Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2012 - IX ZB 313/11

bei uns veröffentlicht am28.06.2012
vorgehend
Amtsgericht Münster, 33 M 289/11, 05.05.2011
Landgericht Münster, 5 T 373/11, 31.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 313/11
vom
28. Juni 2012
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Während der Dauer der Wohlverhaltensphase kann ein Insolvenzgläubiger von Ansprüchen
aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung auch in den Vorrechtsbereich
für solche Forderungen nicht vollstrecken.
BGH, Beschluss vom 28. Juni 2012 - IX ZB 313/11 - AG Münster
LG Münster
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Vill, Raebel, die
Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 28. Juni 2012

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 31. August 2011 wird auf Kosten der Gläubiger zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.745,76 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Beschwerdeführer sind Gläubiger in dem am 27. November 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, das mit Beschluss vom 30. November 2010 in die Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens überführt worden ist. Sie haben eine ausgenommene Forderung im Sinne des § 302 Nr. 1 InsO angemeldet, wegen derer sie den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt haben, mit dem Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldner gepfändet werden sollten, soweit diese nicht an die Treuhänderin abgetreten worden sind. Nachdem das Vollstreckungsgericht zunächst den gemäß § 850f Abs. 2 ZPO monat- lich pfändungsfreien Betrag mit Beschluss vom 26. Januar 2011 auf 700 € festgesetzt hatte, hat die Richterin auf Erinnerung des Schuldners den Pfändungsund Überweisungsbeschluss aufgehoben und den Antrag auf seinen Erlass zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger ist erfolglos geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen sie ihren Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem sie in der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens in den Vorrechtsbereich des § 850f Abs. 2 ZPO vollstrecken wollen, weiter.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2004 - IX ZB 97/03, ZInsO 2004, 391, 392; vom 17. Februar 2004 - IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441). Die auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
3
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Amtsgericht habe den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu Recht aufgehoben und den Antrag der Gläubiger zurückgewiesen, denn die Pfändung sei unzulässig, weil das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO uneingeschränkt für alle Insolvenzgläubiger gelte. Sämtliche Insolvenzgläubiger einschließlich der Unterhalts- und Deliktsgläubiger müssten in der Treuhandphase die gleichen Befriedigungsmöglichkeiten haben, eine Ausnahme von dem Vollstreckungsverbot komme deshalb nicht in Betracht. Der Rechtsgedanke des § 302 Nr. 1 InsO stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Aus der Vorschrift ergebe sich, dass eine Privi- legierung der Deliktsgläubiger erst nach Ende der Wohlverhaltensphase eintreten solle.
4
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
5
a) Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum gilt das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO auch für solche Gläubiger, deren Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen wurde (BAG, BAGE 132, 125 Rn. 23 zu § 850d ZPO; LG Leipzig, NZI 2006, 603; LG Saarbrücken , Beschluss vom 18. April 2012 - 5 T 203/12, Rn. 25 f; AG Bremen, NZI 2008, 55, 56; FK-InsO/Ahrens, 6. Aufl., § 294 Rn. 11; Fischer in Ahrens/Gehrlein /Ringstmeier, InsO, § 294 Rn. 2; Graf-Schlicker/Kexel, InsO, 2. Aufl., § 294 Rn. 2; HmbKomm/InsO-Streck, 4. Aufl., § 294 Rn. 3; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 294 Rn. 3; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO 2008, § 294 Rn. 2 c; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 294 Rn. 5).
6
b) Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob § 294 Abs. 1 InsO auch die Vollstreckung von Gläubigern ausgenommener Forderung in den Vorrechtsbereich des § 850f Abs. 2 ZPO während des Laufs der Wohlverhaltensphase ausschließt , bislang zwar nicht ausdrücklich entschieden. Zweck des Vollstreckungsverbots des § 294 Abs. 1 InsO ist es, den Neuerwerb des Schuldners, der nicht gemäß § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetreten oder an diesen gemäß § 295 InsO herauszugeben ist, dem Zugriff der Insolvenzgläubiger zu entziehen (BGH, Urteil vom 21. Juli 2005 - IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391, 396 f; Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03, ZInsO 2006, 872 Rn. 9). Dies gilt auch im Hinblick auf Gläubiger, deren Forderung aus einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt, die sie im Verfahren mit diesem Privileg angemeldet haben. Zwar soll ihre Forderung von der Restschuldbefreiung nicht erfasst werden, sondern nach Erteilung der Restschuldbefreiung weiter durchsetzbar sein. Dieses Privileg bezieht sich aber nur auf die insolvenzrechtliche Nachhaftung, ohne dem Gläubiger schon innerhalb des Insolvenz- oder Restschuldbefreiungsverfahrens eine Sonderstellung zuzuweisen (BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - IX ZB 16/06, ZInsO 2007, 1226 Rn. 12 mwN).
7
Nach diesen Grundsätzen ist es ausgeschlossen, dass der Gläubiger einer ausgenommenen Forderung bereits während des Laufs der Wohlverhaltensphase in den Vorrechtsbereich des § 850f Abs. 2 ZPO vollstreckt. Die Wertentscheidung des Gesetzgebers in § 302 Nr. 1 InsO geht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdebegründung nicht dahin, im Fall des Fehlens konkurrierender Neugläubiger nicht dem Schuldner, sondern dem Gläubiger der ausgenommenen Forderung die im Rahmen des § 850f Abs. 2 ZPO pfändbaren Einkünfte zuzuweisen. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr, ohne damit Art. 14 Abs. 1 GG zu verletzen, für die Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger während des Laufs der Wohlverhaltensphase entschieden. Dies schließt an den Zuschnitt des Vollstreckungsverbots während der Dauer des Verfahrens nach § 89 Abs. 2 InsO an, dessen Satz 2 keine Deliktsgläubiger privilegiert, die an dem Verfahren teilnehmen (BGH, Beschluss vom 27. September 2007, aaO Rn. 10). Art. 14 Abs. 1 GG wird insofern Rechnung getragen, als Gläubiger ausgenommener Forderungen bei entsprechender Anmeldung und Feststellung ihres Anspruchs nach Erteilung der Restschuldbefreiung die Möglichkeit haben, weiter in das Vermögen des Schuldners zu vollstrecken.
8
c) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgebrachten Pfändung der fortlaufen- den Bezüge des Schuldners für die Dauer des Insolvenzverfahrens und eines sich daran möglicherweise anschließenden Restschuldbefreiungsverfahrens (BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 217/08, ZInsO 2011, 812) hat hierauf keinen Einfluss. Die zeitlich beschränkte Unwirksamkeit der Pfändung bezieht sich nach der genannten Entscheidung gerade auch auf die Dauer der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens. Der Pfändungsschutz besteht also auch in dieser Phase weiter, so dass die Entscheidung im Einklang mit dem Ausschluss von Vollstreckungen von Insolvenzgläubigern während dieses Zeitraums steht. Das Pfändungspfandrecht soll nach dem Beschluss (aaO, Rn. 10, 14) erst dann wieder aufleben, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Restschuldbefreiung versagt wird. Zuvor kommt die Geltendmachung von Rechten aus dem Pfändungspfandrecht nicht in Betracht.
9
d) Auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. November 2010 (IX ZR 67/10, ZInsO 2011, 102), wonach die Klage eines Gläubigers auf Zinszahlung seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach dessen Aufhebung während der Treuhandphase ungeachtet einer möglichen späteren Restschuldbefreiung des Schuldners zulässig ist, führt zu keiner anderen Wertung. Hieraus ergibt sich nicht, dass die Vollstreckung eines Insolvenzgläubigers wegen einer ausgenommenen Forderung in den Vorrechtsbereich des § 850f Abs. 2 InsO während der Dauer der Wohlverhaltensphase zulässig ist. Nach dieser Entscheidung steht das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO vielmehr nur der Zulässigkeit der Klageerhebung, die eine spätere Zwangsvollstreckung vorbereitet , nicht entgegen (BGH, aaO Rn. 8 f; LG Göttingen, ZInsO 2005, 1113, 1114). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Zwangsvollstreckung eines Insolvenzgläubigers schon in der Treuhandphase zulässig ist.

