird (Beschreibung S. 2, Z. 55 - 57). Dies deckt sich mit den Angaben zur Füllmenge mit Methylenbromid (Dibrommethan) in den Ausführungsbeispielen der Lampen 1 bis 3 (Beschreibung S. 4 und 5 jeweils unter "Füllmenge" und "Halogen" ). Dabei entspricht, wie der Gutachter H. in dem im Verletzungsprozess vorgelegten schriftlichen Gutachten (S. 12) dargelegt und der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, die Füllmenge an Methylenbromid einem Anteil von Brom in Höhe von 10-5 μmol/mm3 im Zersetzungsprodukt des Methylenbromids nach der Zündung der Lampe. So ist dies auch im Ausführungsbeispiel nach Lampe 1 in der Beschreibung des Streitpatents angegeben.
23
Daraus folgt, dass die in Merkmal 3 angegebene Menge von mindestens 10-6 und maximal 10-4 μmol/mm3 Halogen nur eine andere Schreibweise für das für den Betrieb der Lampe insgesamt erforderliche Halogen ist, das der Füllung der Lampe in Form einer Halogenverbindung zugesetzt werden muss, damit sich nicht nur ein Gleichgewicht von Quecksilber und Quecksilberhalogenid beim Betrieb der erfin- dungsgemäßen Lampe einstellt, sondern darüber hinaus auch noch eine hinreichend geringe und nicht zu große Menge des nach dem Zersetzungsprozess der in die Lampe eingefüllten Halogenverbindung vorhanden ist, um den nach der Zündung der Lampe erforderlichen "Wolframtransportzyklus" während des weiteren Betriebs mittels der sich einstellenden Menge (in diesem Sinne "freien") Halogens aufrechtzuerhalten. Durch Variation der in die Lampe einzufüllenden Menge einer der beanspruchten Halogenverbindungen ist daher jede Halogenkonzentration im beanspruchten Bereich einstellbar.
24
Das sachkundig besetzte Bundespatentgericht hat dies ebenso gesehen (Urteil S. 13). Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in der Mengenangabe des Merkmals 3 eine Angabe zum im Betriebzustand (nach Abzug des mit dem Quecksilber zu Quecksilberhalogenid und mit etwaigen Verunreinigungen reagierenden Halogens ) in der brennenden Lampe vorhandenen Menge (und in diesem Sinne "freien") Halogens gesehen (schriftliches Gutachten S. 7). Dem kann jedoch nicht beigetreten werden. Vielmehr definiert die Mengenangabe in Merkmal 3 die Menge an Halogen, mit der die patentgemäße Lampe (in Form einer Halogenverbindung) gefüllt werden muss, damit sich beim Betrieb der Lampe das Gleichgewicht zwischen Quecksilber und Qecksilberhalogenid einstellen sowie ein danach "freier" Rest an Halogen für die Durchführung des "Wolframtransportzyklus" ausbilden kann.
25
Soweit die Parteien darüber streiten, welche Auswirkungen Verunreinigungen mit hoher Affinität zu Halogenen - etwa im Material der Lampenkolben, der Elektroden oder aufgrund der sonstigen Herstellungsbedingungen - auf die Menge des beim Betrieb der Lampe vorhandenen "freien" Halogens haben, hat der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Wirkungen derartiger Verunreinigungen in ohnehin durchzuführenden Tests der Lampen infolge des Auftretens von Abschwärzungen festgestellt werden und derartigen Wirkungen durch Fachleute der hier vorauszusetzenden Qualifikation (dazu unter c) mittels entspre- chender Anforderungen beispielsweise an die Reinheit des jeweiligen Materials entgegengetreten werden kann.
26
c) Die mündliche Verhandlung hat schließlich ergeben, dass - wie das sachkundig besetzte Bundespatentgericht bereits ausgeführt hat (Urteil S. 8) - die Angaben des Patentanspruchs 1 zu der Merkmalsgruppe 2 nach fachmännischem Verständnis in einem technischen Zusammenhang stehen.
27
Fachleute, bei denen es sich nach den von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen am Prioritätstag um akademisch gebildete, auf dem Gebiet des Streitpatents spezialisierte Ingenieure der Fachrichtungen Physik, Chemie, Materialwissenschaften oder Elektronik mit Diplomabschluss oder Promotion und mehrjähriger Berufserfahrung gehandelt hat, deren Kenntnisse und Erfahrungen denjenigen von universitären Forschungseinrichtungen nicht nachstanden, haben den Angaben des Streitpatents zur Mindestfüllmenge an Quecksilber, zum Quecksilberdampfdruck und zur Mindestwandbelastung entnommen , dass die patentgemäßen Lampen mit einer Temperatur von ca. 950 °C betrieben werden. Zwar ergeben sich nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen die beanspruchten Quecksilberdampf-Betriebsdrücke von mehr als 200 bar (Merkmal 2 b) von selbst, wenn einem der beschriebenen Ausführungsbeispiele gefolgt wird. Diese werden aber nur dann erreicht, wenn die eingefüllte Quecksilbermenge tatsächlich verdampft ist, was nur dann gewährleistet ist, wenn die Wandbelastung den Wert von 1 W/mm2 überschreitet (Merkmal 2 c) und damit eine Mindesttemperatur der Gefäßwand von 950 °C erreicht oder überschritten ist (Gutachten S. 6, 7).
28
Dabei kommt der Angabe der Mindestwandbelastung eine besondere Bedeutung zu. Denn mit Wandbelastung wird der Quotient aus der Lampenleistung und der inneren Oberfläche eines zylindrischen oder elliptischen Entladungsraums aus Quarzglas bezeichnet, so dass aus ihrem Wert die Wandtemperatur des Gefäßes grob abgeschätzt werden kann. Wie der gerichtliche Sachverständige noch näher dargelegt hat, erschloss sich der Fachwelt daher aus einem Vergleich der Wandbelastung , ob es sich bei der Lampe um eine (wandstabilisierte) Kapillar- oder eine (elektrodenstabilisierte) Kurzbogenlampe handelt. Denn bei der elektrodenstabilisierten Kurzbogenlampe konzentriert sich die Hitze auf den kurzen Bereich zwischen den Elektroden. Bei den Kapillarlampen dient dagegen die Gefäßwand der Begrenzung des Elektronenstroms zwischen den Elektroden, so dass sich die Gefäßwand gegenüber den Kurzbogenlampen wesentlich stärker erwärmt. Hier ist der Wert von 1 W/mm² kein für die Typik der Lampe signifikanter Wert, der überschritten sein muss. Die Gefäßwand ist deutlich höheren Belastungen ausgesetzt, weshalb Kapillarlampen eine Zwangskühlung mittels Wassers und/oder Luft erfordern (Gutachten S. 20).
