Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2009 - IX ZB 40/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Gründe:
- 1
- gesetzlicher Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 219 Abs. 2 BEG) besteht nicht.
- 2
- Entgegen 1. dem Standpunkt der Beschwerde bedarf es keiner Grundsatzentscheidung mehr, ob die Beweiswürdigung eines mündlich ergänzten Sachverständigengutachtens (§ 411 Abs. 3 ZPO) nur den Richtern vorbehalten ist, die an der Anhörung teilgenommen haben. Ein Richterwechsel nach der Beweisaufnahme erfordert die wiederholte Erhebung des Sachverständigenbeweises im Regelfall nicht. Die persönliche Glaubwürdigkeit oder Zuverlässigkeit des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. S. haben hier weder der Kläger noch das Berufungsgericht in Zweifel gezogen. Die sachliche Würdigung des Gutachtens und seiner Erläuterung durch das Berufungsgericht stand trotz des Wechsels der Richterbank mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im Einklang (vgl. BGHZ 53, 245, 256 ff). Über eine sachliche Würdigung geht die Beurteilung der Ausführungen des Sachverständigen als fundiert, gewissenhaft, gut begründet, anschaulich und detailliert nicht hinaus. Welche nicht protokollierten Äußerungen des Sachverständigen für die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichtes daneben noch ursächlich geworden sein können, führt die Beschwerde zur Begründung ihrer Rüge, die auf solche Möglichkeiten anspielt, nicht aus.
- 3
- 2. Die Beschwerde rügt als Revisionszulassungsgrund ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe sein Ermessen nach § 412 ZPO durch Nichteinholung des beantragten spezielleren psychosomatischen, möglichst psychokardiologischen Fachgutachtens rechtsfehlerhaft ausgeübt. Der entsprechende Beweisantrag der Klägerin Seite 2 des Schriftsatzes vom 29. November 2006 und seine Wiederholung im Schriftsatz vom 10. Oktober 2007 legen nicht dar, inwieweit die psychosomatische Fachrichtung der Medizin in den hier maßgebenden Beweisfragen über zusätzliche oder wissenschaftlich vertiefte Erkenntnismöglichkeiten gegenüber der durchgeführten psychiatrischen Fachbegutachtung verfügt. Unter solchen Umständen ist nicht ersichtlich, dass die Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts von anderen Rechtssätzen ausgegangen ist, als sie der Bundesgerichtshof zu den Grenzen des Aufklärungsermessens gemäß § 412 ZPO aufgestellt hat (vgl. etwa BGHZ aaO S. 259).
- 4
- 3. Die Beschwerde beruft sich zu Unrecht auf den Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 219 Abs. 2 Nr. 3 BEG). Die insoweit angegriffene Auslegung des Prozessvergleichs vom 19. März 1996 in der Sache Landgericht Düs- seldorf, 27 O (E) 30/92, nach welcher die Herz- und Kreislauferkrankung des Klägers als nicht verfolgungsbedingt anzusehen seien, ist vom Berufungsgericht mit einzelfallbezogenen Erwägungen begründet worden. Der Rechtsstreit gibt daher keinen Anlass, neue Auslegungsgrundsätze zur Ausschließungswirkung von Vergleichen in Verschlimmerungsverfahren aufzustellen, die der Verfolgte auch mit dem Auftreten neuer verfolgungsbedingter Leiden begründet hat.
- 5
- Daran ändert nichts, dass die Beschwerde mit Recht geltend macht, das vom Berufungsgericht herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 1990 (IX ZR 222/89, LM BEG § 206 Nr. 50) betreffe ein Erstverfahren; nach dortiger Verfahrenslage sei der Grundsatz jener Entscheidung nicht ohne weiteres auf Vergleiche über Verschlimmerungsanträge zu übertragen.
- 6
- Die Auslegung des Prozessvergleichs vom 19. März 1996 ist überdies nicht entscheidungserheblich, solange eine Mitverursachung der Herz- und Kreislauferkrankung des Klägers durch das Verfolgungsschicksal - wie hier durch das Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem gestellten Abhilfeantrag - als nicht wahrscheinlich beurteilt wird.
- 7
- 4. Soweit der Kläger einen Revisionszulassungsgrund aus einem Fehlverständnis der Anhaltspunkte 1996/2004 des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, hier insbesondere Nummer 26.3 herleiten will, greift dies ebenfalls nicht durch. Die Anhaltspunkte sind fachliche Hinweise eines für das Wiedergutmachungsrecht nicht zuständigen Ressorts , denen Rechtssatzcharakter fehlt. Sie enthalten für das Wiedergutmachungsrecht insbesondere keine Richtlinien zur Ausübung eines richterlichen Beurteilungsermessens in der Feststellung des Grades verfolgungsbedingter und allgemeiner Minderung der Erwerbsfähigkeit. Sie können aber für die sachverständige Beurteilung herangezogen werden, soweit das mit den Erkenntnissen der Wissenschaft nach den fachlichen Überzeugungen des Sachverständigen vereinbar ist. Die Revision in einem Entschädigungsrechtsstreit kann deshalb nicht zur Klärung der Frage zugelassen werden, ob Nummer 26.3 der Anhaltspunkte , wie die Beschwerde meint, in der Fassung missglückt oder für Fälle posttraumatischer Belastungsstörungen nach nationalsozialistischer Verfolgung unrichtig ist.
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.02.2006 - 27 O (E) 21/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.11.2007 - I-13 U (E) 8/06 -
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(1) Gegen Endurteile des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist; - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweicht und auf dieser Abweichung beruht; - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert; - 4.
streitig ist, ob das Land, gegen das der Anspruch auf Entschädigung gerichtet ist (§ 188), zu Recht als zuständig in Anspruch genommen ist.
(3) Über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision ist im Urteil zu befinden. Die Nichtzulassung ist zu begründen.
(4) Für die Einlegung und Begründung der Revision gilt § 218 Abs. 2 entsprechend.
(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.
(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.
(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.
(1) Gegen Endurteile des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist; - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweicht und auf dieser Abweichung beruht; - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert; - 4.
streitig ist, ob das Land, gegen das der Anspruch auf Entschädigung gerichtet ist (§ 188), zu Recht als zuständig in Anspruch genommen ist.
(3) Über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision ist im Urteil zu befinden. Die Nichtzulassung ist zu begründen.
(4) Für die Einlegung und Begründung der Revision gilt § 218 Abs. 2 entsprechend.
(1) Ist ein Anspruch auf wiederkehrende Leistungen zuerkannt oder abgelehnt worden und haben sich die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Zuerkennung oder Ablehnung maßgebend waren, wesentlich geändert, so ist die Entschädigungsbehörde befugt und auf Verlangen des Antragstellers verpflichtet, einen neuen Bescheid über den Anspruch zu erlassen; die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung steht dabei nicht entgegen. Satz 1 gilt nur, soweit die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine neue Entscheidung über Gewährung, Erhöhung, Minderung oder Entziehung einer Rente notwendig macht.
(2) Absatz 1 findet auf Vergleiche, die im Verfahren bei den Entschädigungsbehörden oder im gerichtlichen Verfahren abgeschlossen worden sind, entsprechende Anwendung.
(3) § 323 der Zivilprozeßordnung findet keine Anwendung.
(4) Absätze 1 bis 3 finden für den Anspruch auf Krankenversorgung nach § 141a entsprechende Anwendung.