10
3. Die nicht näher begründete Rüge, das Beschwerdegericht hätte das Verfahren wegen eines Antrags der Gläubiger auf Versagung der Restschuldbefreiung aussetzen müssen, greift nicht durch. Zwar führt die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 299 InsO zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung. Kommt es hierzu, hat der Gläubiger aber die Möglichkeit, aufgrund veränderter Sachlage einen neuen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu beantragen. Vorgreiflich ist die Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung deshalb nicht. Im Übrigen sind die Vorschriften über die Aussetzung (§§ 148 ff ZPO) auf das grundsätzlich eilbedürftige, auf eine rasche Befriedigung der Gläubiger angelegte Insolvenzverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 15/06, NZI 2006, 642 Rn. 5).
Vill Raebel Lohmann Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 05.05.2011 - 33 M 289/11 -
LG Münster, Entscheidung vom 31.08.2011 - 5 T 373/11 -

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(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn

1.
der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,
2.
besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder
3.
der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern
und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

(2) Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen bestimmen; dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

(3) (weggefallen)

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn

1.
der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,
2.
besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder
3.
der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern
und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

(2) Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen bestimmen; dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezüge ohne die in § 850c bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf; von den in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen hat ihm mindestens die Hälfte des nach § 850a unpfändbaren Betrages zu verbleiben. Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte. Für die Pfändung wegen der Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, gelten die Vorschriften dieses Absatzes insoweit nicht, als nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat.

(2) Mehrere nach Absatz 1 Berechtigte sind mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 16 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu berücksichtigen, wobei mehrere gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben.

(3) Bei der Vollstreckung wegen der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten kann zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.650,-- Euro festgesetzt.

Gründe

A.

Das Amtsgericht Saarbrücken hat auf den Antrag des Gläubigers durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 09.08.2010 (Az.: 108 M 2899/10) wegen einer durch den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Mayen vom 26.09.2007 (Geschäfts-Nr.: 07-1329242-2) titulierten Forderung in Höhe von 9.650,-- Euro die angeblichen Forderungen des Schuldners aus dem Arbeitsverhältnis mit der Drittschuldnerin gepfändet.

Die der Zwangsvollstreckung zu Grunde liegende Hauptforderung des Gläubigers beruht auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Schuldners.

Über das Vermögen des Schuldners ist durch Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 19.12.2007 (Az.: 60 IK 107/07) das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

In dem Insolvenzverfahren ist die Forderung des Gläubigers angemeldet worden.

Der Schuldner hat seinen ursprünglich gegen die Anmeldung der Forderung aus einer unerlaubten Handlung erhobenen Widerspruch zurückgenommen.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners ist am 25.08.2008 aufgehoben worden.