29
Zwar verhält sich Patentanspruch 1 nach seiner sprachlichen Fassung nicht zu der Frage, ob es sich bei den geschützten Lampen um (wandstabilisierte) Kapillarlampen oder (elektrodenstabilisierte) Kurzbogenlampen handelt, so dass unter diesem Gesichtspunkt offen ist, ob Patentanspruch 1 beide Lampenformen oder nur eine von ihnen erfasst. Wie sich aus den genannten Erläuterungen des schriftlichen Gutachtens ergibt und der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat, erschließt sich Fachleuten der hier vorauszusetzenden Qualifikation aus dem geringen Mindestwert der Wandbelastung von 1 W/mm2 jedoch ohne weiteres, dass die patentgemäßen Lampen keine Kapillarlampen, sondern Kurzbogenlampen sind. Eine Bestätigung für dieses fachmännische Verständnis des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 findet sich in den Ausführungsbeispielen der Lampen 1 bis 3, die insgesamt den für Kurzbogenlampen typischen geringen Elektrodenabstand von 1 bis 1,2 mm ausweisen, wie er bei (wandstabilisierten) Kapillarlampen nicht zu finden ist. Aus den genannten Angaben hat sich der Fachwelt da- her erschlossen, dass es sich bei den patentierten Lampen nicht um Kapillarlampen, sondern um Kurzbogenlampen handelt.
30
III. Der Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit der patentierten Lehre (Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ) liegt nach den insoweit überzeugenden Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht vor. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat diesen zunächst geltend gemachten Nichtigkeitsgrund dann auch ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten.
31
IV. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist neu (Art. 54 EPÜ).
32
Das sachkundig besetzte Bundespatentgericht hat das dem Streitpatent im erstinstanzlichen Verfahren entgegengehaltene Material im Einzelnen in dem angefochtenen Urteil geprüft und ist wie auch der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, das keine der Entgegenhaltungen den Gegenstand nach Patentanspruch 1 in der Gesamtheit seiner Merkmale vorwegnimmt. (Elektrodenstabilisierte ) Kurzbogenlampen beschreiben nur die bei den bereits in erster Instanz diskutierten japanischen Entgegenhaltungen. Die Lampe nach der japanischen Offenlegungsschrift 49-5421 (K 15) unterscheidet sich von den patentgemäßen Lampen schon dadurch, dass sie Elektroden aus thoriertem Wolfram aufweist (deutsche Übersetzung S. 1, Z. 15). Die Lampe nach der japanischen Offenlegungsschrift 54-150871 (K 13) verfügt zwar über Elektroden aus reinem Wolfram (deutsche Übersetzung S. 5, Z. 4), arbeitet aber mit einer Halogenmenge über dem vom Streitpatent (Merkmal 3) beanspruchten Bereich (K 13 deutsche Übersetzung S. 6, vgl. das angefochtene Urteil S. 16 und Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen S. 10, 11 übergreifender Absatz). Die Klägerin hat dies in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Zweifel gezogen.
33
Die in der Berufungsinstanz neu in das Verfahren eingeführte japanische Offenlegungsschrift 53-139377 (E 5) betrifft nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung einen anderen Lampentyp, nämlich eine mit einem Quecksilberdampfdruck von 3 bar betriebene wandstabilisierte Mitteldrucklampe, bei der alle Bedingungen, unter denen eine solche Lampe betrieben wird, von den Verhältnissen, wie sie bei Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampen auftreten, weit entfernt sind. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch nicht geltend gemacht, dass der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents durch diese Schrift vorweggenommen werde.
34
V. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist auch als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend zu werten (Art. 56 EPÜ).
35
Ausgangspunkt für diese rechtliche Bewertung ist der Umstand, dass - wie dargelegt - der einschlägig qualifizierten Fachwelt aus den Angaben des Patentanspruchs zur Wandbelastung (Merkmal 2 c), bestätigt durch die Angaben der Beschreibung zu den Elektrodenabständen, ohne weiteres ersichtlich war, dass die durch das Streitpatent geschützten Lampen nicht zur Gattung der (wandstabilisierten ) Kapillarlampen, sondern zur Gattung der (elektrodenstabilisierten) Kurzbogenlampen gehören. Diese Unterscheidung ist für Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampen grundlegend, wie sich bereits aus der Schrift von Elenbaas (1966, K 20) ergibt, die diese beiden Arten von Lampen in je eigenen Kapiteln erläutert und abhandelt (vgl. S. 3, 4 übergreifender Absatz sowie Kap. 7.1, S. 257 f.; zu Kurzbogenlampen S. 264 ff.; zu Kapillarlampen S. 294 ff.).
36
Als charakteristische Eigenschaften (nach dem Erkenntnisstand von 1966) wird ein Betriebsdruck von 10 bis 50 atm für Kurzbogenlampen und von 50 bis 200 atm für Kapillarlampen angegeben, die Wandbelastung von Kurzbogenlampen wird mit 10 bis 50 W/cm2 und für Kapillarlampen mit 500 bis 1000 W/cm2 ausgewie- sen (K 20 S. 264, 294). Daraus folgt, dass die charakteristischen Betriebsdrücke von Kapillarlampen bei einem Wert begannen, bei dem die charakteristischen Betriebsdrücke von Kurzbogenlampen bereits endeten. Noch deutlicher ist der Unterschied bei den angegebenen Werten für die Wandbelastung, die bei Kapillarlampen nach diesen Angaben den Wert von Kurzbogenlampen um das Fünfzigfache überstiegen (K 20 Tabelle 7.1, S. 258, vgl. auch S. 264 zu Kurzbogenlampen und S. 294 zu Kapillarlampen ).
