Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2014 - IV ZR 317/13

bei uns veröffentlicht am19.11.2014
vorgehend
Landgericht Koblenz, 1 O 314/12, 14.02.2013
Oberlandesgericht Koblenz, 3 U 252/13, 29.07.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR317/13
vom
19. November 2014
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller
am 19. November 2014

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Juli 2013 zugelassen.
Der vorbezeichnete Beschluss wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 20.950 €

Gründe:


1
I. Der Kläger begehrt vom Beklagten, seinem Vater, die Rückzahlung eines ihm am 2. Juni 2005 überwiesenen Betrages von 20.950 € nebst Zinsen sowie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Parteien streiten darüber, ob der Geldbetrag, der aus der Auszahlung des Rückkaufswerts einer Lebensversicherung stammte, welche der Beklagte für den Kläger unterhalten hatte, dem Beklagten als Darlehen gegeben war oder ob es sich um eine Schenkung handelte.
2
II. Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung mehrerer Zeugen abgewiesen, weil es den Beweis einer Darlehensabsprache als nicht erbracht ansah. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.
3
Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, Fehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts, das sich unter umfassender, widerspruchsfreier und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßender Würdigung der Zeugenaussagen und sonstigen Umstände keine hinreichende Überzeugung von einer darlehensweisen Überlassung des Geldbetrages habe bilden können, seien nicht zu erkennen. Die Umstände drängten eine Hingabe als Darlehen nicht auf, die Beweiswürdigung durch das Landgericht sei möglich und überzeugend.
4
III. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
5
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings entgegen der Auffassung der Beschwerde davon ausgegangen, dass den Kläger die Beweislast für eine Hingabe des Geldbetrages als Darlehen trifft. Wer die Rückzahlung eines Darlehens begehrt, muss nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außer der Auszahlung der Valuta auch die Einigung der Parteien über die Hingabe als Darlehen beweisen und einen vom Beklagten behaupteten anderen Rechtsgrund ausschließen (Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - IV ZR 145/07, juris Rn. 4 m.w.N.).

6
Anders als die Beschwerde meint, ergibt sich Gegenteiliges nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2006 (X ZR 34/05, BGHZ 169, 377). In jenem Fall ging es nicht um einen Darlehens-, sondern um einen Bereicherungsanspruch. Nur für die dort gegebene besondere Situation (Abhebungen vom Konto des Gläubigers durch den Zahlungsempfänger) ist dem Schuldner die Beweislast für das behauptete Schenkungsversprechen und damit das Bestehen des geltend gemachten Rechtsgrundes auferlegt worden. Dass dieses auch dann gilt, wenn der Anspruchsteller geltend macht, er habe ein Darlehen gewährt, lässt sich diesem Urteil nicht entnehmen.
7
2. Zu Recht rügt die Beschwerde aber, dass die angefochtene Entscheidung den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG), da die vom Kläger - bereits erstinstanzlich - für eine Darlehensabrede benannten Zeugen Sascha P. und Lydia F. nicht vernommen worden sind.
8
Insoweit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers überspannt. Eine Partei genügt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihren Substantiierungspflichten, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als bestehend erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung , kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (Senatsurteil vom 18. April 2012 - IV ZR 147/10, VersR 2012, 1110 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 21. September 2011 - IV ZR 95/10, VersR 2011, 1432 Rn. 8; jeweils m.w.N.). Der Pflicht zur Substantiierung ist nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind. Dagegen ist es Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme die Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen (BGH, Urteile vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, BGH-Report 2005, 1589 unter II 2 b und vom 13. Juli 1998 - II ZR 131/97, VersR 1999, 1120 unter I; Beschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710 unter II 2 a). Die Vernehmung der Zeugen - die schon im landgerichtlichen Verfahren ebenso zu der behaupteten Darlehensabrede benannt waren wie die vom Landgericht vernommenen Zeugen - durfte deshalb nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Kläger weitere Anhaltspunkte zu ihrer Anwesenheit bei Unterredungen der Parteien im Zusammenhang mit der Geldübergabe vorträgt.
9
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts nicht auf die des Revisionsgerichts beschränkt ist. Das Berufungsgericht hat nicht nur zu überprüfen , ob der Tatrichter in erster Instanz den Prozessstoff und die Beweisergebnisse umfassend und widerspruchsfrei geprüft hat und seine Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist, ohne gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu verstoßen, wie das Berufungsgericht insbesondere in seinem Hinweisbeschluss auf Seite 3 ausgeführt hat. Es hat vielmehr den Prozessstoff auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen auch dahin zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte sachlich überzeugend ist (BGH, Urteil vom 12. April 2011 - VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rn. 22 m.w.N.); die Berufung kann mit- hin - anders als eine Revision - auch auf eine von der ersten Instanz abweichende Würdigung von Zeugenaussagen gestützt werden.
10
Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht zugleich Gelegenheit, die Beweiswürdigung des Landgerichts zu dem angeblich unüberbrückbaren Widerspruch zwischen den Erklärungen des Klägers und den Aussagen der beiden Zeuginnen P. zum Zeitpunkt der behaupteten Vereinbarung noch einmal unter Berücksichtigung der hiergegen in der Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Einwände zu prüfen.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 14.02.2013- 1 O 314/12 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 29.07.2013- 3 U 252/13 -