Auf die Erinnerung des Schuldners gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 09.08.2010 hat das Amtsgericht Saarbrücken – Rechtspfleger – durch seine Beschlüsse vom 03.01.2011 und vom 09.08.2011 die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben.

Dagegen hat der Gläubiger am 18.01.2011 und am 26.08.2011 sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Gläubiger ist der Auffassung, das Vollstreckungsgericht sei im Hinblick auf das Insolvenzverfahren gegen das Vermögen des Schuldners nicht für die Aufhebung der Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zuständig, zuständig sei vielmehr das Insolvenzgericht. Außerdem sei die Zwangsvollstreckung im Hinblick auf § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO zulässig.

Der Schuldner hält die Zwangsvollstreckung für unzulässig.

Das Amtsgericht hat den sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen und sie der erkennenden Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz, 793 ZPO zulässig.

Da das Amtsgericht lediglich die Zwangsvollstreckung, nicht aber den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als solchen aufgehoben hat, kann der Beschwerdebefugnis des Gläubigers nicht entgegen gehalten werden, eine aufgehobene Zwangsvollstreckungsmaßnahme könne nicht rückwirkend wieder hergestellt werden (vgl. zu dieser Problematik: Zöller/Stöber, ZPO, 28. Auflage, § 793 ZPO, Rdnr. 4, m.w.N.).

II.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.

1. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Saarbrücken, der die angefochtenen Aufhebungsbeschlüsse erlassen hat, war – entgegen der Auffassung des Gläubigers - nicht funktional unzuständig.

Der Schuldner hatte gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 09.08.2010 Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO eingelegt.

Entgegen der Auffassung des beschwerdeführenden Schuldners ist nicht das Insolvenzgericht, sondern das Vollstreckungsgericht für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig.

§ 89 Abs. 3 Satz 1 InsO, wonach über Einwendungen gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung das Insolvenzgericht entscheidet, findet auf den vorliegenden Fall deshalb keine Anwendung, weil das Insolvenzverfahren bereits am 25.08.2008, also vor Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 09.08.2010, aufgehoben worden war.

In dem daran anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren (vgl. §§ 286 ff InsO), das noch nicht abgeschlossen ist, weil die 6-jährige Wohlverhaltensphase noch nicht abgelaufen ist (vgl. § 287 Abs. 2 InsO), findet die Zuständigkeitsregelung des § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO keine Anwendung. Die verschiedentlich geforderte analoge Anwendung dieser Vorschrift (vgl. zu dem Diskussionsstand: Ehricke in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 2. Auflage 2008, § 294 InsO Rdnr 18) ist abzulehnen, weil es an der für eine Analogie erforderlichen unbeabsichtigten Regelungslücke fehlt. Denn der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und mit dem Beginn des sich daran anschließenden Restschuldbefreiungsverfahrens die allgemeinen Zuständigkeitsregelungen der Zivilprozessordnung wieder anzuwenden sind (vgl. dazu LG Köln, ZVI 2004, 53; Ehricke, a.a.O.).

Auf Grund der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts war der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts zuständige Rechtspfleger befugt, der Vollstreckungserinnerung des Schuldners abzuhelfen und die Zwangsvollstreckung aufzuheben.

2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss war aufzuheben, da gemäß § 294 Abs. 1 InsO während der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners nicht zulässig sind.

Dieses Vollstreckungsverbot trifft auch den Gläubiger dieses Verfahrens, obwohl ihm gegen den Schuldner eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht.

Entgegen der Auffassung des Gläubigers wird seine Zwangsvollstreckung nicht durch § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO erlaubt. Nach dieser Vorschrift ist es lediglich Neugläubigern gestattet, die Zwangsvollstreckung in die erweitert pfändbaren künftigen Bezüge des Schuldners zu betreiben (vgl. BGH, Beschluss vom 27.09.2007 – Az.: IX ZB 16/06 -, juris, Rdnr. 7; NJW-RR 2008, 294 – 295).

Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 09.08.2010 das Insolvenzverfahren bereits aufgehoben war, ändert daran nichts.

Zwar endet mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Vollstreckungsverbot aus § 89 Abs. 1 und Abs. 2 InsO, allerdings setzt im Anschluss daran § 294 Abs. 1 InsO das Prinzip der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger um (vgl. dazu Ehricke, a.a.O., § 294 InsO, Rdnr. 3). Das in dieser Vorschrift geregelte Vollstreckungsverbot ist umfassend. Es erfasst auch die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Schadensersatzansprüche aus einer von dem Schuldner vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (vgl. Ehricke, a.a.O., Rdnr. 5). Lediglich Neugläubiger, zu denen der Gläubiger dieses Verfahrens nicht zählt, sind von dem Vollstreckungsverbot ausgenommen (vgl. Ehricke, a.a.O.).

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass durch § 302 Nr. 1 InsO Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, sofern diese Forderungen angemeldet waren, von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind. Diese Regelung bezieht sich lediglich auf die insolvenzrechtliche Nachhaftung, ohne dem Gläubiger innerhalb des Restschuldbefreiungsverfahrens eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit zuzuweisen (vgl. dazu BGH a.a.O. juris Rn. 12; BGHZ 149, 100, 106 f; BGH WM 2007, 1620)

3. Deshalb war der sofortigen Beschwerde mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO der Erfolg zu versagen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 3 ZPO in Höhe der streitgegenständlichen Hauptforderung festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (vgl. dazu § 574 ZPO) wird mangels der dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht zugelassen.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn

1.
der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,
2.
besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder
3.
der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern
und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

(2) Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen bestimmen; dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

(3) (weggefallen)

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern.