37
Diese Angaben belegen die Aussage des gerichtlichen Sachverständigen, dass der einschlägigen Fachwelt am Prioritätstag (elektrodenstabilisierte, d.h. der Elektrodenabstand ist kleiner als der Gefäßdurchmesser, die Entladung wird durch die Elektroden zentriert und berührt die Gefäßwand nicht; vgl. Gutachten S. 20) Kurzbogenlampen und (wandstabilisierte, d.h. die Innenwand des Kolbens stellt die radiale Begrenzung für das Entladungsplasma dar, der Elektrodenabstand ist mehr als doppelt so groß wie der Gefäßdurchmesser; vgl. Gutachten S. 19) Kapillarlampen, die auf Maßnahmen zur Kühlung der Lampenkolben angewiesen sind (K 20, S. 295), als zwei klar geschiedene Arten von Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampen bekannt waren, deren Konstruktionsweisen ganz unterschiedlichen Bedingungen Rechnung tragen müssen. Der gerichtliche Sachverständige hat diesen Unterschied in der mündlichen Verhandlung plastisch dahin gekennzeichnet, dass für fachmännisches Verständnis bei Kurzbogenlampen und Kapillarlampen "unterschiedliche Filme ablaufen".
38
Deshalb kann - entgegen dem Vorbringen der Klägerin - allein aus dem Umstand , dass in der Schrift von Elenbaas (1966, K 20) im einleitenden Kapitel über Quecksilberdampf-Hochdrucklampen hoher Leuchtdichte in allgemeiner Form darauf hingewiesen wird, dass bei der Quecksilberdampfentladung mit zunehmendem Druck und zunehmender spezifischer Belastung nicht nur die Lichtausbeute, sondern auch die Leuchtdichte stark zunimmt (S. 257), wodurch auch das Kontinuum zunimmt und sich ein Anstieg des Rotanteils im Licht ergibt (S. 258), nicht ohne weiteres hergeleitet werden, dass durch diese Schrift bereits der Weg zur Lehre des Kurzbogenlampen betreffenden Streitpatents gewiesen worden sei. Zwar weisen die in den Abbildungen 7.6 (S. 265) wiedergegebenen Spektren den Fachmann auf eine Erhöhung des Rotanteils durch Erhöhung des Betriebsdrucks hin, so dass die dort wiedergegebenen Spektren - wie der Sachverständige bestätigt hat - gleichsam "im Suchfeld" des Fachmanns lagen, so dass er sie bei seiner Entwicklungsarbeit heranzuziehen hatte. Einen Betriebsdruck, der in die Richtung der Lehre des Streitpatents hätte weisen können (Merkmal 2 b, Quecksilberdampfdruck größer als 200 bar), wiesen nach der zu dieser Aussage gehörenden Tabelle (7.1, S. 258) jedoch allenfalls die Kapillarlampen auf, für die ein typischer Betriebsdruck von 50 bis 200 atm ausgewiesen ist, was umgerechnet einem Druck bis 202,6 bar entspricht und damit gerade eben in den vom Streitpatent beanspruchten Bereich reicht. Für Kurzbogenlampen ist dagegen ein typischer Betriebsdruck von 10 bis 50 atm ausgewiesen. Auch aus den in Abbildung 7.6 (K 20, S. 265) dieser Veröffentlichung wiedergegebenen Strahlungsfunktionen und den ihnen zugeordneten Wellenlängenbereichen ausgestrahlter Energie lässt sich etwas für einen Betriebsdruck, dessen Nutzen erst bei 200 bar einsetzt , nicht ohne weiteres herleiten, weil dort die Strahlungsfunktionen von Kapillarlampen dargestellt sind (vgl. die Erläuterung zu Abbildung 7.6). Eine Anregung zur Ausbildung von Kurzbogenlampen mit den Merkmalen insbesondere der Merkmalsgruppe 2 kann darin aber nicht gefunden werden, denn die Schrift von Elenbaas weist darauf hin, dass die Kombination von hohen Drücken, starker Wandbelastung und großen Strömen ein offenes Problem darstellte, aber noch nicht gelungen war (S. 257). Damit war durch diese Schrift zwar ein Problem, dessen Lösung sich das Streitpatent zugewendet hat, aufgeworfen; ein Weg, in welcher Weise dieses Problem gelöst werden könnte, war abgesehen von einer allgemeinen Überlegung aber nicht aufgezeigt. Dies kommt auch in dem entsprechenden Kapitel zu den Strahlungsfunktionen von Kurzbogenlampen (7.17, S. 291) zum Ausdruck, in dem sich lediglich die allgemeine Aussage findet, dass durch den Quecksilberdampfdruck von 30 bis 50 atm die Spektrallinien des Quecksilbers verbreitert werden und ein kontinuierliches Spektrum entsteht, dem die Quecksilberlinien überlagert sind. Daraus folgt, dass Elenbaas (K 20) zwar eine allgemeine Richtung vorgegeben haben mag, in welcher Richtung die weitere Entwicklung voranzutreiben sein könnte; alle konkreten Hinweise in dieser Schrift wiesen die Fachwelt jedoch darauf hin, dass sich die Kapillarlampen mit den für sie typischen Betriebsdrücken für die weitere Entwicklung anbieten.
39
Gegenteiliges lässt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch aus Kap. 1.10 mit Abbildung 1.23 (K 20, S. 42 f., 45) dieser Schrift nicht herleiten. Insbesondere die Abbildung 1.23 gab zwar Hinweise an die Fachwelt, wie sich sehr hohe Drücke auf das Spektrum auswirken. Als sehr hohe Drücke im Hinblick auf die hier fraglichen Lampen wurden aber die bereits genannten typischen Betriebsdrücke der Kapillarlampen ausgewiesen (K 20, S. 294), während die bereits genannten typischen Betriebsdrücke bei Kurzbogenlampen lediglich als hoch eingestuft wurden (K 20, S. 264).