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

4
Wer die Rückzahlung eines Darlehens begehrt, muss nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außer der Auszahlung der Valuta auch die Einigung der Parteien über die Hingabe als Darlehen beweisen und einen vom Beklagten behaupteten anderen Rechtsgrund - auch im Verhältnis zu einem Dritten - ausschließen (Urteile vom 3. Dezember 1987 - III ZR 120/86 - BGHR BGB § 607 Beweislast 1; vom 28. Oktober 1982 - III ZR 128/81 - NJW 1983, 931 unter II; vom 24. Mai 1976 - III ZR 63/74 - WM 1976, 974 unter 1; ebenso Baumgärtel/Laumen, Beweislast 2. Aufl. § 607 BGB Rdn. 2 und 4).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 34/05
Verkündet am:
14. November 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Wer gestützt auf eine Bankvollmacht Beträge vom Konto des Vollmachtgebers
abgehoben hat, trägt im Rückforderungsprozess die Beweislast für die Behauptung
, mit der Abhebung ein formnichtiges Schenkungsversprechen des Vollmachtgebers
mit dessen Willen vollzogen zu haben.
BGH, Urt. v. 14. November 2006 - X ZR 34/05 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 2. Februar 2005 verkündete Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist die Mutter der Beklagten. Sie lebt in einem Pflegeheim in D. /Südafrika und wird durch einen Curator vertreten, der u.a. ihre Vermögensangelegenheiten wahrzunehmen und etwaige Ansprüche gerichtlich geltend zu machen hat. Die Klägerin war Inhaberin von Konten (Depot- und Sparkonten ) bei Bielefelder Banken, für die sie der Beklagten 1992 formularmäßige Bankvollmachten erteilt hatte.
2
Die Klägerin begehrt u.a. Rückzahlung und Auskunft über den Verbleib von umgerechnet 164.251,45 Euro. Diesen Betrag erlangte die Beklagte, indem sie im April 2001 die Guthaben der Sparkonten der Klägerin vollständig abhob, nachdem sie die im Depot der Klägerin gehaltenen Wertpapiere veräußert hatte und der Erlös auf den Sparkonten gutgeschrieben worden war. Die Beklagte behauptet, das Geld sei ihr von ihrer Mutter geschenkt worden.
3
Das Landgericht hat eine Herausgabe- und Auskunftsverpflichtung der Beklagten nach Auftragsrecht und darüber hinaus eine deliktische Schadensersatzhaftung wegen Untreue angenommen und auf die Zahlungsklage einen Betrag von 163.751,45 Euro nebst Zinsen ausgeurteilt. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin erklärt habe, sie wolle der Beklagten das Geld schenken. Mangels notarieller Beurkundung sei ein etwaiges Schenkungsversprechen jedenfalls formunwirksam gewesen. Die Schenkung sei auch nicht vollzogen worden, insbesondere lasse sich ein Vollzug nicht aus den Bankvollmachten herleiten, die das Innenverhältnis zwischen der Kontoinhaberin und der Bevollmächtigten nicht regelten. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die Anschlussberufung hat das Berufungsgericht der Klägerin u.a. weitere 500,-- Euro nebst Zinsen zugesprochen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter und bittet, nachdem für die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage durch Versäumnisurteil abzuweisen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg.
5
I. Das Berufungsgericht hat die Zahlungsklage und das den erlangten Betrag von 164.251,45 Euro betreffende Auskunftsbegehren aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB für begründet erachtet. Es hat die Beklagte als beweispflichtig und beweisfällig dafür angesehen, dass sie die Abhebung von den auf den Namen der Klägerin lautenden Sparkonten wegen einer Schenkung habe vornehmen dürfen. Zwar müsse bei der Leistungskondiktion grundsätzlich der Gläubiger beweisen, dass ein Rechtsgrund nicht bestehe. Anders lägen die Dinge aber, wenn wie bei der Eingriffskondiktion der in Anspruch Genommene etwas aus einer dem Anspruchssteller zugewiesenen Rechtposition erlangt habe. Die dieser Beurteilung zugrunde liegende Wertung greife auch, wenn jemand Beträge von einem Konto abgehoben habe, das unter dem Namen des Anspruchstellers geführt werde. Der Anspruchsgegner müsse dann beweisen, dass dieser Handlung der behauptete rechtliche Grund zur Seite gestanden habe. Den ihr danach obliegenden Beweis für die behauptete Schenkung durch die Klägerin habe die Beklagte nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts geführt. Die Beklagte habe deshalb die abgehobenen Beträge herauszugeben. Soweit sie im Berufungsverfahren erstmals behaupte, das Geld sei ihr von der Klägerin übereignet und dann auf die Konten der Klägerin eingezahlt worden, handele es sich um neuen Vortrag, der mangels Entschuldigung nach § 531 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden könne.
6
II. Die Revision hält dem entgegen: Entscheidend sei, dass die Klägerin anlässlich ihrer Reisen Geldbeträge mitgebracht und diese Geldbeträge der Beklagten sofort endgültig zur dauerhaften und eigennützigen Verwendung überlassen habe. Die Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens durch das Berufungsgericht verletze das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht die Verteilung der Beweislast verkannt. Die Beklagte habe nicht in eine eindeutig und unstreitig der Klägerin zugewiesene Rechtsposition eingegriffen. Die Bereicherung der Beklagten beruhe vielmehr auf einer Leistung der Klägerin, so dass nur eine Leistungskondiktion in Betracht komme, bei der ausnahmslos der Bereicherungsgläubiger und somit die Klägerin das Fehlen eines rechtlichen Grundes darlegen und beweisen müsse.