(2) Dem Antrag ist die Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen.

(3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.

(4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.

Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist

1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen;
4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen;
5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
Auf Antrag des Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Vermögenserwerb nach Satz 1 Nummer 2 von der Herausgabeobliegenheit ausgenommen ist.

12
aa) § 302 Nr. 1 InsO schließt die schuldbefreiende Wirkung der Restschuldbefreiung für Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung aus, sofern der Gläubiger die Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes angemeldet hat. Diese Bestimmung bezieht sich lediglich auf die insolvenzrechtliche Nachhaftung, ohne dem Gläubiger innerhalb des Insolvenzverfahrens eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit zuzuweisen (vgl. BGHZ 149, 100, 106 f; BGH Urt. v. 21. Juni 2007 - IX ZR 29/06, WM 2007, 1620 zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).

(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn

1.
der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,
2.
besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder
3.
der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern
und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

(2) Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen bestimmen; dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

(3) (weggefallen)

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn

1.
der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,
2.
besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder
3.
der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern
und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

(2) Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen bestimmen; dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

(3) (weggefallen)

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.

(2) Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge sind während der Dauer des Verfahrens auch für Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind. Dies gilt nicht für die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist.

(3) Über Einwendungen, die auf Grund des Absatzes 1 oder 2 gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden, entscheidet das Insolvenzgericht. Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 217/08
vom
24. März 2011
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren während der Insolvenz des
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Werden fortlaufende Bezüge des Schuldners vor Eröffnung des Verfahrens gepfändet
, ist das Pfändungspfandrecht danach nur so weit und so lange unwirksam, als die
Zwecke des Insolvenzverfahrens und der möglichen Restschuldbefreiung dies rechtfertigen.
BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 217/08 - LG Dresden
AG Dresden
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den
Richter Dr. Pape
am 24. März 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 4. September 2008 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Gläubigerin pfändete im Dezember 2003 Ansprüche des 1955 geborenen Schuldners gegen die weitere Beteiligte zu 1, eine Sozialversicherungsträgerin (im Folgenden auch Drittschuldnerin oder Rechtsbeschwerdeführerin), auf Zahlung der künftigen Altersrente wie Arbeitseinkommen. Am 12. Februar 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet , der ferner die Restschuldbefreiung erstrebt. Daraufhin beantragte die Drittschuldnerin , die im Jahre 2003 angeordnete Pfändung und Überweisung der Ansprüche auf Altersrente aufzuheben. Das Insolvenzgericht setzte die Vollzie- hung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus, ohne die Pfändung aufzuheben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Drittschuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren Aufhebungsantrag weiter.

II.


