Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2017 - V ZR 100/16
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland, den Richter Dr. Kazele und den Richter Dr. Hamdorf
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 6.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft.
- 2
- Die Beklagten erwarben 2009 die Teileigentumseinheit Nr. 18; sie nutzen sie zu Wohnzwecken. Der Kläger erwarb nachfolgend die angrenzende Teileigentumseinheit Nr. 11; er nutzt sie gewerblich und hat sie Musikern als Proberaum zur Verfügung gestellt. Er verlangt von den Beklagten, die Nutzung ihrer Einheit zu Wohnzwecken zu unterlassen. Die Beklagten nehmen den Kläger widerklagend auf Zustimmung zur Umwandlung ihrer Einheit in Wohnungseigentum in Anspruch.
- 3
- Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung hat das Landgericht durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag und die Widerklage weiterverfolgen möchten, beantragen die Zulassung der Revision.
II.
- 4
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
- 5
- 1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt,abändern lassen will (Senat, Beschluss vom 12. November 2014 - V ZR 59/14, juris Rn. 2 mwN).
- 6
- 2. Der Beschwerdebegründung lässt sich eine 20.000 € überschreitende Beschwer der Beklagten nicht entnehmen.
- 7
- a) In Bezug auf die Verurteilung zur Unterlassung der Wohnnutzung ist für den Wert der Beschwer der Beklagten auf die diesbezüglich entstehenden Nachteile abzustellen. Sie können etwa in dem Verlust der Vorteile bestehen, die aus der Wohnnutzung gezogen werden, oder in einem mit der Unterlassung verbundenen Aufwand. Das Interesse kann geschätzt werden (vgl. Suilmann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 49a GKG Rn. 12; Bergerhoff in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 6. Aufl., F. Rn. 337).
- 8
- aa) Die Beklagten verweisen allerdings nur darauf, dass sie infolge der Unterlassungsverurteilung die Einheit Nr. 18 räumen müssen. Bei einem Räumungsstreit sei der Beschwerdewert gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag des Werts der Nettomiete zu bemessen. Für die 120 qm große Wohnung sei ausgehend von dem Angebot eines Immobilienmaklers, dem einschlägigen Mietspiegel und der Wertermittlung eines Immobilienunter- nehmens von einer Monatsmiete von 890 € auszugehen. Damit ergebe sich eine Beschwer von über 37.000 €.
- 9
- bb) Indessen kann für die Bestimmung des Werts der Beschwer nicht auf §§ 8, 9 ZPO (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 3. März 2015 - VIII ZR 279/14, WuM 2015, 313 mwN) zurückgegriffen werden. Hier wird nicht über den Bestand oder die Dauer eines unbefristeten Miet- oder Pachtverhältnisses gestritten. Vielmehr steht die grundsätzliche Nutzungsmöglichkeit der Teileigentumseinheit der Beklagten zu dauernden Wohnzwecken in Frage (vgl. OLG München , Beschluss vom 6. November 2006 - 34 Wx 105/06, juris Rn. 43 insoweit nicht in ZMR 2007, 302 abgedruckt). Daher ist die von den Beklagten gezogene Parallele zu einer Räumungsklage nicht sachgerecht. Im Übrigen ist der Mietwert der Wohnung im Hinblick darauf, dass eine gewerbliche Nutzung der Teileigentumseinheit möglich bleibt, nicht geeignet, den Nachteil der Unterlas- sungsverurteilung zu beziffern. Die Differenz des Mietwerts zwischen einer Nutzung zu Wohnzwecken und einer gewerblichen Nutzung der Einheit ist von den Beklagten ebenso wenig dargelegt worden, wie ein konkreter Aufwand, der mit der Nutzungsänderung verbunden wäre.
- 10
- b) Darüber hinaus haben die Beklagten auch ihr Interesse an der Weiterverfolgung der Widerklage, mit der sie die Zustimmung des Klägers zu einer Änderung der Teilungserklärung dahingehend erreichen wollen, dass ihre Teileigentumseinheit in Sondereigentum umgewandelt wird, nicht dargelegt. Die Widerklage weist insoweit eine wirtschaftliche Identität mit der Klage auf, als auch sie den Streit über die Nutzungsmöglichkeit der Einheit Nr. 18 betrifft. Sie übersteigt allerdings deren Wert, da die Beklagten mit ihr eine rechtliche Absicherung der dauernden Nutzbarkeit der Einheit als Wohnung erreichen wollen. Zu den Auswirkungen der erstrebten Änderung der Teilungserklärung auf den Verkehrswert der Einheit oder anderen sich hieraus ergebenden Vorteilen haben die Beklagten jedoch nichts vorgetragen.
III.
- 11
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Mangels anderer geeigneter Anhaltspunkte wird der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ausgehend von der Festsetzung des Berufungsgerichts mit 6.000 € bewertet (§ 3 ZPO).
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Dieburg, Entscheidung vom 24.02.2014 - 2 C 13/13 (29) -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 17.03.2016 - 2-13 S 49/14 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die mit der Revision geltend zu machende Beschwer von über 20.000 € nicht erreicht ist (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Die (Rechtsmittel-)Beschwer der Beklagten, die sich gegen die Räumung ihrer Wohnung wendet, beträgt angesichts der vereinbarten Miete von monatlich 366,94 € (nur) 15.411,48 € (42 x 366,94 €).
- 2
- Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Wert der Beschwer in einer Streitigkeit über die Räumung von Wohnraum gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem 3 1/2-fachen Jahreswert der Nettomiete, wenn es sich um ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit handelt und sich deshalb die "streitige" Zeit nicht bestimmen lässt (Senatsbeschlüsse vom 13. März 2007 - VIII ZR 189/06, NZM 2007, 355 Rn. 2 mwN; vom 12. März 2008 - VIII ZB 60/07, WuM 2008, 296 Rn. 9, sowie vom 22. Januar 2013 - VIII ZR 104/12, NZM 2013, 265 Rn. 8). Dies ist hier der Fall. Der Umstand, dass die Beklagte sich auf die Kündigungssperre des § 577a BGB beruft, ändert nichts daran, dass es sich um ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit handelt.
- 3
- Soweit die NZB meint, die streitige Zeit im Sinne des § 8 ZPO dauere in den Fällen, in denen sich der Mieter gegenüber einer Kündigung auf eine Mieterschutzregelung berufe, bis zu dem Endzeitpunkt des Mietvertrages, den der Mieter als den für ihn günstigsten in Anspruch nehme, verkennt sie, dass § 8 ZPO nicht die Aufgabe zukommt, den Wert der Beschwer bei Verträgen von unbestimmter Dauer zu bestimmen (BGH, Urteil vom 17. März 2005 - III ZR 342/04, NJW-RR 2005, 867 unter 2b). Hier greift vielmehr § 9 ZPO ein. Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 11.10.2013 - 92 C 2158/13 (14) -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 18.09.2014 - 3 S 18/14 -
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.