40
Den Weg, Kurzbogenlampen mit sehr hohen Quecksilberdampfdrücken auszubilden , ist die weitere Entwicklung dann auch tatsächlich nicht gegangen. So arbeiten die Lampen nach den beiden japanischen Offenlegungsschriften (K 15, K 13), die eine (elektrodenstabilisierte) Kurzbogenlampe betreffen und damit der Lehre des Streitpatents vergleichsweise nahe kommen, mit Quecksilbermengen, die, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, zu einem Quecksilberdampfdruck von einigen zehn bar führten. Dieser Druck liegt jedoch um Größenordnungen unter dem Quecksilberdampfdruck nach der Lehre des Streitpatents. Bei der Kurzbogenlampe der japanischen Offenlegungsschrift 49-5421 (K 15) liegt zudem die Wandbelastung mit 0,3 W/mm2 erheblich unter dem Bereich nach der Lehre des Streitpatents. Ferner enthalten die Elektroden Thorium (Gutachten S. 11 f.), was nach den erläuternden Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung eine Aufheizung der Elektroden bis nahe an den Schmelzpunkt von Wolfram nicht erlaubt, wie es patentgemäß vorgesehen ist. Anhaltspunkte, dass durch diese Schriften der Weg zu einer Druckerhöhung bei Kurzbogenlampen gewiesen worden sein könnte, die den in der Schrift von Elenbaas als Obergrenze des Betriebsdrucks für Kapillarlampen ausgewiesenen Wert von umgerechnet 202,6 bar praktisch als Untergrenze des Betriebsdrucks für Kurzbogenlampen einsetzt, sind nicht ersichtlich.
41
Gleiches gilt für den Parameter der beanspruchten Wandbelastung. Zwar liegt die Wandbelastung bei der Lampe nach der deutschen Offenlegungsschrift 1 489 417 über 300 W/cm2 und damit über 1 W/mm² (umgerechnet 3 W/mm2; Beschreibung S. 2, Z. 2). Die Schrift betrifft jedoch eine Lampe, bei der der Elektrodenabstand größer als das Zweifache des kleinsten Innendurchmessers des Entladungsraums ist (Beschreibung S. 2, 3 übergreifender Absatz); sie gehört damit zu den (wandstabilisierten) Kapillarlampen, bei denen die Wandbelastung typischerweise höher ist als bei Kurzbogenlampen, die nach der Arbeit von Elenbaas (1966, K 20) typischerweise eine Wandbelastung von 20 bis 50 W/cm2 aufweisen, was deutlich unter dem von der Lehre des Streitpatents gelehrten Wert liegt.
42
Dagegen war der vom Streitpatent angesprochene und durch die Zugabe von Halogen zur Lampenfüllung eingeleitete und aufrechterhaltene "Wolframtransportzyklus" zur Verhinderung von Wandabschwärzungen als solcher bekannt. So wurde im Stand der Technik zu diesem Zweck Halogen in unterschiedlichen Mengen sowohl der Lampenfüllung von Kapillarlampen (vgl. deutsche Offenlegungsschrift 1 489 417, K 12, und - entgegen der Annahme im schriftlichen Gutachten, die der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung korrigiert hat - US-Patentschrift 2 094 694, K 11) als auch der Lampenfüllung von Kurzbogenlampen (vgl. japanische Offenlegungsschrift 54-150871, K 13) zugesetzt. Allerdings liegt nur die hier zudem nicht zum Zwecke eines Wolframtransports, sondern zur Verhinderung eines Anheftens von Thoriummetall an der Innenwand des Quarzrohrs angesprochene Menge des in der japanischen Offenlegungsschrift 49-5421 (K 15) mit 39 μg/cm3 des Innenvolumens (Beschreibung deutsche Übersetzung S. 2, Z. 35, S. 3, Z. 1) angegebenen Halogens nach der Umrechnung durch den gerichtlichen Sachverständigen auch teilweise im Bereich des Merkmals 3 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.
43
Ob die Zugabe der beanspruchten Mengen an Halogen (Merkmal 3) eine nahegelegte oder eine als erfinderisch zu wertende Maßnahme darstellte, kann dahingestellt bleiben. Wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, hatte der Fachmann angesichts der im Stand der Technik gewählten unterschiedlichen Mengen an Zusatz von Halogen Veranlassung, durch praktische Versuche die Halogenmenge zu bestimmen, der in der von ihm gewählten Gesamtkombination der sonstigen Parameter von Kurzbogen- oder Kapillarlampen den "Wolframtransportzyklus" anhaltend effektiv gestaltet. Dies ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass die Kombination der Merkmalsgruppe 2, insbesondere das Zusammenwirken der im Streitpatent gewählten Parameter des Quecksilberdampfdrucks und der Wandbelastung im Stand der Technik für Kurzbogenlampen ohne Vorbild ist und daher als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend zu werten ist (Art. 56 EPÜ).
44
Diese Wertung wird durch den Umstand bestätigt, dass, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, die Möglichkeiten der Kapillarlampen am Prioritätstag erschöpft waren und die in der Publikation von Elenbaas erhofften weiteren Entwicklungen zur Erhöhung des Quecksilberdampfdrucks ergebnislos verlaufen waren. Das am Prioritätstag bestehende und durch Vorlage der Arbeit von Morozumi (1986, Anlage E 6) durch die Klägerin belegte Bedürfnis nach Lampen mit den Eigenschaften der patentgemäßen Kurzbogenlampe führte vielmehr zur Entwicklung von Metallhalogenidlampen. Die weitere technische Entwicklung vor dem vom Streitpatent eingeschlagenen Weg führte daher von den Hochdruck-Quecksilberdampfentladungslampen weg. Diesen Weg der Entwicklung hat das Streitpatent verlassen und sich wieder den Quecksilber-Kurzbogenlampen zugewandt. Darauf wird auch in der Beschreibung des Streitpatents mit der Angabe hingewiesen, dass die patentgemäßen Lampen kein Metallhalogenid enthalten, wobei sich für den Fachmann von selbst versteht, dass damit kein Ausschluss des sich unter der Zugabe von Halogen beim Betrieb der patentgemäßen Lampen bildende Quecksilberhalogenid erfolgt.
45
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung hat somit Bestand und mit ihm der rückbezogene Patentanspruch 2.