2
Rechtsbeschwerde Die ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 104/04, NZI 2004, 447). Die auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
3
1. Die sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin gegen die Ablehnung ihres Aufhebungsantrags durch das Insolvenzgericht war zulässig.
4
a) Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts war hier entsprechend § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO begründet, obwohl § 114 Abs. 3 InsO auf diese Vorschrift nicht verweist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. September 2006 - IX ZB 11/04, ZInsO 2006, 1049 Rn. 8). Das erste Rechtsmittel der Drittschuldnerin war nach § 567 Abs. 1, § 793 ZPO statthaft; denn der Insolvenzrichter hat hier funktional als besonderes Vollstreckungsgericht entschieden. Der Rechtsmittelzug richtete sich infolgedessen nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004, aaO).
5
b) Die sofortige Beschwerde war auch sonst zulässig; insbesondere war die Drittschuldnerin zu ihrer Einlegung befugt. Der angefochtene Ablehnungsbeschluss des Insolvenzgerichts hatte Entscheidungscharakter, wobei offen bleiben kann, ob die erstrebte Aufhebung der Pfändung nur unmittelbar kraft Gesetzes eingetretene Wirkungen verlautbart hätte oder notwendig war, um die andauernde Pfandverstrickung des Rentenanspruchs zu beseitigen. Anstelle einer Erinnerung nach § 766 ZPO war deshalb die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO entsprechend § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO der richtige Rechtsbehelf (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004, aaO mwN). Die sofortige Beschwerde steht dem durch die Ablehnung seines Aufhebungsantrags beschwerten Drittschuldner bei zunächst wirksamer Pfändung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2002 - IX ZB 85/02, WM 2003, 548) ebenso zu wie die Erinnerung, wenn er dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sogleich entgegentreten will (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1977 - VIII ZR 5/76, BGHZ 69, 144, 148 unter II. 2. b, bb).
6
2. Mit ihrer Sachrüge dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch.
7
a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Zwangsvollstreckung des Gläubigers sei trotz des erlangten Pfändungspfandrechts für die Dauer des Verfahrens nach § 89 Abs. 2 Satz 1 InsO unzulässig. Das könne das Insolvenzgericht feststellen und anordnen. Eine Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses , welche dem Gläubiger den erlangten Rangvorteil für alle Zukunft nehme, sei dagegen nach dem Zweck des Gesetzes nicht geboten. Das Pfändungspfandrecht an der zukünftigen Rente könne vielmehr wieder aufleben , falls dem Vollstreckungs- und Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung versagt werde. Demgegenüber beruft sich die Drittschuldnerin darauf, die Rentenpfändung sei nach § 114 Abs. 3 Satz 1 InsO am 1. März 2007 unwirksam geworden. Dies müsse durch die beantragte Aufhebung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses klargestellt werden.
8
b) Im Ansatz zutreffend geht die Drittschuldnerin davon aus, dass Bezüge im Sinne von § 114 Abs. 3 Satz 1 InsO nach dem vorangestellten bestimmten Artikel ebenso wie in Absatz 1 der Vorschrift und § 81 Abs. 2, § 89 Abs. 2 InsO solche aus einem Dienstverhältnis des Schuldners sind oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Sämtliche Auslegungsmethoden führen zu diesem eindeutigen Ergebnis. Zu den Lohnersatzleistungen, die § 114 InsO erfasst , gehören nach einhelliger Ansicht auch die fortlaufenden Auszahlungen der sozialen Rentenversicherung, die als pfändbares Recht bereits vor der Insolvenzeröffnung begründet sind (BT-Drucks. 12/2443 S. 136 zu § 92 EInsO a.E.; BSGE 92, 1 Rn. 9 bis 11; Löwisch/Caspers in MünchKomm-InsO, 2. Aufl. § 114 Rn. 14, 44; Berscheid/Ries in Uhlenbruck, InsO 13. Aufl. § 114 Rn. 10; Moll in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 114 Rn. 22).
9
Nicht entscheidend ist, ob eine wie Arbeitseinkommen gepfändete Sozialversicherungsrente sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits im Leistungsstadium befindet, solange sie noch während der Abtretung dieser Bezüge an den Treuhänder gemäß § 287 Abs. 2 InsO auszahlungsreif werden kann. Über den Zeitpunkt der Auszahlungsreife für die gepfändete Altersrente haben die Tatsacheninstanzen in diesem Verfahren keine Feststellungen getroffen. Im Ergebnis war dies auch unnötig. Denn die beantragte Aufhebung der Rentenpfändung kam erst recht nicht in Betracht, wenn vor dem Wegfall der Vollstreckungshindernisse des § 89 Abs. 2 Satz 1 InsO und § 294 Abs. 1 InsO keine Rentenbezüge zu erwarten waren. Dem Vollstreckungs- und Insolvenzschuldner bleibt es dann überlassen, gegen die andauernde Zwangsvollstreckung der Gläubigerin aus dem vorliegenden Titel nach § 767 ZPO die Restschuldbefreiung einzuwenden, sobald sie ihm erteilt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2008 - IX ZB 205/06, WM 2008, 2219 Rn. 8). Ande- renfalls kann die Gläubigerin, wie nachfolgend noch auszuführen ist, die Vollstreckung fortsetzen.
10
c) Die Ansicht der Rechtsbeschwerde, dass die befristete Wirksamkeit von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vollstreckungsschuldners gemäß § 114 Abs. 3 Satz 1 InsO zu einer nachfolgend endgültigen Unwirksamkeit führe , wonach die ergangenen Vollstreckungsanordnungen mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben seien, steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Im Ergebnis zutreffend hat das Insolvenzgericht den Vollzug der Rentenpfändung zunächst nur bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgesetzt. Konnten in dieser Zeit noch keine Rentenbezüge anfallen, war die angeordnete Beschränkung gegenstandslos.
11
