Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2017 - VII ZB 42/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:111017BVIIZB42.15.0
bei uns veröffentlicht am11.10.2017
vorgehend
Amtsgericht Gardelegen, 314 M 150/15, 02.02.2015
Landgericht Stendal, 21 T 3/15, 10.08.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 42/15
vom
11. Oktober 2017
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
ECLI:DE:BGH:2017:111017BVIIZB42.15.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter Halfmeier und die Richterinnen Graßnack, Borris und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal vom 10. August 2015 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Gläubiger.

Gründe:

I.

1
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Diesen hatte der Gläubiger wegen Unterhaltsansprüchen erwirkt, nachdem er an das leibliche Kind des Schuldners zu Händen der Kindesmutter Unterhaltsvorschuss gezahlt hatte. In dem Vollstreckungsbescheid ist die Hauptforderung des Gläubigers wie folgt bezeichnet: "Unterhaltsrückstände gemäß Nummer der Rechnung oä - 43.05614.3 für H. , J. vom 01.01.10 bis 01.04.12"
2
Der Gläubiger hat beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - die Pfändung des Arbeitseinkommens des Schuldners unter Anwendung der Privilegierung des § 850d ZPO beantragt. Mit Beschluss vom 2. Februar 2015 hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - den Antrag des Gläubigers auf Pfändung gemäß § 850d ZPO zurückgewiesen. Die dagegen vom Gläubiger eingelegte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Gläubiger mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers hat keinen Erfolg.
4
1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
5
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO nicht durch Vorlage eines Vollstreckungsbescheides geführt werden könne. Das gelte entsprechend für den Nachweis des Vollstreckungsprivilegs nach § 850d ZPO. Im Rahmen des Mahnverfahrens finde keine materiell-rechtliche Prüfung statt. Die rechtliche Einordnung des Anspruchs beruhe allein auf den einseitigen, vor der Titulierung nicht überprüften Angaben des Gläubigers.
6
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
7
Der Senat hat nach der Entscheidung des Beschwerdegerichtes und nach der Einlegung der Rechtsbeschwerde durch den Gläubiger entschieden, dass der Gläubiger für den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Titel vorlegen muss, aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung - ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt. Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides kann dieser Nachweis durch den Gläubiger nicht geführt werden, da die rechtliche Einordnung des Anspruchs allein auf einseitigen, vor der Titulierung nicht überprüften Angaben des Gläubigers beruht (BGH, Beschluss vom 6. April 2016 - VII ZB 67/13, NJW 2016, 1663 Rn. 12-16).
8
Die Rechtsbeschwerdebegründung enthält keine Argumente, die der Senat nicht bereits im Rahmen des Beschlusses vom 6. April 2016 berücksichtigt hätte.

III.

9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eick Halfmeier Graßnack
Borris Brenneisen

Vorinstanzen:
AG Gardelegen, Entscheidung vom 02.02.2015 - 314 M 150/15 -
LG Stendal, Entscheidung vom 10.08.2015 - 21 T 3/15 -

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(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind da

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Landgericht Dessau-Roßlau Beschluss, 14. Feb. 2018 - 1 T 12/18

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Tenor Auf die Beschwerde der Gläubigerin vom 15.12.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 08.12.2017- 15 M 1730/17 - wird der Beschluss vom 08.12.2017 aufgehoben und das Verfahren auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisu

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(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezüge ohne die in § 850c bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf; von den in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen hat ihm mindestens die Hälfte des nach § 850a unpfändbaren Betrages zu verbleiben. Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte. Für die Pfändung wegen der Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, gelten die Vorschriften dieses Absatzes insoweit nicht, als nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat.

(2) Mehrere nach Absatz 1 Berechtigte sind mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 16 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu berücksichtigen, wobei mehrere gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben.

(3) Bei der Vollstreckung wegen der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten kann zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden.

(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn

1.
der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,
2.
besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder
3.
der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern
und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

(2) Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen bestimmen; dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

(3) (weggefallen)

(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezüge ohne die in § 850c bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf; von den in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen hat ihm mindestens die Hälfte des nach § 850a unpfändbaren Betrages zu verbleiben. Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte. Für die Pfändung wegen der Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, gelten die Vorschriften dieses Absatzes insoweit nicht, als nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat.

(2) Mehrere nach Absatz 1 Berechtigte sind mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 16 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu berücksichtigen, wobei mehrere gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben.