46
VI. Die Berufung ist demzufolge mit der Kostenfolge aus § 121 Abs. 2 PatG, § 97 ZPO zurückzuweisen.
Scharen Lemke Asendorf
Berger Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.04.2004 - 2 Ni 1/03 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 26/04 Verkündet am:
10. Juni 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 10. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Oktober 2003 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 0 621 664 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seines Patentanspruchs hinausgeht: "Verwendung einer Stromversorgung für eine LaserBlitzlampe (2), die an eine Gleichspannungsquelle mit einem Ladekondensator (1) angeschlossen ist und Stromimpulse bestimmter Dauer und Amplitude liefert, mit einem schnellen Schalter (6) und einer Steuerung (10) zum Einstellen einer Modulationstiefe (MT) und/oder einer Modulationsfrequenz (Mf) zusätzlich zu der mittleren Impulshöhe und der Impulsdauer zur Versorgung eines Lasers zum Schweißen, Schneiden und/oder Bohren von metallischen Werkstoffen, wobei die Modulationstiefe (MT) und die Modulationsfrequenz (Mf) so eingestellt sind, dass bei jedem erzeugten Laserpuls die die mittlere Impulshöhe übersteigende Amplitude den durch das zu schneidende oder zu schweißende Material vorgegebenen Schwellenwert zum Anschmelzen des Materials mehrmals sicher überschreitet." Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in deutscher Sprache erteilten europäischen Patents 0 621 664 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung beruht, mit der die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 22. April 1993 in Anspruch genommen worden ist. Sein Patentanspruch lautet: "Stromversorgung für eine Laserblitzlampe (2), die an eine Gleichspannungsquelle mit Ladekondensator (1) angeschlossen ist und Stromimpulse bestimmter Dauer und Amplitude liefert, g e k e n n z e i c h n e t d u r c h einen schnellen Schalter (6) und eine Steuerung (10) zum Einstellen einer Modulationstiefe (MT) und/oder einer Modulationsfrequenz (Mf) zusätzlich zu der mittleren Impulshöhe und der Impulsdauer."
2
Die Klägerin hat das Streitpatent mit der Nichtigkeitsklage angegriffen. Das Bundespatentgericht hat es wegen Naheliegens seiner Lehre mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
3
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, wobei ihr zuletzt gestellter Antrag dahin geht, das Streitpatent mit der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung seines Patentanspruchs aufrecht zu erhalten.
4
Die Klägerin tritt auch diesem Begehren entgegen und bittet um Zurückweisung der Berufung.
5
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Leiters des Instituts für Prof. Dr. W. E. . Der gerichtliche Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt. Die Beklagte hat eine schriftliche gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr.-Ing. K. D. zu den Gerichtsakten gereicht.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Berufung hat insoweit Erfolg, als die Beklagte das Streitpatent beschränkt verteidigt.
7
1. In der noch verteidigten Fassung betrifft das Streitpatent die Verwendung einer Stromversorgung für eine Blitzlampe eines Lasergeräts zum Schweißen, Schneiden und Bohren von Metall. Mit der zu verwendenden Stromversorgung sollen der Laserblitzlampe Strompulse bestimmter Leistung und Dauer zur Verfügung gestellt werden. Die Streitpatentschrift gibt an, der Stand der Technik sei durch glatte bzw. geglättete Strompulse, also Strompulse gekennzeichnet, deren Form zwischen Anstieg und Abfall sich nicht durch einzelne oder mehrere ausgeprägte Amplituden auszeichneten. Solche Strompulse genügten nicht bei allen zu schweißenden Materialien der Anforderung, das Material einerseits in der geforderten Weise anzuschmelzen, andererseits das Anschmelzen auf einen engen Bereich zu begrenzen. Deshalb soll eine Lehre zur Verfügung gestellt werden, wie mittels einer Stromversorgung für die Blitzlampe die Einsatzmöglichkeiten des Lasergeräts verbessert werden könnten.
8
2. Nach dem noch verteidigten Patentanspruch besteht die Lösung hierfür in der Verwendung 1. einer Stromversorgung für eine Laserblitzlampe, die
a) an eine Gleichspannungsquelle mit Ladekondensator angeschlossen ist,
b) Strom(im)pulse bestimmter Dauer und Amplitude liefert,
c) einen schnellen Schalter und
d) eine Steuerung aufweist, d1) zum Einstellen einer Modulationstiefe und/oder einer Modulationsfrequenz d2) zusätzlich zu der mittleren (Im)pulshöhe und der (Im)pulsdauer, 2. zur Versorgung eines Lasers zum Schweißen, Schneiden und/oder Bohren von metallischen Werkstoffen, 3. wobei die Modulationstiefe und die Modulationsfrequenz so eingestellt sind, dass bei jedem erzeugten Laserpuls die die mittlere Impulshöhe übersteigende Amplitude den durch das zu schneidende oder zu schweißende Material gegebenen Schwellenwert zum Anschmelzen des Materials mehrmals sicher überschreitet.
9
Hiernach setzt das Streitpatent eine Einrichtung voraus, die von einer Gleichstromquelle mittels Ladekondensators jeweils mit einer bestimmten Strommenge versorgt wird und (jedenfalls) einen Schalter und eine Steuerung aufweist.
10
Ausweislich der Beschreibung (Sp. 3 Z. 24, 26) soll die Kennzeichnung des Schalters als schnell dem Fachmann bedeuten, dass eine Vorrichtung zu wählen ist, die in der Lage ist, den Strom mit hoher Wiederholfrequenz zu schalten. Hierbei soll es sich um eine An-/Ausschaltung handeln. Das ist in Spalte 3 Zeilen 23 ff. ausdrücklich so beschrieben, weil es dort heißt, dass der Schalter den Strom freigeben oder unterbrechen könne. Die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen und den Parteien in der mündlichen Verhandlung gibt keinen Anlass zu einem anderen Verständnis. Die Beklagte selbst hat darauf abgestellt, dass der Schalter den Strom jeweils lediglich freigeben oder unterbrechen können müsse, was zunächst zu einem frequenzmodulierten Verlauf des Strompulses mit einer Modulationstiefe von an sich 100 % führt. Den Umstand, dass die Figuren 3 und 4 des Streitpatents eine solche Modulationstiefe nicht zeigen, hat der gerichtliche Sachverständige damit erklärt, dass patentgemäß eine (weitere) Manipulation des Strompulses notwendig sei und der Strom deshalb (auch) nach der Lehre des Streitpatents vor Erreichen der Blitzlampe sinnvollerweise einen LC-Filter durchlaufe, wenn man nicht lediglich die parasitäre Filterwirkung der nachgeordneten Vorrichtungsteile nutzen wolle, was angesichts wechselnder Einflüsse wie etwa Temperatur oder Luftfeuchtigkeit jedoch nicht erlaube, die erforderlichen definierten Verhältnisse vor der Blitzlampe zu erhalten.