aa) Nach § 832 ZPO erstreckt sich die Pfändung von Gehaltsforderungen oder in ähnlicher Weise fortlaufenden Bezügen auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Beträge. In diesem Umfang kann eine Forderung, die in fortlaufenden Bezügen besteht, auch durch eine einmalige Verfügung abgetreten werden. Diese zukünftige Wirkung von rechtsgeschäftlichen oder vollstreckungsmäßigen Verfügungen über fortlaufende Bezüge wird für die Zwecke und die Dauer des Insolvenzverfahrens von dem gesetzlichen Erwerbsverbot des §91 Abs.1 InsO durchbr ochen, weil der Rechtsübergang oder die Begründung des Pfändungspfandrechts das Entstehen der Forderung auf den Einzelbezug voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 Rn. 6 mwN). Diese sonst nach § 91 Abs. 1 InsO eintretende Durchbrechung der Verfügungswirkungen, die laufende Bezüge aus Dienstverhältnissen betreffen, ändert § 114 InsO in bestimmter Hinsicht ab.
12
bb) Der Zweck des § 114 InsO hat allerdings im Wortlaut dieser Vorschrift , für die sich in der Konkursordnung kein Vorbild findet, nur unvollkommenen Ausdruck gefunden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung vom 15. April 1992 war beabsichtigt, im Interesse der Verteilung von Einkünften des Schuldners während der "Wohlverhaltensperiode" der Restschuldbefreiung seine laufenden Bezüge auch noch für eine längere Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zu diesem Zweck verfügbar zu machen und die Wirksamkeit von Lohnabtretungen oder Lohnpfändungen demgemäß zu beschränken. Diesem zeitlich begrenzten Zweck entspricht die vorgeschlagene Gesetzesfassung nicht eindeutig. Sie lehnt sich an die Bestimmungen zur Unwirksamkeit von Vorausverfügungen über Miet- und Pachtzinsforderungen in § 21 Abs. 2 und 3 KO, § 110 InsO an (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 150 f zu § 132 EInsO), die im Zusammenhang mit den §§ 566b, 566c BGB und den §§ 1123, 1124 BGB stehen. Der dort verankerte Gläubigerschutz ist zeitlich unbegrenzt.
13
Wie cc) der Bundesgerichtshof bereits zur Wirkungsdauer der Rückschlagsperre des § 88 InsO ausgeführt hat, darf der Gesetzgeber den durch Art. 14 Abs. 1 GG erfassten Rechtsschutzanspruch des Vollstreckungsgläubigers und seine durch die Zwangsvollstreckung erlangte Rechtsposition nur beschränken , so weit und so lange überwiegende Gründe dies zwingend erfordern (BGH, Urteil vom 15. Juli 1999 - IX ZR 239/98, BGHZ 142, 208, 213 zu § 7 GesO; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/04, BGHZ 166, 74, Rn. 23 mwN). Das gilt auch für die Rechtsfolge des § 114 Abs. 3 InsO.
14
Gesetzeszweck und verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz wirken hier anders als in den Fällen des § 110 InsO. Sie beschränken die Unwirksamkeit von Vorausabtretung und Vorauspfändung auf die Zwecke und die Dauer des Insolvenzverfahrens nebst nachfolgender Restschuldbefreiung (§ 88 InsO Kreft, Festschrift für Gero Fischer, 2008 S. 297, 304 ff). Während die Rechtsfigur einer vorübergehend unwirksamen Zwangssicherungshypothek grundbuchrechtlichen Schwierigkeiten begegnen kann, ist es verfügungsrechtlich ohne weiteres möglich, die Wiederholungswirkung bei der Abtretung oder Pfändung fortlaufender Bezüge, wie sie sich in der Zwangsvollstreckung aus § 832 ZPO ergibt, zeitweilig zu durchbrechen. Die Nutzung dieser Möglichkeit ist nach dem Gesetzeszweck und den Anforderungen des grundrechtlichen Eigentumsschutzes zwingend geboten. Der Pfändungspfandgläubiger hätte sonst insbesondere den vom ersten Pfändungsbeschlag begründeten Zeitrang seines Pfändungspfandrechts aufzuopfern, ohne dass die Zwecke des Insolvenzverfahrens oder der möglichen Restschuldbefreiung dies rechtfertigen können und ohne die schon bestehende Sicherheit, dass die weitere Zwangsvollstreckung wegen Erteilung der Restschuldbefreiung sowieso eingestellt werden muss. Schon gar nicht kann ein solcher Rechts- und Rangverlust durch § 114 Abs. 3 InsO bei der Pfändung einer künftigen Altersrente hingenommen werden, deren Leistungsstadium bis zur möglichen Erteilung der Restschuldbefreiung gar nicht sicher erreicht wird, so dass an die Insolvenzgläubiger aus dem Rentenan- spruch des Schuldners ohnehin nichts verteilt werden kann. Dies hat das Beschwerdegericht , wenngleich nur vor dem Hintergrund des § 89 Abs. 2 InsO, richtig erkannt.
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
AG Dresden, Entscheidung vom 13.06.2007 - 550 IN 3529/06 -
LG Dresden, Entscheidung vom 04.09.2008 - 5 T 669/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 67/10
Verkündet am:
18. November 2010
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Klage eines Gläubigers auf Zinszahlung seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
ist nach dessen Aufhebung während der Treuhandphase ungeachtet einer möglichen
späteren Restschuldbefreiung des Schuldners zulässig.
Zinsforderungen auf Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung
werden auch dann nicht von der Restschuldbefreiung erfasst, wenn sie mangels Aufforderung
zur Anmeldung nachrangiger Forderungen nicht mit dem Rechtsgrund der
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zur Insolvenztabelle angemeldet worden
sind.
BGH, Urteil vom 18. November 2010 - IX ZR 67/10 - AG Pforzheim
LG Karlsruhe
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 26. Februar 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
In dem am 7. November 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten (fortan auch Schuldner) meldete die Klägerin Forderungen aus zwei Darlehensverträgen zuzüglich Zinsen bis zur Verfahrenseröffnung zur Tabelle an. Aufgrund rechtskräftigen Anerkenntnisurteils vom 20. Juni 2006 steht fest, dass der beschränkte Widerspruch des Schuldners gegen die Anmeldung der Forderungen als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung durch Urteil beseitigt ist. Am 20. Dezember 2006 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Am 13. August 2008 erteilte das Insolvenzgericht der Klägerin vollstreckbare Ausfertigungen der Insolvenztabelle.
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Die Klägerin begehrt Verurteilung des Schuldners zur Zahlung der ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum 31. Dezember 2008 aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 5 v.H. über dem jeweiligen Basiszins, insgesamt 4.139,25 €. Die Klage ist im ersten Rechtszug erfolgreich gewesen. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


