Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2013 - V ZB 28/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 72.161,36 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger erwarb im Jahr 2007 drei Schalen aus vorchristlicher Zeit und zwei byzantinische Räucherkesselchen. Diese stellte das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst wegen Verdachts der Hehlerei sicher, lagerte sie bei dem Beklagten zu 2, bei dem der frühere Beklagte zu 1 als Archäologe beschäftigt ist, ein, hob die Sicherstellung aber nach einem von dem Kläger eingeleiteten erfolgreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren wieder auf. Es wies den Beklagten zu 2 an, die Gegenstände an den Kläger herauszugeben, was aber nicht geschah. Auf eine weitere verwaltungsgerichtliche Klage des Klägers gegen das Land Hessen wurde dieses unter dem 2. Juni 2010 zur Herausgabe der Gegenstände verurteilt. In einem von dem Beklagten zu 1 unterzeichneten Schreiben vom 10. Mai 2010 stellte der Beklagte zu 2 dem Kläger 17.004.500 € für den Fallin Rechnung, dass es zur Herausgabe der Gegenstände kommen sollte. Begründet wurde dieser Betrag mit den „Aufwendungen für Untersuchungen im Zusammenhang mit der Erstellung eines archäologi- schen Fachgutachtens“ und „Ausgleich für die Folgen der Rufschädigung durch Unterstützung von Antikenhehlerei“. Der Kläger beauftragte einen Rechtsan- walt, der sich an den Beklagten zu 2 wandte und erreichte, dass dieser sein Schreiben vom 10. Mai 2010 für gegenstandslos erklärte. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt er von den Beklagten Ersatz der ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten.
- 2
- Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht, soweit hier von Interesse, durch Beschluss als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde wendet er sich gegen die Verwerfung der Berufung hinsichtlich des Beklagten zu 2 als unzulässig und möchte insoweit die Durchführung der Berufung erreichen.
II.
- 3
- Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe das Urteil des Landgerichts in der Berufungsbegründung nicht in der vorgeschriebenen Weise angegriffen. Das Landgericht habe einen Anspruch wegen Pflichtverletzung im EigentümerBesitzer -Verhältnis nicht nur daran scheitern lassen, dass § 280 BGB im Eigen- tümer-Besitzer-Verhältnis erst ab Rechtshängigkeit gelte, sondern auch daran, dass der Beklagte zu 2 nicht Eigenbesitzer, sondern nur Besitzdiener gewesen sei. Mit diesem zweiten Aspekt setze sich die Berufungsbegründung nicht auseinander.
III.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen die Verwerfung seiner Berufung hinsichtlich des Beklagten zu 2 hat Erfolg.
- 5
- 1. Sie ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Zulässig ist sie zwar nur, wenn einer der in § 574 Abs. 2 ZPO bezeichneten Zulassungsgründe vorliegt (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21, 22). Das ist aber der Fall. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Berufungsbegründung überspannt, dadurch dem Kläger den Zugang zur Rechtsmittelinstanz in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert und damit durch die Handhabung einer verfahrensrechtlichen Vorschrift den Anspruch auf die Durchsetzung des materiellen Rechts in unzumutbarer Weise verkürzt (vgl. BVerfGE 84, 366, 369 und NJOZ 2005, 3980, 3981). Eine solche Handhabung des Verfahrensrechts verletzt den aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Justizgewährungsanspruch und erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
- 6
- 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO. Die Berufung durfte deshalb nicht als unzulässig verworfen werden.
- 7
- a) Nach der genannten Vorschrift hat der Berufungskläger die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich der dem Erstgericht vorgeworfene Rechtsfehler und dessen Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Noch zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Berufungskläger das Urteil des Erstgerichts in allen Punkten angreifen muss, wenn dieses auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt hat. Er hat dann für jede der mehreren Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist sein Rechtsmittel unzulässig (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2007 - V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 11 mwN).
- 8
- b) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO erfordert indes weder, dass der Berufungskläger in der Begründung des Rechtsmittels zu allen für ihn nachteilig beurteilten Streitpunkten im erstinstanzlichen Urteil Stellung nimmt (BGH, Urteile vom 5. Oktober 1983 - VIII ZR 224/82, NJW 1984, 177, 178 und vom 8. April 1991 - II ZR 35/90, NJW-RR 1991, 1186, 1187), noch gebietet die Vorschrift eine inhaltliche Trennung der Angriffe nach den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung (BGH, Urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00, NJW 2002, 682, 683). Der gesetzlichen Anforderung an die Berufungsbegründung, den Rechtsfehler und dessen Entscheidungserheblichkeit zu bezeichnen, ist auch bei einer auf mehrere selbständige Gründe gestützten klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung genügt, wenn der nur auf eine Begründung bezogene Angriff aus Rechtsgründen auch den anderen Abweisungsgrund im angefochtenen Urteil zu Fall bringt oder geeignet ist, das Urteil insgesamt in Frage zu stellen (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2007 - V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 12).
- 9
- c) So ist es hier. Das Landgericht hat sich mit mehreren selbständigen, miteinander konkurrierenden Anspruchsgrundlagen für den vom Kläger geltend gemachten Ersatzanspruch befasst und sie sämtlich verneint. In der Berufungsbegründung hat der Kläger ausgeführt, sein Anspruch folge aus einer Pflichtverletzung im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Verletzung von § 253 StGB als Schutzgesetz und aus § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Er hat sich dabei zwar nicht mit allen Argumenten befasst, mit denen das Landgericht einen Anspruch wegen Pflichtverletzung im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verneint hat. Seine Berufungsbegründung entspricht aber trotzdem den gesetzlichen Anforderungen. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass für den eingeklagten Anspruch mehrere selbständige konkurrierende Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen. Berufung und Klage haben in einer solchen Lage Erfolg, wenn sich die Klageforderung auf eine der von dem Erstgericht verneinten Anspruchsgrundlagen stützen lässt. Die Berufungsbegründung entspricht dann den gesetzlichen Anforderungen , wenn sie die Verneinung auch nur einer der von dem Erstgericht geprüften Anspruchsgrundlagen ordnungsgemäß angreift oder geltend macht, das Erstgericht habe eine nach dem Sachvortrag in Betracht kommende Anspruchsgrundlage nicht geprüft. Hier hatte sich der Kläger auch gegen die Verneinung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung gewandt. Mehr musste er nicht tun.
- 10
- d) Das Berufungsgericht wird sich deshalb mit der Klageforderung gegen den Beklagten zu 2 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zur Geltendmachung unbegründeter Ansprüche (Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08, BGHZ 179, 238) zu befassen haben, die nicht nur die Verletzung von Pflichten in einem bestehenden Vertragsverhältnis, sondern auch die Verletzung von Schutzpflichten in einer Sonderrechtsbeziehung erfasst (Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08, BGHZ 179, 238, 244 f. Rn. 16 und BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458,1459 Rn. 9), die hier aus der Verwahrung der Gefäße durch den Beklagten zu 2 entstanden ist.
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 10.05.2012 - 1 O 266/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 26.02.2013 - 5 U 684/12 -
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.