11
Was die Steuerung der angegebenen Parameter des Strompulses (Modulationsfrequenz, also laut Sp. 2 Z. 15 f. die Anzahl der Amplitudenänderungen innerhalb eines Strompulses; Modulationstiefe, also laut Sp. 2 Z. 17 f. das Ausmaß der Amplitudenschwankungen innerhalb eines Strompulses; mittlere Pulshöhe; Pulsdauer) anbelangt, enthält sich die Beschreibung des Streitpatents außer des Hinweises, dass sie vorzugsweise einen Mikroprozessor umfasse, näherer Details. Die Angabe "zum Einstellen" im Patentanspruch macht aber deutlich, dass es sich bei der zu verwendenden Stromversorgung um eine Einrichtung handeln muss, die kein festes, sondern ein veränderbares Ergebnis liefert. Die Stromversorgung muss geeignet sein, über eine wie auch immer gestaltete Steuerung die benannten Parameter in unterschiedlicher Weise einstellen zu können. Das schließt, wie bereits erwähnt und vom gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt, auch ein, zum Einstellen der Modulationstiefe den freqenzmodulierten Strom über einen hierzu geeigneten Filter zu leiten.
12
Nach der das Merkmal 3 bildenden Anweisung soll die Befähigung der Stromversorgung, der Blitzlampe einen modulierten Strompuls bestimmter Dauer und Amplitude zur Verfügung zu stellen, der im Hinblick auf die Dauer, die mittlere Pulshöhe und zusätzlich im Hinblick auf die Modulationsfrequenz und/oder die Modulationstiefe variabel ist, zur Einstellung einer bestimmten Modulationstiefe und einer bestimmten Modulationsfrequenz genutzt werden. Die Wortwahl "so, dass" macht deutlich, dass es patentgemäß um einen gezielten (vgl. Sp. 2 Z. 29) Einsatz der durch die Einrichtung eröffneten Möglichkeit zur Variation des Stromverlaufs im Strompuls geht, die sich an einem bestimmten Ergebnis beim Schweißen orientiert und dessen Erreichen gewährleistet. Da die hierauf ausgerichtete Variation tatsächlich vorgenommen sein muss ("eingestellt sind"), wird der jetzt noch verteidigte Patentanspruch durch die Handlungsanweisung gekennzeichnet, die hierzu geeignete Stromversorgung tatsächlich entsprechend einzustellen. Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs ist damit nicht eine bestimmte Verwendbarkeit der Stromversorgung, sondern deren tatsächliche Verwendung nach Vornahme der durch Merkmal 4 bestimmten Einstellung.
13
Die Handlungsanweisung des verteidigten Patentanspruchs umfasst danach, die Veränderbarkeit der zunächst erzeugten Frequenzmodulation des Strompulses gezielt zur Einstellung eines bestimmten Kurvenverlaufs des Strompulses einzusetzen. Maßgeblich hierfür soll der von dem zu schweißenden Material abhängige Anschmelzschwellenwert sein. Seinetwegen muss der Laserpuls mindestens einmal eine materialabhängige Amplitude übersteigen. Patentgemäß soll aber dafür gesorgt werden, dass sich eine sicher ausreichende Amplitude (Sp. 2 Z. 32 "relativ hohe Spitzenleistung") während eines Laserpulses mehrmals einstellt, ansonsten der zum Anschmelzen des Materials führende Wert während des Laserpulses aber nicht erreicht wird, wie es in Sp. 2 Z. 38 ff. auch beschrieben ist. Wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ohne Einwendungen seitens der Parteien näher erläutert hat, ist das über die Stromversorgung zu erreichen, weil eine Wechselwirkung zwischen dem Verlauf des Strompulses und dem durch ihn über die Blitzlampe erzeugten Laserpuls besteht. Die Kurvenverläufe entsprechen einander weitgehend. Der verteidigte Patentanspruch besagt damit, eine nach Merkmal 1 ausgestattete und befähigte Stromversorgung tatsächlich so zielgerichtet auf den durch das gerade zu schweißende metallische Material vorgegebenen Schwellenwert einzustellen und mit dieser Einstellung zu verwenden, dass der erzeugte Strompuls deshalb mehrmals sicher eine hierfür erforderliche und die mittlere Leistung übersteigende Amplitude aufweist, weil die Anzahl der Amplitudenänderungen und das Ausmaß der Amplitudenschwankungen innerhalb eines Strompulses entsprechend beeinflusst worden sind.
14
3. Der verteidigte Patentanspruch war als ausführbare Lehre sowohl in der ursprünglichen Anmeldung als auch in dem erteilten Patent als zu der beanspruchten bzw. geschützten Erfindung gehörend offenbart. Dem, was die Klägerin hiergegen und damit gegen die Zulässigkeit des noch verteidigten Patentanspruchs vorgebracht hat, kann nicht beigetreten werden. Die Offenbarung beschränkte sich nicht auf die Behandlung von metallischen Werkstoffen, die durch eine bestimmte Schwellenleistung der Laserpulse gekennzeichnet sind. Denn die Schwellenwertproblematik war in der Beschreibung als allgemeines Problem beim Schweißen, Schneiden und Bohren von Metall dargestellt (Sp. 1 Z. 47 ff. des Streitpatents, S. 2 der Anmeldung) und die Problemstellung bezog sich hierauf. Die Textstelle in Spalte 2 Zeilen 38 bis 41, aus der die Klägerin ihre Bedenken gegen die verteidigte Fassung des Patentanspruchs herleitet, betraf daher lediglich ein Ausführungsbeispiel. Die vorstehend vorgenommene Auslegung des verteidigten Patentanspruchs schließt ferner aus, dass dessen Lehre fest eingebaute oder zufällig erreichte Amplitudenmodulationen einschließt. Soweit die Klägerin schließlich noch die Ausführbarkeit anzweifelt, weil erforderliche Angaben fehlten, wie etwa dazu, wie der materialabhängige Schwellenwert zu bestimmen sei, wird übersehen, dass Art. 83 EPÜ keine Information durch Patentanspruch und/oder Beschreibung voraussetzt, die jede weitere Maßnahme von anwendungswilligen Fachleuten entbehrlich macht. Erst wenn der Fachmann unzumutbaren Aufwand treiben muss, um das ihm im Patent als Lehre zum technischen Handeln Angegebene zuverlässig und mit dem das zugrunde liegende Problem lösenden Ergebnis wiederholbar in der Praxis umzusetzen, ist dem Offenbarungsgebot nicht genügt. Hierfür ist hier jedoch weder etwas ersichtlich noch von der Klägerin durch Behauptung nachvollziehbarer Umstände dargetan. Dem schriftlichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und dessen ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung hierzu ist vielmehr zu entnehmen, dass im Streitfall das Wissen, das Können und die Sichtweise eines Fachmanns zugrunde zu legen sind, der nach einer Hochschulausbildung als Elektro-/MaschinenbauIngenieur oder Physiker umfassende Kenntnisse nicht nur von der Lasertechnik, sondern auch über die damit zu bearbeitenden Stoffe und die zu beachtenden Bedingungen beim Schweißen, Schneiden und Bohren selbst erworben hat oder hierauf als Mitglied eines solchermaßen befähigten Entwicklungsteams zurückgreifen kann. Angesichts dieser Qualifikation und Spezialisierung ist der Senat überzeugt, dass zum Prioritätsdatum jedenfalls im Wege üblicher Versuche die von der Klägerin angesprochenen Anwendungsgrößen ermittelt und in jedem Verwendungsfall zielgerichtet eingestellt werden konnten.
