Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2016 - V ZB 146/14

published on 17/03/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2016 - V ZB 146/14
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Amtsgericht Kleve, 22 XIV 41/13 B, 28/03/2014
Landgericht Kleve, 4 T 392/14, 01/07/2014

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 146/14
vom
17. März 2016
in der Zurückschiebungshaftsache
ECLI:DE:BGH:2016:170316BVZB146.14.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Betroffenen werden die Beschlüsse der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 1. Juli 2014 und des Amtsgerichts Kleve vom 28. März 2014 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die mit Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 6. November 2013 angeordnete Haft den Betroffenen in dem Zeitraum vom 13. bis zum 19. Dezember 2013 in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Das Amtsgericht ordnete am 6. November 2013 gegen den Betroffenen Zurückschiebungshaft bis längstens 2. Januar 2014 an. Die Haft wurde in der Justizvollzugsanstalt Büren vollzogen.
2
Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2013 hat der Betroffene beantragt, die Haft nach § 426 FamFG aufzuheben und festzustellen, dass deren Fortdauer über den 13. Dezember 2013 hinaus ihn in seinen Rechten verletzt hat.
3
Der Betroffene ist am 19. Dezember 2013 aus der Haft entlassen worden. Mit Beschluss vom 28. März 2014 hat das Amtsgericht den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene den Feststellungsantrag weiter.

II.


4
Das Beschwerdegericht meint, die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Haftentscheidung könne nur im Verfahren über die - hier unterbliebene - Anfechtung dieser Entscheidung durch das Beschwerdegericht erfolgen. Zudem sei der Feststellungsantrag in der Sache unbegründet. Die Haftanstalt Büren erfülle die Anforderungen an eine spezielle Hafteinrichtung im Sinne von § 62a AufenthG.

III.


5
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
6
a) Sie ist namens des Betroffenen erhoben worden. Daher kommt es auf die von der beteiligten Behörde aufgeworfene Frage, ob F. G. als Vertrauensperson des Betroffenen zur Einlegung der Rechtsbeschwerde berechtigt wäre, nicht an. Ebenso wenig ist zweifelhaft, dass die Einlegung der Rechtsbeschwerde dem Willen des Betroffenen entspricht. Die Vollmacht von Rechtsanwalt R. geht auf die umfassende Vollmacht zurück, die der Betroffene seiner Bevollmächtigten in den Vorinstanzen erteilt hat.
7
b) Der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde steht entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde auch nicht entgegen, dass die Rechtsbeschwerdeschrift nur auf die Anschrift von F. G. als ladungsfähige Anschrift des Betroffenen verweist. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Angabe der aktuellen Anschrift des Betroffenen grundsätzlich keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist. Anders liegt es nur dann, wenn ohne diese Angabe der geordnete Ablauf des Rechtsmittelverfahrens gefährdet ist oder wenn die fehlende Angabe Rückschlüsse auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Betroffenen erlaubt, etwa darauf, dass er das Verfahren aus dem Verborgenen führen will, um sich Ansprüchen gegen ihn zu entziehen (Senat, Beschluss vom 20. November 2014 - V ZB 54/14, InfAuslR 2015, 104 Rn. 5 mwN). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.
8
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts hat den Betroffenen in der Zeit vom 13. bis zum 19. Dezember 2013 in seinen Rechten verletzt. Dies hätte sowohl das Amtsgericht als auch das Beschwerdegericht feststellen müssen.
9
a) Anders als das Beschwerdegericht meint, ist der Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zulässig. Ein solcher Antrag kann nicht nur im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gegen die Haftanordnung, sondern auch im Zusammenhang mit einem Antrag auf Haftaufhebung gestellt werden. Beantragt der Betroffene gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG die Aufhebung der Haftanordnung und erledigt sich dieser Antrag anschließend - wie hier - durch die Entlassung aus der Haft, besteht die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung bereits vor dem Amtsgericht feststellen zu lassen (Senat, Beschluss vom 24. September 2015 - V ZB 3/15, InfAuslR 2016, 56 Rn. 8 mwN). Ist gegen den Beschluss, mit dem die Haft angeordnet wurde, kein Rechtsmittel eingelegt worden, kann die Rechtswidrigkeit zwar erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht festgestellt werden (vgl. näher Senat, Beschluss vom 24. September 2015 - V ZB 3/15, InfAuslR 2016, 56 Rn. 10 mwN). Dem hat der Betroffene aber durch die Beschränkung des Feststellungsantrags auf den Zeitraum ab dem 13. Dezember 2013 Rechnung getragen.
10
b) Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Haftanordnung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil abzusehen war, dass die Haft in der Justizvollzugsanstalt Büren und damit unter Verletzung der im Lichte von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG auszulegenden Vorschrift des § 62a Abs. 1 AufenthG vollzogen werden würde (vgl. näher Senat, Beschluss vom 25. Juli 2014 - V ZB 137/14, FGPrax 2014, 230 Rn. 7 bis

10).


IV.


11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp

Vorinstanzen:
AG Kleve, Entscheidung vom 28.03.2014 - 22 XIV 41/13 B -
LG Kleve, Entscheidung vom 01.07.2014 - 4 T 392/14 -
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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit sich in einer nichtvermögensrec

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. (

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zu
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 3/15 vom 24. September 2015 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 62 Abs. 1, § 426 Abs. 2 Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Haftanordnun
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(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht die zuständige Verwaltungsbehörde anzuhören.

(2) Die Beteiligten können die Aufhebung der Freiheitsentziehung beantragen. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss.

(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.

(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.

(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.

(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht die zuständige Verwaltungsbehörde anzuhören.

(2) Die Beteiligten können die Aufhebung der Freiheitsentziehung beantragen. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss.

(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.

(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.

(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.

(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.