Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2010 - IX ZB 178/09

published on 18/11/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2010 - IX ZB 178/09
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Landgericht Düsseldorf, 27 O (E) 34/00, 04/06/2002
Oberlandesgericht Düsseldorf, 13 U (E) 71/02, 02/04/2009

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 178/09
vom
18. November 2010
in dem Entschädigungsrechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den
Richter Dr. Pape
am 18. November 2010

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. April 2009 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:


1
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 219 Abs. 2 BEG) besteht nicht.
2
1. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage auf Hinterbliebenenrente (§ 41 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 2 BEG) mit der Begründung bestätigt, dass keine Wahrscheinlichkeit dafür festgestellt werden könne, das Verfolgungsschicksal des Verstorbenen habe angesichts der sonst bestehenden Risikofaktoren die tödlich verlaufene Arteriosklerose in Entstehung und Weiterentwicklung beeinflusst. Hierbei stützt es sich auf das mehrfach ergänzte internisti- sche Fachgutachten von Prof. Dr. K. Dieser Sachverständige ist auch in der Ursachenforschung für Herz- und Kreislauferkrankungen erfahren.
3
2. Die Beschwerde möchte das Ermessen des Tatrichters bei der Einholung eines Obergutachtens in Entschädigungsverfahren zur Berentung Hinterbliebener , in denen der wahrscheinliche Zusammenhang zwischen Verfolgung, verfolgungsbedingten psychischen Schäden und tödlichen Herz- oder Kreislauferkrankungen des Verfolgten zu klären ist, durch das Revisionsgericht in der Weise eingeschränkt wissen, dass hierbei das psychosomatische Fachgebiet einbezogen werden muss. Ein solches Ansinnen widerspricht gefestigter Auslegung des § 412 ZPO, an welcher der Senat auch für die Sachaufklärung entschädigungsrechtlicher Hinterbliebenenansprüche festhält (BGH, Beschl. v. 14. Mai 2009 - IX ZB 40/08, bei juris Rn. 3; BGHZ 53, 245, 259 ff). Das verfahrensrechtliche Anliegen der Beschwerde kann auch nicht auf die entschädigungsrechtliche Amtsermittlungspflicht (§§ 176 BEG, 286 ZPO) gestützt werden. Zwar mag der psychosomatische Forschungsansatz über mögliche Entstehungsursachen von essentiellem Bluthochdruck und Herz- oder Kreislauferkrankungen neue Erkenntnisse zu Tage fördern, an denen der Tatrichter je nach Umständen des Falles nicht vorbeigehen darf. Die Beschwerde räumt in ihrem Schriftsatz vom 8. Oktober 2009 aber selbst ein, dass gesicherte und in der ärztlichen Wissenschaft anerkannte Allgemeinbefunde der Psychokardiologie , welche für die medizinische Beurteilung einschlägiger Verfolgungsschicksale generell bessere Erkenntnisse versprechen, derzeit noch nicht vorliegen.
4
Es muss auch stets eine Frage des Einzelfalles bleiben, ob bei einem Verfolgten Risikofaktoren für eine Herz- oder Kreislauferkrankung als Anlageoder Drittschaden so weit überwiegen, dass auf die Entstehung und Entwicklung dieses Leidens Verfolgungsnachwirkungen keinen wahrscheinlichen Ein- fluss mehr gehabt haben. Für die Feststellung und Gewichtung solcher internistischen Risikofaktoren für den tödlichen Krankheitsverlauf bedarf es einer psychokardiologischen Zusatz- oder Oberbegutachtung nicht. Mit der Möglichkeit eines psychosomatisch beeinflussten Krankheitsverlaufs hat im Anschluss an den Sachverständigen auch das Berufungsgericht gerechnet. Nur wenn bei dem Verfolgten anderweitige Risikofaktoren gefehlt hätten oder wahrscheinlich unbedeutend gewesen wären, hätte zur Erhärtung eines möglichen Ursachenzusammenhangs zwischen psychischem Verfolgungsschaden und Herz- oder Kreislauferkrankung zur Wahrscheinlichkeit dieses Verlaufs das Unterlassen einer psychokardiologischen Begutachtung verfahrensfehlerhaft sein können.
5
3. Selbst wenn dem Tatrichter ein solcher Verfahrensfehler im Einzelfall unterlaufen wäre, so vermöchte dies nicht die Zulassung der Revision zu rechtfertigen (BGH, Beschl. v. 26. September 2002 - IX ZR 148/02, bei juris Rn. 5 f).
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.06.2002 - 27 O (E) 34/00 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.04.2009 - 13 U (E) 71/02 -
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(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. (2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein S