15
4. Der verteidigte Patentanspruch ist neu. Wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, gehörte zum Stand der Technik allerdings bereits eine Stromversorgung mit sämtlichen Merkmalen der Merkmalsgruppe 1 und damit die Einrichtung, die zu der patentgemäßen Verwendung geeignet ist. Das hat auch die Beklagte sowohl im Hinblick auf die mit der europäischen Patentschrift 0 005 595 vorveröffentlichte Stromversorgung als auch im Hinblick auf den "S. P " zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt, der nach der Behauptung der Klägerin bereits vor dem Prioritätsdatum am Markt war. Die Beklagte hat lediglich ihr Bestreiten aufrecht erhalten, dass diese Einrichtungen schon damals anders als zur Pulsbreitenmodulation mit anschließender Glättung des Kurvenverlaufs innerhalb des Strompulses benutzt wurden, wie es im Streitpatent für die Einrichtung nach dem europäischen Patent 0 005 595 in Spalte 1 Z. 34 ff. auch beschrieben und in Figur 1 c dargestellt worden ist.
16
Die Eignung der vorbekannten Stromversorgungen besagt aber noch nicht, dass auch die Verwendung zum Stand der Technik gehörte, um deren Schutz die Parteien noch streiten. Die Versuche, welche die Klägerin Jahre nach dem Prioritätsdatum mit einem "S. P " hat anstellen lassen, können nur als weiterer Beleg für die patentgemäße Verwendbarkeit dieser Anordnung gewertet werden. Nach der vorgenommenen Auslegung kommt es auf die bloße Verwendbarkeit für den Neuheitsvergleich jedoch nicht an, weil nicht diese den Gegenstand des verteidigten Schutzrechts bildet, sondern patentgemäß die tatsächliche Verwendung mit dem in Merkmal 3 genannten Ziel und der tatsächlich an diesem Ziel ausgerichteten Veränderung des durch die Pulsbreitenmodulation erzeugten Verlaufs des Strompulses hinzukommen muss. Den Einsatz der bekannten zur Pulsbreitenmodulation mit anschließender Glättung des Strompulses geschaffenen Stromversorgung(en) mit einer solchen Einstellung von Modulationstiefe und Modulationsfrequenz vor dem Prioritätsdatum hat die Klägerin aber nicht behauptet und auch der gerichtliche Sachverständige hat sich dahin geäußert, trotz der grundsätzlichen Eignung der Pulsbreitenmodulation hierzu könne er nicht angeben, dass man diese schon vor dem Prioritätsdatum zur patentgemäßen Einstellung habe nutzen wollen oder gar tatsächlich genutzt habe.
17
5. Im Hinblick auf den verteidigten Patentanspruch könnte die Nichtigkeitsklage daher nur Erfolg haben, wenn die festgestellten Umstände die Wertung erforderten, dass sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab, die bekannte(n) Einrichtung(en) wie vorstehend erörtert zu verwenden. Diese Bewertung kann der Senat jedoch nicht treffen.
18
Angesichts der bereits wiedergegebenen Äußerung des gerichtlichen Sachverständigen, die durch entsprechende Angaben des Privatgutachters der Beklagten gestützt werden, ist trotz der Qualifikation des hier maßgeblichen Fachmanns nicht auszuschließen, dass den Fachleuten vor dem Prioritätsdatum nicht alle Möglichkeiten von Einrichtungen gegenwärtig waren, die eine Pulsbreitenmodulation erlauben. Wegen der Glättung des Strompulsverlaufs, wie er auch im Streitpatent als typisch bei der Nutzung der Pulsbreitenmodulation dargestellt und beschrieben ist, gilt dies insbesondere für die materialabhängige Einstellung durch eine Veränderung der zunächst erhaltenen Modulationstiefe, die sich am Anschmelzschwellenwert des jeweiligen Materials orientiert und gezielt auf bestimmte Amplituden und deren Wiederholung innerhalb des Strompulses abstellt. Deshalb erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass es den Fachmann der Lösung, die der verteidigte Patentanspruch bietet, nicht näher brachte, dass beispielsweise die aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts stammende, ohnehin nicht das Laserschweißen betreffende US-Patentschrift 4 421 972 bereits die Bedeutung der auch dort als materialabhängig bezeichneten Anschmelzschwelle für das Schweißergebnis hervorgehoben und ferner darauf verwiesen hatte, dass eine dauerhafte Überschreitung der Anschmelzschwelle des jeweiligen Materials während eines Schweißpulses nachteilige Folgen haben könne. Hieraus hätte im Übrigen zunächst auch nur darauf geschlossen werden können, dass auch beim Laserschweißen überhaupt eine signifikante Amplitude im Pulsverlauf notwendig sein könne. Für eine mehrmalige Überschreitung zu sorgen und deshalb auch den Strompuls mit mehreren signifikanten Amplituden zu modulieren, war damit jedoch noch nicht veranlasst. Dies gilt um so mehr, als auch die im Jahre 1985 veröffentlichte japanische Patentanmeldung Sho 60-49688 für die dort beanspruchte gepulste Laservorrichtung lediglich einen Vorlauf eines Strompulses zeigt, der nur eine deutlich hervortretende Amplitude aufweist, ansonsten aber ebenfalls geglättet ist. Zu der erforderlichen Bewertung, der verteidigte Patentanspruch habe nahegelegen, vermag unter diesen Umständen schließlich auch nicht der Offenbarungsgehalt der am 18. Mai 1992 veröffentlichten japanischen Patentanmeldung Hei 4-144098 führen, obwohl in dieser Schrift neben anderen Verlaufsformen in Figur 2 ein Strompuls mit zwei signifikanten Amplituden gezeigt ist (Figur 2 j). Die bildliche Darstellung und die Beschreibung dieser Schrift, die eine sich deutlich von Merkmal 1 unterscheidende Stromversorgung betrifft, geben nur einen Hinweis, dass der beanspruchte Antriebsstromkreis die Erzeugung unterschiedlicher Strompulse erlaubt. Angesprochen ist somit auch hier nur eine objektive Eignung, zumal der in Figur 2 j wiedergegebene Strompuls nicht einmal als bevorzugt beschrieben ist. Ein zielgerichteter Einsatz einer nach Merkmal 1 variabel ausgestalteten Stromversorgung, wie ihn der verteidigte Patentanspruch lehrt, war damit auch durch diese Schrift nicht in das Blickfeld des Fachmanns gerückt, der zum Prioritätsdatum die Aufgabe hatte, das Schweißen, Schneiden und Bohren metallischer Werkstoffe mit einem gepulsten Laser zu verbessern.