(3) Bei der Vollstreckung wegen der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten kann zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 67/13
vom
6. April 2016
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Um den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs
gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erbringen, muss der Gläubiger
einen Titel vorlegen, aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung
- ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d
Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art zugrundeliegt (Bestätigung von BGH, Beschluss
vom 6. September 2012 - VII ZB 84/10, NJW 2013, 239).

b) Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides kann dieser Nachweis
durch den Gläubiger nicht geführt werden (Anschluss an BGH, Beschlüsse
vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05, NJW 2005, 1663; vom 10. März 2011
- VII ZB 70/08, NJW-RR 2011, 791).
BGH, Beschluss vom 6. April 2016 - VII ZB 67/13 - LG Hannover
AG Hannover
ECLI:DE:BGH:2016:060416BVIIZB67.13.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmeier und Dr. Kartzke und die Richterinnen Graßnack und Sacher
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 55. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 9. Dezember 2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Diesen hatte er wegen Unterhaltsansprüchen erwirkt, nachdem er als zuständige Gebietskörperschaft an das leibliche Kind des Schuldners zu Händen der KindesmutterUnterhaltsvorschuss gezahlt hatte. Im Vollstreckungsbescheid war die Hauptforderung als "Unterhaltsrückstand gemäß Schreiben 25.3.2013 vom 1.11.10 bis 31.3.11" bezeichnet.
2
Der Gläubiger hat beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - die Pfändung des Arbeitseinkommens des Schuldners unter Anwendung der Privilegierung des § 850d ZPO beantragt. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach Maßgabe der gemäß § 850c ZPO bestehenden Pfändungsgrenzen erlassen und den Antrag auf eine weitergehend privilegierte Pfändung gemäß § 850d ZPO zurückgewiesen.
3
Die Beschwerde des Gläubigers gegen die teilweise Zurückweisung seines Antrags hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in FamRZ 2014, 1658 veröffentlicht ist, ist der Auffassung, dass durch den Gläubiger kein Titel vorgelegt worden sei, aus dem sich - sei es auch durch Auslegung - die Qualifikation des zugrundeliegenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art ergebe. So lasse sich dem Vollstreckungsbescheid bereits nicht entnehmen, ob tatsächlich die von § 850d ZPO privilegierten Unterhaltsforderungen erfasst seien oder beispielsweise eine rein vertraglich begründete Unterhaltsforderung zugrundeliege.
6
Die Rechtsnatur könne auch nicht durch die von dem Gläubiger beigebrachten ergänzenden Unterlagen belegt werden. Denn der Umfang der Eingriffsbefugnisse eines jeden Vollstreckungsorgans sei allein durch den Titel festgelegt, weil nur das Prozessgericht darüber zu befinden habe, welche Rechte dem Gläubiger zustehen und durchsetzbar sind. Das Verfahren gemäß § 850d ZPO vor dem Vollstreckungsgericht sei demgegenüber ein Zwangsvollstreckungs - und kein Erkenntnisverfahren, das einen Rückgriff auf außerhalb des Titels beigebrachte Unterlagen für eine nähere Prüfung verbiete.
7
Auch die Tatsache, dass der Schuldner weder einen Widerspruch gegen den Mahnbescheid noch einen Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid nach zuvor erfolgter Ankündigung der Rechtsnatur der geltend gemachten Unterhaltsansprüche eingelegt habe, führe zu keinem Nachweis einer privilegier- ten Unterhaltsforderung. Denn der Übergang in das streitige Verfahren ziele allein auf die Abwehr des geltend gemachten Zahlungsanspruchs ab. Komme es dazu nicht, sei der zugrunde liegende Vollstreckungsbescheid allein auf einseitigen Vortrag des Gläubigers hin ergangen, ohne dass eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung des Rechtsgrundes erfolgt sei.
8
Für das Vollstreckungsprivileg des § 850d ZPO seien insgesamt dieselben Grundsätze anzuwenden wie für eine privilegierte Pfändung nach § 850f Abs. 2 ZPO. Für die vollstreckungsrechtliche Vergünstigung des § 850d ZPO sei der Gläubiger deshalb auf eine den bisherigen Vollstreckungstitel ergänzende Feststellungsklage angewiesen.
9
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
10
a) Der Gläubiger, der eine nach § 850d Abs. 1 ZPO privilegierte Zwangsvollstreckung betreiben möchte, muss dem Vollstreckungsorgan einen Titel vorlegen , aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung - die Qualifikation des zugrunde liegenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art ergibt (BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - VII ZB 84/10, NJW 2013, 239 Rn. 11 m.w.N.). Denn es ist wie im Fall des § 850f Abs. 2 ZPO (BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - VII ZB 70/08, NJW-RR 2011, 791 Rn. 8 m.w.N.) nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts zu prüfen, ob der Gläubiger aus einem in der Zwangsvollstreckung privilegierten Anspruch vorgeht. Vielmehr ist es an die Auffassung des Prozessgerichts hierzu gebunden. Allein das wird der Aufgabenverteilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren gerecht (BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - VII ZB 84/10, aaO Rn. 10 m.w.N.).
