Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 28. Nov. 2013 - 10 W 66/13 (Abl), 10 W 66/13

bei uns veröffentlicht am28.11.2013

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Oktober 2013 abgeändert und das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Sachverständigen Dr. D. S. für begründet erklärt.

Gründe

I.

1

In dem Ausgangsverfahren ist zwischen den Parteien streitig, ob der von der Beklagten gelieferte 3D-Drucker bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war oder ob die Klägerin Mängel durch eine fehlerhafte Bedienung hervorgerufen hat.

2

Mit Beweisbeschluss vom 29. August 2013 hat das Landgericht Dessau-Roßlau die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu angeordnet und Dr. D. S. zum Sachverständigen bestimmt. Auf den Beschluss wird Bezug genommen.

3

Der Sachverständige hat dem Gericht mit Schreiben vom 18. September 2013 mitgeteilt, beim Durcharbeiten der Akte festgestellt zu haben, dass der Drucker entgegen den Bestimmungen der EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, umgesetzt in der 9. ProdSGV, mit einer Bedienungsanleitung in englischer statt in deutscher Sprache übergeben worden sei. Zudem gehe aus der Akte nicht hervor, ob die zwingend vorgeschriebene EG-Konformitätserklärung vorgelegen habe und ob das CE-Kennzeichen deutlich sichtbar angebracht gewesen sei. Der Sachverständige hat vorgeschlagen, den Beweisbeschluss dahin zu ergänzen, ob „die Forderungen der 9. ProdSGV mit der Übergabe der Maschine durch den Lieferanten berücksichtigt und eingehalten“ worden seien. Die Parteien haben mit Verfügung vom 23. September 2013 hierzu Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

4

Hierauf hat die Beklagte den Sachverständigen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. Oktober 2013, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Sachverständige habe sich mit dem Schreiben vom 18. September 2013 zu Sachverhalten geäußert, die von der Klägerin nicht gerügt worden waren. Ihm obliege nicht die Ergänzung oder Ersetzung klägerischen Vorbringens. Eine objektive Begutachtung sei nicht mehr zu erwarten, nachdem der Sachverständige angeregt habe, festzustellen, welche weiteren Pflichten die Beklagte nicht erfüllt haben könnte. Ein Sachverständiger setze sich der Sorge der Befangenheit aus, wenn er Beweisthemen umformuliere oder durch den Auftrag gezogene Grenze überschreite. Im Übrigen sei der Klägerin die Bedienungsanleitung in deutscher Sprache am 19. Oktober 2012 übersandt worden. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2013 die Ergänzung des Beweisbeschlusses, wie vom Sachverständigen vorgeschlagen, beantragt.

5

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 18. Oktober 2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Sachverständige sei hier nicht eigenmächtig über das Beweisthema hinausgegangen, sondern habe noch vor der Begutachtung die Ergänzung des Beweisbeschlusses bei Gericht angeregt. Dieses Vorgehen sei zulässig. Der Sachverständige sei verpflichtet, einen Sachverhalt aus seiner fachkundigen Sicht umfassend zu prüfen und entsprechende fachlich begründete Hinweise zur klaren Abfassung des Beweisthemas zu geben. Gehe es, wie hier, um mögliche Bedienfehler käme es auch darauf an, ob der Klägerin eine Bedienungsanleitung in deutscher Sprache vorgelegen habe. Nicht entscheidungserheblich sei indes das Vorliegen der Konformitätserklärung und des CE-Kennzeichens. Insoweit sei eine Ergänzung des Beweisbeschlusses ohnehin nicht vorzunehmen.

6

Gegen diesen ihr am 24. Oktober 2013 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit dem am 30. Oktober 2013 beim Landgericht eingegangen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ergänzend ausgeführt, der Sachverständige habe den Eindruck erweckt, die Einhaltung der Bestimmungen der 9. ProdSGV könnte streitentscheidend sein. Er habe insoweit letztlich die Feststellung einer vermeintlichen Pflichtverletzung der Beklagten angeregt. Für die bereits Anfang Oktober 2011 gelieferte Maschine entfalte die erst zum 1. Dezember 2011 in Kraft getretene 9. ProdSGV noch nicht einmal Wirkung. Für die Beurteilung eines Bedienfehlers käme es nicht auf das Überreichen einer deutschen Bedienungsanleitung an. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Klägerin die Instruktionen durch die Beklagte beachtet habe.

7

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 1. November 2013 mit der Begründung nicht abgeholfen, die Beschwerde enthalte keine Gesichtspunkte, die eine anderweitige Beurteilung rechtfertigen könnten.

