Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2004 - X ZR 178/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Streitwert für das Nichtigkeitsberufungsverfahren wird auf 2.045.168,-- esetzt.
Gründe:
I. Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 6. Juni 1989 angemeldeten deutschen Patents 30 18 311 (Streitpatents). Patentanspruch 1 lautet in der Fassung, die er im Einspruchsverfahren erhalten hat:
"Verfahren zum Umhüllen von Stückgut mittels Stretchfolie, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel, die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen be-
stehen, wobei ein schlauchförmiger Folienabschnitt, dessen Umfang kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückgutes, von einem (Schlauch-)Folienvorrat abgezogen und an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet wird; die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes durch Reffen in im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stückgutes verlaufende Falten gelegt werden; der Schlauchfolienabschnitt an seinem dem Folienvorrat zugekehrten Ende abgeschweißt und die so gebildete Folienhaube vom Folienvorrat abgetrennt wird; die Folienhaube in horizontaler Querrichtung quergestretcht wird, und die quergestretchte Folienhaube unter das Folienmaterial glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die in an sich bekannter Weise um wenigstens 10% quergestrechte Folienhaube beim Überziehen im Bereich der Haubenseitenwände zusätzlich in vertikaler Längsrichtung um mindestens 10% ihrer vertikalen Länge im quergestretchten Zustand längsgestretcht wird."
Patentanspruch 6 lautet:
"Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut mittels Stretchfolie, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel , die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen, mit einer Schlauchfolien-Abzugseinrichtung, mittels welcher schlauchförmige Stretchfolie abschnittsweise von einem
Schlauchfolienvorrat abzuziehen ist; einer der Abzugseinrichtung nachgeordneten Aufspreizeinrichtung, mittels welcher die schlauchförmige Stretchfolie an ihrem freien Endabschnitt aufzuspreizen ist; einer der Aufspreizeinrichtung nachgeordneten Reffeinrichtung zum Reffen des Folienabschnittes über eine vertikale Strecke, die kleiner ist als die Länge des Folienabschnittes; einer Schweißeinrichtung zum Abschweißen eines von dem Folienvorrat abgezogenen Schlauchfolienabschnittes an dessen dem Folienvorrat zugekehrten Endabschnitt; einer Schneideinrichtung, mittels welcher jeweils eine beim Abschweißen gebildete Folienhaube von dem Folienvorrat abzutrennen ist, einer QuerStretcheinrichtung , mittels welcher der Folienabschnitt in horizontaler Querrichtung zu stretchen ist; und einer (Haubenüberzieh -)Hubeinrichtung, mittels welcher die quergestretchte Haube über das zu umhüllende Stückgut zu ziehen ist, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, gekennzeichnet durch eine Längsstretcheinrichtung (14, 24), deren Längsstretchelemente wenigstens in den Eckbereichen des geöffneten Folienschlauches anzuordnen sind, mittels welcher der Folienabschnitt/die Folienhaube (3´´) in vertikaler Längsrichtung (25) um mindestens 10%, ihrer vertikalen Länge im quergestrechten Zustand längszustretchen ist."
Wegen des Wortlauts der den Patentansprüchen 1 bzw. 6 untergeordneten weiteren Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 13 wird auf die Patentschrift (C3-Schrift) verwiesen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin mangels Patentfähigkeit für nichtig erklärt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Mit Eingabe vom 4. Dezember 2003 hat sie gegenüber dem Patentamt auf das Streitpatent verzichtet und zugleich erklärt, daß sie auch für die Vergangenheit auf jegliche Ansprüche aus dem Patent und der ihm zugrundeliegenden Anmeldung verzichte.
Die Parteien haben den Rechtsstreit daraufhin übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt und beantragen wechselseitig, der anderen Partei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II. Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen (§ 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91a Abs. 1 ZPO). Denn wenn sich der Rechtsstreit nicht anderweitig erledigt hätte, wäre die Nichtigkeitsklage voraussichtlich abzuweisen gewesen.
Zwar ist in einigen Entscheidungen angenommen worden, daß im Regelfall nach Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent der Prozeßausgang im Sinne eines zu erwartenden Erfolgs der Nichtigkeitsklage nicht zweifelhaft erscheint (BGH, Beschl. v. 9.12.1960 - I ZR 121/59, GRUR 1961, 278 - Lampengehäuse; Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 113/94, Bausch I, 557 - Möbelscharnier; vgl. aber auch Sen.Beschl. v. 6.7.1967 - Ia ZR 88/64, Liedl 1967/68, 196, 200). Im Streitfall ist die Annahme, das Streitpatent hätte sich voraussichtlich als nicht patentfähig erwiesen, jedoch nicht gerechtfertigt.
Denn der Gegenstand des Streitpatents stimmt im wesentlichen mit dem Gegenstand des europäischen Patents 344 815 überein, für das die Priorität der Anmeldung des Streitpatents in Anspruch genommen wird. In dem jenes Patent betreffenden Nichtigkeitsverfahren zwischen denselben Parteien hat der Senat mit Urteil vom 1. April 2003 die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen. Da weder zusätzlicher Stand der Technik dargetan noch Anhaltspunkte dafür hervorgetreten sind, daß der Stand der Technik anders bewertet werden müßte, als dies der Senat in seinem Urteil vom 1. April 2003 auf der Grundlage der Verhandlung und Beweisaufnahme in der Sache X ZR 136/99 getan hat, war ein Erfolg der Nichtigkeitsklage auch im Streitfall nicht zu erwarten.
Die bestehenden Unterschiede zwischen den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 6 des Streitpatents einerseits und der Patentansprüche 1 und 12 des europäischen Patents andererseits können dabei außer Betracht bleiben , da das europäische Patent den Gegenstand des teilweise enger gefaßten Streitpatents umfaßt. Patentanspruch 1 des Streitpatents verlangt ein zusätzliches Längsstretchen der quergestretchten Folienhaube im Bereich der Haubenseitenwände in vertikaler Längsrichtung um mindestens 10% ihrer vertikalen Länge im quergestretchten Zustand, während nach Patentanspruch 1 des europäischen Patents die Folienhaube um mindestens 5% längszustretchen ist. Patentanspruch 6 des Streitpatents konkretisiert die in Patentanspruch 12 des europäischen Patents lediglich als solche aufgeführte Längsstretcheinrichtung dahin, daß deren Längsstretchelemente wenigstens in den Eckbereichen des geöffneten Folienschlauches anzuordnen sind.
Soweit sich Patentanspruch 1 des Streitpatents und Patentanspruch 1 des europäischen Patents (und weil sie Vorrichtungen zur Durchführung des
betreffenden Verfahrens betreffen, auch die Patentansprüche 6 bzw. 12) ihrem Wortlaut nach weiterhin dadurch unterscheiden, daß das zusätzliche Längsstretchen nach Patentanspruch 1 des Streitpatents beim Überziehen erfolgen soll, während Patentanspruch 1 des europäischen Patents vom Längsstretchen "vor dem Überziehen" spricht, liegt darin kein sachlicher Unterschied. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 1. April 2003 näher begründet hat, ist die Wendung "vor dem Überziehen" im europäischen Patent im Sinne von "vor dem vollständigen Überziehen" bzw. "während des Überziehens" zu verstehen. Der Wortsinn (technische Sinngehalt) beider Formulierungen stimmt damit überein.
Melullis Jestaedt Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf
moreResultsText
Annotations
(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.
(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.
(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.