Tenor

Auf die Beschwerde der Gläubigerin vom 15.12.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 08.12.2017- 15 M 1730/17 - wird der Beschluss vom 08.12.2017 aufgehoben und das Verfahren auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Hinblick auf einen nach § 850 d ZPO abweichend festzusetzenden pfandfreien Betrag zur weiteren Bearbeitung und Entscheidung an das Amtsgericht Dessau- Roßlau – Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.

Gründe

1

Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus zwei Vollstreckungsbescheiden. Diese hat der Gläubiger 20.11.2013 und am 19.07.2017 wegen Unterhaltsansprüchen für die Zeit vom 01.04.2012 bis 31.12.2012 und vom 01.09.2015 bis zum 30.11.2016 erwirkt, nachdem er Unterhaltsvorschuss gemäß § 7 Abs. 1 UVG geleistet hat. Im Vollstreckungsbescheid ist die Hauptforderung des Gläubigers wie folgt bezeichnet: „Unterhalt ihres minderjährigen Kindes …. gesetzlich übergegangen wegen erbrachten Unterhaltsvorschuss gemäß § 7 Abs. 1 UVG…".

2

Der Gläubiger hat beim Amtsgericht am 10.11.2017 die Pfändung des Arbeitseinkommens des Schuldners unter Anwendung der Privilegierung des § 850 d ZPO beantragt. Neben den Vollstreckungsbescheiden hat er die Bewilligungsbescheide vom 20.10.2011 und vom 21.08.2014 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz vorgelegt.

3

Mit Beschluss vom 08.12.2017 hat das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht - den Antrag des Gläubigers auf Pfändung gemäß § 850 d ZPO zurückgewiesen, weil das Bestehen eines materiellen Unterhaltsanspruchs nicht nachgewiesen sei. Der Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruches könne durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides nicht geführt werden.

4

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Gläubigers vom 15.12.2017.

5

Die Beschwerde ist zulässig.

6

Gegen die Entscheidung, mit der der Pfändungsantrag teilweise abgelehnt worden ist, steht dem Gläubiger die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO zu.

7

Die Beschwerde wurde form- und fristgemäß eingelegt.

8

Die Beschwerde ist begründet.

9

Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht, das den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unter Berücksichtigung eines nach § 850 d ZPO abweichend festzusetzenden pfandfreien Betrages erneut zu prüfen hat.

10

Denn für den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruches gemäß § 850 d Abs. 1 S. 1 ZPO muss der Gläubiger einen Titel vorlegen, aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung - ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850 d Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt. Es muss also erkennbar werden, ob es sich um einen Unterhaltsanspruch handelt, der kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten….zusteht.

11

Bevorrechtigt sind Unterhaltsansprüche die bestimmten Angehörigen kraft Gesetzes zustehen, dazu gehört der Kindesunterhalt. Der Unterhaltsanspruch behält seinen Vorrang auch bei Übergang auf die Unterhaltsvorschusskasse nach § 7 Abs. 1 UVG.

12

Durch das Gesetz vom 14.08.2017 wurde in das UVG der § 7 Abs. 5 neu eingefügt; danach hat das ..., welches die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid betreibt zum Nachweis des nach § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruchs dem Vollstreckungsantrag den Bescheid gemäß § 9 Abs. 2 UVG beizufügen.

13

Hintergrund der Neuregelung ist die Möglichkeit, bei einer Vollstreckung der nach § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsforderungen in Arbeitseinkommen den pfandfreien Betrag des Schuldners zu reduzieren, § 850 d ZPO.

14

Für die antragsgemäße Herabsetzung des Pfändungsfreibetrages durch das Vollstreckungsgericht muss dem Vollstreckungstitel nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BGH ausdrücklich oder im Wege der Auslegung zu entnehmen sein, dass es sich um einen privilegierten Unterhaltsanspruch handelt. Das ist erforderlich, weil das Vollstreckungsgericht die Voraussetzungen der beantragten Entscheidung nur formell prüft, während materielle Beurteilungen zur Art der geltend gemachten Forderung dem Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben. Dazu hatte der BGH im April 2016 entschieden, dass ein Vollstreckungsbescheid nicht geeignet ist, die Voraussetzungen einer privilegierten Vollstreckung nach § 850 d ZPO nachzuweisen (BGH, 06.04.2016, VII ZB 67/13; BGH 11.10.2017, VII ZB 42/15, zit. n. juris).