II.

8

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß §§ 406 Abs. 5 i.V.m. 567 Abs. 1 Nr. 1, 568 ZPO zulässig, sie ist insbesondere auch innerhalb der in § 569 ZPO genannten Frist und Form eingelegt worden. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch begründet.

9

Der gemäß § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO rechtzeitig gestellte Ablehnungsantrag ist begründet. Es liegen hinreichende Gründe vor, die die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen rechtfertigen.

10

Ein gerichtlicher Sachverständiger kann gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung des Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich parteiisch ist oder sich selbst für befangen hält oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hegt. Es genügt vielmehr, dass hinreichende Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu wecken (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2007, Aktenzeichen: X ZR 100/05, zitiert nach juris).

11

Nach diesem Maßstab ist eine Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. D. S. hier gerechtfertigt. Vorliegend kann bei objektivierter Betrachtung vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus durchaus der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit des Sachverständigen entstanden sein. Der Sachverständige hat sich mit seiner Anregung, den Beweisbeschluss dahin zu ergänzen, ob „die Forderungen der 9. ProdSGV mit der Übergabe der Maschine durch den Lieferanten berücksichtigt und eingehalten“ worden sind, aus Sicht der Beklagten zum Anwalt der Klägerin gemacht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass eine solche Beweiserhebung schon deshalb nicht in Betracht kommen könnte, weil ihr keine einem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung zugrunde läge. Gemeint ist nach dem Inhalt des Sachverständigenschreibens vom 18. September 2013 erkennbar, eine Beweiserhebung darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine Bedien-, Wartungs- und Instandhaltungsanleitung in deutscher Sprache übergeben hat. Nach dem Inhalt des Beweisbeschlusses war aber bis zu dieser Anregung des Sachverständigen zwischen den Parteien nicht im Streit, ob die Beklagte bei der Lieferung des Druckers insoweit eine Pflichtverletzung begangen haben könnte. Vielmehr ist nach dem Inhalt des Beweisbeschlusses bisher allein streitig, ob bei der Übergabe des Druckers ein Anfangsmangel vorlag oder ob Mängel erst durch Bedienfehler der Klägerin hervorgerufen worden sind.

12

Es begründet daher die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Sachverständige letztlich anregt, Beweis über eine - bis dato von der Klägerin offensichtlich nicht behauptete - Pflichtverletzung der Beklagten zu erheben. Er hat damit im Ergebnis angeregt, die Klägerin könnte einen möglichen Bedienfehler auf das Fehlen einer deutschsprachigen Bedienungsanleitung stützen. Beweis ist durch das Gericht stets aber nur unter Beachtung der Darlegungs- und Beweislast über strittige Tatsachenbehauptungen der Parteien zu erheben, soweit es auf sie streitentscheidend ankommt. Dem Gericht obliegt zwar gemäß § 139 ZPO auch eine Erörterungs- und Fragepflicht. Diese wird aber durch das jederzeit zu beachtende Prinzip der Herrschaft der Parteien über den Prozessstoff beschränkt (Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 139, Rn 2). Ein Sachverständiger darf ebenso wenig wie ein Richter darauf hinwirken, dass eine Partei ihr Prozessziel auf einen anderen Tatsachenvortrag stützt (Zöller-Greger, ebenda, vor § 128, Rn 10).

13

Bei der Frage, ob hier eine Bedienungsanleitung in deutscher Sprache zu übergeben war, kommt es, anders als das Landgericht meint, auch nicht auf die Fachkunde des Sachverständigen an. Insoweit lag hier gerade keine fachlich begründete Anregung zur luzideren Formulierung eines streitigen Beweisthemas vor. Vielmehr hat der Sachverständige eine Ergänzung des Beweisthemas angeregt, die auf eine Ermittlung einer bis dahin nicht behaupteten Ursache eines möglichen Bedienfehlers hinausliefe.

14

Es kommt auch nicht darauf an, dass der Sachverständige diese Anregung bereits vor Erstellung seines Gutachtens vorgenommen hat. Ob eine Überschreitung eines Gutachtenauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen hervorzurufen, kann stets nur aufgrund des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden (BGH, Beschluss vom 11.04.2013, Az: VII ZB 32/12, NJW-RR 2013, 851). Gleiches gilt aber auch, wenn ein Sachverständiger vor Erledigung des Gutachtenauftrags weitere Beweiserhebungen bei Gericht anregt. Hier hat der Sachverständige Dr. D. S. eine Beweiserhebung über bis dahin nicht behauptete Pflichtverletzungen der Beklagten angeregt. Bereits diese Anregung verletzt die gebotene Äquidistanz zu den Parteien und vermag die Sorge der Befangenheit zu begründen.