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Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

I.


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Das Landgericht meint, die mit der Klage geltend gemachten Zinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nähmen gemäß § 302 Nr. 1 InsO nicht an einer eventuellen Restschuldbefreiung teil. Es reiche aus, dass die Hauptforderungen aus den dem Beklagten gewährten Krediten unter Angabe des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 174 Abs. 2 InsO zur Tabelle angemeldet worden seien. Dagegen sei unerheblich, dass die nach der Insolvenzeröffnung angefallenen Zinsen nicht angemeldet worden seien. Die Zinsforderung nehme an der Restschuldbefreiung nicht teil, weil es sich insgesamt um eine ausgenommene Forderung gemäß § 849 BGB handele. Es komme deshalb nicht darauf an, ob Zinsen, soweit sie als Verzugsfolgen geschuldet würden, nicht unter § 302 Nr. 1 InsO fielen.

II.


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Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
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1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Die Erhebung einer Leistungsklage durch Insolvenzgläubiger ist nach § 87 InsO nur während des eröffneten Verfahrens ausgeschlossen. Nach Aufhebung des Verfahrens während der Wohlverhaltensphase sind die Insolvenzgläubiger nicht gehindert, ihre Ansprüche klageweise durchzusetzen.
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a) Die Klägerin ist mit den im Streit stehenden Zinsansprüchen Insolvenzgläubigerin. Die Vorschrift des § 38 InsO begrenzt den Kreis der Insolvenzgläubiger grundsätzlich auf solche persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Nach § 39 Abs.1 Nr. 1 InsO werden jedoch auch die persönlichen Gläubiger erfasst, denen - wie hier der Klägerin - gegen den Schuldner laufende Zinsen und Säumniszuschläge auf Insolvenzforderungen zustehen.
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b) Als Insolvenzgläubigerin kann sie gemäß § 201 Abs. 1 InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen - gemäß § 201 Abs. 3 InsO vorbehaltlich der Vorschriften über die Restschuldbefreiung - gegen den Schuldner geltend machen. Die laufende Wohlverhaltensphase steht dem nicht entgegen.
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c) Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO hat keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer Klageerhebung (LG Arnsberg NZI 2004, 515; FKInsO /Ahrens, 5. Aufl., § 294 Rn. 20; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl., § 294 Rn. 5; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 294 Rn. 10). Soweit es in Einzelfällen für zumutbar gehalten wird, den Gläubiger mit seiner Klage auf die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verweisen, wenn er seine Forderung nicht angemeldet hat und deshalb kein schutzwürdiges Interesse an einer Titulierung während der Wohlverhaltensphase bestehen soll (vgl. HK-InsO/ Landfermann aaO), kommt es hierauf vorliegend nicht an. Die Klägerin konnte ihre - nachrangige - Zinsforderung im Verfahren nicht anmelden (vgl. § 174 Abs. 3 InsO). Ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung schon während der Wohlverhaltensphase ist damit gegeben. Da die spätere Erteilung der Restschuldbefreiung nicht feststeht, brauchte die Klägerin für den Streitgegenstand keine titelergänzende Feststellung des Rechtsgrunds zu erwirken , obwohl die Rechtskraft des Anerkenntnisurteils sich auf die hier im Streit stehenden Zinsen nicht erstreckt.
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2. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es nicht darauf an, ob die Zinsen der Restschuldbefreiung unterliegen. Die Forderung wird erstmals tituliert. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen , dass von einer nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommenen Forderung auch die auf diese Forderung nach Verfahrenseröffnung entfallenden Zinsen erfasst werden, ohne dass es der Anmeldung der Zinsforderung nach § 174 Abs. 2 InsO bedarf, wenn es zu der besonderen Aufforderung nach § 174 Abs. 3 InsO nicht kommt.
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a) Nach § 302 Nr. 1 InsO werden Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von der Restschuldbefreiung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Hauptforderungen der Klägerin und der bis zur Ver- fahrenseröffnung angefallenen Zinsansprüche geschehen. Aufgrund rechtskräftigen Anerkenntnisurteils steht fest, dass die Klägerin insoweit über ausgenommene Forderungen verfügt. Jedenfalls bei nicht anmeldbaren Nebenforderungen (vgl. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) zu einer entsprechend angemeldeten Hauptforderung erhält sich der Insolvenzgläubiger seine Rechte aus § 302 Nr. 1 InsO auch ohne Anmeldung.
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Eine Anmeldung der nach Verfahrenseröffnung anfallenden Zinsen konnte nicht erfolgen, weil es sich insoweit um nachrangige Insolvenzforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO handelt. Nachrangige Forderungen können gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO nur angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht besonders dazu auffordert. Zu einer solchen Aufforderung, die regelmäßig nur ergeht, wenn die Insolvenzmasse ausreicht, um alle nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger zu befriedigen, und ein Überschuss verbleibt (vgl. Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 174 Rn. 51), ist es nicht gekommen. Die Klägerin muss gleichwohl auch im Hinblick auf die Zinsen nach Verfahrenseröffnung als Inhaberin einer ausgenommenen Forderung angesehen werden. Das Erfordernis der Anmeldung der Forderung mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gilt nur hinsichtlich der Hauptforderung und vor Verfahrenseröffnung angefallener Zinsen, nicht aber der aufgrund dieser Hauptforderung entstehenden Zinsen, die nach Verfahrenseröffnung fällig werden.