15

Um den Pfändungsbetrag dennoch herabsetzen zu können waren in diesen Fällen bisher Feststellungsklagen bzw. Anträge erforderlich.

16

Auch § 7 Abs. 5 UVG n. F. spricht von einem Nachweis. Die Kompetenz des Vollstreckungsgerichts, formal zu prüfen, ob Unterhaltsansprüche im Sinne des § 850 d ZPO vollstreckt werden sollen, bleibt durch diese Regelung unangetastet. Nach den zur Begründung des Gesetzes vorliegenden Materialien wird fingiert, dass der Nachweis durch den beizufügenden Bewilligungsbescheid erbracht ist ("gilt als nachgewiesen" - (BT-drucksache 18/12589,177).

17

Dadurch reduziert sich die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsgerichts hinsichtlich des Nachweises auf die Frage, ob sich der beigefügte Bewilligungsbescheid auf denselben Lebenssachverhalt wie der Vollstreckungsbescheid bezieht und nicht offensichtlich unwirksam ist.

18

Somit wird durch § 7 Abs. 5 UVG n. F. fingiert, dass es sich bei den in einem Vollstreckungsbescheid titulierten Forderungen um einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch handelt, wenn dem Vollstreckungsbescheid der Bewilligungsbescheid nach § 9 Abs. 2 UVG beigefügt ist. Diese Nachweisfiktion erfasst auch Vollstreckungsbescheide, die vor dem 01.07.2017 erlassen wurden und gilt für alle Forderungsarten, auf die § 850 d ZPO unmittelbar oder mittelbar anwendbar ist. (Benner/Wiener, Neue Regelung für den Rückgriff nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, JAmt 2017, S. 334).

19

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 UVG n. F. liegen hier vor.

20

Neben dem Vollstreckungsbescheid hat der Gläubiger die Bewilligungsbescheide gemäß § 9 Abs. 2 UVG vorgelegt. Diese betreffen ersichtlich denselben Sachverhalt, nämlich Unterhaltsleistungen für das auch im Vollstreckungsbescheid näher bezeichnete minderjährige Kind und den im Vollstreckungsbescheid bezeichneten Zeitraum.

21

Durch Vollstreckungsbescheid und dazugehörigem Bewilligungsbescheid ist die Privilegierung der geltend gemachten Ansprüche nachgewiesen, so dass der unpfändbare Betrag nach § 850 d ZPO entsprechend den ortsüblichen Sätzen durch das Amtsgericht zu bestimmen ist.

22

Zu diesem Zweck ist das Verfahren an das Amtsgericht zur Prüfung und Entscheidung zurückzuverweisen.


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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2016 - VII ZB 67/13

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZB 67/13 vom 6. April 2016 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 850d Abs. 1 Satz 1, § 699, § 794 Abs. 1 Nr. 4 a) Um den Nachweis der Vollstreckun

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Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 67/13
vom
6. April 2016
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Um den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs
gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erbringen, muss der Gläubiger
einen Titel vorlegen, aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung
- ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d
Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art zugrundeliegt (Bestätigung von BGH, Beschluss
vom 6. September 2012 - VII ZB 84/10, NJW 2013, 239).

b) Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides kann dieser Nachweis
durch den Gläubiger nicht geführt werden (Anschluss an BGH, Beschlüsse
vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05, NJW 2005, 1663; vom 10. März 2011
- VII ZB 70/08, NJW-RR 2011, 791).
BGH, Beschluss vom 6. April 2016 - VII ZB 67/13 - LG Hannover
AG Hannover
ECLI:DE:BGH:2016:060416BVIIZB67.13.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmeier und Dr. Kartzke und die Richterinnen Graßnack und Sacher
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 55. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 9. Dezember 2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Diesen hatte er wegen Unterhaltsansprüchen erwirkt, nachdem er als zuständige Gebietskörperschaft an das leibliche Kind des Schuldners zu Händen der KindesmutterUnterhaltsvorschuss gezahlt hatte. Im Vollstreckungsbescheid war die Hauptforderung als "Unterhaltsrückstand gemäß Schreiben 25.3.2013 vom 1.11.10 bis 31.3.11" bezeichnet.
2
Der Gläubiger hat beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - die Pfändung des Arbeitseinkommens des Schuldners unter Anwendung der Privilegierung des § 850d ZPO beantragt. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach Maßgabe der gemäß § 850c ZPO bestehenden Pfändungsgrenzen erlassen und den Antrag auf eine weitergehend privilegierte Pfändung gemäß § 850d ZPO zurückgewiesen.
3
Die Beschwerde des Gläubigers gegen die teilweise Zurückweisung seines Antrags hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in FamRZ 2014, 1658 veröffentlicht ist, ist der Auffassung, dass durch den Gläubiger kein Titel vorgelegt worden sei, aus dem sich - sei es auch durch Auslegung - die Qualifikation des zugrundeliegenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art ergebe. So lasse sich dem Vollstreckungsbescheid bereits nicht entnehmen, ob tatsächlich die von § 850d ZPO privilegierten Unterhaltsforderungen erfasst seien oder beispielsweise eine rein vertraglich begründete Unterhaltsforderung zugrundeliege.
6
Die Rechtsnatur könne auch nicht durch die von dem Gläubiger beigebrachten ergänzenden Unterlagen belegt werden. Denn der Umfang der Eingriffsbefugnisse eines jeden Vollstreckungsorgans sei allein durch den Titel festgelegt, weil nur das Prozessgericht darüber zu befinden habe, welche Rechte dem Gläubiger zustehen und durchsetzbar sind. Das Verfahren gemäß § 850d ZPO vor dem Vollstreckungsgericht sei demgegenüber ein Zwangsvollstreckungs - und kein Erkenntnisverfahren, das einen Rückgriff auf außerhalb des Titels beigebrachte Unterlagen für eine nähere Prüfung verbiete.
7
Auch die Tatsache, dass der Schuldner weder einen Widerspruch gegen den Mahnbescheid noch einen Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid nach zuvor erfolgter Ankündigung der Rechtsnatur der geltend gemachten Unterhaltsansprüche eingelegt habe, führe zu keinem Nachweis einer privilegier- ten Unterhaltsforderung. Denn der Übergang in das streitige Verfahren ziele allein auf die Abwehr des geltend gemachten Zahlungsanspruchs ab. Komme es dazu nicht, sei der zugrunde liegende Vollstreckungsbescheid allein auf einseitigen Vortrag des Gläubigers hin ergangen, ohne dass eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung des Rechtsgrundes erfolgt sei.
8
Für das Vollstreckungsprivileg des § 850d ZPO seien insgesamt dieselben Grundsätze anzuwenden wie für eine privilegierte Pfändung nach § 850f Abs. 2 ZPO. Für die vollstreckungsrechtliche Vergünstigung des § 850d ZPO sei der Gläubiger deshalb auf eine den bisherigen Vollstreckungstitel ergänzende Feststellungsklage angewiesen.
9
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
10
a) Der Gläubiger, der eine nach § 850d Abs. 1 ZPO privilegierte Zwangsvollstreckung betreiben möchte, muss dem Vollstreckungsorgan einen Titel vorlegen , aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung - die Qualifikation des zugrunde liegenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art ergibt (BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - VII ZB 84/10, NJW 2013, 239 Rn. 11 m.w.N.). Denn es ist wie im Fall des § 850f Abs. 2 ZPO (BGH, Beschluss vom 10. März 2011 - VII ZB 70/08, NJW-RR 2011, 791 Rn. 8 m.w.N.) nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts zu prüfen, ob der Gläubiger aus einem in der Zwangsvollstreckung privilegierten Anspruch vorgeht. Vielmehr ist es an die Auffassung des Prozessgerichts hierzu gebunden. Allein das wird der Aufgabenverteilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren gerecht (BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - VII ZB 84/10, aaO Rn. 10 m.w.N.).
11
Hieran hält der Senat auch angesichts vereinzelt geäußerter Kritik (Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1113, 1193, 1193a; zustimmend dagegen Ahrens, NJW 2013, 240 f.; Aps, FF 2013, 28 f.; Seiler, FamRZ 2012, 1801 f.) fest.
12
b) Nach diesen Grundsätzen hat der Senat bereits entschieden, dass durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides der Nachweis der Voraussetzungen einer privilegierten Vollstreckung selbst dann nicht geführt werden kann, wenn sich aus ihm der Anspruchsgrund ergibt (BGH, Beschlüsse vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05, NJW 2005, 1663 f., juris Rn. 9 ff.; vom 10. März 2011 - VII ZB 70/08, aaO Rn. 9; jeweils zu § 850f Abs. 2 ZPO). Er hat zur Begründung unter anderem ausgeführt:
13
Das Mahnverfahren soll dem Gläubiger einen einfachen und kostengünstigen Weg zu einem Vollstreckungsbescheid eröffnen. Ob der geltend gemachte Anspruch zu Recht besteht, wird in diesem Verfahren nicht geprüft, auf seine Begründung und eine Schlüssigkeitsprüfung wird verzichtet. Auch zur Individualisierung des Anspruchs (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) ist eine nähere Angabe des Rechtsgrundes, aus dem er hergeleitet wird, nicht erforderlich. Eine materiellrechtliche Befassung des Prozessgerichts findet nicht statt; die rechtliche Einordnung des Anspruchs beruht allein auf einseitigen, vor der Titulierung nicht überprüften Angaben des Gläubigers. Schon deshalb kann eine Bindung für das Vollstreckungsgericht nicht eintreten. Dem steht nicht entgegen, dass ein Vollstreckungsbescheid der materiellen Rechtskraft fähig ist und diese sämtliche Rechtsgründe für den geltend gemachten Anspruch erfasst. Denn es geht für den Gläubiger darum, die Voraussetzungen des Vollstreckungsprivilegs nachzuweisen. Dazu bedarf er eines Titels, der seine Berechtigung zu einem erweiterten Vollstreckungszugriff für das Vollstreckungsgericht erkennen lässt. Diese Berechtigung ist ausschließlich durch das Prozessgericht zu beurteilen; die ihm obliegende Prüfung kann durch eine bloße Behauptung des Gläubigers nicht ersetzt werden (BGH, Beschluss vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05, aaO, juris Rn. 10 m.w.N.).
14
Hinzu tritt Folgendes: Das Mahnverfahren, das zum Erlass des Vollstreckungsbescheides geführt hat, kann nur wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hat, eingeleitet werden (§ 688 Abs. 1 ZPO). Es ist nicht dazu bestimmt, zur Vorbereitung der privilegierten Vollstreckung den Schuldgrund feststellen zu lassen. Der Widerspruch des Schuldners und der dadurch bedingte Übergang in das streitige Verfahren zielen auf die Abwehr des geltend gemachten Zahlungsanspruchs. Für den Schuldner besteht zur Einlegung des Widerspruchs keine Veranlassung, wenn er nach seiner Auffassung den geforderten Betrag - obschon aus einem anderen Rechtsgrund - jedenfalls im Ergebnis schuldet. Es ist nicht seine Aufgabe, die vom Gläubiger behaupteten Voraussetzungen für eine privilegierte Vollstreckung auszuräumen. Vielmehr obliegt es dem Gläubiger, den Nachweis für das von ihm beanspruchte Vollstreckungsprivileg zu erbringen. Dazu muss er seinerseits eine Feststellungsklage erheben, für die die Verfahrensart der §§ 688 ff. ZPO nicht geeignet ist (BGH, Beschluss vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05, aaO, juris Rn. 11; Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, NJW 2006, 2922 Rn. 12).
15
c) Diese Erwägungen gelten ebenso für die Feststellung der Voraussetzungen der Vollstreckungsprivilegierung gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO. Sie ist aufgrund eines Vollstreckungsbescheides nicht möglich.
16
Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob es richtig ist, dass - wie das Beschwerdegericht angenommen hat - eine Auslegung des Vollstreckungsbescheides dahin, dass es sich um gesetzliche Unterhaltsansprüche handelt, hier schon nicht möglich ist. Selbst wenn eine Auslegung in diese Richtung ausnahmsweise dann möglich wäre, wenn der Träger der Sozialkasse einen auf ihn gemäß § 7 UVG übergegangenen Anspruch geltend macht (vgl. LG Leipzig, FamRZ 2016, 74, 75, juris Rn. 14 ff.), ändert das nichts an diesem Ergebnis. Gleiches gilt in Fällen, in denen nähere Angaben zur rechtlichen Qualifikation in einem Vollstreckungsbescheid aufgrund des zugrundeliegenden Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides enthalten sein sollten (vgl. zu Formulierungen DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2014, 86, 87; vgl. auch LG Dresden, FamRZ 2015, 1740).

III.

17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick Halfmeier Kartzke
Graßnack Sacher
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 03.12.2013 - 709 M 95537/13 -
LG Hannover, Entscheidung vom 09.12.2013 - 55 T 82/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 42/15
vom
11. Oktober 2017
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
ECLI:DE:BGH:2017:111017BVIIZB42.15.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter Halfmeier und die Richterinnen Graßnack, Borris und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal vom 10. August 2015 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Gläubiger.

Gründe:

I.

1
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Diesen hatte der Gläubiger wegen Unterhaltsansprüchen erwirkt, nachdem er an das leibliche Kind des Schuldners zu Händen der Kindesmutter Unterhaltsvorschuss gezahlt hatte. In dem Vollstreckungsbescheid ist die Hauptforderung des Gläubigers wie folgt bezeichnet: "Unterhaltsrückstände gemäß Nummer der Rechnung oä - 43.05614.3 für H. , J. vom 01.01.10 bis 01.04.12"
2
Der Gläubiger hat beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - die Pfändung des Arbeitseinkommens des Schuldners unter Anwendung der Privilegierung des § 850d ZPO beantragt. Mit Beschluss vom 2. Februar 2015 hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - den Antrag des Gläubigers auf Pfändung gemäß § 850d ZPO zurückgewiesen. Die dagegen vom Gläubiger eingelegte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Gläubiger mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers hat keinen Erfolg.
4
1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
5
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO nicht durch Vorlage eines Vollstreckungsbescheides geführt werden könne. Das gelte entsprechend für den Nachweis des Vollstreckungsprivilegs nach § 850d ZPO. Im Rahmen des Mahnverfahrens finde keine materiell-rechtliche Prüfung statt. Die rechtliche Einordnung des Anspruchs beruhe allein auf den einseitigen, vor der Titulierung nicht überprüften Angaben des Gläubigers.
6
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
7
Der Senat hat nach der Entscheidung des Beschwerdegerichtes und nach der Einlegung der Rechtsbeschwerde durch den Gläubiger entschieden, dass der Gläubiger für den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Titel vorlegen muss, aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung - ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt. Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides kann dieser Nachweis durch den Gläubiger nicht geführt werden, da die rechtliche Einordnung des Anspruchs allein auf einseitigen, vor der Titulierung nicht überprüften Angaben des Gläubigers beruht (BGH, Beschluss vom 6. April 2016 - VII ZB 67/13, NJW 2016, 1663 Rn. 12-16).
8
Die Rechtsbeschwerdebegründung enthält keine Argumente, die der Senat nicht bereits im Rahmen des Beschlusses vom 6. April 2016 berücksichtigt hätte.

III.

9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eick Halfmeier Graßnack
Borris Brenneisen

Vorinstanzen:
AG Gardelegen, Entscheidung vom 02.02.2015 - 314 M 150/15 -
LG Stendal, Entscheidung vom 10.08.2015 - 21 T 3/15 -