15

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.


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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 569 Frist und Form


(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts ande

Zivilprozessordnung - ZPO | § 406 Ablehnung eines Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Der A

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Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2007 - X ZR 100/05

bei uns veröffentlicht am 23.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 100/05 vom 23. Oktober 2007 in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Sachverständigenablehnung II ZPO § 406 Zur Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen

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(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.

(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn

1.
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war,
2.
die Beschwerde die Prozesskostenhilfe betrifft oder
3.
sie von einem Zeugen, Sachverständigen oder Dritten im Sinne der §§ 142, 144 erhoben wird.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 100/05
vom
23. Oktober 2007
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sachverständigenablehnung II
Zur Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen
Sachverständigen im Nichtigkeitsberufungsverfahren.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2007 - X ZR 100/05 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen,
Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

beschlossen:
Das gegen den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N. gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 685 527 (Streitpatents), das eine thermoplastische Zusammensetzung aus kompatibilisiertem Polyphenylether-Polyamidharz und elektrisch leitendem Ruß betrifft. Die Klägerin hat vor dem Bundespatentgericht in Bezug auf das Streitpatent gegen die Beklagte Nichtigkeitsklage erhoben, mit der sie in erster Instanz Erfolg hatte.
2
Im Berufungsverfahren hat der Senat Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und Prof. Dr. N. von der … zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Nach Einreichung des schriftlichen Gutachtens hat die Klägerin den Sachverständigen im Wesentlichen mit der Begründung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, dass dieser sein Gutachten über ei- nen Monat vor dem ursprünglich zugesagten Termin fertig gestellt und vorgelegt habe, obwohl sie noch einen weiteren Schriftsatz angekündigt habe; dies spreche dafür, dass er sich einer nochmaligen Reflexion der von ihm gewonnenen Erkenntnisse habe verschließen wollen. Auch habe der Sachverständige ersichtlich erst nach Eingang des letzten Schriftsatzes der Beklagten große Teile seines Gutachtens erstellt, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit bestanden habe. Weiter habe er wesentliche Argumente der Klägerin unberücksichtigt gelassen, falsch oder sinnentstellend wiedergegeben, Parteivortrag der Beklagten unreflektiert übernommen und zuungunsten der Klägerin unterschiedliche Maßstäbe angewendet. Zudem stehe der Sachverständige in geschäftlichen Beziehungen zu den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten ; so seien diese als Vertreter bei sechs Patentanmeldungen (aus den Jahren 2000 bis 2002) tätig geworden, in denen der Sachverständige als Miterfinder benannt sei; hierauf habe der Sachverständige nicht hingewiesen. Auch habe er mit der B. , einer Wettbewerberin der Klägerin, zusammengearbeitet , mit der Lieferbeziehungen der Beklagten hinsichtlich zweier Hauptkomponenten des Gegenstands des Streitpatents beständen. Auch hätten die Beklagte und die B. bei zahlreichen Patentanmeldungen kooperiert , die zum Teil in enger Verwandtschaft zum Gegenstand des Streitpatents ständen. Weiter beständen direkte Geschäftsbeziehungen zwischen der auf dem Campus der … Beklagten und der Hochschule.
3
Die Beklagte hat dem Ablehnungsgesuch, das sie bereits für verfristet hält, widersprochen. Sie meint, dass die Klägerin nicht rechtzeitig Nachforschungen über die Beziehungen des Sachverständigen zu den Parteien und ihren Vertretern angestellt habe. Es habe kein direktes Mandatsverhältnis zu dem Sachverständigen bestanden und die Patentanwälte, die als Vertreter tätig geworden seien, seien längst aus ihrer Sozietät ausgeschieden.