(1) Gegen Endurteile des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn 1. eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu ent

(1) Ist der Verfolgte später als acht Monate nach Abschluß der Verfolgung, die seinen Tod verursacht hat, an den Folgen der Schädigung seines Körpers oder seiner Gesundheit verstorben, so stehen seinen Hinterbliebenen Leistungen nach Maßgabe der §§ 1
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Annotations

(1) Gegen Endurteile des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist;
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweicht und auf dieser Abweichung beruht;
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert;
4.
streitig ist, ob das Land, gegen das der Anspruch auf Entschädigung gerichtet ist (§ 188), zu Recht als zuständig in Anspruch genommen ist.

(3) Über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision ist im Urteil zu befinden. Die Nichtzulassung ist zu begründen.

(4) Für die Einlegung und Begründung der Revision gilt § 218 Abs. 2 entsprechend.

(1) Ist der Verfolgte später als acht Monate nach Abschluß der Verfolgung, die seinen Tod verursacht hat, an den Folgen der Schädigung seines Körpers oder seiner Gesundheit verstorben, so stehen seinen Hinterbliebenen Leistungen nach Maßgabe der §§ 16 bis 26 zu. Dabei bestimmt sich die Einreihung des verstorbenen Verfolgten in eine vergleichbare Beamtengruppe nach § 31 Abs. 3.

(2) Es genügt, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen dem auf der Verfolgung beruhenden Schaden an Körper oder Gesundheit und dem Tod wahrscheinlich ist. § 31 Abs. 2 findet keine Anwendung.

(3) Für die ersten drei Monate nach dem Ende des Monats, in dem der Verfolgte gestorben ist, steht seinen Hinterbliebenen an Stelle der Rente nach Absatz 1 als Versorgung die dem Verfolgten für seinen Schaden an Körper oder Gesundheit zuletzt gezahlte Rente zu, sofern dies für die Hinterbliebenen günstiger ist.

(1) Der Verfolgte hat Anspruch auf Entschädigung, wenn er an seinem Körper oder an seiner Gesundheit nicht unerheblich geschädigt worden ist. Es genügt, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Schaden an Körper oder Gesundheit und der Verfolgung wahrscheinlich ist.

(2) § 15 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(3) Als unerheblich gilt eine Schädigung, die weder die geistige noch die körperliche Leistungsfähigkeit des Verfolgten nachhaltig beeinträchtigt hat und voraussichtlich auch nicht beeinträchtigen wird.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(1) Die Entschädigungsorgane haben von Amts wegen alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu ermitteln und alle erforderlichen Beweise zu erheben.

(2) Kann der Beweis für eine Tatsache infolge der Lage, in die der Antragsteller durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen geraten ist, nicht vollständig erbracht werden, so können die Entschädigungsorgane diese Tatsache unter Würdigung aller Umstände zugunsten des Antragstellers für festgestellt erachten. Ebenso ist zu verfahren, wenn Urkunden verlorengegangen, Zeugen verstorben oder unauffindbar sind oder wenn die Vernehmung des Antragstellers oder eines Zeugen mit Schwierigkeiten verbunden ist, die in keinem Verhältnis zu der Bedeutung der Aussage stehen.