7
III. Ein entscheidungserheblicher Rechtsfehler ergibt sich hieraus nicht.
8
1. Nach dem unstreitigen Parteivorbringen steht außer Frage, dass das Vermögen der Beklagten zu Lasten des Vermögens der Klägerin einen Zuwachs erfahren hat. Der auf § 812 Abs. 1 BGB gestützte Anspruch ist der Klägerin deshalb zuzusprechen, wenn dies ohne Rechtsgrund geschehen ist.
9
2. a) Dafür, dass die herausverlangte Vermögensmehrung ohne Rechtsgrund besteht, trägt grundsätzlich der Kläger die Darlegungs- und Beweislast (Sen.Urt. v. 18.05.1999 - X ZR 158/97, NJW 1999, 2887 m.w.N.; anschließend daran Sen.Urt. v. 15.10.2002 - X ZR 132/01, ZEV 2003, 207; Baumgärtel/ Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., § 812 Rdn. 10 ff.). Wer einen Anspruch geltend macht, muss das Risiko des Prozessverlustes tragen, wenn sich die sein Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen. Er muss deshalb grundsätzlich alle anspruchsbegründenden Tatsachen behaupten und im Bestreitensfalle beweisen. Dieser Grundsatz gilt auch, soweit sogenannte negative Umstände wie das Fehlen eines Rechtsgrunds anspruchsbegründend sind. Jedenfalls dann, wenn - wie es hier nach Darstellung der Klägerin der Fall ist - geklagt wird, weil der Beklagte in anderer Weise als durch Leistung des Klägers etwas auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt habe, kann allerdings hinsichtlich der Darlegungslast eine Erleichterung für den Anspruchsteller bestehen. Derjenige, der im Prozess die Herausgabepflicht leugnet, kann nämlich gehalten sein, die Umstände darzulegen , aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen. Denn jede Partei hat in zumutbarer Weise dazu beizutragen, dass der Prozessgegner in die Lage versetzt wird, sich zur Sache zu erklären und den gegebenenfalls erforderlichen Beweis anzutreten (Sen.Urt. v. 15.10.2002 - X ZR 132/01, ZEV 2003, 207 m.w.N.).
10
b) Im Streitfall hat die Beklagte insoweit vorgebracht: Bei ihren wiederholten Reisen nach Deutschland habe die Klägerin stets größere Geldbeträge mitgebracht. Da eine andere Tochter schon reichlich Zuwendungen erhalten habe und damit es keinen Ärger mit weiteren Schwestern der Beklagten gebe, habe die Klägerin pro forma ein Konto eingerichtet und seien die mitgebrachten Geldbeträge in Beisein der Klägerin dort eingezahlt worden. Letztendlich habe es sich dabei um Schenkungen an sie, die Beklagte, gehandelt. Deshalb habe ihr die Klägerin auch umfassende Bankvollmacht erteilt. Hiermit habe die Klägerin sicherstellen wollen, dass sie, die Beklagte, über die eingezahlten Gelder voll zu eigenem Nutzen habe verfügen können und sollen.
11
Wenn man - was mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts der revisionsrechtlichen Überprüfung zu Grunde zu legen ist - davon ausgeht, dass der Klagebetrag sich ausschließlich aus mitgebrachten Geldbeträgen und hieraus erzielten Erlösen zusammensetzt, hat die Beklagte hiermit einer sie treffenden Darlegungslast genügt.
12
c) Gleichwohl war es im Streitfall nicht Sache der Klägerin, zu widerlegen , dass es zu einer Schenkungsvereinbarung in Höhe der Klagesumme zwi- schen den Parteien gekommen ist. Das rechtfertigt sich daraus, dass eine Schenkung von Gesetzes wegen einer besonderen Form bzw. Handlung des Schenkers bedarf.
13
(1) Nach § 518 Abs. 1 BGB bedarf das für einen wirksamen Schenkungsvertrag erforderliche Schenkungsversprechen der notariellen Beurkundung. Zweck dieser Regelung ist es u.a., eine sichere Beweisgrundlage für den Fall zu haben, dass es später zum Streit darüber kommt, ob etwas und gegebenenfalls was schenkweise zugewendet werden sollte. Diese Beweisfunktion entfaltet ihre Wirkung auch im Prozess, in dem etwas Erlangtes herausverlangt oder Wertersatz hierfür begehrt wird. Vorbehaltlich § 518 Abs. 2 BGB bedeutet sie dort, dass der Grundsatz von der Beweislast des Anspruchstellers nicht zu dessen Nachteil gereicht, wenn der Gegner sich - wie hier die Beklagte - lediglich auf ein Schenkungsversprechen beruft, das der in § 518 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Form nicht genügt. Der Anspruchsteller kann sich dann darauf beschränken , die behauptete Schenkungsvereinbarung und eine etwaige Darlegung zu bestreiten, der Mangel der Form des Schenkungsversprechens sei gemäß § 518 Abs. 2 BGB durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt. Der angeblich Beschenkte muss dann Umstände beweisen, die den nach § 518 Abs. 2 BGB für die Wirksamkeit des behaupteten Schenkungsversprechens erforderlichen Tatbestand ausfüllen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 518 BGB Rdn. 1b m.w.N.). Denn wer die Heilung des Formmangels nach § 518 Abs. 2 BGB geltend macht, beruft sich auf einen Sachverhalt, der den Eintritt der nach § 125 Satz 1 BGB an sich gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge hindert.
14
(2) Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass zur Erfüllung eines Schenkungsversprechens die Nutzung der Bankvollmachten erforderlich war, welche die Klägerin der Beklagten erteilt hatte. Denn eine Bewirkung i.S.d.
§ 518 Abs. 2 BGB kann nicht schon in der behaupteten Übergabe des mitgebrachten Geldes oder dessen Einzahlung gesehen werden. Nach dem Vortrag der Beklagten ist dieses Geld nämlich bestimmungsgemäß auf ein Konto eingezahlt worden, das auf den Namen der Klägerin lautete. Dies hatte zur Folge, dass die Beträge weiterhin zum Vermögen der Klägerin gehörten, weil diese Gläubigerin der Bank wurde. Denn es ist nichts dafür vorgebracht oder ersichtlich , dass es - wie es nach der Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 02.02.1994 - IV ZR 51/93, NJW 1994, 931 m.w.N.) für eine Gläubigerschaft der Beklagten erforderlich wäre - bei der Eröffnung der Konten oder später für die Banken als Wille der Parteien erkennbar gewesen wäre, das Guthaben solle trotz der Einrichtung auf den Namen der Klägerin der Beklagten zustehen. Ein Vollzug einer Schenkung könnte mithin erst in dem Erwerb der Mittel infolge der Abhebung durch die Beklagte gesehen werden. Denn dies soll - wie die Beklagte weiter vorgebracht hat - mit Wissen und Wollen (vgl. zu diesem Erfordernis Sen.Urt. v. 18.05.1999 - X ZR 158/97, NJW 1999, 2887, 2889) der Klägerin geschehen sein, weil das nach Deutschland geschaffte Geld der hier lebenden Tochter habe zustehen sollen.
15
(3) Damit ist eine Bereicherung zu beurteilen, die aus einer der Klägerin zugewiesenen Rechtsposition erlangt worden ist, ohne dass die Handlung, mittels der dies geschehen ist, für sich gesehen einen Rückschluss auf eine Schenkung und deren Vollzug erlaubte. Denn das bloße Vorhandensein einer Bankvollmacht besagt schon nichts darüber, welche Rechtshandlungen der Bevollmächtigte im Verhältnis zum Vollmachtgeber vornehmen darf. Die Vollmacht betrifft nur das Verhältnis zu den Banken und damit die Möglichkeit für die Beklagte , nach außen wirksam die Klägerin verpflichtende oder begünstigende Bankgeschäfte vorzunehmen. Unter diesen Umständen kommt die Feststellung, dass die Abhebung durch die Beklagte einen Vollzug einer Schenkung darstellte , nur in Betracht, wenn sich der Bezug zu einem solchen Rechtsgeschäft aus anderen Umständen ergibt. Es bedarf der Zuordnung des an sich insoweit neutralen , aber in eine Rechtsposition der Klägerin eingreifenden Vorgehens zu einem Handeln der Klägerin, das den Schluss zulässt, dass die Abhebung eine schenkweise versprochene Zuwendung mit Wissen und Wollen der Klägerin vollzieht. Eine solche Zuordnung ist, wie auch der vorliegende Fall zeigt, regelmäßig nicht ohne Nachweis des Schenkungsversprechens möglich.
16
Gerade in diesem Zusammenhang können allerdings zum einen mittelbare Tatsachen beweiserheblich sein, wenn sie geeignet sind, Rückschlüsse darauf zuzulassen, dass der Handlung, die in die fremde Rechtsposition eingreift , ein Schenkungsversprechen zu Grunde liegt. Zum anderen können Erfahrungssätze die freie Beweiswürdigung bestimmen. So kann es vor allem in Betracht kommen, zu Gunsten des angeblich Beschenkten auf eine bestehende Erfahrung abzustellen, wenn eine Anstandsschenkung und deren Bewirken durch eine Handlung des angeblich Beschenkten in Frage stehen.
17
(4) Der Umfang der Beweislast der Beklagten, der sich mithin aus dem Mangel der in § 518 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Form und daraus ergibt, dass nur die im Außenverhältnis wirksame Abhebung des Geldes durch die Beklagte unstreitig ist, steht in Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung. Schon das Reichsgericht hat bei Klage auf Herausgabe der durch Abhebung vom Sparbuch eines anderen erlangten Bereicherung dem Abhebenden den Beweis für die causa auferlegt, welche die Abhebung rechtfertigen sollte (JW 1913, 30; vgl. auch JW 1901, 336; zustimmend Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl. S. 196). Der IVa-Zivilsenat hat ebenfalls ausgesprochen, in einem solchen Fall trage der Bevollmächtigte die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der angeblichen Schenkungsvereinbarung (Urt. v. 05.03.1986 - IVa ZR 141/84, NJW 1986, 2107, 2108 m.w.N.; ebenso BAG, Urt. v. 19.05.1999 - 9 AZR 444/98; OLG Bamberg JurBüro 2003, 145; vgl. hierzu auch Wacke, AcP 191 (1991), 1 und ZZP 2001, 77; Schiemann, JZ 2000, 570; Schmidt, JUS 2000, 189; Böhr, NJW 2001, 2059). Die Senatsentscheidung vom 18. Mai 1999 (X ZR 158/97, NJW 1999, 2887, 2888) betraf einen hiervon abweichenden Fall, weil auch der Kontoinhaber selbst bereits Beträge derjenigen Partei zu Gute hatte kommen lassen, die sich auf Schenkung berufen hatte. Soweit sich ansonsten aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats Gegenteiliges ergeben sollte, wird hieran nicht festgehalten.
18
3. Nach der Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht kann nicht davon ausgegangen werden, dass das unstreitige, sich auf eine bloße Bankvollmacht stützende Handeln der Beklagten Bezug zu einer Schenkung der Klägerin hatte und mit deren Willen eine schenkweise versprochene Leistung bewirkte. Da die Revision gegen die Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme, dass eine Schenkung durch die Klägerin nicht erwiesen sei, keine Einwände erhebt und insoweit ein Rechtsfehler auch nicht ersichtlich ist, hat das Berufungsgericht der auf § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB gestützten Zahlungsklage mithin zu Recht entsprochen.
19
IV. Soweit der Klägerin weitere mit der Anschlussberufung geltend gemachte Ansprüche zugesprochen worden sind, mangelt es an begründeten Revisionsangriffen. Auch diese Verurteilung der Beklagten hat daher Bestand.
20
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 19.02.2004 - 4 O 612/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 02.02.2005 - 8 U 71/04 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

17
b) Im Weiteren hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers überspannt. Eine Partei genügt ihren Substantiierungspflichten , wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als bestehend erscheinen zu lassen. Dabei ist unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 8; Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, NZG 2005, 890 unter II 2 b).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 199/03 Verkündet am:
25. Juli 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 612 Abs. 2; KonkursVwVergütV §§ 3, 4; ZPO § 286 F

a) Die dem von der Gesellschafterversammlung bestellten Liquidator einer
GmbH - mangels Vereinbarung über die Höhe seines Honorars - geschuldete
übliche Vergütung i.S. von § 612 Abs. 2 BGB war zur Zeit der Geltung der
Konkursordnung (hier: 1994/1995) wegen der Vergleichbarkeit der Tätigkeit
des Liquidators (§ 70 GmbHG) mit der Aufgabe eines Konkursverwalters in
sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der VergütVO vom 25. Mai
1960 (i.d.F. der VO v. 11. Juni 1979) zu bemessen.

b) Zur Übergehung unter Beweis gestellten Vorbringens durch Verkennung der
Anforderungen an die Substantiierung sowie zur Ablehnung der Zeugenvernehmung
als unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.
BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03 - OLG Köln
LG Köln
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 25. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Mai 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 8. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der L. -Baugesellschaft mbH i.L. (nachfolgend: Schuldnerin), die Ende 1991 aus der Zwischenbetrieblichen Einrichtung (ZBE) Bauorganisation N. durch Organisationsakt der beteiligten Trägerbetriebe hervorgegangen ist und Anfang Januar 1993 als GmbH in das Handelsregister eingetragen wurde. Bereits am 5. November 1993 beschlossen die Gesellschafter der Schuldnerin deren Liquidation und bestellten den Beklagten zum Liquidator; Regelungen über sein Honorar wurden nicht getroffen. In der Zeit von April 1994 bis Januar 1995 entnahmen der Beklagte und die in seinem N. Büro tätige freie Mitarbeiterin K. - seine jetzige Ehefrau - dem Vermögen der Schuldnerin insgesamt
593.921,30 DM, die der Beklagte als "Vorschüsse" auf seine Liquidatorvergütung verstanden wissen will. Nachdem mehrere Gesellschafter der Schuldnerin die ihrer Ansicht nach unzureichende Tätigkeit des Beklagten im Rahmen des Liquidationsverfahrens beanstandet hatten, wurde dieser durch Gesellschafterbeschluß vom 19. April 1995 als Liquidator abberufen und Rechtsanwalt P. als sein Nachfolger eingesetzt. Der Beklagte überließ diesem gemäß Übergabeprotokoll vom 3. Mai 1995 die aus 133 Aktenordnern und 47 Schnellheftern bestehenden Geschäftsunterlagen der Gesellschaft, von denen er sich zuvor auszugsweise Kopien für seine eigenen Unterlagen gefertigt hatte. Auf Antrag des neuen Liquidators vom 2. Juni 1995 eröffnete das Amtsgericht H. am 25. Januar 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin.
Der Kläger hat gegen den Beklagten Stufenklage auf Auskunfterteilung über die den Entnahmen zugrundeliegenden Tatsachen und auf Bezahlung der sich aus der Auskunft ergebenden Forderungen erhoben. Nach Erteilung der Auskunft durch den Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Im übrigen begehrt der Kläger vom Beklagten Erstattung der entnommenen Beträge in Höhe von insgesamt 593.921,30 DM; der Beklagte verweigert deren Rückzahlung unter Berufung auf seine Honoraransprüche als Liquidator, die er in einer im Prozeß vorgelegten Rechnung vom 5. Juni 1997 auf 1.058.000,00 DM beziffert und hinsichtlich derer er im Umfang der Klageforderung vorsorglich die Aufrechnung erklärt hat.
Das Landgericht hat den Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung zur Rückzahlung von 321.772,46 DM nebst Zinsen verurteilt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil dem Beklagten aus dem mit der Schuldnerin
zustande gekommenen Dienstvertrag über dessen Liquidatortätigkeit ein entsprechend den Vergütungssätzen und -richtlinien der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters vom 25. Mai 1960 (BGBl. I, 329, zuletzt geändert durch Verordnung v. 11. Juni 1979, BGBl. I, 637 - VergütVO) zu ermittelnder Vergütungsanspruch in Höhe von 272.184,84 DM brutto zustehe, der in dieser Höhe mit den dem Beklagten insgesamt zuzurechnenden Entnahmen aus dem Vermögen der Schuldnerin zu verrechnen sei. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat das Rechtsmittel des Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der - vom Senat zugelassenen - Revision, mit der er sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts (§§ 562, 563 Abs. 1 ZPO).
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Beklagte müsse dem Kläger die aus dem Vermögen der Schuldnerin ohne die erforderliche Zustimmung ihrer Gesellschafterversammlung entnommenen Gelder in vollem Umfang von 593.921,30 DM aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 Satz 2 2. Var. BGB) erstatten. Die vom Beklagten demgegenüber erklärte Aufrechnung sei zwar nicht bereits wegen eines Aufrechnungsverbots unzulässig, da der Kläger die Voraussetzungen des § 393 BGB nicht nachgewiesen habe; sie scheitere aber daran, daß der Beklagte einen aufrechenbaren Gegenanspruch auf
Vergütung seiner Leistungen als Liquidator der Schuldnerin letztlich nicht hinreichend dargelegt habe. Allerdings stehe dem Kläger grundsätzlich eine Vergütung für seine Liquidatortätigkeit aus einem konkludent mit der Schuldnerin geschlossenen Dienstvertrag zu. Mangels einer konkreten Honorarvereinbarung sei die geschuldete übliche Vergütung i.S. von § 612 Abs. 2 BGB entsprechend den Regelsätzen der VergütVO zu bemessen; dabei richte sie sich bei dem hier vorliegenden vorzeitigen Abbruch der Tätigkeit nach dem Verhältnis der tatsächlich erbrachten zur insgesamt geschuldeten Leistung. Diesbezüglich habe der Beklagte jedoch in beiden Instanzen nicht annähernd der ihm obliegenden Substantiierung genügt. Der von ihm vorgelegten pauschalen Leistungsaufstellung fehle die Bezugnahme auf konkrete Geschäftsunterlagen, in denen sich die von ihm beschriebenen Tätigkeiten dokumentiert haben müßten. Die zusätzlichen Zeugenbeweisantritte des Beklagten seien nicht geeignet, die ihm auferlegte Leistungsaufstellung anhand der Geschäftsunterlagen zu ersetzen. Wenn dieser es nicht für notwendig erachtet habe, entweder die umfangreichen Akten beim Kläger einzusehen oder konkrete Schriftstücke aus den von ihm selbst gefertigten Kopien zu benennen, so gehe das zu seinen Lasten.
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Versagung jeglicher Vergütung für die vom Beklagten behauptete Tätigkeit als von der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin beauftragter und bestellter Liquidator beruht auf einer Verkennung der Anforderungen an die Darlegungslast des Beklagten und - als Folge davon - auf einer verfahrensfehlerhaften Übergehung seines schlüssigen, unter Beweis gestellten Vortrags; überdies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft den vom Beklagten angebotenen Zeugenbeweis als ungeeignet zum Nachweis von Art und Umfang seiner Liquidatortätigkeit angesehen (§ 286 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG).
1. Im Ansatz noch zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der Beklagte dem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsbegehren des Klägers hinsichtlich der eigenmächtig aus dem Vermögen der Schuldnerin entnommenen "Vorschüsse" grundsätzlich einen zur Aufrechnung geeigneten Vergütungsanspruch für die als Liquidator erbrachten Dienstleistungen entgegenhalten kann. Noch zutreffend ist auch die Erwägung, daß - mangels einer Vereinbarung über die Höhe seines Honorars - der Liquidator Anspruch auf die übliche Vergütung i.S. von § 612 Abs. 2 BGB hat und daß diese in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der VergütVO zu bemessen ist; denn die Tätigkeit als Liquidator einer GmbH, der die Geschäfte beendigen , die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft erfüllen, deren Forderungen einziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umsetzen soll (§ 70 GmbHG), ist mit der Aufgabe eines Konkurs- oder Gesamtvollstreckungsverwalters vergleichbar (BGHZ 139, 309, 311 f.).
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten sei jegliche Vergütung zu versagen , weil er die von ihm behaupteten Leistungen nach Art und Umfang nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe.

a) Die Versagung jeglicher Vergütung unter dem Blickwinkel unzureichender Substantiierung der vom Beklagten als Liquidator erbrachten Leistungen ist bereits deshalb unvertretbar, weil sie nur dann in Betracht käme, wenn der Beklagte überhaupt keine Tätigkeit als Liquidator entfaltet hätte. Davon kann aber - was das Oberlandesgericht übersehen hat - schon nach Aktenlage nicht ausgegangen werden, weil selbst der Kläger in der Klageschrift vorgetragen hat, der Beklagte sei für die Schuldnerin als Liquidator "tätig" geworden, und auch später schriftsätzlich eingeräumt hat, daß der Beklagte u.a. einen
gewissen Schriftwechsel mit der B. Bank AG geführt habe; im übrigen finden sich weitere Schriftstücke bei den Akten, die eindeutig ein Tätigwerden des Beklagten als Liquidator erkennen lassen (vgl. z.B. Beiakten 1204 Js 19283/97 StA H. , Bd. I, 161, 162 sowie Bd. II, 859). Angesichts dessen ist das nachträgliche Bestreiten jeglicher Liquidatortätigkeit des Beklagten durch den Kläger mit Nichtwissen als unbeachtlich anzusehen, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Schon in Anbetracht dessen hätte das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO dem Beklagten daher zumindest irgendeine Vergütung zuerkennen müssen, die sich nach § 3 Abs. 2 VergütVO selbst bei der geringsten denkbaren Tätigkeit auf mindestens 400,00 DM belaufen müßte.

b) Der weitergehende umfangreiche, durch Zeugen und Sachverständigen unter Beweis gestellte Vortrag des Beklagten zu Art und Umfang seiner Liquidatortätigkeit ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht unsubstantiiert. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlußfolgerung aus Indizien besteht. Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (vgl. Sen.Urt. v. 13. Juli 1998 - II ZR 131/97, WM 1998, 1779 sowie v. 16. März 1998 - II ZR 323/96, ZIP 1998, 956, 957 m.w.Nachw.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Art und Umfang seiner Tätigkeiten im Rahmen der einzelnen, von dem Sachverständigen W. vorgegebenen Leistungsbereiche - Liquidationseröffnungsbilanz, Überschuldungsprüfung, Anmeldung der Auflösung im Handelsregister, Bekanntmachung der Auflösung, Grund-
stücksverwaltung, Personalverwaltung, Erfüllung steuerlicher Pflichten der Gesellschaft , Jahresabschlüsse, Rechtsstreitigkeiten/Restitutionsansprüche, sonstige Rechtsstreitigkeiten, Liquidation von Vermögen, Begleichung von Verbindlichkeiten - hat der Beklagte zumindest so konkret vorgetragen, daß daraus die begehrte Rechtsfolge seiner nach §§ 3, 4 VergütVO zu ermittelnden Vergütung als Liquidator auch für den hier vorliegenden Fall der vorzeitigen Beendigung der Verwaltertätigkeit abgeleitet werden kann (vgl. zur Berechnungsweise: BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 - betr. Insolvenzverwalter; BGHZ 146, 166 - betr. vorläufigen Insolvenzverwalter; zur Regelvergütung für den Konkursverwalter nach der VergütVO: BVerfG, Beschl. v. 9. Februar 1989 - 1 BvR 1165/87, ZIP 1989, 382 f.; BGHZ 157, 282, 297 m.w.Nachw.). Das gilt - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts - auch insoweit, als der Beklagte für einige Leistungsbereiche "vorbereitende Tätigkeiten" wie Sichtung und Ordnung des vorgefundenen Aktenmaterials oder intensives Aktenstudium zur Einarbeitung bei der Vorbereitung der Liquidationseröffnungsbilanz behauptet hat, selbst wenn solche Arbeiten nicht in irgendwelchen Schriftstücken ihren Niederschlag gefunden haben sollten. Denn die Vergütung des Liquidators ist ebenso wie die des Konkursverwalters im wesentlichen kein "Erfolgshonorar", sondern Tätigkeitsvergütung für geleistete Dienste, zu denen auch sämtliche vorbereitenden Aktivitäten gehören (vgl. Hess, InsVV 2. Aufl. § 3 Rdn. 15 m.Nachw.). Selbst die Zahl der Stunden, die der Beklagte im Rahmen seiner Amtsführung in eigener Person und durch Gehilfen aufgewendet haben will, ließe sich - auch wenn ein Zeithonorar nicht vereinbart war - mit Hilfe eines Sachverständigen zumindest überschlägig im Sinne einer Mindestschätzung (§ 287 ZPO) in das Vergütungssystem der VergütVO - ein Mischsystem zwischen pauschalierender Regelvergütung und am Einzelfall orientierten Erhöhungen und Abschlägen (vgl. BGHZ 157, 282, 288 f.) - "umrechnen".
Genügte danach das Beklagtenvorbringen den Anforderungen an die Substantiierung, so konnte der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; vielmehr war es Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme die benannten Zeugen nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erschienen (vgl. Sen.Urt. v. 13. Juli 1998 aaO S. 1779). Diesen Maßstab der Substantiierungslast hat das Berufungsgericht verkannt und dadurch das schlüssige, unter Beweis gestellte Vorbringen des Beklagten zu den wesentlichen Umständen seiner Tätigkeit übergangen (§ 286 ZPO).

c) Das Oberlandesgericht hat zudem von einer Beweiserhebung durch Vernehmung der vom Beklagten benannten Zeugen auch insoweit zu Unrecht abgesehen, als es "zusätzliche Zeugenbeweisantritte" für "nicht geeignet" erachtet hat, "die dem Beklagten auferlegte Leistungsaufstellung anhand der Geschäftsunterlagen zu ersetzen".
In dieser Ablehnung der Zeugenvernehmung liegt zum einen eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung (vgl. Sen.Urt. v. 13. September 2004 - II ZR 137/02, WM 2004, 2365, 2366 m.w.Nachw.). Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß der Tatrichter von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise nur absehen darf, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen oder zugunsten des Antragstellers zu unterstellen ist, und daß bei der Zurückweisung eines Beweismittels als ungeeignet größte Zurückhaltung geboten ist (Sen.Urt. v. 19. Juni 2000 - II ZR 319/98, WM 2000, 2315, 2316 m.w.Nachw.). Dafür, daß die vom Beklagten benannten Zeugen zu den in ihr Wissen gestellten Tatsachen keine geeigneten Bekundungen bezüg-
lich der einzelnen Tätigkeiten des Beklagten machen könnten, fehlt jeder Anhalt.
Zum anderen findet das Vorgehen des Berufungsgerichts, dem darlegungs - und beweispflichtigen Beklagten die Art und Weise seiner Beweisführung , insbesondere die Reihenfolge der in Betracht kommenden Beweismittel, vorschreiben zu wollen, im Prozeßrecht keine Stütze. Selbst wenn es hier dem Beklagten - was offenbar nicht der Fall war - ohne weiteres möglich gewesen wäre, seine Leistungsaufstellung unter Bezeichnung konkreter Aktenstücke zu fertigen, so stand es ihm frei, anstelle des Beweisantritts durch Vorlage von Urkunden - zunächst oder vorrangig - den Zeugenbeweis zu wählen.
III. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es - ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die angebotenen Beweise erhebt und auf dieser Grundlage die erforderlichen Feststellungen trifft.
Goette Kurzwelly RiBGH Kraemer kann urlaubsbedingt nicht unterschreiben Goette Caliebe Reichart

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 275/02
vom
1. Juni 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 286 E, 544 Abs. 7

a) Erweist sich die in einer Nichtzulassungsbeschwerde erhobene Rüge der
Verletzung des rechtlichen Gehörs als begründet, kann das Revisionsgericht
in dem der Nichtzulassungsbeschwerde stattgebenden Beschluß, mit dem
die Revision zugelassen wird, das Berufungsurteil aufheben und den
Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverweisen.

b) Zu den Anforderungen an die Pflicht zur Substantiierung des unter Beweis
gestellten Parteivorbringens.

c) Zur Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch ein Übergehen von substantiiertem
Sachvortrag mit Beweisangebot.
BGH, Beschluß vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02 - OLG Schleswig
LG Lübeck
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juni 2005 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, die Richter Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin
Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des SchleswigHolsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. September 2002 zugelassen. Auf die Revision der Beklagten wird das vorgenannte Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Streitwert: 40.611 €.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Herausgabe und Schadensersatz wegen unterschlagenen Wohnmobiliars. Mit Vertrag vom 14. April 1993 vermietete der Kläger sein zuvor selbst bewohntes Einfamilienhaus an die Beklagten. Bei seinem Auszug ließ er Teile seines eigenen Hausrats zurück, die sodann von den Beklagten genutzt wur-
den. Nachdem die Beklagten die Mietzinszahlungen ab April 1994 eingestellt hatten, kündigte der Kläger das Mietverhältnis fristlos und erstritt ein Versäumnisurteil auf Räumung und Mietzinszahlung. Im Rahmen der Zwangsvollstrekkung wurde am 27. März 1995 festgestellt, daß die Beklagten bereits ausgezogen waren und keinerlei Hausrat zurückgelassen hatten. Die Beklagten haben zunächst bestritten, alle vom Kläger behaupteten Hausratsgegenstände in Besitz genommen zu haben. Die übernommenen Gegenstände seien teilweise defekt gewesen und deswegen auf Veranlassung des Klägers entsorgt worden, teilweise seien sie von ihm nach D. geholt, teilweise Dritten überlassen und von diesen abgeholt sowie teilweise den Beklagten zum Ausgleich einer Darlehensschuld übereignet worden. Dabei handle es sich um zehn noch vorhandene Hausratsgegenstände, deren vom Kläger angegebener Wert von den Beklagten zugleich bestritten wird. Das Landgericht hatte die Beklagten zunächst verurteilt, an den Kläger 86.090 DM nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen, weil die Schadenshöhe ohne hinreichend greifbare Anhaltspunkte ermittelt worden sei. Daraufhin hat das Landgericht den Parteien aufgegeben, ergänzend zum Zeitwert der betreffenden Gegenstände Stellung zu nehmen. Auf der Grundlage des weiteren klägerischen Vortrags hat es die Beklagten erneut verurteilt, an den Kläger 86.090 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die erneute Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht im wesentlichen zurückgewiesen; es hat lediglich den Urteilstenor dahingehend umgestellt, daß die Beklagten verurteilt werden, an den Kläger die zehn noch vorhandenen Hausratsgegenstände herauszugeben, ersatzweise an ihn 15.000 € nebst Zinsen zu zahlen sowie an den Kläger weitere 26.610,61 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich
die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Zulassung der Revision und im Ergebnis weiterhin Klagabweisung begehren.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im übrigen zulässig (§§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie ist auch begründet, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung Teile des unter Beweis gestellten Sachvortrags der Beklagten übergangen und damit deren rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist deswegen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich (zur Zulassung der Revision vgl. BGH Beschlüsse vom 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03 - unveröffentlicht, vom 15. Februar 2005 - XI ZR 21/04 - unveröffentlicht, vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03 - insoweit in FamRZ 2005, 700 nicht abgedruckt, vom 24. Februar 2005 - VII ZR 340/03 - BauR 2005, 908, vom 21. April 2005 - I ZR 88/04 - unveröffentlicht und vom 25. Mai 2005 - III ZR 380/04 - unveröffentlicht; Zöller/Gummer ZPO 25. Aufl. § 544 Rdn. 19; vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 15/3706 S. 17, wonach der Bundesgerichtshof in den Fällen entscheidungserheblicher Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Berufungsinstanz einer hierauf gestützten Nichtzulassungsbeschwerde stattzugeben hat und § 544 Abs. 7 ZPO ihm zur Beschleunigung des Verfahrens und zur Entlastung die Möglichkeit einräumen soll, "in dem der (Nichtzulassungs-) Beschwerde stattgebenden Beschluß" das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen). Wegen des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör kann das Revisionsge-
richt nach der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Vorschrift des § 544 Abs. 7 ZPO - eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) - das angefochtene Urteil zugleich aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen (so im Ergebnis auch in den die Zurückverweisung tragenden Gründen BGH Beschlüsse vom 5. April 2005 - VIII ZR 160/04 - BB 2005, 1248, vom 14. April 2005 - V ZR 152/04 - unveröffentlicht, vom 3. Mai 2005 - VI ZR 206/04 - unveröffentlicht und vom 31. Mai 2005 - XI ZR 90/04 - unveröffentlicht). 2. Die Beklagten rügen zu Recht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Verfahren des Berufungsgerichts. Das Berufungsgericht hat es bewußt abgelehnt, zu mehreren Behauptungen der Beklagten den dafür angebotenen Beweis zu erheben, weil der Sachvortrag nicht hinreichend schlüssig sei. Das verletzt die Verfahrensgrundrechte der Beklagten, weil ihr Beweisvortrag erheblich und hinreichend substantiiert ist.
a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klaganspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Solches kann allenfalls dann bedeutsam werden , wenn der Gegenvortrag dazu Anlaß bietet. Das bedeutet aber entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht, daß derjenige, der ein Recht beansprucht , schon deshalb, weil der Gegner bestreitet, gezwungen ist, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben. Dem Grundsatz, daß