4
II. Das Ablehnungsgesuch bleibt ohne Erfolg.
5
Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO, der auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen anwendbar ist, abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit besteht. Dies kann unter anderem in Betracht kommen, wenn der Sachverständige in einem aktuellen Mandatsverhältnis zu den Prozessbevollmächtigten des Prozessgegners oder in näheren Beziehungen zu einer der Parteien steht (Sen.Beschl. v. 24.7.2007 - X ZR 1/06, in juris; Beschl. v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung; Beschl. v. 13.1.1987 - X ZR 29/86, GRUR 1987, 350 f. - Werkzeughalterung).
6
Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen, ihre rechtzeitige Anbringung zugunsten der Klägerin unterstellt, bei verständiger Würdigung nicht die Annahme, der gerichtliche Sachverständige werde nicht die erforderliche Unparteilichkeit aufbringen.
7
Soweit die Klägerin geltend macht, dass der gerichtliche Sachverständige sein Gutachten verfrüht eingereicht habe, ist zu bemerken, dass der Senat den gerichtlichen Sachverständigen bereits im März 2007 zur alsbaldigen Abgabe des Gutachtens angehalten und sodann im Mai 2007 nachgefragt hat, wann mit der Abgabe des Gutachtens zu rechnen sei. Dass sich der Sachverständige daraufhin mit der Abgabe des Gutachtens beeilt hat, kann deshalb bei verständiger Würdigung für sich nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen, dies umso mehr, als der Sachverständige immer seine Bereitschaft bekundet hat, noch auf nachträgliches Vorbringen zu reagieren. Der von der Klägerin noch angekündigte weitere Schriftsatz ist im Übrigen bis zum Erlass dieser Entscheidung nicht bei Gericht eingegangen. Dass der Sachverständige nicht zu einer Reflexion seiner Meinung bereit sei, ist eine lediglich auf Vermutungen gestützte Annahme der Klägerin, die zudem im Widerspruch zu den Erklärungen des Sachverständigen steht; sie kann daher bei verständiger Würdigung nicht die Annahme begründen, der Sachverständige sei befangen. Etwaige inhaltliche Mängel des Gutachtens wird der Senat in seine Beweiswürdigung einzubeziehen haben. Auch sie wären für sich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Sen.Beschl. v. 5.11.2002 - X ZR 136/99, Schulte-Kartei PatG 110-122 Nr. 59 - Sachverständigenablehnung 07 sowie Parallelentscheidungen vom selben Tag - X ZR 175/01 und X ZR 178/01, FF 2003 Sonderheft 1, 107, Leitsatz auch in Mitt. 2003, 333 - Sachverständigenablehnung 09).
8
Dass der Sachverständige bei Erfindungen als Miterfinder benannt ist, bei denen die Anwaltssozietät die Vertretung übernommen hatte, die nunmehr die Beklagte vertritt, könnte - unabhängig davon, dass die Anwälte, die im jeweiligen Fall tätig geworden sind, wie dem Senat bekannt ist, Anfang 2003 aus der Kanzlei ausgeschieden und in anderer Sozietät tätig sind - die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nur dann begründen, wenn es sich um gegenwärtige oder doch um nicht lange zurückliegende Mandatierungen handeln würde (vgl. Sen., aaO, GRUR 1987, 350 f. - Werkzeughalterung), regelmäßig aber nicht schon dann, wenn es sich um bereits längere Zeit zurückliegende Mandatsverhältnisse handelt (vgl. Sen.Beschl. v. 24.7.2007 - X ZR 1/06). Dass dies der Fall sei, wird aber von der Klägerin nicht einmal behauptet; es ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen, die aus- weisen, dass die Vertretung, soweit im Inland Anwälte eingeschaltet wurden, zwar jedenfalls 1997 (Patentanmeldung DE … und ) 2000 bis 2002 durch die Sozietät der Beklagtenvertreter erfolgt ist, seit 2003 aber durch die aus der Sozietät der Beklagtenvertreter ausgeschiedenen Anwälte der nunmehrigen Sozietät I. oder durch Anwälte der Kanzlei R. , und nicht mehr durch die Sozietät, die die Beklagte vertritt. Daraus kann nur geschlossen werden, dass etwaige Beziehungen des Sachverständigen zur Sozietät der Beklagtenvertreter spätestens im Jahr 2003 und damit bereits vor geraumer Zeit geendet haben. Zudem fällt ins Gewicht, dass es sich nicht um eigene Anmeldungen des Sachverständigen handelt, sondern durchwegs um Anmeldungen der B. und dabei um solche, bei denen der Sachverständige lediglich als Miterfinder benannt ist.
9