19
6. Soweit das Streitpatent über den verteidigten Patentanspruch hinausgeht, hat die Nichtigerklärung durch das Bundespatentgericht schon deshalb Bestand, weil die Beklagte das Schutzrecht insoweit nicht mehr verteidigt.
20
7. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Gröning Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 28.10.2003 - 4 Ni 33/02 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 108/04
vom
26. Juli 2005
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver,
die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Kirchhoff

beschlossen:
Das gegen den vom Senat zum gerichtlichen Sachverständigen bestellten Prof. Dr. G. W. gerichtete Ablehnungsgesuch der Beklagten wird zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Beklagte lehnt den gerichtlichen Sachverständigen, der an der Fachhochschule E. im Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften tätig ist, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Als Ablehnungsgründe macht sie geltend, daß zwei ehemalige Studenten der Fachhochschule E. bei ihr speziell mit dem Härter "P. " befaßt seien und daß an der Fachhochschule E. ein Hochschullehrer im Fachbereich Betriebswirtschaft tätig sei, der in der Zeit von 1997 bis 2000 als Leiter der Planung und Kontrolle sowie des Beteiligungscontrollings im Geschäftsbereich D. der D. AG gearbeitet habe.
II. Das Ablehnungsgesuch ist zurückzuweisen, weil die Klägerin keine Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen glaubhaft gemacht hat.
Nach ständiger Rechtsprechung besteht Besorgnis der Befangenheit, wenn objektive Umstände vorliegen, die aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zweifeln lassen. Das ist hier nicht der Fall.
1. Der bloße Umstand, daß ein Mitarbeiter einer Partei an der Hochschule studiert hat, an der der Sachverständige tätig ist, kann bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der anderen Partei kein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen begründen. Nähere Beziehungen zu einer Partei, die ein derartiges Mißtrauen rechtfertigen, haben in einem solchen Fall lediglich die von ihr beschäftigten Studenten, nicht aber alle Hochschullehrer der Hochschule, an der diese studiert haben, oder auch nur diejenigen Hochschullehrer , deren Lehrveranstaltungen sie besucht haben, wozu ohnehin nichts vorgetragen ist. Selbst aus der Teilnahme eines nahen Angehörigen einer Partei an einem von einem Sachverständigen veranstalteten Seminar folgt kein Ablehnungsgrund (Musielak/Huber, § 406 Rdn. 11; OLG München OLGR 2001, 60). Zu berücksichtigen ist auch, daß einer willkürlichen Ablehnung von Sachverständigen durch die Parteien Tür und Tor geöffnet wäre, könnte schon allein durch die Einstellung eines früheren Studenten des Sachverständigen oder sogar nur seiner Hochschule ein Ablehnungsgrund geschaffen werden.
2. Die Ablehnung eines Sachverständigen kann auch nicht damit begründet werden, daß ein anderer Hochschullehrer seiner Hochschule in frühe-
ren Jahren in leitender Stellung im Unternehmen einer Partei beschäftigt war. Daraus einen Ablehnungsgrund abzuleiten, erscheint im vorliegenden Fall auch deshalb besonders fernliegend, weil der Kollege in einer fachlich entfernten Fakultät (Betriebswirtschaft) tätig ist und sich in dem Unternehmen der Klägerin auch mit gänzlich anderen Produkten als P. , nämlich D. produkten , befaßt hat. Wie der Senat kürzlich entschieden hat, folgt aus geschäftlichen Kontakten der wissenschaftlichen Einrichtung, an der der Sachverständige tätig ist, mit Wirtschaftsunternehmen des betreffenden Gebiets für sich allein kein Ablehnungsgrund (Sen.Beschl. v. 01.02.2005 - X ZR 26/04). Ebensowenig besteht ein Näheverhältnis des Sachverständigen zu einer Partei, das eine Ablehnung rechtfertigen könnte, wenn ein Hochschullehrer aus einem völlig anderen Bereich derselben Hochschule früher für diese Partei tätig war, und sei es auch in leitender Stellung. Die wechselseitige Durchdringung von Lehre und Praxis ist erwünscht. Sie führt keineswegs dazu, daß mit der Berufung eines zuvor für ein Wirtschaftsunternehmen tätigen Hochschullehrers gleichsam die Hochschule in das Lager dieses Unternehmens eintritt mit der Folge, daß der
gesamte Lehrkörper der Hochschule nicht mehr als gerichtlicher Gutachter in Verfahren in Betracht käme, an denen dieses Unternehmen beteiligt ist. Auch der zweite von der Beklagten geltend gemachte Grund kann daher eine Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen nicht rechtfertigen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff