Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2010 - V ZR 225/09

bei uns veröffentlicht am24.06.2010
vorgehend
Landgericht Bonn, 4 O 77/08, 13.03.2009
Oberlandesgericht Köln, 7 U 49/09, 29.10.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 225/09
vom
24. Juni 2010
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Oktober 2009 aufgehoben. Der Rechtstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 37.377,52 €.

Gründe:

I.

1
Mit notariell beurkundetem und vormundschaftsgerichtlich genehmigtem Vertrag kaufte die Beklagte von dem durch seinen Betreuer Dr. V. vertretenen Kläger zwei Grundstücke zu einem Gesamtpreis von 45.329,25 €. Dabei entfielen auf die sog. Holzung (25.542 qm à 0,75 € =) 19.157,25 € und auf das sog. Grünland (13.086 qm à 2 € =) 26.172 €. In der Folgezeit kam es zu verschiedenen Stundungen, die im Jahr 2004 in den Abschluss einer notariell beurkundeten und ebenfalls vormundschaftsgerichtlich genehmigten Ratenzahlungsvereinbarung einmündeten, die die vollständige Begleichung der Kauf- preisschuld bis zum 31. Dezember 2007 vorsah. Vollständig erfüllt wurde die Forderung jedoch nicht, weil die Beklagte mittlerweile unter anderem auf dem Standpunkt steht, der Kaufvertrag sei wegen sittenwidriger Überhöhung des Kaufpreises nichtig. Der Kläger fordert die Begleichung der noch offenen Kaufpreisverbindlichkeit , die er inklusive Zinsen mit 37.597,64 € beziffert.
2
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist überwiegend erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat den ausgeurteilten Betrag lediglich auf 35.086,76 € reduziert. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

II.

3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Den Einwand der Sittenwidrigkeit hat das Berufungsgericht aus zwei selbständig tragenden Gründen nicht für durchgreifend erachtet. Zum einen liege kein für § 138 Abs. 1 BGB erhebliches auffälliges Missverhältnis vor. Zum anderen sei die Ratenzahlungsabrede als deklaratorisches Schuldanerkenntnis auszulegen, wodurch es der Beklagten verwehrt sei, sich auf die Sittenwidrigkeit zu berufen. Die hierzu angestellten Erwägungen verletzen jeweils in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (§ 544 Abs. 7 ZPO).
4
1. Das Eingreifen von § 138 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht mit der Erwägung verneint, ein grobes Missverhältnis lasse sich auf der Grundlage der eingereichten Aufstellung des Betreuers nicht feststellen. Dabei wird jedoch - was die Beschwerde zu Recht rügt - das unter Sachverständigenbeweis ge- http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BVerfGE&B=22 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BVerfGE&B=22&S=267 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BVerfGE&B=22&S=267&I=274 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BVerfGE&B=88 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BVerfGE&B=88&S=366 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BVerfGE&B=88&S=366&I=375 - 4 - stellte Vorbringen der Beklagten übergangen, wonach der vereinbarte Kaufpreis um mindestens 100 % überhöht sei. Hinsichtlich des „Grünlands“ betrage der Wert des Grundstücks höchstens 1 €/qm. Mit Blick auf die „Holzung“ hat die Beklagte im Ausgangspunkt einen Wert von 0,30 €/qm behauptet und hierzu der Sache nach ausgeführt, auch unter Berücksichtigung eines Aufschlages für den Zuwachswert werde das auffällige Missverhältnis nicht ausgeräumt. Zwar ist in der Regel davon auszugehen, dass ein Gericht Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 22, 267, 274; 65, 293, 295; 88, 366, 375 f.; Senat, BGHZ 154, 288, 300). Hier liegt es jedoch anders, weil die Verneinung eines auffälligen Missverhältnisses nur zu erklären ist, wenn das Berufungsgericht das in Rede stehende Vorbringen unberücksichtigt gelassen hat. Denn der Kern des Vortrags besteht in der Behauptung des unter Sachverständigenbeweis gestellten Missverhältnisses von wenigstens 100 %, zu dessen weiterer Substantiierung die Beklagte nicht gehalten war (vgl. nur Senat, BGH, Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 431). Mit den eingereichten Unterlagen sollte dieses Missverhältnis ersichtlich nur ergänzend untermauert, nicht aber ausschließlich auf die sich daraus ergebenden Umstände gestützt werden.
5
2. Auch mit Blick auf das angenommene deklaratorische Schuldanerkenntnis liegt eine entscheidungserhebliche Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG vor. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Berufungsgericht nicht bereits auf der Rechtssatzebene verkannt, dass die Annahme eines deklaratorisches Schuldanerkenntnisses nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass die Parteien das zwischen ihnen bestehende Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollen. Ein dem entgegen stehender Obersatz lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Im Gegenteil legt es jedenfalls die Bezugnahme des Berufungsurteils auf "Palandt/Sprau, § 781 Rdn. 3" zumindest außerordentlich nahe, dass das Berufungsgericht insoweit von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist. Allerdings greift auf dieser Grundlage die weitere Verfahrensrüge durch, das Berufungsgericht habe auch insoweit jedenfalls gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Die Beschwerde verweist auf Parteivorbringen, auf dessen Grundlage das Berufungsgericht außer Acht gelassen hat, dass der Kaufpreis auch noch bei Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung außer Streit gewesen und die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen erst im Jahr 2007 von ihrem Ehemann darauf aufmerksam gemacht worden sein soll, dass ein um 100 % überhöhter Kaufpreis „gezahlt“ worden sei. Bei Berücksichtigung dieses Vorbringens hätte das Berufungsgericht nicht zur Annahme eines deklaratorischen Schuldverhältnisses gelangen können.

III.

6
Für die neue Verhandlung und Entscheidung, die auch unter Berücksichtigung des übrigen Vorbringens der Beklagten im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu treffen sein wird, weist der Senat auf Folgendes hin:
7
1. Mit Blick auf § 138 Abs. 1 BGB kann bei Grundstücksgeschäften ein besonders grobes Missverhältnis bereits dann gegeben sein, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (vgl. etwa Senat, Urt. v. 9. Oktober 2009, V ZR 178/08, NJW 2010, 363, 364 m.w.N.). Allerdings ist bei einem relativ geringen Wert der Kaufsache Zurückhaltung bei der Anwendung der Vermutungsregel geboten, weil die Unterschreitung des Kaufpreises umso weniger aussagekräftig ist, je geringer der absolute Wert der Sache ist (Senat, Urt. v. 27. September 2002, V ZR 218/01, NJW-RR 283, 284; Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 9. Aufl., Rdn. 75 m.w.N.). Liegt eine solche Konstellation nicht vor, ist es in den verbleibenden Fällen eher ge- ringfügiger absoluter Wertdifferenz rechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein solches Missverhältnis erst bei einem Auseinanderklaffen von 100 % bejaht wird. Das kommt auch hier in Betracht.
8
2. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass auch das deklaratorische Schuldanerkenntnis unwirksam ist, wenn das dem anerkannten Anspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnis nichtig ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Nichtigkeitsgründe nicht mehr fortbestehen (vgl. nur BGH, Urt. v. 16. März 1988, VIII ZR 12/87, NJW 1988, 1781, 1782). Hierzu ist jedoch nichts festgestellt.
9
3. Die Frage, ob das Vorbringen in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, aber noch vor dem anberaumten Verkündungstermin eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom 10. März 2009 der Zurückweisung nach § 531 Abs. 2 ZPO unterliegt, hängt davon ab, ob entscheidungserhebliches Vorbringen infolge eines Verfahrensmangels des Landgerichts nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
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a) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Vorsitzende des Landgerichts den Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf eine Einsichtnahme der Betreuungsakte in den Räumen des Gerichts verwiesen hat. Grundsätzlich steht weder der Partei noch deren Prozessbevollmächtigen das Recht auf Übersendung der Verfahrensakten, wozu auch Beiakten gehören (MünchKomm -ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 299 Rdn. 5), zu (vgl. nur BGH, Urt. v. 12. Dezember 1960, III ZR 191/59, NJW 1961, 559; Urt. v. 23. November 1972, IX ZR 29/71, MDR 1973, 580). Ob einem Anwalt die Einsichtnahme in seiner Kanzlei gestattet werden kann, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden , der bei der Ermessenausübung unter anderem zu berücksichtigen hat, ob die Aktenversendung an Rechtsanwälte einer Übung bei dem jeweiligen Ge- richt entspricht (zu weiteren Gesichtspunkten etwa Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 299 Rdn. 13; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 299 Rdn. 11; jeweils m.w.N.). Beanstandet eine Partei die Anordnung des Vorsitzenden, entscheidet in entsprechender Anwendung von § 140 ZPO das Gericht. Nur dessen Entscheidung kann im Rahmen der Anfechtung des Endurteils zur Überprüfung gestellt werden (BGH, Urt. v. 23. November 1972, aaO; vgl. auch Zöller /Greger, ZPO, 28. Aufl., § 140 Rdn. 5 m.w.N.). Dass das Landgericht die Anordnung des Vorsitzenden bestätigt hätte, macht die Beklagte indessen nicht geltend.
11
b) Zu prüfen haben wird das Berufungsgericht jedoch ggf., ob das Landgericht aufgrund des eingegangenen Schriftsatzes wieder in die mündliche Verhandlung hätte eintreten müssen (§ 296a Satz 2 i.V.m. § 156 ZPO). Hierzu rügt die Beklagte zumindest der Sache nach, ihr Prozessbevollmächtigter habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eine „großzügige Spruchfrist“ zu ergänzendem Vorbringen nach Auswertung der Betreuungsakte beantragt. Diesem Antrag habe das Landgericht durch Anberaumung eines einmonatigen Verkündungstermins entsprochen. Daher hätte das Landgericht das Vorbringen der Beklagten in dem sodann eingegangenen Schriftsatz durch Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung berücksichtigen müssen. Ob diese Rüge unter dem Blickwinkel einer fairen Verfahrensgestaltung begründet ist, hängt davon ab, ob die Anberaumung eines „weiten Verkündungstermins“ mit der oben wiedergegebenen Begründung angeregt worden ist. Denn nur dann konnte die Beklagte von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ausgehen. Da aus dem Verhandlungsprotokoll lediglich die Stellung eines dahin gehenden „Antrages“, nicht aber dessen Begründung ersichtlich ist, besteht insoweit ggf. Aufklärungsbedarf.
12
4. Sollte das Berufungsgericht erneut zur Begründetheit der Klage gelangen , stünde einer Verzinsung der in dem ausgeurteilten Betrag enthaltenen Zinsen das Zinseszinsverbot des § 289 Satz 1 BGB entgegen. Etwas anderes kann sich allerdings unter den Voraussetzungen des Verzuges ergeben (§ 289 Satz 2 BGB). Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 13.03.2009 - 4 O 77/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 29.10.2009 - 7 U 49/09 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2010 - V ZR 225/09 zitiert 8 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Zivilprozessordnung - ZPO | § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung


(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen. (2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn 1. das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295),

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 289 Zinseszinsverbot


Von Zinsen sind Verzugszinsen nicht zu entrichten. Das Recht des Gläubigers auf Ersatz des durch den Verzug entstehenden Schadens bleibt unberührt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 140 Beanstandung von Prozessleitung oder Fragen


Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden oder eine von dem Vorsitzenden oder einem Gerichtsmitglied gestellte Frage von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

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Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 22. Aug. 2014 - I-22 U 39/13

bei uns veröffentlicht am 22.08.2014

Tenor Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 14. Februar 2013 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Unter A

Referenzen

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 237/00 Verkündet am:
5. Oktober 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Sittenwidrigkeit bei einem auffälligen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
im Falle eines entgeltlichen Geschäfts, durch das sich eine Partei zur
Aufgabe einer Rechtsposition verpflichtet, die bei wirtschaftlicher Betrachtung einem
Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück gleichsteht.
BGH, Urt. v. 5. Oktober 2001 - V ZR 237/00 - KG
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Oktober 2001 durch die Richter Tropf, Schneider, Prof. Dr. Krüger,
Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 6. Juni 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin macht Ansprüche geltend, die G. A. an sie abgetreten hat.
A., nach den Behauptungen der Klägerin von deutlich unterdurchschnittlicher Intelligenz, war Eigentümer eines in H. gelegenen, unbebauten Grundstücks mit einer Größe von 15.919 m². Mit notariellem Vertrag vom 2. Juli 1990 räumte er dem Beklagten, der hierzu angeregt hatte, an dem Grundstück ein "Nutzungsrecht zur Bebauung des Grundstücks" gegen Zahlung einer jährlichen Nutzungsrente von 42.875 DM ein. Weiter wurde vereinbart, daß das Nutzungsrecht nach Inkrafttreten der ErbbauVO auf dem Gebiet der DDR durch ein Erbbaurecht ersetzt werden sollte. Zu den hierfür erforderlichen Erklärun-
gen bevollmächtigte der Zedent den Beklagten unter Befreiung von den Einschränkungen der § 56 Abs. 3 ZGB bzw. § 181 BGB. Der Beklagte verpflichtete sich auûerdem, den Zedenten bei Bebauung des Grundstücks zu einem Bruttogehalt von monatlich 3.000 DM als Haushandwerker zu beschäftigen. Den Erbbaurechtsvertrag lieû der Beklagte am 14. Februar 1991 notariell beurkunden.
Am 5. April 1991 erteilte der Zedent einem Makler, mit dem ihn der Beklagte zusammengebracht hatte, einen Auftrag zum Verkauf des Grundstücks. Auf Vermittlung des Maklers wurde am 2. Mai 1991 ein notarieller Vertrag geschlossen , mit dem der Zedent das Grundstück für 2.864.700 DM an mehrere Käufer veräuûerte. In der Urkunde "verzichtete" der Beklagte auf das Erbbaurecht. Als Gegenleistung hierfür hatte der Zedent - in einer am selben Tag zuvor bei einem anderen Notar errichteten Urkunde - einen Teilbetrag des Kaufpreises in Höhe von 1.217.115 DM an den Beklagten abgetreten. Tatsächlich vereinnahmte der Beklagte, nachdem die Käufer mit ihm in einem Vergleich eine Reduzierung vereinbart hatten, lediglich 1.095.000 DM. Einen weiteren Kaufpreisteil in Höhe von 165.000 DM trat der Zedent zur Begleichung der Provisionsansprüche an den Makler ab.
Die Klägerin hält die Vereinbarung des Zedenten mit dem Beklagten über den Verzicht auf das Erbbaurecht wegen eines groben Miûverhältnisses zwischen dem Wert der Leistung des Beklagten und der vereinbarten Gegenleistung im Wert von 1.217.115 DM für sittenwidrig. Dem Beklagten, so hat die Klägerin behauptet, sei es niemals um eine Bebauung des Grundstücks, sondern nur um die Rechtsposition eines Erbbauberechtigten gegangen, damit er von einem Verkauf des Grundstücks habe profitieren können. Sie verlangt von
dem Beklagten die Zahlung eines Teilbetrages von 273.750 DM aus der von ihm vereinnahmten Summe. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 271.070,31 DM stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten ist die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstrebt. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht verneint eine Verpflichtung des Beklagten. Er sei nicht ungerechtfertigt bereichert, insbesondere sei die zwischen ihm und dem Zedenten getroffene Vereinbarung über die Aufhebung des Erbbaurechts nicht als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Es fehle bereits an einem auffälligen Miûverhältnis, weil dem Anteil des Beklagten am Verkaufserlös der wirtschaftliche Vorteil gegenüber zu stellen sei, den der Zedent in Form von Zinsmehreinnahmen durch die Möglichkeit der belastungsfreien Veräuûerung des Grundstücks erzielt habe. Bei einer Verzinsung seines Kaufpreisanteils mit jährlich 8 % könne der Zedent für die gesamte Dauer des Erbbauvertrages von 99 Jahren mit Mehreinnahmen von etwa 7,5 Millionen DM im Vergleich zum Erbbauzins rechnen. Zu diesem Vorteil stehe die Leistung von 1,2 Millionen DM an den Beklagten nicht auûer Verhältnis, auch wenn das Erbbaurecht an einen Dritten nicht verkäuflich und damit wertlos gewesen sei. Da der Zedent gleichwohl einen Vermögensvorteil erlangt habe, sei es ohne Bedeutung, daû das Erbbaurecht für den Beklagten wegen der Unsicherheit
über die Bebaubarkeit zu einer Belastung geworden sei. Der Beklagte habe auch nicht mit verwerflicher Gesinnung gehandelt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich fest, daû es dem Beklagten nicht von Anfang an nur um die Ausnutzung einer formalen Rechtsposition gegangen sei, sondern daû er in verschiedener Weise eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks versucht habe.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen - neben einem Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (vgl. Senat, Urt. v. 19. Januar 2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127, 1129, zur Veröffentlichung in BGHZ 146, 298 vorgesehen) - ein Bereicherungsanspruch der Klägerin (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB), der auf Herausgabe des vereinnahmten Kaufpreisanteils - als Surrogat der abgetretenen Forderung (§ 818 Abs. 1 2. Halbsatz BGB) - gerichtet ist, nicht auszuschlieûen. Vielmehr kann das schuldrechtliche Kausalgeschäft (vgl. BGHZ 127, 129, 134), das dem von dem Beklagten unter § 14 der Kaufvertragsurkunde vom 2. Mai 1991 erklärten "Verzicht" zugrunde lag und den Zedenten im Gegenzug zur Abtretung eines Kaufpreisanteils in Höhe von 1.217.115 DM verpflichtete, nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein.
1. Allerdings steht der Klägerin ein Bereicherungsanspruch nicht schon wegen Formnichtigkeit des Verpflichtungsgeschäftes zu, das von den Ver-
tragsparteien nicht in notariell beurkundeter Form geschlossen worden ist, insbesondere keine Aufnahme in die Urkunde vom 2. Mai 1991 gefunden hat.

a) Die Vertragsparteien waren sich offensichtlich darüber im Unklaren, welche Rechtsposition der Beklagte bereits erworben hatte und welche Erklärungen deshalb erforderlich waren, um einen Verkauf des Grundstücks zu ermöglichen. Die zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen in der notariellen Urkunde vom 2. Mai 1991 abgegebenen Erklärungen sind deshalb so abgefaût , daû sie für den Abschluû eines Erlaû- (§ 397 Abs. 1 BGB) und Aufhebungsvertrages hinsichtlich der schuldrechtlichen Ansprüche des Beklagten gegen den Zedenten aus der Urkunde vom 2. Juli 1990 ebenso genügen wie für die Aufhebung eines dem Beklagten zustehenden erbbaurechtlichen Anwartschaftsrechts (vgl. BGH, Urt. v. 13. April 1978, III ZR 122/76, NJW 1978, 2199) oder für die Aufhebung eines schon entstandenen Erbbaurechts (§ 26 ErbbauVO).

b) Aus § 11 Abs. 2 ErbbauVO könnte sich die Notwendigkeit der Beachtung des Formerfordernisses aus § 313 BGB allenfalls dann ergeben, wenn der Beklagte bereits ein Erbbaurecht oder ein erbbaurechtliches Anwartschaftsrecht (vgl. Senat, BGHZ 103, 175, 179) erworben hätte (vgl. Staudinger /Ring, BGB [1994], § 11 ErbbauVO Rdn. 30) und deshalb die insoweit von dem Beklagten übernommenen Verpflichtungen maûgeblich wären. Dies war jedoch nicht der Fall, weshalb es auch keiner Entscheidung über die Frage einer etwaigen Heilung entsprechend § 313 Satz 2 BGB bedarf (vgl. dazu Ernst, ZIP 1994, 605, 609 f). In der notariellen Urkunde vom 14. Februar 1991 hat der von dem Verbot des Selbstkontrahierens befreite Beklagte für sich selbst und - aufgrund der Bevollmächtigung unter Nr. 9 der Urkunde vom 2. Juli 1990 - als
Vertreter des Zedenten die für die Bestellung eines Erbbaurechts erforderlichen Erklärungen abgegeben sowie die Eintragung im Grundbuch bewilligt und beantragt. Es gibt allerdings keinen Hinweis darauf, daû der Beklagte auch bereits den Antrag auf Eintragung des Erbbaurechts beim Grundbuchamt gestellt hatte. Ohne diesen Antrag war der mehraktige Entstehungstatbestand des Erbbaurechts aber noch nicht soweit erfüllt, daû der Beklagte eine gesicherte Rechtsposition erlangt hatte, die der andere an der Entstehung des Vollrechts Beteiligte - hier also der Zedent - nicht mehr einseitig zerstören konnte (vgl. Senat, BGHZ 106, 108, 111). Dies wäre aber für die Entstehung eines Anwartschaftsrechts erforderlich gewesen (vgl. Senat, BGHZ 89, 41, 44 m.w.N.). Mangels Antragstellung kann auch nicht von einem Entstehen des Erbbaurechts nach Eintragung im Grundbuch (§§ 11 Abs. 1 ErbbauVO; 873 Abs. 1 BGB) ausgegangen werden.

c) Hatte der Beklagte noch kein Anwartschaftsrecht und mangels Eintragung auch kein Erbbaurecht erworben, so kann Gegenstand des in der notariellen Urkunde vom 2. Mai 1991 erklärten "Verzichts" des Beklagten nur dessen schuldrechtlicher Anspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts aus dem Vertrag vom 2. Juli 1990 sein. Diesen Fall haben der Zedent und der Beklagte ebenfalls zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht. In der Urkunde vom 2. Mai 1991 verpflichtete sich der Beklagte nämlich auch zur Rücknahme eines "etwa bereits gestellten Eintragungsantrages", was zeigt, daû die Antragstellung als ungewiû angesehen wurde. Unter diesen Umständen ist der "Verzicht" als Erklärung des Beklagten zum Abschluû eines - formfreien - Erlaûvertrages (§ 397 Abs. 1 BGB) zu verstehen. Das Angebot wurde von dem Zedenten im Zuge des Abschlusses des Kaufvertrages konkludent angenommen; denn dessen Vollzug machte ihm die Erfüllung der gegenüber dem Beklagten übernommenen
Verpflichtung unmöglich. Da dieses ohnehin durch das Entstehen eines Erbbaurechts auflösend bedingt war, wurde gleichzeitig das nach §§ 8 Abs. 2, 45 Abs. 3 Satz 1 ZGB in der Urkunde vom 2. Juli 1990 wirksam begründete Schuldverhältnis über das nicht dinglich wirkende Nutzungsrecht des Beklagten (vgl. Senat, Urt. v. 3. März 1995, V ZR 266/93, WM 1995, 1193) einvernehmlich aufgehoben. Für das dem Erlaû (vgl. MünchKomm-BGB/Schlüter, 4. Aufl., § 397 Rdn. 6; Staudinger/Rieble, BGB [1999], § 397 Rdn. 49) und der Aufhebung (vgl. MünchKomm-BGB/Thode, aaO, § 305 Rdn. 23 f) zugrunde liegende Kausalgeschäft muûte eine Formvorschrift nicht beachtet werden.
2. Die Sittenwidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts zwischen dem Zedenten und dem Beklagten kann mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.

a) Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daû im vorliegenden Fall die Regeln Anwendung finden, die die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit eines wucherähnlichen, durch schwere Äquivalenzstörung gekennzeichneten Rechtsgeschäfts entwickelt hat. Der hierfür erforderliche, auf Leistungsaustausch gerichtete Vertrag (vgl. Senat, Urt. v. 10. Oktober 1997, V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590, 591; BGH, Urt. v. 8. Juli 1982, III ZR 1/81, NJW 1982, 2767) wurde zwischen dem Zedenten und dem Beklagten geschlossen. Das Kausalgeschäft, das den Beklagten zu Erlaû und Aufhebung verpflichtete, begründete für den Zedenten als Gegenleistung die Verpflichtung zur Abtretung eines Kaufpreisanteils in Höhe von 1.217.115 DM an den Beklagten. Bei dem Verpflichtungsgeschäft handelte es sich um einen gegenseitigen Vertrag (vgl. RG JW 1913, 427, 428).

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Rechtsgeschäft, das den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Punkten erfüllt, auch dann gegen die guten Sitten verstoûen und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Miûverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der begünstigte Vertragspartner die wirtschaftlich schwächere Lage des anderen Teils bewuût zu seinem Vorteil ausnutzt oder wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschlieût, daû sich der andere nur unter Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einläût. Ist das Miûverhältnis besonders grob, so ist allein deswegen der Schluû auf bewuûte oder grob fahrlässige Ausnutzung irgendeines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung zulässig. Von einem besonders groben Miûverhältnis ist auszugehen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung des Begünstigten (vgl. nur Senat, Urt. v. 19. Januar 2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 f m.w.N.).

c) Das Berufungsgericht stellt zur Ermittlung eines etwaigen Äquivalenzmiûverhältnisses auf die Vorteile ab, die der Zedent durch den - mit dem "Verzicht" ermöglichten - Verkauf des Grundstücks gegenüber einer fortbestehenden Belastung durch das Erbbaurecht erlangt, und vergleicht die prognostizierten Zinsgewinne aus dem von ihm vereinnahmten Kaufpreisanteil mit den zu erwartenden Erbbauzinsen. Dies ist schon im Ansatz verfehlt. Für die Feststellung eines besonders groben Miûverhältnisses von Leistung und Gegenleistung - und die daran anknüpfende Schluûfolgerung auf die verwerfliche Gesinnung - kommt es allein auf die objektiven Werte dieser Leistungen an (Se-
nat, Urt. v. 12. Dezember 1986, V ZR 100/85, WM 1987, 352, 354; Urt. v. 20. April 1990, V ZR 256/88, NJW-RR 1990, 950; Urt. v. 12. Januar 1996, V ZR 289/94, NJW 1996, 1204). Überdies ist für die Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts in zeitlicher Hinsicht dessen Vornahme, also der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, maûgebend (BGHZ 7, 111, 114; 100, 353, 359; 107, 92, 96 f; Senat, Urt. v. 3. November 1995, V ZR 102/94, WM 1996, 262, 263). Ist hiernach der Vergleich der objektiven Werte der Leistung des Beklagten einerseits und andererseits der hierfür erbrachten Gegenleistung des Zedenten zur Zeit des Vertragsschlusses entscheidend, so können die künftigen Gewinne, die eine Partei möglicherweise aus der von ihr erworbenen Leistung ziehen kann, für die Prüfung eines Äquivalenzmiûverhältnisses keine Bedeutung erlangen (vgl. Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 138 Rdn. 75). Im übrigen sind die Überlegungen des Berufungsgerichts auch inkonsequent; denn es berücksichtigt die Gewinnaussichten nur einseitig zu Lasten des Zedenten , läût die künftigen Vorteile auf seiten des Beklagten jedoch unbeachtet. Solche drängen sich aber bei der von dem Berufungsgericht gewählten Betrachtungsweise auf; denn der Beklagte erhält nicht nur die Möglichkeit, Zinsgewinne aus dem abgetretenen Kaufpreisanteil zu erzielen, sondern erspart auch die Zahlung eines jährlichen Erbbauzinses von 42.875 DM (oder einer "Nutzungsrente" in gleicher Höhe).
aa) Leistung des Beklagten ist - neben der Aufhebung des Nutzungsverhältnisses - insbesondere seine Mitwirkung beim Abschluû eines Erlaûvertrages über seinen Anspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts. Da die Rechtsposition , zu deren Aufgabe sich der Beklagte verpflichtete, bei wirtschaftlicher Betrachtung insgesamt einem schon bestehenden Erbbaurecht mehr als nahekommt , ist es gerechtfertigt, seine Leistung nach dem Wert des von ihm bean-
spruchbaren Erbbaurechts zu bemessen. Im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien konnte der Beklagte das Grundstück bereits wie ein Erbbauberechtigter nutzen und die Begründung des Erbbaurechts war von dem Zedenten kaum mehr zu verhindern.
Der objektive Wert des Erbbaurechts ist auch im Verhältnis zum Zedenten als Grundstückseigentümer maûgeblich. Besondere Interessen oder Motivationen einer Vertragspartei können nicht für die Prüfung des Äquivalenzverhältnisses , sondern nur für die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit Bedeutung erlangen (Senat, Urt. v. 12. Dezember 1986, aaO). Maûgeblich für die Bestimmung des objektiven Wertes ist zunächst der Verkehrswert des Erbbaurechts. Zwar sollte eine Übertragung auf den Zedenten als Eigentümererbbaurecht nicht erfolgen, der Beklagte hat sich aber zur Aufgabe einer Rechtsposition verpflichtet, die ihn in die Lage versetzte, durch eine Veräuûerung den Verkehrswert des Erbbaurechts zu erlösen. Hierin erschöpft sich der objektive Wert des Erbbaurechts, der Gegenstand der Leistung des Beklagten ist, allerdings nicht. Als weiterer, nach objektiven Kriterien bestimmbarer Bestandteil der Leistung des Beklagten tritt vielmehr der wirtschaftliche Vorteil hinzu, den der Zedent durch die vorzeitige Verfügungsmöglichkeit über das unbelastete Grundstück erlangte. Ergibt sich hieraus ein den Verkehrswert des Erbbaurechts übersteigender Betrag, so ist dieser maûgeblich.
bb) Der Verkehrswert des Erbbaurechts kann, was das Berufungsgericht nicht verkennt, nicht ohne weiteres mit Null DM angenommen werden. Zwar wird sich bei einem Erbbaurecht an einem - wie hier - unbebauten Grundstück regelmäûig kein anderer Betrag ergeben (vgl. Simon/Kleiber, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 7. Aufl., 1996, Rdn. 6.15); denn der Erb-
bauberechtigte ist für die Überlassung des Bodens mit der Zahlung des Erbbauzinses belastet. Wenn aber der vereinbarte Erbbauzins unter dem marktüblichen , nachhaltig erzielbaren Zins liegt, läût sich für den Erbbauberechtigten durchaus ein wirtschaftlicher Vorteil ermitteln (vgl. Simon/Kleiber, aaO, Rdn. 6.16), was wiederum zu einem meûbaren Verkehrswert des Erbbaurechts auch an einem unbebauten Grundstück führen kann. Gleiches gilt, wenn im konkreten Fall nach den Verhältnissen am örtlichen Grundstücksteilmarkt eine starke Nachfrage (Verkäufermarkt) nach Erbbaurechten auch an unbebauten Grundstücken besteht (vgl. Simon/Kleiber, aaO, Rdn. 6.21). Da sich die Klägerin auf die Sittenwidrigkeit beruft, trifft sie für den Verkehrswert des Erbbaurechts - wie für alle weiteren tatsächlichen Voraussetzungen von § 138 Abs. 1 BGB - die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGHZ 53, 369, 379; BGH, Urt. v. 23. Februar 1995, IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1429).
Der Ermittlung des Verkehrswertes des Erbbaurechts stehen die aus Sicht des Berufungsgerichts unsubstantiierten Darlegungen der Klägerin nicht entgegen. Die Revision rügt zu Recht, daû es das Berufungsgericht versäumt hat, die Klägerin auf diese Einschätzung nach § 139 Abs. 1 ZPO hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 22. April 1999, I ZR 37/97, NJW 1999, 3716). Die Klägerin brauchte den Umständen nach nicht damit zu rechnen, das Berufungsgericht werde ihr Vorbringen zur Angemessenheit des vereinbarten Erbbauzinses als unzulänglich ansehen. Für den Fall eines solchen Hinweises, so macht die Revision geltend, wäre von der Klägerin ein Verkehrswert des Erbbaurechts in Höhe von allenfalls 10.000 DM behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt worden. Dieser Vortrag ist ausreichend substantiiert ; denn die behauptete Tatsache läût in Verbindung mit einem Rechtssatz den geltend gemachten Anspruch als in der Person des Zedenten entstanden
erscheinen. Eine Darlegung weiterer Einzeltatsachen kann nicht erwartet und verlangt werden; der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ist für den Umfang der Darlegungslast ohne Bedeutung (Senat, Urt. v. 8. Mai 1992, V ZR 95/91, NJW 1992, 3106; Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 150/95, NJWRR 1996, 1402).
Zu dem Wert des weiteren Bestandteils der Leistung des Beklagten, der in der vorzeitigen Verfügungsmöglichkeit über das unbelastete Grundstück zu sehen ist, hat die darlegungsbelastete Klägerin noch nichts vorgetragen. Nachdem sie auf die Erheblichkeit dieses Umstandes hingewiesen ist, erhält sie durch die Zurückverweisung Gelegenheit, insoweit ihr Vorbringen zu ergänzen. Da dieser Vorteil etwa durch Vergleich des Verkehrswertes des unbelasteten Grundstücks mit der Minderung des Bodenwertes durch das Erbbaurecht (dazu etwa Brückner/Noack, NJW 1971, 736 f) einer rechnerischen Erfassung zugänglich ist, kann die Klägerin ihren Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens entsprechend erweitern.

d) Auch die subjektiven Voraussetzungen für ein wucherähnliches Geschäft hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft verneint.
aa) Nicht zu beanstanden ist allerdings, daû das Berufungsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein bewuûtes Ausnutzen der Unerfahrenheit des Zedenten nicht hat feststellen können. Auch die Revision nimmt die Feststellung des Berufungsgerichts hin, der Beklagte habe verschiedene Bemühungen unternommen, um das Erbbaugrundstück wirtschaftlich zu verwerten , und sich das Erbbaurecht nicht deshalb einräumen lassen, um die damit begründete formale Rechtsposition gegenüber dem Zedenten auszunutzen.
Damit fehlt es zwar - mangels Ausbeutung - am subjektiven Tatbestand des Wuchers gemäû § 138 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 8. Juli 1982, III ZR 1/81, NJW 1982, 2767, 2768; Urt. v. 19. Juni 1990, XI ZR 280/89, NJW-RR 1990, 1199). Dies steht aber der Nichtigkeit eines - wie hier möglicherweise - objektiv wucherischen Geschäft wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nicht entgegen.
bb) Für die zur Begründung der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB insbesondere erforderliche verwerfliche Gesinnung, reicht es - wie bereits ausgeführt - aus, wenn sich der Begünstigte bewuût oder grob fahrlässig der Einsicht verschlieût, daû der andere Teil den Vertrag nur aus Mangel an Urteilsvermögen oder wegen erheblicher Willensschwäche eingegangen ist. Diese Feststellung wird durch eine tatsächliche Vermutung erleichtert.
(1) Der Wert der Leistung des Zedenten beläuft sich mindestens auf die 1.095.000 DM, die der Beklagte auf die an ihn abgetretene Kaufpreisforderung über nominal 1.217.115 DM erhalten hat. Sollte sich nach einer Beweisaufnahme zeigen, daû der Wert der Leistung des Zedenten mindestens knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Leistung des Beklagten, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur ein besonders grobes Miûverhältnis gegeben, sondern auch der Schluû auf eine verwerfliche Gesinnung zulässig (vgl. Senat, Urt. v. 8. November 1991, V ZR 260/90, NJW 1992, 899, 900; Urt. v. 23. Juni 1995, V ZR 265/93, NJW 1995, 2635, 2636, insoweit in BGHZ 130, 101 nicht abgedruckt; Urt. v. 4. Februar 2000, V ZR 146/98, NJW 2000, 1487, 1488; vgl. für den Kauf beweglicher Sachen auch BGH, Urt. v. 26. November 1997, VIII ZR 322/96, NJW-RR 1998, 1065, 1066; Urt. v. 22. Dezember 1999, VIII ZR 111/99, NJW 2000, 1254, 1255). Für diese
Schluûfolgerung ist die Kenntnis des Beklagten von den Wertverhältnissen keine Voraussetzung (vgl. Senat, Urt. v. 19. Januar 2001, aaO).
(2) An die damit begründete tatsächliche Vermutung ist der Tatrichter jedenfalls als Beweiswürdigungsregel gebunden; sie kann nur dann nicht zur Anwendung kommen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist (Senat, Urt. v. 19. Januar 2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127, 1129). Dies wird das Berufungsgericht ggf. berücksichtigen und insbesondere erwägen müssen, ob die tatsächliche Vermutung im konkreten Fall nicht etwa durch besondere Bewertungsschwierigkeiten widerlegt ist (vgl. Senat, Urt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156).
(3) Danach wendet sich die Revision zu Recht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Annahme einer verwerflichen Gesinnung stehe schon entgegen, daû der Beklagte auf eine Rechtsposition verzichtet habe, die er in zulässiger Weise habe nutzen können. Das Berufungsgericht läût dabei auûer acht, daû nach der gesetzlichen Regelung in § 138 Abs. 1 BGB der Gegenleistung , die der Beklagte für die Aufgabe seiner Rechtsposition erhalten hat, entscheidende Bedeutung zukommt. Die Rechtsordnung verweigert Verträgen mit einem besonders groben Miûverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung die Wirksamkeit, wenn - wofür in einem solchen Fall eine tatsächliche Vermutung spricht - die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hinzutritt. Diese Schluûfolgerung leitet sich aus dem - von dem Berufungsgericht nicht in Betracht gezogenen - Erfahrungssatz her, daû in der Regel auûergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not - oder nicht ohne einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand - zugestanden werden und auch der Begünstigte diese Erfahrung teilt (vgl. Senat, Urt. v. 28. Mai 1976, V ZR 170/74, LM § 138
(Aa) Nr. 22; Urt. v. 12. Dezember 1986, aaO; Urt. v. 21. März 1997, aaO; Urt. v. 19. Januar 2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127, 1128).
Von einem den Benachteiligten hemmenden Umstand als Grund für die auûergewöhnliche Leistungen mag nicht gesprochen werden können, wenn der Eigentümer eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks nach Abwägung der Vor- und Nachteile dem Erbbauberechtigten für die Aufhebung des Erbbaurechts die Zahlung eines beträchtlichen "Ablösebetrages" anbietet, um schnellen Gewinn aus dem Verkauf des unbelasteten Grundstücks zu erzielen. So liegt der Fall hier aber jedenfalls nach den Behauptungen der Klägerin nicht. Danach war es nicht der Zedent, sondern der Beklagte, der den Verkauf des Grundstücks initiierte und deshalb den Zedenten mit dem Makler, der Kaufinteressenten gewinnen sollte, in Kontakt brachte. Dies soll zu einem Zeitpunkt geschehen sein, als nicht der Zedent, sondern der Beklagte jedes Interesse an dem Erbbaurecht verloren hatte. Nachdem seine Investitionspläne gescheitert waren, hätte das Erbbaurecht, an dessen Erwerb Dritte kein Interesse zeigten, für den Beklagten wegen der fortdauernden Zahlungsverpflichtung nur eine Belastung bedeutet. Da dieses Vorbringen - wie mit der Gegenrüge des Beklagten zu Recht geltend gemacht - bestritten ist, wird das Berufungsgericht ggf. auch insoweit den Beweisangeboten der Parteien nachzugehen haben.

III.


Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es unter Beachtung der aufgezeigten rechtlichen Erwägungen die notwendigen Feststellungen nachholen kann (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daû die von dem Beklagten eingewandte Sittenwidrigkeit der Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Zedenten für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich ist. Eine etwaige Sittenwidrigkeit wegen wucherähnlicher Konditionen beträfe nur das Verpflichtungsgeschäft zwischen der Klägerin und dem Zedenten (vgl. Senat, Urt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156), während die Wirksamkeit der - für die Aktivlegitimation der Klägerin maûgeblichen - Abtretung der Klageforderung als Verfügungsgeschäft grundsätzlich unabhängig davon zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urt. v. 14. Juli 1997, II ZR 122/96, NJW 1997, 3370). Die Anwendung des § 139 BGB, aus dem unter Umständen
eine Nichtigkeit auch der Abtretung folgen könnte, ist durch die Regelung unter § 6 der Vereinbarung vom 17./20. November 1997 ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 8. Februar 1994, KZR 2/93, NJW 1994, 1651, 1653).
Tropf Schneider Krüger Klein Gaier

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 178/08 Verkündet am:
9. Oktober 2009
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die tatsächliche Vermutung, nach der von einem groben Missverhältnis von Leistung
und Gegenleistung auf die verwerfliche Gesinnung des hiervon begünstigten
Vertragsteils zu schließen ist, erleichtert der davon nachteilig betroffenen Partei zwar
die Darlegung und die Beweisführung für das Vorliegen des subjektiven Merkmals
eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts, befreit sie aber nicht von ihrer
Behauptungslast.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - KG Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Oktober 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den
Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 1. Juli 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger und seine Ehefrau machten der Beklagten mit notarieller Urkunde vom 13. Februar 1998 das Angebot zum Kauf einer vermieteten, zu sanierenden Eigentumswohnung in B. zu einem Gesamtpreis von 135.500 DM (97.560 DM Kaufpreis für die Wohnung und 37.940 DM Werklohn für Bauleistungen), das die Beklagte mit notarieller Erklärung vom 24. Februar 1998 annahm. Die Vermarktung der Wohnungen der Beklagten erfolgte über eine von dieser beauftragte Vermittlerin.
2
Mit der Klage hat der Kläger aus eigenem und von seiner Ehefrau abgetretenem Recht die schadensersatzrechtliche Rückabwicklung des Kauf- vertrags wegen falscher Beratung über die mit der Finanzierung zu übernehmenden Belastungen des Erwerbs verlangt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Kammergericht hat sie unter Zurückweisung des Vorbringens des Klägers zu einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht verneint Schadensersatzansprüche aus jedem in Betracht kommenden Rechtsgrund, weil der Kläger nach Würdigung der von dem Berufungsgericht erneut durchgeführten Beweisaufnahme nicht bewiesen habe, dass der Vermittler über die Kosten der Finanzierung des Erwerbs der Wohnung fehlerhaft beraten oder den Käufern andere falsche Auskünfte erteilt habe.
4
Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Er habe zwar in zweiter Instanz vorgetragen, dass der Kaufvertrag wegen Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB oder als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Dieses Vorbringen sei aber neu und stelle nicht lediglich eine Substantiierung erstinstanzlichen Vorbringens dar. Der Kläger habe zwar in erster Instanz behauptet, dass ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliege, er habe aber nicht zu den subjektiven Merkmalen des § 138 BGB vorgetragen. Das neue Vorbringen sei nicht zuzulassen, weil keiner der in § 531 Abs. 2 ZPO bestimmten Ausnahmegründe vorliege.

II.

5
Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision, welche die Abweisung des auf die Schlechterfüllung eines Beratungsvertrags gestützten Schadensersatzanspruchs (vgl. dazu Senat, BGHZ 140, 111, 117; Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1814) hinnimmt, rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB) nicht ohne eine sachliche Prüfung hätte verneinen dürfen.
6
1. Unbegründet ist allerdings die Sachrüge, dass das Berufungsgericht die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB verkannt habe. Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, dass ein Kaufvertrag, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein kann (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 301 m.w.N.). Es hat beide Tatbestände des § 138 BGB behandelt und auch die Voraussetzungen für die Feststellung der Sittenwidrigkeit eines Vertrags nach § 138 BGB richtig erkannt. Zu dem objektiv auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung muss stets ein subjektiver Umstand hinzukommen, damit der Vertrag sich als sittenwidrig darstellt. Das gilt für beide Tatbestände des § 138 BGB gleichermaßen. Zur Feststellung der Sittenwidrigkeit eines Vertrags als wucherähnlichen Geschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB ist das subjektive Merkmal eines Handelns des Begünstigten in verwerflicher Gesinnung unerlässlich (Senat, BGHZ 160, 8, 14; Urt. v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166).
7
2. Im Ergebnis begründet ist jedoch die auf eine Verletzung des § 531 ZPO gestützte Verfahrensrüge, dass das Berufungsgericht dem unter Beweis gestellten streitigen Vortrag zum Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hätte nachgehen müssen.
8
a) Das Berufungsgericht hat allerdings - entgegen der Ansicht der Revision - kein erstinstanzliches Vorbringen des Klägers zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB übergangen. Die Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist unbegründet, weil der Kläger dazu in erster Instanz nichts vorgetragen hat.
9
Soweit die Revision auf die Behauptung in der Klageschrift hinweist, die Käufer hätten wegen ihrer Unerfahrenheit in immobilien- und steuerrechtlichen Dingen die Lücken in der durch den Vermittler erteilten Beratung nicht erkannt, kommt diesem Vortrag nicht die Bedeutung zu, die ihm die Revision beilegen möchte. Der erstinstanzliche Vortrag zur Unerfahrenheit der Käufer diente der Begründung des in der Klageschrift allein geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen Schlechterfüllung eines Beratungsvertrags. Aus dem Umstand , dass ein Käufer in Angelegenheiten der Finanzierung unerfahren ist, ergibt sich nicht zugleich, dass er auch keine Kenntnisse über die für vergleichbare Immobilien am Markt geforderten Preise hatte und der Verkäufer das ausgenutzt hat. Dieser darf vielmehr grundsätzlich davon ausgehen, dass sein künftiger Vertragspartner sich insoweit selbst im eigenen Interesse Klarheit verschafft hat (Senat, Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2002, 1811, 1812; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 821).
10
Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB ist erforderlich, dass der von einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begünstigte Verkäufer in verwerflicher Gesinnung handelt. Das setzt voraus, dass diesem bewusst ist oder er sich grob fahrlässig der Einsicht verschließt, dass der Käufer nur unter dem Zwang der Verhältnisse oder aus anderen, die freie Willensentschließung beeinträchtigenden Umständen , wie einem Mangel an Urteilsvermögen oder wegen einer erheblicher Willensschwäche, sich auf den für ihn ungünstigen Vertrag einlässt (Senat, BGHZ 146, 298, 302; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432). Die Revision zeigt nicht auf, dass so etwas von dem Kläger in der ersten Instanz vorgebracht worden wäre.
11
b) Ein Vortrag zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB war entgegen der Ansicht der Revision auch nicht angesichts dessen entbehrlich, dass schon in der Klageschrift (wenngleich ebenfalls in einem anderen Zusammenhang, nämlich zur Darlegung einer behaupteten Aufklärungspflichtverletzung zu ungewöhnlich hohen, 35 bis 40 % des Kaufpreises ausmachenden Innenprovisionen) das Vorliegen eines groben Missverhältnisses zwischen dem vereinbarten Preis und dem Wert der Wohnung behauptet worden ist.
12
Zwar trifft es zu, dass ein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung - wovon bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen ist, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung - den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulässt (Senat, BGHZ 146, 298, 305; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432; Urt. v. 29. Juni 2007, V ZR 1/06, NJW 2007, 2841, 2842). Zu Unrecht leitet die Revision jedoch daraus ab, dass - wenn ein solches Äquivalenzmissverhältnis dargelegt wird - es keines Vortrags mehr zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB bedarf. Damit legt sie einer tatsächlichen Vermutung eine zu weitgehende, nämlich einer gesetzlichen Vermutung nach § 292 ZPO gleichkommende Wirkung bei.
13
aa) Bei einer gesetzlichen Vermutung hat die begünstigte Partei nur die diese begründenden Tatsachen (die Vermutungsbasis) darzulegen, muss je- doch nicht (auch) die vom Gesetz vermutete Tatsache vortragen (MünchKommZPO /Prütting, 3. Aufl., § 292 Rdn. 21; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 292 Rdn. 4; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl. § 292, Rdn. 14; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl. § 292, Rdn. 21). Eine solche Vermutung enthebt die Partei nicht nur von der Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast für die vermutete Tatsache (BGH, Urt. v. 19. Januar 1977, VIII ZR 42/75, JR 1978, 18, 20; Urt. v. 4. Februar 2002, II ZR 37/00, NJW 2002, 2101, 2102). Der Gegner, zu dessen Lasten die Vermutung wirkt, hat nach § 292 Satz 1 ZPO das Gegenteil vorzutragen, einen Beweis dafür anzutreten und zu führen.
14
bb) Der Schluss von dem besonders groben Äquivalenzmissverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung der davon begünstigten Partei beruht hingegen auf einer tatsächlichen Vermutung.
15
(1) Auf tatsächliche Vermutungen, die nicht auf gesetzlicher Anordnung, sondern auf allgemeinen Erfahrungssätzen beruhen, findet § 292 ZPO nach ganz herrschender, wenn auch nicht völlig unbestrittener Meinung im Schrifttum keine Anwendung (MünchKomm-ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 292 Rdn. 27; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 292 Rdn. 1; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 292 Rdn. 7; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 292 Rdn. 13; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., v. § 284 Rdn. 33; Baumgärtel, Festschrift für Karl Heinz Schwab, 43, 47; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, 57; a.A. Bruns, Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Rdn. 171 c; Hirte, MDR 1998, 182, 185). Den tatsächlichen Vermutungen wird nur eine Bedeutung bei der Beweiswürdigung zugemessen, als sie einen Anscheins- oder Indizienbeweis für die behauptete Tatsache begründen können (MünchKomm-ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 292 Rdn. 27; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 292 Rdn. 13; Baumgärtel, aaO, 57; Prütting, aaO, 58).
16
(2) Das gilt auch für den aus einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu ziehenden Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des hiervon begünstigten Vertragsteils. Dieser Schluss leitet sich von dem Erfahrungssatz her, dass außergewöhnliche Leistungen in der Regel nicht ohne Not oder einen anderen den Benachteiligenden hemmenden Umstand zugestanden werden und der Begünstigte diese Erfahrung teilt (Senat, BGHZ 146, 298, 302 f.; Urt. v. 29. Juni 2007, V ZR 1/06, NJW 2007, 2841). Das trägt die den Beweis der subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB erleichternde tatsächliche Vermutung, die von dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden muss und nur dann nicht zur Anwendung kommt, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist (Senat, BGHZ 146, 296, 305; Urt. v. 5. Okt. 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432; Urt. v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166; Urt. v. 29. Juni 2007, V ZR 1/06, NJW 2007, 2841, 2842; ebenso BGH, Urt. v. 18. Dezember 2002, VIII ZR 123/02, NJW-RR 2003, 558).
17
Die tatsächliche Vermutung hilft der von einem groben Äquivalenzmissverhältnis nachteilig betroffenen Vertragspartei allerdings auch bei ihrem Vortrag zu den subjektiven Voraussetzungen des wucherähnlichen Geschäfts. Deren Darlegung wird wesentlich erleichtert, wenn hierfür der Hinweis auf das besonders grobe Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ausreicht, weil das in der Regel einen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils zulässt (vgl. Senat, Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 430; Urt. v. 29. Juni 2007, V ZR 1/06, NJW 2007, 2841, 2842).
18
Das ändert jedoch nichts daran, dass die Vermutung die von dem groben Missverhältnis nachteilig betroffene Partei nicht von der Behauptungslast für das Vorliegen des subjektiven Merkmals eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts befreit. Ein bei der Beweiswürdigung anzuwendender Erfahrungssatz setzt streitiges Vorbringen zum subjektiven Tatbestand voraus.
19
An den Vortrag der benachteiligten Partei sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Diese muss die verwerfliche Gesinnung der anderen Vertragspartei nicht ausdrücklich behaupten; es genügt, wenn aus dem Kontext mit dem Vortrag zu einem groben objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ersichtlich ist, dass die davon benachteiligte Vertragspartei sich auf die daraus begründete Vermutung einer verwerflichen Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft (Senat, Beschl. v. 2. April 2009, V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236, 1237). Darauf kann aber nicht verzichtet werden, weil ein grobes Äquivalenzmissverhältnis allein nicht zur Nichtigkeit des Vertrags nach § 138 BGB führt und die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des davon begünstigten Vertragsteils durch den Vortrag besonderer Umstände erschüttert werden kann (Senat, BGHZ 160, 8, 15; Urt. v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166; Urt. v. 27. September 2002, V ZR 218/01, NJW 2003, 283, 284). Der von dem objektiven Äquivalenzmissverhältnis begünstigte Vertragsteil hat deshalb erst dann Anlass, auf den Vortrag der benachteiligten Vertragspartei zu erwidern, wenn diese zugleich ein die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB begründendes Handeln in verwerflicher Gesinnung behauptet.
20
c) Im Ergebnis hat die Revision jedoch Erfolg. Das Berufungsgericht durfte den neuen Vortrag des Klägers zum Vorliegen eines wucherähnlichen Tatbestands nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen.
21
aa) Die Verweigerung der Zulassung neuen Vorbringens kann von dem Revisionsgericht nur auf eine Verfahrensrüge hin überprüft werden. Eine solche Rüge liegt hier - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - vor.
22
Richtig ist zwar deren Hinweis, dass die Revision den Verfahrensmangel nicht richtig begründet, indem sie - wie ausgeführt - zu Unrecht von einem bereits in erster Instanz vorgetragenen, in zweiter Instanz nur konkretisierten Vortrag ausgeht. Diese fehlerhafte Begründung bindet das Revisionsgericht jedoch nicht. § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO setzt allein die ordnungsgemäße Rüge des Verfahrensmangels nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO voraus, verlangt jedoch keinen schlüssigen Vortrag des Revisionsklägers (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1980, VIII ZR 208/79, NJW 1981, 1453; Beschl. v. 26. Juni 2003, III ZB 71/02, NJW 2003, 2532, 2533).
23
Den förmlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge nach §§ 551 Abs. 3, 554 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO genügt das Vorbringen in der Revisionsbegründung, wenn die Verletzung des § 531 Abs. 2 ZPO durch die Zurückweisung des Vorbringens in zweiter Instanz gerügt wird und die den Verfahrensfehler ergebenden Tatsachen benannt werden, indem auf das Vorbringen in dem in zweiter Instanz eingereichten Schriftsatz (unter Angabe der Aktenstelle) hingewiesen wird, welches das Berufungsgericht zurückgewiesen hat. Die rechtliche Beurteilung, ob sich aus den angeführten Umständen die von der Revision geltend gemachte Verletzung des § 531 Abs. 2 ZPO ergibt, hat der Senat selbst vorzunehmen.
24
bb) Die Zurückweisung des neuen Vorbringens war rechtsfehlerhaft. Das neue Vorbringen des in erster Instanz siegreichen Klägers zu dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung war zuzulassen, weil das Berufungsgericht die Sach- und Rechtslage anders als das Gericht des ersten Rechtszuges beurteilt hat.
25
Nach ständiger Rechtsprechung darf der siegreiche Berufungsbeklagte darauf vertrauen, nicht nur rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass und aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, sondern dann auch Gelegenheit zu erhalten, seinen Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten (BVerfG NJW 2003, 2524; BGH, Urt. v. 21. Dezember 2004, XI ZR 17/03, Rz. 11, juris; Beschl. v. 15. März 2006, IV ZR 32/05, NJW-RR 2006, 937; Senat, Beschl. v. 26. Juni 2008, V ZR 225/07, Rz. 5, juris).
26
Das Gericht muss sachdienlichen Vortrag der Partei auf einen nach der Prozesslage gebotenen Hinweis nach § 139 ZPO zulassen (vgl. BGHZ 127, 254, 260; Urt. v. 27. November 1996, VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441). Die Hinweispflicht des Berufungsgerichts und die Berücksichtigung neuen Vorbringens gehören insoweit zusammen, woran auch die Vorschrift des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO, die die Zulässigkeit neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz einschränkt, nichts geändert hat. Die Hinweispflicht auf eine von der ersten Instanz abweichende Beurteilung liefe nämlich leer, wenn ein von dem Berufungsbeklagten darauf vorgebrachtes entscheidungserhebliches Vorbringen bei der Entscheidung über das Rechtsmittel unberücksichtigt bliebe (vgl. BGH, Urt. v. 21. Dezember 2004, XI ZR 17/03, aaO). Neues Vorbringen des Berufungsbeklagten, das auf einen solchen Hinweis des Berufungsgerichts erfolgt und den Prozessverlust wegen einer von der ersten Instanz abweichenden rechtlichen oder tatsächlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht vermeiden soll, ist zuzulassen, ohne dass es darauf ankommt, ob es schon in erster Instanz hätte vorgebracht werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 27. November 1996, VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441; Urt. v. 21. Dezember 2004, XI ZR 17/03, Rz. 11, juris; Senat, Beschl. v. 26. Juni 2008, V ZR 225/07, Rz. 5, juris).

III.

27
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens des Klägers zu einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB zurückzuverweisen.
28
1. Für die neue Verhandlung wird darauf hingewiesen, dass der Kläger die Berechnung seiner Klageforderung im Hinblick auf einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 BGB zu überprüfen haben wird.
29
2. Für die Feststellung eines Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung bei dem zusammengesetzten Vertrag, aus dem Kaufvertrag über die Wohnung und dem Werkvertrag zu deren Modernisierung, verweist der Senat auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 6. Juli 2007 (V ZR 274/06, Rz. 22 bis 24, juris). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 28.06.2006 - 23 O 667/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 01.07.2008 - 4 U 190/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 218/01 Verkündet am:
27. September 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 138 D Abs. 1
Gehen Verkäufer und Käufer übereinstimmend und zutreffend davon aus, daß das
verkaufte Grundstück derzeit und auf weiteres nicht bebaubar ist, und vereinbaren
sie im Hinblick darauf einen relativ geringen Kaufpreis (hier: 9.000 DM), so kann die
an ein objektives Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung (hier: rd.
30.000 DM) geknüpfte Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten
erschüttert sein, wenn der absolute Wert der Kaufsache relativ gering und seine zutreffende
Einschätzung schwierig ist.
BGH, Urt. v. 27. September 2002 - V ZR 218/01 - OLG Frankfurt am Main
LG Kassel
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. September 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Mai 2001 aufgehoben und das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 10. März 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger erwarb 1984, zusammen mit seiner damaligen Ehefrau, zwei Grundstücke in H. -L. zum Preis von zusammen 37.325 DM in der Vorstellung, sie bebauen zu können. Ein Bauantrag wurde indes wegen der planungsrechtlichen Besonderheiten der Grundstücke abgelehnt. Das eine Grundstück ist ein etwa 100 m langer, aber nur 12 m breiter Streifen. Wegen des damals einzuhaltenden Bauwichs von jeweils 2,5 m wäre es wegen der
dann verbleibenden Breite von 7 m nur im Wege einer Grenzbebauung bebau- bar gewesen. Dies hätte aber die gleichzeitige Bebauung des Nachbargrundstücks , ebenfalls bis auf die Grenze, vorausgesetzt. Dafür lag keine Bereitschaft vor. Im hinteren Bereich grenzt an das langgestreckte Grundstück, und nur über dieses erreichbar, zwar das zweite erworbene Grundstück. Doch lag dieser gesamte Bereich außerhalb der nach dem Planungsrecht bebaubaren Fläche.
Mit notariellem Vertrag vom 12. März 1993 veräußerte der Kläger diese Grundstücke (mit Zustimmung seiner damaligen Frau) unter Hinweis auf den abgelehnten Bauantrag für 9.000 DM (knapp 6 DM/qm) an den Beklagten. Anfang 1996 starb der Eigentümer des Nachbargrundstücks. Seine Erben veräußerten es an den Beklagten. Da es innerhalb des bebaubaren Bereichs an das nur 12 m breite Grundstück angrenzt, besteht jetzt die Möglichkeit der gemeinsamen Bebauung. Der Beklagte veräußerte herausvermessene Flächen für 135 DM/qm weiter.
Der Kläger hält den Kaufvertrag mit dem Beklagten im Hinblick auf ein besonders grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB für nichtig und verlangt Grundbuchberichtigung , hilfsweise Rückübereignung sowie – zweitinstanzlich – Auskehr der aus den Weiterverkäufen erzielten Erlöse. Das Landgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat dem Hilfsantrag auf Rückübertragung und dem Antrag auf Erlösauskehr Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises entsprochen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.


Die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, der Kläger sei möglicherweise prozeßunfähig, gibt keine Veranlassung, der grundsätzlich auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden Frage der Prozeßfähigkeit (vgl. Senat, BGHZ 31, 279, 281) nachzugehen. Der Kläger hat nämlich keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozeßunfähigkeit ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 4. Februar 1969, VI ZR 215/67, NJW 1969, 1574). Der Umstand, daß der Kläger wegen einer - nicht näher spezifizierten - Gehirnerkrankung vorzeitig in den Ruhestand getreten ist, gibt keinen konkreten Hinweis auf eine die Prozeßfähigkeit ausschließende Störung der Geistestätigkeit.

II.


Das Berufungsgericht hält den Grundstückskaufvertrag vom 12. März 1993 wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB für nichtig. Es geht auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens davon aus, daß zwischen dem Wert der Grundstücke und der vereinbarten Gegenleistung ein besonders grobes Mißverhältnis bestehe, das den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten zulasse.

III.


Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine Verurteilung allein auf den Hilfsantrag und den Antrag auf Einwilligung in die Auskehrung der auf Notaranderkonto fließenden Weiterverkaufserlöse in Betracht kommt. Voraussetzung für beide Anträge ist die Nichtigkeit des Kaufvertrages der Parteien vom 12. März 1993 nach § 138 Abs. 1 BGB. Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht indes fehlerhaft bejaht.
1. Zu einem besonders groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kommt das Berufungsgericht deswegen, weil es den Wert der Grundstücke, gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen, mit 30.337 DM bemißt. Der Sachverständige ist zu diesem Wert gelangt, indem er einen Teil von 593 qm wegen genereller Unbebaubarkeit als Gartenland, die übrige Fläche von 917 qm als Bauerwartungsland eingestuft hat. Für das Gartenland hat er einen Quadratmeterpreis von 12,50 DM, für das Bauerwartungsland einen solchen von 25 DM angesetzt. Die hierauf gegründeten Feststellungen des Berufungsgerichts greift die Revision mit Erfolg an.

a) Die der Einschätzung des Sachverständigen folgende Annahme des Berufungsgerichts, bei der Fläche von 917 qm handele es sich um Bauerwartungsland , ist rechtsfehlerhaft. Sie verkennt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 WertV. Nach dieser Vorschrift, die eine materielle Definition des Bauerwartungslands enthält (Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Band V, § 4 WertV Rdn. 37), werden unter diesem Begriff Grundstücksflächen verstan-
den, die nach ihrer Eigenschaft, ihrer sonstigen Beschaffenheit und ihrer Lage eine bauliche Nutzung in absehbarer Zeit tatsächlich erwarten lassen. Dabei genügt nicht eine, wenn vielleicht auch auf Anhaltspunkte gestützte Chance einer Bebaubarkeit. Vielmehr muß sich die Wahrscheinlichkeit, daß ein Grundstück zu Bauland wird, bereits so verdichtet haben, daß dem der allgemeine Grundstücksverkehr Rechnung trägt. Hierbei kommt es auf die objektiven, das Grundstück konkret betreffenden Umstände an (Kleiber aaO Rdn. 38). Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.
Angesichts seines Zuschnitts war das schmale Grundstück – wovon auch das Berufungsgericht ausgeht – nur bebaubar, wenn wenigstens auf einer Seite auf die Grenze gebaut oder wenn das Nachbargrundstück hinzuerworben werden konnte. Für die zweite Möglichkeit gab es keine Anhaltspunkte. Die allgemeine Erfahrung, daß zu irgendeinem Zeitpunkt ein Grundstück zum Verkauf angeboten wird, genügt nicht für die Einordnung als Bauerwartungsland. Die erste Möglichkeit, auf die das Berufungsgericht seine Bewertung stützt, erfüllt ebensowenig die Voraussetzungen. Der Sachverständige, dessen Ausführungen das Berufungsgericht zugrunde legt, erkennt an sich, daß eine Bereitschaft des Nachbareigentümers zu einer gemeinsamen Grenzbebauung "nicht unbedingt vorausgesetzt" werden kann. Gleichwohl nimmt das Berufungsgericht an, daß von einer solchen Bebauung durchaus ausgegangen werden könne, weil die Grundstücksnachbarn ebenfalls auf eine solche Art der Bebauung angewiesen seien und nach der Lebenserfahrung nicht angenommen werden könne, sie wollten den Wert ihrer Grundstücke nicht durch eine Bebauung nutzen. Abgesehen davon, daß dem Senat ein solcher Lebenserfahrungssatz nicht bekannt ist, rügt die Revision zu Recht, daß er jedenfalls in
dieser Allgemeinheit nicht zugrunde gelegt werden kann, da die Entschließung eines Nachbarn, ebenfalls auf die Grenze zu bauen, von einer Vielzahl von Umständen abhängt, die generelle Aussagen nicht zuläßt. Entscheidend ist zudem allein die konkrete Situation, die immerhin dadurch gekennzeichnet war, daß auch schon im Jahre 1984, als der Kläger die Grundstücke erwarb, und seitdem unverändert bis zur Weiterveräußerung an den Beklagten, eine Bereitschaft des Nachbarn zur Grenzbebauung nicht bestand. Feststellungen dazu, daß sich dies in absehbarer Zeit mit einiger auf konkrete Umstände gestützter Wahrscheinlichkeit ändern würde, hat das Berufungsgericht nicht getroffen und ist dem Sachvortrag der Parteien auch nicht zu entnehmen.
Damit fehlt der Bewertung dieses Grundstücksteils als Bauerwartungsland die Grundlage. Ihm kommt – dies kann der Senat mangels anderer Alternativen selbst feststellen – nur Gartenlandqualität zu.

b) Soweit es um die Bewertung des Gartenlandes geht, rügt die Revision zwar zu Recht, daß das Gutachten insoweit einen von dem Berufungsgericht nicht aufgeklärten Widerspruch enthält, als der Sachverständige einerseits den für das Bauerwartungsland zugrunde gelegten Quadratmeterpreis schlicht halbiert hat, was zu 12,50 DM führt, während er andererseits angegeben hat, für Gartenland in vergleichbaren Orten würden bis zu 12 DM/qm veranschlagt. Dieser Widerspruch wird auch nicht dadurch ausgeräumt, daß der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung gesagt hat, daß Gartenland "in diesem Bereich" noch nicht unter 12 DM/qm verkauft worden sei. Das bezieht sich freilich auf Gartenland im Anschluß an ein zu bebauendes Grundstück und geht ersichtlich von der – rechtlich nicht haltbaren (s.o.) – Annahme aus, der
übrige Grundstücksteil habe in absehbarer Zeit bebaut werden können (Bauerwartungsland ).
Hierauf kommt es indes nicht entscheidend an, da das Berufungsgericht nur einen Quadratmeterpreis von 10 DM zugrunde gelegt hat. Ausgehend davon , und zwar entsprechend richtiger Bewertung auf die gesamten Grundstücksflächen bezogen, kommt man damit zu einem Wert der verkauften Grundstücke von 15.100 DM. Danach fehlt es an einem besonders groben Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Die Grundlage für eine Vermutung , daß der Beklagte auf die Entschließung des Klägers in verwerflicher Weise eingewirkt hätte, entfällt.
2. Selbst wenn man aber der Beurteilung die vom Berufungsgericht angenommenen Werte zugrunde legt, so daß von einem groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen ist, ist die Annahme einer Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht übersieht nämlich, daß nach der Rechtsprechung des Senats die an das objektive Mißverhältnis geknüpfte Vermutung auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten durch besondere Umstände erschüttert sein kann. Der Schluß allein von dem Vorliegen einer besonders groben Äquivalenzstörung auf eine subjektiv unlautere Ausnutzung eines den Benachteiligten in seiner Entscheidungsfreiheit hemmenden Umstands ist dann nicht zulässig (s. BGHZ 146, 298, 305; Urt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156; Urt. v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, Umdr. S. 7, zur Veröffentl. vorgesehen).
So liegt der Fall hier. Ohnehin ist bei einem relativ geringen Wert der Kaufsache Zurückhaltung bei der Anwendung der Vermutungsregel geboten
(vgl. BGH, Urt. v. 26. November 1997, VIII ZR 322/96, WM 1998, 932, 934), weil die Unter- bzw. Überschreitung des Kaufpreises um die Hälfte bzw. um das Doppelte umso weniger aussagekräftig ist, je geringer der absolute Wert der Sache ist. Im konkreten Fall weist die Revision zudem zu Recht darauf hin, daß beide Parteien die Grundstücke als seinerzeit nicht bebaubar eingestuft haben. Beide hatten insoweit den gleichen Wissensstand. Der Kläger hatte einen Bauantrag gestellt, der abgelehnt worden war. Hierauf wies der notarielle Kaufvertrag besonders hin. Angesichts dieser Situation war es für beide Parteien schwierig, den wahren Wert der Grundstücke richtig einzuschätzen. Wenn sie in dieser Situation das Risiko der, auch künftigen, Nichtbebaubarkeit so hoch veranschlagt haben, daß sie einen nur relativ geringen Kaufpreis von 9.000 DM vereinbarten, so kommt darin eine von beiden Parteien als angemessen angesehene Bewertung des Preis-Leistungsverhältnisses zum Ausdruck , die den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung des später von dem Geschäft Begünstigten nicht erlaubt (vgl. auch Senat, Urt. v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, aaO).

IV.


Ohne Eingreifen der an eine Äquivalenzstörung anknüpfende Vermutung entfällt die Grundlage des angefochtenen Urteils. Es unterliegt daher der Aufhebung (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die getroffenen Feststellungen tragen auch nicht aus anderen Gründen die Bewertung des Kaufvertrages als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Der Kläger verweist auch nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen, der eine solche Würdigung erlaubte. Das gilt insbesondere für die angebliche Vorstellung beider Vertragsparteien, den
Kaufpreis gering zu bemessen, um etwaige Ansprüche der damaligen Ehefrau des Klägers im Scheidungsverfahren zu begrenzen. Da nichts dafür ersichtlich ist, daß Feststellungen, die die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB rechtfertigen , nachgeholt werden können, ist die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.).

V.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden oder eine von dem Vorsitzenden oder einem Gerichtsmitglied gestellte Frage von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.

Von Zinsen sind Verzugszinsen nicht zu entrichten. Das Recht des Gläubigers auf Ersatz des durch den Verzug entstehenden Schadens bleibt unberührt.