Dass der Sachverständige unmittelbar mit der Beklagten zusammengearbeitet haben soll, macht die Klägerin nicht geltend. Schon aus diesem Grund erweist sich der von ihr genannte Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 24.7.2001 - 14 W 99/01 (soweit ersichtlich unveröffentlicht) als unergiebig. Dass er mit einer Wettbewerberin der Klägerin zusammengearbeitet haben mag, füllt einen Ablehnungsgrund ebenfalls nicht aus. Industriekorporationen als solche sind, wie der Senat erst kürzlich für Industrietätigkeiten allgemein entschieden hat (Sen.Beschl. v. 18.9.2007 - X ZR 81/06), bei Hochschullehrern auf dem Gebiet der Technik und der Naturwissenschaften allgemein zu erwarten und schon deshalb für sich allein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Sie sind sogar im Interesse der Qualifikation des Sachverständigen erwünscht (Sen.Beschl. v. 26.7.2005 - X ZR 108/04, Umdruck S. 5, im Druck nicht veröffentlicht). Dies gilt jedenfalls im Patentnichtigkeitsverfahren. Ob außerhalb dieser Verfahrensart für eine Zusammenarbeit mit Wettbewerbern etwas anderes zu gelten hat (vgl. den ebenfalls von der Klägerin vorgelegten Beschluss des Oberlandesge- richts München vom 23.10.1997 - 6 W 2270/97, soweit ersichtlich unveröffentlicht ), bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung.
10
Auch eine Tätigkeit für einen nicht am Verfahren beteiligten und auch nicht mit einem Verfahrensbeteiligten verflochtenen Konkurrenten (zu diesem Fall Sen.Beschl. v. 10.12.1998 - X ZR 64/97, abgedruckt bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen 1994 - 1998, 551 - Sachverständigenablehnung 05; Beschl. v. 24.7.2007 - X ZR 1/06) rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch nicht (Sen.Beschl. v. 18.9.2007, aaO; vgl. Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 99/93, Schulte-Kartei PatG 26-29 Nr. 39 - Sachverständigenablehnung 01; vgl. weiter Sen.Beschl. v. 5.11.2002 - X ZR 136/99, Schulte-Kartei PatG 110-122 Nr. 59 - Sachverständigenablehnung 07, Umdruck S. 5, und zwei Entscheidungen vom selben Tag - X ZR 175/01 und X ZR 178/01, FF 2003 Sonderheft 1, 107, Leitsatz auch in Mitt. 2003, 333 - Sachverständigenablehnung 09). Derartige Umstände hat die Klägerin indessen nicht ausreichend dargelegt, selbst wenn zu ihren Gunsten davon ausgegangen wird, dass das Streitpatent einen Geschäftsbereich betrifft, auf dem sowohl die Klägerin als auch die Beklagte und das Konkurrenzunternehmen, mit dem der Sachverständige zusammengearbeitet haben soll, tätig sind. Objektiv greifbare Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung die Annahme stützen können, dass der Sachverständige befangen sei, ergeben sich hieraus nicht.
11
Schließlich ist der Umstand, dass die Beklagte (oder jedenfalls ein mit dieser verbundenes Konzernunternehmen) eine Niederlassung auf dem Campus der Hochschule unterhält, der der Sachverständige angehört, nicht geeignet, aus der Sicht einer verständigen Partei die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Zwar wird eine Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände bei Forschungskooperationen zwischen der organisatorischen Einheit der Hochschule, der der Sachverständige angehört, und einer Prozesspartei oder einem mit dieser verbundenen Unternehmen zu dem Ergebnis führen können, dass der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit ausgefüllt ist (vgl. Sen.Beschl. v. 10.12.1998 - X ZR 64/97 bei Bausch BGH 1994 - 1998, 551 - Sachverständigenablehnung 05; Beschl. v. 21.2.2006 - X ZR 103/04, im Druck nicht veröffentlicht; zur Gesamtabwägung Sen.Beschl. v. 25.2.1997 - X ZR 137/94, bei Bausch BGH 1994-1998, 559 - Sachverständigenablehnung 03). Solche Kontakte des Instituts, dem der Sachverständige angehört, sind hier indessen nicht einmal vorgetragen; bloße Beziehungen der Hochschule zur Beklagten oder zu einem Konzernunternehmen der Beklagten, auf die sich die Klägerin stützt, reichen nicht dafür aus, einen hinreichenden Anlass für die Besorgnis der Befangenheit zu bieten (vgl. Sen.Beschl. v. 1.2.2005 - X ZR 26/04; v. 26.7.2005 - X ZR 108/04, beide nicht im Druck veröffentlicht).
12
Auch aus der Summierung der von der Klägerin geltend gemachten Umstände ergibt sich kein hinreichender Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit. Die heterogenen Aspekte, auf die sich die Klägerin stützt, erlauben bei verständiger Würdigung keine Summenbildung.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 01.03.2005 - 3 Ni 23/03 (EU) -

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.