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b) Es ist weder der Ursprungsfassung der Insolvenzordnung noch der durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 (BGBl. I S. 2710) geänderten Fassung zu entnehmen, dass der Gesetzgeber Gläubiger, die über eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gegen den Schuldner verfügen, nur hinsichtlich der Hauptforderung von der Restschuldbefreiung ausnehmen wollte. Nach der Ursprungsfassung der Insolvenzordnung waren sämtliche Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Dass hierzu auch Zinsen gehörten, konnte keinen Zweifeln unterliegen. Ziel der Änderung des § 302 Nr. 1 InsO durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 war nach dessen Begründung (BT-Drucks. 14/5680, S. 27, 29), dem Interesse des Schuldners an einer möglichst frühzeitigen Information über den Umfang der Forderungen Rechnung zu tragen, die nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden. Dieser Zweck gebietet es nicht, dem Gläubiger einer ausgenommenen Forderung nur dann das Privileg des § 302 Nr. 1 InsO zukommen zu lassen, wenn er auch die Nebenforderungen, wie etwa die hier in Rede stehenden Zinsen, mit dem Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet hat. Eine solche Beschränkung des Umfangs der ausgenommenen Forderungen sollte mit dem am 1. Dezember 2001 in Kraft getretenen Insolvenzrechtsänderungsgesetz nicht verbunden sein. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber es von der durch den Gläubiger nicht zu beeinflussenden Frage, ob das Vermögen des Schuldners ausreicht, um zu einer Aufforderung nach § 174 Abs. 3 InsO zu kommen, abhängig machen wollte, ob der Gläubiger nach Verfahrenseröffnung anfallende Zinsen auf eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung anmelden kann. § 302 Nr. 1 InsO ist deshalb so zu verstehen, dass die von der Restschuldbefreiung nach dieser Vorschrift ausgenommenen Verbindlichkeiten insgesamt erfasst werden, wenn die jeweilige Hauptforderung mit dem entsprechenden Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet ist. Der Schuldner ist auch wegen der nicht anmeldefähigen Nebenforderungen durch die Anmeldung der Hauptforderung und ihres Rechtsgrunds hinreichend gewarnt.
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3. Das Berufungsgericht hat die sachlichen Voraussetzungen des § 302 Nr. 1 InsO mit Recht bejaht. Ob seine Annahme, die Verzinsung mit einem Zinssatz von 5 %-Punkten über dem Basiszins sei hier schon aus § 849 BGB abzuleiten, richtig ist, kann dahingestellt bleiben, weil der Zinsanspruch als Nebenforderung (vgl. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) an der Qualifizierung der Hauptforderung als solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung teilnimmt.
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a) Die Frage, ob Zinsen auf einen Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung von § 302 Nr. 1 InsO erfasst werden oder ungeachtet der Ausnahmeregelung der Restschuldbefreiung unterliegen, wird unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Zinsen und Kosten, die im Zusammenhang mit einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung entstünden , nähmen grundsätzlich an der Restschuldbefreiung teil und fielen deshalb nicht unter § 302 Nr. 1 InsO. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Zinsen nicht als Verzugsfolgen, sondern aus § 849 BGB geltend gemacht werden würden (KG, ZInsO 2009, 280, 282; FK-InsO/Ahrens, aaO, § 302 Rn. 9; MünchKomm -InsO/Stephan, 2. Aufl., § 302 Rn. 8; Rinjes, DZWIR 2002, 415). Nach anderer Ansicht sollen Nebenforderungen wie Zinsen und Kosten dagegen in vollem Umfang von der Restschuldbefreiung ausgenommen sein, weil sie insoweit das Schicksal der Hauptforderung teilten (LG Köln NZI 2005, 406, 407; HKInsO /Landfermann, aaO, § 302 Rn. 11; Pape/Schaltke in Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 184 Rn. 54 ff; Uhlenbruck/Vallender, aaO, § 302 Rn. 2a).
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b) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Der Schutz des durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung geschädigten Gläubigers durch § 302 Nr. 1 InsO wäre unvollständig, würde man nur die Hauptforderung, nicht aber die durch die Handlung verursachten Nebenforderungen von der Rest- schuldbefreiung ausnehmen. Der Schuldner könnte wegen dieser Verbindlichkeiten nicht mehr in Anspruch genommen werden, obwohl nach dem Wortlaut des § 302 Nr. 1 InsO grundsätzlich alle Verbindlichkeiten, die auf eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldner s zurückzuführen sind, nicht an der Restschuldbefreiung teilhaben sollen. Anders als im Fall der Parallelvorschrift des § 850f Abs. 2 BGB, bei der ebenfalls um die Frage gestritten wird, ob nur wegen der Hauptforderung oder auch wegen der weiteren Nebenforderungen in den Vorrechtsbereich vollstreckt werden darf (vgl. Prütting/ Gehrlein/Ahrens, ZPO, § 850f Rn. 42 f; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 850f Rn. 8), wäre bei Erstreckung der Restschuldbefreiung auf die Nebenforderungen nicht nur die Vollstreckung in den Vorrechtsbereich ausgeschlossen. Vielmehr könnte der Gläubiger hier seine Ansprüche nach Erteilung der Restschuldbefreiung überhaupt nicht mehr durchsetzen (vgl. Pape/Schaltke aaO).
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c) Diese Auslegung entspricht der zum Anwendungsbereich des § 393 BGB vertretenen Rechtsauffassung, der ebenso wie § 302 Nr. 1 InsO dazu dient, die Durchsetzbarkeit von Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zu sichern und zu erhalten. Zu den Passivforderungen, die durch das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB privilegiert werden, gehören auch Forderungen auf Erstattung von Folgeschäden eines vorsätzlichen Delikts wie etwa Kostenerstattungsansprüche bei der gerichtlichen Durchsetzung der Schadensersatzforderung sowie der Anspruch auf Verzugszinsen (OLG Karlsruhe MDR 1969, 483; OLG Köln NJW-RR 1990, 829 f; Staudinger/Gursky, BGB 13. Bearb. 2006, § 393 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Schlüter, 5. Aufl., § 393 Rn. 3; Erman/Wagner, BGB 12. Aufl., § 393 Rn. 2; vgl. auch BFHE 178, 532, 537). Entsprechendes muss auch für die Ausnahme von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO gelten.
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
AG Pforzheim, Entscheidung vom 24.09.2009 - 9 C 70/09 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.02.2010 - 9 S 541/09 -

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

Wird die Restschuldbefreiung nach den §§ 296, 297, 297a oder 298 versagt, so enden die Abtretungsfrist, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger mit der Rechtskraft der Entscheidung.