11
Hieran hält der Senat auch angesichts vereinzelt geäußerter Kritik (Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1113, 1193, 1193a; zustimmend dagegen Ahrens, NJW 2013, 240 f.; Aps, FF 2013, 28 f.; Seiler, FamRZ 2012, 1801 f.) fest.
12
b) Nach diesen Grundsätzen hat der Senat bereits entschieden, dass durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides der Nachweis der Voraussetzungen einer privilegierten Vollstreckung selbst dann nicht geführt werden kann, wenn sich aus ihm der Anspruchsgrund ergibt (BGH, Beschlüsse vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05, NJW 2005, 1663 f., juris Rn. 9 ff.; vom 10. März 2011 - VII ZB 70/08, aaO Rn. 9; jeweils zu § 850f Abs. 2 ZPO). Er hat zur Begründung unter anderem ausgeführt:
13
Das Mahnverfahren soll dem Gläubiger einen einfachen und kostengünstigen Weg zu einem Vollstreckungsbescheid eröffnen. Ob der geltend gemachte Anspruch zu Recht besteht, wird in diesem Verfahren nicht geprüft, auf seine Begründung und eine Schlüssigkeitsprüfung wird verzichtet. Auch zur Individualisierung des Anspruchs (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) ist eine nähere Angabe des Rechtsgrundes, aus dem er hergeleitet wird, nicht erforderlich. Eine materiellrechtliche Befassung des Prozessgerichts findet nicht statt; die rechtliche Einordnung des Anspruchs beruht allein auf einseitigen, vor der Titulierung nicht überprüften Angaben des Gläubigers. Schon deshalb kann eine Bindung für das Vollstreckungsgericht nicht eintreten. Dem steht nicht entgegen, dass ein Vollstreckungsbescheid der materiellen Rechtskraft fähig ist und diese sämtliche Rechtsgründe für den geltend gemachten Anspruch erfasst. Denn es geht für den Gläubiger darum, die Voraussetzungen des Vollstreckungsprivilegs nachzuweisen. Dazu bedarf er eines Titels, der seine Berechtigung zu einem erweiterten Vollstreckungszugriff für das Vollstreckungsgericht erkennen lässt. Diese Berechtigung ist ausschließlich durch das Prozessgericht zu beurteilen; die ihm obliegende Prüfung kann durch eine bloße Behauptung des Gläubigers nicht ersetzt werden (BGH, Beschluss vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05, aaO, juris Rn. 10 m.w.N.).
14
Hinzu tritt Folgendes: Das Mahnverfahren, das zum Erlass des Vollstreckungsbescheides geführt hat, kann nur wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hat, eingeleitet werden (§ 688 Abs. 1 ZPO). Es ist nicht dazu bestimmt, zur Vorbereitung der privilegierten Vollstreckung den Schuldgrund feststellen zu lassen. Der Widerspruch des Schuldners und der dadurch bedingte Übergang in das streitige Verfahren zielen auf die Abwehr des geltend gemachten Zahlungsanspruchs. Für den Schuldner besteht zur Einlegung des Widerspruchs keine Veranlassung, wenn er nach seiner Auffassung den geforderten Betrag - obschon aus einem anderen Rechtsgrund - jedenfalls im Ergebnis schuldet. Es ist nicht seine Aufgabe, die vom Gläubiger behaupteten Voraussetzungen für eine privilegierte Vollstreckung auszuräumen. Vielmehr obliegt es dem Gläubiger, den Nachweis für das von ihm beanspruchte Vollstreckungsprivileg zu erbringen. Dazu muss er seinerseits eine Feststellungsklage erheben, für die die Verfahrensart der §§ 688 ff. ZPO nicht geeignet ist (BGH, Beschluss vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05, aaO, juris Rn. 11; Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, NJW 2006, 2922 Rn. 12).
15
c) Diese Erwägungen gelten ebenso für die Feststellung der Voraussetzungen der Vollstreckungsprivilegierung gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO. Sie ist aufgrund eines Vollstreckungsbescheides nicht möglich.
16
Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob es richtig ist, dass - wie das Beschwerdegericht angenommen hat - eine Auslegung des Vollstreckungsbescheides dahin, dass es sich um gesetzliche Unterhaltsansprüche handelt, hier schon nicht möglich ist. Selbst wenn eine Auslegung in diese Richtung ausnahmsweise dann möglich wäre, wenn der Träger der Sozialkasse einen auf ihn gemäß § 7 UVG übergegangenen Anspruch geltend macht (vgl. LG Leipzig, FamRZ 2016, 74, 75, juris Rn. 14 ff.), ändert das nichts an diesem Ergebnis. Gleiches gilt in Fällen, in denen nähere Angaben zur rechtlichen Qualifikation in einem Vollstreckungsbescheid aufgrund des zugrundeliegenden Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides enthalten sein sollten (vgl. zu Formulierungen DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2014, 86, 87; vgl. auch LG Dresden, FamRZ 2015, 1740).

III.

17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick Halfmeier Kartzke
Graßnack Sacher
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 03.12.2013 - 709 M 95537/13 -
LG Hannover, Entscheidung vom 09.12.2013 - 55 T 82/13 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)