der Umfang der Darlegungslast sich nach der Einlassung des Gegners richtet, liegt nicht etwa der Gedanke zugrunde, ein Kläger sei zur Förderung der Wahrheitsermittlung und zur Prozeßbeschleunigung verpflichtet, den Gegner in die Lage zu versetzen, sich möglichst eingehend auf die Klagebehauptungen einzulassen. Der Grundsatz besagt vielmehr nur, daß dann, wenn infolge der Einlassung des Gegners der Tatsachenvortrag unklar wird und nicht mehr den Schluß auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zuläßt, er der Ergänzung bedarf (BGH Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 - NJW 1984, 2888). Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Zeugenbeweises ist darüber hinaus nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, daß ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmißbrauch darstellen. Zu einer näheren Darstellung kann eine Partei allerdings dann gezwungen sein, wenn die Gegenpartei ihre Darstellung substantiiert angreift. Denn der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung des Sachvortrags bestimmt sich aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH Urteil vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97 - NJW 1999, 1859).
b) Gegen diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht in mehreren Punkten verstoßen. Das gilt insbesondere für den folgenden Vortrag:
aa) Die Beklagten haben vorgetragen, der Kläger habe ihnen die im Haus zurückgelassenen Gegenstände "zur Schuldentilgung" überlassen, also wohl übereignet. Dazu haben die Beklagten im einzelnen unter Beweisantritt Zahlungen für den Kläger vorgetragen und zwar an dessen namentlich benannten Steuerberater, an die Gemeindewerke H., an die Vollstreckungsstelle des Finanzamts H. und an das Finanzamt E. Während sich der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Zahlungen an die Landesbezirkskasse I. durch dessen Auskunft vom 29. Juli 1998 als unzutreffend herausgestellt hat, ist das Berufungsgericht den weiteren Beweisangeboten nicht nachgegangen. Indem es dieses Vorgehen damit begründet, es fehle den angeblichen Zahlungen jegliche Konkretisierung , hat es den Vortrag der Beklagten nicht hinreichend ausgeschöpft. Die weitere Begründung, der Vortrag lasse "insbesondere einschlägige Belege vermissen", kann das Absehen von der Beweisaufnahme schon deswegen nicht begründen, weil es sich dabei nicht um die Schlüssigkeit des Vortrags, sondern um zusätzliche Beweisanzeichen handelt. Die von den Beklagten behaupteten Zahlungen auf Verbindlichkeiten des Klägers sind wiederum nicht unerhebliche Indizien für die behauptete Eigentumsübertragung. bb) Hinsichtlich der nach ihrem Vortrag nicht mehr vorhandenen Gegenstände haben die Beklagten unter Beweisantritt behauptet, der Kläger habe die - jeweils konkret benannten - Gegenstände selbst abgeholt bzw. entsorgt, an Dritte übereignet, die diese dann abgeholt hätten, und die Beklagten angewiesen , beschädigte und unbrauchbare Gegenstände zu entsorgen. Weitere konkret benannte Gegenstände seien im Haus zurückgeblieben bzw. stünden ohnehin nicht im Eigentum des Klägers, sondern der P. Beteiligungs- und Vermögensverwaltungs GmbH (Schriftsatz vom 8. Oktober 2001 S. 5 ff.). Dieser Vortrag ist entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts hinreichend individualisiert. Daß dieser neue Vortrag der Beklagten teilweise ihrem früheren Vortrag widerspricht, kann zwar einen nicht unwesentlichen Gesichtspunkt im Rah-
men der Beweiswürdigung bilden. Es käme aber einer vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich, die von den Beklagten angebotenen Beweise im Hinblick darauf nicht zu erheben. Die Beklagten hatten nämlich schon im dem Schriftsatz vom 8. Juni 2000 behauptet, die von ihnen benannten Zeugen seien bei den "Abholaktionen" zugegen gewesen und hätten "jeweils mit angepackt". Soweit das Berufungsgericht gleichwohl "jeglichen Aufschluß" dazu vermißt, inwieweit die vier benannten Zeugen zu den behaupteten diversen Vorgängen etwas bekunden können, hat es diesen Vortrag offensichtlich übergangen. cc) Letztlich hat das Berufungsgericht auch die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes nicht ohne Rechtsverstoß ermittelt. Bei der Wertermittlung hat es sich im wesentlichen auf die vom Kläger gefertigte Aufstellung der entwendeten Gegenstände gestützt, die mit einem Gesamtwert von 86.590 DM abschließt, weil diese "erheblich realistischer" sei, als die später erteilte Inventarliste mit einem Zeitwert von insgesamt 135.280 DM. Schon die bloße Anknüpfung an den bestrittenen Vortrag des Klägers bildet trotz der Beweiserleichterung nach § 287 ZPO keine hinreichende Grundlage für die Wertermittlung durch das Berufungsgericht. Im übrigen hat das Berufungsgericht auch insoweit den unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten übergangen, die Wertansätze des Klägers seien durchgehend weit übersetzt und mit weit weniger als der Hälfte der angesetzten Beträge zu bemessen. Jedenfalls die noch vorhandenen Gegenstände könnten durch einen Sachverständigen begutachtet werden.
3. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden, weil das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten übergangen hat und es deswegen weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Das Berufungsgericht wird deswegen den unter Beweis gestellten Behauptungen der Beklagten weiter nachgehen müssen.
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(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

22
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu beanstanden , dass das Berufungsgericht eine andere Schätzungsgrundlage gewählt hat als das Amtsgericht. Das Berufungsgericht kann im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entscheidung auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) den Prozessstoff auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts selbständig nach allen Richtungen von neuem prüfen und bewerten. Selbst wenn es die erstinstanzliche Entscheidung zwar für vertretbar hält, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend , darf es nach seinem Ermessen eine eigene Bewertung vornehmen (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2006 - VI ZR 46/05, VersR 2006, 710 Rn. 29 f.; BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, 86 ff.; OLG Brandenburg, VersR 2005, 953, 954; OLG Köln, OLGR Köln 2008, 545, 547; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2008 - I-1 U 98/07, juris Rn. 45; OLG Jena, SVR 2008, 464; OLG Köln, NZV 2010, 144 f.).